Gryphius, Andreas - Thränen des Vaterlandes


Ponencia / Ensayo (Colegio), 2001

3 Páginas, Calificación: 13 Punkte


Extracto


Andreas Gryphius: Thränen des Vaterlandes

In seinem Sonett „Thränen des Vaterlandes“ thematisiert Andreas Gryphius den Dreißigjährigen Krieg, wobei er die Grausamkeiten und deren verheerenden Wirkungen auf den Körper und besonders auf die Seele der Menschen beklagt. Der Verfasser beschreibt die Ereignisse der damaligen Zeit, die er selbst miterlebt hat.

Erste Belege dafür findet man bereits im Teiltitel „Anno 1638“.

Das Gedicht weist mit zwei Quartetten und zwei Terzetten die klassische Sonettform auf.

Inhaltlich zerfällt das Gedicht in vier Sinnesabschnitte. Im ersten Quartett, welches zugleich den ersten Sinnesabschnitt begründet, gibt es eine Schilderung des Krieges mit all seinen Elementen. Gryphius führt dem Leser durch Kumulation verschiedener Kriegsbilder das Grauen aufgrund literarischer Mittel (bildhaft) vors Auge („das vom Blutt fette Schwert“, Z.3 / „donnernde Carthaun“, Z.3).

Das zweite Quartett bzw. der zweite Sinnabschnitt erweitert die vorangegangenen Gedanken. Dies lässt sich auch formell mit dem zum ersten Quartett identischen abba - Reimschema nachweisen. Beschrieb Gryphius im ersten Teil eher noch materielle Verluste („Schweiß, Fleiß und Vorrat aufgezehret“ , Z.4), so geht er nunmehr auf die Auswirkungen des Krieges, in symbolischer Hinsicht, ein: Durch die Zerstörung von Symbolen wie Stadttürmen oder Rathäusern ist den Menschen gleichermaßen Sicherheit sowie Recht und Ordnung genommen, am schlimmsten ist jedoch die Umkehrung der Kirche, welche den einst scheinbar unumstößlichen Glauben an Gott in Bedrängnis bringt (erweiterte Erläuterungen werden später angeführt). Der Verfasser beschließt diese Strophe mit einer Klimax, in der er die Folgen als „Feuer, Pest und Tod“ (Z.8) zusammenfasst. Die letzten beiden Strophen sind nicht klar durch eine starre abba - Reimform voneinander zu trennen, sondern erhalten durch den Schweifreim (ccd/eed) eine gewisse Zusammengehörigkeit.

Im ersten Terzett beklagt das lyrische Ich den großen Zeitraum, über den sich die qualvollen Ereignisse bereits erstrecken. Es verdeutlicht dem Leser nochmals das gegenwärtige Kriegselend und drängt ihn in das pessimistische Bewusstsein, auf einen weiterhin fortwährenden Zustand dieses Elends.

Man möge glauben, die angeführten Leiden und Qualen seien nicht mehr zu übertreffen, aber durch das einleitende „doch“ (Z.12) im vierten Terzett (und somit vierten, abschließenden Sinnabschnitt) kündigt der Verfasser eine unerwartete Wendung an, denn neben all dem Elend gibt es kein größeres Leid als den Verlust des „Seelen Schatzes“ (Z.14); die Menschen haben das Vertrauen in Gott und somit die Besinnung auf ewige Werte verloren.

Gryphius verwendet in seinem Gedicht ausgeprägte bildhafte Sprache, schon der Titel „Thränen des Vaterlandes“ ist eine Metapher. Sie verbildlicht das weinende Land, als ein Motiv für Leid und Elend. Unterteilt man den Titel, erhält man noch differenziertere Einzelmetaphern: Das Wort „Thränen“ steht ganz klar für die durch den Krieg verursachten Qualen und der darüber empfundenen Trauer. In dem Ausdruck „Vaterland“ lässt sich jedoch eine eher patriotische Gesinnung erkennen. Es geht dem Verfasser um das Leid des ganzen Landes und nicht um das einzelner, auch bekräftigt durch das erste Wort im ersten Vers: Durch das Personalpronomen „wir“ wird eine Zusammengehörigkeit des ganzen Volkes angebracht.

