Das Themenfeld der vorliegenden Arbeit befasst sich mit der Finanzkompetenz von Studierenden des Grundschullehramtes hinsichtlich des Umganges mit Geldanlagen, explizit Aktien und ETFs. Hierfür wurden 32 quantitative Fragebögen erhoben, die mit Hilfe eines im Vorfeld festgelegten Bewertungsrasters die Finanzkompetenz von Lehramtsstudierenden des Faches Wirtschaft an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg zu messen versuchten. Die Stichprobe setzt sich aus Studierenden der Grundschule als auch der Sekundarstufe I zusammen. Die gewonnene Datenmenge liefert somit Erkenntnisse über verschiedene Studiengänge hinweg. Die Ergebnisse stimmen mit den bereits vorliegenden Forschungsergebnissen zur Finanzkompetenz der deutschen Bevölkerung überein, die bereits ein defizitäres Finanzwissen nachweisen konnten. Für die untersuchte Stichprobe ergeben sich ähnliche Feststellungen. Die Finanzkompetenz in Bezug auf die Wertpapieranlage ist bei Lehramtsstudierenden an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg nur mäßig.
Die Wissenschaftliche Arbeit ist aufgrund ihres fundierten theoretischen Aufbaus für alle Lehramtsstudiengänge gleichermaßen interessant.
Inhaltsverzeichnis
ABSTRACT
DANKSAGUNG
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
GLOSSAR / DEFINITIONEN
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
1.1 Problemstellung und aktuelle Relevanz
1.2 Ziele und Aufbau der Arbeit
1.3 Aktueller Forschungsstand zur Finanziellen Allgemeinbildung in Deutschland
1.4 Zusammenfassung
I. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2 FINANZKOMPETENZ
2.1 Begriffsklärung
2.1.1 Aspekte der Finanziellen Allgemeinbildung
2.1.2 Gründefüreine Finanzielle Allgemeinbildung
2.1.3 Konsequenzen fehlender Finanzieller Allgemeinbildung
2.2 Die Umsetzung Finanzieller Allgemeinbildung in der ökonomischen Bildung
3 GELDANLAGE
3.1 Geldvermögen und Anlageverhalten der Deutschen
3.2 BedeutungbörsennotierterWertpapiereinderheutigenZeit
3.3 ETFs und Aktien
3.3.1 ETFs
3.3.2 Aktien
3.3.3 Zusammenfassung
3.4 Kriterien der Geldanlage mit Wertpapieren
3.4.1 Rendite und Risiko
3.4.2 Volatilität und Entstehung von Kursschwankungen
3.4.3 Diversifikation zur Risikosenkung
3.5 Efficient Market Theorie
3.6 Ausgewählte Aktienauswahlmodelle
3.6.1 Warren Buffett-Value Investment
3.6.2 Susan Levermann-Quantitatives Investieren
3.6.3 Vergleich beider Anlagestrategien
3.7 Merkmaleeineskompetenten Aktienanlegers
II. EMPIRISCHER TEIL
4 ZIELSETZUNG
5 FORSCHUNGSDESIGN
5.1 Methodenwahl
5.2 Limitation
5.3 Stichprobe
5.4 Gütekriterien
5.4.1 Objektivität
5.4.2 Reliabilität
5.4.3 Validität
5.5 Durchführung der Erhebung
5.6 Fragebogenstruktur
5.7 Datenanalyse und Auswertung
6 ERGEBNISSE
6.1 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
6.1.1 Analyse der abgefragten Themenbereiche
6.1.2 Messung der Finanzkompetenz
7 FAZIT UND AUSBLICK
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
Anhang 1: Fragebögen
Anhang 2: Zugrundeliegende Auswertungsstatistiken aus SPSS
Anhang 3: zugrundeliegende Auswertungsstatistik aus Microsoft Excel
Abstract
Das Themenfeld der vorliegenden Arbeit befasst sich mit der Finanzkompetenz von Studierenden des Grundschullehramtes hinsichtlich des Umganges mit Geldanlagen, explizit Aktien und ETFs. Hierfür wurden 32 quantitative Fragebögen erhoben, die mit Hilfe eines im Vorfeld festgelegten Bewertungsrasters die Finanzkompetenz von Lehramtsstudierenden des Faches Wirtschaft an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg zu messen versuchten. Die Stichprobe setzt sich aus Studierenden der Grundschule als auch der Sekundarstufe I zusammen. Die gewonnene Datenmenge liefert somit Erkenntnisse über verschiedene Studiengänge hinweg. Die Ergebnisse stimmen mit den bereits vorliegenden Forschungsergebnissen zur Finanzkompetenz der deutschen Bevölkerung überein, die bereits ein defizitäres Finanzwissen nachweisen konnten. Für die untersuchte Stichprobe ergeben sich ähnliche Feststellungen. Die Finanzkompetenz in Bezug auf die Wertpapieranlage ist bei Lehramtsstudierenden an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg nur mäßig. Die Wissenschaftliche Arbeit ist aufgrund ihres fundierten theoretischen Aufbaus für alle Lehramtsstudiengänge gleichermaßen interessant.
This empirical study examines the financial competences of elementary education students regarding the management offinancial investments, explicitly shares and ETFs. Therefore, 32 quantitative questionnaires were designed in an attempt to measure thefinancial competence of elementary education students 'with a major in economics, at the Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, on the basis of previously specified evaluation matrix. The sample composes of elementary education students in teacher trainingfor primary as well asfor secondary school. Thus, the data gained representsfindings across different majors. The results correspond with already given research results of the German population, that demonstrate an existing deficit infinancial knowledge. Similar findings emerge in the examined sample. In terms of security investments, the financial competences of elementary education students at the Pädagogische Hochschule Ludwigsburg is moderate. Because of its 'well-founded theoretical setup, this academic paper can be likewise interesting for all teacher training courses.
Danksagung
Im Rahmen des Lehramtsstudiums für die Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule wurde diese Wissenschaftliche Arbeit als Teilprüfung für das 1. Staatsexamen verfasst.
Ich möchte vor allen denjenigen Menschen danken, die mich während dieser Arbeit begleitet und beraten haben. Besonderer Dank seitens der akademischen Betreuung soll auf diesem Wege Frau Dr. Astrid Loff zu Teil werden, die mir bei der Gliederung und der empirischen Umsetzung wichtige inhaltliche Impulse gegeben hat. Meiner persönlichen Lektorin, Frau Helga Burkhardt, danke ich von ganzem Herzen, dass sie sich im Verlauf meines Studiums mit Formfehlern in den Manuskripten herumgeschlagen hat, mir beratend zur Seite stand und die Motivation aufbringen konnte, sich immer wieder in neue Themengebiete einzuarbeiten.
Der größte Dank aber geht an meine Frau, die mir während des gesamten Studiums immer versucht hat, den Rücken freizuhalten - für unsere Kinder da war und viel Geduld und Verständnis aufbringen musste, damit ich meine angestrebten Ziele erreichen konnte; für all die Mühen, die du auf dich genommen hast, um unseren Kindern eine gute Mami zu sein, all die Zeit, die du deinen Mann durch tagelange Studientage nicht an deiner Seite hattest und auf dich allein gestellt warst, all die Sorgen, die dich begleiteten und für die ich viele Jahre kein Gehör hatte, all die Ängste, die du mit dir selbst ausfechten musstest, danke ich dir. Du bist eine tolle Mami, eine tolle Ehefrau und ein ebenso toller Mensch. Ich liebe dich!
Daniel Gottschalk
Köngen, im Juni 2019
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Systematisierung der Begriffe für das Finanzbildungswesen
Abbildung 2: Kembereiche finanzieller Allgemeinbildung aus der Perspektive privaterHaushalte
Abbildung 3: Reale Renditen auf das Sparvermögen in %, Durchschnitt der Jahre 2012bis
Abbildung 4: Geldvermögen der Deutschen nach Altersgruppen
Abbildung 5: Das magische Dreieck der Geldanlage
Abbildung 6: Das Sparer-Trilemma, Vermögensportfolio der Haushalte nach
Kriterien Sicherheit, Zuwachs des Geldvermögens und Konsum, Durchschnitt von 2007 bis2017,in%
Abbildung 7: Darstellung der Volatilität anhand der Kursentwicklung zweier fiktiver Aktien
Abbildung 8: Darstellung des Verhältnisses zwischen Kurs und Wert einer Aktie, Margin of Safety
Abbildung 9: Kompetenzmodell für einen kompetenten Aktienanleger
Abbildung 10: Frage zum Thema Wertpapiere im Studium
Abbildung 11: Frage zur Einschätzung der eigenen Fähigkeiten
Abbildung 12: Frage zur Alltagsrelevanz im Umgang mit Wertpapieren
Abbildung 13: Frage über die Kenntnisse betriebswirtschaftlicher Kennzahlen
Abbildung 14: Frage zur Berücksichtigung eigener Interessen bei der Aktienauswahl
Abbildung 15: Frage zur Porftfoliostruktur
Abbildung 16: Frage über Relevanz des sozialen Nahfeldes bei der Aktienauswahl
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Auswirkungen der Diversifikation auf die Schwankungen jährlicher Renditen eines gemischten Portfolios
Tabelle 2: Informationsstufen der Efficient Market Theorie
Tabelle 3: Aktiencheckliste nach Levermann, quantitatives Investieren
Tabelle 4: Fragenkonstruktion nach Themenfeldern
Tabelle 5: Fragenstruktur und Bewertungseinteilung
Tabelle 6: Bewertungsskala in%
Tabelle 7: Aufschlüsselung der Finanzkompetenzpunkte nach einzelnen Themenfeldern
Tabelle 8: Finanzkompetenznote
Glossar / Definitionen
Für ein besseres Verständnis dieser Wissenschaftlichen Arbeit sollen einige wesentliche Vorgehensweisen näher erläutert werden
In der vorliegenden Abhandlung wird bewusst auf eine Vereinfachung der Lesbarkeit verzichtet, um keine geschlechterspezifische Unterscheidung herauszuheben. Zur Bezeichnung bestimmter Gruppen wird beispielsweise der Ausdruck Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler verwendet.
Für diese wissenschaftliche Arbeit wurde das Zitationssystem Harvard mit Fußnoten ausgewählt, um den Lesefluss des Lesers nicht unnötig durch Quellenverweise im Fließtext zu unterbrechen. Die in den Fußnoten aufgeführten Quellen, werden stets mit Kurzbeleg benannt; auf einen Vollbeleg wird verzichtet.
Zur besseren Lesbarkeit wird bei Angaben mit einem Datum der Monatsname ausgeschrieben.
Um das Themenfeld der Finanzkompetenz und der Geldanlage umfassend darstellen zu können, wird in dieser Arbeit bewusst auf die Erklärung grundlegender wirtschaftlicher Begriffe verzichtet. Als geeignetes Nachschlagewerk empfiehlt der Autor zur eigenständigen Recherche die Publikation ,Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag'.
