Die Endgültigkeit des Ausschlusses der Frauen von der Priesterweihe


Seminararbeit, 2021

45 Seiten, Note: 6


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ordinatio Sacerdotalis

2.1 Endgültige Entscheidung über die Bevollmächtigung der Kirche zur Frauenordination

2.2 Endgültigkeit infolge Tradition?

2.3 Lehre von Ziff. 4 OS Teil der endgültigen kirchlichen Lehre?

2.4 Endgültigkeit infolge Zugehörigkeit zum Glaubensgut?

2.5 Ordentliches universales Lehramt

2.6 Qualifizierte Endgültigkeit der Lehre von Ziff. 4 OS?

2.7 Entscheid als solcher kein endgültiger Akt

2.8 Endgültige Beachtung der Lehre von Ziff. 4 OS durch alle Gläubigen

2.9 Endgültig einzuhalten statt endgültig zu glauben

2.10 Mit Endgültigkeit verfolgte Absicht

3. Erläuterungen der Kongregation für die Glaubenslehre zu Ordinatio Sacerdotalis

3.1 Nota praesentationis

3.2 Kommentar des Präfekten Kardinal Ratzinger

4. Weiterhin bestehende Zweifel und Diskussion

4.1 Zweifel an der Endgültigkeit der Lehre von Ziff. 4 OS

4.2 Nicht endende Diskussionen

5. Reaktion der Kongregation für die Glaubenslehre

5.1 Responsum vom 28. Oktober 1995

5.2 Erläuterungen zum Responsum

5.3 Begleitschreiben des Kardinalpräfekten Ratzinger vom 8. November 1995 zum Responsum

6. Qualifikation von Ordinatio Sacerdotalis und Responsum aufgrund früherer lehramtlicher Erlasse

6.1 Glaubensbekenntnis und Treueeid von 1989

6.2 Instruktion Donum Veritatis der Kongregation für die Glaubenslehre

7. Änderung der Schlussformel des Glaubensbekenntnisses im Rahmen des Motu Proprio Ad tuendam fidem

8. Kanonischrechtliche Qualifikation von Ziff. 4 OS

8.1 Can. 749 CIC/83 bzw. Can. 597 CCEO

8.2 Can. 750 CIC/83

8.3 Can. 752 CIC/83 bzw. Can. 599 CCEO

9. Bestrafung der Leugnung der Lehre von Ziff. 4 OS

9.1 Verwarnung durch die Kongregation für die Glaubenslehre gemäss Can. 1347 § 1 CIC/83

9.2 Strafbefehl der Kongregation für die Glaubenslehre

9.3 Dekret vom 21. Dezember 2002 über die Rekursablehnung

10. Endgültiger Ausschluss der Frauen auch von der Diakonenweihe?

11. Unabänderliche Glaubenslehre?

11.1 ‘Geschlossene Türe’