Folgend fällt die Feststellung „wir sind doch nunmehr gantz, ja mehr denn gantz verheeret“(Z.1). Die Umformung des Nomen „Heer“ zu einem Adjektiv und der Parallelismus des Wortes „gantz“(Z.1) steigern die Eindringlichkeit dieser Aussage, zumal hier ein Superlativ noch weiter gesteigert wird. Dadurch wird klar, dass es zu jener Zeit nichts anderes gab als den Krieg, alle „Völcker“ (Z.2) waren auf die Schlachten eingestellt; jeder Mensch war davon betroffen und konnte sich dem nicht entziehen.

Um die Folgen dieses Tatbestandes noch stärker zu verdeutlichen, listet Gryphius eine Reihe von Adjektiven auf („frech“, „rasend“, „donnernd“, Z.2-3), sie werden in Zusammenhängen verwendet, in denen die stets eine personifizierende Wirkung haben („die rasende Posaun“, Z.2 / „das vom Blutt fette Schwert“, Z.3), zudem besitzen sie einen negativen Charakter, welcher für die gesamte Strophe geltend ist.

Allerdings beinhalten diese bildhaften Formulierungen auch eine gewisse Einzelaussage, denn „die ... Posaun“ gilt im Krieg als Angriffssignal, im Sinne von „Männer, auf in die Schlacht“ ist sie ein motivierendes Mittel. Durch den Zusatz „rasend“ wird beim Leser jedoch die Assoziation von blindwütigen Soldaten hervorgerufen; ohne nachzudenken stürmen sie in ihr Verderben. Ebenso „die donnernden Carthaun“, welche dem Leser die tatsächliche Bedrohung des Krieges noch einmal näher bringen: der Kanonendonner ist angsteinflößend und bedrohlich. Sehr wirkungsvoll ist die Metapher des „vom Blutt fette(n) Schwert“, denn man erhält direkte Nähe zum Geschehen auf dem „Schlachtfeld“, man sieht das Bild von Schwertern vor sich, die von frischem Menschenblut nur so triefen. Die daraus folgende Abschreckung seitens des Lesers ist groß, es ist ihm unbegreiflich, wie ein Mensch mit normalem Verstand solche Taten auch nur in Erwägung ziehen kann. Die Beschreibung erinnert eher an eine reißende Bestie, ein wildes Tier, das dem Hunger aufs Töten verfallen ist und nicht an einen durchschnittlichen Anstandsbürger aus dem Volk bzw. an alle Mitglieder des Volkes.

Durch den letzten Vers in dieser Strophe wird, wie bereits oben erwähnt, der materielle Verlust als Folgen der Schlachten zusammengefasst. „Schweiß“ (Z.4) und „Fleiß“ (Z.4) sind Grundbestände jedes Menschens, jedoch heißt es, dass selbst diese und ebenso der letzte „Vorrath aufgezehret“(Z.4) sind. Es zeugt für große Armut rund um das Kriegsgeschehen, wenn sogar diese Grundbestände verbraucht sind.

Die zweite Strophe schließt sich inhaltlich an die vorangegangene an, abermals gibt es eine Kumulation der Kriegsfolgen, allerdings sind sie in diesem Fall wesentlich abstrakter. Systematisch wird zunächst von den zerstörten Städten („Die Türme stehn in Glutt“, Z.5) und dann von der zerstörten weltlichen („Das Rathauß ligt im Grauß“, Z.6) und geistlichen Ordnung („die Kirch ist umgekehret“, Z.5). Galten doch einst die Stadt“türme“ als Begrenzung und Sicherheit der Stadt, so ist dieses Symbol nun zerstört. Auch Recht und Ordnung, symbolisiert durch das Rathaus, ist den Menschen jetzt genommen. Am verhängnisvollsten ist jedoch die Umkehrung der „Kirch“, der Verlust des Vertrauen zu Gott, die Menschen haben keinen festen Glauben mehr und besitzen somit kein Recht auf Hoffnung.

