Geschichte des Buchdruckes in Straßburg


Dossier / Travail, 2001

27 Pages


Extrait


1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis meiner Vorbereitung für das Blockseminar in Straßburg, welches im März 2001 stattfand.

Das Thema „Die Geschichte des Buchdruckes in Straßburg“ lässt sich für sich allein gestellt kaum bearbeiten, denn das Geschehen in dieser Stadt ist, auch auf dem Gebiet Buchdruckes, von äußeren Einflüssen vielfältigster Art geprägt worden. Deshalb beginne ich zunächst mit der Vorstellung Johannes Gutenbergs, dem Erfinder des Druckes mit beweglichen Lettern, welcher auch für die Stellung Straßburgs als Druckereistadt eine wichtige Rolle spielt.

Es ist auch notwendig, die technischen Voraussetzungen für Gutenbergs Arbeit sowie die Grundzüge der von ihm angewandten Druckmethode zu erläutern. Durch die Betrachtung der einzelnen Produktionsschritte des Gutenbergschen Verfahrens werden bereits die ersten begünstigenden Faktoren für den beginnenden Kommunikationskreislauf deutlich.

Im dritten Kapitel geht es hauptsächlich um die Verbreitung des Buchdruckes in ganz Deutschland. Hierbei werde ich auf einige Faktoren eingehen, die den Siegeszug der Druckkunst begünstigten und auch dem Schaffen der Drucker außerhalb Straßburgs Rechnung tragen.

Im vierten Kapitel widme ich mich ausschließlich der Druckgeschichte Straßburgs. Da das Wirken Gutenbergs in Straßburg schon im zweiten Teil erläutert wird, gehe ich nicht nocheinmal darauf ein, sondern beginne gleich mit Johann Mentelin, dem Begründer der Straßburger Tradition. Der umfangreichste Teil besteht daraus, die Entwicklungen des 15. Jahrhunderts aufzuzeigen, da die bedeutendsten Schritte unmittelbar von den ersten Druckergenerationen gemacht wurden. Weiterhin werden die nachfolgenden Jahrhunderte, unter dem Gesichtspunkt der wichtigsten Einflüsse auf das Buchwesen, skizziert. Da Straßburg im 17./18. Jahrhundert unter französischer Hoheit steht, werde ich kurz die tiefschürfenden Eingriffe in die Freiheit der Buchherstellung aufgreifen.

Abschließend möchte ich bemerken, dass viele Buchhistoriker die Herkunft der Werke und die Beziehungen der Drucker untereinander über typographische Untersuchungen darstellen und zu erforschen suchen. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich darauf verzichtet, verschiedene Schriftarten und ihren Werdegang zu untersuchen, da einzelne fragwürdige

Inkunabelwerke, deren Herkunft immer noch ein Streithema ist, für den Verlauf der Druckereigeschichte, wie ich sie darstellen möchte, weitgehend irrelevant ist. Zur Veranschaulichung der Straßburger Druckkunst und der Geschichte des Buchdruckes allgemein befinden sich im Anhang einige Tafeln, die aus verschiedenen Werken stammen.1

2. Johannes Gutenberg - der Wegbereiter für ein neues Medium

Das Leben des Johannes Gensfleisch zum Gutenberg, so der vollständige Name, gibt Historikern noch heute Rätsel auf. Weder sein Leben lässt sich lückenlos nachvollziehen, noch lässt sich rekonstruieren, wie er experimentierte und arbeitete; keine seiner Werkstätten in Mainz oder gar eine frühere Arbeitsstätte sind heute noch erhalten.

Von Gutenberg existiert kein exaktes Geburtsdatum oder ein Geburtsort und auch sonst gibt es nur lückenhafte Quellen über seinen Lebensweg. Über seine Ausbildung, die ihn ja später zum Drucken befähigt haben muss, kann ebenfalls nur spekuliert werden. Es gibt nicht ein gedrucktes Werk, welches Gutenberg selbst als Drucker ausweist und dennoch besteht die feste Überzeugung, dass Gutenberg der Erfinder eben jener neuartigen Technik ist.2

Ein weiterer Historikerstreit besteht darin, dass selbst der Ort und das Jahr der Erfindung des Buchdruckes nicht zweifellos feststellbar sind.

Das Jahr 1440 wird allgemein als das Jahr der Erfindung angesehen, was bedeuten würde, das der Druck in Straßburg erfunden worden sein muss, denn zu dieser Zeit hielt sich Gutenberg nachweislich dort auf. Allerdings gibt es auch Gründe zu der Annahme, dass die entgültige Fertigstellung des Gutenbergschen Druckverfahrens doch erst zehn Jahre später in Mainz geschehen ist. Beide Theorien werden werden aus Gutenbergs angenommenem Lebensweg und seinem Umfeld hergeleitet.

Deshalb folgen zunächst einige biographische Daten, die teilweise auf Theorien beruhen.

2.1. Biograpisches Konzept eines Erfinders

Als Geburtsdatum Gutenbergs kommt jeder Termin zwischen 1394 und 1404 in Frage. Da seine Eltern Mainzer Bürger waren, gibt es Grund zu der Annahme, dass er selbst auch dort geboren wurde.

Das erste Mal wurde er 1420 in einem Dokument benannt, in welchem es um einen Erbschaftsstreit geht. Bis 1427/28 ist sein Aufenthalt in Mainz belegt, doch erst 1434 gibt ein weiteres Dokument an, dass sich Gutenberg inzwischen in Straßburg befindet. Dort hat er sich in dem Stadtteil St. Arbogast niedergelassen,was dafür spricht dass er finanziell abgesichert ist. Es ist ein Projekt mit Namen „Aventur und Kunst“ bekannt, an dem er zu dieser Zeit arbeitete. Jedoch ist nicht klar, inwieweit diese Arbeit mit dem Druck zu tun hatte. Um 1438 wird eine Gesellschaft zur Herstellung von Heilsspiegeln gegründet, und zwar von dem Vogt der Straßburger Enklave Lichtenau, Andreas Dritzehn, Andreas Heillmann und Gutenberg selbst. Auf Grundlage dieser Gesellschaft müssen weitere Arbeiten angestrengt worden sein, die schon mit der Erfindung der beweglichen Lettern zu tun gehabt haben könnten. Jedoch sind diese Arbeiten sehr schwer nachzuvollziehen, da von allen Teilnehmern strenge Geheimhaltung über die Inhalte gewahrt wurde. Gefestigt wird die Annahme einer ersten Phase des Druckens dadurch, dass bei Dritzehn eine Presse gestanden hat, die der Drechsler Konrad Saßbach ebenfalls 1438 hergestellt hatte. Fraglich ist, ob es sich dabei um eine Druckerpresse gehandelt hat. Ein Goldschmied gibt an, dass er für Gutenberg „das zum Drucken gehöret“ hergestellt hätte. Bei seinen Ausführungen verwendet er ausserdem Termini, die spekulieren lassen, dass Gutenberg bereits mit beweglichen Lettern experimentierte. Schlüssige Dokumente über den Stand seiner Arbeit sind aus der Straßburger Zeit jedoch nicht überliefert und keiner von den Teilhabern der o.g. Gesellschaft trat je als Drucker in Erscheinung. Am 22.01.1444 wird Gutenberg zuletzt in Straßburg erwähnt. Die nächsten vier Jahre sind völlig unbekannt, doch 1448 hält er sich wieder in Mainz auf. Wie schon erwähnt, geht die Forschung davon aus, dass zu jenem Zeitpunkt der Druck mit beweglichen Lettern, zumindest in seiner Konzeption, bereits von Gutenberg erfunden worden war.

Bis zu dessen Tode sind von Gutenberg lediglich Schuldner- und Gläubigerurkunden erhalten, die seine Geldnot verdeutlichen.3 Gerade diesem Umstand, dass Gutenberg Schulden hatte, ist vermutlich die Ausbreitung und Vermarktung des Buchdruckes zu verdanken. Das bedeutendste Schuldnerverhältnis war wohl das zu Johann Fust, Geldgeber und Teilhaber Gutenbergs aus der Mainzer Zeit um 1455. Schliesslich taucht Fust später selbst als Drucker auf, der nachweislich Gutenbergsche Technik und Typen (Schriftarten) verwendete. Es besteht die Annahme, dass Gutenberg seine Schuld durch die Abtretung von Arbeitsmaterial und Druckrechten beglich.

