A. Stifter und J. Urzidil und ihre Erzählungen aus dem Böhmerwalde


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2000

21 Pages


Extrait


Inhalt

1. Anleitung .

2. Personen ..

3. Natur und Landschaft ..…

4. Themen und Motive

5. Erzählweise und Stil …..

6. Zusammenfassung ...

7. Anlagen …

8. Literatur …

1. Einleitung

In meiner Arbeit will ich zeigen, in wie weit Adalbert Stifter auf Johannes Urzidil gewirkt hatte, welche Züge ihres Werkes gleich und welche unterschiedlich sind. Diese beiden Autoren trennte voneinander ein ganzes Jahrhundert, sie schrieben über verschiedene Sachen; eines hatten sie aber gemeinsam - ihre Liebe zum Böhmerwalde. Stifter war hier aufgewachsen, Urzidil pflegte diese Gegend erst als Erwachsener oft zu besuchen. Für beide war der Böhmerwald eine der thematischen Quellen ihrer Erzählungen.

Stifters Erzählungen spielen oft in einer Gegend ab, die viele Merkmale des Böhmerwaldes aufweist; manche von ihnen sind namentlich in den Böhmerwald situiert. Ich habe vier Erzählungen von A. Stifter ausgewählt, die in den schönen Rahmen der Landschaft seiner Jugend eingespannt sind:Granit, Der beschriebene Tännling, Der HochwaldundDas Heidedorf.

Johannes Urzidil hatte auch vier seiner Geschichten im Böhmerwalde abspielen lassen, es sind:Der Trauermantel, Grenzland, Der letzte GastundWo das Tal endet.

2. Personen

Stifters Personen haben am meisten einen hohen moralen Kodex. Geht es um Bauerleute, Angehörige der mittleren Schicht oder um Adelige, immer handeln sie so, wie es ihrer Überzeugung nach am besten ist. Zum Beispiel der kleine Adalbert in der Erzählung Granitläßt sich die Beine mit Pech einschmieren, weil es ihm sehr interessant vorkommt, nicht um der Mutter Unordnung in der Küche zu machen; der Pechbrenner, wie in derselben Erzählung der Großvater erklärt, hatte wieder keine schlechte Absicht - Schmiere bildet seine ganze Welt, ihm kommt es nicht regelwidrig vor, jemandem damit die Beine einzuschmieren. "Aber siehst du, auch der alte Andreas, so übel wir seine Sache ansehen mögen, ist nicht so schuldig, als wir andern uns denken; denn woher soll denn der alte Andreas wissen, daß die Wagenschmiere für die Leute eine so schreckende Sache ist, und daß sie in einem Hause eine solche Unordnung anrichten kann; denn für ihn ist sie eine Ware, mit der er immer umgeht, die ihm seine Nahrung gibt, die er liebt, und die er sich immer frisch holt, wenn sie ihm ausgeht. Und wie soll er von gewaschenen Fußböden etwas wissen, da er Jahr aus Jahr ein bei Regen und Sonnenschein mit seinem Fasse auf der Straße ist, bei der Nacht oder an Feiertagen in einer Scheune schläft, und an seinen Kleidern Heu oder Halme kleben hat."

(Granit.In: Bunte Steine, S. 26)

Die Konflikte entstehen also nicht aus Anlaß einer negativen Figur, sondern mithilfe fremder Mittel, die Atmosphäre wird durch etwas Neues gestört. In der ErzählungDer Hochwaldtaucht Roland auf, was das friedliche Leben beider Schwestern am Plöckensteiner See ändert, nach seiner Abfahrt bleibt Unruhe in der Luft und wiederum ein Mißverständnis verursacht, daß aus einem Friedensversuch eine Schlacht wird, in der sowohl der Freiherr von Wittighausen als auch Rolland sterben.

Stifter verfolgt in den meisten seiner Erzählungen ein Bildungsideal, auch in seinen böhmerwäldischen Erzählungen finden wir erzieherische Merkmale in der Charakteristik mancher Gestalten, ein Paradebeispiel ist der Großvater imGranit, er weiß auf eine vorbildliche Weise dem Enkel all seine reichen und wertvollen Lebenserfahrungen zu übergeben; es gibt aber auch ein Selbstbildungsentwurf, und zwar Felix imHeidedorf, wo der Junge zuerst durch das Naturwahrnehmen und Beobachten seinen Horizont erweitert, dann geht er in die Welt, um auch dort Erfahrungen sammeln zu können: "Seine Erziehung hatte er vollendet, und was die Haide geben konnte, das hatte sie gegeben; der reife Geist schmachtete nun nach seinem Brote, dem Wissen, und das Herz nach seinem Weine, der Liebe." (Das

Heidedorf. In: Studien, S. 156) Der Felix, der nach langen Jahren heimkehrt, ist wiederum ein Muster und zwar dessen, wozu die Bildung führen sollte, wie ihr "Produkt" ausschauen soll. Die Personen sind generell nicht kompliziert, ihre Lebenseinstellungen, Eigenschaften und Ansichten ändern nur selten, sogar auch wenn es um Kinder geht, die später erwachsen.

Die Figuren in Urzidils böhmerwäldischen Erzählungen stammen am meisten aus einem Dorf, eine Ausnahme ist der Erzähler, in dem wir Urzidil persönlich erkennen können. Bei Urzidil finden wir keine "schwarzweißen" Personen, alle haben ihre Vor- und Nachteile, ihre Handlungsmotive sind verschieden. Dank dessen finden wir auch mehrere Menschentypen als bei Stifter. Es taucht sogar ein Narr auf , und ein Mädchen mit übernatürlichen Fähigkeiten. Dieses ist zugleich auch die bestbeschriebene Person im Rahmen der böhmerwäldischen Erzählungen. Es geht um Ottilie Stifter, sie wird sogar zum Thema der ErzählungGrenzland. Sie wird auf verschiedenen Ebenen beschrieben, vom Autor, mittels direkter Rede mit den Dorfeinwohnern, durch ihre Taten.