Abkürzungsverzeichnis
AG Aktiengesellschaft
DAX DeutscherAktienindex
EBIT EarningBefore Interest an Taxes
EMT EfficientMarket Theorie
EPS earningsper share
ETF Exchange Traded Fund
KBV Kurs-Buchwert-Verhältnis
KGV Kurs-Gewinn-Verhältnis
MDAX Mid-Cap-DAX
ROE Eigenkapitalrendite (Return on Equity)
SDAX Small-Cap-DAX
SEDI Social and Enterprise Development Innovations
TecDAX Technical-DAX
u. a unteranderem
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und aktuelle Relevanz
Die Finanzlandschaft hat in den vergangenen Jahren stark an Dynamik und Komplexität zugenommen. Finanzmärkte unterliegen rasanten und ständigen Veränderungsprozessen. Ergebnis dieser Schnelllebigkeit ist eine kaum überschaubare Anzahl von Finanzprodukten. Neben den klassischen Bankeinlagen kann der private Anleger aus einer schier endlosen Masse von Anlageinstrumenten auswählen - Versicherungen, Fonds, Anleihen, Aktien, Immobilien, Kryptowährungen u. a. Bedingt durch unzureichendes Finanzwissen und Fehlentscheidungen im Anlageverhalten laufen Finanzmärkte Gefahr, ein hohes Ausmaß an Instabilität anzunehmen1. Zuletzt gipfelte dies in den Jahren 2007 bis 2009 in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise und sorgte bei börsennotierten Anlageprodukten für schwere Kurseinbrüche und Vermögensverluste. Betroffen waren hierbei jedoch nicht nur Anleger, die bewusst in Wertpapiere investierten, auch scheinbar Unbeteiligte mussten feststellen, dass ihr angelegtes Kapital von Institutionen für Investitionen am globalen Aktienmarkt genutzt wurde2.
Aktuell spiegelt das Anlageverhalten der deutschen Bevölkerung diejüngsten Ereignisse in der Finanzgeschichte wider. Es ist gekennzeichnet durch eine gewisse Risikoaversion und Desinteresse gegenüber risikoreicheren Anlageformen. Verdeutlicht wird dies durch die seit Jahren bestehende Popularität bei Bankeinlagen3. Trotz schlechter Renditemöglichkeiten durch die langjährig vorherrschende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank verwundert es, dass die Mehrheit der Anleger weiterhin an dieser Anlageform festhält und dadurch aktiv zu einer Geldentwertung des eigenen Kapitals beiträgt. Während in vielen anderen europäischen Ländern bereits ein Paradigmenwechsel im Anlageverhalten stattgefunden hat und renditestarke Investments - allen voran Aktien und Investmentfonds - an Bedeutung im Anlageportfolio gewinnen4, fristen diese bei den Deutschen nahezu ein Schattendasein. Doch gerade durch die seit Jahren vorherrschenden niedrigen Zinsen auf Bankeinlagen und festverzinsliche Wertpapiere (Staatsanleihen) beherbergen börsennotierte Wertpapiere einen potentiellen Geldwertzuwachs für das dort investierte Kapital.
„Deutschland braucht „mehr Aktie“ [,..]“5 6, fordert das DEUTSCHE AKTIENINSTITUT und stützt sich dabei auf die Renditestatistiken der letzten Jahrzehnte des DAXMndizes. In der Mehrheit der untersuchten Anlagezeiträume erzielten Aktien unter allen Anlageinstrumenten mit hoher Zuverlässigkeit die besten Realrenditen und trugen auf lange Sicht zu einer positiven Vermögensentwicklung bei7.
Betrachtet man die finanziellen Herausforderungen in Deutschland, denen sich ein jeder Wirtschaftsbürger in der Zukunft stellen muss, ist die Notwendigkeit einer gewinnbringenden Anlagestrategie bedeutsamer geworden. Bereits in jungen Jahren wird durch die Reform der Rentenversicherung aus dem Jahr 2002 und 2004 die private und eigenständige Vorsorge für das Alter zu einem wichtigen Pfeiler der Lebensplanung8, aber auch der Erhalt der Kaufkraft durch das Ausgleichen der Inflationsrate mit sinnvollen Kapitalanlagen unterstützt die privaten Sparanstrengungen und trägt zum Vermögensaufbau bei. Die individuelle Bereitschaft, sich aktiv mit geeigneten Anlageformen zur Erhaltung des Lebensstandards auseinanderzusetzen, wird zu einer elementaren ökonomischen Aufgabe. Der kompetente Umgang mit Geld kann in unserer heutigen Gesellschaft als Schlüsselqualifikation angesehen werden und ist Grundlage einer verantwortungsvollen Haushalts- und Lebensführung9. Bestehende Wissenslücken über Finanzen und der Umgang damit kann schwerwiegende Folgen für die eigene Lebensplanung nach sich ziehen; beispielsweise der Kapitalausfall im Alter, fehlende liquide Rücklagen zur Risikoabsicherung im Verlauf der Lebensbiographie, falsche Anlageentscheidungen oder die Überschuldung privater Haushalte.
In den vergangenen Jahren wurden vermehrt Studien durchgeführt, die den Stand der Finanziellen Allgemeinbildung in Deutschland näher untersuchten. Sie lieferten annähernd die gleichen Ergebnisse und zeigten Defizite bei der finanziellen Bildung der Bevölkerung auf. Innerhalb aktueller Studien zum Finanzwissen und Finanzverhalten existieren verschiedene Konstrukte zur Messung des sogenannten Life Skills der financial Literacy4. Oftmals sind diese Erhebungen sehr breit und unspezifisch angelegt10.
Eine gezielte Untersuchung zur Finanzkompetenz von Lehrerinnen und Lehrern im Umgang mit Wertpapieren wurde im deutschsprachigen Raum mit einigen Ausnahmen11 bisher kaum durchgeführt - jedoch stellen diese Anlageinstrumente mit Blick auf langfristige Sparanstrengungen und die Bewältigung zukünftiger finanzieller Herausforderungen eine der wichtigsten Geldanlageformen des 21. Jahrhunderts dar. Spätestens seit der bildungspolitischen Verankerung zur Förderung Finanzieller Allgemeinbildung in Deutschland12 rückt die Frage in den Vordergrund, ob angehende Lehrerinnen und Lehrer mit dem Studienfach Wirtschaft ausreichende Finanzkompetenzen innerhalb ihres Studiums erwerben oder bereits anderweitig erworben haben, um Schülerinnen und Schülern das notwendige Wissen zur aktiven Partizipation an den Kapitalmärkten vermitteln zu können. Nur so kann sichergestellt werden, dass die für die private Geldanlage auf lange Sicht positiven Entwicklungen börsennotierter Wertpapiere erfolgreich für die eigene finanzielle Lebensplanung genutzt werden.
1.2 ZieleundAufbauderArbeit
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie kompetent Wirtschaftstudierende des Grundschullehramtes im Umgang mit börsennotierten Wertpapieren sind und ob es einen Unterschied zu Wirtschaftstudierenden des Studiengangs der Sekundarstufe I gibt. Schließlich übernehmen sie auf der Vermittlungsebene die Verantwortung für die Ausbildung einer ersten Annäherung an finanzielles Wissen und dessen Anschlussfähigkeit an die weiterführenden Schulen und die bestehende ökonomische Wirklichkeit der Lernenden. Hierbei werden explizit Aktien und Exchange Traded Funds (ETFs)13 in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit gerückt. Anhand dieser Auswahl sollen Kriterien für eine erfolgreiche Anlagestrategie bestimmt und Merkmale eines kompetenten Aktienanlegers benannt werden. In einer empirischen Untersuchung zur Finanzkompetenz soll festgestellt werden, inwieweit Lehramtsanwärter des Grundschullehramtes mit dem Fach Wirtschaft ausreichende Kompetenzen im Umgang mit börsennotierten Anlageninstrumenten vorweisen können, um im Anschluss den Versuch zu unternehmen, Implikationen für die Schulpraxis abzuleiten.
Die Bearbeitung der Forschungsfrage erfolgt in einem dreigliedrigen Aufbau. Im ersten Teil der Arbeit, der Einleitung, werden die Problemstellung und die aktuelle Relevanz, der Stand der Forschung sowie die Ziele und der Aufbau dieser Arbeit thematisiert. Der Hauptteil befasst sich eingangs mit dem Gegenstand der ,Finanzkompetenz‘. Dabei werden neben einer genaueren begrifflichen Differenzierung auch die Themenbereiche, welche einer Finanziellen Allgemeinbildung zugeschrieben werden können, genauer in den Blick genommen. Die kontinuierliche Forderung einer Implementierung finanzieller Themen in den Schulbereich begründet sich unter anderem durch die im Verlaufe des Lebens notwendigen Kompetenzen zur Selbstgestaltung ökonomischer Lebenslagen und durch die Notwendigkeit, eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Ob und inwieweit die Bildungspolitik für diese Aufgabe vorbereitet ist, soll anhand des aktuellen Bildungsplanes des Landes Baden- Württembergs aus dem Jahr 2016 und der inhaltlichen Struktur des Studienfaches Wirtschaft an auzsgewählten Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg betrachtet werden. Das daran anknüpfende Kapitel der Geldanlage beschäftigt sich mit dem Anlageverhalten der deutschen Bevölkerung und versucht, die Bedeutung börsennotierter Wertpapiere in der heutigen Zeit herauszuarbeiten. Mit Hilfe der ausgewählten Finanzinstrumente Aktien und ETFs sollen zwei populäre Anlageklassen an der Börse vorgestellt werden. Damit der Anleger sich selbstbestimmt auf dem Kapitalmarkt bewegen kann, erfordert es ein ausgeprägtes Anlageverhalten. Im wissenschaftlichen Diskurs werden eine Vielzahl an Störfaktoren beschrieben, die Anlageentscheidungen maßgeblich beeinflussen können. In dieser Arbeit werden einige dieser Faktoren näher betrachtet, um im Anschluss daran - anhand zweier ausgewählter Herangehensweisen professioneller Investoren - Strategien im Umgang mit der Aktienauswahl aufzuzeigen. Am Ende dieses Kapitels soll mit Hilfe der inhaltlich bearbeiteten Schwerpunkte zur Wertpapieranlage ein Aktienkompetenzmodell vorgeschlagen werden, welches die wesentlichen Parameter beinhaltet und versucht, Fähigkeiten zu beschreiben, die für eine kompetente Anlageentscheidung notwendig erscheinen.
Der letzte Teil dieser Arbeit befasst sich mit der empirischen Untersuchung der Finanzkompetenz von Studierenden des Lehramtes der Grundschule und Sekundarstufe I des Faches Wirtschaft und soll den derzeitigen Wissensstand im Umgang mit Wertpapieren aufzeigen.
Diese Ergebnisse dienen abschließend der Implikation für die Schulpraxis, mit besonderem Blick auf die Vermittlung ökonomischen Wissens in der Primarstufe.