Nach dem Tode Gutenbergs 1468 schreibt der Mainzer Stadtjurist Dr. Humery Quittungen, die bestätigen, dass sich im Nachlass eine Druckwerkstatt und entsprechendes Werzeug befunden haben.

Es ist also sicher, dass spätestens 1456 seine 42zeilige Bibel in gedruckter Form vorlag. Dieses berühmte erste Druckwerk Gutenbergs war zweibändig und hatte 1282 Seiten und eine Auflage von etwa 150-180 Exemplaren.4 Heute sind nur noch etwa 48 Exemplare, teilweise fragmentarisch, dieses Druckes erhalten. (siehe Abb. 1)

Gleichzeitig ist es auch das einzige Druckwerk, das mit Sicherheit von Johannes Gutenberg in Mainz gedruckt wurde. Auch sein erstes Meisterwerk war schon gemeinsam mit seinem Makler und Finanzier Fust und dem Kalligraphen und Gesellen Schöffer hergestellt worden, deren Wege sich erst nach dieser Produktion trennten. Bis heute ist nicht klar, wann und wo Gutenberg seine erfinderische Arbeit am Letterndruck entgültig in die Praxis umsetzte und auch nicht wo und wann er überhaupt selbst als Drucker tätig war.5

Der Kölner Drucker Ulrich Zell gibt in der anonym verfassten Kölner Chronik von 1499 an, dass Gutenberg die Idee, die Konzeption und die ersten Versuche im Druck mit beweglichen Lettern in Straßburg und nicht in Mainz gemacht hätte.

Demnach ist für die vorliegende Arbeit vor allem relevant, dass Gutenberg der Erfinder der neuen Druckmethode war und das sich der Anfang der Vermarktung auf dem Schuldnerverhältnis zu Fust und Schöffer begründete.

2.2. Handwerkliche Fortschritte des Mittelalters und andere Voraussetzungen für das Wirken Gutenbergs

Dass Gutenberg der Erfinder einer neuen und revolutionären Drucktechnik war, ist unbestritten sicher, jedoch stützte auch er sich auf vorhandenes Wissen. Er machte sich dabei verschiedene technische Erfindungen und handwerkliche Vorgänge zunutze, die aus Zweigen des mittelalterlichen Handwerkes stammen.

Der Buchdruck an sich war bereits vor Gutenberg existent. Die Vorstufen waren Siegel- und Stempeldruck. Abgesehen davon, dass in Ländern wie China schon um 1000 mit Tonlettern oder mit Bronzestempeln in Korea seit Ende des 14. Jahrhunderts gedruckt wurde, verwendete man dieses Medium der Buchherstellung ebenfalls schon in Europa. Seit den Kreuzzügen wurde der sogenannte Zeugdruck verwendet.

Vorläufer des Gutenbergschen Druckes war der Tafeldruck in den Blockbüchern. Es wurden meist hölzerne Druckstöcke verwendet, auf die die Gesamtheit von Text und Bild übertragen und anschließend mit einem Reiber auf das Papier gebracht wurde.Das hatte den Nachteil, dass für jede Seite oder jedes Buch eine neue Tafel komplett neu hergestellt werden musste. Das machte die Vervielfältigung zu einem langwierigen und teuren Prozess. Auch die Methode Gutenbergs war nicht wenig zeit- und geldintensiv, aber wesentlich produktiver. Die erste Neuerung findet sich bereits in der Verwendung der verschiedenen Metalle, um einen Druck anzufertigen. Jedoch ist dieser Fortschritt im Materialverbrauch schon viel eher festzustellen.

Zunächst begann der technische Umschwung nämlich auf ganz anderen Gebieten, denn Metall setzte sich gegenüber Holz immer mehr als Arbeitsmaterial durch. Angefangen von Essgeschirr, über Arbeitsgeräte, bis hin zur Kunst entstanden so widerstandsfähige Konstruktionen. Diese handwerkliche Erweiterung ist sicherlich eine der Grundlagen für Gutenbergs Konzept, denn im ausgehenden Mittelalter finden sich zahlreiche Nachweise für die Schaffenskraft der Handwerker.

Die 1392 im Straßburger Münster errichtete „Astronomische Wunderuhr“ ist solch ein Kunstwerk und wird gern als Inspiration für Gutenberg gewertet, denn sie ist ein Beispiel für die schöpferische Tätigkeit der Kunsthandwerker mit dem Werkstoff Metall, (Bogeng: „Geschichte der Buchdruckerkunst“; Teil 1) und man könnte annehmen, dass Gutenberg sehr beeindruckt von selbiger war.

Weiterhin hat sich Gutenberg insbesondere vom Goldschmiedehandwerk beeinflussen lassen, denn ähnlich wie er später Buchstaben in seine Stempel gravierte, stellten die Goldschmiede Inschriften in die verschiedensten Metalle her.6 Die Druckerpresse selbst ist analog zu den Pressen der Weinbauern entstanden, wobei der Charakter der Spiegelung vom Muster zum fertigen Druck von den vorherigen Druckstöcken aus Holz übernommen wurde. Ein sehr bedeutender Umschwung liegt natürlich auch in der Verwendung von Papier für gedruckte Bücher anstatt des für Handschriften üblichen Pergamentes. Der größte Vorteil lag beim Papier im Preis, denn so konnten Inkunabeln weit billiger verkauft werden, als die auf Pergament geschriebenen Werke. Die erste Papiermühle wird bereits für 1390 in Nürnberg erwähnt, jedoch gab es bis 1450 nur 10-12 solcher Werkstätten im deutschen Reich. Eine davon befand sich auch in Straßburg. (Bogeng I ) Die Produktion des Papiers und das Gewerbe der Druckkunst verhalfen sich also gegenseitig zu großer Blüte. Gutenbergs Leistung liegt also nicht in einer vollkommenen Neuerfindung, sondern in einer geschickten Kombination von schon bekannten und neuen Elementen. Seine Weiterentwicklung des Druckverfahrens bestand in der Verwendung von Lettern, die sich je nach Bedarf zusammensetzen ließen und somit eine Art Druckstock bildeten, welcher aber auch wieder auseinandergenommen werden konnte um ihn für eine neue Vorlage erneut zu verwenden. Im Folgenden werde ich sowohl den Ablauf dieses Verfahrens, als auch die Bedeutung für die Buchherstellung verdeutlichen.

2.3. Die Produktivität und technische Grundlinien des Gutenbergschen Verfahrens

Es wird für die Vervielfältigung von Büchern und die Produktivität dieses Vorgangs folgendes ersichtlich:

Im hohen Mittelalter musste jedes Buch einzeln von einem Schreiber abgeschrieben werden, was sehr zeitintensiv war und ausserdem vom Können eines einzelnen Schreibers abhing. Somit war die Vervielfältigungrate 1:1. Zudem waren die Handschriften meist Auftragswerke, die als Kunstwerke gehandelt wurden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur Zeit der Druckstöcke mit den Vorlagen für einzelne Seiten der Werke, war natürlich die Vervielfältigung endlos möglich, jedoch erst nach der Herstellung einer originalgetreuen Vorlage. Die Vervielfältigungspyramide (Raabe: „G.-550 Jahre...“; S. 10) wurde also um einen Schritt erweitert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

beliebig viele Druckwerke

Wie schon erwähnt, initiierte Gutenberg die Verwendung von beweglichen Lettern. Das bedeutet, dass er den Vorgang der Vervielfältigung technisierte und so „Massenmedien von gleichbleibender Qualität“ möglich machte. (Raabe; S.10)

Gutenberg schaffte die „Produktion identischer Werkstücke mit einer Präzision, die für das Industriezeitalter typisch ist, nicht aber für mittelalterliche Produktionsformen“.7 Der Übergang vom mittelalterlichen Skriptorium zur Buchdruckwerkstatt war vollendet. Auch in diesem Falle hilft die Darstellung der Vervielfältigungspyramide, die die aussergewöhnliche Produktivität verdeutlicht. Die originale Darstellung des Schemas habe ich ein wenig geändert.8 Gleichzeitig erklärt sich die Vorgehensweise der Technik Gutenbergs.