Bei Urzidils Personen läßt sich nicht so generalisieren wie bei Stifter. Urzidil schafft die Personen im Tone der Erzählung, manche von ihnen sind sogar authentisch, manche ausgedacht. Ottilia Stifter in der ErzählungGrenzlandwird zum Thema der ganzen Geschichte, ihr Charakter ist das wichtigste, das handlungstragende, alles geht davon aus. Die Figuren dienen Urzidil nicht dazu, ein Ideal zu bilden, sondern die Vielfalt und Komplexität des Lebens zu zeigen, ich glaube, er versucht sie Lebensnahe zu schaffen, wobei er aber nicht das Leben als etwas komplett Durchforschtes und Klares nimmt. Stifter dagegen, wie ich bereits erwähnt habe, bildet immer eher edle und hohe Charaktere, sie werden nie zum Thema der Erzählungen, der Charakter ist bei Stifter eher eine Voraussetzung, ein Grundstein, auf dem die Person weiter gebaut wird, es soll entwickelt werden. Felix wird zwar imHeidedorfauch zum Thema der Erzählung, aber nicht mehr nur sein Charakter, sondern auch das, was aus ihm durch seine Mühe und Bildung geworden ist.

3. Natur und Landschaft

Es wäre nicht Stifter, hätte er in seinen Erzählungen nicht die Natur beschrieben, sie spielt in seinem Werk allgemein eine große Rolle. An den Naturbeschreibungen in seinen böhmerwäldischen Erzählungen merkt man, wie wichtig diese Landschaft für Stifter war, welche zärtliche Liebe zur Natur hatte sich hier bei ihm ausgebildet. Stifter wollte lange Maler werden und man kann es in seinen Naturschilderungen spüren, wenn er schreibt, ist es, als würde er mit seinem Pinsel durch die Landschaft schwanken und mit leichten Strichen alles wesentliche festhalten; dazu weiß er noch die Stimmung zuzumalen. Seine Naturbeschreibungen sind nahezu didaktisch, ihnen fehlt keinerlei an Systematik und Ordnung. Die Szenerie öffnet sich dem Leser vor den Augen, als wäre er dort gewesen, diesen Effekt erzielt der Autor mithilfe zahlreicher scharfsinnigen Metaphern, Personifikationen und Vergleiche: " Rechts treibt die Seewand einen mächtigen Granitgiebel empor, Blockenstein geheißen; links schweift sie sich in ein sanftes Dach herum, von hohem Tannenwald bestanden, und mit einem grünen Tuche des feinsten Mooses überhüllet. Da in diesem Becken buchstäblich nie ein Wind weht, so ruht das Wasser unbeweglich, und der Wald und die grauen Felsen, und der Himmel schauen aus seiner Tiefe heraus, wie aus einem ungeheuern schwarzen Glasspiegel. … Oft entstieg mir ein und derselbe Gedanke, wenn ich an diesen Gestaden saß: - als sei es ein unheimlich Naturauge, das mich hier ansehe - tief schwarz - überragt von der Stirne und Braue der Felsen, gesäumt von der Wimper dunkler Tannen - drinn das Wasser regungslos, wie eine versteinerte Träne."(Der Hochwald. In: Studien, S. 185)

Urzidil beschreibt auch den Plöckensteiner See: "Ich ging durch das Hochtal hinüber in die Seewälder, von denen die Erzählungen berichten, und auf dem schmalen Steig um den See herum, der wie von einer Dornenkrone umschlossen ist von gestürzten weißgescheuerten Stämmen und wirren Wurzelstöcken; und stieg hinauf zu dem Obelisk der Erinnerung an jenen Menschen, der dort das Herz des Hochwalds schlagen hörte und das Herz aller Welt, sein eigenes Herz und das Herz Gottes. Ich hörte die großen Schlagwerke schlagen und hörte das Echo der Holzfällerschläge." (Grenzland. In: Der Trauermantel, S. 90) Für ihn ist also die Natur auch wichtig, aber ist mit ihr in zwei Sätzen fertig, an dieser Stelle erwähnt er Stifter, vielleicht weil er weiß, daß Stifters Beschreibungen des Sees so meisterhaft sind, daß man sie kaum noch überholen kann, Urzidil will sich darum nicht einmal bemühen.

Stifter behandelt die Natur als das Edelste, was der Mensch hat, wozu er sich weise und mit Verstand benehmen sollte. Ich glaube, hier war Stifter seiner Zeit weit voran, man könnte ihn als einen Vorläufer der Ökologen fassen. Urzidil verfolgt in diesem Sinne seine Spur, in seiner Zeit wird die Natur auch schon anders behandelt, man nimmt sie nicht mehr als etwas selbstverständliches, man fängt an, sie zu schätzen. (Die ErzählungenGrenzlandundWo das Tal endetentstammen übrigens den fünfziger Jahren, wann die ersten ökologischen Bewegungen entstehen.)

