Zwangssterilisation im Nationalsozialismus


Exposé / Rédaction (Scolaire), 2002

6 Pages


Extrait


Zwangssterilisation im Nationalsozialismus

Die Grundlage der Zwangssterilisationen im dritten Reich bildete das national- sozialistische Verständnis der Rassenhygiene, der „Wissenschaft von der Aufwertung der menschlichen Rasse durch verbesserte Fortpflanzung“. Diese strebte die Vermehrung der „rassisch wertvollen“ - und gleichzeitig die Ausrottung der „rassisch minderwertigen“ Volksbürger an und wurde durch die „Deutsche Gesellschaft für Rassenpflege" gefördert. Wie Adolf Hitler auch der Öffentlichkeit mitteilte, galt das Ziel, ein körperlich und geistig weit überlegenes Volk zu schaffen - ganz nach dem Motto dieser Ideologie: „Der Einzelne vergeht, aber das Volk besteht.“ Ab 1920 wurde das zuvor überwiegend populistisch behandelte Thema „Rassenhygiene" der Medizin zugeschrieben und von ihr besetzt. So fanden bereits um diese Zeit erste illegale Sterilisierungen (Unfruchtbarmachungen) von Seiten der „Rassenhygieniker" statt.

Unmittelbar mit der Machtergreifung der NSDAP am 30. Januar 1933 wurde die erste staatliche Maßnahme auf dem Gebiet der "Erb- und Rassenpflege" ergriffen. Man verabschiedete das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" (GzVeN), welches die zwangsweise, das heißt staatlich angeordnete Unfruchtbarmachung von "Erbkranken" legalisierte und am 01.01.1934 in Deutschland; bzw. am 01.01.1940 in Österreich in Kraft trat. Neben der rassischen Begründung für die Sterilisation, spielte vor allem die wirtschaftliche Auswirkung eine große Rolle. Fürsorgebedürftige belasteten den Staat durch Sondereinrichtungen mit einer Unmenge an Reichsmark und insbesondere während der Weltwirtschaftskrise sah man in dem Ausleseverfahren einen Ausweg aus der Patientenreiche Situation. Mit anderen Worten: Der Staat wollte mit den Sterilisationen Fürsorgegelder sparen.

Als Kriterien für eine gesetzesgültige Zwangssterilisierung, und somit auch als Erbkrankheiten galten:

- angeborener Schwachsinn
- Schizophrenie
- manisch-depressives Irresein
- erbliche Fallsucht
- erblicher Veitstanz
- erbliche Blindheit
- erbliche Taubheit
- schwere körperliche Missbildung erblicher Art
- schwerer Alkoholismus

Ein wissenschaftlicher Nachweis der Erblichkeit des Leidens musste und konnte allerdings in der Regel nicht erbracht werden; und auch die Indikation zur Sterilisation wurde binnen kürzester Zeit erweitert (wie z.B. auf Klumpfußträger, politische Gegner, rassisch Unerwünschte). So kam es zu einer zunehmenden Verfälschung von Genauigkeit und Korrektheit des Gesetzes.

Alle Ärzte waren verpflichtet, dem Gesundheitsamt Kandidaten für eine mögliche Unfruchtbarmachung zu melden und somit Sterilisationsanträge zu stellen. Dabei nahmen sie Bezug auf die angelegte Sippenkartei, die sämtliche Informationen und Daten der betroffenen Personen hinsichtlich ihrer Abstammung enthielt. Folgende Bezeichnungen wurden in einer solchen Registratur verwendet:

'Jude' (im Sinne des §2 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, RGB1 I, S.1333, also auch Dreivierteljuden):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nichtjüdische Fremdrassige:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Alle sonstigen Personen, die als nichtdeutschen oder artverwandten Blutes anzusehen sind:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sonstige Bezeichnungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auf diese Weise rückte die Vertrauensbasis zum Arzt, die Ärztliche Schweigepflicht und den „Hippokratischen Eid“ in den Hintergrund und es konnten innerhalb kürzester Zeit alle möglichen „Minderwertigen“ im Deutschen Reich erfasst und auch verfolgt werden. Ebenfalls einen Antrag auf Sterilisation stellen konnte der Betroffene selbst (wobei der Anteil jener nur bei ca. 1% gelegen haben muss), sein gesetzlicher Vertreter oder Pfleger, sowie die Amts- und Gerichtsärzte und Leiter von Heil-, Kranken-, Pflege- und Strafanstalten. Über die Befürwortung, bzw. die Ablehnung der Anträge entschieden letzten Endes die ca. 220 Erbgesundheitsgerichte, die sich jeweils aus einem Richter und zwei Ärzten zusammensetzten. Eine Beschwerde gegen den Beschluss des Erbgesundheitsgerichtes hatte zwar aufschiebende Wirkung, war langfristig gesehen aber erfolglos. Außerdem bestand die Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung des Betroffenen während dieser Frist, um eine zwischenzeitliche Fortpflanzung zu unterbinden. Lediglich eine lebenslange Aufnahme in einer Anstalt auf eigene Kosten konnte dieses schreckliche Schicksal verhindern. Eine Entlassung von Insassen der Heil- und Pflegeanstalten ohne Zwangssterilisation war verboten.

