Das Bündnis der Adelsgesellschaft St. Jörgenschild vom 16. Juni 1408. Ein Grund auf dem sich bauen lässt?!


Hausarbeit, 2020

12 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Schwaben zu Beginn des 15. Jahrhunderts

3. Das Bündnis von
3.1 Die Bündnisurkunde
3.2 Die Beschlüsse des Bündnisses
3.3 König Sigismund und die Ritterschaft St. Jörgenschild

4. Fazit

5. Quellenverzeichnis

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Wann aber uns vorgenanten gesellen fürkommen ist und wür tägliches gewarnet werden von unsern guten freunden, wie solche läuf wider ufstan möchten von den vorigen geburen, darum wür aber auch zu einander geritten seind und haben uns darum veraint, einander zu helfen, ob solch böse läuf wider ufstünden, daß wür denn desto baß widerstehen mügen“1.

Im Heiligen Römischen Reich entwickelte sich ab der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zum Ende des 15. Jahrhunderts ein entscheidendes Phänomen der sozialen Strukturierung des spätmittelalterlichen Adels.2 Dieser sah sich sowohl aufgrund von politischen Ereignissen als auch zum Zweck des standesgemäßen Auslebens der adligen Kultur dazu genötigt, sich in sogenannten „Adelsgesellschaften“3 zu verbinden.4 Das oben genannte Zitat stammt aus einer Bündnisurkunde der Adelsgesellschaft St. Jörgenschild5 vom 16. Juni 1408 und diente wie die meisten der adligen Vereinigungen zunächst politischen Zwecken.6

Was die spärliche Forschungslage zu den Anfängen der Adelsgesellschaft St. Jörgenschild betrifft, liegt in Maus „Politische Geschichte 1406-1437“ eine ausführliche Darstellung zu der Rittergesellschaft vor. Auf diese basiert auch Obenaus‘ „Recht und Verfassung der Gesellschaften mit St. Jörgenschild in Schwaben“. In der vorliegenden Hausarbeit wird die Urkunde aus dem Jahre 1408 bezüglich der in ihr dargelegten Beschlüsse analysiert. Es soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern das Bündnis der Adelsgesellschaft St. Jörgenschild gegen die Appenzeller zur dauerhaften Etablierung der Gesellschaft beitrug. Als Quelle dient uns die Urkunde selbst, welche in dem Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen niedergeschrieben ist. Zu Beginn der Arbeit wird der historische Kontext, in dem das Bündnis von 1408 geschlossen wurde, kurz beleuchtet. Anschließend wird die Quelle einer inneren Quellenkritik unterzogen, gefolgt von den in ihr ersichtlichen Beschlüssen des Bundes. Zuletzt wird das Verhältnis des Königs Sigismund zu der Gesellschaft St. Jörgenschild analysiert.

2. Schwaben zu Beginn des 15. Jahrhunderts

Schwaben sah sich nach dem Untergang der Staufer und dem damit erloschenen schwäbischen Herzogtum sowohl von Fürsten aus benachbarten Territorien7 als auch von den Reichsstädten8 selbst bedroht, welche sich in einer florierenden Aufwärtsbewegung befanden.9 Im Gegensatz dazu, verweilte der schwäbische Adel in einer wirtschaftlich schwachen Situation.10 Während die Macht der Territorialherren und Städte stetig wuchs, wurde der alteingesessene Adel immer weiter zurückgedrängt.11 Diese Umstände brachten den schwäbischen Adel dazu, aus dem Gefühl der Solidarität heraus, Einungsbestrebungen zu äußern, welche jedoch im Reich verboten waren.12 Als im Jahre 1401 der Appenzeller Krieg13 ausbrach, welcher sich zu Beginn vordergründig gegen die Herrschaft des Klosters St. Gallen14 und gegen das Haus Österreich richtete, sich dann jedoch zu einem Krieg gegen jegliche Adelsherrschaft überhaupt entwickelte, erfuhr die politische Einungsbewegung des schwäbischen Adels eine neue Dimension.15 Den Appenzellern, die nun in erster Linie um die Freiheit der Bauern kämpften und die sich in dem „Bund ob dem See“16 zusammenschlossen, stand nach anfänglichen Erfolgen und ohne auf großen Widerstand gestoßen zu sein, das ganze Schwaben offen, welches überwiegend vom ritterlichen Adel besiedelt war, ohne den Schutz eines mächtigen Reichsfürsten in der Nähe.17 Im Angesicht dieser Bedrohung, schloss sich ein Teil des schwäbischen Adels am 11. September 1406 im Hegau zusammen.18 Vermutlich zur gleichen Zeit entstand unter dem Adel ein ähnlicher

