Das Augsburger und Nürnberger Patriziat im Vergleich


Trabajo Intermedio/Parcial, 1995

35 Páginas, Calificación: 1


Extracto


Inhalt

1. Einleitung

2. Das deutsche Patriziat
2.1 Definition
2.2 Der ständische Charakter des Patriziats
2.3 Der Ursprung des Patriziats und seine Entwicklung bis zum Ende des Alten Reiches

3. Das Augsburger Patriziat
3.1 Die Entstehung und die politische Geschichte des Augsburger Patriziats
3.1.1 Die Vorgeschichte und der Ursprung
3.1.2 Die politische Entwicklung bis zur Mediatisierung
3.2 Die ständisch-soziale Dimension

4. Das Nürnberger Patriziat
4.1 Die Entstehung und die politische Entwicklung
4.2 Die ständisch-soziale Dimension

5. Augsburg und Nürnberg im Vergleich
5.1 Die Entstehung und die Geschichte der Geschlechter im Vergleich
5.2 Ständisches Ansehen und ständische Abgrenzung

6. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Thema der vorliegenden Arbeit ist das Patriziat der Reichsstädte Augsburg und Nürnberg in Mittelalter und Früher Neuzeit. Ziel soll es sein, anhand eines Ver­gleichs die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Entwicklung und Konstitution des Patriziats beider Städte herauszustellen. Einer solchen Zielsetzung kommt schon deshalb Relevanz zu, weil sich die zahlreichen bisher zum Thema erschiene­nen Abhandlungen i.d.R. auf eine einzelne Stadt oder einen eingegrenzten geogra­phischen Raum konzentrierten - weitgehend, ohne detailliertere Vergleiche zwischen zwei Städten anzustellen. So ist bisher keine ausführliche Untersuchung zum Augs­burger und Nürnberger Patriziat veröffentlicht worden. Aufgrund des engen Rah­mens der vorliegenden Darstellung wird diese Lücke nur zu einem kleinen Teil geschlossen werden können.

Vielmehr ist beabsichtigt, einige Aspekte genauer zu untersuchen. Vor allem die Entstehung und die ständischen Besonderheiten des jeweiligen Patriziats im Vergleich zueinander und zum deutschen Patriziat als sol­chen sollen deshalb Gegenstand der Untersuchung sein. Dabei ist die Quellenla­ge zur Entstehung des Patriziats in Augsburg eher unzureichend. Da die Quellen[1] über die gesellschaftliche Entwicklung Augsburgs im 10. und 11. Jh. nur recht vage und undifferenzierte Angaben machen. Besser wird die Quellenlage zur weiteren Entwicklung dann ab dem 12. Jh. mit dem Aufkommen zusätzlicher Quellen[2], die ein recht genaues Bild vermitteln.

Speziell zur Augsburger Sozialgeschichte gab es in den letzten Jahren keine Veröffentlichungen. Arbeiten zu diesem Thema blieben bislang ungedruckt.[3] Überhaupt gibt es zu diesem Thema lediglich Untersuchungen in Aufsatzform oder innerhalb übergreifender Darstellungen. In dieser Hinsicht ist die Literaturlage dafür sehr vielfältig. Grundlegend ist in diesem Bereich immer noch die Monographie Zorns[4], die auch bei der Ausarbeitung dieser Arbeit herangezo­gen werden wird. Des weiteren stützt sich diese Arbeit auf zwei Sammel­bände[5], die zur 2000-Jahr-Feier erschienen sind. Im Gegensatz zu Augsburg ist die Quel­lenlage für die Frühzeit der Nürnberger Gesellschaftsentwicklung etwas aus­führ­licher[6] ; ver­mutlich hauptsächlich weil die Nürnberger Geschichte erst wesentlich später beginnt als die Augsburger[7]. Ebenso wie in Augsburg wird die Quellenlage in den nachfol­genden Jahrhunderten noch besser.[8] Auch die Literaturlage ist ver­hältnismäßig günstig; obwohl ebenso wie im Falle Augsburgs im wesentlichen auf spezielle Auf­sätze und Gesamtdarstellungen zur Nürnberger Geschichte zurückge­griffen werden muß. Als besonders erkenntnisreich hervorzuheben ist der Aufsatz "Nobiles Norim­bergenses"[9] von H. H. Hofmann. Von den allgemeinen Abhandlun­gen zum deut­schen Patriziat bzw. zur deutschen Stadt sollten einige besonders hervorgehoben werden. Insbesondere der Aufsatz von I. Bátori " Das Patriziat der deutschen Stadt­"[10] und die Monographien von K. Gerteis "Die deutschen Städte in der Frühen Neu­zeit"[11], von H. Planitz "Die deutsche Stadt im Mittelalter"[12] und von E. Isen­mann "Die deutsche Stadt im Spätmittelalter"[13]. Aufgrund der großen Zahl der zum The­ma erschienenen Literatur kann hier nur die aufgeführt werden, die in dieser Arbeit vornehmlich benutzt werden wird.

