Informale Verfassungsregeln in der BRD


Dossier / Travail, 2001

7 Pages, Note: 1,7


Extrait


Informale Verfassungsregeln in der BRD

1. Vorwort

Artikel 20 des Grundgesetzes, Absatz 3 besagt: “Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt (also Exekutive, Anmerkung der Verfasserin) und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.” Weitere Aufgaben, Befugnisse und Pflichten der Exekutive sind in den Artikeln 38 bis 82 GG festgehalten.

Das Grundgesetz regelt jedoch nicht die Art, wie sich die Abgeordneten zu einigen haben. Zum Verständnis wie politische Entscheidungen zu Stande kommen reicht die Kenntnis des Grundgesetzes nicht aus. Vielmehr als die sogenannte “formale Ebene” müssen hier sogenannte “informale Spielregeln” betrachtet werden. In der vorliegenden Hausarbeit werde ich meine Aufmerksamkeit auf informale Spielregeln in der Tagespolitik unter besonderer Berücksichtigung der politischen Entscheidungsfindung in der Ära Kohl mit Blickpunkt auf die CDU und ihrem Präsidium. Dies erscheint mir sinnvoll, da diese Periode abgeschlossen ist und bei der Betrachtung Distanz herrscht. Ähnliche Beobachtungen könnte man auch für die Regierung Schröder vornehmen, jedoch erscheint mir dies zu spekulativ und außerdem erscheint es mir sinnvoll diese Periode auch erst im nachhinein zu betrachten, da man dann über die Effektivität besser urteilen kann. Die entscheidenden Fragen werden sein, was sind informale Spielregeln, wie äußern sie sich und wie effektiv sind sie.

Dabei werde ich so vorgehen, dass ich zunächst die Begriffe “formal / informal” bzw. “formell / informell” definiere und mich danach mit den unterschiedlichen Arten von informalen Spielregeln beschäftige. In Punkt drei widme ich mich den informellen Elementen in modernen Regierungssystemen, wobei ich die Organisation der Regierungssysteme, die Rollenperzeption und Funktion der Beamten, die Verflechtung von Bürokratie und organisierten Interessen und schließlich das Ausmaß der legislativen Gegenbürokratie besondere Beachtung schenke. Hierbei werde ich häufiger die Bundesrepublik Deutschland als Beispiel für ein parlamentarisches Regierungssystem mit dem präsidentiellen Regierungssystem der USA vergleichen, um die unterschiedlichen Arbeitsweisen von informellen Spielregeln in unterschiedlichen Regierungssystemen deutlich zu machen. Abschließend betrachte ich das Beispiel der Parteigremien der CDU als Orte der politischen Entscheidungsfindung und ziehe dann mein Fazit.

2. Begriffsdefinition

2.1 Unterscheidung “formal / informal” bzw. “formell / informell”

Der Duden definiert “formal” als “auf die Form bezüglich; nur der Form nach1 ”, “formell” aber etwas enger gefasst als “förmlich, die Formen [peinlich] beachtend; rein äußerlich; zum Schein vorgenommen2 ”. “Informal” kennt der Duden nicht, dafür aber “informell”: “1. informierend, mitteilend; 2. nicht förmlich; auf Formen verzichtend3 ”. Die Sprachpraxis setzt “formal/informal” und “formell/informell” gleich. Ebenso werde ich hier vorgehen, da auch in der Politikwissenschaft so verfahren wird.

Rechtlich gesehen ist die Unterscheidung formal / informal relativ einfach. Für Juristen besteht formales Regieren aus politischem Handeln, das auf Rechtsnormen basiert, sich auf Institutionen stützt und der öffentlichen Kontrolle unterliegt. Informales Regieren ist dagegen weder staatsorganisationsrechtlich, noch verfassungsrechtlich geregelt4.