Aber es geht noch weiter, denn selbst „die Starcken sind zerhaun“ (Z.6), die wehrfähigen Männer symbolisch für Kraft und Macht sind geschlagen und können die armen, schwachen „Jungfern“(Z.7) symbolisch für Moral und Anstand nicht mehr vor einer Vergewaltigung („sind geschänd´t“, Z.7) schützen. Überall, wo man hinschaut, ist Elend zu sehen, was durch die schlimmsten Folgen in der letzten Zeile der Strophe resümierend im Klimax „Feuer, Pest und Tod“(Z.8) aufgezeigt wird. So verändern die Grauen des Krieges die Gefühle („Hertz“,Z.8) und die Vernunft („Geist“, Z.8) und machen sie „hart“.

Abgesehen von den symbolischen Werten in dieser Strophe kann ich persönlich auch noch eine Andeutung von Kritik bezüglich des Glaubenswandels bzw. der Reformation („die Kirch ist umgekehret“, Z.5). Der Dreißigjährige Krieg gilt allgemein als Glaubenskrieg, in dem sich die Anhänger der Kirche gegenüberstanden. Allerdings ist es widersprüchlich einen Krieg des Glaubens wegen zu führen, denn schließlich versucht die Kirche sonst ohne Gewalt auszukommen und ist ein Befürworter des Friedens.

Im ersten Terzett werden die Aussagen des zweiten Quartettes in einem unvorstellbaren Maß gesteigert. Es wird einem das Bild von einem Schlachtfeld vor Augen geführt, auf dem Menschen „am laufenden Bande“ getötet werden („rinnt allzeit frisches Blutt“, Z.9 / „Von Leichen fast verstopfft“, Z.11).

Besonders auffällig ist jedoch das Schlüsselwort „Hir“ (Z.9) am Anfang dieser dritten Strophe, seine Bedeutung ist antithetisch zur Titelaussage „Vaterland(es)“. Es geht nun nicht mehr um allgemeine Leiden des ganzen Volkes, sondern jetzt befasst sich Gryphius mit einer speziellen Situation, beschreibt ein konkretes Geschehen. Der flehende Charakter dieser Strophe drückt wieder die Verzweiflung über diesen Krieg aus.

Das letzte Terzett unterscheidet sich in seiner Bedeutung von allen drei vorangegangenen Strophen: Wenn man bisher annahm, das Elend sei nicht mehr zu übertreffen, wird man in diesem Fall von Gryphius eines besseren belehrt. Er sagt, dass die Abkehr vom christlichen Glauben an Gott viel schlimmer („grimmer“,Z.13) sei „als der Tod“ (Z.12), „die Pest ... Glutt und Hungersnoth“(Z.13). Der Dreißigjährige Krieg zerstörte nicht nur eine riesige Anzahl an Menschenleben, sondern auch das Vertrauen und die Hoffnung der Menschen, die sich angesichts der Gräuel und Leiden von Gott verlassen glaubten.

Mit dieser Finalstruktur stellt Gryphius ein überraschendes und pointierendes Ende, setzt man den ersten und den letzten Vers dieses Gedichts in direkten Vergleich, entdeckt man auch hier eine entscheidende Antithetik. Erhält man zu Beginn zunächst den Eindruck, dass der erste Vers „wir sind denn nunmehr gantz, ja mehr denn gantz verheeret“ nicht mehr zu überbieten sei und gleichzeitig die Kernaussage des lyrischen Ichs sei, mit der sich die folgenden Verse ebenfalls befassen würden, so wird dieser Eindruck überraschend widerlegt, indem im letzten Vers die eigentliche Absicht entlarvt wird. Die restlichen Verse dienen grob gesehen nur zur Veranschaulichung und Verdeutlichung dieser konträren Eindrücke.