Die Durchführung des möglichst milden, aber immerhin gewaltsamen Eingriffs ging auf verschiedene Weise und meist in Krankenanstalten, seltener auch in Konzentrationslagern vonstatten. Es gab die medikamentöse Sterilisation, die Röntgensterilisation und die Sterilisation durch intrauterine Reizwirkung. Alle drei Methoden der Unfruchtbarmachung entsprangen experimentellen Vorarbeiten und auch ihre Weiterentwicklung wurde von SS-Ärzten in Auschwitz, Ravensbrück und anderen Städten an meist tödlichen Menschenversuchen erprobt. Die Einweisungen ins Krankenhaus mussten oftmals zwangsweise und bei jedem Zwölften sogar mit Gewalt durchgeführt werden (wie aus einschlägigen Statistiken hervor geht).

So ist in sichergestellten Akten z.B. folgendes nachzulesen: "...versucht diese sich erneut der Sterilisation zu entziehen, ein weiteres Verhandeln erscheint zwecklos. Ich bitte nunmehr die polizeiliche Ü berführung in das Krankenhaus Stade...", "Ich bitte die Person zwangsweise ins Krankenhaus Stade zur Sterilisierung polizeilich vorführen lassen zu wollen. Sie hat meiner Aufforderung keine Folge geleistet." "...da sie sich nach Aufforderung im Krankenhaus nicht meldete und sich hartnäckig weigerte, der Aufforderung nachzukommen, musste sie durch einen Gendarmeriebeamten im Kraftwagen nach Stade gebracht und zur Unfruchtbarmachung im Krankenhaus vorgeführt werden."

Für die Betroffenen bedeutete eine Zwangssterilisation gesellschaftliche Diskriminierungen, physische und psychische Schädigungen und Spätfolgen. Die wenigsten Zwangssterilisierten können im nachhinein noch über ihre Erfahrungen im dritten Reich sprechen. Nicht so Frau Nowak. Sie versucht ihre schrecklichen Erinnerungen durch Gespräche zu verarbeiten:

„ ...Außerdem ist einfach nicht zuübersehen, dass unser Körper durch die Operation verstümmelt und damit die Lebensentwicklung zerstört wurde. Die zwischenmenschliche Beziehung war unterbrochen [...] Den Makel, der uns in dieser Zeit angelastet wurde, haben wir ein Leben lang zu tragen. Jeder muss einzeln und allein, mehr oder weniger, damit fertig werden; denn ein Verständnis der Bevölkerung und der Mitmenschen hat es nicht oder nur in wenigen Ausnahmefällen gegeben. Es war eine Diskriminierung, die nur sehr schwer zu verkraften ist. “

1934 wurde das Sterilisierungsgesetz heftig in der Öffentlichkeit diskutiert und fand in weiten Kreisen Zustimmung. Die Kirche zeigte sich zunächst als rigoroser Gegner der zwanghaften Verhütungsmaßnahme und teilte den Gläubigen mit, dass es verboten sei, sich freiwillig sterilisieren zu lassen oder die Sterilisierung eines anderen zu beantragen. Doch nachdem nicht auf ihre Forderungen eingegangen wurde passte sich auch diese an und Anstalten wie die Innere Mission (Diakonisches Werk) beteiligten sich sogar eifrig. 1935 kamen noch zwei weitere Gesetze hinzu. Das Eine erlaubte die Schwangerschaftsunterbrechung bei erbkranken Frauen bis zum 6. Monat, das andere war das „Ehe-Gesundheitsgesetz“ und verbot die Eheschließung in bestimmten Krankheitsfällen. Ebenfalls im gleichen Jahr häuften sich die Todesfälle infolge der Sterilisation und es stieg die Zahl der Selbstmorde an. Dies allein genügte den Nationalsozialisten jedoch nicht, da erst nach Generationen wirkliche Resultate zu erwarten waren. Bis Kriegsausbruch wurde den Zwangssterilisierungen daher immer weniger Beachtung geschenkt und Hitler veranlasste am 01.09.1939 schließlich den Sterilisierungsstopp. Stattdessen sorgte er nun für die Vorantreibung der weitergehenden Maßnahme der Euthanasie, von der auch bereits Zwangssterilisierte nicht verschont blieben.