Für Sozialwissenschaftler, und damit auch für Politikwissenschaftler, gehören die sogenannten “informalen Spielregeln” zur täglichen Politik dazu. Helmuth Schulze-Fielitz schreibt: “Die informale Verfassung eines Staates umfasst die nichtrechtlichen (sozialen) Regeln, die die verfassungsrechtlichen Regeln ergänzen und konkretisieren, ohne dass die Art der Konkretisierung zwingend aus dem geltenden Recht wäre”5. Es geht teilweise gar nicht ohne diese informalen Spielregeln. Viele politische Entscheidungen werden hinter verschlossenen Türen und nach informalen Spielregeln getroffen, da es unter Ausschluss der Öffentlichkeit leichter ist, alle unterschiedlichen Ansichten zu einem Kompromiss zu vereinen. Nur so ist es in einer pluralistischen Demokratie, wie in der Bundesrepublik Deutschland, möglich effektiv zu regieren, da hierbei kein Politiker sich durch Zugeständnisse, die eigentlich seinem Standpunkt widersprechen, in der Öffentlichkeit unglaubwürdig macht. Ebenso wird verhindert, dass sich die Politik völlig festfährt, da verschiedene Standpunkte häufig unvereinbar scheinen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die im Grundgesetz nirgends erwähnten Koalitionsrunden. Jedoch hierzu an gegebener Stelle mehr.

2.2 Die unterschiedlichen Arten von “informal”

Informal ist nicht gleich informal. Es müssen hier verschiedene Abstufungen von Informalität unterschieden werden. Lars Kastning unterscheidet hier fünf Abstufungen der Informalität: formal festgelegt, informell festgelegt, regelmäßig erwartet, regelmäßig beobachtet und situative Abweichungen6.

Formal festgelegte Regeln finden sich im Grundgesetz und in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Informell festgelegte Regeln finden sich nirgendwo niedergeschrieben sind aber von großer Bedeutung für die Tagespolitik. In gewisser Weise sind diese informell festgelegten Regeln formalisiert, und zwar in der Etablierung von besonderen Institutionen, so z.B. Koalitionsrunden.

Regelmäßig erwartete Handlungen sind in der Praxis “verfestigte(n) Handlungsformen, die zwar nirgends festgelegt sind, die aber zur “ungeschriebenen Verfassung” gehören und deren Verletzung in aller Regel Sanktionen nach sich ziehen würde (“Konventionen”)7 ”.

Dagegen sind regelmäßig beobachtete Handlungen den meisten Akteuren überhaupt nicht oder kaum bewusst sind. Als Beispiel kann hier als Beispiel das Verhalten der Abgeordneten bei Abstimmungen dienen. So ist es üblich, dass wenn so viele Abgeordnete der Gegenseite noch in Ausschüssen tagen und deshalb nicht abstimmen können fehlen, dass sich das normale Stimmverhältnis ändern würde, so verlassen so viele Abgeordnete den Plenarsaal oder enthalten sich der Stimme, dass das Stimmverhältnis wieder hergestellt wird. Es ist undenkbar, dass auf diese Weise versucht wird, politische Entscheidungen, bei denen die eigene Seite unterlegen ist, doch noch zu eigenen Gunsten entschieden werden.

Neben den bisher genannten Punkten gibt es noch situative Abweichungen, die recht selten vorkommen und daher nicht näher bestimmt sind.

3. Informale Elemente in modernen Regierungssystemen

Klaus von Beyme benennt vier Faktoren, die das Ausmaß der Wirksamkeit informaler Faktoren determinieren8.

3.1 Organisation des Regierungssystems

Der erste entscheidende Faktor für die Durchsetzungsfähigkeit informaler Einflüsse hängt von der Art des Regierungssystem ab. Die vergleichende Regierungslehre unterscheidet generell zwischen präsidetiellem und parlamentarischem System9. Ähnlich unterschiedlich verhält es sich mit den Möglichkeiten des informalen Einflusses.