11.2 Weiterhin offene Fragen

12. Schlussfolgerung

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1.  Einleitung

2. Ordinatio Sacerdotalis

2.1   Endgültige Entscheidung über die Bevollmächtigung der Kirche zur Frauenordination

2.2   Endgültigkeit infolge Tradition?

2.3  Lehre von Ziff. 4 OS Teil der endgültigen kirchlichen Lehre?

2.4  Endgültigkeit infolge Zugehörigkeit zum Glaubensgut?

2.5  Ordentliches universales Lehramt

2.5.1  Bereits bestehender Bestandteil dieses Lehramts?

2.5.2  Endgültigkeit infolge Übereinstimmung des Weltepiskopats?

2.5.3  Endgültigkeit infolge der päpstlichen Macht?

2.5.4  Neue Art der päpstlichen Amtsausübung

2.6  Qualifizierte Endgültigkeit der Lehre von Ziff. 4 OS?

2.6.1  Endgültigkeit infolge definitorischem Charakter dieser Lehre?

2.6.2  Endgültigkeit infolge formeller Entscheidung ex cathedra?

2.6.3  Endgültigkeit infolge materieller Unfehlbarkeit dieser Lehre?

2.6.4  Endgültigkeit infolge formaler Entscheidung?

2.7  Entscheid als solcher kein endgültiger Akt

2.8  Endgültige Beachtung der Lehre von Ziff. 4 OS durch alle Gläubigen

2.9  Endgültig einzuhalten statt endgültig zu glauben

2.10  Mit Endgültigkeit verfolgte Absicht

3. Erläuterungen der Kongregation für die Glaubenslehre zu Ordinatio Sacerdotalis

3.1  Nota praesentationis

3.2  Kommentar des Präfekten Kardinal Ratzinger

4. Weiterhin bestehende Zweifel und Diskussion

4.1  Zweifel an der Endgültigkeit der Lehre von Ziff. 4 OS

4.2  Nicht endende Diskussionen

5. Reaktion der Kongregation für die Glaubenslehre

5.1  Responsum vom 28. Oktober 1995

5.1.1  Geäusserter Zweifel

5.1.2  Geforderte endgültige Zustimmung

5.1.3  Endgültigkeit infolge des Verweises auf Art. 25 LG?

5.1.4  Endgültiger Ausschluss der freien Diskutierbarkeit der Frauenweihe

5.2  Erläuterungen zum Responsum

5.3  Begleitschreiben des Kardinalpräfekten Ratzinger vom 8. November 1995 zum Responsum

6. Qualifikation von Ordinatio Sacerdotalis und Responsum aufgrund früherer lehramtlicher Erlasse

6.1  Glaubensbekenntnis und Treueeid von 1989

6.2  Instruktion Donum Veritatis der Kongregation für die Glaubenslehre

7. Änderung der Schlussformel des Glaubensbekenntnisses im Rahmen des Motu Proprio Ad tuendam fidem

8. Kanonischrechtliche Qualifikation von Ziff. 4 OS

8.1  Can. 749 CIC/83 bzw. Can. 597 CCEO

8.2  Can. 750 CIC/83

8.3  Can. 752 CIC/83 bzw. Can. 599 CCEO

9. Bestrafung der Leugnung der Lehre von Ziff. 4 OS

9.1  Verwarnung durch die Kongregation für die Glaubenslehre gemäss Can. 1347 § 1 CIC/83

9.2  Strafbefehl der Kongregation für die Glaubenslehre

9.3  Dekret vom 21. Dezember 2002 über die Rekursablehnung

10. Endgültiger Ausschluss der Frauen auch von der Diakonenweihe?

11. Unabänderliche Glaubenslehre?

11.1 ‘Geschlossene Türe’

11.2 Weiterhin offene Fragen

12. Schlussfolgerung

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

 

Abkürzungsverzeichnis

§

Paragraph

§§

Paragraphe

AAS

Acta Apostolicae Sedis (Rom)

Abs.

Absatz

Art.

Artikel

bzw.

beziehungsweise

Can.

Canon

CCEO

Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium von 1990

CIC/83

Codex Iuris Canonici von 1983

ders.

derselbe

dies.

dieselbe

Fn.

Fussnote

Kap.

Kapitel

LG

Dogmatische Konstitution Lumen Gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils vom 21. November 1964

Lk

Evangelium nach Lukas

OS

Apostolisches Schreiben Ordinatio Sacerdotalis von Papst Johannes Paul II. vom 22. Mai 1994

S.

Seite(n)

vgl.

vergleiche

z.B.

zum Beispiel

Ziff.

Ziffer

zit.

zitiert als

 

1.    Einleitung

Gemäss Can. 1024 des Codex Iuris Canonici von 1983 (CIC/83) bzw. Can. 754 des Codex Cano­num Ecclesiarum Orientalium von 1990 (CCEO) empfängt die heilige Weihe gültig nur ein getauf­ter Mann. Das Lehramt erachtet die Frage, ob eine getaufte Frau geweiht werden könne, seit dem Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis vom 22. Mai 1994 (im Folgenden: OS) von Papst Johannes Paul II. (1920-2005) an alle Bischöfe der katholischen Kirche als end­gültig in negativer Weise entschieden. Diese Endgültigkeit wird jedoch im­mer wieder – und immer öfter – be­zwei­felt, wie derzeit gerade die Diskussionen im Rahmen des sogenannten Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland zeigen. Die Endgültig­keit des Ausschlusses der Frauen von der Weihe wird na­mentlich als Dis­kri­minierung der Frauen auf­grund ihres Geschlechts betrachtet.

