Joseph Maria Olbrich (hauptsächlich zur Zeit in Darmstadt)


Ponencia / Ensayo (Colegio), 2001

5 Páginas, Calificación: 15 Punkte


Extracto


Joseph Maria Olbrich

*1867 in Troppau

< 1908

( Studierte von 1890 bis 1893 an der Wiener Kunstakademie. Als Stipendiat des „ Prix de Rome “ besuchte er Italien und Nordafrika, bevor er in das Büro Otto Wagners eintrat. Olbrich blieb vier Jahre bei Wagner, wirkte an der Planung Stadtbahn- Stationen mit und bekam Gelegenheit, das Sezessionsgebäude in Wien zu gestalten. Eingeladen von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, zog Olbrich 1899 nach Darmstadt und leitete dort acht Jahre den Bau der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe. Wichtige Arbeiten: Das Sezessionsgebäude in Wien, 1898; Häuser auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, 1900/01; das Warenhaus Tietz in Düsseldorf 1906-1908))

Um Olbrich und seine Werke beschreiben zu können bedarf es einer kurzen Einführung in die Zeit in der er agierte. Also sollte an dieser Stelle eine kurze Einführung in den Jugendstil - auch Sezession genannt - folgen! Die Erscheinungsweise des Jugendstils könnte man als Sehnsucht nach Bewegung beschreiben und stellt in der einen oder anderen Weise eine Ausgeburt des ihm zugehörigen industriellen Zeitalters, entweder unmittelbar oder rückwirkend im Bemühen um Veredelung dessen, dar. Die Sezession verfügt über ein stummes, wenngleich gestenreiches Mitteilungsbedürfnis, welches als schöngeistig bis naiv, hin und wieder vulgär zu definieren ist (siehe Bild rechts).

Zu dieser Zeit ergriff die Faszination über die Bewegung beinahe alle Bereiche im Leben; Die zunehmende Beschleunigung des Verkehrs, der maschinellen Effizienz und der menschlichen Handlungsmöglichkeiten insgesamt konnte niemanden mehr gleichgültig lassen. Dieses dynamische Element ästhetisch zu sublimieren war das eigentliche Anliegen des Jugendstils. Der Expressionismus war ein erster Weg gewesen, dem Flüchtigen, im Ausschnitt nicht mehr Festgelegten eine ästhetische Form zu geben. Die sanktionierte Unschärfe stellte das Eingeständnis dar, dass die Eindrücke nicht mehr unbedingt statisch erfasst werden mussten, sie konnten auch ins Gleiten geraten.

„War bisher die Berührung von Kunst und Technik - lässt man die ästhetische Hilflosigkeit des Historismus außer acht - nur ephemer gewesen, eher von Abwehr denn vom Willen zur Symbiose bestimmt, so muss dem Jugendstil zugestanden werden, dass es der bis dahin eindeutigste Versuch war, das zu ändern. Er kann als die Bemühung gelten, eine Versöhnung der tradierten Kunsterwartung mit den Phänomenen des technischen Zeitalters herzustellen. Dass dergleichen ein Widerspruch war, ließ sich erahnen, zur Gewissheit wurde dies jedoch erst durch den Jugendstil. Seine anhaltende Beliebtheit kann daher nur als ein irrationaler Wunsch gedeutet werden, diesen Moment der Erkenntnis immer wieder hinauszuschieben. So wird der Jugendstil, der ja nur kurz dauerte, wohl ewig weiterleben als die Metapher einer utopischen Hoffnung.“ (Klaus- Jürgen Sembach)

