Schulsozialarbeit bei Grundschüler_innen mit Förderanspruch in der sozialen-emotionalen Entwicklung. Möglichkeiten und Grenzen

Unter besonderer Berücksichtigung der tiergestützten Pädagogik


Thèse de Bachelor, 2021

60 Pages, Note: 2,0

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sozial-emotionale Entwicklung von Kindern im Grundschulalter
2.1. Aktuelle Lebenslage von Grundschülern
2.2. Entwicklungsaufgaben und ihre Bedeutung für die sozial­emotionale Entwicklung
2.2.1. Soziale Kompetenzen
2.2.2. Emotionale Kompetenzen
2.2.3. Zur Verbindung sozial-emotionaler Entwicklung
2.3. Mögliche Auswirkungen sozial-emotionaler Auffälligkeiten in der Grundschule
2.4. Grundschule als Sozialisationsinstanz

3. Schulsozialarbeit
3.1. Definition und Ziele
3.2. Zielgruppen
3.2.1. Schüler - Kinder und Jugendliche
3.2.2. Erziehungsberechtigte sowie andere erwachsende Bezugspersonen
3.2.3. Lehrkräfte und Schulleitung
3.3. Rahmenbedingungen
3.3.1. Personelle Bedingungen
3.3.2. Trägerbezogene Bedingungen
3.3.3. Räumliche Bedingungen
3.3.4. Materielle Bedingungen
3.3.5. Organisatorische Bedingungen
3.3.6. Rechtliche Bedingungen
3.3.6.1. § 1 SGB VIII: Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe
3.3.6.2. § 2 SGB VIII Aufgaben der Jugendhilfe
3.3.6.3. § 11 SGB VIII Jugendarbeit
3.3.6.4. § 13 SGB XIII Jugendsozialarbeit
3.3.6.5. § 14 SGB VIII Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz
3.3.6.6. § 80 SGB VIII Jugendhilfeplanung und § 81 SGB VIII Strukturelle Zusammenarbeit mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen
3.4. Angebote und Kernaufgaben
3.5. Lebensweltorientierte Schulsozialarbeit
3.6. Schulsozialarbeit als Kooperationsfeld zwischen Schule und Kinder- und Jugendhilfe

4. Tiergestützte Pädagogik (Animal-Assisted Education, AAE)
4.1. Definition und Ziele
4.2. Mensch-Tier-Beziehung
4.2.1. Theoretische Modellvorstellungen
4.2.1.1. Biophilie
4.2.1.2. Du-Evidenz
4.2.1.3. Sozialer Katalysator
4.2.1.4. Bindungstheoretische Überlegung
4.3. Effekte von Tieren auf die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern
4.4. Potenzielle Risiken bei tiergestützten Interventionen
4.5. Auswahl eines geeigneten Tieres zur tiergestützten Pädagogik an Grundschulen
4.6. Sonderstellung Hund
4.7. Hundegestützte Pädagogik

5. Konzeptionelle Überlegungen zur Förderung der sozial­emotionalen Entwicklung von Grundschülern in der Schulsozialarbeit 36
5.1. Zielentwicklung
5.2. Methoden
5.2.1. Einzelfallhilfe
5.2.2 Soziale Gruppenarbeit
5.2.3. Elternarbeit

6. Besondere Berücksichtigung der hundegestützten Pädagogik
6.1. Voraussetzungen
6.1.1. Organisatorisch
6.1.2. Hygiene und Gesundheit
6.1.3. Regeln im Umgang mit dem Schulhund
6.2. Einsatzformen des Schulhundes
6.3. Wirkungserwartung unter Zuhilfenahme des Hundes bei der Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung

7. Möglichkeiten und Grenzen der Schulsozialarbeit zur

Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung von Grundschülern unter der besonderen Berücksichtigung der hundegestützten Pädagogik

Literaturverzeichnis

Internet-Link-Literaturliste

Vorbemerkung

Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.