2. Ordinatio Sacerdotalis

2.1 Endgültige Entscheidung über die Bevollmächtigung der Kirche zur Frauenordination

Johannes Paul II. lehrt in Ziff. 4 OS kraft seines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe – und Bischofsweihe (ordina­tio sacer­dotalis)[1] – zu spen­den, und fordert, dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Ent­schei­­dung zu halten haben. Ziff. 4 OS legt somit die Position der katho­li­schen Kirche zur Frauen­or­di­nation end­gül­tig fest,[2] schliesst deren Mög­lich­keit endgültig aus[3] und stellt die Debatte um diese mit­tels einer ‘maxima­listi­schen’ Po­si­tion als end­gültig abge­schlos­sen dar[4]. Die Entscheidung ist de­fi­nitiv.[5]

2.2 Endgültigkeit infolge Tradition?

Ziff. 4 OS weist vor der eben erwähnten Endgültigkeitserklärung darauf hin, dass die Lehre über die nur Männern vor­be­haltene Priesterweihe von der beständigen und umfassenden Überlieferung der Kir­che be­wahrt worden ist. Johannes Paul II. begründet die Qualifikation dieser Lehre als endgül­tig[6] so damit, dass sie in der Tradition der Kirche ständig gehalten, gelehrt und überliefert wur­de[7]. OS bestätigt mit der End­gültigkeit – insofern – eine in der Kirche immer gelebte Gewissheit.[8]

In der Tradition findet sich zwar kein Hinweis auf eine endgültige Lehre, welche die stich­haltigen bibli­schen, historischen und theologischen Argumente, die in jüngster Zeit vorge­bracht worden sind, ausschliesst oder anerkennt.[9] Die Aussage in Ziff. 4 OS über den endgültigen Charakter der Lehre von OS stimmt jedoch mit der Tra­di­tion überein,[10] da bislang keine gegenteilige Überlie­fe­rung be­kannt ist. Insofern konnte Johannes Paul II. in OS auf der Grundlage der ununterbrochenen Tra­di­ti­on die Endgültigkeit seiner Entscheidung er­klären.[11] Vertiefen Theo­logen die Weitergabe be­­sag­ter Lehre in der leben­di­gen Tradi­tion der Kirche durch die Jahr­hunderte, sollte dies demnach – zum jetzi­gen Erkenntnisstand – nicht einer Infragestellung dieses Cha­rak­ters gleichkommen,[12] so­lan­ge eine anderweitige Überlieferung nicht belegt werden kann.

2.3  Lehre von Ziff. 4 OS Teil der endgültigen kirchlichen Lehre?

Ziff. 4 OS begründet die Endgültigkeit ihrer Lehre zudem damit, dass es sich bei ihr um eine Lehre han­delt, die vom Lehramt in den Dokumenten der jüngeren Vergangenheit mit Beständi­gkeit ge­lehrt wor­den ist. Dieser Verweis auf frühere Dokumente stellt die in Fn. 12 von OS erwähnte Erklä­rung Inter Insignio­res der Kon­­gre­gation für die Glaubenslehre vom 15. Oktober 1976[13] zu dem­sel­bem The­ma als ‘endgül­tig’ dar[14] und dient damit ebenfalls dazu, die besagte Lehre als endgültig zu qualifi­zieren[15]. Demnach wird die in OS festgehaltene Lehre bereits vom kirchlichen Lehramt – Papst und Bischö­fen – end­gültig gelehrt.[16] Der endgültige Charakter dieser Lehre ist somit nicht mit OS ent­stan­den.[17] Die Schluss­­formel von Ziff. 4 OS stellt indes so OS in die Sphä­re des endgül­ti­gen Lehr­amts.[18]

2.4 Endgültigkeit infolge Zugehörigkeit zum Glaubensgut?

Aus Ziff. 4 OS geht ferner hervor, dass ihre Endgültigkeitserklärung eine bedeutende Angele­gen­heit be­trifft, welche die göttliche Verfassung der Kirche selbst anbelangt. Die besagte Lehre ist demge­mäss eine Wahrheit, die endgültig zu dieser Verfassung gehört,[19] sprich: eine göttliche Sache oder Hand­lung Christi ist[20] und auf dem geschriebenen Wort Gottes beruht[21]. Ziff. 4 OS erklärt auf diese Weise nicht nur eine Lehre, die be­reits zum Glaubensgut gehört, als end­gültig,[22] sondern auch end­gültig, dass diese Lehre zum Glau­bens­gut gehört[23]. Insofern diese Lehre in Sachen des Glau­bens aber in endgültiger Weise vorgelegt wird, ist sie eine Lehre, die erforderlich ist, um das eigentliche Glaubensgut zu hüten und getreu darzu­legen.[24] Da diese gemäss OS als Glaubenssache von der Tra­dition und vom Kollegium der Bischöfe authen­tisch gelehrt wird, ist sie end­gültig verpflich­tend.[25]

