Analyse zu: G.W. Leibniz: Schriften zur Logik und Methodenlehre, Kap. 1: Dialog über die Verknüpfung zwischen Dingen und Worten.


Trabajo Escrito, 2001

10 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wahrheit zwischen Gedanken und Dingen
2.1 Das Beispiel der Geometer
2.2 Wodurch Wahrheit und Falschheit bedingt sind

3 Gründe zur Rechtfertigung von Urteilen

4 Der Anteil von Willkür in der Wahrheit von Sätzen
4.1 Die Notwendigkeit der Wörter für Wahrheit
4.2 Die Beziehungen zwischen Dingen und ihren Namen

1 Einleitung

Der diesem Aufsatz zugrundeliegende Text und damit die Ausgabe, auf welche sich alle folgenden Seitenzahlen beziehen [Leibnitz], versucht eine Antwort auf die Frage, worin das Beständige in Wahrheiten, also auch im Wissen liege. Die hier vorliegende Ausarbeitung handelt die gegebene Textvorlage größtenteils chronologisch ab und bewertet den Argumentationsfluß und die dafür herangezogenen Folgerungen kritisch.

2 Wahrheit zwischen Gedanken und Dingen

Zwei Thesen werden in diesem Abschnitt von den Dialogführenden Figuren A und B be- handelt:

”WahrheitliegtalleinindenDingen“-und ”Wahrheitliegtausschließlichinden Gedanken“. Zunächst diskutieren beide die erstgenannte Aufstellung.

2.1 Das Beispiel der Geometer

In den ersten sechs Absätzen wird B mit Hilfe einiger suggerierter Fehlschlüsse zu dem Ergebnis geführt, Wahrheit liege nicht in den Dingen, sondern in den Gedanken. Wie sich zeigen wird, laden die von A mit Bedacht gewählten Beispiele, wegen eines begrenzten Erfahrungsschatzes oder dem Blendeffekt der scheinbaren Banalität, zur übereilten Konklusion ein. Im Einzelnen läuft dies so ab:

1. A stellt die Frage nach der mit einem geschlossenen Faden von bestimmter Länge gebilde- ten Figur, maximal eingeschlossenen Raumes. Formalisiert und geometrisch abstrahiert lautet das Problem wie folgt:

Aufgabe

Gegeben: Umfang U einer Figur F .

Gesucht: F , sodaß

”Raum“=max.

Bereits die Aufgabenstellung ist nicht konkret gewählt, denn der von nicht-räumlichen Figuren, wie es diejenigen aus Strick geformten sind, bzw. darstellen sollen,1 einfassende ”Raum“istimAllgemeinennichtdefiniert.

2. Zunächst läßt sich sagen, daß B ebenfalls eine Abstraktion dieses praktischen Problems vorgenommen hat. Was sich in seiner Antwort, die eine geometrische Figur, und nicht das körperliche Begreiflichmachen, mit Hilfe seiner Hände oder einem tatsächlichen Strick, als Vehikel seiner Idee wiederspiegelt.

Desweiteres zeigt sich, daß B stillschweigend den Flächeninhalt als das von A vage mit ”Raum“bezeichneteMaßzurOptimierungheranzog.DochauchdiesesverwendeteMaß ist unklar, denn die Bedeutung des Flächeninhaltes einer nicht planaren2 Figur, wie es die Strickgebilde der eigentlichen Aufgabenstellung nach sein können, ist nicht definiert. Jenes hat zur Folge, daß der Kreis, als das Gebilde der Lösung zur Aufgabenstellung nicht unbedingt wahr ist:

So könnte man sich wellenartige Figuren, also nichtplanarer Natur vorstellen, die unter Zuhilfenahme einer geeigneten Flächenberechnungsmethode, bzw. Definition, noch größere Flächen einschließen. Nimmt man sogar Körper vierdimensionaler Ausdehnung hinzu, die beim sehr schnellen rotieren von planaren Körpern entstehen können (so wie die Kugel durch Rotation des Kreises gewonnen werden kann), so können jene als Anfang eines Weges in beliebig-fach-dimensionale Körper betrachtet, Zeichen eines beliebigen Verhältnisses zwischen Fläche und Umfang sein.