Zur Einführung in das Thema und als theoretische Grundlage der weiteren Darstel­lung wird ein Kapitel zum deutschen Patriziat im allgemeinen vorangestellt. Vor allem anhand des Batori-Aufsatzes und der Monographie Isenmanns wird ver­sucht werden, eine Definition zu bilden, mit der sich klar zwischen Patriziern und anderen städtischen Führungsschichten, wie z.B. den Honoratioren, unterscheiden läßt. Des weiteren soll das standestypische Verhalten und die Entstehung des deut­schen Patriziats untersucht werden. Dieser allgemeine Teil wird in den anschließen­den Kapiteln über die Augsburger und Nürnberger Patrizier zum Vergleich herange­zogen werden. Mit Hilfe der Definition soll geklärt werden, ob überhaupt und ab wann es patrizische Oberschichten in den beiden Städten gab. Auch sollen eventu­elle Abweichungen von der allgemeinen Entwicklung im Reich deutlich gemacht werden. Diese beiden Kapitel sind weitgehend parallel aufgebaut sein; lediglich die Vorgeschichte zur Entstehung des Patriziats in Augsburg wird im Gegensatz zu Nürnberg etwas ausführlicher dargestellt, da sie in jener Stadt einen größe­ren Zeitraum einnimmt. Abschließend wird ein Vergleich des Augs­burger und des Nürnberger Patriziats angestellt. Für eventuelle Unterschie­de oder Gemein­samkeiten solle nach Gründen gesucht werden. Insbesondere soll in diesem Zu­sammenhang die ständische Qualität der Patrizier verglichen werden.

2. Das deutsche Patriziat

2.1. Definition

"Städtische Führungsgruppe läßt sich definieren als innerer Zirkel der politischen Führungsschicht oder Elite, als die eigentlichen Entscheidungsträger in den Orga­nen der Stadtpolitik...Es ist zusätzlich zu berücksichtigen, wer im Selbstverständnis der Zeit in der Skala gesellschaftlichen Prestiges an der Spitze der städtischen Hierarchie steht und wer die Spitzenpositionen im Wirtschaftsleben innehat."[14] Da­bei ist die Anwendung des Begriffs "Patriziat" auf eine bestimmte Führungsschicht in Mittelalter und Früher Neuzeit im allgemeinen und auf die Eliten bestimmter Städ­te im besonderen in der Literatur umstritten. Das gilt insbesondere für die Zeit vor dem 17. Jh., in der die Bezeichnung "Patriziat" in diesem Sinne weitgehend unge­bräuchlich war. Da andere Begriffe jedoch in ihrer Gültigkeit zeitlich und räumlich sehr begrenzt seien, bevorzugt Bátori diese Bezeichnung als das geringste begriff­liche Übel.[15]