1. Einleitung

Das Erwerben von sozialen und emotionalen Kompetenzen gehört zu den wichtigsten Entwicklungsaufgaben von Kindern. Soziale und emotionale Kompetenzen befähigen sie dazu, mit ihren eigenen und den Gefühlen anderer angemessen umzugehen, mit anderen zu kooperieren und in sozialen Bezügen handlungsfähig und selbstständig zu werden (vgl. Jungmann, Koch & Schulz 2018, S. 9). Dabei ist die Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen nicht nur die Grundlage für psychosoziale Gesundheit, sondern auch für die schulische Laufbahn von großer Bedeutung. Jedoch wachsen Kinder heutzutage in einer globalisierten, mediendurchtränkten Konsumgesellschaft auf (vgl. Hengst 2013, S. 11), welche durch stetig wachsende soziale Ungleichheit geprägt ist. Angesichts dieser gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen sich immer häufiger enorme Unterschiede in der sozialen und emotionalen Entwicklung, welche die Schuleinrichtungen vor große Herausforderungen stellen. Hier bietet Schulsozialarbeit enormes Potenzial, um an die unterschiedlichen Entwicklungsvoraussetzungen der Kinder anzuknüpfen und ihrem Anspruch auf Förderung der sozialen und emotionalen Entwicklung gerecht zu werden. Da Studien zeigen, dass die pädagogische oder therapeutische Arbeit von tierischen Einsätzen profitieren kann, wird in dieser Arbeit im Besonderen ergänzend der mögliche Einfluss von tiergestützter Pädagogik berücksichtigt, um herauszufinden, welchen Beitrag der Einsatz von Tieren, insbesondere Hunden, im Rahmen der Schulsozialarbeit zur Unterstützung der sozialen und emotionalen Entwicklung von Grundschulkindern leisten kann.

Diese Arbeit versucht aufzuzeigen, welche Möglichkeiten und Grenzen die Schulsozialarbeit unter besonderer Berücksichtigung der tiergestützten Pädagogik im Hinblick auf die Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung von Grundschulkindern hat.

Dafür wird zunächst die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern im Grundschulalter erörtert und es wird die Verbindung zur Institution Schule hergestellt. In diesem Zusammenhang wird anschließend das Aufgabenfeld Schulsozialarbeit vorgestellt. Darauffolgend wird die tiergestützte Pädagogik und ihr Potenzial zur Entwicklungsförderung sozialer und emotionaler Kompetenzen erläutert. Infolgedessen wird auf die Sonderstellung des Hundes eingegangen und die Eignung von Hunden im Einsatz in der Schulsozialarbeit an Grundschulen verdeutlicht.

Im praktischen Teil der Arbeit werden zunächst die Ziele zur Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung dargestellt. Im Hinblick auf die zu erreichenden Ziele werden im Anschluß mögliche Übungen und Angebote im Rahmen einiger Aufgabenbereiche von Schulsozialarbeit aufgezeigt. Darauf folgt eine spezifische Auseinandersetzung mit den Vorraussetzungen der hundegestützten Pädagogik und inwiefern der praktische Einsatz eines Schulhundes in der Schulsozialarbeit die soziale und emotionale Entwicklung fördern kann.

Danach werden die Möglichkeiten und Grenzen der Schulsozialarbeit zur Förderung der sozialen und emotionalen Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der hundegestützten Pädagogik dargestellt .

Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit in einem Fazit zusammengetragen.

2. Sozial-emotionale Entwicklung von Kindern im Grundschulalter

2.1. Aktuelle Lebenslage von Grundschülern

Durch die kontinuierlich sinkende Geburtenquote und die Entwicklung kindlicher Lebensräume, kommt es, besonders in Städten, zu „Vereinzelungen“ der Kinder. Dies geht mit einem Verlust der sozialen Erfahrung mit beispielsweise Geschwistern oder Nachbarschaftsfreunden einher. Hinzu kommt, dass immer mehr Kinder in schwierigen Familiensituationen aufwachsen. Steigende Scheidungsquoten, mehr alleinerziehende Elternteile und Armut führen unter anderem dazu, dass ein großer und ständig wachsender Teil von Kindern unter ökonomisch, sozial und psychosozial äußerst prekären Bedingungen aufwachsen (vgl. Greiffenhagen & Buck-Werner 2015, S. 69ff.).