1.3 Aktueller Forschungsstand zur Finanziellen Allgemeinbildung in Deutschland
Gegenwärtig hat sich die weltweite Forschung zum Themenbereich der Finanziellen Allgemeinbildung etabliert14. Den internationalen Anstoß der wissenschaftlichen Bemühungen zum Konstrukt der Financial Literacy setzte die PISA-Studie im Jahr 2012. Sie verwies auf die Notwendigkeit der Förderung und des Ausbaus einer Financial Literacy bei Schülerinnen und Schülern, um die erhobenen Defizite im Finanzwissen und die Unsicherheiten im Umgang mit Finanzentscheidungen deutlich zu verbessern15. Insgesamt nahmen 29.000 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren aus 18 Ländern an der Erhebung teil. Von deutscher Seite aus wurde in dieser PISA-Erhebung auf eine zusätzliche Testung der Financial Literacy verzichtet16.
Die Auswertung der vorliegenden Daten zeigt, dass das Wissen über Finanzdienstleistungen und -instrumente sowie das Bewusstsein über finanzielle Risiken in dieser Altersgruppe eher rudimentär sind. Im Durchschnitt konnte einer von zehn Teilnehmern Fragen zu komplexen Finanzprodukten verstehen und vorliegende Probleme lösen, die über die alltäglichen Routinehandlungen hinausgehen. Etwa 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler liegen innerhalb der Finanziellen Allgemeinbildung unterhalb der Grundkompetenzen. Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen konnten nicht festgestellt werden.17
Auch Erhebungen im Rahmen der Finanziellen Allgemeinbildung, die in Deutschland durchgeführt wurden, spiegeln die Testergebnisse der PISA-Studie und stellen zum Teil starke Defizite im Finanzwissen und -verhalten fest. Anzumerken ist, dass die Studien sich hinsichtlich ihrer Testpopulation und inhaltlichen Schwerpunktsetzung unterscheiden18. Untersuchungen der einzelnen Konstrukte finanziellen Know-hows erfolgen oftmals aufBasis verschiedener Herangehensweisen und legen teilweise divergente Definitionen zugrunde, auf die im Kapitel zur Finanzkompetenz nochmals näher eingegangen wird.
Exemplarisch sollen einige ausgewählte Studien näher beleuchtet werden, um einen weitreichenden Forschungsstand über alle Altersbänder hinweg abbilden zu können. Nur so können Aussagen getroffen werden, ab welcher Zielgruppe Finanzielle Allgemeinbildung angesetzt werden und wie die Umsetzung im speziellen aussehen sollte.
Die im Jahr 2004 durch die Bertelsmann-Stiftung durchgeführte Untersuchung fasst das Wissen im Umgang mit Finanzen unter dem Begriff des ,Finanzalphabetismus‘19 zusammen und bezieht sich dabei insbesondere auf die Einschätzung verschiedener Anlageprodukte durch 30- bis 50-jährige Personen hinsichtlich ihrer Sicherheit der zu erwartenden Rendite und der anfallenden Kosten. Es wurde deutlich, dass der Anteil der richtigen Antworten mit dem Bildungsgrad und dem Einkommen, das die Testpersonen vorweisen, zwar steigt, aber grundsätzlich kaum zufriedenstellend ist. Um eine Verbesserung im Umgang mit Finanzen voranzutreiben, wurde die Vermittlung von Finanzthemen im besonderen Maße durch die Verankerung in staatlichen Bildungssystemen empfohlen.20
Auch in der von Hurrelmann, Karch & Traxler durchgeführten Studie wird eine stärkere frühzeitige Schulung der Finanzkompetenz postuliert. Alle drei Jahre untersucht das Versorgungswerk MetallRente das Finanz- und Vorsorgeverhalten der jungen Generation zwischen 17 und 27 Jahren21. Aufgrund der Veränderungen im Rentensystem müssen junge Menschen eigenaktiv für die notwendige Absicherung im Alter langfristig vorsorgen. Hierfür sind entsprechende Kompetenzen in der Auswahl und Analyse von Kapitalanlagen eine Grundvoraussetzung. Den meisten Personen innerhalb der Zielgruppe fällt es jedoch schwer, ein eigenes Finanzmanagement hinsichtlich der in der Zukunft befindlichen Lebensabschnitte umzusetzen.
Erfreulich ist, dass die Mehrheit der Jugendlichen mit 54 Prozent regelmäßig einen gewissen Geldbetrag zurücklegt. Die Sparanstrengungen orientieren sich aber überwiegend an kurzfristigen Sparzielen (Urlaubsreisen, Ausbildung und Studium), die durch renditearme Anlagen (Sparbuch, Festgeld, Tagesgeld, u. a.) realisiert werden.22
Junge Anleger vermeiden auch bei historisch niedrigen Zinsen Wertpapiere jeglicher Art und zeichnen sich besonders durch Risikovermeidung aus. Gewinnverluste, die durch diese Anlagestrategie entstehen, werden in Kauf genommen - sei es durch tatsächliche Risikoaversionen oder aber als Resultat fehlender finanzieller Bildung. Dieser Anlagetrend scheint sich weiter zu verfestigen. Laut den Angaben der Shell Jugendstudie im Jahre 2016 sind Aktien als Anlageform wenig populär. Lediglich 15 Prozent der Jugendlichen bezeichnen Wertpapiere als „in“ und würden diese in ihren Anlageentscheidungen einbeziehen23.
Eine neuere Studie wurde durch den Bundesverband deutscher Banken im Jahr 2018 initiiert. Die sogenannte Jugendstudie umfasst Jugendliche undjunge Erwachsene im Alter von 14 bis 24 Jahren. Getestet wurden 650 Personen mit Hilfe einer computergestützten Telefonbefragung24. Im Themenbereich ,Wirtschafts- und Finanzwissen4 konnten sich die Testpersonen zwar im Vergleich zur Jugendstudie 20 1 525 leicht verbessern; insgesamt haben jedoch weiterhin etwa 33 Prozent sehr geringe Kenntnisse. Während viele das wirtschaftliche Grundprinzip von Angebot und Nachfrage ausreichend erklären konnten, machte die Frage zur Erklärung der Inflationsrate größere Probleme. Lediglich knapp 60 Prozent wussten, was sich unter dem Begriff verbirgt. Davon beantworteten nur 18 Prozent die Frage zur ungefähren Höhe der Inflationsrate richtig.26
Verallgemeinert man die erhobenen Daten, wissen demnach nur 2 von 10 Befragten, wie es derzeit um die Minderung ihrer eigenen Kaufkraft steht. Diese Hypothese stützt auch die Frage zu Aktien und Rendite. Ein Großteil der Befragten konnte erklären, was eine Aktie istjedoch weniger als die Hälfte weiß, was Rendite bedeutet27. Zur Frage über Investmentfonds wurde das Defizit noch größer - lediglich ein Drittel konnte den Begriff ausreichend erklären. In der abschließenden Testfrage zum Themenbereich räumten zwei Drittel derjungen Leute ein, kaum Wissen über das Geschehen und die Anlageprodukte an der Börse zu haben.28
Eine weitere Studie mit dem Titel ,Finanzbildung in Deutschland4 wurde durch die UNION Investment im Jahre 2017 in Auftrag gegeben. Befragt wurden 1014 Personen ab 14 Jahren sowie 600 Experten. Letztere setzten sich neben Politikern, Finanzberatern, Journalisten und Verbraucherorganisationen auch aus 200 Lehrerinnen und Lehrern zusammen29. Insgesamt 52 Prozent der Befragten aus der Bevölkerung schreiben dem grundlegenden Wissen in persönlichen Finanzen und dem Umgang mit Geld einen hohen Stellenwert zu und sehen das als elementar für eine optimale Gestaltung der Lebensbiographie. Experten schätzen die Relevanz finanzieller Bildung mit 65 Prozent noch höher ein.
Während die Finanzprofis das Wissen der Bevölkerung über den Umgang mit Geld und Anlageprodukten als sehr gering bezeichnen, sehen sie sich selber als eher kompetent an. Dieses Missverhältnis, die eigenen Leistungen grundsätzlich eher zu überschätzen als zu unterschätzen, wird vom Wirtschaftsnobelpreisträger Kahneman als Kompetenzillusion beschrieben30 und weist auf eine Tendenz zur Selbstüberschätzung der Privatanleger in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten in finanziellen Dingen hin.
Fast jede fünfte Lehrkraft sieht deutliche Mängel im Wissensstand der Bevölkerung und vergibt die Note ungenügend und mangelhaft.31 Die größten Wissensdefizite über alle Altersgruppen hinweg werden von den Nichtexperten selbst in den Bereichen Versicherungen, Altersvorsorge und der Geldanlage mit Aktien und Fonds gesehen32.
Eine bessere Wissensvermittlung ist besonders in den Bereichen ,Altersvorsorge‘ (90%) sowie ,Zinsen und Sparen4 (73%) gewünscht. Hierbei sehen Experten allen voran die Eltern und die Schule in der Pflicht, entsprechende Angebote zu schaffen und vorhandenes Wissen weiterzugeben. Für die Finanzwissensvermittlung erhält die Schule von allen Experten außerhalb des Bildungsbereiches die schlechteste Note, und die bisherigen Bildungsbemühungen werden als äußerst mangelhaft angesehen33.
Die aufgezeigten Studien liefern trotz vorhandener Unterschiede in der Herangehensweise sowie der Art der Erhebung des finanziellen Bildungsstands etwa die gleichen Ergebnisse. Durchweg ergaben die Untersuchungen Defizite im Finanzwissen der Testpersonen, unabhängig vom Alter, also bei Erwachsenen und Jugendlichen gleichermaßen. Vor allem betrifft dies die Grundzusammenhänge zwischen Inflation, Rendite und spezifischem Anlagewissen zu Aktien und Investmentfonds oder Versicherungen hinsichtlich der Angebote zur Altersvorsorge. Ebenso existiert eine Diskrepanz zwischen der Einschätzung der eigenen finanziellen Bildung und dem tatsächlichen Wissensstand, was man als Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten bezeichnen kann. Zuletzt bestehen grundlegende Unsicherheiten mit Finanzprodukten und den zu treffenden Anlageentscheidungen, was sich primär durch die bestehende Risikoaversion und die Sympathie zu festverzinslichen Anlageprodukten zu Zeiten einer historisch niedrigen Zinspolitik deutlich herausstellt.
Diese Ergebnisse werden durch die Studie der ING-DiBa aus dem Jahr 2017 untermauert, die eine geringe Verbreitung finanzieller Bildung in Deutschland feststellen konnte, und das, obwohl bereits seit dem Jahr 2004 entsprechende Impulse für eine Implementierung finanzieller Themen im Lehrplan der Schulen gefordert wurden und allen voran die Untersuchungen der PISA-Studie eine globale Aufmerksamkeit erzeugten.