Vorgezeichnete Buchstabenstaben werden unter Verwendung einer Spiegelung auf einen metallenen Stempel übertragen. Die dadurch entstandene sog. Patrize ist das Negativ dieses Buchstabens in einem sehr harten Metall. Durch den Einschlag der Patrize in ein weicheres Metall entsteht die Matrize, der positive Abdruck des Buchstabens. Die Matrize wird als Gussform verwendet, was eine der wichtigesten Neuerungen Gutenbergs ist. Mit einem Handgießinstrument, einer weiteren wichtigen Neuerfindung, wird flüssiges Blei in die Matrize gegossen, woraus man nach dem Erkalten die Lettern erhält, welche durch weitere Spiegelung wieder negativ sind. Je nach Text werden diese in eine Form gesetzt und unter einer Presse auf Papierbögen gedruckt. Der fertige Druck steht im positiv und ohne erkennbare Qualitätsverluste gegenüber der Patrize zur Verfügung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

unendliche Kombinationsmöglichkeiten des Letternsatzes für positives Druckwerk

Obwohl mehr Arbeitsschritte als bei der Druckstockherstellung vonnöten waren, musste diese Arbeit nur einmal getan werden, um größere Mengen von Lettern herzustellen.

Waren die sogenannten Typen einmal gegossen, konnte man sie immer wieder verwenden, mit anderen Lettern beliebig kombinieren und sich auf den reinen Vorgang des Druckens konzentrieren.

3. Der erste Siegeszug der „Schwarzen Kunst“

Die Erfindung des Druckes mit beweglichen Lettern allein konnte den Medienumschwung selbstverständlich nicht auslösen. Vielmehr gab es eine Reihe von Bedingungen und Einflüssen, die daran beteiligt waren, den Buchdruck zu einer Informations- und Kommunikationstechnologie mit Massenmediumscharakter zu machen. Auf diese Faktoren und die Ausbreitung des Buchdruckes über Europa soll im folgenden Abschnitt eingegangen werden.

3.1. Die Vermarktung des Buchdrucks und die Ausbreitung eines freien Gewerbes

Anfänglich hatte Gutenberg seine Arbeit geheimgehalten und dies auch von seinen Mitarbeitern verlangt, jedoch begann er später seine Erfindung zu vermarkten. Ob dies visionären Gedanken über Buchverbreitung für das ganze Volk entsprang oder aber seiner Geldnot, ist nicht sicher. Man nimmt letzteres an, da die von Gutenberg gestaltete Urtype - die erste von ihm verwendete Schriftart - auch bei seinem Gläubiger Fust zu finden ist. Ich hatte bereits erwähnt, dass Gutenberg wohl nicht nur Typenmaterial und Werkzeug, sondern wahrscheinlich auch Druckrechte an Fust übergeben musste.

1457 wird der „Mainzer Psalter“ fertiggestellt, der eben diese Urtype aufweist und in dem als Drucker Johann Fust und sein Stiefsohn Peter Schöffer erscheinen.

Die Urtype wird auch Kalender- und Donattype genannt, da sie in erster Linie als Schrift dieser Druckwerke bekannt wird.

Bereits vor 1461 erscheint noch ein weiteres Werk in dieser Schrift von dem Bamberger Drucker Albrecht Pfister, dem Gutenberg wohl ebenfalls einiges an Material überlassen hatte.9

Es gibt weitere Untersuchungen typographischer Art, die den Ausbreitungsweg der Urtype und nachfolgenden Schriftarten der ersten Generation nachzuweisen versuchen. Doch diese sind noch immer umstritten und sollen hier außer acht gelassen werden.

Sowie die Vermarktung von mehreren Seiten begonnen hatte, kam noch ein anderer begünstigender Faktor hinzu: das Konkurrenzdenken.

Gutenberg selbst musste seine Druckwerke, auch Inkunabeln genannt, verbreiten und vermarkten um nicht Fust und Schöffer allein die Geschäfte in Mainz zu überlassen. Schon war das Vorhandensein der neuen Technologie weit über Mainz hinaus bekannt geworden. Das hatte zur Folge, dass der Beruf des Druckers viele Lehrlinge anlockte. In Mainz versuchten Fust und Schöffer noch immer, das Geheimnis des Verfahrens zu wahren. Ihre Konkurrenz jedoch ging wesentlich freizügiger damit um, indem sie nicht nur das Wissen an Schüler weitergab, sondern sogar fertige Typenapparate verkaufte. (Bogeng I) Nachdem die Schüler ihre Ausbildung beendet hatten, zogen sie meist weiter um in einer anderen Stadt Druckereien zu eröffnen.

Nachfolgend einige Beispiele, wie solche Schüler die Ausbreitung des Druckes in ganzen Städten und Regionen begründeten. Eines davon ist die Entwicklung des Buchdruckes in Frankreich. Der französische Kaiser Karl VII. schickte bereits 1458 den Münzstempelschneider Nicolaus Jensen direkt zu Gutenberg, da er von der neuen Kunst gehört hatte. Jensen zog nach Beendung der Ausbildung weiter und 1470 wird an der Sorbonne die erste französische Druckerei gegründet, der schnell zahlreiche Neugründungen im gesamten französischen Sprachgebiet folgten. In Italien wurde seit 1465 gedruckt, wobei Venedig ab 1469 zur bedeutendensten Druckstätte Europas wurde. (Unilex)

Der bereits erwähnte Drucker Albrecht Pfister hatte die Bamberger Werkstatt bereits 1459 gegründet und legte den Grundstein für eine wichtige Stätte der deutschen Druckkunst. Ein anderer Schüler Gutenbergs war Heinrich Eggestein, der sich vermutlich ab 1454 bei Gutenberg aufhielt und 1457 nach Straßburg ging, um dort mit Johannes Mentelin zu arbeiten. Mentelin gilt als der Prototypograph in Straßburg und ebnete dem Druck in dieser Stadt den Weg. Auf die Arbeit Mentelins als den Begründer des Straßburger Druckes werde ich in Abschnitt 4.1.1. genauer eingehen.

Auch in Nürnberg wurde 1469 die erste Druckerei eröffnet.

Da das Druckgewerbe weder in fürstlicher Hand lag noch instituionell gebunden war, konnte es sich gemäß des Buchhandels und des Bedarfes an Büchern ausbreiten. (vgl. Abschnitt 3.2.) „Von Westdeutschland führten die Kulturbrücken nach Frankreich und den Niederlande; Süddeutschland verband der Handel mit Italien. Demgemäß lagen die Dichtigkeitsgebiete des Druckereigewerbes im Westen und Süden des Reiches.“10

Anders ausgedrückt heißt das, Straßburg gehörte, neben Köln, Basel, Augsburg Nürnberg und Leipzig, zu den sechs Hauptorten der Inkunabeldruckerei.

Zwei Drittel der 10000-15000 deutschen Frühdrucke stammen aus diesen Zentren und allein im 15. Jahrhundert waren ca. 28 Druckereien in Straßburg tätig.

Das Buchwesen wurde im 15. Jahrhundert zunächst noch vom Drucker allein getragen, welcher eine enge persönliche Bindung zu seinem Betrieb innehatte.(Bogeng I) Selbstverständlich kannte er den gesamten technischen Ablauf des Druckens und war selbst Gestalter von Schrifttypen. Doch sein Aufgabengebiet umfasste alle Bereiche des Buchwesens. Er war auch verantwortlich für die Vermarktung. Die Geschäftsbeziehung lag zwischen dem „Hersteller“ des Buches und dem „Käufer“. Der Drucker war also außerdem Verleger und Händler seiner Ware, der Inkunabeln.