Der Bezug der Malerei zum Jugendstil war schon immer umstritten. Das Werk von Malern wie zum Beispiel Mucha (siehe Bild rechts) teilweise oder ganz unter diesem Begriff zu führen, stellt stets eine Einengung des Wertes dar, der sich in der Regel komplexer zusammensetzt, als dass man ihn auf die einfache Formel einer gewandten Linienführung bringen könnte. So brachten symbolistische Züge oft die entscheidende inhaltliche Komponente ein, die sich dann eher zufällig in jugendstilähnlicher Weise äußerte. Jedoch nicht der Verlauf einer Linie an sich kann maßgebend sein, sondern die Motivation, die sie bestimmt. Der Jugendstil war ausschließlich eine Äußerung im angewandten Bereich, also nur zu Charakterisierung von Geräten, Möbeln und Gebäuden herangezogen werden kann. Da es eines seiner Hauptanliegen war, den benutzbaren Dingen eine dem Zweck entsprechende - in Wahrheit aber überhöhende - Form zu geben. Das Herbeibemühen von „Kunst“ in Form von Malerei verunklärt nur das Bild und verletzt den Anspruch der Wortführer, zwar künstlerisch handelnd vorzugehen, aber nicht Kunst machen zu wollen - gerade diesem hatte man ja vorher in der Regel abgeschworen. Der Jugendstil selbst jedoch neigte dazu in sich selbst widerspruchsvoll, unentschieden und zwitterhaft zu sein. Groß war der Anspruch und erheblich geringer die Erfüllung - so ein schon damals oft geäußerter Vorwurf. Die Ambivalenz des Jugendstils, seine Mehrgesichtigkeit und das Changierende seiner Erscheinung waren jedoch nicht das Ergebnis einer Laune, sondern ergaben sich aus der Situation, die ihn hervorbrachte. Sie war - vereinfacht dargestellt - eine Folge der Dissonanz zwischen Kunst und Technik, die sich im 19. Jh. immer deutlicher herausgearbeitet hatte und nun dringend einer Auflösung bedurfte. Der Zwiespalt, dem der Jugendstil ursächlich sein Leben verdankt - wenn es überhaupt möglich ist, dergleichen eindeutig zu bestimmen - , war entstanden durch das Aufkommen der Technik als ein neues, inzwischen weitgehend autonomen Phänomen, dem die ästhetische Sanktionierung jedoch verweigert wurde. Die sichtbare Ausprägung der gewiss auch in vieler Hinsicht beunruhigenden und Ängste erzeugenden Technik sollten deshalb versteckt und, soweit das ging hinter Kunst - oder was man damals dafür hielt - verborgen gehalten werden. Bekannt sind die Versuche des Historismus, Bauwerke, wie Brücken, Bahnhöfe Ausstellungshallen usw. mit unnötigen Architekturteilen zu ummanteln. Besonders dem freien Gelände der technischen Expansion - wie es Kanäle, Schienenstränge und Industrieanlagen darstellten - bedurfte dieser Kaschierung. Die ausgeprägte Individualität, auch der innere Bewegungsdrang des Jugendstils werden somit verständlich als Antworten auf die lange Periode künstlerischer Sterilität, die der Historismus dargestellt hatte, aber in ihnen kam auch der Zwang zum Ausdruck, eine Reform um jeden Preis herbeiführen zu müssen. Daher muss der Schwerpunkt des Flüchtigen mehr im Komplexen liegen. Der Blick auf den Jugendstil ist zu ausschnitthaft, wenn er nur als reformkünstlerisches Ereignis gesehen wird. Um allein das gewesen zu sein, währte er zu kurz.

Olbrich selbst, nun, wurde als Mitbegründer der Wiener Sezession eigentlich erst in Darmstadt zu dem, als den man ihn kannte und heute noch kennt - einen Architekturvirtuosen in der Zeit des Jugendstils.