Vertiefen Theolog(inn)en die Verbindung der Aussage von Ziff. 4 OS mit der Offenbarung – na­­mentlich der göttlichen Verfassung der Kirche –, sollte dies demnach nicht einer Infrage­stellung des endgültigen Charakters dieser Lehre gleichkom­men,[26] solange sie von Papst und vom Bischofs­kollegium als endgültige Glaubenssache betrachtet wird und keine abweichende Tradition nachge­wie­sen ist.

2.5  Ordentliches universales Lehramt

2.5.1   Bereits bestehender Bestandteil dieses Lehramts?

OS macht offenkundig, dass die in OS enthaltene Lehre von Papst und Bischöfen ‚schon längst‘ einmütig als endgültig verpflichtend gelehrt wird.[27] In Übereinstimmung mit dem früheren Lehramt hat diese Lehre endgül­tigen Charak­ter.[28] Indem Johannes Paul II. diese von der Kirche immer ge­lehr­te Leh­re in endgülti­ger Weise vorlegte,[29] führte er diese indes auf das ordentliche und univer­sale Lehramt zurück[30], ohne freilich ausdrücklich zu bestätigen, dass diese Lehre bereits von diesem endgültig vorgelegt wurde[31]. Diese Zuordnung zeigt sich daran, dass die in OS verwendete Sprache ‘endgültig einzuhalten’ zu diesem Lehramt gehört.[32] Durch seine Erklärung verdeut­licht der Papst also den endgültigen Charakter jenes ordentlichen und uni­ver­salen Lehramtes der Kirche, das die Grund­lage ist, auf der seine Qualifikation beruht.[33] Die endgültige Bindung an diese Lehre er­wächst somit aus der Überlieferung dieses Lehram­tes.[34]

2.5.2   Endgültigkeit infolge Übereinstimmung des Weltepiskopats?

Aus Analyse des Textes von Ziff. 4 OS geht überdies hervor, dass es die Lehre des zerstreuten Bi­schofs­kollegiums ist, die ‘endgültig ein­ge­­halten’ werden soll.[35] Johannes Paul II. erklärte die End­gül­tig­keit jedoch nicht in Ausübung des gewöhnlichen univer­salen Lehramts des gesamten Bi­schofs­­kollegiums,[36] sondern in Ausübung seines eigenen (dazu unten in Kap. 2.5.3 f.). Eine solche Lehr­amts­ausübung würde zu­mindest den Nachweis umfangreicher, offener Konsulta­tionen mit den Bischöfen erfordern, um festzu­stel­len, dass sich das gesamte Kollegium in sei­nem Urteil tatsächlich darüber einig ist, dass diese Angelegenheit endgültig entschieden werden muss.[37] Francis A. Sul­li­van ist zwar der Ansicht, dass die Bischöfe insgesamt so­gar heute dieselbe Lehre als endgültig zu halten lehren.[38] Dies trifft allerdings nicht zu. So bestä­tigten beispielsweise weder die kanadischen noch die belgischen Bischöfe in ihren ge­mein­samen Erklärungen zu OS die Klausel ‘endgültig ein­zu­hal­ten’.[39] Mehrere deutsche Bischöfe äussern nunmehr gar ausdrücklich, dass die Lehre von OS nicht endgültig sein könne.[40] Ob der Welt­episkopat einmütig die besagte Lehre vertritt, ist mithin fraglich.