Studien zeigen zudem, dass Kinder sich immer weniger draußen aufhalten. So spielen beispielsweise 51% der Stadtkinder nur noch im Haus (vgl. ebd.). Ein Grund hierfür ist die zunehmende Digitalisierung der Welt und der damit verstärkt einhergehende Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu einer zunehmenden Bewegungsarmut, die unter anderem zu Aggressivität, Gewalt und Übergewicht führen kann (vgl. ebd.). Zudem verschwinden Kinder durch die „Verhäuslichung“ aus dem öffentlichen Raum und verlieren ihren ursprünglichen Zugang zur Natur (vgl.ebd.).

Mit der Einschulung macht das Kind dann oft den ersten Schritt in das Erwachsenenleben. Dieser ist mit unausweichlichen Anforderungen, wie festen „Dienstzeiten“, „Urlaub“ (Ferien), Aufgaben und Hausaufgaben verbunden. Die geforderten Aufgaben müssen zu einer vorgegebenen Zeit erledigt werden und werden im Anschluss bewertet.

Des Weiteren wird in weitgehend willkürlich zusammengestellten Gruppen (Klassen) gearbeitet (vgl. Petermann et al. 2016, S. 7). Dies alles stellt für die Kinder, besonders am Anfang ihrer Schulzeit, eine besondere Herausforderung dar.

2.2. Entwicklungsaufgaben und ihre Bedeutung für die sozial­emotionale Entwicklung

Die Entwicklung individueller und sozialer Kompetenzen zählt neben der intellektuellen Bildung zu den zentralen Entwicklungsaufgaben von Kindern in der sogenannten „mittleren Kindheit“ im Alter zwischen circa sechs bis elf Jahren (vgl. Jungmann, Koch & Schulz 2018, S. 9).

Eine besonders wichtige Entwicklungsaufgabe besteht darin, Kompetenzen zu entwicklen, die Kinder dazu befähigen, in sozialen Interaktionen selbstständig und handlungsfähig zu agieren, mit den eigenen Gefühlen und denen der anderen angemessen umzugehen und mit anderen kooperieren zu können (vgl. ebd.).

Laut Abe und Izard (1999) findet die vollständige Entwicklung der bewussten Emotionen im mittleren bis späten Kindesalter (ca. sechstes bis zwölftes Lebensjahr) statt. Dabei entwickeln die Kinder Fähigkeiten, die es ermöglichen, soziale Vergleiche anzustellen und die Gedanken und Gefühle anderer zu verstehen (vgl. Kullik & Petermann 2012, S. 18). Zudem entwickeln sie „ein fundiertes Selbstkonzept, können sich selbst mithilfe von Eigenschaften beschreiben, und sind schließlich in der Lage, die bewussten Emotionen begrifflich zu erfassen“ (ebd.).

Da Menschen soziale Wesen sind, ist zur Entwicklung einer Identität der Kontakt und die Abgrenzung zu anderen Menschen notwendig. Dies bedeutet mit den Bedürfnissen und Wünschen anderer konfrontiert zu werden und zu lernen, sie in dem eigenen Verhalten zu berücksichtigen. Um dieses Gleichgewicht herzustellen, benötigen Kinder emotionale und soziale Kompetenzen (vgl. Jungmann, Koch & Schulz 2018, S.11).

2.2.1. Soziale Kompetenzen

„Soziale Kompetenz ist die Fähigkeit, in sozialen Situationen seine Ziele zu erreichen und Bedürfnisse zu befriedigen und gleichzeitig die Ziele und Bedürfnisse anderer zu berücksichtigen“ (Perren et al. 2016, S.91).

