Medien als 4. Gewalt - Stellt sich die Frage der Legitimation?


Trabajo Escrito, 2000

14 Páginas, Calificación: 2


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einordnung der Medien in das politische System
2.1. Öffentliche Meinung
2.2. Stellung der öffentlichen Meinung im repräsentativen Parlamentarismus
2.3. Bedeutung der Medien als Träger der öffentlichen Meinung

3. Aufgaben der Medien
3.1. Information und Artikulation
3.2. Kritik und Kontrolle

4. Medien als vierte Gewalt und ihre Legitimation
4.1. Verwendung des Begriffs
4.2. Funktionsprobleme der Medien
4.2.1. Wirtschaftliche Abhängigkeit
4.2.2. Wirklichkeitsverzerrung
4.3. Konsequenzen der Funktionsprobleme für die Legitimation

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Medien und deren Bezeichnung als Vierte Gewalt. Unter Medien werden Fernsehen, Rundfunk und Printmedien zusammengefasst ohne auf spezifische Merkmale einzugehen. Diese sind für die vorliegende theoretische Auseinandersetzung eher unwesentlich, da auch schon Tendenzen innerhalb der Entwicklung von Medien als mögliche Argumente angeführt werden können.

Medien sind keine verfassungsrechtlich mit öffentlichen oder staatlichen Aufga- ben versehene Aufgabenträger, auch wenn der Begriff der Vierten Gewalt oft ausgesprochen und debattiert wird. Sie verfügen über keine Legitimation durch das Souverän - das Volk -, um kontrollierend und mit Rechten versehen in poli- tische Abläufe einzugreifen. Es ist daher von besonderem Interesse, welche gesellschaftlichen und staatlichen Gegebenheiten zu dieser großen Kompe- tenzzuweisung führen. Der Titel der Arbeit - Stellt sich die Frage der Legitimati- on? - deutet darauf hin, dass Medien zunächst als eigenständiges System be- trachtet werden müssen, und davon ausgehend welche Faktoren eine Bezeich- nung als Vierte Gewalt rechtfertigen. Aber auch welche Faktoren innerhalb des Systems die Frage nach Legitimation als überflüssig erscheinen lassen. Denn können Medien dem Anspruch einer Vierten Gewalt nicht genügen, erübrigt sich im Prinzip die Frage nach der Legitimation.

2. Einordnung der Medien in das politische System

2.1. Öffentliche Meinung

Öffentliche Meinung ist ein gesellschaftlich und politisch oft diskutierter Begriff ohne eindeutige Definition.1 Allgemein formuliert bezeichnet er “die während eines gewissen Zeitraums in einem größeren, individuell nicht bestimmten Teil der Bevölkerung vorherrschende übereinstimmende Ansicht bzw. Einstellung zu

Personen, Ereignissen oder Zuständen.“2 Aufgrund verschiedener Interessen, die gesellschaftliche Gruppen an der öffentliche Meinung haben, lässt sich der Begriff nicht eindeutig erfassen. Abhängig vom Interesse lassen sich verschiedene Definitionen formulieren, die z. B. die Wirkungsmechanismen, die zu einer öffentlichen Meinung führen, auf unterschiedliche Weise erklären.3

Unbestritten ist, dass in jeder Gesellschaft eine öffentliche Meinung existiert, der Begriff sich auch schon in Schriften der Antike finden lässt. In Gemeinschaft lebende Menschen sind gezwungen, einen gemeinsamen Konsens der Kom- munikation sowie der Verhaltensweisen zu suchen, um ein Zusammenleben zu ermöglichen. Dieser Konsens ist nicht identisch mit der öffentlichen Meinung, kann jedoch als Vorraussetzung für ihr Entstehen gesehen werden.