Wenn Stifter die Landschaft schildert, behilft er sich oft verschiedener Sagen, allerdings läßt er am meisten die Leute beiseite, seine Natur ist unberührt, erst in der eigentlichen Geschichte setzt er in die jungfräuliche Szenerie die Leute, die da arbeiten. Urzidil dafür fängt gleich mit der Kulturlandschaft an, seine Natur ist nichtdestoweniger natürlich, der Mensch ist einfach ihr Bestandteil. Dabei denke ich nicht, daß dieser Unterschied nur durch die Hundert Jahre entstanden ist, die die beiden Autoren trennen, es geht eher darum, daß Urzidil weiß, daß man von der Gesellschaft nicht endgültig in die Natur fliehen kann.

Die Natur steht bei Urzidil auch nicht mehr so weit im Mittelpunkt seiner Erzählungen, wie es bei Stifter oft der Fall ist. Urzidil schildert den Wald beziehungsweise die Natur nicht naturalistisch, er bedient sich dieser eher als eines Diskurs- oder Spielraumes für seine Geschichten. Anders ist auch das Verhältnis der Naturbeschreibungen zum anderen Stoff bei beiden der Autoren - wo Stifter den Naturschilderungen ganze Passagen widmet, erscheinen sie bei Urzidil immer eher im Rahmen einer Handlungsbeschreibung, kurz, in zwei Zeilen, selten ausführlicher: "Er (Bert) konnte jetzt in seiner Seele öfter auf geliebten Waldwegen wandern als jemals. Er ging vom Waldsee in die Hirschberge und versäumte keinen Baumstamm; die aufrechten nicht, längs deren der Blick zwischen dem Geäst sich hinaufarbeitete bis zur schwankenden Spitze, die gesunkenen nicht, auf denen sich grüne Kolonien junger Fichten reihenweise angesiedelt hatten. Er drängte sich zwischen bemoosten Blöcken durch die Wirrnis des üppigen Unterholzes, das einen Urwald im kleinen bildete, ein Durcheinander von Gesträuchen und Kräutern, Moosen und Farnen, eine vibrierende Farbentafel, einen wehenden Strauß von Würzen und Düften, eine harmonische Disharmonie von Stimmen und Klängen, von Raunen und vielfältigen Zwiesprachen. …" (Der Trauermantel.

In: Der Trauermantel, S. 44)

"Urzidil teilt Stifters Naturverständnis in liebender Anschauung der Schöpfung, versteht sie als Kontinuum und Korrektiv gegenüber gesellschaftlichen Fehlentwicklungen. Sie ist das Ewige und Bleibende, das Zentrum, wie er es mit den Worten der Manto aus dem Faust zitiert:Ich harre, mich umkreist die Zeit.Glück und Harmonie entspringen der Befolgung ihrer inhärenten Gesetze:Nichts gibt es da, was nicht anderem diente, und nichts, dem nichts anderes dienen würde." (Dr. Gerhard Trapp:Chronik und Menetekel. In: Der Trauermantel, S. 162 - 164)

4. Themen und Motive

Die Themen der böhmerwäldischen Erzählungen beider Autoren sind ganz verschieden, gemeinsam bleibt nur noch die Natur, die, wie schon gesagt zum Rahmen bei Urzidil, bei Stifter manchmal zum partiellen Thema wird. Eine gewisse Ähnlichkeit läßt sich vielleicht bei den ErzählungenGranitundDer Trauermantelverfolgen, da Urzidil im Trauermanteldie Jugend Stifters schildert, wobei er manches aus Stifters autobiographischer ErzählungGranitübernimmt.

Die Motive imTrauermantelbilden eigentlich eine Aufzählung der Themen Stifters späterer Erzählungen. Urzidil versucht hier zu ermitteln, welche Ereignisse auf den jungen Stifter wirken konnten, daß er sie dann literarisch bearbeitete. Es tauchen also die Großeltern auf (die Stifter in der ErzählungGraniterwähnt), wir finden hier auch ein Stück der böhmischen Geschichte (Stoff fürWitiko), die Ruine Wittinghausen (die Stifter nicht nur zu der ErzählungDer Hochwaldangeregt hatte, er hatte sie auch auf mehreren seinen Gemälden festgehalten), Abdias Kohn und seine Tochter (Inspiration für die gleichnamige Erzählung Abdias), in den Träumen des kleinen Bert spiegelt sich der Gedanke desNachsommers… dazu fügt Urzidil noch Stifters biographische Angaben hinzu und versucht auch manche Sachen zu erklären - zum Beispiel sein Verhältnis zur Natur, sein Verständnis für das Leben in den Wäldern und Dörfern, seine Liebe zur Wissenschaft, seine schmerzvolle Beziehung zur Fanny Greipel (woraus dann das Idealbild der Frau entsteht, wie wir es zum Beispiel in den Feldblumenfinden können), seine Verehrung Goethes und seines Werkes, all die Einflüsse, die aus Stifter einen Dichter machten, und welche verursachten, daß Stifter nicht wie die anderen geworden ist, ein Mann dem in seinem Beruf sowie in seiner Ehe alles geklappt hätte und gelungen wäre, der zufrieden gewesen sein könnte: "Aber ein Dichter wäre wohl weniger gewesen. Die Natur bedurfte des Dichters mehr als des zufriedenen Paares. Dieser Dichter aber konnte nur entstehen aus den schmerzhaftesten Verzichten, aus der Versagung des Liebsten in der Welt, aus dem Ewig-Unerfüllten, das ihn trieb und verfolgte, das nicht abließ von ihm, keinen Tag und keine Stunde. … Die Tragödie der Liebe ist unvermeindlich, und die Millionen kleiner und kleinster Anlässe der Zerstörung des Herzens oder seiner langwierigen erbarmungslosen Wandlung zur Unverstehbarkeit, wer möchte sie in allen ihren Spielarten erschöpfend beschreiben? Unvermeidlich ist für die Natur der Dichter, der anhebt mit dem ersten Falter und Stein, unvermeidlich das Außergewöhnliche seiner Entwicklung, unvermeidlich ihm selbst der Verlust gerade dessen, was das gute Glück des gemeinen Lebens ausmacht. Unvermeidlich ist, daß er solchen Verlust nicht ertragen zu können vermeint, daß er sein möchte wie alle anderen und daß eben dies ihm versagt bleibt." (Der Trauermantel. In: Der Trauermantel, S. 52 - 54)

