Entwicklung der Arbeiterjugend: Von den Anfängen 1904 bis zum Geist von Weimar


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2001

25 Pages, Note: 2,9


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung:

Hinführung zu den Teilbereichen und historischer Hintergrund vor 1904:

Welche Beweggründe gibt es für die Jugend, sich zusammenzuschließen? Die Jahre 1904- 1908:

1. Arbeiterjugendtreffen 1907 in Stuttgart:

Sozialistische Jugendarbeit wird durch unselbständige Verbände ersetzt. Die Jahre 1908 – 1919:

Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg Neuorganisation und Aufschwung der Arbeiterjugend. Die Jahre 1919 – 1933: Der Geist von Weimar:

Der 2. Jugendtag in Bielefeld. Anschluss an die SPD:

Schlussbemerkung:

Literaturverzeichnis:

Einleitung:

Warum schließen sich um die Jahrhundertwende (19./20. Jahrhundert) auf einmal Jugendliche zusammen und treten auch in der Öffentlichkeit auf? Welche Anreize gibt es, um in einem Jugendverband einzutreten? Fragen, denen sich diese Arbeit widmen wird.

Um den Zusammenschluss von Jugendlichen, sei es in der Arbeiterjugend oder in der Wandervogelbewegung, zu verstehen, müssen erst einmal die historischen Vorbedingungen geklärt werden. Denn das Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt kam nicht plötzlich, sondern war ein länger andauernder Prozess. Gewiss gab es einige Katalysatoren, die für den erfolgreichen Aufbau der Jugendorganisationen verantwortlich sind. Auf diese „Beschleuniger“ oder Schlüsselerlebnisse will ich im ersten Abschnitt eingehen, damit klar wird warum sich die Jugend zusammenschließt. Ich werde mich in dieser Arbeit nur auf die Arbeiterjugend konzentriere. Da ich den historischen Hintergrund für sehr wichtig halte, nimmt er auch einen großen Teil der Arbeit in Anspruch.

Der erste Teil der Arbeit gibt also einen Überblick über den Verlauf der Organisation und die Zielvorstellungen der Arbeiterjugend. Man kann den Werdegang der sozialistischen Arbeiterjugend in drei geschichtliche Schritte unterteilen:

1904 – 1908: Die selbständigen Arbeitervereine in Nord- und Süddeutschland bis zur Auflösung ihrer beiden Verbände.

1908 – 1919: Die Fortführung sozialistischer Jugendarbeit durch unselbständige Jugendausschüsse der Partei und Gewerkschaften.

1919 – 1933: Der Wiederaufbau der selbständigen Arbeiterjugendorganisationen nach dem ersten Weltkrieg, Spaltung und Revolution.1

Der Zweite Schwerpunkt der Arbeit wird sich dann auf drei große und in meinen Augen signifikante Treffen der Arbeiterjugend beziehen: Die Gründung 1908 in Stuttgart, die ersten Reichsjugendtage in Weimar 1920 und die Jugendtage 1921 in Bielefeld. Dabei versuche ich

Antworten auf die Fragen zu bekommen „Was ist der Geist von Weimar?“ und kann man ebenso von einem „Geist von Stuttgart oder Bielefeld“ sprechen?

In meiner Schlussbemerkung werde ich Fragen, die sich mir während der Bearbeitung gestellt haben, erläutern und ein Resümee ziehen.

Hinführung zu den Teilbereichen historischer Hintergrund vor 1904:

Die ersten Wurzeln der Jugendbewegung liegen im 19. Jahrhundert. Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in Europa, der im Rahmen der zunehmenden Industrialisierung zu immer neuen Beschäftigungsstrukturen führte: Neue, große Industriezentren entstanden, ein großer Teil der Bevölkerung zog in die aufstrebenden Städte. Die Landflucht nimmt zu. Dadurch entstehen neue, soziale Gebinde. Die traditionellem Familienverbände werden nach und nach aufgelöst und man sucht nach neuen Gemeinschaften. Es entwickelt sich zum ersten Mal so etwas wie ein Bewusstsein für die Jugend, das aber von den jungen Menschen selbst ausgeht. Die Jugend - bürgerlich und proletarisch - emanzipiert sich von der Generation der Väter.