Hier, in Darmstadt fand Olbrich einen Mäzenen in Großherzog Ernst Ludwig. Damit sein Land zu Wohlstand und Ansehen komme, war er bestrebt, das Gewerbe der Kunst durch lohnende Aufträge zu fördern (siehe Bild rechts). Junge Künstler sollten ihm dabei helfen.1901 eröffnete er nun die von ihm konzipierte Ausstellung „Ein Dokument deutscher Kunst“, obgleich der Titel nun so gar nicht zu der Ausstellung passte, hinter der eine im ganz neuen Stil erbaute Künstlerkolonie verbarg. Die Mathildenhöhe, eine sanfte Erhebung in geringer Entfernung vom Zentrum der Stadt, diente als Gelände, ein breitgelagertes Ateliergebäude bildete den architektonischen Festpunkt, dem sieben Wohnhäuser in lockerer Gruppierung zugeordnet waren. Insgesamt ein wohltuend ungezwungenes Programm und, da fast alle Gebäude von demselben Architekten entworfen worden waren, auch ein stilistisch geschlossenes. Weniger überzeugend schien hier die Auswahl der sieben Künstler gewesen zu sein, die Träger und gleichsam lebendes Inventar des Ganzen sein sollten. „Achtenswerte Talente - aber auch nicht mehr“ nannte K. J. Sembach diese. Olbrich, der sich bereits in Wien einen Namen gemacht hatte, stieg hier schnell zum Star auf. Seine besondere Nähe zur Person des Großherzogs, dem er sogar in mancherlei Hinsicht geähnelt heben soll, half ich dabei, aber auch seine überragende Virtuosität. Außerdem war er der einzige ausgebildete Architekt der Gruppe. Mit ihm konkurrieren konnte nur der aus München berufene Maler, Graphiker und Entwerfer Peter Behrens. (siehe Bild links). Dieser sei auch der heimliche Gewinner des künstlerischen Wettspiels gewesen, wenngleich Olbrich den Ton angab und seine Position auch in Zukunft Darmstadt zu wahren wusste. Stilistisch begegneten sich in ihnen Antipoden [Gegenspieler)]. Ursprünglich sollten in den sieben Wohnhäusern nur die Künstler wohnen, aber da nicht alle die nötigen Mittel besaßen, um auf dem geschenkten Grund und Boden zu bauen, kaufte schließlich zwei der schon fertigen Häuser ein Möbelfabrikant, der dann die von ihm gelieferte Ausstattung als Musterbeispiel seiner Fähigkeiten vorführte. Das war möglich, da im Rahmen der Ausstellung alle Bauten zur Besichtigung freigegeben waren. Hierbei war es die große Kunst um Wirtschaftsinitiatoren zu finden, die in diesem Projekt keine Ausstellung von Attrappen, sondern die ästhetische, komplexe Wirklichkeit geboten bekamen. Sicherlich englisch inspiriert war der Gedanke, 1901 das erstrebte künstlerische Manifest vor allem in der Form des Eigenheimes vorzutragen. Georg Fuchs - der offizielle Autor der Ausstellung - beschrieb wie folgt: „Es war eine mutige Tat, die der Begründer der Künstlerkolonie wagte, als er entgegen der scheinbar alles überwuchernden Gewalt der äußerlich den Ton angebenden Zentralen [gemeint sind die Metropolen München und Berlin] seinem Darmstadt eine selbstständige Stellung verlieh, als er seine Schöpfung der Willkür und den oft unheilvollen Einflüssen, die das Große nieder zu ziehen, das Geringe zu glorifizieren und das Mittelmäßige zu ernähren fortgesetzt wirksam sind, nach Möglichkeit entzog.“ [Siehe hierzu die Kurzbeschreibung des Jugendstils].

Was 1901 in Darmstadt entstand, war Architektur im Rahmen der Provinz, ohne selbst provinziell zu sein. Die übersichtliche Dimension des Ortes war ein Vorteil, denn Neues konnte sich hier unbehindert entfalten, als an einem kapitalerem Ort, doch da der Herausforderung Grenzen gesetzt waren, entfiel auch einiges an Größe. Das liebenswürdige Äußere, das alle von Olbrich erbauten Häuser aufwiesen, war zugleich Versprechen wie auch Begrenzung. Im Ganzen gesehen ein hoffnungsvoller Beginn, im einzelnen eine zu flüchtige Realisation. Manieristische Züge, die schon früh das Werk Olbrichs gekennzeichnet hatten, traten auch in Darmstadt hervor . Das bis heute originellste Gebäude ist das Atelierhaus, in dem acht nebeneinander gereihte hohe Arbeitsräume über geneigte Glasflächen belichtet werden (siehe Bild rechts). Da seine Hauptfront nach Süden gerichtet ist, blieb sie weitgehend fensterlos. Dem schlichten, funktionalen Aufbau wurde nun eine aufwendige Portalnische in Form eines Dreiviertelkreises, flankiert von zwei monumentalen Figuren, vorgesetzt. Eigentlich ist der Bogen zu groß und eigentlich sind auch die Figuren für zu riesig - dennoch besteht ein erstaunliches Gleichgewicht.