Erst am Ende des 15. Jahrhunderts trennten sich diese Aufgaben, wobei der Vorreiter dieser Differenzierung Italien war. Der Verleger übernahm zunächst alle Kosten für die Herstellung eines Buches und da nun der Drucker nicht erst verkaufen musste, um genügend finanzielle Mittel für seine Arbeit zur Verfügung zu haben, wurde er zu einer Art Auftrags- und Lohnarbeiter. Der Buchhandel wurde ein ganz eigenständiger Zweig des Buchwesens. Der Buchhändler kaufte die Ware auf und verbreitete sie auch außerhalb des Gebietes ihrer Herkunft. Somit war gesichert, dass auch „ortsfremde“ Werke überall zu haben waren. Schon damals begannen einige Buchhändler Export und Import zu betreiben, was erstens der Ausbreitung von Literatur diente aber natürlich auch finanziell reizvoll gewesen sein muss. Die neue Macht, das Wort, wurde in sämtlichen öffentlichen Bereichen eingesetzt. Sowohl die Kirche versuchte mit Hilfe gedruckter Bücher den Glauben des Volkes zu festigen als auch fürstliche Drucke, die jedoch nicht so bedeutend waren, wurden in Auftrag gegeben. Selbst die Wortführer der Reformation verwendeten Bücher und Schriften als Waffe im Kampf für ihre Sache. (vgl. 3.3.)

Doch auch die Ausbreitung der Bücher ging manchmal über das Ziel hinaus, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen:

Der Buchdruck und der Buchexport sollten in den Dienst der Christianisierung gestellt werden. König Johann II. hatte 1494 zwei Drucker, von denen einer aus Straßburg stammte, auf die Reise zu einer Insel im Golf von Guinea geschickt, mit dem Ziel, sowohl gedruckte Bücher als auch das Wort Gottes vor Ort zu verbreiten. Jedoch wurde von den beiden nach Antritt ihrer Mission nichts mehr gehört.

Ähnlich ging es einem Drucker, der ebenfalls 1494 aufbrach, um eine Druckerei im vom Buchwesen noch unberührten Novgorod (Russland) zu gründen. Weder ist nachweisbar, dass der Zar ihn dort hin beordert hatte, noch ist wieder etwas von ihm bekannt geworden. (Halbey „Inkunabelkunde“) Wie man an diesen beiden Fällen sieht, gab es wohl zwei Gründe, die jeden Drucker oder Auftraggeber bewogen haben mochten, eine Druckerei in einem neuen Gebiet zu eröffnen und somit die Ausbreitung des Drucks zu fördern: Der Wille zur Verbreitung einer bestimmten Ideologie und Profitdenken.

Es gab allerdings auch andere, weiterreichende und komplexere Gründe für den Erfolg des Buchdruckes in der Frühen Neuzeit. Gründe die mehr in der gesellschaftlichen, geistigen und historischen Entwicklung der Menschen lagen.

3.2. Soziale und kulturelle Voraussetzungen für den Weg vom Gewerbe zum neuartigen Kommunkationsmedium

Man könnte annehmen, dass die unter 2.2. und 2.3. erwähnten, die Preise eines Buches deutlich senkenden, Faktoren schon ausreichend waren um dem gedruckten Buch zum Durchbruch zu verhelfen. Jedoch spielen noch andere Einflüsse eine Rolle, denn hätte man die gedruckten Werke genauso behandelt und gehandelt wie die Handschriften, so wären sie wohl in genau der gleichen Stellung geblieben - ein teures Kunstwerk, das entweder nur von Institutionen oder sehr wohlhabenden Einzelnen erworben werden kann. Dazu ist wichtig, die Wege geschriebener Stücke vor und nach der Erfindung des Druckes zu vergleichen.

Schon die Produktion eines Schriftstückes unterlag institutioneller Einbindung. Lesen und schreiben konnten meist nur Mönche oder Personen im Auftrag eines Fürsten. Lesen zu können bedeutete Einweihung, genauso, wie z.B. zu kirchlichen Werken nur Geistliche Zugang hatten. Es war für den Laien fast unmöglich an ein Buch oder an Bildung heranzukommen. Sollte ein Werk nun veröffentlicht werden, so musste dies über einen langwierigen Dienstweg geschehen, denn der schreibende Mönch z.B. musste sein Werk zunächst von der übergeordneten kirchlichen Hierarchie genehmigen lassen.11 All diese Umstände waren nicht unbedingt zuträglich um grosse Mengen von Büchern einer grossen Gemeinde von Lesern zugänglich zu machen.

Zunächst begann sich aber im ausgehenden Mittelalter die Zahl der Laien, die lesen konnten durch Universitätsgründungen sehr zu erhöhen. Im Prinzip war damit der Grundstein für einen Absatzmarkt von Schriftwerken gelegt. Daher ist auch verständlich, dass die Universitätsstädte später genauso viele Drucker anzogen, wie die grossen Handelsstädte.12 Um ein Buch zu erwerben brauchte man lediglich als Käufer aufzutreten und lesen zu können, andere soziale Voraussetzungen die im Mittelalter noch galten verfielen immer mehr. Wie schon erwähnt, war der Buchhandel keiner Institution unterworfen, sondern funktionierte lediglich nach dem Prinzip des Verkaufes und der schnellen Ausbreitung. Somit bedingten sich Angebot und Nachfrage auf dem Buchmarkt gegenseitig: Je mehr Bücher produziert wurden, desto mehr Menschen konnten Bücher besitzen und die Drucker konnten wiederum mehr produzieren. Die Verbreitung und der Stellenwert des Buchdruckes als Kommunikationsmedium resultierte also aus einem Wirtschaftskreislauf. Man spricht von der Wirkung des Buchdruckes als eine frühneuzeitliche Medienrevolution, was auch durchaus nachvollziehbar wird, denn nicht nur Verkauf und Kauf sind neue Erscheinungen. Schließlich wird zusammen mit einem Werk auch Information verbreitet, was bedeutet, dass Informationen zu einer Ware werden. Jeder der es sich leisten konnte, war auf einmal in der Lage, seine Gedanken nicht nur aufs Papier sondern auch unter eine große Anzahl von Lesern zu bringen.Der gesamte Informationskreislauf wird schneller und somit verändert sich auch das Weltbild der Lesenden. Gerade im Zeitalter der Entdeckung Amerikas oder des Umschwunges des Kirchenwesens wird deutlich, dass viel mehr Menschen teilhaben konnten. Die Menschen konnten Erfahrungen aus zweiter Hand machen, und waren nicht mehr gezwungen, Reisen selbst zu machen oder darauf angewiesen, dass jemand ihnen von anderen Plätzen der Welt erzählte. Das Interesse an fremden Ländern und Kulturen wird vom regen Absatz der Atlanten und Reiseberichte bewiesen. (vgl. 4.2.) Oder das Beispiel der Nachrichtenverbreitung: In der mittelalterlichen Gesellschaft erfuhr der Nicht-lesen-Könnende durch Erzählungen, Augenzeugenberichte oder Schauspiele und fahrende Spielleute von den Begebenheiten der jüngst vergangenen Zeit. Nun konnte man sich auf das gedruckte Wort stützen, um informiert zu werden.

Einen Streitpunkt ist noch immer die Rolle der Reformation. Wird sie erst dadurch möglich, dass Luther seinen Disput durch Drucke der Öffentlichkeit zugänglich macht oder wird durch das Interesse an den Auseinandersetzungen erst der Buchdruck zu seiner noch heute vorhandenen Stellung gebracht? (vgl. 3.3.)

Fest steht, dass für damalige Zeit eine revolutionäre Möglichkeit der Informationsverbreitung und -zugänglichkeit geschaffen worden war, was wohl auch einen Faktor für die umwälzenden gesellschaftlichen Ansichten und geistigen Bewegungen der nachfolgenden Jahrhunderte darstellt.

Sprachgeschichtlich betrachtet sollte man erwähnen, dass gerade durch den wachsenden Informationsaustausch auf nationaler Ebene, die Vereinheitlichung der deutschen Schriftsprache gefördert wurde. Obwohl noch längst keine Rede von einer einheitlichen deutschen Sprache sein konnte, war es dennoch vonnöten, dass man Bücher druckte, die überregional verständlich waren.

Auch die Tendenz zu volkssprachlicher Literatur wird im Zuge des Buchwesens sichtbar. Die bis dahin geltende Universalsprache Latein beginnt zu verfallen, was natürlich lange Zeit in Anspruch nahm.