Seit Beginn des 18. Jahrhunderts wird der Begriff verwendet für einen öffentlichen Austausch des politisch gebildeten Bürgertums mit dem Ziel kontrollierend auf die bestehende Regierung einzuwirken. Diese Vorstellung der Aufklärung stand der bis dahin geltenden Bedeutung gegenüber, öffentliche Meinung sei gleichzusetzen mit sozialer Kontrolle und bedinge einen Konformitätsdruck, um integer Bestandteil einer Gesellschaft zu sein.

In den Definitionen, die sich im Laufe der Geschichte des Begriffs angenommen haben, kehren Elemente wieder, die sich auf zwei Konzepte zurückführen lassen: das Elite- und das Integrationskonzept.4

Das Elitekonzept beschreibt den Vorgang der öffentlichen Meinungsbildung als ein rationales Moment, in dem eine politisch gebildete und qualifizierte Elite unter Ausschluss der Mehrzahl aller Staatsbürger zu einem Urteil zu gelangen sucht. Als Basis gilt hier das Gemeinwohl und ein ständiger Rückbezug zu den gestaltenden Kräften der politischen Entscheidungen. Diese Entscheidungen gilt es zu kontrollieren und konstruktiv zu beurteilen.5

Das Urteil der Elite kann Einfluss nehmen auf die Gestaltung von politischen Prozessen, es muss sogar eine weitgehende Übereinstimmung zwischen die-ser Form der öffentlichen Meinung und den Regierungsträgern bestehen. Das Machtpotential der öffentlichen Meinung wird jedoch durch dieses Konzept nicht deutlich, denn vielmehr ist es die gegenseitige soziale Kontrolle innerhalb einer Gesellschaft, die Zwang ausüben kann. Hier greift das Integrationskonzept. Der Einzelne kann sich nicht beliebig aus der Gemeinschaft und dem Prozess der Meinungsbildung lösen, er wird einem Konformitätsdruck unterworfen und muss sich dem Konsens anpassen, will er nicht mit Isolation bestraft werden. Durch Interaktion wird jedes Individuum erfasst und integriert. Öffentliche Meinung, bzw. das Annehmen dieser, ist also ein wesentlicher Bestandteil von Zusam- menleben in Gemeinschaft mit Menschen.6 Es zeigen sich als prägende Elemente das Emotionale, das Unberechenbare und das Irrationale.7

Betrachtet man die Stellung der Medien innerhalb dieser Erklärungsversuche, wird deutlich, dass Medien hier unterschiedliche Rollen tragen. Innerhalb des Elitekonzepts bieten sie ein Forum für einen rationalen Austausch und vermit- teln Informationen, die reflektierte und differenzierte Ansichten erlauben. Im In- tegrationskonzept haben Medien auch Einfluss auf das vorherrschende Klima, indem sie zum Beispiel polarisieren und Themen besondere Dringlichkeit zu- weisen können.8

Betrachtet man Medien und fragt nach ihrer Bedeutung als Vierte Gewalt stellt, sich schon bei der Definition der öffentlichen Meinung die Frage, welches Kon- zept diese Bedeutung rechtfertigen würde und wo Schwierigkeiten auftauchen könnten.

2.2. Stellung der öffentlichen Meinung im repräsentativen Parlamentarismus

Die Bedeutung der öffentlichen Meinung in einem repräsentativ- parlamentarischen System ist gekennzeichnet durch den Anspruch den Volks- willen über die Abstimmungsperioden hinaus zu berücksichtigen. Da Partizipa- tion der Bürger nicht vorgesehen ist, ist Politik angewiesen auf eine bestimmte Rückkopplung in der Gesellschaft, um Interessen und Wünsche aufzugreifen und auch umzusetzen. Ein Indikator für die Qualität einer Demokratie ist auch die offene Kommunikation in der Gesellschaft9, daher ist sie ein in die Verfassung des freiheitlich demokratischen Rechtstaates eingebundenes Element. So ist im Grundgesetz Art. 20 festgeschrieben, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Vorraussetzung für das Erfüllen dieser Aufgabe ist zum einen die politische Willensbildung des Volkes, die von zuständigen Organisationen getragen wird (zum Beispiel von Parteien) zum anderen ein Austausch von Meinungen, Ansichten und Beobachtungen der Umwelt.