Zunächst einmal bleibt zu bemerken, dass die amerikanische Regierung, die hier als Beispiel für ein präsidentielles System dienen soll, eher eine “Wahlkampfvereinigung an der Macht10 ” ist als eine Regierungspartei im Westeuropäischen Verständnis. Zudem fällt der Zwang zur Koalition aufgrund des Zwei-Parteiensystems und damit zur Kompromisfindung weg. Die große Anzahl von ungefähr 700 Top- Führungsposten innerhalb der US-amerikanischen Regierung11 stärkt informale Einflüsse. Aus der großen Ämteranzahl entsteht auch eine große Anzahl von verschiedenen Interessen und für verschiedene Lobbies gibt es mehr Möglichkeiten der Einflussnahme auf Gesetzesentwürfe.

Parlamentarische Systeme, wie die Bundesrepublik Deutschland, neigen dazu, “alle Einflüsse von entscheidender Bedeutung zu legalisieren und formalisieren12 ”. So ist das Gesetzgebungsverfahren in der Bundesrepublik um ein vielfaches transparenter als in den USA. Das Verfahren ist stark formalisiert und informale Einflüsse werden zu einem sehr großen Teil kanalisiert13. Vorlagen und Wünsche von Interessengruppen liegen den verhandelnden Ausschüssen als Begleitmaterial zu den zu beratenden Gesetzesvorlagen vor. Außerparlamentarische Spezialisten aus den jeweiligen Fachgebieten sind auch häufig beratende Mitglieder in diesen Ausschüssen und Kommissionen.

An den Stellen, wo interministerielle Ausschüsse aufgrund einer hohen Anzahl von Ministerien an Einfluss und Bedeutung gewinnen, verliert die Regierung an formalem Einfluss in einem parlamentarischen Regierungssystem. Aufgrund des hohen Zeitaufwandes und ihrer vielen Betätigungsfelder sind Minister häufig gezwungen, sich durch hohe Beamte in diesen Ausschüssen vertreten zu lassen. Hier wächst der informale Einfluss der Bürokratie auf politische Entscheidungsprozesse14.

3.2 Rollenperzeption und Funktion der Beamten

In den USA ist die politische Karriere, sei es in einem politischen Amt oder in der Verwaltung, meist nur ein Anschub für eine Karriere zumeist im wirtschaftlichen Sektor. Aber auch in den parlamentarischen Systemen ist eine starke Mobilität zwischen Bürokratie und Wirtschaft zu verzeichnen. Zudem ist seit den 70ern eine zunehmende Politisierung der Beamtenschaft beobachtet worden15.

Häufig wird von einer “Parteibuchverwaltung” in Deutschland gesprochen, was soviel heißt, dass die Beamtenstellen im politischen Verwaltungsapparat nach ihrer Parteizugehörigkeit oder ihren politischen Präferenzen besetzt werden. Dies stimmt nur bedingt. Während in den USA nach einem Regierungswechsel nahezu der ganze Verwaltungsapparat ausgetauscht wird, ist eine Neubesetzung der Beamtenstellen in Deutschland eher gering.

“Die verschiedenen Formen der Interpenetration von Politik und Verwaltung haben informelle Einflüsse von Bürokraten gestärkt, aber zugleich die politische Durchsetzungsfähigkeit der politischen Führung gegenüber der Verwaltung erhöht16.”Im Vergleich zum amerikanischen System, wo ein Staatssekretär sich dem Konsens im eigenen Ministerium häufig hilflos gegenüber sieht, haben parlamentarische Systeme eine effektivere Lösung zur politischen Steuerung gefunden.

Jedoch ist zu bemerken, dass in allen parlamentarischen Systemen sich immermehr ein sogenannter “politischer Administrator” entwickelt, “der politische und administrative Ziele zu integrieren versucht und formelle und informelle Mechanismen der Gestaltungsmacht im Gleichgewicht zu halten trachtet17.”