Bund an der oberen Donau und im Allgäu.19 Diese beiden Gesellschaften schlossen sich am 21. November 140720 mit Zustimmung des Königs21 zu dem Ritterbund vom St. Jörgenschild zusammen, der sich wiederum mit verschiedenen Bodenseestädten wie Lindau und Konstanz verband.22 Ziel war es, die Bedrohung der Appenzeller zu zerschlagen, was auch anderthalb Monate später bei Bregenz gelang, als man den Aufständischen die entscheidende Niederlage beibrachte.23 Nach dem Sieg über die Appenzeller war die schwäbische Ritterschaft entschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen und den Bund vom 21. November 1407 von seiner bestimmten Zwecksetzung, dem Kampf gegen die Appenzeller, zu lösen und auf dauerhafte Grundlagen zu stellen.24 Doch wenn der Grund des Appenzeller Krieges, welcher den Zusammenschluss des schwäbischen Adels erst ermöglichte, entfiel, so verlöre der Bund seine Berechtigung.25 Aufgrund dieser Tatsache erfolgte unter dem Vorwand der noch andauernden Gefahr von Seiten der Appenzeller noch vor Ablauf der Gültigkeit der ersten Verbindung, am 16. Juni 1408 eine Erneuerung des Bundes.26

3. Das Bündnis von 1408

3.1 Die Bündnisurkunde

Diese Bündnisurkunde vom 16. Juni 1408 ist nicht als Original27, sondern nur durch eine Abschrift im Spitalarchiv St. Gallen überliefert. Sie weist nur einen Teil der typischen Formteile einer spätmittelalterlichen Urkunde auf. Das Protokoll enthält lediglich eine Intitulatio, bei der eine Gruppe von 110 Adligen als Aussteller genannt werden, gefolgt von der Narratio, bei der die Gefahr seitens der Appenzeller als Umstand der Urkunde genannt wird, weshalb die zuvor genannten „Gesellen“28 in dem Namen des Ritters St. Georg29 zusammenkommen.30 Darauf folgt der eigentliche Rechtsinhalt der Dispositio, welcher in 30 Artikeln niedergeschrieben ist, welche sich jedoch nur noch in Artikel 1 auf die Appenzellerfrage beziehen.31 Die übrigen 29 Artikel der Urkunde enthalten stattdessen Einzelheiten im Bezug auf die Organisation der Rittergesellschaft und schließen mit dem Verweis auf König Ruprecht, als dem „allerdurleutigsten fürsten und herrn“32. Das Eschatokoll weist eine Corroboratio auf, in der versichert wird, dass die in der Intitulatio genannten Gesellen vor Gott und „zu allen heiligen“ einen Schwur ablegen und dass die Erstgenannten33 einen Siegelbefehl erhalten.34 Actum und Datum sind ebenfalls ersichtlich.35

Der Zweck der Niederschrift bestand darin, das zwischen den Adligen in Schwaben geschlossene Bündnis festzuhalten und der Öffentlichkeit kundzutun. Somit fällt das Schriftstück unter die Kategorie einer Beweisurkunde. Das in der Narratio ersichtliche Ziel der Vereinigung war, mit Gottes Hilfe den Appenzellern und ihren Verbündeten zu widerstehen, welche laut ihnen „wider alle ritterschaft“ agierten36. Demnach stellte der politische Anlass für die Gründung der St. Jörgenschild Gesellschaft der Krieg gegen die Appenzeller dar.37 Bei näherer Untersuchung der beteiligten Gesellen lässt sich feststellen, dass die beiden Erstgenannten Adligen, nämlich Herzog Urlich von Teck und Graf Eberhart von Nellenburg, sich ein paar Jahre nach der Gründung unter den Räten und Dienern des römisch-deutschen Königs Sigismund38 befanden.39 Dazu zählen auch der Graf Hans von Lupfen, Hans Conrad von Bodman und Caspar Klingenberg, die ebenfalls in der Intitulatio als Mitbeteiligte genannt werden.40 Diese personengeschichtlichen Zusammenhänge weisen darauf hin, dass die scheinbar bedeutendsten schwäbischen Adligen, Mitglieder der Adelsgesellschaft St. Jörgenschild waren. Die Artikel der Bündnisurkunde gegen Auskunft darüber, wie das innergesellschaftliche Zusammenleben als Ritterbund geregelt war.41 Inwieweit die einzelnen Bestimmungen in die Tat umgesetzt wurden, ist aus der Urkunde nicht ersichtlich.42