Als wichtigstes Kriterium für die Zugehörigkeit zum Patriziat sieht Bá­to­ri die Ratsfähigkeit an, die mit politischer Führungsstellung verknüpft ist. Da die Rats­fähigkeit alleine die Patrizier nicht immer von den anderen städtischen Bevölke­rungsgruppen unterscheide, müßten für eine exakte Definition noch weitere Merk­male herangezogen werden. Wichtig seien nämlich auch Ansehen und Abstam­mung, sowie Reichtum. Durch die Übernahme der Definition Stolzes[16] gelangt sie zu der Feststellung, daß mindestens zwei der genannten Merkmale vorhanden sein müssen, um von Patriziat zu sprechen. Demnach müßten die Patrizier dem politi­schen Merkmal zufolge bei der Verwaltung und Regierung einer Stadt privilegiert sein, soziologisches Kriterium sei der "Zusammenschluß mit ständischer Exklusivität und gesellschaftlichen Vorrechten"; wirtschaftlich-beruflich müßten sie über Reich­tum oder wenigstens eine gesicherte Vermögenslage verfügen. Sie zögen "Erwerb durch Grundbesitz, Renten, Großhandel, Ausübung akademischer Berufe und des Offiziersberufs."[17]

Andere Faktoren wie geschlossene Heiratskreise und Konnubi­um mit dem Landadel, sowie das Selbstverständnis der Patrizier seien für den Kern Der Definition nebensächlich, da sie nur in Verbindung der genannten Kriterien auftreten könnten.[18] Eine etwas andere Gewichtung nimmt Isenmann vor. Reich­tum und wirtschaftliche Machtstellung seien eher Voraussetzungen für die Existenz eines Patriziats. Dagegen sei "das entscheidende definitorische Kriterium des Patri­ziats...seine politische Berechtigung und soziale Vorrangstellung auf geburtsständi­scher Grundlage. [Deshalb sei] das Patriziat ein politisch-sozialer Stand."[19] Des­halb seien die politische und soziale Vorrangstellung unmittelbar mit der Standeszu­gehö­rigkeit zum Patriziat verbunden. Aufgrund der sich am adeligen Ehrbegriff orie­ntierenden Standesehre grenze es sich gegenüber den Gruppen ab, die mehr durch ihre Klassenlage bestimmt seien. Seine politische Macht und sein Reichtum würden ihm zudem Ansehen vermitteln.

In seiner Lebensführung orientiere sich das Patrizi­at am Landadel; wobei es typisch bürgerliche Werte und Verhaltensweisen dennoch beibehalte. Darüber hinaus sei das Patriziat als Geburtsstand genealogisch ge­schlossen, verfüge also über geschlossene Heiratskreise.[20] Im Gegensatz zu Báto­ri gehören für Isenmann also Faktoren wie geschlossene Heiratskreise, Konnubium mit dem Landadel und Selbstverständnis als Patrizier sehr wohl zu den entschei­denden Merkmalen des Patriziats. Diese Erweiterung der Definition scheint erforder­lich zu sein, da denkbar ist, daß zumindest das politische und das wirtschaftlich-berufliche Merkmal auch auf Gruppen (z.B. Kaufleute) zutreffen kann, die den­noch nicht dem Patriziat angehören. Deshalb ist es notwendig, das Patriziat defini­torisch klar von anderen städtischen Führungsschichten abzugrenzen.

Dem Pa­triziat ähnli­ch war das Honoratio­rentum, das Schil­ling zufolge in eini­gen Städten zeitwei­lig die politische Elite bildete. Kennzeichen des Honoratio­ren­tums war des­sen Zu­gehö­rigkeit zu den Kaufmanns­gilden, verbun­den mit einer akti­ven Betätigung im Handel- und Wirtschaftsleben, die ihm ermög­lichte zur städti­schen Führungs­schicht aufzu­steigen.[21] Nach Saalfeld besteht der Unterschied zwi­schen Honora­tio­ren und Patri­ziern vor allem im Streben dieser nach adeliger Lebensweise bzw. im Fehlen dieses Strebens bei jenen. Dabei seien die Honoratioren den Patriziern zahlenmä­ßig weit überlegen, da sie etwa 3-6% der Stadtbevölkerung ausgemacht hätten.[22] Auf­grund­dessen stellt sich die Frage, ob und wenn ja wie, das Patri­zi­at in der Lage war, ständische Exklusivität zu wahren, oder ob es gezwungen war, sich aus anderen Ständen zu ergänzen.