Allerdings war der emanzipatorische Ausgangspunkt der proletarischen Jugendbewegung ein anderer, als bei der bürgerlichen Jugend. Nicht von den Sozialisationsdeterminanten der eigenen Familie und deren soziokultureller Umwelt musste sie sich befreien, denn mit ihr war sie durch die Solidarität der gemeinsamen materiellen Notlage verbunden, sondern von der ökonomischen Ausbeutung durch den Arbeitgeber. Denn der hatte aufgrund der Gewerbeordnung von 1869 zugleich die „väterliche Erziehungsgewalt“ über seine Lehrlinge.

Die Zahl der jugendlichen Arbeiter zwischen 14 und 18 Jahren war um die Jahrhundertwende aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung sprunghaft gestiegen. Im Jahre 1904 gab es etwa 4 Millionen jugendliche Arbeiter, darunter waren fast 800.000 (entspricht 20 Prozent) Fabrikarbeiter. So war eine jugendliche

Fabrikarbeiterschicht mit eigenem Schicksal entstanden, der ein gemeinsames "Klassenbewusstsein" jedoch noch fehlte; es wurde stellvertretend von den Vätern in der SPD und den Gewerkschaften vertreten.

Historischer Hintergrund: Welche Beweggründe gibt es für die Jugend, sich zusammenzuschließen? Die Jahre 1904 – 1908.

Die proletarische Jugendbewegung in den selbstständigen Arbeiterjugendvereinen

Wie oben bereits erwähnt, waren die Gründe der Emanzipation der Arbeiterjugend existenzieller als bei der bürgerlichen Jugend. Deshalb war der Stein des Anstoßes zur Gründung einer Bewegung auch schicksalhaft.

Im Juni 1904 erhängte sich im Berliner Grunewald der Schlosserlehrling Paul Nähring, er konnte die andauernden Misshandlungen durch seine

„väterliche Erziehungsgewalt“ den Meister nicht mehr ertragen. Sein Körper war geschunden, über und über mit Striemen und Beulen bedeckt.

Das Schicksal des Lehrlings fand in der Öffentlichkeit durch den sozialdemokratischen Rechtsanwalt Dr. Broh einen Sprecher. Der Anwalt schrieb in einem Zeitungsartikel, man könne dem allgemeinen „Lehrlingsjammer“ nur solidarisch durch Schaffung von Lehrlingsvereinen abhelfen. Die Reaktionen auf den Selbstmord und den Artikel von Dr. Broh zeigten, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelte, sondern dass sich viele Lehrlinge und jugendliche Arbeiter in ihm wiedererkannten.2

In vielen der kleinen Handwerksbetriebe vegetierten die Lehrlinge im Sinne von “Haustieren” oder “Haussklaven” dahin. Sie mussten meist die schwerste Arbeit verrichten, nebenbei noch die Meisterin im Haushalt unterstützen, Einkäufe erledigen. Sie waren die ersten, die morgens aufstanden und die letzten, die nach einem oft 13 oder 14stündigen Arbeitstag schlafen gingen. Entlohnung gab es nicht, viele von ihnen mussten noch ein monatliches oder jährliches Lehrgeld bezahlen.

Die Ausbeutung der Lehrlinge hatte ihre Ursache in der starken Konkurrenz der kleinen Handwerksbetriebe untereinander und ihrer Bedrohung durch die entstehenden großen Konzerne. Wenn die Lehrlinge ihre meist 4 - 4 1/2 jährige Lehrzeit beendet hatten, fanden sie meist im Lehrbetrieb keine Anstellung. Sie gingen auf die „Walze”, um sich anderswo eine Arbeitsstelle zu suchen.3

Durch den Tod Nährings trat am 10. Oktober 1904 der „Verein der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter Berlins“ mit 24 Mitgliedern unter der Führung von Dr. Broh zusammen. In den Satzungen hieß es, dass der Verein „die wirtschaftlichen, rechtlichen und geistigen Interessen der Lehrlinge, jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen zu wahren und zu fördern trachte“. Ausdrücklich ausgeschlossen waren politische und religiöse Ziele, denn nach Paragraph 8 des geltenden preußischen Vereinsrechtes durften „Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge“4

politischen Vereinen weder angehören noch an deren Versammlungen und Sitzungen teilnehmen. Die Mitgliederzahl des Vereins stieg schnell an, am 1.Januar 1905 zählte er 500, im Juni 1908 schon 2200 Mitglieder.