Um den oben beschriebenen geistigen Zustand, völliger Durchdringung des Problems und des absoluten Verständnisses zu bekräftigen, konstruiert B, ein ebenso vages Beispiel der Kreislösung, nämlich die Insel der größten Fläche bei gleichem Umfang: Ebendiesen Umfang erklärt B durch das Maß der für das Umschreiten beanspruchten Zeit. Es ist eine scheinbar einleuchtende, praktisch vorstellbare Größe, die jedoch wenig genau mit dem Umfang zusammenhängt. Dies läßt sich mit der fraktalen Gestalt, für welche ge- rade Inseln gern als Beispiel herangezogen werden, erklären: Es ist nämlich nur schwer bis garnicht möglich, anhand einer unbeschrifteten Landkarte einer Insel, deren Ausmaß abzulesen. Das hängt damit zusammen, daß die Grenzfläche zwischen Land und Was- ser ein

”Unendlichmuster“darstellt,dasunabhängigvomMaßstab,dasgleicheWesen hat. Beim Umschreiten der Insel überspringt man jene Einschlüsse und hervorragende Landzugen, deren Feinheit (deren Muster) kleiner als die der Schrittweite ist. Der durch Schritte gewonnene Umfang, ist in der gleichen Weise kleiner als der Tatsächliche, wie auch der durch grobes Umfahren der Küstenlinie auf der Landkarte gemessene Umfang, zu klein ist. Treibt man die Genauigkeit weiter fort und mißt selbst die Rümpfe ein- zelner Steine und Wurzeln, die an das Wasser grenzen, so wird der gemessene Umfang in das Unendliche ansteigen. Ein ähnlicher Flächeneffekt ist am menschlichen Darm zu beobachten, der trotz seiner geringen äußeren Ausmaße, eine Fläche eines Einzel-Tennis- Match-Spielfeldes aufweisen kann. Mit dem tatsächlich größer als angenommenen Um- fang, wird auch die Fläche größer sein, als sich mit vereinfachten Messungen ergäbe. Dies hat zur Folge, daß eine relativ ”glatte“kreisrundeInseleinekleinereFlächehaben kann, als eine fein verwinkelte mit einem Rechteck als Form vereinfacht beschriebene, was im Gegensatz zu Bs Aussage steht.

Zusammenfassend läßt sich über diese erste Folgerung sagen, daß die Prämisse die Klau- sel planarer Körper vermißt, genauso wie das Inselbeispiel eine Interpolation3 der Grenz- fläche benötigte. Beides sind Begriffe bzw. Definitionen, die in der Natur selbst nie vor- kommen. Es existieren weder planare Körper, noch glatte Grenzflächen — diese Begriffe gehen vielmehr auf abstrakte Modelle und deren Definition zurück, welche menschlichen Gedanken entsprungen sind.

2.2 Wodurch Wahrheit und Falschheit bedingt sind.

A bringt B nun dazu, zunächst überzeugt zu sein, Wahrheit und Falschheit hingen allein von den Dingen, nicht jedoch von den Gedanken ab, läßt ihn daraufhin jedoch das Gegenteil glauben. Am Ende herrscht mehr Verwirrung als Klarheit:

1. A stellt die Frage, ob ein ”Satzwahrbliebe,auchwennervonB[Dir]nichtgedacht würde“ [S. [3], mittig], was B wiederum überschwänglich mit wenn [· · ·]“ [S. 3, folgend] bejaht. Jene Erkenntnis läßt sich sorglos bestätigen, denn der Wahrheitsgehalt eines Satzes hängt allein von seiner Interpretation ab. Sobald die Syntax auf der einen Seite, und die Semantik mir ihren Interpretationsmethoden und Bezeichnern4 auf der anderen Seite, festgeschrieben sind, ist auch der Wahrheitswert eines jeden Satzes, auch wenn er noch nie zur Prüfung herangezogen oder jemals gedacht wurde, unwillkürlich determiniert, was sich unumgänglich mit Hilfe eines sogenannten Beweises verifizieren liese.