Da ich die böhmerwäldischen Erzählungen beider Autoren behandle, taucht logisch ein gemeinsames Motiv auf - Böhmerwälder Dorf. Hier entsteht selbstverständlich ein Unterschied zwischen Schilderungen beider Autoren aufgrund ihrer verschiedenen Herkunft. Stifter entstammt einem Dorf im Böhmerwald (Oberplan war zwar ein Marktflecken, also etwas mehr als ein Dorf, das Leben dort war aber eher dörflich), er kennt genau alle Vorgänge, die sich da abspielen und aus dieser Sicht, von unten vermittelt er sie dem Leser. Das Dorfleben ist für ihn etwas Selbstverständliches, er faßte eher diejenigen Dinge auf, die ihm als einem Jungen (oder auch jetzt) sonderbar, oder wichtig vorkamen, vorallem die Kirche: "Wie sehr es (das Kirchlein) gehegt und gepflegt werde, hängt jedesmal von dem Pfarrer in Oberplan ab. Jetzt ist immer, wenn nicht gar schlechtes Wetter ist, die zweite Messe oben, und immer finden sich Andächtige ein, die ihr beiwohnen. Selbst in der heißen Erntezeit, wo alles auf den Feldern ist, sitzen wenigstens einige Mütterlein da, und beten zu dem wundertätigen Bilde. Die Bewohner der Gegend verehren das Kirchlein sehr, und mancher, wenn er in den fernen Wäldern geht und durch einen ungefähren Durchschlag derselben das weiße Gebäude auf dem Berge sieht, macht ein Kreuz, und tut ein kurzes Gebet." (Der beschriebene Tännling. In: Studien, S. 1132) Man kann die Tradition spüren, in der Stifter aufgewachsen war, es wird anschaulich, welche Bedeutung die Kirche für die einfachen Leute spielte. Sie machte nur einen kleinen Teil des Dorflebens aus, trotzdem ist die Religion sehr oft im Zusammenhang mit ihm erwähnt. Den Hauptteil des Dorflebens bildete die Arbeit einzelner Handwerker und Bauern, die wird aber kaum erwähnt, nur in Verbindung mit den Hauptpersonen, bzw. wenn sie durch etwas gehindert ist (z. B. bei dem Pestschlag imGranit, oder bei der Dürre imHeidedorf).

Urzidil kommt aus einer Stadt und wird im Böhmerwalde zum fleißigen Beobachter, der von dem Dorfleben immer wieder fasziniert wird, er betrachtet alles, was er sieht, mit den Augen eines Außenstehenden und läßt den Leser seinen philosophisch - politisch - ethischen Gedanken folgen. Ein Paradebeispiel dafür ist das Begräbnis des alten Wegscheiders in der ErzählungDer letzte Gast- hier vergleicht Urzidil das Verhältnis zum Tod und Beerdigung in der Stadt und im Dorfe, wobei er den Ritus logisch zu erklären versucht: "Nach dem letzten Gebet am Grabe wird die Witwe sich gebärden, als wolle sie dem Sarg nachspringen.

Jedenfalls ist das so üblich, und die schon bereitstehenden "Zruckhalter" stürzen dann rasch hinzu und verhindern die Absicht. Es ist gewiß eine weise Einführung, denn es könnte doch sein, daß irgendeine Witwe wirklich in die Grube wollte. Und so scheint es am besten, dies 'zu einem Teil der Zeremonie' zu machen, ebenso wie den Singsang und das Wimmern der Klageweiber, diese sinnreichen Ämter, die dem schweigenden Schmerz das abnehmen, wozu er keine Kraft mehr aufbringt, oder den etwa mangelnden Schmerz überdecken zugunsten der Gemeinde und der Verbliebenen. …" (Der letzte Gast. In: Der Trauermantel, S. 120)

