Das Hannibalbild bei Polybio

Eine Analyse der Unterredung zwischen Hannibal und Scipio Africanus vor der Schlacht von Zama


Dossier / Travail, 2019

14 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Umstände der Entstehung der Quelle
2.1. Historischer Kontext der Entstehung
2.2. Polybios und sein Geschichtswerk
2.3. Anlass und Adressatenkreis
2.4. Glaubwürdigkeit der Quelle

3. Das Hannibalbild in der Quelle

4. Fazit

5. Quellenverzeichnis

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Was ist also das Ergebnis unserer Unterredung? Dass ihr entweder uns die freie Entscheidung über das Schicksal von euch und eurer Vaterstadt überlasst oder in der Schlacht den Sieg davontragt“1. Mit diesen Worten soll Publius Cornelius Scipio (236-183 v. Chr.), welcher später den Ehrennamen Africanus erhielt und im 2. Punischen Krieg zwischen Rom und Karthago Feldherr des römischen Heeres war, folgende Unterredung beendet haben, welche kurz vor der Entscheidungsschlacht bei Zama im Jahre 202 v. Chr. zwischen ihm und dem karthagischen Feldherrn Hannibal Barkas (247-183 v.Chr.) stattfand.2 Der bekannte griechische Historiograph Polybios stellte jenes Ereignis, das nicht nur damals, sondern auch in der gegenwärtigen Geschichtsforschung noch immer diskutiert wird, in seinem Geschichtswerk dar.3

In der vorliegenden Arbeit wird Polybios‘ Quelle, welche die Unterredung zwischen Hannibal und Scipio darstellt und in der Forschung differenziert gedeutet wird, analysiert. Hierbei werden unter anderem Werke wie Manz‘ „Roms Aufstieg zur Weltmacht“, Christs „Hannibal“ und Walbanks Kommentar zu Polybios‘ Werk herangezogen. Zunächst ist es notwendig, Polybios‘ Darstellung einer inneren Quellenkritik zu unterziehen, was im ersten Teil der Arbeit geschehen wird. Diese beginnt mit einer kurzen Einführung in den historischen Kontext und in des Geschichtsschreibers Leben und Werk. Im letzten Teil der Quellenkritik wird die Frage der Glaubwürdigkeit der Quelle behandelt. Anschließend wird das Bild, welches der griechische Historiker seinen Lesern von dem karthagischen Feldherrn Hannibal in der Quelle darbietet, analysiert, was mit einer Aufführung der möglichen Gründe seines Vorgehens beendet wird.

2. Umstände der Entstehung der Quelle

2.1. Historischer Kontext der Entstehung

Im Jahre 202 v. Chr. neigte sich der 2. Punische Krieg seinem Ende zu.4 Hannibal hatte es nicht geschafft die Römer in Italien endgültig zu besiegen und sah sich nun gezwungen, da Scpio bereits in Afrika intervenierte, Italien zu verlassen und nach Karthago zurückzukehren. Die Friedensverhandlungen zwischen den beiden Großmächten scheiterten, da die Ratifizierung des Friedensvertrags in den Augen des karthagischen Rates aufgrund der zu hohen Forderungen ein Ding der Unmöglichkeit sei. Nun sollte eine letzte Schlacht über das Schicksal und über die Hegemonialmacht im Mittelmeerraum entscheiden. Hannibal jedoch versuchte durch ein persönliches Treffen mit dem römischen Feldherrn Scipio eine militärische Auseinandersetzung zu verhindern und zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Hierzu sandte er Boten in das römische Lager, die Scipio eine persönliche Unterredung mit Hannibal anboten. Der römische Feldherr willigte ein, bestand aber darauf, Ort und Zeit der Zusammenkunft bestimmen zu dürfen.