2. Die nun jedoch folgende Suggestivfrage, ob ”WahrheitundFalschheitindenDingen, nicht in den Gedanken“ [S. [3], mittig] liegen, ist zwar redegewandt und vermittelt eine gewisse substanzielle Bedeutung, ist jedoch ebenso vage. Heutzutage sind die Begriffe Wahrheit und Falschheit ausschließlich für die Interpretation von Aussagen bestimmt, jene Attribute kommen - und kamen sicherlich genausowenig - weder für Dinge, noch für Gedanken zur Bewertung in Frage (mit Ausnahme der Alltagssprache), auch wenn man die Bedeutung der Phrase, meint.

”WahrheitliegeindenDingen“,verstandenzuhaben Wie soll man also das Bejahen dieser These seitens Balso, interpretieren, wenn selbst die Frage nicht völlig klar ist? Will man diese Aussage zu-Recht-biegen, so müßte entweder die Antwort auf die Frage Nein, oder die Frage selbst: ”SindWahrheitundFalschheit von den Dingen sowie den Gedanken abhängig?“ lauten.

3. An Bs Gedanken werden im Verlaufe Text stets Änderung vorgenommen, welche die Anlage der gesammten Quelle als platonischen Dialog wiederspiegelt. Genauso auch an dieser Stelle, als sich die Frage - die in jedem Fall eines Zitates bedarf - anschließt:

”KannmanabernunirgendeinDingfalschnennen?“[S.[3],unten].MankannLeibniz zu seiner Fähigkeit Wörter im Mund herumdrehen zu können, sehr wohl gratulieren.

Denn wie B richtig bemerkt, ist dies zwar tatsächlich nicht möglich, jedoch kann Falsch- heit sehr Wohl von den Dingen abhängen. Aus dieser zweifelhaften Tatsache jedoch, folgern beide:

”DieFalschheit[undspäterkommtauchdieWahrheithinzu]beziehtsich jedenfalls auf Gedanken, nicht auf Dinge“. Diese Konklusion ist aus zwei verschiedenen Gründen zweifelhaft.

(a) Die Prämisse ist falsch, denn eine Aussage kann sehr wohl falsch sein, weil es uns unsere empirischen Erfahrungen von der Realtät wiederlegen, z.B.: ”DieSonne strahlt ebenso hell wie der Mond“ - es liegt ganz gewiß an den Dingen, daß diese Aussage im Normalgebrauch falsch ist.

(b) Aus der Falschheit der einen Annahme - man könne ein Ding nicht falsch nennen - muß nicht die Wahrheit der anderen - Falschheit bezieht sich auf Gedanken - folgen. So gefolgert, dürfte nur entweder die eine, oder die andere Aussage wahr sein, was jedoch als Prämisse weder auftaucht, noch sinnvoll ist.

4. A und B kommen nun in Übereinkunft, daß mit der Falschheit auch die Wahrheit, von einem Subjekt abhängt. A folgert hier ganz richtig, indem er eine Entscheidung zwischen Falsch und etwas anderem - nicht Falschen - mit der Entscheidung zwischen Falsch und Wahr gleichsetzt, denn außerhalb dieser beiden Wahrheitswerte existieren keine Aussagen.

Bis zu diesem Punkt wurden von beiden Dialogpartnern hauptsächlich folgende zwei Aussagen gewonnen:

- ”WahrheitundFalschheit[liegen]indenDingen,nichtindenGedanken“[S.[3],mittig].
- ”DieFalschheit[soweiedieWahrheit]beziehtsichjedenfallsaufGedanken,nichtauf Dinge“. [S. [3], unten]

Wie B mit dem Satz, ”nunhastDumichganzverwirrtgemacht“,richtigbemerkt,sind beide Sätze zueinander kontradiktorisch5. Im folgenen Abschnitt soll daher As Geschick un-tersucht werden, ”einenAusgleichzwischenbeidenSätzenzuversuchen“[S.[4],mittig].