3.3. Die Reformation als Grundlage oder als Folge des Buchdrucks?

Einleitend läßt sich sagen, dass die Quellenlage der theologischen Literatur im 16. Jahrhundert sehr lückenhaft ist. Die Druckwerke aus der Zeit der Reformation bestanden nicht nur aus dem Disput zwischen Luther und dem Papst, sondern auch verwandte Literaturbereiche wie Gesangbücher oder Kirchenordnungen oder die unzähligen Einblattdrucke aus verschiedenen Bereichen bilden einen wichtigen Bestandteil der Druckkultur. Leider gingen die meisten dieser Werke verloren.13

Die Bedeutung des Buchdruckes in der Reformationszeit ist in „erster Linie für die Verbreitung der reformatorischen Ideen, daneben aber doch auch - in gesteigertem Maße nach der Wiederherstellung der katholischen Kirche - als Träger der gegenreformatorischen Bewegung.“14

Die Frage ist nun: Hat die Reformation nur stattfinden können, weil der Buchdruck als neues Medium in die Öffentlichkeit gelangt war, und Luther seine Thesen und Predigten so den Lesern zugänglich machen konnte? Resultierte die Reformation in erster Linie aus der tragenden Masse der Leser, die zur eigentlichen Durchsetzungen der Lutherischen Thesen führte?

Oder hat Luther die Stellung des Buchdruckes im Informationskreislauf erkannt und ausgenutzt. Ist durch den regen Informationsaustausch während der Reformation erst die Stellung des neuen Mediums gefestigt worden, und hat den Buchdruck zu dem gemacht, was er heute ist?

Mit Sicherheit gibt es hier keine eindeutige Antwort, denn diese beiden Erscheinungen der Frühen Neuzeit haben sich wahrscheinlich gegenseitig beeinflusst und bedingten sich untereinander.

„In einem geradezu eruptiven, wechselwirksamen Prozess machte einerseits die reformatorische Bewegung das gedruckte Buch zum Medium der postmittelalterlichen, der modernen Zeit, beförderte andererseits die Technick des Druckens mit beweglichen Lettern die Reformation zur ersten wahrhaft revolutionären Bewegung mit säkularen Konsequenzen für die abendländische Geistes- und Kulturgeschichte und die ganze Welt.“15

In der reformationshistorischen Forschung ist von Bernd Möller die Formel „Ohne Buchdruck keine Reformation“ geprägt worden, während von buchhistorischer Seite „Ohne Reformation kein (Massen)Buchdruck“ von Erdmann Weyrauch entgegengestellt wurde. Man kann also davon ausgehen, dass sowohl der Buchdruck als auch die Reformation die Ausgangspunkte der Neuzeit waren und sich gegenseitig förderten. Die neuen Ideen, Weltanschauungen oder technischen Erfindungen wären vielleicht ohne den Druck sehr verlangsamt worden oder soger zum Stillstand gekommen. Allerdings wäre das Buchwesen ebenfalls stagniert, hätten sich seine Mitglieder nicht auf die reformatorischen Werke eingelassen, was jedoch mehr eine Frage der Finanzen, denn der Ideologie gewesen sein könnte.

Die Drucke Luthers hatten schon von Anfang an eine hohe Auflage, da sie sich sehr gut verkauften. Jedoch begannen viele Drucker, die Auflagen von sich aus nochmal zu erhöhen, ohne erst zu warten, bis eine weitere gefordert wurde. Die Blütezeit des Raub- und Nachdrucks findet sich aufgrund der reformatorischen Schriften. Ähnlich erfolgreich waren Schriften von anderen reformatorischen Autoren wie Melanchton, Zwingli oder Bugenhagen. Ein Argument dafür, dass der Buchdruck ohne die Reformation nicht so populär geworden wäre, ist das Phänomen des Nachdruckes. Überall wurden die reformatorischen Schriften gedruckt und der Absatz war enorm. Somit konnten die Drucker und Verleger zu einigem Wohlstand gelangen, den sie schließlich in neue Produktionen inverstieren konnten.

Dass der Nachdruck eine Haupteinnahmequelle war, zeigt eine Beschwerde der Leipziger Buchdrucker vom 7. April 1524.16 „Die Leipziger Buchdrucker und -händler haben sich also beschwert, das sie durch das Verbot des Herzogs, reformatorische Schriften (nach denen allein Nachfrage sei) zu drucken, nachzudrucken und zu verkaufen, geschäftlich ruiniert würden. Das Verbot sei auch ganz unwirksam, da solche Schriften an mehreren Orten in der Nähe gedruckt und nachgedruckt würden und von da aus doch auch in Leipzig heimlich unter die Leute gebracht würden.“17

Luthers Werke hätten sich also ebenfalls niemals ohne das Buchwesen so schnell und weitreichend verbreiten können, was wieder ein Argument ist, dass die Reformation auf dem Buchdruck basiert. (Von den Plakatdrucken der lutherischen Thesen von 1517 sind übrigens nur noch zwei erhalten geblieben. Siehe Abb. 2)

4. Die Geschichte Straßburgs als bedeutender Druckort

Da das Augenmerk dieser Arbeit vor allem auf dem Umschwung der Medien in der frühen Neuzeit liegt, besteht der ausführlichste Teil der Druckgeschichte im 15. und 16. Jahrhundert. Da jedoch auch im 17. und 18. Jahrhundert wichtige Veränderungen im Straßburger Buchwesen vonstatten gingen, werde ich auf jene in kürzerer Form eingehen. Die weitere Entwicklung der Straßburger Druckkunst nach der französischen Revolution soll weitgehend unbeachtet bleiben.

4.1. Das 15. Jahrhundert - Der Eifer der ersten Druckergenerationen

Bereits im 15. Jahrhundert kristallisierten sich in den Zentren der Buchdruckerei bestimmte Themengebiete heraus. In den Universitätsstädten wie Köln und Leipzig wurde vorwiegend lateinische Literatur in Form von Hand- und Lehrbüchern aus dem scholastisch-theologischen Bereich gedruckt.1 (Geldner: „Inkunabelkunde“)

Basel dagegen entwickelte sich zu einem Zentrum der humanistischen und patristischen Werke.2 Dass in Basel ein moderner Geist herrschte kommt unter anderem in der modernisierten Austattung der umfangreichen Druckwerke zum Ausdruck.

Obwohl Straßburg keine einheitliche Tradition der Büchererzeugung bot, herrschten hier, ähnlich wie in Augsburg, die deutschsprachigen meist mit Holzschnitten versehenen, Werke vor. Ein Beispiel für die lebhafte Volksbuchkultur in Straßburg ist der Druck des „Eulenspiegels“, eines der berühmtesten Volksbücher jener Zeit. (Mehr dazu, siehe 4.1.3. „Johann Grüninger“)

4.1.1. Johann Mentelin: Gutenbergs Nachfolger als Begründer der Druckkunst in Straßburg

Mentelin war seit 1447 Straßburger Bürger und seit ca. 1458 mit dem Drucken beschäftigt. Er war ein wohlhabender und gut angesehener Bürger, was ihm die Geschäftseröffnung sehr erleichtert haben muss. Sein ältestes Werk war eine 49zeilige, zweibändige Bibel, welche 1460/61 erschien. (Abb.3) Obwohl er bereits in seinem ersten Werk originale Typen aus eigener Herstellung, die sich durch ihre Gestaltung von den Mainzer Typen abhob, jedoch kann man davon ausgehen, dass er sein Handwerk in Mainz gelernt hatte. Im Schriftbild sind sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zu Gutenbergs Typen erkennbar. Mentelins Schriftbild weist vor allem erkennbarere Kontraste von Groß- und Kleinbuchstaben auf. Gerade die Satzanfänge werden so noch deutlicher hervorgehoben, als in Gutenbergs Urtype, welche in erster Linie durch Gleichförmigkeit und den Charakter einer Handschrift geprägt ist. Allein auf der sich im Anhang befindlichen Seite aus Mentelins „Biblia latina“ finden sich drei verschieden gestaltete Initialen, während die beiden in Abb. 1 zu findenden Beispiele ebenfalls auf gleiche Art und Weise gestaltet sind. Obwohl Mentelin also durchaus seine ganz eigene Druck- und Schriftkunst ausführt, gehen auch seine Wurzeln als Drucker auf die Gutenbergschule zurück. Auch die Geschäftskonzeption Mentelins folgte der Gutenbergs und man betrachtet die Druckkunst Mentelins gern als Brücke zwischen der Mainzer und der Straßburger Tradition. (Bogeng I) In jedem Fall sind die Drucktraditionen von Mainz und Straßburg über Gutenberg und Mentelin verknüpft.