2.2. Der ständische Charakter des Patriziats

Kennzeichnend für das Patriziat als Stand war seine Abgrenzung gegenüber sozia­len Schichten, die weniger angesehen waren. Diese Abgrenzung verstärkte sich im 14. Jh. durch den äußeren Druck konkurrierender Schichten. Die Patrizier reagier­ten mit einer stärkeren Betonung ihrer ständischen Exklusivität, indem sie Patrizier­gesellschaften gründeten, denen sie Statuten gaben. In den Statuten wurde festge­legt, wer Zugang zu den "Patrizierstuben"/"Trinkstuben" hatte, die als Versamm­lungsorte und gesellschaftliche Treffpunkte dienten. Patrizier, die gegen die Statuten verstießen, oder nicht standesgemäßen Erwerbstätigkeiten nachgingen, konnten ausgeschlossen werden, was auch den Verlust ihrer Standeszugehörigkeit bedeu­ten konnte.

Als nicht standesgemäß galten nicht nur Heiratsverbindungen mit niedri­geren Ständen, oder auch nur soziale Kontakte mit diesen, sondern häufig auch die Erwerbstätigkeit in Handwerk und Detailhandel, manchmal auch die Handelstätigkeit generell. Ebenso wurde allen anderen Stände vom Besuch der Trinkstuben und damit von sozialen Kontakten mit den Patriziern ausgeschlossen.[23] Für die Ge­schlossenheit dieser Gesellschaften spielte die Heiratspolitik eine wichtige Rolle. Das Entstehen geschlossener Heiratskreise transformierte das Patriziat von einem Berufs- und Besitzstand zu einem Geburtsstand. Aus gemeinsamen Herrschafts­inte­ressen entwickelte sich das Verhalten, untereinander zu heiraten; wobei der Ab­schluß nach außen sowohl der Abwehr von dort herangetragener Ansprüche diente, als auch einer Nivellierung nach innen. Das gemeinsame Interesse am Widerstand gegen die Konkurrenz der Zünfte oder die ausufernde Macht einzelner Patrizier begünstigte diesen Zusammenschluß und die Standesbildung.[24]

Die Geschlossen­heit der Patriziergesellschaften war jedoch von Stadt zu Stadt unterschiedlich stark ausgeprägt und hat sich im Laufe der Zeit geändert. Es war zudem nicht jedem Patriziat möglich, sich streng abzuschließen, da der Fortbestand des Patriziats immer wieder durch Abwanderung oder Aussterben einzelner Patriziergeschlechter bedroht war. Neuaufnahmen waren aber auch bei den streng geschlossenen Ge­sellschaften prinzipiell möglich und oft auch unvermeidlich. Die besten Chancen aufgenommen zu werden, hatten die Patrizier anderer Städte und der Landadel.[25] Das Verhältnis zum Landadel war jedoch häufigen Veränderungen unterworfen und es war regional sehr unterschiedlich. Während sich die Patrizier als Stadtadel dem Landadel ebenbürtig fühlten, ging dieser oft auf Distanz zu den Patriziern. Ins­beson­dere das Konnubium mit dem niederen Adel war dennoch häufig; vermutlich nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Attraktivität reicher Patriziergeschlechter für verarmte Landadelige.