3 Gründe zur Rechtfertigung von Urteilen

Ausgehend von der Annahme, daß nicht ”alleGedanken,diegefaßtwerdenkönnten,tatsächlich zustandekommen.“[S. [4], mittig], was im übrigen eine wenig sinnvolle Tautologie ist die nicht mehr besagt, als das jenes nicht gedacht wird, was nicht gedacht werden kann, folgern A und B zunächst, daß Wahrheit dem Gebiet der möglichen Gedanken angehört. Das bedeutet, daß nicht nur die Wahrheit von gedachten Gedanken feststeht, sondern auch von den noch nicht gedachten, aber denkbaren Gedanken. Eine Aussage, die zwar einleuchten mag, jedoch keine Folgerung im logischen Sinn darstellt. Wenigstens ist die zu Beginn gemachte Feststellung, daß Sätze schon dann wahr sind, wenn sie noch nicht gedacht wurden sind (am Beispiel der Kreisfläche, bzw. den Geometern), in gewisser Weise verallgemeinert eingeschlossen.

Die Begründung die ”dafürvorhandenseinmuß,einenGedankenwahroderfalschzu nennen“ [S. [4], unten], sozusagen das, worauf es nun eigentlich ankommt, ist wie A erkannt hat, noch nicht gefunden, jedoch werden auf der Suche danach, folgende Vorschläge angeboten:

1. ”B.Nun,ichdenkeinderNaturderDinge.“[S.[4],unten].DerVorschlagansichistnicht ganz falsch, so würde sich der Wahrheitswert von Aussagen nämlich u.U. tatsächlich ändern, lebten wir in einer anderen Welt - Wahrheit scheint von den Dingen abzuhängen, aber eben nicht nur allein von ihnen, sondern eben auch von den Gedanken.

Das in der Argumentation immer wieder auftauchende Problem läßt sich vereinfacht und formalisiert so beschreiben:

Man betrachte den Wahrheitswert der aussagenlogischen Formel,

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wobei [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] für das ausschließende Oder steht. Es ist falsch zu sagen, dieser Wert hinge allein von a ab, so wie es auch falsch zu sagen ist, die Wahrheit von Sätzen hinge ausschließlich der Natur der Dinge ab, denn b ist jederzeit in der Lage die Aussage zu verneinen, genauso wie die Wahrheit von Aussagen stets von den Gedanken und den daraus relutierenden Begriffen abhängt. Es ist allein richtig zu sagen, der Wahrheitswert hänge von a und b ab.

In der Argumentation sind beide daher noch nicht viel weiter gekommen, da obige Aussage schon einmal in ähnlicher Form auftauchte und verneint wurde: nun aber irgendein Ding falsch nennen? — B Nein“ [S. [3], unten].

2. Wahrheit entspringt aus der eigenen Natur, ist, was A nun in die Diskussion einwirft. Wie schon unter 1. kann man diesen Gedanken als nicht falsch ansehen, jedoch auch nicht als allein allgemeingültig. Auch dieser Vorschlag wurde in ähnlicher Form bereits verneint:

”AlsoliegenDeinerAnsichtnachWahrheitundFalschheitindenDingen, nicht in den Gedanken? — B. Allerdings.“ [S. [3], mittig]

3. Genau diese Einsicht verhilft B nun allerdings zu dem großen Fortschritt in der Ar- gumentation: ”Sichernichtausihrallerin.“[S.[4],unten].Essindalsobeide,Dinge wie eigene Natur, die Wahrheit bedingen. B, (er sei) der zweite Dialogpartner, erkennt, daß es nämlich nicht reine Willkür ist, die mir zur Verifikation von Aussagen verhilft, sondern, daß ein ”richtigermethodischerFortschritt“(Beweisführung)zumZieleführen muß.