3.3 Verflechtung von Bürokratie und organisierten Interessen

Die Verflechtung von Bürokratie und organisierten Interessen ist wiederum besonders in den USA zu beobachten. Dies spielt sich in sogenannten “subgovernments” ab18. Ein subgovernment spezialisiert sich in den meisten Fällen auf ein Politikfeld, jedoch werden dadurch Kontakte zu mehreren Ministerien und permanentes Bargaining nicht ausgeschlossen. Von außen durch die formellen Wege der Regierung sind die subgovernments kaum zu beeinflussen. Zudem weisen subgovernments eine hohe Stabilität auch über einen längeren Zeitraum hinweg auf19. Das Weiße Haus tut sich sehr schwer damit, diese “Iron Triangles” genannten Klientelbeziehungen aufzubrechen. “In solchen “policy communities”, welche die Verwaltung tief penetriert haben, ist das informelle Regierungshandeln am weitesten ausgedehnt20 ”.

In parlamentarischen Systemen, und damit auch in Deutschland, kommen subgovernments zwar vor, spielen aber eher eine untergeordnete Rolle. Jeder Minister ist zwar Repräsentant seines subgovernments und versucht das Beste für sich und sein subgovernment zu erreichen, doch finden die Verhandlungen immernoch im Kabinett statt und es ist erforderlich, die informellen Ansprüche der einzelnen subgovernments in einem Kompromiss aufeinander abzustimmen.

Um die Unterschiede zwischen den beiden Regierungssystemen und der Arbeitsweise der subgovernments dient hier der Beschluss des Staatshaushalts als Beispiel. In den USA hat der Präsident ein Büro für die Planung des Haushalts und unterbreitet seinen Vorschlag dem Kongress, woraufhin die subgovernments diesen Plan häufig heftig angreifen, um noch etwas mehr für sich herauszuholen. In parlamentarischen Systemen ist die Kooperation zwischen Finanzministerium und den übrigen Ministerien meist so gut, dass man sich schon im Vorfeld des Gestzgebungsprozesses einigt und die Differenzen nicht im öffentlichen Konflikt formalisiert werden.

3.4 Ausmaß der legislativen Gegenbürokratie

Die bisher angeführten Bereiche des informalen Regierungshandelns wirken von außen auf die repräsentative Politik ein. Die legislative Gegenbürokratie ist dagegen häufig auf parlamentarische Initiative entstanden. In der Bundesrepublik ist sie mittlerweile als “Schröders Räterepublik” bekannt. Immermehr Ausschüsse und Kommissionen ziehen dem Parlament so zu sagen “den Zahn”, denn das Parlament ist nicht mehr Ort von Konflikten und Diskussionen, die alle in die Ausschüsse vertagt werden. Zwar hilft dieser Vorgang bei der Gesetzgebung, es besteht jedoch erhebliche Gefahr für die Transparenz der Politik, da die öffentliche Berichterstattung aus den Ausschusssitzungen ausgeschlossen ist.

In den USA hat die legislative Gegenbürokratie andere Züge angenommen. In der strikten Trennung der Gewalten schien es nur recht und billig zu sein, nicht nur die Exekutive mit einem Verwaltungsapparat auszustatten, sondern auch die Legislative. Allerdings trat aufgrund der Größe bald eine Verselbstständigung ein. In den 80ern waren in den Ausschüssen des Repräsentantenhauses über 2000 Angestellte beschäftigt, in den Ausschüssen des Senats 117621. Die Ausschussdienste “machen Vorschläge, redigieren Entwürfe, werben für Unterstützung, gestalten Hearings und empfehlen Amendments22 ”. Dies verbesserte zwar die Gesetzgebung, aber nicht die Informationstätigkeit der Abgeordneten.

Durch die Entstehung der legislativen Gegenbürokratie, sei es in einem parlamentarischen oder präsidentiellen Regierungssytem, wuchs das informelle Regierungshandeln beträchtlich an. Zwar wollte man sich von der bestehenden Bürokratie unabhängig machen, doch schuf man nur eine zweite Bürokratie.

4. Das Präsidium der CDU als Beispiel für informale Politik

Seit Anfang der 80er Jahre ist das Parteipräsidium das wichtigste und effektivste Parteigremium für informale Politik innerhalb der CDU. Gegenüber dem Bundesvorstand ist es das kleinere Gremium und tagt etwa doppelt so häufig23. Etwa 20 Personen gehörten in den 80ern diesem Gremium an: der Parteivorsitzende, der Generalsekretär, die sieben stellvertretenden Vorsitzenden, der Bundesschatzmeister, der Bundesgeschäftsführer, der Pressesprecher, der Bundestagspräsident, der Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion, der Vorsitzende der EVP-Fraktion und die Ministerpräsidenten.