Obwohl es immer wieder zu kaiserlichen Erhebungen des Patriziats einzelner Städte in den Adelsstand kam[26], waren die Patrizier i.d.R. keine Stadtadeligen und somit dem Landadel nicht ebenbürtig. So stellte Moser im 18. Jh. fest: "Von dem Ursprung der Patricien und ihres Adels, kan nicht überhaupt etwas gewisses gesagt werden, sondern es kommt dabey lediglich auf den Beweis an, und ist dise Frage nach denen besonderen Umständen in einzelnen Fällen auszumachen."[27] Die ei­gentlichen Adels­krite­rien wie Lehens-, Stif­ts- und Turnierfä­higkeit konn­ten vermut­lich bis auf die Lehens­fähigkeit i.d.R. nicht von den Patriziern erfüllt werden.[28] Die Lehensfähig­keit, die sich auf Güter, Ämter etc. bezog, konnte sowohl aktiv als auch passiv ge­geben sein. Der passiv Lehensfähige konnte zwar Lehen empfangen, aber im Ge­gensatz zum aktiv Lehensfähigen kein Lehen ver­leihen. Die Stiftsfähigkeit meinte im weite­ren Sinn die Möglichkeit, einem für den Adel vorbehaltenen Stift anzugehören. Die Turnierfähigkeit einer Person schließlich ließ diese zum gerichtlichen Zweikampf oder zu dem von einem Landesfürsten oder einer Reichsritterschaft ausgeschriebe­nen Ritterspiel zu.[29] Die Eb­en­bürtigkeit von Pa­triziat und Landadel wurde lange Zeit mit der ge­m­einsamen alt­freien Abstam­mung begründet, die jedoch in neuerer Zeit vielfach an­gezweifelt wurde.[30]

2.3. Der Ursprung des Patriziats und seine Entwicklung bis zum Ende des Alten Reiches

"Es hat sich... herausgestellt, daß es schlechterdings nicht möglich ist, eine einheit­liche Entstehung des Patriziats nachzuweisen."[31] Dennoch gibt es eine Reihe von Städten, in denen das Patriziat auf die gleiche Weise entstanden ist. In einem Teil der Städte ist es aus einer Verschmelzung von stadtherrlichen Ministerialen[32] und ansässigen Kaufleuten im Laufe des 12./13. Jh. hervorgegangen. Für relativ weni­ge Städte ist bisher eine adelige Herkunft der Patrizier nachgewiesen worden. In diesen Städten hat sich das Patriziat aus stadtadeligen Kaufleuten entwickelt. Für bisher nur zwei Städte (Freiburg und München) ist bisher der Ursprung des Patrizi­ats allein aus Kaufleuten bewiesen worden. Bátori kommt zu dem Schluß, daß es in der Ent­stehungsphase grundsätzlich allen sozialen Gruppen möglich war, bei der Formie­rung des Patriziats mitzuwirken; im wesentlichen ist das jedoch nur den Ministeria­len und den Fernkaufleuten gelungen.[33] Die ursprüngliche Bezeichnung für Patri­zier war Planitz zufolge 'meliores', womit die reichsten Bürger einer Stadt bezeich­net wurden. Während die Bezeichnung 'meliorat' erstmals bereits im 11. Jh. auftrat, wurde das meliorat doch erst im 12. Jh. in zahlreicheren Städten zur Füh­rungsgrup­pe.[34] Aus den meliores, die aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Anse­hens von der Bürgerschaft als Vertretung anerkannt wurden, setzten sich die ersten Räte zusam­men. Aus den Ratsmitgliedern entstand dann das Patriziat. Diese Rats­mit­glie­der seien überwiegend Fernkaufleute und Ministeriale gewesen. Teilweise seien auch freie Grundbesitzer und Handwerker schon im 13. Jh. in das Patriziat überge­gan­gen.[35] "Wirt­schaftliche Aktivitäten, Ver­mö­gen, ein gehobener Lebensstil und ein ritterliches Lebensideal sowie ein gemein­sames Streben nach städtischer Autono­mie...begann im 12. und 13. Jh. die kauf­männischen, ministerialischen und adeligen Elemente zu einer politisch-sozia­len Führungsschicht zu amalgieren..."[36] "Wobei der politische Vorrang d.h. die au­sschließliche Ratsfähigkeit für bestimmte Familien, durch Kooptation oder Vererbbar­keit gesichert war."[37] Da die von den Patriziern bestimmte Außenpolitik der Städte im 14. Jh. zu hohen Ausgaben führte, die von allen Schichten getragen werden mußten, wuchs die Kritik an der oligar­chischen Herrschaft der Patrizier. Infolgedes­sen kam es im 14. Jh. in vielen Städten zu Auf­ständen der benachteiligten Schich­ten.[38] "Zielgruppe dieser Unruhen...war der Rat, nicht das Patriziat als soziale Schi­cht. Es geht den Aufrührern auch nicht um einen Umsturz, sondern eigentlich um Kontrolle, um Beteiligung am Rat."[39] Des­­halb blieb die Führungsrolle des Patri­zi­ats in den meisten Städten be­stehen; sie wurde ledig­lich durch die Beteiligung an­derer sozialer Gruppen am Rat etwas ge­schmälert. Eine andere Folge der Unruhen war die stärkere Abschließung der Patri­zier und die Gründung von Patriziergesell­schaf­ten.[40] Im 15. und 16. Jh. ver­schwan­den in vielen Städten zahlrei­che Patrizier­fa­milien, die durch Seuchen, Feh­den und Feldzü­ge ausstarben, oder in andere Städte oder zum Lan­dadel ab­wander­ten. Die Ursa­chen der Abwan­derung in an­dere Städte waren vor­nehmlich wirtschaft­licher Art. Der Übergang zum Landadel war dagegen z.T. Kon­sequenz der Refor­mation, da viele katholische Pa­trizierge­schlechter Süddeutsch­lands ihre prote­stan­tisch ge­wordenen Städte verließen. Daneben hat das Streben nach adeliger Le­bensfüh­rung, sowie die Absicht, erwor­benes Kapital sicher anzulegen, zum Er­werb von Grundbesitz außerhalb der Stadt und zur Interessenverlagerung dorthin ge­führt.[41]