2.2. Polybios und sein Geschichtswerk

Polybios wurde um das Jahr 200 v. Chr. in der peloponnesischen Stadt Megalopolis geboren.5 Als die Römer im dritten makedonischen Krieg 168 v. Chr. über das Makedonenreich siegten, wurde Polybios nach Italien deportiert, das er erst im Jahre 150 v. Chr. wieder verließ. Dort gewann er durch engen Kontakt mit Publius Cornelius Scipio Aemilianus6 Zugang zu den führenden Kreisen Roms, die auch unter dem Namen „Scipionenkreise“ bekannt waren. Polybios starb im Alter von ca. 82 Jahren vermutlich durch einen Sturz vom Pferd um das Jahr 122 v. Chr. Sein Hauptwerk ist die Geschichte der Eroberung der Weltherrschaft durch Rom, die sogenannte historia7, welche ursprünglich auf die Zeit von 220 bis 168 v. Chr. reichen sollte, später jedoch bis 146 bzw. 144 v. Chr. ausgedehnt wurde und insgesamt 40 Bücher umfasst, wovon lediglich die ersten fünf vollständig erhalten sind.8 Heute stehen der Forschung leider nur weniger als ein Drittel des Werkes zur Verfügung.9 Die Unterredung zwischen Hannibal und Scipio Africanus vor der Schlacht von Zama befindet sich in Polybios‘ 15. Buch, welches nach Dreyer vollständig erhalten sein soll.10 Zu Polybios‘ Arbeitsweise ist zu sagen, dass er sich Aufzeichnungen zu den Geschehnissen machte, indem er sicherlich, im Bezug zum 2. Punischen Krieg Karthager, die Hannibal persönlich kannten und begünstigt durch seine Stellung in Rom auch Bekannte des Scipionenkreises, die mit der Geschichte Scipios Africanus gut vertraut waren, befragte.11 Hinzu kommt, dass er durch Gesandtschaften der gesamten Mittelmeerwelt, wiederum begünstigt durch Roms stetig wachsende Bedeutung, insbesondere nach dem Sieg über die Karthager im 2. Punischen Krieg, jederzeit „Informanten“ hatte, die ihm die Ereignisse schildern konnten12. Zweifellos stützte sich Polybios‘ Werk auch auf literarische Quellen, wobei vermutet wird, dass sich der Historiker in seiner Darstellung des 2. Punischen Krieges sowohl auf römische als auch auf karthagische Quellen bezog.13 Auf römischer Seite konsultierte Polybios das Geschichtswerk des Fabius Pictor, welcher der erste römische Geschichtsschreiber war.14 Auf karthagischer Seite bediente sich der Historiograph vermutlich der Aufzeichnungen des Silenus von Kaleakte, der Hannibal auf seinem Italienfeldzug begleitete.15 Welche Quelle genau Polybios bei seiner Darstellung zu der Unterredung vor der Schlacht von Zama verwendete, bleibt jedoch fraglich.

2.3. Anlass und Adressatenkreis

Polybios‘ Geschichtsschreibung wird allgemein als eine „pragmatische Geschichtsschreibung“ beschrieben, bei welcher der Historiker eine „Dreiteilung“ vornimmt und hierbei auf folgende Aspekte eingeht: „1. Studium der Schriftquellen, 2. Topographie, 3. Politik“16. Seine Darstellungen beschreiben hauptsächlich politische und militärische Ereignisse, jedoch sollte die historia primär ein Lehrbuch für Politik sein, das den Leser nicht unterhält, sondern belehrt.17 Polybios war der Meinung, „dass die Belehrung aus der Geschichte das sicherste Ausbildungsmittel für eine öffentliche Tätigkeit und die aus den Ereignissen der Geschichte geschöpfte Erfahrung die beste Schule für das wirkliche Leben darstellt“18. Er schrieb sein Geschichtswerk in erster Linie für die führenden und zukünftigen Staatsmänner und zielte darauf ab, ihnen den Verlauf des Aufstiegs Roms darzulegen.19 Nach Alfred Klotz schrieb Polybios überwiegend für seine griechischen Landsleute.20 Frank Walbank fügt hinzu, dass er sein Werk im Bewusstsein verfasste, dass sowohl Griechen als auch Römer darin lesen werden.21 Der Grieche vertrat die Ansicht, dass die Schilderungen eines Historiographen der Wahrheit entsprechen sollten, denn „würde man [so sagte der Historiker] nämlich aus der Geschichtsschreibung die Wahrheit entfernen, bliebe nur noch unnützes Gerede übrig“22.