Doch nicht die Architektur ist das bestimmende Element, sondern die Figuren. Sie, die einstigen Karyatiden [eine anstelle von Säule oder Pfeiler in den Bau eingeordnete weibliche Figur] , haben sich aus dem Verband gelöst, erheben stolz den Kopf und beherrschen das Gebäude. Die ganze Kraft liegt bei ihnen, während das übrige zu zart, ja dünn wirkt. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die rauen Oberflächen und das zum Teil Unfertige der Plastiken, sie setzen sich damit deutlich ab von der mehr membranartig- glatten Erscheinung der Architektur.

Mehrere Umkehrungen haben hier stattgefunden: Ehemals Festes wirkt jetzt labil, und einst Labiles besitzt nun Stärke. Der Zierrat [ Schmuck - dekorative, schöne, aber nutzlose Zutat] hält das Haus und nicht mehr umgekehrt. Massives wirkt verletzbar, und Verletzbares birst vor Vitalität. Damit entsteht ein ähnlicher Eindruck wie schon bei dem Gebäude der Wiener Sezession, mit dem Olbrich 1899 bekannt geworden war. Die tonnenschweren Blöcke schienen dort papierdünne Wandungen zu haben und die Schichtungen so locker gefügt zu sein, dass sie jederzeit verschoben werden können. Etwas Nomadenhaftes geht von dieser Art Architektur aus, die wirkt, als ob sie nur flüchtig aufgeschlagen worden sei.

Tatsächlich nur auf Zeit errichtet waren die Eingangsbauten und die Ausstellungshalle für Flächenkunst (siehe Bild links), die am Ende der kurzen Wegstrecke vom Atelierhaus abwärts lag. Während der Torbauten an Jahrmarkt und Basar denken ließen, erinnerte das andere Gebäude an eine umgestürzte Galeere. Die im Grunde sinnlosen, aber doch effektreichen seitlichen Stützglieder übernahmen dabei die Rolle der gereihten Ruder. Die kühne und höchst originelle Bogenform des Daches täuschte darüber hinweg, dass die Anlage nur eine geringe Tiefe besaß. Was aussah wie eine Stirnseite, war tatsächlich die Längswand. Ähnliche Umrissformen hat Olbrich auch später gern vorgeschlagen.

Weniger spektakulär als das Ateliergebäude und die Ausstellungshalle sind die ebenfalls von Olbrich errichteten sechs Villen. Sie variieren zum Teil tradierte Hausformen, verschleiern das jedoch durch reiche, dekorative Zutaten. Auch ein lebhaftes Spiel bei der Art und Anordnung der Fenster trägt dazu bei, die Häuser origineller erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Dies gilt in erster Linie für das eigene Haus (siehe rechts) und das des Malers Hans Christiansen (siehe unten).

Mehr tektonische und weniger dekorativen Witz weisen dagegen das Haus für den Bildhauer Ludwig Habich (siehe unten links) und die kleinere der beiden Villen auf, die der Möbelfabrikant Glückert gekauft hatte.(siehe unten rechts). Die in beiden Fällen kubische Grundform wurde entweder aufgebrochen, ergänzt und wirkungsvoll bekrönt oder durch einen halbtonnenförmigen Aufbau gesteigert.

Besonders die gestufte Gliederung an der Hangseite des ersten Hauses ist sehr gekonnt, ungewöhnlich auch das gänzlich flache Dach. Nie entdecken wir Haupt- und Nebenseiten, das Äußere scheint sich stets wechselhaft zu öffnen und zu schließen und ganz von innen her bestimmt zu sein. Nach außen hin ergibt das eine spannungsvolle „Unordnung“ von glatten Wandflächen und mannigfaltigen Fensterformen. Eine Kontrolle ist für den Betrachter kaum möglich, aber er spürt das gerade noch eingehaltene Gleichgewicht. Architektur wurde hier als Exerzitium [Übungsarbeit] vorgeführt, das verblüffen konnte und animierend wirken musste. Der insgesamt südländische Charakter der Häuser verstärkt noch diesen Eindruck.