In der Umfrage gaben 51 Prozent der Deutschen an, überhaupt keine Finanzbildung erhalten zu haben. Betrachtet man das Altersband der 18- bis 24-Jährigen, gibt es nur einen kleinen Teil von 18,5 Prozent der Umfrageteilnehmer, der überhaupt Themen zu Finanzen in der Schule behandelt hatte. Damit verschlechterte sich das Ergebnis im Vergleich zum Jahr 2013 um knapp 13 Prozent, dort waren es noch 31 Prozent.34 Dem entgegen steht der Wunsch der deutschen Verbraucher, dass Finanzthemen hauptsächlich in der Schule vermittelt werden sollten - dafür sprachen sich 80 Prozent der Befragten aus35 36.
Die Entwicklung und Etablierung einer gewinnbringenden Finanzbildung in der Schule scheint sich völlig konträr zu den wissenschaftlichen Empfehlungen zu bewegen. Deutschland belegt in der Studie der ING-DiBa lediglich den vorletzten Platz aller dreizehn teilgenommenen europäischen Staaten.
In Anbetracht des derzeitigen Vermittlungsstandes an den Schulen kann man wohl eher von einer ,Financial Illiteracy' sprechen. Es drängt sich die Frage auf, ob das schlechte Finanzwissen der Schülerinnen und Schüler und die vorhandene Aversion finanzieller Themen an den Bildungsinstitutionen mit dem Wissen der Lehrerinnen und Lehrer Zusammenhängen könnte - schließlich hat die Expertenbefragung der Studie zur ,Finanzbildung in Deutschland4 dieser Personengruppe einen bedeutenden Anteil am Scheitern einer zielführenden Wissensvermittlung zugeschrieben.
Piorkowsky moniert ebenfalls, dass diejahrzehntelangen Bemühungen, finanzwirtschaftliche Bildungsinhalte in Schulfächern und Studiengängen zu implementieren, bisher gescheitert seien37. Er führt weiter an, dass Unterrichtsinhalte an die für Schülerinnen und Schüler und deren Lebenswelt relevanten Anforderungen angepasst werden müssen und die bisherigen Bemühungen zur Vermittlung finanzieller Themen einer stärkeren Evaluierung bedürfen. Es gibt zwar Standards für die ökonomische Bildung, wie sie die Deutsche Gesellschaft für ökonomische Bildung entwickelt hat, „(a)ber „Standardsfür diefmanzielle Bildung“ (...) gibt es nicht.“38
Die aktuelle Studienlage zur Finanzkompetenz von Lehrerinnen und Lehrern oder Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern ist gegenwärtig recht überschaubar. Eine erste Untersuchung zu diesem Themenbereich veröffentlichte die Universität Siegen. Sie stellte fest, dass Studenten des Lehramtes höherer Semester gute bis sehr gute Kenntnisse in der finanziellen Allgemeinbildung vorweisen.39
Diese Erhebung stützte sichjedoch auf ein breit angelegtes Wissen zu finanziellen Themen und kann für die in dieser Arbeit formulierte Forschungsfrage nur bedingt herangezogen werden. Der Fokus dieser Ausarbeitung liegt in der Ermittlung der Kompetenzen in Bezug auf eine Auswahl bestimmter Anlageinstrumente (Aktien und ETFs) und bildet damit einen kleinen Teilbereich der Finanziellen Allgemeinbildung als Ganzes ab. In Baden-Württemberg ist die ökonomische Bildung schon seit langem curricular verankert. Daraus ergibt sich mit Blick auf die Ergebnisse an der Universität Siegen die Hypothese, dass angehende Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg voraussichtlich eine sehr hohe Finanzkompetenz besitzen.
1.4 Zusammenfassung
Das deutsche Anlageverhalten ist vor allen Dingen durch eine Aversion gegenüber börsennotierten Anlageklassen geprägt. Trotz niedriger Zinsen vertrauen deutsche Anleger ihren Großteil des Kapitals weiterhin den Banken an und verzichten bereits seit vielen Jahren auf die Rentabilität des Aktienmarktes.
Gründe hierfür könnten in der geringen Finanzkompetenz der deutschen Bevölkerung begründet liegen. In den letzten Jahren kamen zahlreiche Studien immer wieder zu denselben Ergebnissen: das Finanzwissen der Deutschen ist unzureichend. Dieser Tenor legt sich über alle Altersklassen gleichermaßen - vorherrschende Defizite sind also unabhängig vom Alter der Wirtschaftssubjekte. Es verwundert daher nicht, dass die wissenschaftliche Empfehlung nahezu identisch ist, die da heißt: die Vermittlung von Finanzwissen und der Ausbau von Finanzkompetenz muss federführend der Institution Schule zugeordnet werden. Das Elternhaus alleine kann es aufgrund der aufgezeigten Mängel im Umgang mit finanziellen Themen nicht sicherstellen junge Heranwachsende mit den notwendigen Kompetenzen auszustatten.
Es liegt also in der Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrern und der angehenden Lehrerinnen und Lehrern, diese Diskrepanzen in den nächsten Jahren weitestgehend zu schließen. Schulen und damit ihre Bildungsakteure müssen die Aufgabe der Vermittlung von spezifischen Finanzwissen übernehmen, und zwar so, dass die Schülerinnen und Schüler dazu befähigt werden, ihre zukünftige finanzielle Lebensgestaltung selbstgesteuert und selbstbestimmt ausüben zu können. Zwar gibt es erste Erhebungen, die den Stand der Finanzkompetenz bei Studierenden des Faches Wirtschaft abbilden, diese sindjedoch eher eine Randerscheinung. Ob und inwieweit angehende Lehrerinnen und Lehrer für diese Aufgabe ausreichend qualifiziert sind und werden, muss in der Forschung weiterhin thematisiert und näher betrachtet werden.
Im weiteren Verlauf dieser wissenschaftlichen Arbeit soll ein eher vernachlässigter Bereich in der Forschung nähere Betrachtung finden und einen Teil dazu beitragen, dass vorhandene Desiderat zu schließen.
I. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2 Finanzkompetenz
2.1 Begriffsklärung
Die Ausbildung grundlegender finanzieller Fähigkeiten nimmt national und international verstärkt an Bedeutung zu. Nach Angaben verschiedener Studien besteht besonders in diesem Bereich Nachholbedarf, um den Wirtschaftsbürger weitreichendes Finanzwissen vermitteln zu können. Das Erlernen des Umgangs mit Geld wird in einschlägiger Literatur zur Thematik mit unterschiedlichen Terminologien umschrieben. So findet man neben der Bezeichnung ,Finanzkompetenz‘ von PlORKOWSKY40 eine Vielzahl weiterer Begriffe, wie finanzielle Allgemeinbildung'41,Finanzbildung‘42, ,Personal Financial Education'43, financial Literacy'44 oder financial Capability'45. Alle diese Begriffe stehen jedoch nicht synonym nebeneinander, sondern entstanden durch unterschiedliche Betrachtungsweisen auf das Konstrukt und dessen Ausrichtung sowie durch die inhaltliche Bearbeitung für das Bildungssystem.
Zur Annäherung an das Themenfeld soll die in Anlehnung an WlEPCKE & MITTELSTADT entworfene Systematisierung der Begriffe für das Finanzbildungswesen (Abb. 1) genutzt werden46.
Finanzielle Allgemeinbildung oder auch Personal Financial Education dient hierbei als Oberbegriff. Sie strebt einen effektiven Umgang mit Geld und Finanzdienstleistungen an. Dies soll zum einen durch eine kritische und an der Lebenswelt der Lernenden orientierte Wissensvermittlung und zum andern durch die Ausbildung bestimmter Handlungskompetenzen realisiert werden47. Für schulisches Lehren und Lernen unterscheidet man konzeptionell zwei Ausrichtungen zur Erreichung der Ziele Finanzieller Allgemeinbildung: Finanzbildung (Financial Literacy) und Finanzkompetenz (Financial Capability).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Systematisierung der Begriffefür das Finanzbildungswesen Quelle: Eigene Darstellung inAnlehnung an Wiepcke & Mittelstädt 2010, S. 63.
In der englischsprachigen Literatur werden bestehende Diskurse seit längerem unter dem Begriff der Financial Literacy geführt48. In Deutschland hat sich der Begriff der Finanzbildung als Pendant des amerikanischen Vorbildes etabliert. Diese Termini beziehen sich einzig und allein auf die Wissensvermittlung finanzieller Themen. Dadurch soll vorhandenes Finanzverhalten verbessert und eine individuellere Auseinandersetzung mit zukünftigen Handlungsentscheidungen ermöglichet werden49. Es geht also um einen Bildungs-Input, der lediglich auf der kognitiven Ebene rekurriert.
Übersetzt man Financial Literacy wörtlich ins Deutsche, kann man von einer finanziellen Alphabetisierung4 sprechen. Angelehnt an die Sprachwissenschaft, beschränkt sich eine solche Herangehensweise jedoch lediglich auf zwei Ausprägungen: entweder man kann lesen und schreiben oder man kann es eben nicht.50
Geiger, Meretz & Liening führen deshalb an, dass eine Anwendung dieses Verständnisses auf das Themenfeld der Finanzen zu unpräzise sei51. Der Finanzdienstleistungssektor ist ein sich ständig weiterentwickelndes und unstetiges System und durch eine starke Eigendynamik gekennzeichnet - Schriftsprache als kulturelles Gut unterliegt demgegenüber einem viel trägeren Wandel52. Sie weisen darauf hin, dass eine reine Vermittlung von Wissen in Anbetracht der Schnelllebigkeit der Finanzmärkte eine recht kurze effektive Nutzungsdauer für den Wirtschaftsakteur nach sich zieht.
Auch wenn die Vermittlung konkreten Wissens über Finanzprodukte und deren Anwendung finanzielle Entscheidungen unter Berücksichtigung von Chancen und Risiken erleichtern kann, so gibt sie dennoch nur Hilfestellungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Wissenserwerbes. Ob das erworbene Wissen in Zukunft noch als Hilfsmittel dienen kann, ist aufgrund des permanenten Wandels an den Finanzmärkten nicht mit Sicherheit prognostizierbar. Das Phänomen, das erworbenes und somit vorhandenes schulisches Wissen sich nicht ohne weiteres auf außerschulische Kontexte anwenden lässt, ist in der Kognitionspsychologie auch unter der Bezeichnung ,träges Wissen‘ bekannt53.
„An increasinglyfinancialized 'world requires people to make more complexfinancial calculations and decisions throughout their lives.”54
Sherraden & Ansong beziehen sich mit dieser Aussage auf die derzeitig finanziell geprägte Welt, die sich durch komplexere Entscheidungen und die daraus nötigen Vorausplanungen zur Bewältigung kommender Lebensabschnitte konstituiert. Damit der Wirtschaftsakteur diesen Anforderungen gerecht werden kann, merken Xu & ZlA innerhalb ihrer Untersuchungen an, muss er neben dem deklarativen Wissen auch in die Lage versetzt werden, sich selbstständig an Veränderungen anpassen zu können und diese neuen Gegebenheiten als Impuls für eine Verhaltensänderung zu nutzen55.