3.2 Die Beschlüsse des Bündnisses

Insgesamt einigten sich die Mitglieder der Gesellschaft St. Jörgenschild auf 30 Artikel, wovon jedoch im Rahmen dieser Arbeit lediglich diejenigen näher betrachtet werden können, die für die Etablierung des Ritterbundes im Reich von essenzieller Bedeutung waren. Wie bereits im vorherigen Kapitel kurz erwähnt, bezieht sich der erste Artikel der Bündnisurkunde auf die Appenzeller, die für den schwäbischen Adel immer noch eine Bedrohung darstellten.43 Die Gesellen beschließen, demjenigen zu helfen, der von den aufständischen Bauern entweder angegriffen oder beraubt wird und illustrieren in diesem Zuge auch die gewaltigen Übergriffe der Appenzeller44 vor der entscheidenden Niederlage bei Bregenz, womöglich um die noch präsente Gefahr seitens der Feinde zu schildern.45 Die Erwähnung der Appenzeller war für das Fortbestehen der Adelsgesellschaft von entscheidender Bedeutung, da das bereits im zweiten Kapitel dieser Arbeit genannte Einungsverbot immer noch bestand. Ohne den Vorwand der Bedrohung von Seiten der Aufständischen, würde das Reich höchstwahrscheinlich Einspruch gegen das Bündnis erheben.46 Demnach war das Vorgehen des schwäbischen Adels in dem Sinne geschickt, dass man das erste Bündnis von 1407 bereits vor Ablauf der Gültigkeit und nur wenige Monate nach der Schlacht bei Bregenz, erneuerte. Ein Bündnis ohne politischen Zweck würde der König vermutlich nicht billigen.

[...]


1 WARTMANN 1895, S. 850.

2 Vgl. RANFT 1994, S. 12.

3 Manchmal, je nach Ausrichtung auch als „Rittergesellschaft“ oder „Turniergesellschaft“ bezeichnet: vgl. KRUSE 1991, S. 21-22 u. SVOBODA 1968, S. 255.

4 Insgesamt werden etwa 70 solcher Zusammenschlüsse genannt, welche ebenfalls einprägsame Namen besaßen, wie z.B. Krone, Eidechse, Löwe oder Kolben: vgl. RANFT 1994, S. 11-12. Zu den einzelnen Gesellschaftsverträgen siehe v.a. STORN-JASCHKOWITZ 2007.

5 Den ersten Bund schloss der schwäbische Adel „in dem namen St. Georgen des ritters“, weshalb sie oft auch als Gesellschaft St. Georgenschild bekannt war: vgl. MAU 1941, S. 17. Weitere Namensbezeichnungen sind z.B. gemeine „Ritterschaft zu Swaben“ oder „Ritterschaft sant Gergen Schiltz“: vgl. KRUSE 1991, S. 202.

6 Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde die Region südlich des Bodensees von den Appenzeller Kriegen heimgesucht: vgl. MAU 1941, S. 12-26.

7 Insbesondere seien hier die Wittelsbacher und die Habsburger erwähnt: vgl. MAU 1941, S. 12.

8 Darunter versteht man Stadtgemeinden, die weitgehend autonom waren und sich von der Stadtherrschaft des Königs emanzipierten: vgl. HEINIG 2009, Sp. 637.