Seit der grundlegenden Trennung von Staat und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, erlangt öffentliche Meinung als Vermittler Bedeutung für beide Teile des politischen Systems.10 Eine nicht bestehende direkte Kommunikation zwischen Gesellschaft und Regierung wird durch ein “intermediäres System“11 überbrückt, dessen “organisatorische Bestandteile [...] Bildungssysteme, insbesondere alle Organisationen der politischen Bildung, politische Parteien, Vereine, Interessenverbände, soziale Bewegungen und nicht zuletzt die publizistischen Massenmedien [sind].“12 Öffentliche Meinung ist der Inhalt und das Ergebnis der Kommunikation innerhalb dieser Bestandteile.

2. 3. Bedeutung der Medien als Träger der öffentlichen Meinung

Medienfreiheit wird in der Verfassung der BRD der Meinungsfreiheit gleichge- setzt. Freiheit der Meinungsäußerung ist in den Grundrechten festgehalten und ein wesentliches Merkmal des demokratischen Staates.13 Betrachtet man die Bundesverfassungsgerichtsurteile bezüglich der Medien im Laufe der letzten Jahrzehnte, stellt man fest, dass diesen eine gewichtige Rolle als Vermittlungs- instanz zwischen Staat und Gesellschaft zugesprochen wird: “In ihr [der Presse] artikuliert sich die öffentliche Meinung [...]. In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwi- schen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regie- rung.“14

Doch nicht nur die rechtlichen Grundlagen sprechen für eine besondere Rolle der Medien innerhalb der vermittelnden Instanzen. Die rasante Entwicklung der Medienbranche während der letzten 10 Jahre geht mit der Tendenz einher, dass “der Prozess der Politikvermittlung für einen Großteil der Bevölkerung von den Massenmedien dominiert wird.“15 Dies spiegelt sich in Meinungsumfragen wieder, die offen legen, dass Informationen zum größten Teil über Fernsehen und Tageszeitung aufgenommen werden und weniger über Gespräche oder persönliche politische Beteiligungen.16

Medien können also als ein Instrument oder Sprachrohr der öffentlichen Mei- nung betrachtet werden, obwohl sie mit ihr natürlich nicht gleichzusetzen sind. Genauso wie bei anderen vermittelnden Institutionen besteht eine grundlegen- de selbstbestimmende Motivation und Eigenständigkeit.17 Auf der einen Seite bildet die Verknüpfung die Grundlage, Medien als Vierte Gewalt in das politi- sche System einbinden zu wollen, auf der anderen Seite wirft es die Frage auf, ob dieser selbstständige Apparat legitimiert ist, in die entscheidungsbildenden Prozesse der Politik einzugreifen.

3. Aufgaben der Medien

3.1. Information und Artikulation

Eine allgemein unbestrittene Aufgabe der Medien ist die der Informations- vermittlung. In einer pluralistischen und komplexen Gesellschaft sollen am poli- tischen Prozess beteiligte Gruppen durch Forderungen, Programme und Ziele sich der durch Medien hergestellten Öffentlichkeit stellen und eine Vorrausset- zung für politische Entscheidungen seitens der Wähler schaffen.18 Es wird über

Verläufe und Ergebnisse in der Politik berichtet, um einerseits Akzeptanz für bestimmte Inhalte von Politik zu schaffen und damit die Legitimationsbasis der Gesetzesgeber zu erhöhen, andererseits um neue Interessen auf Seite der Rezipienten zu wecken und zu mobilisieren.19

Dabei dienen Medien auch als Informationsquelle für politisch Beteiligte, zum einen um sich über gesellschaftliche Tendenzen oder “Konsenschancen von Themen, Personen und Entscheidungen“20 zu informieren, zum anderen um sich Überblick über aktuelle Ereignisse innerhalb des Staatsapparats zu ver- schaffen. Hier zeigt sich deutlich, dass eine Mitgliedschaft in staatsbildenden (genauso wie in gesellschaftlichen) Institutionen aufgrund der wachsenden Komplexität nicht ausreicht, um differenzierte Entscheidungen treffen zu kön- nen. Die Reduktion von Komplexität durch Berichterstattung kann daher auch als eine der zentralen Aufgaben der Medien gesehen werden.