2.4. Glaubwürdigkeit der Quelle

Polybios besaß durch seinen Aufenthalt in Rom ideale Voraussetzungen für die Aufzeichnung seines Werkes.23 Außerdem bestand er selbst darauf, Geschichte in einer objektiven wahrheitsgetreuen Art und Weise zu verfassen.24 Er unterschied zwischen einer absichtlichen Unwahrheit und einem unbeabsichtigten Irrtum und bat seine Nachfahren, ihn zu korrigieren, stellte sich heraus, dass in seinen Darstellungen Lügen auftauchen sollten.25 Die Glaubwürdigkeit der polybianischen historia wird in der modernen Quellenforschung demnach im Allgemeinen als überwiegend positiv bewertet.26 Polybios kann, so jedenfalls aus seinen eigenen Schilderungen ersichtlich, ein gewissenhaftes Vorgehen bei der Abfassung seiner historia nachgesagt werden. So argumentiert auch Alfred Klotz, dass Polybios „nach Kräften bemüht war die lautere Wahrheit zu sagen“27. Frank Walbank schließt sich dieser Meinung an und beschreibt Polybios als einen Historiker, der um jeden Preis bemüht war, das niederzuschreiben, was tatsächlich geschah.28 Es sei gesagt, dass die Frage nach der Historizität des untersuchten Ereignisses29 in der Forschung differenziert betrachtet wird.30 So behauptet z.B. Jakob Seibert, dass das Treffen eine „Erfindung“ sei31. Dennoch geht die Mehrheit der Forscher, dazu gehören unter anderem Barcelo, Hoyos und Gerhold, davon aus, dass die Unterredung tatsächlich stattgefunden hat.32 Bei Polybios‘ Darstellung zu Hannibals und Scipios Unterredung liegen zwei Reden vor: zuerst ergreift Hannibal das Wort und Scpio antwortet.33 Es ist seit jeher bekannt, dass der Wahrheitsgehalt in Reden oft hinterfragt wird.34 Bei den Reden in der polybianischen Geschichtsschreibung ist jedoch erkennbar, dass der Historiograph die in seinem Werk dargestellten Reden eindeutig inhaltlich orientierte und wenig ausschmückte.35 Er war der Meinung, dass Reden die gesamte Geschichte zusammenhielten.36 In seiner Darstellung zur Unterredung zwischen Hannibal und Scipio erwähnt er, dass die beiden Feldherrn lediglich von zwei Dolmetschern begleitet wurden.37 Im Zuge dessen ist es fraglich, wer die Unterredung der beiden Heerführer aufschrieb, da die beiden Dolmetscher offensichtlich mit der Translation beschäftigt waren und analog dazu unmöglich das Gesagte niederschreiben konnten. Trotz allem ist es schlüssig, sich der Mehrheitsmeinung anzuschließen, dass die in seinem 15. Buch von ihm angeführte Darstellung samt der Reden Hannibals und Scipios als weitgehend zuverlässig gelten.

[...]


1 Pol. G. XV, 8, übers. von Hans Drexler 1963, S. 864.

2 Vgl. Pol. G. ⅩⅤ, 6-8; vgl. ELVERS 1997, S. 182-183.; GÜNTHER 1998, S. 151-153.

3 Vgl. Pol. G. ⅩⅤ, 6-8.

4 Im Folgenden stütze ich mich vor allem auf: MANZ 2017, S. 679-684; GERHOLD 2002, S. 175-179; EBERHARD 2007, S. 138-142; SEIBERT 1993, S. 463-466.