Eine weitere, auch wenn schon ziemlich entfernte Ähnlichkeit kann man in der Mystik sehen, die bei beiden Autoren auftaucht, bei jedem aber auf eine ganz andere Weise. Stifter verwendet einerseits die Mystik der Sagen, die heidnischen Ursprungs sind, und in der Mundtradition des Volkes überleben, zum Beispiel die Sage von der Milchbäuerin: "Es ist einmal eine Bäuerin gewesen, die wegen ihrer außerordentlichen Schönheit berühmt war. Sie trug immer die Milch, die sie den fernen Arbeitern auf einer Wiese zur Labung brachte, über den Kreuzberg. Weil sie aber den Worten eines Geistes kein Gehör gab, wurde sie von ihm auf ewige Zeiten verflucht, oder wie sich die Bewohner der Gegend ausdrücken, verwunschen, daß an ihrer Stelle die seltsamen Felsen hervor stehen, die noch jetzt den Namen Milchbäuerin führen." (Der beschriebene Tännling. In: Studien, S. 1127) Andererseits bedient sich Stifter religiöser Mythen, namentlich geht es um die Sage, die sich auf die Kirche zum Guten Wasser in Oberplan bezieht: " In dem Hause zu Oberplan, auf welchem es 'zum Sommer' heißt, und welches schon zu denjenigen gehört, die sehr nahe an dem Berge sind, so daß Schoppen und Scheune schon manchmal in denselben hinein gehen, träumte einem Blinden drei Nächte hintereinander, daß er auf den Berg gehen und dort graben solle. Es träumte ihm, daß er dreieckige Steine finden würde, dort solle er graben, es würde Wasser kommen, mit dem solle er sich die Augen waschen, und er würde sehen. Am Morgen nach der dritten Nacht nahm er eine Haue, ohne daß er jemanden etwas sagte, und ging auf den Berg. Er fand die dreieckigen Steine und grub. Als er eine Weile gegraben hatte, hörte er es rauschen, wie wenn Wasser käme, und da er genauer hin horchte, vernahm er das feine Geriesel. Er legte also die Haue weg, tauchte die Hand in das Wasser, und fuhr sich damit über die Stirne und über die Augen. Als er die Hand weg getan hatte, sah er. Er sah nicht nur seinen Arm und die daliegende Haue, sondern er sah auch die ganze Gegend, auf welche die Sonne recht schön hernieder schien, den grünen Rasen, die grauen Steine und die Wachholderbüsche. Aber auch etwas anderes sah er, worüber er in einen fürchterlichen Schrecken geriet. Dicht vor ihm mitten in dem Wasser saß ein Gnadenbild der schmerzhaften Mutter Gottes. Das Bildnis hatte einen lichten Schein um das Haupt, es hatte den toten gekreuzigten Sohn auf dem Schoße und sieben Schwerter in dem Herzen. Er trat auf dem Rasen zurück, fiel auf seine Knie und betete zu Gott. Als er eine Weile gebetet hatte, stand er auf, und rührte das Bild an. Er nahm es aus dem Wasser, und sezte es neben dem größten der dreieckigen Steine auf den Rasen in die Sonne. Dann betete er noch einmal, blieb lange auf dem Berge, ging endlich nach Hause, breitete die Sache unter den Leuten aus, und blieb sehend bis an das Ende seines Lebens." (Der beschriebene Tännling. In: Studien, S. 1129 - 1130)

Urzidil greift dafür zur modernen Mystik zu, sie spiegelt sich in der Erzählung Grenzland, die sich um Ottilie Stifter, ein übernatürlich begabtes Mädchen, dreht. Auch diese Geschichte ist rational unfaßbar, aber wo die Mystik bei Stifter zu einem Erstaunen über die Kraft Gottes, bzw. der übernatürlichen Kräfte führt (am sonsten geht es nur um ein Nebenmotiv, ein Mittel der Beschreibung), verwendet sie Urzidil viel raffinierter, er zwingt den Leser zum Überlegen; Otti hat übernatürliche Fähigkeiten, die aber darin bestehen, daß sie mit der Natur so eng verbunden ist: "Sie hatte einen Arm ausgestreckt, und auf ihrer Hand saß ein Waldvogel, (…) , er zwitscherte ein wenig und flog dann fort, um nach einer Weile wiederzukommen und sich dann abermals auf ihre Hand zu setzen. (…) Und dann sah ich sie am Bach hocken, mit der Hand im Wasser. Da trat ich ganz nahe, und das Kind blickte auf und legte den Zeigefinger der anderen Hand an den Mund, zum Zeichen, daß ich schweigen sollte. Die Hand im Wasser hatte sie geöffnet, und ich sah eine Forelle herankommen und in der Hand stehenbleiben, die sich wie liebkosend schloß, ohne daß das silbrige Wunder entflohen wäre; ja es schien sich begierig in ihre Hand zu schmiegen, die Otti dann wieder sanft öffnete und die Forelle entließ (…)" (Grenzland. In: Der Trauermantel, S. 76) Ein weiteres, wiederum mystisches Element, ist das plötzliche Verschwinden ihrer besonderen Fähigkeiten, das sie bis zum Tod führt.

Den Tod findet Otti im See, es läßt sich vermuten, daß es sich um den Plöckensteiner See handelt (einen anderen gibt es in der Umgebung nämlich nicht). Es ist also der gleiche See, den Stifter so poetisch imHochwaldschildert. Urzidil verwendet bei seiner Beschreibung zwar auch nahezu expressionistische Wendungen ("der See mit Dornenkrone", s.o.), aber der See erscheint hier vielleicht eher nur als eine Erinnerung an Stifter. Jetzt wird ein Element behandelt, das bei Stifter völlig fehlt, er verschweigt es so strikt, so daß es auffällig wird. Es geht um die Politik. Stifter greift nie zu einem politikgezielten Kommentar, als ob die Situation an manchen Stellen zu einer solchen Bemerkung vorbereitet scheint (zum Beispiel imHochwald, zum Anlaß des schwedischen Zuges, oder imBeschriebenen Tännling, wo das Verhältnis der Bauerleute und der Adel hätte kommentiert werden können). Es geschieht aber nicht, Stifter hält sich die Politik weit vom Körper, teils um vor der Zensur sicher zu sein, teils weil seine politischen Ideale nicht verwirklicht wurden, teils weil er den Leuten andere Werte anbieten will, als die Politik.

Urzidil läßt sich im Gegenteil zu Stifter keine Gelegenheit entgehen, wo er seine politisch - ethischen Ideen ausdrücken kann. Am meisten geht es um das deutsch - tschechische Verhältnis, in der ErzählungDer Trauermanteläußert Berts Vater Urzidils Kredo, die Idee, für die er sich bis zum 2. Weltkrieg eingesetzt hatte: "Der Mann, der immer zum Vater aus dem Tschechischen kam, behauptete allerdings, die wirklichen Böhmen seien die Tschechen und böhmisch sprechen sei eigentlich tschechisch sprechen. Der Vater aber sagte, die Deutschsprechenden seien genau auch Böhmen wie die anderen." (Der Trauermantel.