2.5.3   Endgültigkeit infolge der päpstlichen Macht?

Johannes Paul II. fordert die endgültige Einhaltung seiner Entscheidung in Ziff. 4 OS – kon­sequen­ter­weise – kraft seines Amtes, die Brüder [im Glauben[41]] zu stärken (vgl. Lk 22,32). Er spielt hier auf eben dieses Amt an, das Petrus von Jesus empfangen hat, und auf sein Handeln als Nach­folger des Petrus.[42] Johannes Paul II. übt hier somit jenes Amt wie Petrus aus,[43] als Arzt und Oberster Hirte der Kirche[44]. Dabei ist der Kom­mu­nikationsab­lauf kom­­plemen­tär: Der Papst ‚er­klärt‘ den Bi­schöfen gegenüber seine autoritative Entschei­dung (quasi) als endgültig,[45] unter Beruf­ung auf seine lehramtliche Autorität als Bischof von Rom[46]. Diese Lehre soll als endgültig bestätigt wer­den.[47] Die End­gül­tigkeit dieser Leh­re ist das autoritative und qualifizierte Zeugnis des Papstes.[48] Da­durch kann allerdings der Ein­druck ent­stehen, diese End­gültigkeit gründe im (authentischen) or­dentlichen päpstli­chen Lehr­amt.[49] Deren Erklärung wird in der Literatur denn auch diesem Lehramt zuge­ordnet.[50] Dass der Papst in Aus­übung des gewöhn­lichen päpstlichen Lehramts eine Lehre vorlegt, die ‘endgültig einzuhalten’ ist, ist freilich ungewöhnlich.[51] Die end­gül­tige Bin­dung an diese Lehre erwächst nicht aus der päpstli­chen Bekräftigung[52] und kann nicht aus ihr erwachsen.

2.5.4   Neue Art der päpstlichen Amtsausübung

Der Endgültigkeitsanspruch, den Ziff. 4 OS für die­­ in ihr enthaltene Lehre erhebt, ist noch nie zuvor für ein Doku­ment der ordentlichen Lehre des Papstes erho­ben worden[53] und damit neu[54]. Dabei scheint OS eine neue Lehrkate­go­rie des Lehramtes vorauszusetzen: die endgültige Vorlage einer Lehre durch das ordentli­che päpstliche Lehr­amt.[55] Ziff. 4 OS stellt demnach eine neue Art der Aus­übung die­ses Lehramtes dar,[56] ohne dass dies aber ausdrücklich aus OS hervorgeht. Damit stellt sich die Frage nach der weiteren Qualifikation der Endgültigkeit.

2.6  Qualifizierte Endgültigkeit der Lehre von Ziff. 4 OS?

2.6.1   Endgültigkeit infolge definitorischem Charakter dieser Lehre?

Da die in Ziff. 4 OS gelehrte Lehre von allen Gläubigen in endgültiger Weise angenommen werden soll, kommt sie einer (dogmatischen) Definition nahe[57], ja gar gleich[58]. Ob es sich in der Tat um eine De­finition han­delt, ist indes umstritten.

Laut Lino Piano kann diese Lehre nur eine Definition sein, da ein endgültiger Akt zu einer Lehr­fra­ge zur Debatte stehe.[59] Ziff. 4 OS erfülle alle Voraussetzungen einer Definition gemäss Art. 25 Abs. 2 LG, das heisse eines end­gültigen Aktes über eine bestimmte Lehre.[60] Ansgar Santogrossi ist so­gar der An­sicht, dass Johannes Paul II. die Lehre definiert habe, indem er ihr ‘endgültig einzu­halten’ beige­fügt habe.[61] Decla­ra­mus et de­finimus und declaramus ... esse definitive tenendam seien gleich­wertige Ausdrücke.[62]

Wolfgang Beinert ist dagegen der Meinung, dass der endgültige Akt von Ziff. 4 OS keine De­fi­ni­tion sein wolle[63] und sei[64]. Nach Brian Edwin Ferme beinhaltet diese Ziffer keine neue dogma­tische Definition, da Ziff. 4 OS eine be­reits endgültig gelehrte Lehre bestätige oder bekräftige.[65] In OS werde zwar eine Lehre, die notwendi­gerweise mit der Offenbarung verbun­den sei, als endgültig ein­zu­halten vorge­legt. Dies bedeute jedoch nicht unbe­dingt, dass diese Lehre unter der Führung des Heiligen Geistes recht­­zeitig als göttlich offenbart de­fi­niert werden könnte.[66]