Um die aufgezeigte Beschränkung von Financial Literacy aufzuheben, empfiehlt die Social and Enterprise Development Innovations (SEDI) stattdessen die Verwendung des Begriffes Financial Capability56. Damit wird die kognitive Ebene um subjektive Verhaltenselemente ergänzt mit dem Ziel, eine umfassende Veränderung des Verbraucherverhaltens zu ermöglichen57. Im Gegensatz zur Financial Literacy rückt bei der Financial Capability die Anschlussfähigkeit an die finanzielle Realität des einzelnen Wirtschaftsakteurs in den Vordergrund und umfasst ebenso emotionale und volitionale Aspekte (Ziele, Motive, Einstellungen, Werthaltungen).
Reifner übersetzt Financial Capability mit Finanzkompetenz ins Deutsche58. Damit knüpft der Begriff an die bekannte Kompetenzdefinition nach WEINERT an:
„Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“59
Nach der Definition von WEINERT dient der Begriff der Kompetenz als Beschreibung der Summe aller Fähigkeiten und des gesamten Wissensstandes einer Person, die im alltäglichen Leben Anwendung finden. Finanzkompetenz meint also die Fähigkeit eines Menschen, der in der Lage ist, selbstbestimmt auftretende Probleme in Bezug zu Finanzprodukten und Finanzdienstleistungen zu lösen und sich mündig auf dem Finanzmarkt orientieren zu können60. Kompetenzerwerb zielt also nicht auf ,träges Wissen’ ab, sondern auf die konkrete Anwendung vorhandenen Wissens auf verschiedene Situationen und das damit verbundene Lösen von Problemen61.
Finanzielle Entscheidungsfindungen sind nicht allein vom Wissensstand abhängig, sondern beziehen auch immer persönliche Dispositionen mit ein. So ist zum Beispiel die Ausrichtung einer bestimmten Anlagestrategie von vielerlei Faktoren bestimmt. Während Person A recht unbekümmert eine große Summe in Einzelaktien investiert und das Risiko nicht scheut, ist Person B bodenständiger, will eine relativ sichere Rendite erzielen und ist auf der Suche nach einem langfristigem Anlageprodukt. Auch wenn angenommen wird, dass das kognitive Wissen über Finanzen beider Akteure identisch ist, so muss dieses individuell in die unterschiedlichen Präferenzen eingepasst werden.
Neben der Vermittlung von Finanzwissen soll ebenso Selbstbewusstsein gegenüber den eigenen Fähigkeiten gefördert werden. Ein gewisser Grad an finanzieller Resilienz (Selbstwirksamkeit) ist erforderlich, damit in den einzelnen Lebensphasen finanzielle Entscheidungen getroffen werden können.
„The answer may not befinancial skills as such, but rather the ability to handle real day-to-day situations skillfully, and the self-efficacy thatgoes 'with it.”62
WÄLTI, Vizedirektor für Forschungskoordination und ökonomische Bildung an der Schweizer Nationalbank, formulierte in einem Zitat, dass Finanzkompetenz einen Beitrag dazu leisten muss, die Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit in Bezug auf wirtschaftliche und finanzielle Gegebenheiten zu ermöglichen. Oberstes Ziel muss es sein eine „cognitive control“63 auszubilden - die Kontrolle über sich und die eigenen Entscheidungen in realen Situationen. Darunter versteht er unter anderem den Ausbau einer Frustrationstoleranz im Umgang mit Anlageinstrumenten, das bewusste Steuern eigenen Handelns in affektiven Situationen und die ständige Reflexion über eigene Finanzentscheidungen und das eigene Finanzverhalten.
Finanzkompetenz ermöglicht einen weitreichenden Blick im Umgang mit finanziellen Themen unter der Berücksichtigung ökonomischer Gegebenheiten. Sie soll das Individuum dazu befähigen, eine eigene und individuelle Ausrichtung des Finanzverhaltens auszubilden und sorgt im gleichen Zug für finanzielle Sicherheit und Stabilität.64
Während Finanzkompetenz einen Zustand oder ein Ziel darstellt, ist die Finanzielle Allgemeinbildung als Prozess und Voraussetzung zur Erreichung von Finanzkompetenz anzusehen65. Auf ihr fußen die Bildungsziele, die durch die Vermittlung erreicht werden sollen. Dazu zählen beispielsweise Themenfelder wie der Vermögensaufbau, die Altersvorsorge, das Verständnis über die Funktion des Geldes oder der Umgang mit verschiedenen Anlageprodukten (Finanzmanagement). Das Fundament hierfür wird durch einen handlungsorientierten lebenspraktischen Zugang gelegt66.
Ein selbstständiger und eigenaktiver Umgang mit verschiedenen Fragen zu Finanzthemen muss gefördert werden. Nur so kann vorhandenes finanzielles Wissen an unterschiedliche Rahmenbedingungen adaptiert und Finanzkompetenz realisiert werden.
Finanzbildung und Finanzkompetenz stehen jedoch nicht separat für sich, sondern bedingen sich gegenseitig. Ein kompetentes Verhalten benötigt zumindest grundlegendes Wissen über einen finanziellen Sachverhalt. Die Qualität des Sich-Hineindenkens und Bewertens eines Problems steht in Abhängigkeit von dem zur Verfügung stehenden Wissen und umgekehrt.
2.1.1 Aspekte der Finanziellen Allgemeinbildung
Befasst man sich mit dem Begriff der Finanziellen Allgemeinbildung, so bleibt zu hinterfragen, welche Bildungsinhalte aus der Perspektive privater Haushalte eine besondere Relevanz einnehmen. KAMINSKI & EGGERT benennen hierfür vier Kernaspekte, welche für einen selbstbestimmten Umgang mit Geld und Finanzierungsentscheidungen besonders bedeutsam sind (Abb. 2)67.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: KembereichefmanziellerAllgemeinbildung aus der PerspektiveprivaterHaushalte
Quelle: Eigene Darstellung inAnlehnung an Kaminski & Friebel 2012, S. 41.
Die aufgeführten zentralen Handlungsfelder bilden ein „lebensnahes Konstrukt“ ab68. Sie zeigen Dimensionen auf, die in alltäglichen Lebenssituationen aller privaten Haushalte immanent sind und die Grundlagen für finanzielles Handeln darstellen.
Alle Aspekte haben immer einen Ich-Bezug und signalisieren, dass Finanzielle Allgemeinbildung „[...] über bloße Lebenshilfe hinausgehen und kategoriale Einsichten vermitteln muss, die transferierbar sind“69 und zwar so, dass sie eine individuelle Anschlussfähigkeit an das einzelne Individuum aufweisen.
Zu beachten ist, dass es Finanzielle Allgemeinbildung nicht leisten kann, in allen Bereichen der Finanzwelt explizites Detail- und Produktwissen zu vermitteln; dafür ist die Vielzahl der Finanzprodukte viel zu komplex. Als Zielperspektive gilt daher die Vermittlung grundlegender Zusammenhänge, die durch exemplarische Problemlagen dargestellt, erarbeitet und weiter vertieft werden.70
Die von Kaminski & Eggert klassifizierten Handlungsfelder ergeben sich aus der Perspektive des Verbrauchers auf finanzielle und ökonomische Fragen. Sie grenzen die Unternehmerperspektive und die ordnungspolitische Dimension (Staat) aus. Dies ist insoweit als problematisch zu bewerten, da finanzielle und ökonomische Handlungen immer auch Interdependenzen mit anderen Wirtschaftsakteuren eingehen und sich innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen bewegen. Unternehmen gelten als Anbieter von Finanzprodukten und Finanzdienstleistungen (Bankmitarbeiter, Wertpapierbörse, Fondsmanager) und können unter Umständen andere Interessen verfolgen als der Verbraucher. Beide Akteure handeln wiederum in einem Ordnungssystem, welches staatlichen Regulierungen unterliegt.
Die Reduktion des Modells auf die Verbraucherperspektive scheint demnach für die Ausbildung einer umfassenden Finanzkompetenz als unzureichend. SEEBER befürwortet aus diesem Grund die Erweiterung der vier Kernbereiche durch multiperspektivische Sichtweisen.
Finanzielle Bildung umfasse „[...] über das individuelle (konkrete) Handlungswissen hinaus auch systemische Kenntnisse und die Befähigung zu einem reflexiven Urteil über ordnungspolitische Rahmenbedingungen finanzieller Handlungen unterschiedlicher Akteure.“71
Ergänzend zum bereits bestehenden Modell haben Kaminski & FRIEBEL weitere Aspekte für eine multiperspektivische Auseinandersetzung benannt. Durch die Weiterführung werden nun auch Bezüge zu anderen Akteuren für das eigene finanzielle und ökonomische Handeln hergestellt. Dazu zählen die Beschaffung/Verarbeitung/Bewertung von Informationen durch den Verbraucher, die Rolle des Staats und des internationalen Finanzsystems wie auch die Funktionen und Interessen von Finanzdienstleistem.72
Ein Beispiel für die Notwendigkeit einer multiperspektivisch ausgerichteten Finanziellen Allgemeinbildung findet man in der ,Principal-Agent-Theorie‘ der Neuen Institutenökonomik. Diese geht von einer Informationsasymmetrie zwischen einem Auftraggeber (Principal) und Beauftragten (Agent) aus. Zu finden ist diese Konstellation zum Beispiel bei Beratungsgesprächen von Finanzdienstleistem oder Verkaufsgesprächen. Die Annahme lautet, dass der Finanzprofi vollständige Informationen über einen Sachverhalt vorliegen hat und dadurch den Verlauf des Gespräches beeinflussen kann: entweder er berät/handelt zu Gunsten des Interessenten oder zu seinen Ungunsten (zur Verwirklichung anderer Ziele: Provisionen, Umsatzsteigerung u.a.).
Die in den vier Handlungsfeldern benannten Finanzprodukte weisen überwiegend Vertrauensguteigenschaften auf73. Der Erwerb eines Finanzproduktes gründet sich auf die Basis des Vertrauens zwischen zwei Interessenten. Ein Kunde kann beim Erwerb eines bestimmten Produktes dessen qualitativen Wert kaum beurteilen. Vor und nach dem Vertragsabschluss zwischen Principal und Agent bestehen weiterhin Informationsdiskrepanzen. Diese können jedoch durch eine gezielte Informationssuche (Screening) durch den Verbraucher entschärft werden, zum Beispiel durch produktneutrale Veröffentlichungen verschiedener Institutionen (Stiftung Warentest).74
Bezieht man die Principal-Agent-Theorie in das Konstrukt der Finanziellen Allgemeinbildung mit ein, bedeutet dies auch, sich selbstständig ein Struktur- und Funktionswissen75 anzueignen. Durch die Beschaffung grundlegender Informationen zu einem bestimmten finanziellen Sachverhalt kann sich das Individuum auf zukünftige Beratungsgespräche - und die inbegriffenden Anlagenetscheidungen - zielführend vorbereiten.