4. Jener oben beschriebene Fortschritt ist es, der von A sogleich auf die Probe gestellt wird. Fast über die gesamte fünfte Seite erörtern beide Gesprächspartner, daß die Wahrheit von Sätzen von den Definitionen der verwendeten Begriffe abhängt, welche wiederum der Wilkür unterliegen. Eine Feststellung, welche bekannte Zusammenhänge erneut for- muliert, nämlich das Warheit auch von den Gedanken abhängt. Da das große Volumen dieser Ausführungen eher dem klaren Verständnis, als dem Vermitteln neuer Gedanken dient, soll hier nicht bis ins Detail darauf eingegangen werden, ist die Argumentation doch schlüssig und frei von fehlerhaften Folgerungen. Davon ausgehend, zeichnet sich jedoch schon hier ein Problem ab: Es ist zwar möglich einen jeden Satz durch geeig- nete Begriffsdefintion in seinem Wahrheitswert zu verändern, doch dies gelingt nicht nach belieben mit mehreren Sätzen, welche sich der gleichen Begriffe bedienen — als Extrembeispiel sei darauf verwiesen, daß es bei beliebig gewählter, jedoch gleichbleiben- der Definitionen von Begriffen bei aller Willkür nicht möglich ist, einen Satz sowohl als wahr, als auch als falsch zu interpretieren.

4 Der Anteil von Willkür in der Wahrheit von Sätzen

Wie wird im Dialog nun das Problem gelöst, daß willkürliche Definitionen die Wahrheit von Sätzen bestimmen:

”Kannjemandsounvernünftigsein,dieWahrheitfürwillkürlichzuhalten und sie von Namen abhängig zu machen, wo doch sicherlich Griechen, Lateiner und Deutsche nur eine und dieselbe Geometrie haben?.“ [S. [6], oben]. — Ein schlechtes Gegenbeispiel für eine Aussage die so abwegig gar nicht ist. Der Zweite Dialogführende verweist mit diesem Satz, daß trotz den schir unendlich großen Möglichkeiten Begriffe zu definieren, in Wirklich- keit stets die gleichen gewählt wurden. Vom heutigen wissenschaftlichen Standpunkt erkennt man leicht, daß es eine eben solche Zwangsläufigkeit in der Begriffsbildung nicht gibt: Die einfache Vorstellbarkeit des euklidischen Raums/Koordinatensystems kann dazu verleiten zu glauben, es sei das einzig existierende. Heute bedient man sich jedoch wohldefinierter Koor- dinatensysteme (spherische, hyperbolische, usw.) in denen euklidische Gesetze auf den Kopf gestellt scheinen:

- Zwei parallele Geraden schneiden sich im Unendlichen.
- Es existiert nicht immer eine Gerade, die durch zwei beliebig gewählte Punkte läuft.

Eine Quelle von Ähnlichkeiten zwischen den Wissenschaften verschiedener Kulturen kann auch eine evolutionäre Wissenserweiterung oder eine gleiche zugrundeliegendere Wissenschaft wie der Mathematik sein. So lassen sich Kreise mit den Mitteln unserer Mathematik leichter beschreiben als Ellypsen und vermitteln uns gerade deswegen den Eindruck von Elementarität. Auf der anderen Seite sind die mit unseren Mitteln komplizierter formulierbaren Kugelausschnitte in einer spherischen Geometrie, elementare Grundkörper.

4.1 Die Notwendigkeit der Wörter für Wahrheit

B wird die Einsicht zuteil, daß man ”niemalsirgendeineWahrheiterkenne,auffindeoder beweise, ohne im Geiste Worte oder irgendwelche Zeichen zu Hilfe zu rufen.“ [S. [6], oben] Diesen empirisch gewonnen Satz, glaubt derjenige jedoch sogleich, mit einem womöglich das Gegenteil aufzeigenden, Fallbeispiel abzuwerten.