In diesem Gremium wurden die wichtigsten strittigen Fragen besprochen. Jedoch hatten die Sitzungen des Präsidiums einen starken informalen Charakter. Es wurden zwar Tagesordnungen vom Generalsekretär zusammen mit dem Parteivorsitzenden erstellt, für den tatsächlichen Sitzungsverlauf spielten sie aber keine Rolle. Eingeleitet wurden diese Sitzungen jeweils mit eine Art Lagebericht des Vorsitzenden, der dann den restlichen Ablauf bestimmte24. Nach der Erörterung der Lage seitens des Parteivorsitzenden folgte eine Aussprache über die Punkte, die besonders wichtig erschienen. Regelmäßige Gesprächspunkte waren das vermutete Verhalten von Koalitionspartner und Opposition.

Hin und wieder widmete sich das Präsidium auch einer vorher festgelegten Thematik. Hierbei wurden während der Sitzung Vorlagen verteilt, denn eine vorherige Verschickung war nicht nur aus Zeitgründen nicht üblich. Die Bearbeitung dieser Thematiken endete manchmal damit, dass Arbeitsaufträge vergeben wurden, sich um manche Angelegenheiten zu kümmern. Feste Zuständigkeitsbereiche gab es bei der Verteilung der Aufträge nicht.

Aber nicht nur tagespolitische Themen wurden im Parteipräsidium diskutiert, sondern auch parteiinterne Angelegenheiten waren häufig Gegenstand der Sitzungen, so zum Beispiel die Vorbereitungen der Parteitage und Personaldebatten.

Aber auch Entscheidungen über die inhaltliche Position der Partei zu bestimmten tagespolitischen Themen wurden vom Parteipräsidium gefällt, so zum Beispiel zur Familienpolitik25. Damit wird auch die Tragweite der Entscheidungen des Präsidiums deutlich, obwohl die getroffenen Entscheidungen noch mit den Koalitionspartnern besprochen und abgestimmt werden mussten, wobei es zwangsläufig noch zu Änderungen der Beschlüsse kam.

Neben den Parteipräsidien aller Parteien spielen zwar noch andere informale Gremien, wie Koalitionsrunden, eine Rolle, für wichtige Vorentscheidungen sorgen aber die Präsidien.

5. Fazit

Betrachtet man die Arbeitsweise und die Tragweite der Entscheidungen der Parteipräsidien als Beispiel für informelle Verfassungsregeln, so kommt man zu dem Schluss, dass Politik ohne diese Informalität wenn überhaupt nur schwer möglich ist. Es ist einfacher in kleinen Runden unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Kompromissen und damit zu Entscheidungen zu kommen. “Eine Verrechtlichung solcher Gremien würde nur neue Informalisierungsprozesse initiieren; vertrauliche Beratungsrunden sind die Voraussetzung für Kompromißfindungsprozesse in der pluralistischen Demokratie26.”

Daraus ergibt sich auch die Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach der Effektivität dieser informellen Verfassungsregeln. Eindeutig lässt sich diese Frage bejahen.

Allerdings bergen diese informalen Verfassungsregeln auch Gefahren. Im Fall der Parteipräsidien, der Koalitionsrunden und der Ausschüsse im Parlament ist es die mangelnde Transparenz. “Die Kritik an informellen Gremien verkennt oft die praktische Unvermeidlichkeit solcher Verlagerung der (Vor- )Entscheidungen aus den eigentlichen vielköpfigen Wahl- oder Entscheidungsorganen in kleinere Gremien27.” Wirkliche Gefahren gewinnt informelles Handeln jedoch dort, “wo es abweichend vom Verfassungstext oder von den Geschäftsordnungsregeln eine wortlautwidrige Verfassungspraxis kreiert und so anzeigt, daß Verfassungsrecht für die Zweckmäßigkeitsüberlegungen der Beteiligten manipulierbar ist; informales Handeln untergräbt so den auf Dauer angelegten, strikten Geltungsanspruch von materiellem Verfassungsrecht28.”