Weiterhin bildet der Staat als zentraler Akteur in der marktwirtschaftlichen Ordnung wie auch das internationale Finanzsystem einen weiteren multiperspektivischen Faktor. Der Staat als Wirtschaftsakteur hat die Aufgabe, rechtliche Rahmenbedingungen bereitzustellen, die den Versuch unternehmen, vorhandene Asymmetrien aufzuheben. Er erlässt beispielsweise gesetzliche Bestimmungen, die dem Schutz des Verbrauchers dienen sollen, oder er gibt Anreize für Sparanstrengungen zur privaten Altersvorsorge (durch Reformen des Sozialversicherungssystems). Zudem sind Finanzentscheidungen privater Haushalte immer auch von internationalen Marktentwicklungen abhängig. So veränderte die seit Jahren betriebene Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank die Handlungsbedingungen und Handlungsmöglichkeiten privater Anleger.76
Damit der Wirtschaftsakteur eine fundierte Finanzentscheidung treffen kann, muss er auch die vorliegenden Rahmenbedingungen der Finanzmärkte und Dienstleistungen einbeziehen und zwar auf nationaler, europäischer und globaler Ebene. Neben dem Ich-Bezug - der Identifizierung der eigenen finanziellen Lebenssituation - werden anstehende Entscheidungen des Verbrauchers auch durch die Wechselwirkungen mit anderen Akteuren maßgeblich beeinflusst. Durch die Erweiterung des Modells hebt man die Isolation im Umgang mit Finanzen auf und berücksichtigt weitere Einflussfaktoren, die zur Ausrichtung einer kompetenten Anlagestrategie maßgebend sind.
2.1.2 Gründe für eine Finanzielle Allgemeinbildung
Zur Beantwortung der Frage, ob eine Förderung der Finanziellen Allgemeinbildung der Gesellschaft notwendig ist, sollen nachfolgend Finanzsituationen aufgezeigt werden, in denen ein kompetenter Umgang des Verbrauchers eine optimale Ausrichtung seines ökonomisch geprägten Lebens ermöglicht.
Eine der wohl populärsten Begründungslinien dieser Zeit stützt sich auf den demographischen Wandel der Bevölkerung in Deutschland77.
Durch die Zunahme von Rentenempfängern und der gleichzeitigen Abnahme von Rentenzahlern kann das staatliche Umlageverfahren nach 2030 nicht mehr als alleinige Absicherung für das Alter dienen. Schon heute wird die gesetzliche Rentenversicherung durch Bundeszuschüsse aus Steuergeldem künstlich am Leben erhalten.78
Die umlagefinanzierte Altersvorsorge muss aus diesem Grund zusätzlich durch private langfristige Sparanstrengungen mit im Idealfall renditestarken Anlageprodukten gestützt werden. Die Ausrichtung einer kompetenten und für das eigene Leben sinnvollen Absicherung im Alter beruht vor allem auf dem Verständnis für die aktuellen Sachverhalte zur gesetzlichen Rentenversicherung und deren notwendige Reformen wegen des demographischen Wandels der Bevölkerung. Daraus ergeben sich Handlungsnotwendigkeiten der privaten Haushalte, frühzeitig in entsprechende Finanzprodukte am Kapitalmarkt zu investieren, um die entstehende Versorgungslücke ohne Einbußen in der Lebensqualität durch eine private Vorsorge zu verhindern79.
Für eine langfristige und vorausschauende Lebensplanung muss sich der Verbraucher einer zunehmend komplexeren Wirtschafts- und Finanzwelt stellen. Neben der politisch induzierten Verlagerung der Verantwortung der Altersvorsorge müssen auch andere Lebensrisiken abgesichert werden. Darunter zählen Veränderungen biographischer und beruflicher Lebensläufe, wie Arbeitsplatzverlust, Berufsunfähigkeit oder die Verwirklichung kurz- und mittelfristiger Investitionen. Aber auch die Expansion des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und die damit verbundene Inanspruchnahme bestimmter Finanzdienstleistungen (E-Commerce) erfordert einen mündigen, vorausschauenden und kritischen Blick auf diverse Geldthemen.80 In diesem Zusammenhang muss man auch der möglichen Überschuldung privater Haushalte präventiv begegnen. Gerade junge Erwachsene neigen weiterhin dazu, über ihren eigentlichen finanziellen Mitteln zu leben. Dies geht aus dem SchuldnerAtlas 2018 deutlich hervor81.
Die Auseinandersetzung privater Anleger mit geeigneten Anlageprodukten wird zu einer Schlüsselkompetenz. Nur wer es schafft, eigene Lösungen unter Berücksichtigung seiner eigenen finanziellen Ausgangslage zu entwickeln, wird es in variablen finanziellen Situationen schaffen, kompetente und fundierte Entscheidungen zu treffen.
2.1.3 Konsequenzen fehlender Finanzieller Allgemeinbildung
Loerwald & Retzmann gehen davon aus, dass finanziell gebildete Menschen eher in der Lage sind, Chancen zu nutzen und auftretende Risiken zu vermeiden82. Rückblickend auf das in den vorhergehenden Teilkapiteln Gesagte ist es nahezu indiskutabel, Finanzieller Allgemeinbildung in der Vermittlung keinen Raum zu geben. Nichtsdestotrotz scheinen die Rufe einer Intensivierung des Ausbaus umfassender Finanzkompetenz in der Ferne zu verstummen. Zumindest bildet dies der aktuelle Forschungsstand ab, der sich durchweg durch ein niedriges Niveau im Finanzwissen und Finanzverhalten - und das auch noch nach Jahren erster Untersuchungen - auszeichnet.
Private Haushalte sind in der heutigen Zeit mehr denn je darauf angewiesen, gute Finanzentscheidungen zu treffen. Die Qualität dieser Entscheidungen hat direkte Einflüsse auf die Bewältigung ökonomischer Lebenslagen.
So kann eine unzureichende eigenaktive Altersvorsorge bei jungen Verbrauchern im späteren Verlauf ihres Lebens zu einer erheblichen Versorgungslücke führen. Das Interesse am Thema ,Sparen für das Alter‘ ist bei den jungen Leuten zwar vorhanden83, aber ihnen fehlen entsprechende Fähigkeiten, um renditestarke Anlageprodukte auszuwählen. In diesem Zusammenhang spricht Karch auch von einer „Vorsorge-Illusion“84, da die eingeleiteten Schritte über viele Jahre hinweg oftmals nicht die gewünschte Kapitalakkumulation generieren. Sind die Sparanstrengungen unzureichend, besteht die Gefahr eines sozialen Abstiegs bis hin zur Altersarmut85.
Ein weiteres Problem stellt die Auswahl der richtigen Anlageinstrumente in einer zunehmend komplexer werdenden Finanzwelt dar. Zusätzlich zu den für die Altersvorsorge langfristigen Sparanstrengungen müssen sich private Haushalte auch um die Absicherung anderer Lebensrisiken bemühen, was in Deutschland zu einem großen Teil durch Versicherungsabschlüsse erfolgt. Diese stellen mit 36 Prozent neben den Bankeinlagen den zweitgrößten Bereich der Anlageklassen in Deutschland dar86. Hierfür müssen Policen den Anforderungen der Lebenswelt genügen und relevante Risiken absichern. Die Deutschen neigen zu einer “Vollkasko-Mentalität“, wie es Thieltges in der Welt formulierte87. Im Querschnitt betrachtet, werden viele Versicherungen abgeschlossen, die für das eigene Leben weniger essentiell sind - für die wirklich wichtigen Versicherungen fehlt dann häufig das nötige Kapital und sie werden außer Acht gelassen88. Dies belegt auch der Finanztest aus dem Jahr 2014. Lediglich 85 Prozent aller privaten Haushalte besitzen eine Privathaftpflichtversicherung, obwohl diese eine der fundamentalsten Absicherungen darstellt.89 Somit muss jeder fünfte Deutsche im Schadensfall die entstandenen Kosten mit seinem eigenen Geldvermögen begleichen.
Neben der Auswahl geeigneter Anlageprodukte ist der tägliche Umgang mit Geld eine wesentliche Grundkompetenz. Bereits Kinder unter sechs Jahren erhalten regelmäßig Taschengeld und haben direkten Kontakt zu eigenen finanziellen Mitteln90. Dies bezieht auch erste Überlegungen zum Thema Sparen ein. Der Kerngedanke des Zurücklegens von Geld für einen in der Zukunft liegenden höheren Konsum kann bereits zielführend ausgebildet werden. Das dies anscheinend nicht im nötigen Umfang stattzufinden scheint, zeigt Ulbricht, der angibt, dass falsches Konsumentenverhalten bei 25- bis 45-jährigen Konsumenten der hauptsächliche Auslöser für Verschuldung und Überschuldung ist.91 Auch gegenwärtig nimmt der Verschuldungsgrad der Gesamtbevölkerung in Deutschland weiter zu - deshalb darf dieser Aspekt nicht in Vergessenheit geraten, denn urch politische Veränderungen der Zinspolitik könnten private Haushalte Gefahr laufen, zukünftig wieder verstärkt in Zahlungsnot zu geraten92.
2.2 Die Umsetzung Finanzieller Allgemeinbildung in der ökonomischen Bildung
Bereits nach der Disruption an den Finanzmärkten im Jahr 2008/2009 intensivierte sich die Diskussion in Deutschland, eine Finanzielle Allgemeinbildung in den schulischen Fächerkanon aufzunehmen93. Schule soll frühzeitig eine Orientierungshilfe innerhalb unübersichtlich werdender Systeme bieten und zunehmend mündiges ökonomisches Verhalten fördern. Sie „[...] ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung und gehört somit zum Bildungsauftrag der allgemein bildenden Schulen in der Bundesrepublik Deutschland.“94 so die Aussage der Kultusminsierkonferenz aus dem Jahr 2008. Nur ein mit ausreichenden Kompetenzen ausgestatteter Wirtschaftsakteur wird zukünftig in der Lage sein, seine Finanz- und Anlageentscheidungen begründet und überlegt treffen zu können.95
Damit leistet die Institution Schule einen wesentlichen Beitrag in der Vermittlung von Finanzwissen und der Ausbildung von Finanzkompetenz. Sie trägt dazu bei, dem Wirtschaftsbürger eine Teilhabe an ökonomischen Prozessen zu ermöglichen und den pekuniären Herausforderungen heutiger Gesellschaften selbstbestimmt und verantwortungsbewusst begegnen zu können.
Ökonomische Bildung gilt hierbei als Voraussetzung für eine eigenständige und bewusste Teilhabe am Wirtschafts- und Finanzsystem. Ziel ist es, dem Wirtschaftssubjekt ein Verständnis über ökonomische Zusammenhänge zu vermitteln, dass es ihm erlaubt, zielbewusst zu handeln und mit den ihm gegebenen Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen.96
Für die Finanzielle Allgemeinbildung im speziellen bedeutet dies, dem Wirtschaftssubjekt für variable Lebenssituationen, die sich aus dem Umgang mit Finanzen ergeben, Hilfen zur besseren Orientierung bereitzustellen.