Die sozialen Kompetenzen („social skills“) basieren auf drei Persönlichkeitsgrundlagen (vgl. Dehu, Brettner & Freiberger 2015, S. 5):

- Genetischer Faktor
- Persönliches Umfeld
- Erfahrungen

Um soziale Kompetenz zu entwickeln und somit sozial kompetent handeln zu können, müssen Kinder über eine Reihe von verschiedenen Fähigkeiten verfügen. Cardella und Merrell (1997) unterscheiden folgende fünf Bereiche der sozialen Kompetenz (vgl. Petermann et al. 2007, S. 20):

- Fähigkeit zur Bildung positiver Beziehungen zu Gleichaltrigen (u.a. Empathie, Selbst- und Fremdwahrnehmung)
- Selbstmanagement (u.a. Emotionsregulation)
- schulbezogene Kompetenzen (u.a. Anweisungen des Lehrers befolgen)
- kooperative Kompetenzen (u.a. soziale Regeln akzeptieren, Kritikfähigkeit)
- positive Selbstbehauptung und Durchsetzungsfähigkeit (u.a. für sich und andere einstehen können)

2.2.2. Emotionale Kompetenzen

Im Laufe der Zeit wurden diverse Konzepte zur emotionalen Kompetenz entwickelt (vgl. Petermann, Wiederbusch 2016, S. 14).

Saarni (1999) (vgl. ebd.) entwickelte ein weithin anerkanntes Konzept, welches die emotionale Kompetenz besonders im Hinblick auf ihren Nutzen für die sozialen Interaktionen beschreibt. Dabei werden acht emotionale Schlüsselfertigkeiten benannt, die stark vom familiären und kulturellen Umfeld in der kindlichen Entwicklung geprägt werden (vgl. Petermann, Wiederbusch 2016, S. 15f.):

1. Die Fähigkeit, sich seiner eigenen Emotion bewusst zu sein.
2. Die Fähigkeit, die Emotionen anderer wahrzunehmen und zu verstehen.
3. Die Fähigkeit, über Emotionen zu kommunizieren.
4. Die Fähigkeit zur Empathie.
5. Die Fähigkeit zur Trennung von emotionalem Erleben und emotionalem Ausdruck.
6. Die Fähigkeit, mit negativen Emotionen und Stresssituationen umzugehen.
7. Die Fähigkeit, sich der emotionalen Kommunikation in sozialen Beziehungen bewusst zu sein.
8. Die Fähigkeit zur Selbstwirksamkeit.

Die Schlüsselfertigkeiten orientieren sich an empirischen Befunden zur emotionalen Entwicklung und können daher noch um weitere Fähigkeiten ergänzt werden (vgl. ebd.).

Weiterhin nennen Petermann und Wiedebusch (2016) folgende Aspekte, um den Begriff der emotionalen Kompetenz zusammenzufassen:

- „den eigenen mimischen Ausdruck von Emotionen,
- das Erkennen des mimischen Emotionsausdruck anderer,
- den sprachlichen Emotionsausdruck,
- das Emotionswissen und - verständnis und
- die selbstgesteuerte Emotionsregulation“ (Petermann & Wiedebusch 2016, S. 20).

Dabei gilt es zu beachten, dass nicht der Erfolgsfaktor (z.B. schulischer Erfolg) das Ziel emotionaler Kompetenz sein sollte, sondern die Schaffung eines geistigen, körperlichen und sozialen Wohlbefinden des Kindes, aus dem die Entwicklung einer widerstandsfähigen, selbstaufmerksamen und beziehungsfähigen Persönlichkeit resultierten kann, die den Anforderungen des Lebens gewachsen ist (vgl. Schellknecht 2007, S. 27).

2.2.3. Zur Verbindung sozial-emotionaler Entwicklung

Der Erwerb sozialer Fertigkeiten setzt ein breites Spektrum an sozial­kognitiven und emotionalen Kompetenzen voraus. Kindern mit Defiziten im Sozialverhalten mangelt es beispielsweise häufig an geeigneten Emotionsregulationsstrategien. Die Fähigkeit zur Entwicklung von Emotionsregulationsmustern geht wiederum eng mit Fähigkeit zur Aufmerksamkeits- und Verhaltenssteuerung einher (vgl. Petermann et al. 2016, S.13). Das sozial kompetentes Handeln in vielen Situationen emotionale Kompetenzen erfordert, bedeutet aber nicht, dass der Begriff „soziale Kompetenz“ durch diese hinreichend definiert wird (vgl. Paier 2018, S. 6), denn darüberhinaus beinhalten soziale Kompetenzen „implizites und explizites Wissen, analytisch-reflexive Kompetenzen und handlungs­bezogene Kompetenzen für die Ausführung und Kontrolle von Interaktion und Kommunikation“ (Wittmann 2005, S. 55; zitiert in ebd.). Somit weisen soziale Kompetenzen neben der emotionalen Dimension, eine wissensbezogene, eine analytisch-reflexive sowie eine handlungsbezogene Dimension auf (vgl. ebd.).