5 Vgl. zum Folgenden die grundlegenden Arbeiten von: LUCE 1997, S. 123; DREYER 2001, S. 41; DREYER 2011, S. 7; MANZ 2017, S. 3; WALBANK 1972, S. 6-7.

6 Es handelte sich hierbei um den leiblichen Sohn des Pydna-Siegers Lucius Aemilius Paullus und Adoptivsohn des Publius Cornelius Scipio Africanus-dem Sieger über Hannibal, vgl. MANZ 2017, S. 4.

7 Polybios selbst bezeichnete sein Werk als historia, vgl. DREYER 2011, S. 16.

8 Vgl. DREYER 2001, S. 41; BRINK/WALBANK 1982, S. 213-214.; DREYER 2011, S. 29; MANZ 2017, S.4.

9 Vgl. DREYER 2011, S. 30; MANZ 2017, S. 4.

10 Vgl. DREYER 2011, S. 32; Zur Entstehung des Werkes vgl. v.a. ERBSE 1982, S. 162-185.

11 Vgl. PEDECH 1982, S. 369; MANZ 2017, S. 5.

12 PEDECH 1982, S. 369; Vgl. MANZ 2017, S. 5.

13 Vgl. MANZ 2017, S. 6.

14 Vgl. Ebd; SCHOLZ 1998, S. 373.

15 Vgl. MANZ 2017, S. 6; Zu Polybios‘ Forschungsmethoden vgl. v.a. EISEN 1966, S. 15-23.

16 GELZER 1982, S. 274-275; Vgl. RUMPF 2006, S. 170.

17 Vgl. GELZER 1982, S. 274; MANZ 2017, S. 6; KLOTZ 1982, S. 186.

18 MANZ 2017, S. 6.

19 Vgl. Pol. G. Ⅰ, 14; MANZ 2017, S. 7; MOHM 1977, S. 92-93.

20 KLOTZ 1982, S. 190.

21 Vgl. WALBANK 1972, S. 3.

22 Pol. G. Ⅰ, 14, übers. von Hans Drexler 1961, S. 16.

23 Vgl. Manz 2017, S. 7.

24 Vgl. Ebd.

25 Vgl. MOHM 1977, S. 93-94.

26 Vgl. Ebd.

27 KLOTZ 1982, S. 195.

28 Vgl. WALBANK 1957, S. 14.

29 Zur Unterredung Hannibals mit Scipio vor der Schlacht von Zama vgl. v. a. Pol. XV, 6, 1; Liv. XXX, 30-31; App. 39, 163-164.

30 Vgl. MANZ 2017, S. 684.

31 SEIBERT 1993, S. 465-466.

32 Vgl. BARCELO 2004, S. 205-206; EDWELL 2011, S. 336-338; HOYOS 2003, S. 176-177; GÖRLITZ 1970, S. 143-145.

33 Vgl. Pol. G. ⅩⅤ, 6-8.

34 Vgl. DREYER 2011, S. 71.

35 Ebd., S. 72.

36 Vgl. WALBANK 1985, S. 248.

37 Vgl. Pol. G. ⅩⅤ, 6.

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Das Hannibalbild bei Polybio
Sous-titre
Eine Analyse der Unterredung zwischen Hannibal und Scipio Africanus vor der Schlacht von Zama
Université
Johannes Gutenberg University Mainz
Note
2,3
Auteur
Année
2019
Pages
14
N° de catalogue
V1060143
ISBN (ebook)
9783346472656
ISBN (Livre)
9783346472663
Langue
allemand
Mots clés
hannibalbild, polybio, eine, analyse, unterredung, hannibal, scipio, africanus, schlacht, zama
Citation du texte
John Kirsch (Auteur), 2019, Das Hannibalbild bei Polybio, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1060143

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