So seien geometrische Figuren durchaus in der Lage Gesetzmäßigkeiten in sich formulieren zu können - so wie man den Satz des Pythagoras auch ohne Formeln, einfach anhand einer treffenden Zeichnung verdeutlichen und sogar beweisen kann - ohne dafür ein Wort heranzie- hen zu müssen. Dieser Versuch eines Existenzbeweises, das Gegenteil des oben formulierten Satzes zu beschreiben, wird von A sogleich relativiert: ”DennderKreisaufdemPapierist nicht der wirkliche Kreis,“ [S. [6], mitte] sondern er vertritt letzteren in unserer Vorstellung. Da nun tatsächlich stets Wörter - wenn auch im erweiterten Sinn - Vorraussetzung für das Formulieren von wahren wie falschen Aussagen sind - das Wort Aussage drückt schließlich in seinem ursprünglichen Sinn schon aus, daß etwas gesagt bzw. vermittelt wird, sich also Worten bedient wird - drängt sich die Frage auf, welcher Zusammenhang zwischen den Dingen selbst und den ihrigen Repräsentanten, den Wörtern besteht. Der folgende Abschnitt soll sich mit dem Ansätzen Leibniz’ Schrift beschäftigen.

4.2 Die Beziehungen zwischen Dingen und ihren Namen

Um den Bezug zum Titel des übergeordneten Abschnitts, die Frage nach dem Anteil von Willkür in Definitionen und Sätzen zu entschlüsseln, sei nocheinmal der Diskussionsverlauf, bis zum jetzigen entscheidenden Punkt aufgezeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um nun dem zuletzt geschilderten Dilemma, willkürlicher Wahrheit zu entrinnen, versucht Leibniz eine gewisse Analogie zwischen Worten und Dingen zu finden, welche jenseits willkürlicher Entscheidung liegt, was auch die Essenz behandelten Textes darstellt und auf welche hier zu Beginn dieses Abschnitts noch einmal hingeführt werden sollte.

Zunächst läßt sich bei bestimmten Charackteren wie dem gemalten Kreis, der für die Idee des idealen Kreises in unserem Geiste steht, eine direkte Ähnlichkeit erkennen. Wir versuchen beim Zeichnen einer jeden Willkür, die das Produkt unserer Anstrengung vom idealen Kreis unterscheidet, zu vermeiden, obgleich dies nie vollständig gelingen wird. Solche Charaktere der Geometrie werden dabei als Figuren, ”dieallergeeignetsten“[S.[6],mittig]Zeichenbezeichnet.

Jene sind im übrigen nicht nur auf die Geometrie beschränkt, sondern finden sich auch in der Lautmalerei, der direkten Nachahmung von Dingen mit unseren Stimmen, die dem Vorbild so nah als möglich kommen soll. — Für jene Chraktere also, ist das benannte zentrale Problem der Willkür bereits gelöst, bleiben jedoch die übrigen.

Der angewandten Art der Beweisführung - das auch Willkür stets bestimmten Gesetzen folge - ist nichts entgegenzusetzen. Leibniz zerlegt das Problem in zwei disjunkte6 Mengen (Figuren und nicht-Figuren) und beweist zunächst die Zielgerichtetkeit7, einer der beiden (die Figuren namentlich). Er fährt weiter fort mit den übrigen Charakteren:

”AberwelcheÄhnlichkeithabendenn[···]z.B.die0 mitdemNichts,oderder Buchstabe a mit der Linie? [· · ·] Du mußt zugeben, daß zum mindesten diese Ele-mente keine Ähnlichkeit mit den Dingen zu haben brauchen.“ [S. [6], unten]

Eben diese müssen, wie B ausführlich beschreibt, ”irgendeineVerknüpfung,Gliederung und Ordnung, wie sie auch den Gegenständen zukommt, aufweisen“ [S. [7], oben]. Da es also das Verhältnis der Charaktere untereinander ist, welchem Wahrheit zugrunde liegt, ist ei- ne isolierte Betrachtung einzelner Wörter, wie sie von beiden bis hierhin betrieben wurde, ungeeignet gewesen. Diesem Verhältnis also, welches die Ordnung der Dinge ausmacht und sich wenn auch in verschiedenen Sprachen in unterschiedlichen Vokabeln, in einjeder Sprache wiederspiegeln muss, ist eine stetige Äquivalenz in den (praktischen) Ergebnissen der Wis- senschaften zuzuschreiben. Doch ist damit tatsächlich eine Antwort auf die Frage nach allen Faktoren der Wahrheit und ob auch Willkür sich als einen solchen Faktor bezeichnen kann, gefunden?