2.6.2   Endgültigkeit infolge formeller Entscheidung ex cathedra?

Die vom Ersten Vatikanischen Konzil (1869-1870) vorgesehenen Bedingungen für eine päpstliche Ver­laut­ba­rung ex cathe­dra (Universalität, Endgültigkeit, lehrmässiger Charakter der Ver­lautbarung und materia de fide vel moribus) sind zwar in Ziff. 4 OS alle für sich allein betrachtet in einem posi­­tiven Verständnis gegeben.[67] Denn der letzte Satz von Ziff. 4 OS enthält den päpst­lichen Wil­len, eine Glaubenslehre für alle Gläubigen in endgültiger Weise zu bekun­den.[68] Insofern ist dieser Satz für sich allein betrachtet eine Entscheidung ex cathedra[69] und ist es auf den ersten Blick schwie­rig, die End­gültigkeit der Ziff. 4 OS zu erklären, ohne eine solche Entscheidung vorauszu­setzen[70].

Das eben genannte Konzil liess sich aber von einem diametral entgegenge­setzten Anliegen als OS leiten, und zwar so sehr, dass es sich verpflichtete, ausdrücklich festzu­legen, dass die päpstlichen De­fi­nitionen ex cathedra un­wider­ruflich ex sese, non ex consensu ecclesiae sind. Johannes Paul II. fällt in Ziff. 4 OS hingegen ein Ur­teil, das endgültig, aber nicht ex sese sein will.[71] Bei OS bestand nicht die Absicht, eine dogmatische Definition ex cathedra zu verlaut­baren, die ein im ab­soluten Sinn verstandenes endgültiges Festhalten am theologischen Glau­bens­akt erfordert.[72] Ziff. 4 OS ist also trotz der Erklärung einer endgültigen Lehre kein feier­licher Text ex cathedra.[73] Die Ver­wendung des Be­griffs ‘endgültig’ durch Johannes Paul II. bedeutet mithin nicht, dass er diese Entscheidung ex ca­the­dra festgelegt hat.[74] Wenn er hier aber nicht ex cathedra gelehrt hat, kann die Lehre von OS auch nicht wegen damit verbundener Unfehlbarkeit endgültig vorgelegt sein.[75]

Die Ansicht, dass die Lehre von OS nicht ex cathedra definiert worden sei, wird also nicht einfach angeführt, um zu vertreten, dass die Lehre von OS nicht endgültig sei.[76] Vielmehr ist die Endgül­tigkeit nicht auf eine Erklärung ex cathedra zurückzuführen. Das päpst­liche Lehramt hat sich hier indes, wenngleich nicht ex cathedra, so doch endgültig geäussert.[77]

2.6.3   Endgültigkeit infolge materieller Unfehlbarkeit dieser Lehre?

Mehrere US-Bischöfe hielten ‘endgültig einzuhalten’ in Ziff. 4 OS für wichtig, weil eine andere For­­mulierung bedeutete, dass OS als ‘nicht unfehlbar’ angesehen wür­de und somit mög­li­chen Än­de­rungen unterworfen wäre.[78] Nach der Veröffentlichung von OS wurde denn auch so­gleich speku­liert, ob mit ‚endgültig einzuhalten‘ in Ziff. 4 OS allerhöchste Verbindlichkeit ge­meint, sprich: ein un­fehlbares Dogma instauriert worden sei.[79] Kardi­nal Joachim Meisner (1933-2017) war gar der An­­sicht, dass durch die Verwendung des Ausdrucks ‚endgültig‘ offenkundig sei, dass es um eine un­fehlbare Lehre gehe.[80]