Ergänzend dazu sollen Medien ein Forum zum Austausch sein, indem verschiedene Gruppen Interessen und Ansichten artikulieren können. Vor allem Konflikte sollen auf diesem Weg offengelegt und ausgetragen werden. Zentral ist hier dem Anspruch einer pluralistischen Gesellschaft zu genügen und die Repräsentanz der Gruppen zu sichern.21

Betrachtet man in diesem Zusammenhang die Funktion der öffentlichen Meinung als wichtigen Faktor der Integration, muss auch den Medien eine gesellschaftlich-integrierende Rolle zugesprochen werden.22 Inhalte und Informationen, die man hier sammelt, sind eine Vorraussetzung zur Kommunikation, bieten eine Basis zur Verständigung.

3.2. Kritik und Kontrolle

Kann man in der Informations- und in der Artikulationsfunktion die Rolle der Medien als Mittler bezeichnen, werden sie durch die Aufgabe der Kritik und Kontrolle an dem politischen System zum Akteur.23

Als Sprachrohr der öffentlichen Meinung sollen Medien innerhalb einer freiheitli- chen Gesellschaft die Möglichkeit zur Kritik, und darauf aufbauend, Kontrolle bieten. Der Grundsatz der freien Meinungsäußerung erhält, wenn alle gesell- schaftlich relevanten Gruppen durch und in den Medien vertreten werden, eine besondere Qualität, die, wie oben erwähnt, ein Indikator für die Qualität der Demokratie sein kann. Die Kritik der öffentlichen Meinung ist systemimma- nent24, d.h. soll sich nicht gegen den politischen Apparat richten, sondern zu seiner Entwicklung konstruktiv beitragen, wobei es “[...] seine Kontrollfunktion nicht kraft eines “Rechts“ [ausübt], sondern seine Ressourcen den Kontrollbe- dürfnissen der am staatlichen und öffentlichen Prozess Beteiligten zu Verfü- gung [stellt].“25

4. Medien als Vierte Gewalt

4.1. Verwendung des Begriffs

Der Begriff impliziert, dass die klassische Teilung der Gewalten im Rechtsstaat, zurückgehend auf Montesquieu, in der Praxis noch einer weiteren Kontrollin- stanz bedarf. So wird festgestellt, dass die Parteiendemokratie wie sie in Deutschland existiert zu einer Vermischung der drei Gewalten - Exekutive, Le- gislative und Judikative führt. Die Souveränität des Volkes ist weitgehend auf die Wahl der Regierung und des Parlaments beschränkt, die Parteien werden

letztendlich zum eigentlichen Träger, auch wenn ihnen nur eine Mitwirkung an der politischen Willensbildung eingeräumt wird. So haben die Mehrheitsverhält- nisse im Parlament großen Einfluss auf die Wahl der Bundesrichter, die Wahl des Bundespräsidenten sowie die Wahl der Bundesregierung. Auch die Abge- ordneten sind an die Parteien so weit gebunden, dass eine Vertretung der Wäh- ler durch unabhängige und dem Gewissen verpflichtete Entscheidungen nicht gewährleistet werden kann.26 „Die traditionelle Trennung in gesetzgebende Gewalt (Parlament), ausführende Gewalt (Regierung und die von ihr geführte Verwaltung), und rechtsprechende Gewalt, ist aufgehoben zugunsten einer Di- ametrie von Regierungsmehrheit (Parlamentsmehrheit und Regierung) und Op- position (Parlamentsminderheit) und Justiz. Das Verhältnis von Regierungs- mehrheit und Opposition ist dabei jedoch nicht ausbalanciert, sondern vielmehr ist eine Verschiebung tatsächlicher Macht in Richtung Exekutive festzustel- len.“27