Wenn im Zuge der Arbeit von sozialer Kompetenz, sozialen Fähigkeiten oder Sozialverhalten gesprochen wird, werden die emotionalen Kompetenzen als mit eingeschlossen betrachtet.

2.3. Mögliche Auswirkungen sozial-emotionaler Auffälligkeiten in der Grundschule

Oft können Defizite in der sozialen und emotionalen Entwicklung bereits im Kindergarten beobachtet werden. Diese werden häufig (ungewollt) durch das soziale Bezugsfeld des Kindes bestärkt. Dies führt dazu, dass bestimmte emotionale und soziale Fertigkeiten nicht ausreichend oder garnicht entwickeln werden können (vgl. Petermann et al. 2016, S. 13).

Kinder, die Defizite innerhalb der sozialen und emotionalen Kompetenzen aufweisen, erleben im Grundschulalltag oft Auseinandersetzungen mit beispielsweise Klassenkollegen, Lehrern oder Betreuern. Dies kann zu einer ablehnenden Haltung gegenüber dem System Schule führen und geht oft mit verminderter Motivation im Hinblick auf die schulische Leistung einher. Zudem kann die starke emotionale Belastung Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben. Das Kind kann sich schlechter konzentrieren, muss mehr Energie zur Aneignung der Lerninhalte aufbringen und erzielt häufig dennoch schlechte Resultate. Im schlimmsten Fall kann es zu einer völligen Schulunlust und -verweigerung kommen (vgl. Dehu, Brettner & Freiberger 2015, S. 26). Um dies im besten Falle präventiv zu vermeiden, soll ungünstiges Sozialverhalten durch das Einüben von positivem Sozialverhalten reduziert oder ersetzt werden (vgl. Petermann et al. 2016, S 13).

2.4. Grundschule als Sozialisationsinstanz

Die Ergebnisse der Kindheits-, Sozialisations- und Familienforschung zeigen, dass die familiären und außerfamiliären Ressourcen auf die Entwicklung von Kindern einwirken und eine Vielzahl von intervenierenden Variablen (z.B. Erziehungsstil, soziale Kompetenz, elterliche Problembewältigungs- und Alltagskompetenz, Rolle der Mutter und des Vaters, Nutzung von sozialen Einrichtungen) beinhalten, welche die Entstehung der Ressourcen und Kompetenzen des Kindes beeinflussen (vgl. Holz, Skoluda 2013, S. 41). Ebenso müssen außerfamiliäre Förderangebote und Sozialisationsinstanzen wie Kita und Schule als entscheidende Einflussfaktoren betrachtet werden, die durch ihre Arbeitsansätze, die beispielsweise durch die Qualität ihrer Aktivitäten oder dem Angebotsspektrum die Kinder gezielt fördern und stärken können, Schutzfaktoren für eine positive kindliche Entwicklung sein können (vgl. ebd.).

Miller und Velten (2015) nennen die Stärkung von personalen und sozialen Ressourcen als Zielperspektive bzw. Bildungsergebnis von Grundschulen. Zudem ist in Bezug „auf Chancengleichheit und inklusive Bildungsprozesse insbesondere die Entwicklung von persönlichen und sozialen Ressourcen von Grundschulkindern zu betrachten und als Anknüpfungspunkt grundschulpädagogischer Unterstützung sowie der Unterrichts- und Schulentwicklung mit dem Ziel der Förderung personaler und sozialer Ressourcen der Grundschulkinder zu deuten“ (Miller, Velten 2015, S. 18).