Johannes Paul II. hatte in der Tat die Absicht, unfehlbar zu lehren. Dies zeigt sich in Ziff. 4 OS in der Aussage, dass eine geoffenbarte Lehre endgültig eingehalten werden müsse.[81] Diese Formel sug­geriert nämlich, dass die Lehre von OS – sofern sie tatsächlich als unfehlbar zu betrachten ist – zu dem gehört, was die Ma­nu­alis­ten den sekundären Gegenstand der (päpstlichen) Unfehlbarkeit nann­ten, also zu jenen Lehren, die selbst nicht göttlich offenbart, aber notwendig sind, um die gött­liche Offenbarung zu bewah­ren.[82] Wenn die Lehre von OS aber unfehlbar ist, muss sie endgültig eingehalten werden[83] und ist sie endgültig eine unfehlbare Lehre[84]. Das ‘endgültig einzuhalten’ von Ziff. 4 OS wird daher in der Literatur teils als unfehlbar vorgelegt interpretiert.[85] Johannes Paul II. hätte mit der besagten Formel somit den Gegen­satz, welcher zwi­schen der Frauen­or­dination und dem der Kir­che geoffenbarten Glau­bens­gut be­steht, als unfehlbar quali­fiziert.[86] Wenn die Lehre von Ziff. 4 OS indessen tatsächlich mit dem Anspruch auf Unfehl­barkeit vorgetragen worden wäre, wäre sie endgültig als geoffen­bart vorgelegt worden und somit ‚Dogma‘ im Sinn der gängigen Dik­tion in der systematischen Theologie.[87]

Die Lehre von OS kann freilich nur dann als unfehlbar gelten, wenn sie noch heute von den Bischö­fen der katholischen Kirche nachweislich als endgültig gelehrt wird.[88] Denn diese Lehre ist nicht durch einen besonderen Lehrakt bzw. durch eine päpstliche Entscheidung ex cathedra im Sinn von Can. 749 § 1 CIC/83 bzw. Can. 597 § 1 CCEO unfehlbar, sondern sie ist, wenn schon, dann deshalb unfehlbar, weil alle Bischöfe das glei­che endgültig ver­pflich­tende Urteil vertreten (Can. 749 § 2 CIC/83 bzw. Can. 597 § 2 CCEO; dazu näher in Kap. 8.1), das der Papst in OS öffentlich bekannt ge­ge­ben hat.[89] Es genügt nämlich nicht, sich auf die Vermutung zu berufen, dass OS das Lehramt aller zum Ausdruck bringe: denn der Papst kann sehr wohl ein Urteil sprechen, das ohne Berufung und ohne Überprüfung an eine solche Vermutung bindet, und zwar in der Form der an sich unfehl­baren, endgültigen Verlautbarung ex sese, nicht aber ex consensu ecclesiae. Die­se Form wird hier jedoch ausgeschlossen.[90] Ein Nachweis, dass bis heute sämtliche Bischöfe die in OS enthaltene Lehre als endgültig lehren, fehlt indes bislang. Ziff. 4 OS, die alle Gläubigen der Kirche endgültig bin­det, ist mithin nicht unfehlbar.[91]

Ob die For­mel ‘endgültig einzuhalten’ den Anspruch auf Unfehlbarkeit der Lehre von OS ent­hält, bleibt allerdings unklar.[92] Die Unsicherheiten in Bezug auf den Grad der Verbindlichkeit von OS sind insbe­son­dere Folge der bislang ungeklärten Verwendung des Begriffs der End­gültig­keit, na­mentlich in Be­zug auf sein Ver­hält­nis zur Unfehlbarkeit.[93] Offen sind besonders die Fragen nach der Natur und dem Status der ‘end­gültigen Lehre’, nach deren Beziehung zur unfehlbaren Lehre[94] und nach der Möglichkeit, zwi­schen dem ‘endgültigen’ und dem ‘unfehl­baren’ Lehramt zu unter­schei­den[95].

Jedenfalls signalisiert das lateinische definitive eine sehr hohe Verbindlichkeit – gewisser­massen knapp unterhalb einer Dogmatisierung –[96] und wurde die Lehre von OS unter anderem durch die besagte Formel in den Bereich des unfehlbaren Lehr­am­tes gerückt[97].

2.6.4   Endgültigkeit infolge formaler Entscheidung?

Johannes Paul II. verleiht in Ziff. 4 OS seiner dort festgelegten Lehre formell endgül­tigen Charak­ter,[98] indem er sie in einer formellen Erklärung als endgültig qualifiziert[99]. Gemäss diesem autori­ta­tiven und qu­a­li­fizierten Zeugnis wird diese Lehre von der Kirche als endgültig vorgelegt.[100] Der Be­griff ‘endgültig’ bezieht sich hier indes eindeutig darauf, wie die Lehre von den Gläubigen ein­gehalten werden soll, und nicht darauf, wie sie vom päpstlichen Lehramt aufgestellt wird.[101] Jo­hannes Paul II. bestätigte bzw. bekräftigte in OS nicht in feierlicher Form eine Lehre, die end­gültig zu halten ist.[102] Bloss die Deklarationsformeln als solche haben einen endgültigen Charakter.[103]