Mentelin war im Buchwesen auf einigen Gebieten Vorreiter: Er war zunächst der Erste, der Buchanzeigen drucken ließ, was er auch konnte, da er recht wohlhabend war. Der Aushang oder die Verteilung einer solchen Anzeige sollte, genau wie heute, auf Kaufgelegenheiten von Büchern aufmerksam machen. (Rehm, M. „Das 15. Jahrhundert“) Auch anhand solcher Anzeigen, die ja eine Form der Werbung sind, wird der

Geschäftscharakter des Buchwesens deutlich. Eine seiner Anzeigen von 1471 ist noch erhalten. Er war ebenfalls der erste „der einen mittelhochdeutschen Klassiker (>Parzival< von Eschenbach, 1477) und eine Bibel in deutscher Sprache (um 1465/66) veröffentlichte.“18 Abb.

4 zeigt die letzte Seite eines „Parzival“-Druckes von 1477 aus der Mentelinschen Werkstatt.

Obwohl auf typographische Untersuchungen in dieser Arbeit weitgehend verzichtet werden soll, möchte ich erwähnen, dass bereits bei einem flüchtigen Vergleich von Abb. 3 und Abb. 4 auffällt, dass sich das Schriftbild noch mehr von der Handschrift entfernt hat, als es 1460 der Fall war. Die Großbuchstaben scheinen nunmehr den Zeilenanfang zu betonen und haben einen beinahe schmückenden Charakter.

Gerade was den Druck solcher Klassiker betrifft, besteht von den ersten Druckgenerationen bis hin in die folgenden Jahrhunderte ein reger Nachholebedarf. So werden vermehrt auch Werke aus dem Orient und der Antike gedruckt, die neben den Neuerungen der Literatur und der Geisteswelt einen großen Absatzmarkt finden.

Somit ist Johann Mentelins Stellenwert als der erste Drucker in Straßburg und Vorreiter einer sich entwickelnden Straßburger Drucktradition unbestritten festgestellt. Erst durch Johann Mentelins Schaffen, welches Adolf Rusch später fortsetzte, wurde dem Buchdruck in Straßburg überhaupt der Weg geebnet.

4.1.2. Adolf Rusch und Heinrich Eggestein - Tradition und eigener Weg

Adolf Rusch war seit 1464 bereits Mentelins Teilhaber und später dessen Schwiegersohn. Er stand in Handwerkskunst und Geschäftssinn seinem Vorgänger Mentelin in nichts nach. Er gilt als „der geschäftsgewandeteste Buchdruckerherr seiner Tage“19, wie seine weitreichenden Geschäftsbeziehungen zeigen. Er verband seinerzeit den Druck traditioneller Werke mit den Neuerungen der Literatur. Als Verleger war er nicht nur einer der ersten Förderer der humanistischen Literatur, sondern auch die Anfänge des medizinischen Druckes gehen auf ihn zurück.

Auch als Typograph hinterließ Rusch seine Spuren in der Geschichte des Druckes. Er hatte eine sehr eigene Antiqua-Type geschaffen, welche noch sehr mit Elementen der gotischen Handschriften behaftet war, und zum ersten Mal 1464 erschienen war. (Abb. 5)

Aufgrund des charakteristischen „R“ dieser halbgotischen Schriftart wurde er von seinen Zeitgenossen auch „der Drucker mit dem bizarren R“ genannt.20 Zwar hatte diese spezielle Antiqua keine weitreichende Wirkung, jedoch kann sie als der Beginn des Antiqua- Schrifttypes betrachtet werden, da sie selbst den späteren Meistern in Italien zum Vorbild wurde.

Ein weiterer Straßburger Drucker, der aus der Tradition seinen eigenen Weg formte, war der in 3.1. erwähnte Heinrich Eggestein. Er hatte sein 1440 erworbenes Bürgerrecht um 1450 bereits wieder aufgegeben, wahrscheinlich um Gutenberg nach Mainz zu folgen. Ab 1459 hielt er sich wieder in Straßburg auf, wo 1466 sein erster Großdruck, die „biblia latina“ erschien. War dieses Werk noch sehr von Fust/Schöffer inspiriert, setzte sich später auch bei ihm die Mentelinsche Schule durch. Eggestein veröffentlich 1471 das erste „volldatierte Buch mit Angaben über Drucker, Druckort und Erscheinungsjahr, das in Straßburg gedruckt wurde. In Straßburg ist dieser Brauch verhältnismäßig spät üblich geworden, während er z.B. in Mainz schon lange praktiziert wurde.“21

Auch findet man in Eggesteins drei ältesten Werken eine interessante Besonderheit. Der Druck mit roter Farbe war zwar schon bekannt, wurde aber nicht von ihm verwendet. Statt dessen lieferte er für jedes Werk spezielle Rubrikatoranweisungen mit.22 Der Rubrikator malte sowohl die verzierten Initialen am Anfang der Seite aus und schrieb auch per Hand freigelassene Stellen im Druckwerk nach, wenn diese in anderer Farbe erscheinen sollten. Da der Rubrikator unmöglich wissen konnte was an welche Stelle geschrieben werden sollte, gab man für jedes Werk eine Art Beiheft mit den Anweisungen heraus. Solche Anweisungshefte sind von Eggesteins Drucken teilweise noch erhalten.

Ein weiterer Druckerbetrieb des 15. Jahrhunderts soll mit der Georg-Husner- Verlagsdruckerei genannt werden. Husner war 1470 Straßburger Bürger geworden und gründete 1473 diese Werkstatt. Er oder sein Sohn gleichen Namens wurde 1505 in den Rat der Stadt als Vertreter der Goldschmiedezunft aufgenommen.

Die Drucker der ersten Generationen in Straßburg besaßen gemeinhin einen großen Weitblick und versuchten trotz einer Art Tradition ihren eigenen Weg zu gehen. Die Typographen schufen keinen „typischen“ Straßburger Stil sondern verwiesen mehrfach darauf, ihr eigenes Können im Schriftbild verwendet zu haben. Daher ist auch ofmals nicht ganz eindeutig, ob ein Werk nun aus Straßburg stammt oder nicht.

4.1.3. Von der Wende zur schmuckreichen Volksliteratur bis zum Verlust der Straßburger Originalität

In der ausgehenden Wiegendruckzeit setzte sich eine neue Generation von Druckern in Straßburg durch, die durch Johann Prüss und Johann Grüninger geprägt wurde. Prüss besaß eine umfangreiche Druckwerkstatt im Mentelinschen Haus am Tiergarten und hatte so die Möglichkeit mit neuen Varianten der Buchgestaltung zu experimentieren. Johann Grüninger, der 1483 sein erstes Druckwerk „Historia Scholastica“ in Straßburg veröffentlichte, wurde zum Hauptverleger der neuen Buchkunst.

Nachdem Heinrich Knoblochtzer, der seit 1478 als Drucker tätig war, den Buchschmuck und die Kunst des Buchbildes, auf der Grundlage des Metallschnittes, eingeführt hatte, entstand ein lohnender Absatzmarkt für geschmückte, deutschsprachige, volkstümliche Werke. Grüninger und Prüss verhalfen durch ihre Konzentration auf diesen Markt dem typischen Straßburger Illustrationsstil zu seiner Bekanntheit. Auch dieser Schmuckstil erinnerte stark an Metallschnitte und beinhaltete grelle Schwarz-Weiss-Kontraste, grosse Schwarzflächen und Schraffierungsstarrheit.

Ein bekanntes Werk aus dieser Tradition, welches außerdem aus der Werkstatt Grüningers stammt, ist der älteste erhaltene „Eulenspiegel“- Druck von 1515. (Abb. 6; Titelblatt) Auf jeder Seite dieses Buches findet sich eine große Illustration mit der passenden Textstelle darunter, die hier die Züge einer Bildunterschrift annehmen. Somit wird ersichtlich, welchen großen Wert man in dieser Zeit auf anschauliche Bilder innerhalb der Druckwerke legte. (Abb. 7)

Aufgrund dieser begehrten Volksbücher und der bekanntermaßen grossen Auswahl an Schrifttypen, bekamen die Straßburger Drucker zu jener Zeit sehr viele Aufträge von außerhalb der Stadt.