Zum Ende wollte ich noch mal auf eine für mich besonders interessante Passage in der dritten Strophe eingehen, im zehnten Vers ist von „dreymal sind schon sechs Jahr“ die Rede. Hier fällt mir die Aufteilung der bisherigen achtzehn Kriegsjahre ins Auge. Ich vermute, dass der Verfasser diese spezielle Unterteilung nicht ohne gezielten Grund vorgenommen hat. Da Gryphius diese Zeit des Schreckens selbst miterlebt hat, führe ich es zunächst auf seine eigene Person zurück. Laut Kurzbiographie wurde Gryphius im Jahre 1616 geboren, war demnach gerade zwei Jahre alt, als der Krieg begann. Er wird sich bei Gedanken an die vergangene Kindheit auch immer an den Krieg erinnern müssen. Rechnet man auf sein zartes Kindesalter von zwei Jahren nun jeweils die unterteilten Zeitabschnitte, erhält man drei verschiedene Altersstufen, die für die Entwicklung eines Menschen äußerst prägend sind, stellen sie doch drei Stadien des Reifeprozesses dar: mit acht Jahren noch ein Kind, mit vierzehn zwischen Kindheit und Erwachsenwerden und schließlich mit zwanzig ein ausgereifter selbstständig denkender und urteilender Mensch. Doch eines haben diese drei Stadien gemeinsam: das Elend des Krieges. In jedem Stadium wurde Gryphius jegliches Recht auf Individualität oder freie Auslebung verwehrt. Dieser Tatbestand verinnerlicht dem Leser nochmals die unvorstellbare Grausamkeit dieses Krieges.

Gryphius jedoch, als direkter „Betroffener“ im Krieg, sagt, dass die materiellen Verluste das geringste Leid sind und dass es für einen gläubigen Christen gleich Hunger, Obdachlosigkeit, Krankheit oder ähnlichem keine Berechtigung oder Vereinbarung gibt, zu stehlen, töten, lügen oder als Soldat zu dienen, wie es im Krieg eigentlich ausnahmslos alle Menschen vollzogen haben.

In seinem Gedicht kritisiert und klagt Gryphius die Einstellung der Menschen an, er ruft auf zur Besinnung auf ewige Werte. Hatte man in vielen Passagen des Gedichtes den Eindruck, der Verfasser wäre ein diesseitsbezogener Dichter mit seinen bildhaften Schilderung der Realität, entdeckt man am Ende doch den für den Barock typischen jenseitsbezogenen Dichter. Belegend dafür ist ebenfalls die ausgeprägte Religiosität Gryphius’, die nach detaillierter Analyse stark zum Ausdruck kommt.

Final del extracto de 3 páginas

Detalles

Título
Gryphius, Andreas - Thränen des Vaterlandes
Calificación
13 Punkte
Autor
Año
2001
Páginas
3
No. de catálogo
V105076
ISBN (Ebook)
9783640033737
Tamaño de fichero
329 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Gryphius, Andreas, Thränen, Vaterlandes
Citar trabajo
Marie Popp (Autor), 2001, Gryphius, Andreas - Thränen des Vaterlandes, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105076

Comentarios

  • visitante el 18/9/2007

    ...die interpretation ist ganz in ordnung, nur der epochenbezug und die diesbezüglichen Motive (vanias, memento mori) fehlen!

  • visitante el 14/3/2004

    das ist echt mal richtig gut.

    Endlich mal was Brauchbares gefunden! Scheint echt nicht schlecht zu sein.

  • visitante el 11/11/2002

    Muy Bien.

    ich finde deine Gedichtsinterpretation sehr sehr gut. Du hast mir echt weitergeholfen bei meiner Arbeit.
    Specail Thanks to Marie!

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Título: Gryphius, Andreas - Thränen des Vaterlandes



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