Leibniz setzt also voraus, die Dinge seien irgendwie miteinander verknüpft. Unernimmt man nun den Versuch eine Sprache explizit zu entwerfen, so hätte man eine beachtlich große Zahl von willkürlichen Entscheidungen zu treffen, Dinge zu benennen und selbst Ordnungen zu schaffen, soll jene Sprache jedoch auch zweckdienlich sein oder sich überhaupt eine Sprache nennen dürfen, so muß sich in der Verknüpfung der Charaktere selbst ebenso ein Verhältnis der Ordnung und Entsprechung feststellen lassen (eine Ordnung über der Ordnung). Was an dieser Folgerung zweifelhaft, oder zumindest nur ungenügend herausgearbeitet wurde, ist die Prämisse, die Dinge seien an sich geordnet. Sind es nicht wir, die mit unserer Sprache Dinge ordnen, indem wir sie in unsere Denkmodelle einsortieren? Selbst so natürlich anmutende Ordnungen wie die Entfernungen zwischen den Planeten zur Sonne oder das Prinzip von Ursache und Wirkung und damit der Zeit, oder die auch die Masse, sind nur ungenaue, nicht die Wirklichkeit beschreibende Maße, wie uns Quantentheorie und Relativitätstheorie zeigten,welche ihrerseits wiederum nur von Menschen geschaffene Ordnungsversuche der Dinge sind und wirkliche Zusammenhänge nicht vollständig beschreiben.

Im Anschluß daran, demonstriert A an einem arithmetischen Beispiel die Richtigkeit der aufgestellten These. Schon hier im Vorfeld sei vor dessen Zweifelhaftigkeit gewarnt! Zeigen will A, daß sich Ordnug und Regeln nicht auf das, was den Charakteren willkürlich ist, sondern auf das in ihnen Beständige gründet. Der Beweisverlauf sei hier grob skizziert: Es werden zwei Gleichungen herangezogen (a = b+c, a = d−e), die nach einigen semantisch äquivalenten Um- formungen mit einer schließlichen Addition wieder in den Ausgangspunkt überführt werden. Tatsächlich spielt es keine Rolle wie die einzelnen Größen bezeichnet werden, nichteinmal, mit was für Größen überhaupt gerechnet wird und wie genau die verwendeten Operatoren defi- niert sind. Daß Rechnen (semantisch äquivalentes Umformen) möglich ist, setzt die Erfüllung der in der Mathematik als Körpereigenschaften bezeichneten Grundaxiome vorraus. Ganz gleich, ob man mit Zahlen oder anderen Mengen arbeitet, sind es gewisse wenige Eigenschaf- ten die von den Rechenoperatoren erfüllt werden müssen, um mit ihnen rechnen zu können (die Existenz eines inversen und neutralen Elementes, Distributivität, Kommutativität, um nur einige zu nennen). Dieses Gebiet der Gruppentheorie, welches aufÉvarsiste Galois (1811- 1832) zurückgeht (also nach Leibniz’ Zeiten), revolutionierte seinerzeit die Mathematik und ist heutzutage Grundschulstoff des Mathematikstudiums [Churgin, Gellert]. Diese Grundgesetze sind das, was Leibniz mit dem Beständigen betitelt hätte. Fraglich ist jedoch, wie tauglich die in sich geschlossene Mathematik als Beispiel für die Verknüpfung von Dingen und Worten ist. Ist Mathematik vielleicht nicht mehr als ein Bauwerk von Begriffen und Sätzen, jedoch unabhängig von allen Dingen (a priori ) und somit wenig in der Lage Verknüpfung zwischen Dingen und Charakteren aufzuzeigen?