Auch die Einrichtung und Weiterentwicklung von Ganztagsschulen kann durch die stärkere Einbindung anderer Lehrformen und Bildungsakteure die Integration von sozialer Benachteiligung und den Abbau herkunftsbedingter Bildungsungleichheiten fördern (vgl. Miller, Velten 2015, S. 117). Die Ganztagsschule stellt hierbei auch die Lösung für den gesteigerten Bedarf an Betreuung außerhalb der Familien dar und hat unter anderem das Leitziel , soziales Lernen über Heterogenitätsdimensionen hinweg zu ermöglichen (vgl. Burk & Deckert-Peacemann 2006; in Miller & Velten 2015, S. 117).

Der Erwerb von sozialen Kompetenzen ist oftmals unter dem Begriff des Sozialen Lernens als ausdrückliches Ziel in das Schulprogramm und die Schulentwicklung der Bundesländer eingebunden (vgl. Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule 2021a).

Der Bildungsserver der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg beschreibt Soziales Lernen als „[...] ein weites Feld von Einstellung, Werten und Verhaltensweisen [...]“, die „[...] autonomes Lernen fördern, im Unterricht Kommunikation herstellen und Teamfähigkeit stärken“, um „[.] in altersgerechter Form, Probleme zu definieren, zu bearbeiten und den Erfolg zu kontrollieren“ (Herrmann, Elke 2021). Der Schule wird hierbei nur eine begleitende Funktion zugesprochen, da die sozialen Fähigkeiten primär in der Familie erlernt werden sollten. Trotzdem muss Schule auch oftmals die familiären Anteile des Sozialen Lernens mit übernehmen (vgl. Herrmann, Elke 2021).

Aufgrund der verstärkten Fokussierung Sozialen Lernens in der Schulpädagogik wurde das Training der sozialen Kompetenzen an Schulen auch für die Sozialpädagogen und Sozialarbeiter zu einem zentralen Handlungskonzept (vgl. Gastinger & Lachat 2012, S. 72f.).

3. Schulsozialarbeit

3.1. Definition und Ziele

Seit Beginn der 1970er Jahre wird Schulsozialarbeit als Aufgabenfeld der Jugendhilfe aufgebaut und stetig weiterentwickelt.

In diesem Bereich arbeiten Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen in der Institution Schule. Das Ziel der Schulsozialarbeit sieht Speck (2006) darin, „junge Menschen in ihrer individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung zu fördern, dazu beizutragen, Bildungsbenachteiligung zu vermeiden und abzubauen, Erziehungsberechtigte und Lehrer bei der Erziehung und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz zu beraten und zu unterstützen sowie zu einer schülerfreundlichen Umwelt beizutragen“

(Speck 2006; zitiert in Kilb & Peter 2009, S. 112).

Um diese Zielsetzung erreichen zu können, muss sich Schulsozialarbeit weder als ein Reparaturbetrieb des Systems Schule sehen, noch als eine Art von Feuerwehr verstehen, die nur auf aktuelle tagespolitische Ereignisse reagiert. Vielmehr ist es wichtig, dass sie aus einem gut fundierten fachlichen Selbstverständnis heraus agiert (vgl. Kilb & Peter 2009, S. 112).

3.2. Zielgruppen

3.2.1. Schüler - Kinder und Jugendliche

Schulsozialarbeit richtet sich in erster Linie an alle Kinder und Jugendliche einer Schule. Dabei gilt die Erreichung, Unterstützung und Förderung benachteiligten und beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen als besonders bedeutend.

Die Heterogenität dieser Zielgruppe stellt sicherlich eine der größten Herausforderungen eines Sozialarbeiters dar. So unterscheidet sich die Arbeit mit den Adressaten je nach Schulart, Schulform, Alter und weiterer Faktoren ungemein (vgl. Gastinger & Lachat 2012, S. 22).

3.2.2. Erziehungsberechtigte sowie andere erwachsende Bezugspersonen

Kinder und Jugendliche sind immer Teil einer Familie oder eines familienähnlichen Systems mit erwachsenen Bezugspersonen. Diese müssen bei der Schulsozialarbeit immer mitbedacht und aktiv mit einbezogen werden. So sollten Erziehungsberechtigte über Hilfsangebote informiert sowie in Erziehungsfragen unterstützt und beraten werden. Auch sollten sie so oft wie möglich als Erziehungspartner in der Ausgestaltung einzelner Angebote der Schulsozialarbeit beteiligt sein (vgl. Gastinger & Lachat 2012, S. 22f).