Obwohl in den letzten beiden Jahrzehnten sehr viele Drucker nach Straßburg kamen, wurde der Druck ab ca. 1485 eher konventionell. Die Straßburger Buchkunst verlor ihren individuellen Charakter und passte sich den anderen Drucken an. Unter den vielen Neudruckern hielt sich kaum einer über längere Zeit oder beeinflusste den Druck maßgeblich.

4.2. Das 16.Jahrhundert - die Verschiebung der Zentren des Buchwesens

Das 16. Jahrhundert war die Zeit der grossen Umwälzung mittelalterlicher Gesellschaft. Es war Straßburgs Blütezeit als eine freie Reichsstadt und so blühte am Anfang des Jahrhunderts auch der Buchdruck. Der Geist des Humanismus und später der Reformation begann die Menschen zur Bildung aufzurufen. Gleichzeitig war ein Bestreben nach nationaler Geschichte deutlich. Die Kunst drückte sich in der Renaissance aus und in England begann die Ära Shakespeares.

Dies scheinen zunächst die Voraussetzungen für die Charakteristik des 16. Jahrhunderts zu sein. Doch gerade an dem Wesen des Buchdruckes und seiner Entwicklung in dieser Zeit wird die Zwiespältigkeit dieser Epoche deutlich. Nicht nur Fortschritt und freies Denken sind der Alltag sondern auch Informationsfluten, Dispute über Glaube und Gesellschaft und nicht zuletzt Kriege.

4.2.1. Historik und Geisteswissenschaften als zentrale Themen für Druckwerke

Ein Förderer der Literatur im 16. Jahrhundert war der kunstliebende Kaiser Maximilian I., welcher einen Kreis von Humanisten um sich scharte, die Werke über die deutsche Geschichte zu verfassen begannen. Ab 1500 entstanden vermehrt geschichtsträchtige Werke, welche reich verziert und künstlerisch sehr wertvoll waren. Eines davon ist die „Germania illustrata“, die 1540 in Straßburg erschien und von zwei Wiener Gelehrten verfasst worden war. Man könnte behaupten, dass die Buchkunst so lange eine schöngeistig Kunst blieb, bis im Zuge der Reformation das (gedruckte) Wort zu einer Waffe zu werden begann.

Die Kunst selbst wurde zum Gegenstand des Buchdruckes. Dies zeigt z.B. das 1532 von Heinrich Vogtherr veröffentlichte „Kunstbüchlein“. Der Autor selbst lobte zu dem Zeitpunkt das Druckwerk als eine preisgünstige Alternative zum Reisen, um sich Kunst mit eigenen Augen anzusehen.

Es wird eine Tendenz sichtbar, dass vermehrt ältere Werke gedruckt werden, wie etwa die antiken Klassiker der Phliosophie oder Werke der Medizin, welche im christlichen Mittelalter noch streng unter Verschluss gehalten wurden. Der von Adolf Rusch begründete medizinische Druck setzt sich gerade in Straßburg noch weiter fort. 1531 erscheint der erste Druck der Gesundheitslehre des nestorianischen Arztes Ibn Butlan in lateinischer Übersetzung mit dem

Titel „Tacuinium sanitas“. Das Werk, welches bereits im 11. Jahrhundert verfasst worden war, geht schließlich 1533 in deutscher Sprache ,verfasst vom Straßburger Arzt Michael Herr, unter dem Titel „Schachtafeln“ in Druck.23

Bücher aus sämtlichen Bereichen gelangten in Massen zu Unmengen von Lesern, was nicht nur die Folge einer schnellen und weiten Verbreitung von Wissen mit sich brachte. Leider war auch eine Folge, dass das Äußere der Bücher langsam vernachlässigt wurde. Ein Buch sollte nicht unbedingt ein Kunstwerk sein, sondern einen Inhalt vermitteln. Ganz besonders im Laufe der Reformation zeigte sich das Phänomen der Raub- und Nachdrucke. Luthers Predigten wurden zuhauf verkauft und wieder gedruckt. Manchmal sehr zum Ärger Luthers, der sich mehrmals dagegen aussprach, zumal einige seiner Werke schon gedruckt vorlagen, bevor er sie veröffentlicht hatte.

Einer der wenigen Künstler, die sich mit der Buchgestaltung und der Erschaffung künstlerischer Alphabete beschäftigten, war Albrecht Dürer. Doch auch seine Bestrebungen konnten nicht verhindern, dass die Buchkunst zusehends verfiel. Der Sinn für schöne Bücher war in den Wirren von Reformation und Gegenreformation nahezu verschwunden.

Zudem verschoben sich die Zentren des Buchwesens deutlich. Die alten Druckerstädte wurden zwar nicht unwichtig aber spätestens seit der Reformation war Wittenberg die Druckmetropole schlichtweg, während Frankfurt zum Verlegerzentrum wurde.

4.2.2. Die Wiederbelebung der Buchkunst durch die Verwendung von Kupferstichen

Im letzten Viertel des Jahrhunderts beginnt man den Kupferstich zu verwenden. Obwohl er schon während des 15. Jahrhunderts bekannt war - „der erste namentlich bekannte deutsche Kupferstecher ist der [Colmarer] Maler Martin Schongauer (1450-1491)“ (Rehm, M. „Das 15. Jahrhundert“)- wird er erst jetzt in Massenproduktionen verwendet. Zunächst erscheint er lediglich als Schmuck auf einigen Titelblättern, jedoch beginnt nun der Aufschwung einer ganz anderen Art von Büchern. Es erscheinen Unmengen von geschmückten Atlanten und illustrierten Länderbeschreibungen, die die Menschen ablenken und in eine andere Welt versetzen können.

Zurückzuführen ist dies sicherlich auf die Reisen in die Neue Welt und die Neugier der Menschen nach dem Fremden.

Nun erscheint aber das andere Extrem. Bücher werden mehr zu Karten und Bildersammlungen, denn die Käufer wollen nicht mehr lesen sondern sehen. Der Inhalt oder der Text eines Werkes rückt in den Hintergrund.

4.3. Das 17. Jahrhundert - Vom Buchdruck des Barock zu den ersten Zeitungen

Im 17.Jahrhundert herrscht die Epoche des Barock, welcher Romane in den typischen Gattungen hervorbringt. Nicht nur die Handlungen oder Figuren kehren innerhalb der Gattungen immer wieder, sondern gerade die Titelkupfer sind noch heute ein wichtiger Bestandteil ihrer Botschaft.

Während Deutschland einerseits von der Aufklärung geprägt ist und andererseits der dreißigjährige Krieg seine Spuren hinterlässt, steht das Prinzip des Fürstlichen an erster Stelle. Höfische Literatur, getragen vom Absolutismus, steht im Gegensatz zur Geisteswelt und den Interessen des Volkes.

4.3.1. Die „Straßburger Relationen“ und die Notwendigkeit von Zeitungen

„...auch wenn in Basel und Straßburg bereits 1566 Mitteilungen mit fortlaufenden Nummern gedruckt worden sind“24, entstehen im 17. Jahrhundert erstmalig Zeitungen. In Straßburg wurde das älteste deutsche Wochenblatt von dem Buchhändler Johann Carolus herausgegeben. Man nimmt zwar an, dass dieses Blatt schon seit 1605 existierte, aber erhalten sind lediglich die Jahrgänge 1609 und 1614, diese dafür aber annähernd vollständig. Spätestens ab dem 30jährigen Krieg gab es in allen größeren Städten Zeitungen, denn die laufende Information über das politische und gesellschaftliche Geschehen war ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Konsumes geworden. Meist bestanden diese Wochenzeitungen aus zwei Blättern, die sowohl von Tatsachen als auch von alltäglichen Sensationen berichteten.

Ab 1660 erschien die erste Tageszeitung in Leipzig, welche unter dem Namen „Leipziger Zeitung“ sogar bis 1912 existierte.

4.4. Das 18. Jahrhundert - Straßburg unter französischem Buchrecht

Dieses Jahrhundert war die Zeit des Sturm und Drang, geprägt durch eine zunehmend antihöfische Haltung. Ganz anders als die künstlerische Barockepoche, begannen revolutionäre Gedanken in die Geisteswelt zu dringen. Als wichtiger Einfluss ist die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung zu nennen, die später auch die französische Revolution beeinflusste.