Das Innere der Villen war in der Regel so angelegt, dass eine doppelstöckige Halle das Zentrum bildete (siehe rechts). Die Größe dieser Räume gab Olbrich die Gelegenheit, sein außen noch gezähmtes dekoratives Talent überreich zu entfalten. Eine meist nur flüchtige tektonische Gliederung traf zusammen mit einer Fülle von Flächenformen, die unerbittlich alles überzogen. Etwas hunnenhaft Wütendes kommt hier zum Vorschein, das verwirren musste nach der so andersartigen Introduktion [Einführung, Beginn]. Der Tapezierer vernichtete jetzt den Architekten, und da erkennbar blieb, dass beide dieselbe Person waren, musste diese einen gespaltenen Eindruck hinterlassen. Die meiste Kritik entwickelte sich wohl von hier aus. Der Manierismus, der schon das Äußere des Atelierhauses bestimmt hatte, dort aber noch anregend gewesen war, wurde hier selbstgefällig und ziellos. Auch heute noch ist zu spüren, dass Olbrich nicht genug Zeit gehabt hatte und der Versuchung erlegen war, sich zuviel zuzumuten. Das bretterhaft Dünne der meisten Innenraumgestaltung zeigt die Eile an, mit der sie entwickelt wurden. Später sollte sich das ändern, doch die schöne Bedenkenlosigkeit des Anfangs fehlte dann.

Das heitere Schäferspiel der Olbricharchitektur erhielt nun einen geradezu dramatischen Widerpart in der Villa, die sich Peter Behrens als einziger Künstler und Nicht-Architekt selbst errichtet hatte. (siehe links) Hier war mit einem Male alles anders. Straffe Formen statt Lockerheit, Bestimmtheit statt Mehrdeutigkeit. Markante farbige Ecklinsen gliedern das Haus und geben ihm deutliche Konturen Alle etwas bewegteren Elemente - geschweifte Giebel und zügelnde Sprossenteilungen - mussten sich dem einpassen, sind aber dennoch kräftig genug, sich konterkarierend Pläne durchkreuzend, jm. entgegenarbeitend] durchzusetzen. Dadurch entstand eine Spannung aus stärke und nicht, wie bei Olbrich, aus Ambivalenz. Karl Scheffler [deutscher Kunstschriftsteller und -kritiker, 1906-1933 Herausgeber der Zeitschrift "Kunst und Künstler"; beeinflusste durch seine publizistische Tätigkeit das deutsche Kunstleben seiner Zeit]beschrieb die Arbeit Behrens` so: „Darum sehen wir in dem Hause auf der Mathildenhöhe einen Solnessbau, eine Heimatstätte für den Menschen der Zukunft, der durch die Lebensarbeit seinen Vorfahren über die atemlose Schwüle eines erstickenden Daseinskampfes emporgehoben sein wird, die aus dem Zweifel des Glaubens, aus der sozialen Not die neue der Societät, aus der Wissenschaft die Schönheit zu sich hinaufgerettet haben wird.“ Auf jeden Fall war das Gebäude von Behrens ein Markstein, und die Ausstellung erhielt damit jene Ernsthaftigkeit, die sie brauchte, um vor den Augen argwöhnischer Kritiker bestehen zu können.