3.2.3. Lehrkräfte und Schulleitung

Lehrer und Schulleiter sind sowohl die wichtigsten Kooperationspartner als auch Zielgruppen von Schulsozialarbeit. So werden „Viele Angebote [...], besonders im Aufgabenfeld sozialpädagogischer Gruppenarbeit, Projekte und Arbeit mit Schulklassen,[...] gemeinsam mit Lehrern geplant und durchgeführt“ (Gastinger & Lachat 2012, S. 23).

Speck (2009) fasst die Aufgaben und Ziele wie folgt zusammen:

- „LehrerInnen für die Sichtweisen und Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen und sozialpädagogische Fragestellungen sensibilisieren,
- LehrerInnen über konkrete Unterstützungsmöglichkeiten sowie Kooperationspartnern bei den sozialen Einrichtungen und Diensten vor Ort informieren,
- LehrerInnen in Bezug auf sozialpädagogische Themen (z.B. Präventionskonzepte, Elternarbeit) beraten und fortbilden,
- LehrerInnen konkrete fachliche Anregungen für die Verringerung und Bewältigung von akuten Problemen von SchülerInnen und in Klassen bieten und schließlich
- als Vermittler und Berater bei Konflikten zwischen Lehrern und Schülern agieren.“

(Speck 2009; zitiert in Gastinger & Lachat 2012, S. 23)

3.3. Rahmenbedingungen

Das Wirken von Schulsozialarbeit hängt von den Rahmenbedingungen der jeweiligen Standorte ab. Diese stellen sich innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich dar.

Der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit und die Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule (NRW) halten die in den folgenden Kapiteln beschriebenen Rahmenbedingungen für eine qualifizierte Schulsozialarbeit unabdingbar.

3.3.1. Personelle Bedingungen

Schulsozialarbeit sollte von einer Fachkraft mit abgeschlossenem Hochschulabschluss der Sozialen Arbeit oder Pädagogik erfolgen. Die Fachkraft sollte grundlegende Kenntnisse über das System Schule haben, sowie persönliche Kompetenzen wie beispielsweise die Fähigkeit zum Ausbalancieren unterschiedlicher Interessen, Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit, Empathie und Leitungskompetenz verfügen (vgl. Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule 2021b). Auch sollten kontinuierliche Praxisreflexionen (u.a. Supervision, kollegiale Beratung) erfolgen und Angebote zur Fort- und Weiterbildung wahrgenommen werden. Die Tätigkeit in der Schulsozialarbeit sollte unbefristet sein (vgl. Kooperationsverbund Schulsozialarbeiter, S. 12) und die Entlohnung sollte sich an der von Lehrkräften orientieren (vgl. ebd.).

3.3.2. Trägerbezogene Bedingungen

Der Träger erstellt ein Konzept zur Schulsozialarbeit und benennt eine Person für die fachliche Begleitung der Fachkräfte für Schulsozialarbeit. Die Schulsozialarbeit muss evaluiert und dokumentiert sein (vgl. Qualitäts­und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule 2021b).

3.3.3. Räumliche Bedingungen

Für die Durchführung von Angeboten, Beratungen und der Dokumention von Arbeitsprozessen wird ein geeigneter Raum benötigt. Zudem müssen für Spiel, Ruhe, Eigengestaltung, Bewegung und Kreativität geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Weiterhin sollte das Außengelände entsprechend gestaltet sein bzw. gemeinsam gestaltet werden dürfen. Der Zugang zu den schulischen Räumen sollte unabhängig vom Schulbetrieb und den Ferienzeiten gewährleistet sein (vgl. Kooperationsverbund Schulsozialarbeiter, S. 12).

3.3.4. Materielle Bedingungen

Ein eigenes finanzielles Budget für Arbeitsmaterial und angebotsbedingte Ausgaben ist unerlässlich (vgl. Kooperationsverbund Schulsozialarbeiter, S. 12).