Zwischen Januar 1934 und Mai 1945 wurden an die 400.000 Menschen zwangsweise unfruchtbar gemacht. 5.000-6.000 der Sterilisations-Opfer (also mehr als 1 Prozent) starben an den Folgen der Operation, die von den NS- Gesundheitsbehörden als harmloser Eingriff hingestellt wurde. 90% davon waren Frauen. In Österreich hatte die „Aktion“ ein geringeres Ausmaß (von 5000 Zwangssterilisierten), da zu diesem Zeitpunkt bereits die Euthanasie praktiziert wurde. Insgesamt gab es bis 1945 zwischen 250.000 und 300.000 Menschen, die jenes entwürdigende Schicksal erfuhren.

Quellenverzeichnis:

Internet

http://www.theo-physik.uni-kiel.de:81/~starrost/akens/texte/demgesch/heesch.html http://www.frauennews.de/themen/kriegsmittel/kriegsm55.htm http://www.vvn-bda.de/stade/zwang.htm

http://www.dielebenshilfe.at

http://www.psychiatrie-erfahrene.de/eigensinn/bilder_tumarkin/alexander_meschnig.htm http://www.irren-offensive.de/hamburg.htm

http://www.doew.at/thema/thema_alt/wuv/euthwid/koenigsegg.html#Zwangssterilisierung http://www.puhli.de/uni/papers/kircheim3reich/

http://www.jugendstiltheater.co.at/neugebauer%2011.1.96.htm

http://www.parlament.ch/afs/data/d/gesch/1999/d_gesch_19990451.htm http://www.wissen.swr-online.de/sf/begleit/bg0030/bg_ns05a.htm http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/Xyz.htm#Zwangssterilisation http://bbeo1.charite.de/asamans/k4.htm

http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~wsgn1/pageH6referat.html

Literatur

“Eugenik Sterilisation Euthanasie - Politische Biologie in Deutschland 1895 - 1945“ (Kaiser / Nowak / Schwartz)

“Sozialdarwinismus, Rassenhygiene, Zwangssterilisation und Vernichtung ‚lebensunwerten’ Lebens“

(Christoph Beck)

„Zwangssterilisation im Nationalsozialismus“ (Gisela Bock)

„Euthanasie im NS-Staat“ (Ernst Klee)

„In Sachen Eva D.“ (Udo Weinbörner)

Anhang:

„...gibt es kein gleiches Recht für alle.

Der Hochwertige hat das Recht, gefördert zu werden, der Minderwertige hat es nicht.“

A. Hitler „Mein Kampf“

(Es) gibt nur ein heiligstes Menschenrecht, und dieses Recht ist zugleich die heiligste Verpflichtung, nämlich: dafür zu sorgen, dass das Blut rein erhalten bleibt, um durch die Wahrung des besten Menschentums die Möglichkeit einer edleren Entwicklung dieser Wesen zu geben. Ein völkischer Staat wird darum in erster Linie die Ehe aus dem Niveau einer dauernden Rassenschande herauszuheben haben (Die) Ehe ist berufen, Ebenbilder des Herrn zu zeugen und nicht Missgeburten zwischen Menschen und Affen.“

(Hitler, Adolf: Mein Kampf. München 1925, S. 468)

Statistik:

Fin de l'extrait de 6 pages

Résumé des informations

Titre
Zwangssterilisation im Nationalsozialismus
Auteur
Année
2002
Pages
6
N° de catalogue
V106193
ISBN (ebook)
9783640044726
Taille d'un fichier
415 KB
Langue
allemand
Mots clés
Zwangssterilisation, Nationalsozialismus
Citation du texte
Maren Dembeck (Auteur), 2002, Zwangssterilisation im Nationalsozialismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106193

Commentaires

  • invité le 5/3/2005

    Woher kommt die Statistik?.

    hi,

    aus welcher Quelle kommt denn die Statistik am Ende?

    cu
    Stephan

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