[...]


[1]. Georg Heinrich Pertz, Gerhardi Vita St. Oudalrici Episcopi, in: Monumenta Germaniae Historica Scriptores IV, Hannover 1841, S. 377-428; Academ. Scientiar. Elect. Monachii, Monumenta Boica, o.O. 1763; Walter Emil Vock, Die Urkunden des Hochstifts Augsburg 769-1420, Augsburg 1959.

[2]. Christian Meyer (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Augsburg, Augsburg 1874/78; Ders., DasStadtbuch von Augs­burg, Augsburg 1872; Historische Kommission bei der bayerischen Akade­ mie der Wissen­schaften (Hg.), Die Chroniken der schwäbischen Städte, Bd. 1-9, Stuttgart 1929; Staats- und Stadt­bibliothek Augsburg und Stadtarchiv Augsburg.

[3]. Karl-Heinz Sieber, Die Anfänge des Augsburger Patriziats bis zum Stolzhirsch-Aufstand 1303, München 1968; Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396-1521, Diss. phil. (Masch.);München 1983,; Hans Brütting, Anfänge des Bürgertums in Augsburg, München 1982.

[4]. Wolfgang Zorn, Augsburg. Geschichte einer deutschen Stadt, 2. Auflage, Augsburg 1972.

[5]. Gunther Gottlieb u.a. (Hg.), Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 1984; Pankraz Fried (Hg.), Miscellanea Suevica Augustana, Sigmaringen 1985.

[6]. Gerhard Pfeiffer (Hg.), Nürnberger Urkundenbuch, Nürnberg 1959; Gerhard Hirschmann (Hg.), Johannes Müller: Die Annalen der Reichstadt Nürnberg. Band I: Von den Anfängen bis 1350,Nürnberg 1972; Band II, Von 1351-1469, Nürnberg 1984.

[7]. S. Kap. 3.1. und 4.1.

[8]. Werner Schultheiß, Satzungsbücher und Satzungen der Reichstadt Nürnberg aus dem 14. Jh., Nürnberg 1965; Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg 1-5, Leipzig 1862- 1874; Hauptstaatsarchiv München; Staatsarchiv Nürnberg; Stadtarchiv Nürnberg.

[9]. Hanns Hubert Hofmann, Nobiles Norimbergenses. Beobachtungen zur Struktur der reichs­- städtischen Oberschicht, in: Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte (Hg.), Unter­suchungen zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa, Sigmaringen 1966, S. 53-92.

[10]. Ingrid Bátori, Das Patriziat der deutschen Stadt, in: Zeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziolo-­ gie und Denkmalpflege, Jg. 2 (1975), S. 1-30.

[11]. Klaus Gerteis, Die deutschen Städte in der Frühen Neuzeit, Darmstadt 1986.