Für die schulische Praxis wird aus diesem Grund neben der Vermittlung von Fachwissen zu bestimmten Finanzprodukten und Finanzinstrumenten auch auf eine kompetenzorientierte Auseinandersetzung hingewiesen97. Neben der reinen Wissensaneignung muss der Lernende dazu befähigt werden, das vorhandene Wissen zur Entwicklung von Problemlösestrategien in variablen Situationen konkret anwenden zu können98.
Finanzielle Entscheidungen werden durch differenzierte Finanzprodukte zunehmend komplexer. Junge Menschen benötigen daher Wissen über konkrete Finanzinstrumente und Finanzprodukte, aber auch zugehöriges Handlungswissen.
Loerwald & Retzmann unterstreichen die Forderung zur Ausbildung von Finanzkompetenz und betonen, dass die Zahl ökonomischer Lebenssituationen unüberschaubar ist und jeder ökonomische Sachverhalt für sich alleine steht99, also keine Identitäten untereinander zulässt. Hierbei spielen insbesondere Handlungssituationen mit Geld für Schülerinnen und Schüler eine bedeutsame Rolle. Die Autoren gehen weiter davon aus, dass sich ein kompetenter Umgang mit Geld nicht alleine durch Alltagserfahrungen bestreiten lässt, weshalb die Vermittlung von Fach- und Handlungswissen inhaltlich der Schule zugeordnet werden muss100.
Oftmals besteht die Meinung, dass eine solche Wissensvermittlung eher den weiterführenden Schulen vorbehalten sein sollte. Dieser vorherrschenden Grundsatzmeinung widersprechen Kaminski & Eggert. Sie postulieren, dass die Ausbildung entsprechender Finanzkompetenzen
bereits ab der 1. Klasse erfolgen sollte101 und knüpfen an die Überlegungen von Bruner an. Dieser geht von der Annahme aus, dass es kein Alter gibt, in denen Schülerinnen und Schüler nicht auf bestimmte Themen ansprechbar sind102. Wichtig hierbei ist die Berücksichtigung lerntheoretischer und entwicklungspsychologischer Aspekte der Lerngruppe103.
Auch in der KULTUSMINISTERKONFERENZ wird ein Erstkontakt mit wirtschaftlichen Themen im Primarbereich benannt. Darunter fallen die Finanzthemen Währungen, Umgang mit Geld und das Sparen104.
Was in der wissenschaftlichen und politischen Theorie äußerst vielversprechend klingen mag, verliert in der genaueren Betrachtung deutlich an Schwungkraft. Der Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg aus dem Jahr 2016 greift die Thematik der Förderung von Finanzieller Allgemeinbildung nur peripher auf. Mit Blick auf die zu bearbeitende Forschungsfrage lässt sich folgendes feststellen:
1) Es werden verschiedene Aspekte der Finanziellen Allgemeinbildung in der Sekundarstufe I beleuchtet, diese verlieren aber bei genauerer inhaltlicher Betrachtung an Tiefgang. Das Themenfeld ,Geldanleger‘ beschäftigt sich zwar mit den Grundgedanken des Sparens und stellt den Ort Börse als Handelsplatz heraus, nimmt aber keinen Bezug auf notwendige Handlungskompetenzen zur Auswahl geeigneter börsennotierter Wertpapiere.105
2) Für die Primarstufe werden im Bereich des Sachunterrichtes keinerlei Inhalte benannt, die eine Auseinandersetzung mit Geldanlage und den damit verbundenen Anlagemöglichkeiten vorsehen.106
Diese ,Finanzlücke‘ in der Bildung Baden-Württembergs spiegelt sich auch in den Studienangeboten wider. Betrachtet man das Seminarangebot der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an den Pädagogischen Hochschulen Baden-Württembergs, fällt eine fehlende gemeinschaftliche Ausrichtung zu finanzbildenden Themen auf.
An der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg sind zumindest einige Veranstaltungen gelistet, die sich mit dem Terminus der Finanziellen Allgemeinbildung in Bezug auf börsennotierte Anlagen auseinandersetzen107. Studierende des Lehramtes Primarstufe als auch Sekundarstufe I haben damit Zugang zu einer grundlegenden Wissensvermittlung.
Etwas anders stellt es sich beispielsweise an der Pädagogischen Hochschule Freiburg dar. Hier existiert lediglich ein Seminarangebot, welches sich mit Untemehmensbewertung und etwaigen Anlagemöglichkeiten beschäftigt, zu dem richtet sich dieses Angebot nur an Studierende des Lehramtes der Sekundarstufe I108.
An der Pädagogischen Hochschule Heidelberg hingegen ist das Fach Wirtschaft in ihrem Studienangebot überhaupt nicht enthalten109.
Damit ergeben sich verschiedene Ausgangslagen der angehenden Lehrerinnen und Lehrer, die nach ihrer fachlichen und praktischen Ausbildung ein sehr divergentes Finanzwissen erworben haben und mit diesem Stand in die Schulpraxis entlassen werden. Dies betrifft vor allen Dingen die Lehrkräfte des Grundschullehramtes. Durch die stellenweise fehlende Implementierung finanzbildender Studienangebote bleiben wichtige Multiplikatoreffekte ungenutzt.
3 Geldanlage
3.1 Geldvermögen und Anlageverhalten der Deutschen
„Die Deutschen gehören zu den Sparweltmeistern“^, so tituliert SCHIER im Handelsblatt die Anstrengungen privater Haushalte, das vorhandene Geldvermögen sukzessive zu steigern. Alleine im dritten Quartal 2018 haben vermehrte Sparanstrengungen erstmals zu einem Gesamtgeldvermögen von über 6 Billionen Euro beigetragen110 111. Rechnet man diese Summe auf den einzelnen Bundesbürgern herunter, ergibt sich ein Pro-Kopf-Vermögen von rund 75.000 Euro112. Die durchaus positive Sparmotivation erhältjedoch einen gewichtigen Dämpfer, denn der Großteil des Vermögens befindet sich auf Bankeinlagen. Trotz schlechter Renditemöglichkeiten durch die seit Jahren vorherrschende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank verwundert es, dass deutsche Anleger immer noch an diesen klassischen Sparkonzepten festhalten und ihnen weiterhin eine gewisse Popularität zugestehen. Im Durchschnitt werden 25 Prozent des privaten Geldvermögens als Bargeld und Sichteinlagen dauerhaft zwischengeparkt. Für 1,5 Billionen Euro ihres Vermögens erhalten Anleger mit Blick auf die nominale Rendite demnach fast keine Zinsen113. Inflationsbereinigt ergeben sich daraus sogar negative reale Renditen, die zu einem Abschmelzen des Kapitals und zum Kaufkraftverlust beitragen114.
Im internationalen Vergleich werden die Nachteile dieser vermeintlichen Anlagestrategie besonders deutlich; dies zeigen die Ergebnisse des ,Allianz Global Wealth Report‘ aus dem Jahr 2018. Während andere europäische Staaten bewusst in renditestärkere Geldanlagen investieren - allen voran Wertpapiere in Form von Aktien und Investmentfonds - und von den guten Entwicklungen an der Börse langfristig profitieren, benötigt der deutsche Sparer jeden dritten Euro des Arbeitseinkommens, um die Kaufkraftverluste der auf Bankeinlagen liegenden Gelder auszugleichen.115 Dies wird durch die Abwärtsbewegung der Rendite durch die Rückkehr der Inflation seit dem Jahr 2017 zusätzlich befeuert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Reale Renditen auf das Sparvermögen in %, Durchschnitt derJahre 2012 bis 2017
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Brandmeir et al. 2018, S. 32.
Die durchschnittliche Rendite auf das Geldvermögen betrug im Zeitraum 2012 bis 2017 für deutsche Sparer knapp 2,2 Prozent - dem gegenüber stehen Renditen von über 6,0 Prozent in Finnland. Das Schlusslicht unter den europäischen Sparern bildet Österreich mit unter 1,0 Prozent (Abb. 3).
Der Unterschied innerhalb der Eurozone ergibt sich aus der Gewichtung des Anlageportfolios der Länder. Während Finnland die höchste Wertpapierquote aufweist, ist das Geldvermögen der Deutschen im Wesentlichen in Bankeinlagen wiederzufinden, gleiches gilt für Österreich116. Die Auswirkungen der seit 2017 wiederkehrenden Inflation wird besonders für Sparer mit einer Neigung zu Bankeinlagen spürbar, denen im Anlagenportfolio renditestarke Finanzprodukte zum Ausgleich des Kaufkraftverlustes fehlen.
Deutsche Anleger bevorzugen weiterhin liquide, aber wenig rentable Anlageprodukte. Diese Wertpapierdefensive wirkt sich direkt auf den Sparerfolg aus, so verloren die Deutschen allein im I. öuartal 2018 insgesamt 7,1 Milliarden Euro117. Eine deutliche Veränderung des Anlageverhaltens, die eine Abkehr vom ineffizienten Sparen ermöglichen könnte, scheint jedoch nicht in Sicht, denn der Wertpapieranteil im Portfolio bewegt sich seit Jahren auf dem gleichen Niveau118. Erschwerend kommt hinzu, dass es die deutschen Sparer bereits gewohnt sind, kaum reale Renditen auf ihre Anlageprodukte zu erhalten - diese liegen bereits seit 2012 unterhalb der Nulllinie119 - damit hat sich ein gewisser Gewöhnungszustand eingeschlichen, was sich im Besonderen durch die weit verbreitete Annahme deutscher Sparer ausdrückt, das Sparen sich nicht mehr lohnen würde120.
Diese Perspektive grenzt jedoch renditestarke oder - besser ausgedrückt - derzeitig renditestärkere Anlageprodukte aus. Private Haushalte legen monatlich etwa 9 Prozent ihres Einkommens zurück121. Diese Gelder fließen weiterhin beinahe stoisch zu einem großen Teil in Bankeinlagen.
Die Etikettierung der deutschen Anleger, ,Wertpapiermuffel‘ zu sein, unterstreicht die soziodemographische Analyse zum Anlageverhalten der Deutschen vom Mai 2018, die von der Comdirect Bank AG durchgeführt wurde. Im Zentrum der Untersuchung standen Wertpapiere in Form von Aktien und Investmentfonds. Mit den Erhebungen liefert die Studie erstmals genauere Daten über den Besitz von Wertpapieren in Deutschland. Befragt wurden 45.000 Bundesbürger.122
Anhand der Datenlage wurde eine ,Landkarte der Aktionäre4 erstellt, die den Aktien- und Fondsbesitz in den einzelnen Regionen Deutschlands aufschlüsselt. Besonders deutlich konnte herausgestellt werden, dass enorme regionale Unterschiede in der Verteilung der Aktionäre bestehen. In einzelnen Regionen liegt der Anteil von Wertpapieren im Gesamtportfolio der Anleger bei überdurchschnittlichen 40 Prozent bei Aktien und etwa 66 Prozent bei Fonds (Starnberg, Bayern); demgegenüber stehen Regionen, die sich nahezu im Bereich um 0 Prozent bewegen (AltenburgerLand, Thüringen)123.