Für Straßburg hatten diese Strömungen zunächst nur untergeordneten Charakter, denn die Stadt befand sich seit 1681 unter französischer Herrschaft und die gesamte Buchproduktion unterlag nun anderem Recht.

4.4.1. Sanktionen und Zensurbehörden

Das Straßburger Buchwesen samt Stempelschneiderei und Schriftgießerei französischem Buchrecht. Was das für diesen Berufszweig bedeutete wird in einer Verordnung, die am 20.02. 1786 erscheint und die Buchdruckerei und den Buchhandel der Stadt betrifft. Sie gibt den Mitgliedern der Zensurbehörden das Recht zur Durchsuchung in sämtlichen Betrieben des Buchwesens, falls ihnen etwas verdächtig oder nicht den Bestimmungen gemäß vorkommt.

Dies soll allerdings nicht den Eindruck erwecken, dass der Buchdruck in den Jahren davor ein absolut freies Gewerbe und keinerlei Kontrolle unterlegen gewesen wäre. Schon 1486 werden erste Zensurbestrebungen vorgenommen. 1515 erlässt der Papst eine Bulle, die dazu auffordert, alle Neudrucke daraufhin zu überprüfen, ob sie ketzerischen Inhalt hätten. Allerdings wurde diese Anweisungen in den Reformationsgebieten nicht durchgesetzt.

4.4.2. Die Auswirkungen der Revolution auf den Straßburger Druck

In den Tagen des Sturzes der bisher gültigen Herrschaftsform ändern sich auch die Umstände des Buchwesens in Frankreich. 1791 werden sämtliche zünftige Verbände aufgelöst, wodurch auch der Buchdruck und der Buchhandel frei werden.

Nun konnte sich auch der Straßburger Buchdruck wieder gemäß der kommerziellen Richtlinien ausbreiten. Selbstverständlich war die Stadt trotzdem franzzösisch geworden und auch die Druckwerke erschienen in französischer Sprache.

Da sich diese Arbeit aber vor allem mit dem Druck der Frühen Neuzeit befasst, soll auf die weitere Entwicklung Straßburgs als Druckereistadt nicht mehr eingegangen werden.

5. Schlussbemerkung

Während der Arbeit an dem Thema „Die Geschichte des Buchdruckes in Straßburg“ ist mir zunehmend klar geworden, das man in solchem Umfang nicht auf alle Einzelheiten wie z.B. Typographie, genaue empirische Untersuchungen zur Verbreitung des Buchdruckes oder gar auf eine vollständige Erwähnung aller in Straßburg tätigen Drucker eingehen kann. Diese Arbeit erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit sondern war vielmehr als Überblick gedacht, welcher aufzeigen sollte, wie vielfältig und komplex die frühneuzeitliche Medienrevolution schon auf eine einzige Stadt gewirkt hat. Ich kam trotz allem nicht umhin, oftmals vom „Straßburger Thema“ abzuschweifen um einige Erscheinungen, wie einzelne Umstände aus Gutenbergs Leben bis hin zur Reformation, etwas näher auszuführen. Ich habe mich auch in der Straßburger Geschichte auf jene Drucker beschränkt, die bis heute den Buchdruck und die Literatur geprägt haben.

6. Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: „Gutenbergs 42zeilige Bibel illuminiert“

aus BOGENG, G. A. : „Geschichte der Buchdruckerkunst - Tafelband“ Georg Olms Verlag (1973); Hildesheim, New York

Tafel 20

Abb. 2: „Plakatdruck der 95 Thesen Martin Luthers von 1517“

Nachdruck von Melchior Lotther, Leipzig aus BOGENG, G. A. : „Geschichte der Buchdruckerkunst - Tafelband“ Georg Olms Verlag (1973); Hildesheim, New York

Tafel 129

Abb. 3: „Biblia Latina“, Straßburg 1460

Erstdruck Johann Mentelins aus BOGENG, G. A. : „Geschichte der Buchdruckerkunst - Tafelband“ Georg Olms Verlag (1973); Hildesheim, New York Tafel 37

Abb. 4: „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach

J. Mentelin, Straßburg 1477 (letzte Seite) Folgedruck; Erstdruck von 1471 aus HALBEY, H. A.: „Druckkunde“ aus „Germanistische Lehrbuchsammlung“ Bd. 50 Peter Lang AG; Europäischer Verlag der Wissenschaften (1994); Bern Abb. 52

Abb. 5: „Jac. Magni, Sophologium”

Adolf Rusch; Straßburg 1464? aus BOGENG, G. A. : „Geschichte der Buchdruckerkunst - Tafelband“ Georg Olms Verlag (1973); Hildesheim, New York Tafel 38

Abb. 6: „Dyl Ulenspiegel“ (Titelblatt)

In Abbildungen des Drucks von 1515; Johann Grüninger; Straßburg aus WUNDERLICH, W. (Hrsg) „Dyl Ulenspiegel...“ aus Göppinger Beiträge zur Textgeschichte“ Nr. 96 Verlag Kümmerle (1982); Göppingen

Abb. 7: „Das III blat“; Eulenspiegel-Faksimile

siehe Abb. 6 aus WUNDERLICH, W. (Hrsg) „Dyl Ulenspiegel...“ aus Göppinger Beiträge zur Textgeschichte“ Nr. 96 Verlag Kümmerle (1982); Göppingen

[...]


1 Vgl. Abbildungsverzeichnis

2 „Gutenberg - 550 Jahre Buchdruck in Europa“

3 Schneider, C. „Der Erfinder und seine Bücher“; In: „Gutenberg - 550 Jahre Buchdruck in Europa“; S. 45 ff.

4 Unilex; Onlinelexikon

5 Schneider; S. 47 f.

6 Boghardt, M. „Der Buchdruck und das Prinzip des typographischen Kreislaufs“; In :„Gutenberg. - 550 Jahre Buchdruck in Europa“; S. 24 fff

7 Raabe, S. 11

8 Vorlage: „Gutenberg- 550 JahreBuchdruch in Europa“; S. 10

9 Bogeng I: „Geschichte der Buchdruckerkunst“ - Der Frühdruck

10 Bogeng I; S. 277

11 „Gutenberg - 550 Jahre Buchdruck in Europa“

12 Geldner: „Inkunabelkunde“

13 Bogeng II; S. 37

14 Bogeng II; S. 37

15 Weyrauch, E.: „Reformation durch Bücher: Druckstadt Wittenberg“; In: „Gutenberg - 550 Jahre Buchdruck in Europa“; S. 53

16 Bogeng II; S. 41

17 Bogeng II; S. 41

18 Bogeng I; S. 281

19 Bogeng I; S. 282

20 Bogeng I, S. 283

21 Bogeng I; S. 285

22 Halbey; S. 94

23 Giesecke; S. 19; In „Gutenberg-550 Jahre Buchdruck in Europa“

24 Bogeng II; S. 153

1 Scholastik: Philosophie des Mittelalters; Bestreben, die Theologie durch philosophische Erkenntnisse zu begründen um den Zwiespalt zwischen der christlichen Offenbarung und den Gesetzen der Vernunft zu überbrücken Im Vordergrund stehen die Werke der Neuplatoniker und später vor allem Aristoteles. Berühmtester Scholastiker: Thomas von Aquin (1225-1274)

2 Patristik: griech. „Vaterlehre“; historische Theologie, welche sich zur Erforschung der kirchlichen Traditionsgrundlagen mit Leben und Werk der Kirchenväter beschäftigt

Fin de l'extrait de 27 pages

Résumé des informations

Titre
Geschichte des Buchdruckes in Straßburg
Université
University of Potsdam
Cours
Deutsch-Französische Literaturbeziehungen
Auteur
Année
2001
Pages
27
N° de catalogue
V104460
ISBN (ebook)
9783640027958
Taille d'un fichier
406 KB
Langue
allemand
Mots clés
Geschichte, Buchdruckes, Straßburg, Deutsch-Französische, Literaturbeziehungen
Citation du texte
Anja Jungfer (Auteur), 2001, Geschichte des Buchdruckes in Straßburg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104460

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