[12]. Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Graz 1954.

[13]. Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, Stuttgart 1988.

[14]. Olaf Mörke u. Katarina Sieh, Gesellschaftliche Führungsgruppen, in: Gottlieb, S. 301.

[15]. Vgl. Bátori, S. 1 f.

[16]. Vgl. Alfred Otto Stolze, Der Sünfzen zu Lindau. Das Patriziat einer schwäbischen Reichsstadt, Lindau, 1956, S. 13.

[17]. Batori, S. 3.

[18]. Vgl. Batori, S. 5.

[19]. Isenmann, S. 275.

[20]. Vgl. ebd.

[21]. Vgl. Heinz Schilling, Vergleichende Betrachtungen zur Geschichte der bürgerlichen Elite in Nordwestdeutschland und in den Niederlanden, in: Heinz Schilling u. Herman Diederiks (Hg.),Bürgerliche Eliten in den Niederlanden und in Nordwestdeutschland, Köln 1985, S. 4f.

[22]. Vgl. Diedrich Saalfeld, Die ständische Gliederung der Gesellschaft Deutschlands im Zeitalter des Absolutismus, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirt­schaftsgeschichte, Bd. 67 (1980), S. 470 f.

[23]. Vgl. Bátori, S. 15-22.

[24]. Vgl. Hermann Mitgau, Geschlossene Heiratskreise sozialer Inzucht, in: Hellmuth Rössler (Hg.), Deutsches Patriziat 1430-1740, Limburg 1968, S. 2-10.

[25]. Vgl. Bátori, S. 19-21.

[26]. Vgl. Isenmann, S. 272.

[27]. Johann Jacob Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 3,2, o.O. 1767, ND Osnabrück 1967,S. 1173.

[28]. Vgl. Isenmann, S. 273.

[29]. Vgl. Julie Meyer, Die Entstehung des Patriziats in Nürnberg, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 27 (1928), Nürnberg, S. 37-52.

[30]. Vgl. Bátori, S. 6.

[31]. Vgl. ebd.

[32]. Isenmann, S. 277: "Die stadtherrlichen Ministerialen übten im Namen des Stadtherrn gegen­ über den Bürgern herrschaftliche Funktionen aus...Daneben nahmen Ministeriale aber auch als Händ­ler, Finanziers und Grundbesitzer am städtischen Wirtschaftsleben teil. durch ihre zu­nächst hof­recht­liche, dann nur noch spezielle dienstrechtliche Bindung an den Stadtherrn waren die Ministeria­len rechtlich unfrei unfrei, hoben sich aber durch ihren qualifizierten Dienst, den sie schließ­lich als ein Recht beanspruchten, von der übrigen 'familia' des Stadtherrn ab. Während sich so ihre dienstrecht­liche Bindung abschwächte, wurden sie zugleich passiv und aktiv lehens­ fähig und verfügten daneben gelegentlich auch über freies Eigen (Allod) und über Eigenleute."

[33]. Vgl. Bátori, S. 9-13.

[34]. Vgl. Planitz, S. 122-128.

[35]. Vgl. Planitz, S. 260-264.

[36]. Isenmann, S. 276.

[37]. Bátori, S. 14.

[38]. Vgl. ebd.

[39]. Ebd.

[40]. Vgl. Bátori, S. 15.

[41]. Vgl. Bátori, S. 28 f.

Final del extracto de 35 páginas

Detalles

Título
Das Augsburger und Nürnberger Patriziat im Vergleich
Universidad
Bielefeld University  (Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie)
Curso
Zwischenprüfung
Calificación
1
Autor
Año
1995
Páginas
35
No. de catálogo
V10532
ISBN (Ebook)
9783638169271
ISBN (Libro)
9783638728188
Tamaño de fichero
521 KB
Idioma
Alemán
Notas
Zwischenprüfungsarbeit. 323 KB
Palabras clave
Augsburg, Nürnberg, Stände, Honoratioren, Patrizier
Citar trabajo
Gerald Böke (Autor), 1995, Das Augsburger und Nürnberger Patriziat im Vergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10532

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