Eine besondere Aversion gegen Aktien und Investmentfonds ist in Ostdeutschland zu beobachten. Hier beträgt der Anteil an Aktien oder Fonds nie mehr als 5 Prozent. Im Bundesvergleich liegt der Süden Deutschlands klar vorne. In München hat fast jeder Zweite einen Teil seines Vermögens in Fonds investiert, bei Aktien ist esjeder Sechste.124
Im Jahr 2017 besaßen etwa 10 Millionen Bundesbürger Aktien oder Fonds. Trotz sehr hoher Wertpapierquoten in West- und Süddeutschland haben die Deutschen im internationalen Vergleich dennoch das Nachsehen. Lediglich jeder achte Bundesbürger berücksichtigt Fonds in seinem Anlageportfolio, bei Aktien ist es nurjeder dreizehnte125.
Nicht nur der Vermögensaufbau ist von einer gewinnbringenden Geldanlagestrategie betroffen und ermöglicht im Verhältnis zum vorhandenen Kapital einen höheren zukünftigen Konsum, sondern vor allem die durch die demographischen Entwicklung bedingte Notwendigkeit, bereits innerhalb des Erwerbszeitraumes einen Kapitalgrundstock für die Absicherung im Alter aufzubauen126. Die aktive Auseinandersetzung mit sinnvollen und vor allem rentablen Anlageformen erscheint mit Blick auf die zukünftigen Anforderungen, die an private Haushalte gestellt werden, an Relevanz zuzunehmen.
Es ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Anleger für ein langfristiges Sparverhalten mit renditestarken Finanzprodukten zu sensibilisieren und die vorhandene Risikoaversion der Bevölkerung gegenüber Wertpapieren zumindest teilweise durch schlüssige Argumente zu entkräften.
Lebenszyklusmodell
Das Lebenszyklusmodell stellt das Geldvermögen der Deutschen im gesellschaftlichen Querschnitt dar und schlüsselt das verfügbare Einkommen auf die verschiedenen Altersgruppen auf. So ist es möglich, eine Aussage darüber zu treffen, wie viel Kapital Wirtschaftssubjekte im Verlauf ihres Lebens für mögliche Sparanstrengungen zur Verfügung haben.
Individuen bauen während der Erwerbsphase in ihrem Leben Vermögen auf. Bei Eintritt in das Rentenalter hat das zur Verfügung stehende Kapital seinen Höhepunkt erreicht. Akkumuliertes Kapital wird dann für den Konsum verwendet, und das Gesamtvermögen schrumpft. Diese vereinfachte Darstellung wird im Lebenszyklusmodell aufgegriffen (Abb. 4).
Betrachtet man das Vermögen nach Altersklassen, fallt auf, dass das Altersband zwischen 17 und 24 Jahren die ärmste Altersklasse von allen darstellt. Das Nettogeldvermögen liegt hier meist unter 4000,-€ netto.127
[...]
1 Vgl. Geigeretal. 2016, S. 73.
2 Vgl. Brichta 2006.
3 Brandmeir et al. 2018.
4 Vgl. ebd. 2018, S. 32-35.
5 Deutsches Aktieninstitut e. V. 2016, S. 10.
6 Der Einfachheit halber, werden in den vorliegenden Seiten „Deutscher Aktienindex“ mit „DAX“ abgekürzt.
7 Deutsches Aktieninstitut e. V. 2019.
8 Vgl. Hurrelmannetal. 2016, S. 12-13.
9 Bank 2005.
10 Vgl. Greimel-Fuhrmann2014, S. 48.
11 Macha&Schuhen2011, S. 143-158.
12 Kaminski & Friebel 2012.
13 Der Einfachheit halber, werden in den vorliegenden Seiten „Exchange Traded Fund“ mit „ETF“ abgekürzt.
14 Vgl. Blueetal. 2014.
15 OECD 2014.
16 Vgl. Prenzel et al. 2013, S. 26.
17 Vgl. Hurrelmannetal. 2016, S. 116.
18 Vgl. Kaminski & Friebel 2012, S. 6.
19 Leinert 2004.
20 Vgl. ebd. 2004, S. 10.
21 Vgl. Hurrelmannetal. 2016, S. 11.
22 Vgl. ebd. 2016, S. 50.
23 Vgl. Shell Deutschland Holding GmbH & TNS Infratest Sozialforschung 2015.
24 Vgl. Bundesverband DeutscherBanken 2018, S. 45.
25 Bundesverband Deutscher Banken 2015.
26 Vgl. Bundesverband DeutscherBanken 2018, S. 14-16.
27 Vgl. ebd. 2018, S. 18.
28 Vgl. ebd. 2018, S. 21.
29 Vgl. Union Investment 2017, S. 21.
30 Vgl. Kahneman2012, S. 269-270.
31 Vgl. Unionlnvestment2017, S. 6.
32 Vgl. ebd. 2017, S. 8.
33 Vgl. ebd. 2017, S. 16.
34 Vgl. Brzeski & Franke 2017, S. 1.
35 Vgl. ebd. 2017, S. 2.
36 Vgl. Springer 2004.
37 Vgl. Piorkowsky 2011, S. 31.
38 Ebd. 2011, S. 31.
39 Vgl. Macha & Schuhen 2011, S. 143-158.
40 Piorkowsky 2008.
41 Reifner2003.
42 Europäische Kommission 2008.
43 OECD 2005.
44 Lusardi & Mitchell 2009.
45 Geithner 2009.
46 Wiepcke & Mittelstadt 2010.
47 Vgl. Liening & Mittelstadt 2011, S. 99.
48 Vgl. Remund 2010, S. 279.
49 Vgl. Retzmann& Seeber2016, S. 10.
50 Vgl. Geiger et al. 2016, S. 74.
51 Vgl. ebd. 2016, S. 74.
52 Vgl.Reifner2003,S.210.
53 Vgl. Renkl 1996, S. 78.
54 Sherraden & Ansong 2016, S. 83.
55 Vgl. Xu & Zia 2012.
56 Vgl. SEDI 2004, S. 6.
57 Vgl. Liening&Mittelstädt2011, S. 100.
58 Vgl.Reifner2011,S. 13.
59 Weinert 2001,S.27-28.
60 Vgl. Kaminski & Friebel 2016, S. 6.
61 Vgl. Geigeretal. 2016, S. 79.
62 Wälti 2016, S. V-VI.
63 Vgl. ebd. 2016, S. VII.
64 Vgl. Sherraden & Ansong 2016, S. 92.
65 Vgl.Reifner2011,S. 14.
66 Vgl. Habschick et al. 2004, S. 9.
67 Vgl. Kaminski & Eggert 2008, S. 36.
68 Vgl. Schlösser et al. 2011, S. 23.
69 Loerwald & Retzmann 2011, S. 94.
70 Vgl. Brettschneider2007, S. 63-67.
71 Seeber2012, S. 254.
72 Vgl. Kaminski & Friebel 2012, S. 42-44.
73 Bayer & Bonus 2008.
74 Vgl. Kaminski & Friebel 2012, S. 42.
75 Vgl. Zoemer2001,S. 1.
76 Vgl. Kaminski & Friebel 2012, S. 43.
77 Hurrelmann et al. 2016; Deutsches Aktieninstitut e. V. 2016; Grohmann & Hagen 2017.
78 Vgl. Deutsches Aktieninstitut e. V. 2016, S. 4.
79 Vgl. Retzmann2011, S. 65-66.
80 Vgl. Grohmann & Hagen 2017, S. 7-16.
81 CreditreformWirtschaftsforschung 2018.
82 Vgl. Loerwald & Retzmann 2011,S.94.
83 Vgl. Hurrelmann et al. 2016, S. 55.
84 Vgl. Hurrelmann & Karch 2010, S. 349.
85 Vgl. Benölken etal.2011.
86 Vgl. Brandmeir et al. 2018, S. 106.
87 Thieltges 2008.
88 Vgl. Detering 2011.
89 Finanztest 2014.
90 Vgl. Krumpolt 2008, S. 34.
91 Vgl. Ulbricht2018,S.26.
92 Vgl. Jauemig 2018.
93 Kaminski & Friebel 2012.
94 Kultusministerkonferenz 2008, S. 7.
95 Vgl. Grohmann & Hagen 2017, S. 5.
96 Vgl. F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformation GmbH 2010, S. 3.
97 Vgl. Seeber2012; Schürkmann& Schuhen2013; Retzmann& Seeber2016.
98 Vgl. Schürkmann& Schuhen2013, S. 77.
99 Vgl. Loerwald & Retzmann 2011,S. 94-95.
100 Vgl. ebd. 2011, S. 96.
101 Vgl. Kaminski & Eggert 2008, S. 6-7.
102 Bruner 1973.
103 Vgl. Kaminski & Eggert 2008, S. 23.
104 Vgl. Kultusministerkonferenz 2008, S. 8.
105 Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016a, S. 17-19.
106 Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016b.
107 Siehe dazu: http://bildungsmanagement.ph-ludwigsburg.de/15302+M53a2204f567.html.
108 Siehe dazu: https://www.ph-freiburg.de/de/berufs-und-wirtschaftspaedagogik/abteilung- wirtschaftspaedagogik-und-wirtschaftslehre/studium-und-lehre/aktuelle-lehrveranstaltungen.html.
109 Siehe dazu: https://www.ph-heidelberg.de/fileadmin/de/studium/studienbuero/Pruefungs- _und_Studienordnungen/Bachelor/Prüfungsordnung_Bachelor_Primar.pdf.
110 Schier2018.
111 Vgl. Deutsche Bundesbank 2019.
112 Das Gesamtvermögen istjedoch ungleich verteilt. Während viele Bundesbürger sogar Schulden haben, gibt es in Deutschland alleine knapp 1,2 Millionen Bürger mit einem Gesamtvermögen über 1 Million Euro.
113 Vgl. Stocker2018.
114 Vgl. Obertreis 2018.
115 Vgl. Brandmeiretal. 2018, S. 32-35.
116 Vgl. Brandmeir et al. 2018, S. 32-33.
117 Vgl. Comdirect2018a.
118 Vgl. Deutsche Bundesbank 2019.
119 Vgl. Brandmeir et al. 2018, S. 33.
120 Vgl. Rzitki 2019.
121 Vgl. Deutsche Bundesbank 2015, S. 31.
122 Vgl. Comdirect 2018a.
123 Vgl. ebd. 2018a.
124 Vgl. ebd. 2018a.
125 Vgl. ebd. 2018a.
126 Hurrelmann et al. 2016.
127 Vgl. Sackmann2017.
- Arbeit zitieren
- Daniel Gottschalk (Autor:in), 2019, Ausgewählte Aspekte der Finanzkompetenz von Studierenden des Grundschullehramtes und Konsequenzen für die Grundschullehrerausbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1059993
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