Schützenhilfe in der Popularität des proletarischen Zusammenschlusses gab es von den evangelischen Jünglingsvereinen. Diese erschienen mit 150 Teilnehmern zur Gründungsversammlung, um durch Diskussionsbeiträge die Vereinsgründung zu verhindern. Sie konnten sich aber weder bei der Gründungsversammlung noch bei späteren Tagungen mit ihrem (zerstörerischem) Vorhaben durchsetzen. Im Gegenteil, sie wurden in tumultartigen Szenen von den erregten Lehrlingen bei ihren Reden unterbrochen.

Über den neu gegründeten Verein erregte sich aber auch die bürgerliche Presse, die Handwerkerinnungen und die staatlichen Organe; der Verein hatte offensichtlich schon durch seine bloße Existenz und durch seine öffentlich verkündeten Ziele in ein Wespennest gestochen. Bei den Versammlungen war ständig die Polizei anwesend, um bei der ersten „politischen“ Diskussionsäußerung unter Berufung auf das Vereinsgesetz die Versammlung aufzulösen. Obwohl es formal durchaus rechtsstaatlich zuging, lag die Entscheidung darüber, was „politisch“ sei, bei den einzelnen Polizeibeamten. Diese hatten aber aufgrund ihrer Erziehung und ihrer politischen Einstellung ein sehr anti-sozialistisches Politikverständnis und hielten schnell ein Wort der „staatsfeindlichen Sozis“ für „politisch“ im Sinne des Vereinsgesetzes. Die Handwerkerinnungen erregten sich vor allem deshalb, weil der Lehrlingsverein in seiner seit 1905 erscheinenden Monats-Zeitschrift „Die arbeitende Jugend“ regelmäßig Berichte über Lehrlingsausbeutung und Lehrlingsmisshandlung veröffentlichte. Die Zeitung entwickelte sich im Laufe der Jahre zum wichtigsten Organ der Arbeiterjugend.

Die starke Beachtung des noch kleinen Vereins durch die christlich nationalen Vereine war die beste Werbung für den Zusammenschluss der Lehrlinge. So wurde in der Presse ständig über sie berichtet.

Bereits im Jahre 1905 entstanden auch in anderen Orten Norddeutschlands Lehrlingsorganisationen, die die Berliner Satzung fast wörtlich übernahmen. Die drei größten Vereine aus Berlin, Bernau und Harburg gründeten am 25./26. Dezember 1906 in Berlin die „Vereinigung der freien Jugendorganisationen Deutschlands“, die sich bis Mitte 1908 auf 36 Vereine mit 5431 Mitgliedern ausdehnte. Der politisch neutrale Vereinsname war notwendig, um nicht im Sinne des Vereinsgesetzes verboten zu werden. Es wurde extra, um politisch nicht aufzufallen, das Wort „sozialistisch“ weggelassen. Gleichwohl konnte es an der (primär) politischen Intention des Vereins keinen Zweifel geben.

[...]


1 Zwerschke, Manfred, Jugendverbände und Sozialpolitik, Die Entwicklung des sozialpolitischen Willens in den deutschen Jugendverbänden, München, 1963, S. 111

2 Gewerbeordnung von 1869

3 www.falken-darmstadt.de/kapitel2.htm

4 Giesecke, Hermann, Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend, http://home.t- online.de/home/Hermann.Giesecke/wv1.htm#Die%20proletarische%20JB

Fin de l'extrait de 25 pages

Résumé des informations

Titre
Entwicklung der Arbeiterjugend: Von den Anfängen 1904 bis zum Geist von Weimar
Université
University of Göttingen
Cours
Seminar
Note
2,9
Auteur
Année
2001
Pages
25
N° de catalogue
V105158
ISBN (ebook)
9783640034550
Taille d'un fichier
408 KB
Langue
allemand
Mots clés
Entwicklung, Arbeiterjugend, Anfängen, Geist, Weimar, Seminar
Citation du texte
Eike Völker (Auteur), 2001, Entwicklung der Arbeiterjugend: Von den Anfängen 1904 bis zum Geist von Weimar, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105158

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