2.7  Entscheid als solcher kein endgültiger Akt

Johannes Paul II. hat die Lehre von OS nicht in einem endgültigen Akt vorgelegt,[104] sondern deren endgültigen Charakter ‚lediglich‘ offenkundig gemacht und so förmlich bekräftigt[105]. Der endgülti­ge Charakter dieser Lehre entspringt demnach nicht OS.[106] Folglich ist die in Ziff. 4 OS getroffene Entscheidung als solche kein endgültiger Akt und kann die Endgültigkeit nicht aus ihm abgeleitet werden.

2.8  Endgültige Beachtung der Lehre von Ziff. 4 OS durch alle Gläubigen

Die Schlussworte von Ziff. 4 OS, ‘dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entschei­dung zu halten haben’, sprechen indessen die Konsequenz aus der in dieser Ziffer enthaltenen Lehre von OS aus.[107] Aus der in Ziff. 4 OS festgeschriebenen Endgültigkeit folgt somit eine weder örtlich noch zeitlich noch perso­nell eingeschränkte Verpflich­tung, die für alle, allerorts und endgültig be­steht.[108] Ziff. 4 OS nimmt hier aus­drück­lich alle Gläubigen – alle Christen aller Zeiten und Orte,[109] also auch die Theo­lo­g(inn)en[110] – in Pflicht.[111] Sie sind an die besagte Lehre endgültig gebun­den[112], haben an ihr endgültig fest­zu­halten[113], sie als endgültig anzu­neh­men[114], zu beachten[115], einzuhal­ten[116] und zu vertreten[117]. Ihnen wird gesagt, dass sie so den­ken müssen, und zwar end­gültig,[118] in Form eines ‘Macht­­worts’[119]. Ziff. 4 OS bezeugt damit die endgültige Ver­bind­lich­keit der in ihr fest­gehaltenen Leh­re.[120] In diesen Schlusswor­ten wird der implizite Appell des Papstes, ihm in dieser Ange­legen­heit zu folgen und zu gehorchen, in die Form des einseitigen auto­ri­tativen Dekre­tes aufge­nom­men und von ihr überlagert.[121] Sie para­phrasiert aber nur die Konse­quenz der in Ziff. 4 OS festgehaltenen Endgültig­keit.[122]

2.9  Endgültig einzuhalten statt endgültig zu glauben

Johannes Paul II. verwendet in Ziff. 4 OS nicht den Ausdruck ‘endgültig zu glauben’, sondern ‘endgültig einzu­hal­­ten’.[123] Johannes Paul II. hat den aus der Tradition erwachsen­den Anspruch nicht als fide divina et catholica credenda gekennzeich­net.[124] Ziff. 4 OS ver­langt daher keine end­gültige Zustimmung des Glaubens,[125] die einer göttlich offenbarten Lehre geschuldet sein sollte[126]. OS entspricht der üblichen Sprache der lehramtlichen Dokumente, die, wenn sie von einer Leh­re sprechen, die sie unwiderruflich gelehrt, aber nicht geoffenbart wis­sen wollen, diese als ‘endgültig einzuhalten’ und nicht ‘endgültig zu glauben’ vorlegen.[127] Überprüft ein Adressat von OS die in Ziff. 4 OS getroffene Annahme auf ihre Wahrheit hin, muss er demnach zwar ‘ir­gend­wie’ eine Ant­wort des endgültigen Festhaltens geben, aber auf einer anderen Ebene als der des theologischen Glau­bensaktes.[128]

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Die Endgültigkeit des Ausschlusses der Frauen von der Priesterweihe
Hochschule
Universität Luzern
Note
6
Autor
Jahr
2021
Seiten
45
Katalognummer
V1045260
ISBN (eBook)
9783346447562
ISBN (Buch)
9783346447579
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauenordination, Ordinatio Sacerdotalis
Arbeit zitieren
Andrea G. Röllin (Autor:in), 2021, Die Endgültigkeit des Ausschlusses der Frauen von der Priesterweihe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1045260

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