Insgesamt gesehen sind informale Verfassungsregeln für den Ablauf der Tagespolitik unerlässlich sind.

Allerdings muss ständig kontrolliert werden, ob mit diesen informellen Verfassungsregeln nicht die formelle Verfassung zum Eigennutz einer Interessengruppe untergraben.

[...]


1 Duden: Rechtschreibung der deutschen Sprache, 21. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage herausgegeben von der Dudenredaktion auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibung, Mannheim 1996, S.287.

2 Duden, S.287.

3 Duden, S. 370.

4 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, in: Hartwich/Wewer(Hrsg.): Regieren in der Bundesrepublik II: Formale und informale Komponenten des Regierens in den Bereichen Führung, Entscheidung, Personal und Organisation, Opladen 1991, S. 31-50, S.31.

5 Helmuth Schulze-Fielitz: Das Verhältnis von formaler und informaler Verfassung, in: Axel Görlitz, HansPeter Burth (Hrsg.): Informale Verfassung, Erstauflage, Baden-Baden 1998, S 25-53, S. 27.

6 Lars Kastning: Informelles Regieren - Annäherungen an Begrifflichkeit und Bedeutungsgehalt, in: Hartwich/Wewer(Hrsg.): Regieren in der Bundesrepublik II: Formale und informale Komponenten des Regierens in den Bereichen Führung, Entscheidung, Personal und Organisation, Opladen 1991, S. 69-78, S. 71.

7 Lars Kastning: Informelles Regieren - Annäherungen an Begrifflichkeit und Bedeutungsgehalt, S.71.

8 siehe auch Anhang.

9 Das semipräsidentielle System soll hier aus Gründen der Verständlichkeit ausgelassen werden (Anmerkung der Verfasserin).

10 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S.38.

11 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S.38.

12 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S.38.

13 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S.39.

14 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S. 40.

15 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S. 41.

16 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S. 42.

17 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S. 42-43.

18 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S. 43.

19 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S. 43.

20 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S. 43.

21 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S. 45.

22 Klaus von Beyme: Informelle Komponenten des Regierens, S. 45.

23 Peter Haungs: Parteipräsidien als Entscheidungszentren der Regierungspolitik - das Beispiel der CDU, in: Hartwich/Wewer(Hrsg.): Regieren in der Bundesrepublik II: Formale und informale Komponenten des Regierens in den Bereichen Führung, Entscheidung, Personal und Organisation, Opladen 1991, S. 113-124, S. 114.

24 Peter Haungs: Parteipräsidien als Entscheidungszentren der Regierungspolitik - das Beispiel der CDU, S. 115.

25 Peter Haungs: Parteipräsidien als Entscheidungszentren der Regierungspolitik - das Beispiel der CDU, S. 117.

26 Helmuth Schulze-Fielitz: Das Verhältnis von formaler und informaler Verfassung, in: Axel Görlitz, HansPeter Burth (Hrsg.): Informale Verfassung, Erstauflage, Baden-Baden 1998, S 25-53, S. 34.

27 Helmuth Schulze-Fielitz: Das Verhältnis von formaler und informaler Verfassung, S. 34-35.

28 Helmuth Schulze-Fielitz: Das Verhältnis von formaler und informaler Verfassung, S. 35.

Fin de l'extrait de 7 pages

Résumé des informations

Titre
Informale Verfassungsregeln in der BRD
Université
University of Trier
Note
1,7
Auteur
Année
2001
Pages
7
N° de catalogue
V105522
ISBN (ebook)
9783640038145
Taille d'un fichier
402 KB
Langue
allemand
Mots clés
Informale, Verfassungsregeln
Citation du texte
Luana Modemann (Auteur), 2001, Informale Verfassungsregeln in der BRD, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105522

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