Im Gegensatz zu anderen, die kamen und gingen oder überhaupt nicht kamen, blieb Olbrich vor allem auch deswegen in Darmstadt, weil Ernst Ludwig klug, vertrauendvoll und wagemutig genug war, ihn zu halten. Weitere Ausstellungen folgten 1904, 1908 und 1914. Sie glichen der ersten in der Betonung von Architektur, Ausstattung und Kunstgewerbe. Neue Häuser wurden gebaut und mustergültig eingerichtet, aber am bewunderungswürdigsten blieb nach wie vor die Unbeirrbarkeit des Großfürsten. 1904 war nun das Hauptstück eine „Dreihäusergruppe“ (Seite 161), an der Olbrich zeigen konnte, dass er seine Phantasie auch straffere Züge zu geben vermochte. Ohne Einbuße an Einfall besitzt das abwechslungsreiche Ensemble Kraft und tektonisch begründete Plastizität. Der Eindruck entsteht, dass Olbrich intelligent genug war, die Lehre zu akzeptieren, die ihm Behrens erteilt hatte. Zugleich ist aber auch zu spüren, dass mit zunehmender Festigkeit auch ein neuer Klassizismus aufkam, eine Wiederkehr der Achsen und Symmetrien, die von der Fülle der Erfindungen nur zum Schein verdeckt wird. Spätere Bauten von Olbrich zeigen das dann unverhüllter. Wie weit gedacht der Darmstädter Reformversuch war, belegen sicherlich am besten die Entwürfe für Arbeitshäuser, die Olbrich mehrfach angefertigt hat. Dergleichen war zwar nicht neu, denn schon auf der ersten Weltausstellung 1851 in London war ein Musterhaus gezeigt worden, doch überrascht die Fortsetzung inmitten des Darmstädter Rahmens, der gern als überzüchtet und zu schöngeistig verdächtigt worden war. Die Anfängliche Doppelhausplanung erinnert denn auch noch an englische Vorbilder, während das 1908 ausgeführte Beispiel tatsächlich nicht frei ist von dem falschen Ton einer bemühten Liebenswürdigkeit (siehe links). Die hinzugedachten Bewohner hätten von großer Bravheit sein müssen.

Der 1901 nur zaghaft entwickelte stadtbauliche Ansatz fand bin 1907 eine wesentliche Erweiterung, als die Kuppel des Hügels erbaut wurde, auf dessen Südflanke die Künstlerkolonie lag. Bisher hatte es hier ein Wasserreservoir gegeben. Dieses bildete nun die Basis für ein großes Ausstellungsgebäude, dem asymmetrisch ein Turm beigestellt wurde (siehe unten). Er war das offizielle Geschenk der Stadt zur Wiederverheiratung des Fürsten, und dank ihm wurde die Mathildenhöhe zu einem Begriff. Der gern als Schwurhand gedeutete „Hochzeitsturm“ war als Fanal unübersehbar, mit ihm wurde eine deutliche Verbindung zum Zentrum der Stadt hergestellt. Dem trug auch eine weitere Wegachse Rechnung, die unmittelbar auf das Ausstellungsgebäude zuführte und in ihrem Verlauf die kleine russisch-orthodoxe Kapelle berührte, die für zaristische Verwandtschaft des Großfürsten 1899 errichtet worden war. Das Gebäude war architektonisch bedeutungslos, aber wirkungsvoll kraft seiner Buntheit. Durch die neue Orientierung rückte zwar die Künstlerkolonie etwas an die Seite, aber einen Angelpunkt bildete nach wie vor das Atelierhaus.