Sucht man also nach einem Gegengewicht zu der realen Übermacht der Par- teien im Staat, scheinen Medien für eine Kontrollinstanz prädestiniert, da Ø sie auf die im Grundgesetz garantierte Freiheit der Meinung zurückgrei-

fen können

- die Unabhängigkeit von der Staatsgewalt durch die Bundesverfassung in mehreren Urteilen bestätigt wurde und einem besonderen Schutz un- terliegt.28

Zunächst wäre jedoch zu klären, ob Medien mit einem entsprechenden Macht- und Sanktionspotential ausgestattet werden können, inwieweit dies das beste- hende politische System in seinen Handlungen einschränken würde und ob die spezifischen Eigenschaften des Medienapparats solch einem hohen Funktions-anspruch gerecht werden. In diesem Zusammenhang spricht man von der “Un- regierbarkeit“ der Medien.29

4.2. Funktionsprobleme der Medien

4.2.1. Wirtschaftliche Abhängigkeit

Seit der Einführung der privaten Fernsehsender sind Medien zu einem bedeu- tenden Markt herangewachsen, der dessen speziellen Gegebenheiten unter- liegt. Somit ist der Medienmarkt vom Konkurrenzkampf zwischen den privaten Fernseh- und Radiosendern sowie Zeitungsverlagen geprägt. Ausschlagge- bender Faktor ist die Höhe der Auflagenzahlen, die Zuschaueranteile oder die Anzahl der Zuhörer. Mit der Zunahme dieser Zahlen nimmt die Attraktivität der einzelnen Medien für Werbeinserenten zu. Dabei laufen die Medien Gefahr, in eine Abhängigkeit von diesen Inserenten zu geraten30 und sind gezwungen In- halte von Sendungen umstrukturieren, um ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Dies geschieht meist in Form von Vermischung politischer Inhalte mit Unterhaltung: „Die Presse zahlt für Maximierung ihres Absatzes mit einer Ent- politisierung des Inhalts und der Tendenz zu einem mixtum compositum eines annehmlichen Unterhaltungsstoffes, der tendenziell Realitätsgerechtigkeit durch Konsumreife ersetzt.“31

Nachrichtensendungen werden im Fernsehen zunehmend in Form von “Infotai- nement“ übertragen. Das englische Wort bezeichnet eine Mischform von tro- ckener Informationen und Unterhaltung, und stellt nach Annahme bei 65% der Bevölkerung der USA die einzige Quelle der politischen Information dar.32 So fließen in das Verständnis der Bürger von Politik Elemente wie Emotionen, Sympathien ein und verhindern eine rationale und differenzierte Beurteilung von politischen Zusammenhängen.

4.2.2. Wirklichkeitsverzerrung

Ökonomischer Druck und der Zwang ein möglichst breites Publikum zu errei- chen, führen zu weitergehenden funktionalen Schwierigkeiten. Medien sind in erster Linie ein selbstständiger Apparat und entscheiden über veröffentlichte und gesendete Inhalte. Um ein höchstes Maß an Aufmerksamkeit zu erreichen, werden Nachrichten nach bestimmten Kriterien, die zu einer Verzerrung der von Rezipienten erlebten Wirklichkeit führen können, ausgesucht. Diese Kriterien sind vor allem Atypischem vor dem Normalen, und der Neuigkeit vor der Wie- derholung Vorrang zu geben. Auch wird eine “ansprechende“ Katastrophe eher Eingang in die Medien finden als bestehende und geordnete Verhältnisse.33 Medien erheben sich also aus der passiven Rolle, eine Plattform für die öffentli- che Meinung zu sein und werden zu einem agierenden System.