9 Vgl. MAU 1941, S. 13.

10 Vgl. Ebd.

11 Vgl. SVOBODA 1968, S. 254.

12 Vgl. MAU 1941, S. 12. Schon Art. 6 des Roncalischen Landfriedens Friedrich Barbarossas und später Art. 15 der Goldenen Bulle Karls 4. aus dem Jahre 1356 verboten grundsätzlich jede Verbandsbildung innerhalb des Reiches ohne Kenntnis und Zustimmung des Königs bzw. des Landesherrn: vgl. SVOBODA 1968, S. 255.

13 Der Krieg fand 1408 ein vorläufiges Ende, die endgültige Zerschlagung der Appenzeller erfolgte jedoch erst 1429: vgl. MAU 1941, S. 14; Zu den Ursachen und Auswirkungen des Krieges siehe v.a. NIEDERSTÄTTER 2006, S. 55-65.

14 Zur Geschichte des Klosters und der Stadt St. Gallen während der Appenzeller Kriege siehe v.a. EHRENZELLER 1931, S. 103-212.

15 Vgl. SVOBODA 1968, S. 256.

16 Der von den Appenzellern maßgeblich mitbegründete Bund bestand nur von 1405-1408: vgl. FISCHER 2009, Sp. 806.

17 Vgl. SVOBODA 1968, S. 256 u. MAU 1941, S. 15.

18 Vgl. MAU 1941, S. 17.

19 Vgl. Ebd. u. SABLONIER 1985, S. 555.

20 Dieses Bündnis war bis zum St. Georgentag, dem 23. April 1409 befristet: vgl. SVOBODA 1968, S. 257.

21 Zur damaligen Zeit regierte Ruprecht von der Pfalz aus der Dynastie der Wittelsbacher als römisch-deutscher König (1400-1410): vgl. SCHUBERT 2009, Sp. 1108.

22 Vgl. Ebd. u. SVOBODA 1968, S. 256.

23 Vgl. MAU 1941, S. 17. Nach der Niederlage bei Bregenz fiel auch der „Bund ob dem See“ auseinander: vgl. SVOBODA 1968, S. 256.

24 Vgl. MAU 1941, S. 27.

25 Vgl. SVOBODA 1968, S. 257.

26 Vgl. Ebd. u. MAU 1941, S. 27.

27 Dieses wurde auf Pergament im schwäbischen Waldsee, nördlich des Bodensees, niedergeschrieben: vgl. WARTMANN 1895, S. 850.

28 So wurden die Mitglieder der Adelsgesellschaften im Spätmittelalter genannt: vgl. KRUSE 1991, S. 22.

29 Dieser wurde als der heilige Fürsprecher des Adels bei Gott gesehen: vgl. OBENAUS 1961, S. 14.

30 Vgl. WARTMANN 1895, S. 851.

31 Vgl. Ebd., S. 851.

32 Vgl. Ebd., S. 851-855.

33 Darunter fallen u.a. der Herzog Ulrich zu Teck und Graf Eberhart von Nellenburg: vgl. Ebd., S. 855.

34 Vgl. Ebd.

35 Vgl. Ebd.

36 Vgl. Ebd., S. 851.

37 Vgl. Ebd.

38 Sigismund aus der Dynastie der Luxemburger war Nachfolger König Ruprechts. Zu Sigismunds Schwabenpolitik siehe v.a. HOENSCH 1996, S. 162-190.

39 Vgl. MAU 1941, S. 43.

40 Vgl. WARTMANN 1895, S. 850.

41 Vgl. Ebd., S. 851-855.

42 Vgl. Ebd.

43 Vgl. WARTMANN 1895, S. 851.

44 Die Aufständischen zerstörten während des Krieges die materiellen Grundlagen der Adelsherrschaften samt ihren Burgen als „Wahrzeichen der Adelsherrschaft“: MAU 1941, S. 16.

45 Vgl. WARTMANN 1895, S. 851.

46 Vgl. MAU 1941, S. 28.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Bündnis der Adelsgesellschaft St. Jörgenschild vom 16. Juni 1408. Ein Grund auf dem sich bauen lässt?!
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
2,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
12
Katalognummer
V1060141
ISBN (eBook)
9783346494948
ISBN (Buch)
9783346494955
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mittelalterliche Geschichte
Arbeit zitieren
John Kirsch (Autor:in), 2020, Das Bündnis der Adelsgesellschaft St. Jörgenschild vom 16. Juni 1408. Ein Grund auf dem sich bauen lässt?!, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1060141

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