3.3.5. Organisatorische Bedingungen

Die ausführende Fachkraft der Schulsozialarbeit sollte in das System und die Teamstrukturen der Schule eingebunden werden. Zudem sollte sie nach Absprache an erweiterten Schulleitungssitzungen teilnehmen und regelmäßig Gespräche mit der Schulleitung führen (vgl. Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule 2021b).

3.3.6. Rechtliche Bedingungen

Als Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe gelten für die Schulsozialarbeit in erste Linie die rechtlichen Bestimmungen wie für andere Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe auch - insbesondere das Sozialgesetzbuch Achtes Buch (Kinder- und Jugendhilfe) - SGB VIII (vgl. Gastiger & Lachat 2012, S. 24) sowie die geltenden Schulgesetze der jeweiligen Bundesländer.

Die Paragrafen des SGB VIII, die für die Schulsozialarbeit eine besondere Relevanz haben, werden im Folgenden dargestellt und erläutert.

3.3.6.1. § 1 SGB VIII: Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe

Dieser Paragraf dient beispielsweise im Zusammenhang mit §11 SGB VIII dazu, den eigenständigen Bildungsauftrag für die Kinder- Jugendhilfe abzuleiten (vgl. Gastiger &Lachat 2012, S. 25).

Gastier und Lachat (2012) sprechen besonders dem Abs. 1 eine „sozialpädagogische Leitbildfunktion“ zu, die für die Träger von Jugendhilfe im Allgemeinen und von Schulsozialarbeitern im Besonderen abgeleitet werden kann.

Für Münder et al. (2003) bedeutet diese Gesetzesformulierung (§1 Abs. 1 SGB VIII) unter anderem, dass sich sozialpädagogische Arbeit an den Menschen in ihren Lebenslagen orientiert. Diese Lebenslagen gilt es akzeptieren. Weiterhin sollten Potenziale und Erfahrungen positiv genutzt werden, um die Entwicklung einer selbständigen und selbstbewussten Persönlichkeit zu fördern (vgl. ebd.).

§1 Abs. 3 SGB VIII verdeutlicht, dass die Jugendhilfe Lebensbedingungen aktiv gestalten sollte, anstatt nur auf sie zu reagieren (vgl. ebd.).

3.3.6.2. § 2 SGB VIII Aufgaben der Jugendhilfe

Dieser Paragraf beinhaltet Aufgaben und Leistungen der Jugendhilfe. Er scheint für die Einordnung als Rechtsordnung im Kontext Schulsozialarbeit sinnvoll, stellt jedoch keine eigene Rechtsgrundlage dar (vgl. Gastiger & Lachat 2012, S. 25f.).

Da für die Schulsozialarbeit kein eigener Leistungsparagraf besteht, verweisen Gastiger und Lachat (2012) auf Speck (2009), der sich mit der „möglichen Einführung einer eigenen Norm für die Schulsozialarbeit“ (Gastiger & Lachat 2012, S. 26) beschäftigt und einen Formulierungsvorschlag für eine solche Rechtsnorm bietet (vgl. ebd.).

[...]

Fin de l'extrait de 60 pages

Résumé des informations

Titre
Schulsozialarbeit bei Grundschüler_innen mit Förderanspruch in der sozialen-emotionalen Entwicklung. Möglichkeiten und Grenzen
Sous-titre
Unter besonderer Berücksichtigung der tiergestützten Pädagogik
Université
Protestant University of Applied Sciences Rheinland-Westfalen-Lippe
Note
2,0
Année
2021
Pages
60
N° de catalogue
V1064389
ISBN (ebook)
9783346476159
ISBN (Livre)
9783346476166
Langue
allemand
Mots clés
Tiergestützte Pädagogik, Schulsozialarbeit, Sozial- emotionale Entwicklung, Grundschulkinder, Grundschüler, hundegestützte Pädagogik, Soziale Arbeit, Kinder, Tiere, Grundschule, SozialarbeiterInnen, Soziale Gruppenarbeit, Einzelfallhilfe, Beratung
Citation du texte
Anonyme, 2021, Schulsozialarbeit bei Grundschüler_innen mit Förderanspruch in der sozialen-emotionalen Entwicklung. Möglichkeiten und Grenzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1064389

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