Sie bestimmen politische Themen und wählen Personen aus, die in der Öffentlichkeit zu Wort kommen dürfen, und sind somit in der Lage, Inhalte der öffentlichen Meinung zu beeinflussen und zu steuern.34

4.3. Konsequenzen der Funktionsprobleme für die Legitimation

Die Funktionsprobleme der Medien werfen die Frage auf, ob eine Kontrollin- stanz für den Medienapparat nicht sinnvoll wäre. Sie sind zum großen Teil in Abhängigkeiten verstrickt, die eine unkritische Aufnahme der gebotenen Infor- mationen und Inhalte erschweren. Es wird sichtbar, dass Medien und der dahin- terstehende Apparat sich nicht mit einer vermittelnden Rolle zwischen Gesell- schaft und Staat begnügen, sondern eine eigenständige Entwicklung einschla- gen. Diese tendiert eher an Emotionen der Rezipienten zu appelieren, und so- mit eine rationale politische Diskussion in den Hintergrund zu drängen. Da der Staatsapparat durch Öffentlichkeit erst seine volle Legitimität erlangt, ist er ge- zwungen sich dieser Entwicklung anzupassen. Ist jedoch die Vierte Gewalt im Staat schon in ihren Grundlagen nicht dem rationalen Charakter der drei klassi- schen Gewalten gleichgestellt, ist der Versuch eine Legitimationskette aufzu- bauen und die Vierte Gewalt handlungsfähig zu “machen“ zum Scheitern verur- teilt.

5. Schlussbetrachtung

Die Antwort auf die Frage, ob sich Medien als Vierte Gewalt im politischen Sys- tem Deutschland stellen müssen, wurde in der vorliegenden Arbeit mit “Nein“ beantwortet. Zwar ist die öffentliche Meinung eine wichtige Komponente im re- präsentativen Parlamentarismus, jedoch sind die Medien in ihrer vorherrschen- den Struktur nicht befähigt ein neutraler Ort der Austragung zu sein. Ihre Mög- lichkeit Themen und Geschehnissen der öffentlichen Meinung selbst zu bestimmen, sowie ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit sprechen gegen eine In- tegration der Medien als Vierte Gewalt. Es besteht die Tendenz, dass die Ver- tretung aller gesellschaftlichen Gruppen, die das Souverän bilden, in den Me- dien nicht gewährleistet ist. Diese ist jedoch allein aufgefordert Kritik auszu- üben, wobei Medien durch ihre Möglichkeit zur Herstellung von Öffentlichkeit eine tragende Rolle spielen. Da außerdem gesellschaftliche Gruppen keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Medienmitwirkenden haben, verliert die Frage nach der Legitimität an Bedeutung.

6. Literaturverzeichnis

Ellwein, Thomas: Regieren und Verwalten, Opladen 1976

Gallus, Alexander/Lühe, Marion: Öffentliche Meinung und Demoskopie, Opla- den 1998

Habermas, Jürgen: Strukturwandel in der Öffentlichkeit, Neuwied 1962

Hennes, Michael: Der CNN-Faktor. Wie das Fernsehen die Außenpolitik kolonisiert, in: Europäische Sicherheit, 12/94, S. 618-623

Löffler, Martin: Presserecht. Kommentar zum Reichsgesetz über die Presse und zum Presserecht der Länder sowie zu den sonstigen die Presse betreffenden Vorschriften, München-Berlin 1955

Marcinkowski, Frank: Politische Information im Fernsehen, Opladen 1997

Noelle-Neumann, Elisabeth: Öffentliche Meinung, in: Elisabeth NoelleNeumann/Winfried Schulz/Jürgen Wilke (Hrsg.): Fischer Lexikon. Publizistik. Massenkommunikation, Frankfurt a. M. 1995, S. 366-382

Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 2000

Schambeck, Herbert: Statt, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, Berlin 1992

Stöckler, Markus: Politik und Medien in der Informationsgesellschaft, Münster 1992

[...]