Das Ausstellungsgebäude war im Grunde ein symmetrischer Dreiflügelbau mit eingeschlossenem Hofraum, doch die verschiedenen Ergänzungen an seiner westlichen Schauseite - Treppen, Terrassen, ein Pavillon und schließlich der aufragende Turm - überspielen das und ergeben zusammen eine vielgestaltige Komposition. Olbrich bewies hier nun jene Meisterschaft, die er bisher immer nur in Ansätzen gezeigt hatte. Der Aufbau ist wiederum sehr locker, fast spielerisch, doch auf das geschickteste ausgeglichen und in der Waage gehalten. Genau betrachtet gleicht er sogar noch dem des Atelierhauses, nur dass jetzt der Turm den vielgestaltigen Bau hält und nicht mehr eine Figurengruppe. Wenngleich sich hier nun Architektur zu Architektur gesellte, so blieben dennoch Unterschiede betont: zum Beispiel die Weithin gewahrte Symmetrie des Hauptteiles zu der des Turmes, die durch die Eckfenster unterbrochen wird, oder dessen raue Backsteinhaut zu den glatten Putzflächen des übrigen. Man könnte auch sagen, dass sich hier zwei fremde Epochen begegnen, Mittelalter und Klassizismus, doch wäre das zu spitzfindig angesichts der waltenden Könnerschaft und Freiheit. Auf jeden Fall demonstriert das Gebäude lauter Konterkarierungen des Kanons, die noch einmal den gelenkten Zufall ins Spiel bringen und jene Ambivalenz entstehen lassen, die Olbrichs beste Arbeiten auszeichnet. Mit den Bauten auf der Mathildenhöhe verabschiedete sich dieser Architekt von Darmstadt, inzwischen war er für die Stadt zu groß geworden. Im Rheinland hatten sich für ihn neue Aufgaben ergeben, die schließlich zu einem letzten Höhepunkt führten, bevor er früh vollendet - wie oft bei überreichen Begabungen - 1908 starb. Zurück blieb das einmalige Ereignis von Darmstadt - nirgendwo sonst hatte sich damals ein Künstler so reich entfalten können, und nirgendwo sonst waren die Möglichkeiten und Gefährdungen des neuen Stils so exzessiv vorgeführt worden wie gerade dort. Auf kleinem Raum, aber mit Vitalität war hier ein Beginn gewagt worden, der seine Kraft aus der Isolation bezog, aus dem Gefühl heraus, nur gegen die offizielle Wertung erfolgreich sein zu können. Auf berührende Weise verband sich in Darmstadt die politische Handlung mit der künstlerischen zur Einheit, eine dabei gewinnend, die beide vereinzelt nicht gehabt hätten. Die besonderen Möglichkeiten der Zeit, die auf riskante Weise den Aufbruch und das Ende in sich enthielt, waren hier erkannt und ausgeschöpft worden. Der frühe Tod verhinderte es, dass Olbrich die Fertigstellung seines Hauptwerkes erleben durfte, er starb mitten in der Arbeit an der Innenausstattung des Kaufhauses Tietz in Düsseldorf.(siehe links) Mit diesem Bau war ihm einer der spektakulärsten Aufträge der Zeit zugefallen, den er trotz des Berliner Vorbildes Alfred Messel (deutscher Architekt verband als einer der ersten deutschen Architekten historische mit konstruktivistischen Bauformen)sehr souverän und eigenwillig löste. Vor allem die geschwungenen Giebel über den Eingängen und in der Dachzone verleihen der Architektur über das zweckhafte hinaus eine mit Leichtigkeit gepaarte Würde, die nur Olbrich zu erzeugen vermochte. Spät, aber dennoch war hier die Symbiose von technischer Grundstruktur und Modellierung im Jugendstil gelungen. Beide Komponenten vermögen dabei stark zu bleiben, anstatt zu konkurrieren, ergänzen sie sich. Die langjährige Darmstädter Experimentierphase war zu einem überzeugenden Abschluss gekommen. Eine Fortführung hätte nur Olbrich selbst vornehmen können, und somit verschloss sich die gerade eröffnete Perspektive.

Referat von Sabine Freitag

Quellen: Jugendstil „Die Utopie der Versöhnung; TASCHEN; 2000

Jugendstil „Der Weg ins 20. Jahrhundert“ KEYSERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG; 1959 Katalog Darmstadt 1901-1976 „Ein Dokument deutscher Kunst; 1977

Joseph Maria Olbrich 1867 - 1908 „Katalog der Ausstellung auf der Mathildenhöhe in Darmstadt“; 1983

Final del extracto de 5 páginas

Detalles

Título
Joseph Maria Olbrich (hauptsächlich zur Zeit in Darmstadt)
Calificación
15 Punkte
Autor
Año
2001
Páginas
5
No. de catálogo
V105903
ISBN (Ebook)
9783640041824
Tamaño de fichero
421 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Joseph, Maria, Olbrich, Zeit, Darmstadt)
Citar trabajo
Sabine Freitag (Autor), 2001, Joseph Maria Olbrich (hauptsächlich zur Zeit in Darmstadt), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105903

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