In: Der Trauermantel, S. 22)

Die ErzählungWo das Tal endetist eigentlich eine Allegorie, die zwei Werte entgegen stellt - den Frieden und den Krieg. Die Politik spielt also auch hier eine Rolle und zwar nicht nur metaphorisch, sondern wortwörtlich: "Die Leute haben´s jetzt mit der Politik. Das hat es früher nie gegeben. Bist du dafür, oder bist du dagegen? Das hört man jetzt immerwährend. Gestritten wird wie vorher, nur auf neue Weise…" (Wo das Tal endet. In: Der Trauermantel, S. 148) Der Schluß bezieht sich nicht nur auf die Ereignisse des zweiten Weltkrieges und seine Folgen, er gilt allgemein: "Die Frühlinge, die Sommer, die Herbste und die Winter zogen wohl darüber hinweg, aber über ihnen noch unheimlichere Wetterkatastrophen, die sich an keine natürliche Jahreszeit kehrten, apokalyptische Reiter und Sensenmänner einer tieferen und gründlicheren Vernichtung. Und nach dieser kam von unten her eine neue Macht, die auch hier das Angestammte aus dem Boden riß und vertrieb. Sie achtete keiner Uferseite. Sie zwang am Ende allen das Reisebündel auf. Sie ruhte nicht, bevor nicht auch der Letzte aus dem Tal ging. Ein Recht hatten sie nicht zu ihren Entscheidungen, aber wer fragte danach?" (Wo das Tal endet. In: Der Trauermantel, S. 148)

5. Erzählweise und Stil

Die Erzählweise beider Autoren hängt von den Epochen ab, in denen sie geschrieben haben. Beide haben aber ein gemeinsames Vorbild, es ist Goethe und sein Werk. Urzidil lernte auch sehr viel von Stifter.

Stifter wollte bestimmt als ein Klassiker bezeichnet werden, da er sich um diesen Stil so dringend bemühte, heute ordnen wir ihn eher dem Biedermeier zu, er wird als einer seiner Mustervertreter verstanden. Für Biedermeier war das entpolitisierte Schreiben typisch, alle politischen Anspielungen waren für die Autoren gefährlich, in der Gesellschaft prägte man die bürgerliche Kultur und Literatur, wobei Familie und Privatleben im Vordergrund standen. Urzidil hingegen wird als ein Expressionist bezeichnet, auch wenn der Hauptteil seines Werkes erst nach der eigentlichen Epoche dieses Stils entstanden ist, lassen sich immer expressionistische Merkmale von seinem Werk ablesen.

Wenn wir uns die Erzählweise beider Autoren näher anschauen, stellen wir fest, daß Stifter immer eine Geschichte erzählt, manchmal wirkt es aber im Endeffekt ziemlich statisch. Urzidil dagegen verzichtet ab und zu auf die Geschichte und greift zu einer Häufung von Überlegungen und kurzen Handlungsabschnitten, die seine Impressionen unterstützen. Ein Beispiel dafür ist die ErzählungDer letzte Gast, wo der Autor über das Vergangene im Vergleich zu dem Gegenwärtigen nachdenkt, er überlegt von der Tradition und ihrer Berührung mit der heutigen Welt, wozu ihm manche der Motive aus dem Dorfleben dienen (z. B. die Beerdigung des Wegscheiders). Dabei wirkt die Erzählung sehr dynamisch, weil sie als ein Spaziergang durch die Landschaft stilisiert ist. Ähnlich ist es in der ErzählungDer Trauermantel, wo schon am Anfang ein Schwung hineingegeben wird, weil hier der kleine Bert durch den Wald läuft, es bringt die Geschichte in Bewegung.

Bemerkenswert ist es auch, daß Urzidil seine Erzählungen am meisten in der Ich-Form schreibt, das sehen wir auch an denen mit der böhmerwäldischen Thematik. NurDer Trauermantelwird von einem "allwissenden Erzähler" nacherzählt, da hatte Urzidil aber kaum eine andere Möglichkeit. Stifter verwendet beide Formen, am meisten tritt bei ihm der "allwissende Erzähler" auf - das spiegelt sich auch in den böhmerwäldischen Erzählungen ab; aufgrund dieser läßt sich aber keinesfalls generalisieren…

Die beiden Autoren verfahren auch unterschiedlich mit dem Ende der Erzählungen. Allgemein läßt sich sagen, daß Stifter die Handlung immer abzuschließen pflegt, am Ende fügt er am meisten etwas Belehrendes hinzu, entweder ein Motiv oder einen pädagogischen Gedanken. Urzidil läßt manchmal das Ende der Geschichte offen, wenn man sich auf die böhmerwäldischen Erzählungen beschränkt, haben zwei von ihnen ein offenes Ende: "Jetzt kehrt der Leiterwagen auf der Waldstraße zurück. Einige Kinder stehen oben und freuen sich der holprigen Fahrt. Ich denke an das kleine Dunkel hinter einer Kinderstirn, an die versteckte Finsternis hinter dem Opal des Menschengesichts, an die Nacht im Stein, an den Splitter Nacht in der Brust der Schwalbe."(Der letze Gast. In: Der Trauermantel, S. 120) Allgemein läßt sich sagen, daß Stifters Stil sehr weich ist, beruhigend und belehrend zugleich, Urzidil hat viel mehr Schwung, er regt den Leser zu vielen Überlegungen an, stellt seine ausgeprägten politischen Einsichten vor, greift tief in die Seele des Rezipienten.

6. Zusammenfassung

Man kann also behaupten, daß Stifter wirklich einen großen Eindruck auf Urzidil ausübte, er lernte bei Stifter die Natur wahrzunehmen, ließ sich auch in manchen Motiven inspirieren, allgemein ging es aber um zwei völlig unterschiedliche Autoren, die nur ihre deutsch - tschechische Herkunft und ihre meisterhaften Erzählungen aus dem Böhmerwalde verbinden, wobei die Meisterschaft bei jedem aus einer etwas anderen Dimension herausragt. Stifter hatte sein „Sanftes Gesetz“ formuliert und ist ihm nachgegangen, Urzidil hatte ihn auf eine andere Ebene übertragen, auf eine Ebene, die der neuen Weltanschauung seiner Generation entspringt, man könnte sie eine moderne nennen.

8. Anlagen

Adalbert Stifters Lebenslauf

Adalbert Stifter wurde in der Familie eines Leinhändlers Johannes Stifter am 23.

Oktober 1805 geboren. Seine Kindheit wurde stark durch die Tradition beeinflußt. Er war ein aufgewecktes Kind, hatte eine Vorliebe für die Natur, wo er sich gerne aufhielt und Steine und Pflanzen sammelte. Mit sechs Jahren begann er die Oberplaner Volksschule zu besuchen, sein Lehrer Josef Jenne erkannte bald sein Talent und regte an, Adalbert in eine höhere Schule zu schicken.

1817 starb Adalberts Vater unter seinem eigenen umgestürzten Wagen; die finanzielle Situation der Familie verschärfte sich. Dank Vermittlung seines Großvaters mütterlicherseits kam Stifter 1818 ans Gymnasium des Benediktinerstifts von Kremsmünster. Bald wurde er zum Primus unter den Schülern, lernte die Poesie kennen, schrieb seine ersten Gedichte, beschäftigte sich mit der Landschaftsmalerei. Im Jahre 1826 schloß hier Stifter ab und ging nach Wien Jura studieren.

Das Studium fing er erfolgreich an, hatte es jedoch nie beendet - er verweigerte sich der vorgezeichneten Berufskarriere; aus seinen "Lieblingsfächern", den Naturwissenschaften, wollte er kein berufliches Kapital schlagen. Seine Zukunft sah er in der Kunst, er wollte ein Maler werden.

Als Student fuhr er in den Ferien immer heim, nach Oberplan; in seine Heimatsgegend zog ihn auch die Liebe zu Fanny Greipel, einer Leinwandhändlerstochter aus Friedberg. Stifter wurde im Greipelhause als keine zu gute Partie gesehen. Seit 1833 hatte er auch eine andere Freundin, Amalia Mohaupt, der er auch die Ehe versprach. 1835 heiratete Fanny einen anderen, drei Jahre später starb sie bei der Geburt eines Sohnes. Ihr Verlust hatte Stifter nie richtig überwunden.

Seine Ehe mit Amalie schien nicht glücklich zu sein und blieb ohne Kinder, die Stifter so gerne gehabt hätte. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als ein Hofmeister in adligen Wiener Familien, er wirkte sogar als Hauslehrer bei Clemens Metternichs Sohn. Erst mit 35 Jahren trat Stifter an die literarische Öffentlichkeit - im April 1840 erschien in der "Wiener Zeitschrift" seine erste größere ErzählungDer Condor, die anderen folgten. Zwischen 1840 und 1850 erschienen 24 Erzählungen in populären Wiener Zeitschriften und Almanachen. Manche von ihnen wurden zu dem BuchStudien zusammnegefaßt und im Verlag Heckenast herausgegeben.

Im Revolutionsjahr 1848 übersiedelte Stifter nach Linz. Hier wurde er im Schulwesen tätig, wo er sich um eine Reform des Schulsystems benahm, in der er seine bildungspolitischen Ideen umsetzen wollte. 1850 wurde er zum Landesschulinspektor für die Volksschulen in Oberösterreich ernannt. Er versuchte die Amtspflichten mit der Kunst gleichzeitig zu schaffen, es gelang ihm aber immer weniger.

Stifter bemühte sich in seinem Werk immer mehr um klassische Form, sein Vorbild war Goethe. Dazu versuchte er immer seine pädagogischen Bildungsideen hinzuzufügen, bzw. in das Werk einzukomponieren. 1853 erschien die SammlungBunte Steine, dann folgten die Romane - 1857Der Nachsommerund 1865-7Witiko. Bis zu seinem Tod arbeitete erDie Mappe meines Urgroßvatersum. Es entstanden auch weitere kleineren Prosawerke; in dieser Zeit wurde Stifter auch wieder als Maler tätig.

Wegen unheilbaren Leberleidens mußte Stifter 1865 den aktiven Dienst beenden, er starb am 28. Jänner 1868, zwei Tage nach einem Selbstmordversuch.

Johannes Urzidils Lebenslauf

Johannes Urzidil wurde 1896 in Prag geboren in der Familie eines Eisenbahnbeamten geboren. Er war Katholik, aber heiratete eine Witwe jüdischer Konfession, die ihm aus der ersten Ehe sieben Kinder brachte. Sie gab Johannes das Leben, aber starb, als der Junge vier Jahre alt war. Der Vater heiratete nach drei Jahren wieder eine Tschechin (aus Nymburk), obwohl er selbst Tschechen nicht sehr gern hatte und tschechisch nicht sprechen konnte. Der Erziehung seines Sohnes widmete er sich z. B. so, daß er ihn sowohl mit den Prager Baudenkmälern, Kirchen und Synagogen, als auch mit den Wirtschaftslokalen bekannt machte. Urzidil mußte auch tschechisch lernen. Im Jahre 1914 schloß er mit der Matura das deutsche Graben-Gymnasium ab, wo er sich schon für die Literatur interessierte und versuchte selbst zu schreiben. An der Prager deutschen Universität studierte er Germanistik, Slawistik und Kunstgeschichte und im Jahre 1919 promovierte er. Inzwischen mußte er von 1916 bis 1918 die Militäruniform anziehen.

Als Literat betätigte er sich in der Tagespresse und den Zeitschriften, wo moderne Autoren beider Nationalitäten publizierten. Bald wurde er ein bekanntes Mitglied des sog. Arco-Kreises. Zu diesem Kreise gehörten F. Kafka, M. Brod, F. Werfel, E. E. Kisch, O. Baum, E. Weiss, L. Winder, O. Kuh, K. Brand, F. Weltsch und viele andere.

Von 1922 bis 1934 arbeitete Urzidil als Pressebeirat an der damaligen Gesandtschaft des Deutschen Reiches in Prag. Um hier eine bessere Stelle eintreten zu können, gab er 1930 seine tschechoslowakische Staatsbürgerschaft auf, um die deutsche zu erhalten. Nach Hitlers Machtergreifung legte 1935 der Antifaschist Urzidil die deutsche Staatbürgerschaft wieder ab und bekam wiederum den tschechoslowakischen Paß. Dabei bekam er eine Heimatberechtigung in Glöckelberg (wo er sich in den 30er Jahren im Sommer öfters aufhielt); sein Wohnort blieb jedoch in Prag.

1939 mußte Urzidil mit seiner Frau Gertrude geb. Thieberger (einer Rabbinerstochter aus Prag) vor Hitler fliehen, er ging zunächst nach Italien, England und letztendlich in die USA, wo er sich niederließ; 1946 bekam er die amerikanische Staatsbürgerschaft. In Amerika blieb er schon, seit 1957 unternahm er mehrere Reisen nach Europa, die letzte führte ihn 1970 nach Rom, wo er auch an Folgen eines Schlaganfalles starb.

Was die literarische Arbeit Urzidils angeht, beschäftigte er sich mit Goethe und mit seinem Verhältnis zu Böhmen (1932Goethe in Böhmen), einen sehr großen Einfluß auf ihn hatte gerade Adalbert Stifter, er schrieb von diesem böhmisch-österreichischen Schriftsteller dreizehn Essays. Stifter beeinflußte auch seine böhmerwäldischen Erzählungen.

Urzidil sind mehrere Erzählungsbände erschienen (manche von ihnen mehrmals und in verschiedene Sprachen übersetzt) -Die verlorene Geliebte(1958), Das Elefantenblatt(1962), Prager Triptychon(1960), Entführung und sieben andere Ereignisse(1964), Die erbeuteten Frauen(1966),undBist du es, Roland?(1968), Die letzte Tombola(1971) undMorgen fahr ich heim(1972).

Ich möchte auch Urzidils journalistische Arbeit erwähnen, da er vor dem zweiten Weltkrieg unter dem Pseudonym "Jean Dupont" in Schweizer Zeitungen politische Beiträge publizierte, wo er den Faschismus ablehnte und die tschechoslowakische Politik verteidigte.

7. Literatur

01. Hein, Raimund: Adalbert Stifter. Sein Leben und Werk, Prag:Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen 1904;

02. Matz, Wolfgang: Adalbert Stifter oder Diese fürchterliche Wendung der Dinge, München-Wien: Hanser, 1995;

03. Schrecklich schöne Welt, Biografische und literarische Übersicht, ýeský Krumlov: Okresní vlastivČdné muzeum 2000;

04. Trapp, Gerhard: Chronik und Menetekel. In: Urzidil Johannes: Der Trauermantel, Horní Planá 1999;

05. Trapp, Gerhard: Die Prosa Johannes Urzidils (zum Verst§ndnis eines literarischen Werdegangs vom Expressionismus zur Gegenwart), Bern: Verlag Herbert Lang & Cie Ag 1967;

06. Trapp, Gerhard: Getarnter Widerstand - Johannes Urzidils politische Stellungnahmen zum Nationalsozialismus bis 1939 aufgrund neu aufgefundener Veröffentlichungen. In: Germanoslavica, Praha: AV ýR 1996, N. 1, S. 25 - 34;

07. Trapp, Gerhard: Johannes Urzidil 1896 - 1970. Bibliographie der Publikationen. In: Germanistisches Jahrbuch, Tschechien - Slowakei, München - Praha - Prešov: Brücken 1994;

08. Trapp, Gerhard: Johannes Urzidils Staatsbürgerschaften. Eine Antwort an Milan Tvrdík. In: Germanoslavica, Praha: AV ýR 1998, N. 1, S.147 - 148;

09. Tvrdík, Milan: Johannes Urzidil - In Prag gelebt, über Prag geschrieben, in Wien geehrt. In: Germanoslavica, Praha: AV ýR 1997, N. 1, S.127 - 137;

10. Urzidil, Johannes: Der Trauermantel, Horní Planá 1999;

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
A. Stifter und J. Urzidil und ihre Erzählungen aus dem Böhmerwalde
Auteur
Année
2000
Pages
21
N° de catalogue
V106443
ISBN (ebook)
9783640047222
Taille d'un fichier
475 KB
Langue
allemand
Mots clés
Stifter, Urzidil, Erzählungen, Böhmerwalde
Citation du texte
Veronika Harmathová (Auteur), 2000, A. Stifter und J. Urzidil und ihre Erzählungen aus dem Böhmerwalde, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106443

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