Ein weiteres mögliches Problem ist mit der Summation verbunden, mit der die Rechnung As abgeschlossen wird. Ein anderes Beispiel der Addition möchte jenes verdeutlichen: Man nehme eine Aussage, 1 = 2, und lege eine zweite davon abgeleitete 2 = 1 dazu. Es bedarf keiner Anstrengung zu erkennen, daß beide Aussagen falsch sind. Addiert man nun beide Terme, so ergibt sich folgendes:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie man sieht muß einer wahren entstandenen Aussage nicht unbedingt Wahrheit voran- gegangen sein, sondern nur das Gegenteil läßt sich folgern (Falschem geht falsches vorran). Im Beispiel As mögen zwar keine falschen Aussagen vorrangegangen sein, trotzdem ist Vorsicht beim leichtfertigen Umgang mit der Summation auf solche Art und Weise angeraten.

Zusammenfassung

Wenn auch das Ergebnis zu dem Leibniz kommt, Wahrheit liege in der Verknüpfung zwischen Dingen und Worten nachvollziehbar und einleuchtend ist, so hätte doch der Gebrauch von mehr Formalismus, die Widersprüche einiger einführender Thesen vermeiden lassen können, die sich hauptsächlich auf Sprachlicher ebene fanden: (”A.Kannmannun aber irgendein Ding falsch nennen?“ [S. [3], unten] Die gewonne Hauptaussage des Textes ist zwar in der Lage, eine Idee der Zusammenhänge zu vermitteln, ist aber vom wissen- schaftlichen Standpunkt zu verwaschen, um als Theorie gezählt zu werden - sie müßte dafür Vorhersagen treffen können oder neue empirische Erkenntnisse in sich einordnen. Auch der dazugehörige ”Beweis“mittelsarithmetischenKalkülsläßtnochSchwachpunkte erkennen oder zumindest Fragen offenbleiben.

Literatur

[Leibnitz] Leibniz, G.W.: Philosophische Werke in vier Bänden, Teil 1 Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie, ”I.SchriftenzurLogikundMethodenlehre,1.Dialogüber die Verknüpfung zwischen Dingen und Worten.“. Meiner, Hamburg1996.

[Churgin] J. Churgin: Formeln - und was dann? Berlin1967.

[Gellert] W. Gellert, Dr. H. Küstner, Dr. M. Hellwich, H. Kästner (Hgg): Kleine Enzklopädie Mathematik. Leipzig6 1971.

[...]


1 Bei um so genauerer Intepretation verwischen die bezeichneten Maße umsomehr, denn Strick an sich, besitzt eine Ausdehnung von Volumen, die jedoch von der Form (nahezu) unabhängig ist.

2 flach, in einer Ebene liegend

3 ausgleichen, im Sinne von ausglätten oder ”Ja-undselbstdann, ”planieren“

4 In diesem Kontext, alle von der Natur bestimmten Größen, welche in Aussagen, also Sätzen, Einzug halten können.

5 stets widersprüchlich

6 nichts gemeinsam habende

7 Das von Willkür frei sein

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Detalles

Título
Analyse zu: G.W. Leibniz: Schriften zur Logik und Methodenlehre, Kap. 1: Dialog über die Verknüpfung zwischen Dingen und Worten.
Universidad
http://www.uni-jena.de/
Curso
Philosophische Grundbegriffe
Autor
Año
2001
Páginas
10
No. de catálogo
V104772
ISBN (Ebook)
9783640030781
Tamaño de fichero
487 KB
Idioma
Alemán
Notas
Insgesamt wurde die Arbeit als gelungen und unterhaltsam eingestuft. Das Urteil, ich urteilte "naseweis" kann ich nicht teilen, vielmehr sehe ich meine Ansichten im Nachhinein durch FREGE bestätigt.
Palabras clave
Analyse, Leibniz, Schriften, Logik, Methodenlehre, Dialog, Verknüpfung, Dingen, Worten, Philosophische, Grundbegriffe
Citar trabajo
Christian Schäufler (Autor), 2001, Analyse zu: G.W. Leibniz: Schriften zur Logik und Methodenlehre, Kap. 1: Dialog über die Verknüpfung zwischen Dingen und Worten., Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104772

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