1 Vgl. Gallus Alexander/Lühe, Marion: Öffentliche Meinung und Demoskopie, Opladen 1997, S. 10 ff.

2 Löffler, Martin: Presserecht. Kommentar zum Reichsgesetz über die Presse und zum Presse recht der Länder sowie zu den sonstigen die Presse betreffenden Vorschriften, München- Berlin 1955, I/8

3 Vgl. Gallus, Alexander: a.a.O., S. 10 ff.

4 Vgl. Noelle-Neumann, Elisabeth: Öffentliche Meinung, in: Elisabeth Noelle-Neumann/Winfried Schulz/Jürgen Wilke (Hrsg.): Fischer Lexikon. Publizistik. Massenkommunikation, Frankfurt a. M. 1994, S. 366-382 (S.370 ff)

5 Vgl. Gallus, A./Löhne, M.: a.a.O., S. 28

6 Vgl. Noelle-Neumann, E.: a.a.O., S. 370 ff

7 Vgl. Gallus, A./Lühe, M.: a.a.O., S.28

8 Vgl. ebd., S. 28

9 Rudzio, Wolfgang: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, 5. Auflage, Opladen 2000, S. 483

10 Vgl. Schambeck, Herbert: Staat, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, Berlin 1992, S. 25

11 Vgl. Marcinkowski, Frank: Politische Information im Fernsehen. Eine Längsschnittstudie, Opladen 1997, S. 19 ff

12 Ebd., S. 20

13 Vgl. Art. 5 Abs. 1 GG

14 BVerfGE, Bd. 20, S.174

15 Marcinkowski, F.: a.a.O., S. 22

16 Vgl. Rudzio, W.: a.a.O., S. 485

17 Vgl. Marcinkowski, F.: a.a.O., S. 22

18 Vgl. Stöckler, Markus: Politik und Medien in der Informationsgesellschaft, Münster 1992, S. 31

19 Vgl. Marcinkowski, F.: a.a.O., S. 22

20 Ebd., S. 22

21 Stöckler, M.: a.a.O., S. 32

22 Vgl. Noelle-Neumann, E.: a.a.O., S. 381

23 Vgl. Rudzio, W.: a.a.O., S. 500

24 Vgl. Stöckler, M.: a.a.O., S. 27

25 Ebd., S. 27

26 Vgl. Löffler, Martin: Presserecht. Kommentar zum Reichsgesetz über die Presse und zum Presserecht der Länder sowie zu den sonstigen die Presse betreffenden Vorschriften, München-Berlin 1955, I/9

27 Vgl. Ellwein, Thomas: Regieren und Verwalten, Opladen 1976, zitiert nach: Stöckler, M.: a.a.O., S. 66

28 Vgl. Löffler, M.: a.a.O., I 9

29 Vgl. Stöckler, M.: a.a.O., S. 69

30 Vgl. Rudzio, W.: a.a.O., S. 503

31 Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit, Neuwied 1962, S. 187f

32 Hennes, Michael: Der CNN-Faktor. Wie das Fernsehen die Außenpolitik kolonisiert, in: Europäische Sicherheit, 12/94, S. 618-623 (S. 620)

33 Vgl. Rudzio, Wolfgang: S. 500

34 Vgl. Gallus, A./Lühe, M. : a.a.O., S. 28

Final del extracto de 14 páginas

Detalles

Título
Medien als 4. Gewalt - Stellt sich die Frage der Legitimation?
Universidad
University of Bonn
Curso
Einführung in die Politikwissenschaft
Calificación
2
Autor
Año
2000
Páginas
14
No. de catálogo
V104939
ISBN (Ebook)
9783640032396
Tamaño de fichero
382 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Medien, Gewalt, Stellt, Frage, Legitimation, Einführung, Politikwissenschaft
Citar trabajo
Julia Förderer (Autor), 2000, Medien als 4. Gewalt - Stellt sich die Frage der Legitimation?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104939

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Medien als 4. Gewalt - Stellt sich die Frage der Legitimation?



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona