Das soziale Profil der Pariser Attentäter vom 13. November 2015


Trabajo Escrito, 2019

23 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das soziale Profil der Pariser Attentäter
2.1. Geschlecht
2.2. Alter
2.3. Nationalität
2.4. Migrationshintergrund
2.5. Wohnort
2.6. kriminelle Vorgeschichten
2.7. Kampferfahrung im Ausland
2.8. Religiosität

3. Die drei Generationen von Islamisten und die Attentäter von Paris

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am Abend des 13. November 2015 sitzt Antoine Leiris in seiner Pariser Wohnung und passt auf seinen 17 Monate alten Sohn Melvin auf (Leiris 2016: 9–10). Seine Ehefrau Hélène Leiris besucht ein Konzert der amerikanischen Rockband „ Eagles of Death Metal “ im Konzertsaal Bataclan (Leiris 2016: 11). Gegen 22:37 Uhr erreichen ihn erste Meldungen über ein Attentat im Bataclan (Leiris 2016: 11). In Panik ruft er seine Frau an, aber keiner nimmt ab (Leiris 2016: 12). Daraufhin fährt er sämtliche Krankenhäuser der französischen Hauptstadt ab und sucht nach ihr, erhält aber keine Auskunft (Leiris 2016: 14–15). Am nächsten Tag die Gewissheit (Leiris 2016: 20): Hélène Leiris war eines der laut Global Terrorism Index 2016 92 Menschen, die dem Anschlag im Bataclan zum Opfer fielen (Global Terrorism Index 2016: 13), ebenso wie der 26-jähirge Filmemacher Maxiime Bouffard (Kole / Donn / Wozniacka 2015). Beinahe zur gleichen Zeit wurden die Zwillinge Charlotte und Emilie Meaud, 30, in der Bar „Le Carillion“ ermordet (Kole / Donn / Wozniacka 2015).

Insgesamt kostete die Anschlagsserie auf das Bataclan, das Stade des Frances und mehrere Bars und Restaurants in Paris 130 Menschen das Leben, hunderte weitere wurden verletzt (Aisch et al. 2016). Später bekannte sich die islamistische Terrororganisation „ Islamischer Staat “ (IS) zu den Taten (Schmidt / Finkenzeller / Steffen 2015).

Die Anschlagsserie am 13. November bildete den Höhepunkt einer islamistischen Terrorwelle, die in den Jahren 2014 bis 2018 europäische Metropolen wie Paris, London, Brüssel und Manchester erfasste. Der IS wurde somit zur tödlichsten Terrorgruppe im Jahre 2015 (Global Terrorism Index 2016: 51). Gleichzeitig war sie auch die meist aktivste Terrorgruppe in diesem Jahr, eine Position, die sie bis 2017 anführte (Global Terrorism Index 2018: 15, für die späteren Jahre stehen noch keine Daten zu Verfügung).

Nach solchen Terroranschlägen stellt sich oftmals die Frage, was das für Menschen sind, die unschuldige Männer, Frauen und Kinder zu Dutzenden ermorden. Dieser Frage soll am Beispiel der Täter der Anschläge vom 13. November 2015 nachgegangen werden. Dementsprechend soll die Forschungsfrage lauten, wie ist das soziale Profil der Attentä-ter der Anschlagsserie vom 13. November 2015 in Paris? Es soll zuerst ein soziales Profil der der Pariser Attentäter erstellt werden. Bei der Untersuchung sollen insbesondere das Geschlecht, Alter, Nationalität, Migrationshintergrund, Wohnort, kriminelle Vorgeschichte, Kampferfahrung im Ausland und Religiosität untersucht werden. All diese Merkmale finden sich ebenfalls in anderen gängigen Studien zum Thema Terrorismus wieder (siehe Lützinger et al. 2010; Riegler 2009: 176; Schmidtchen 1981).

In der Analyse werden die Daten der direkten Attentäter, sowie der Personen berücksichtigt, die ihnen zwischen dem 13. November 2015 (Tag des Anschlags) und dem 18. November 2015 (zwei der drei überlebenden Attentäter sterben bei Polizeirazzia) geholfen haben. Zwei der Attentäter sind bisher nicht identifiziert, zumindest finden sich hierrüber keine neuen Informationen. Sie können deshalb lediglich hinsichtlich der Merkmale Geschlecht und Alter behandelt werden (mehr dazu im folgenden Kapitel).

Nach Beantwortung dieser Frage soll das Profil der Terroristen kurz eingeordnet werden. Verschiedene Wissenschaftler gliedern den islamistischen Terror in drei Generationen (siehe Riegler 2009: 179–183; Roy 2006: 292–312). Ähneln die Pariser Täter den Islamisten der dritten Generation oder einer der beiden anderen Generationen? Haben wir es vielleicht sogar mit einer ganz neuen Generation von Islamisten zu tun?

In Anbetracht der Tatsache, dass die Terrorakte nicht lange her sind gibt es wenig Literatur in Form von Büchern. Aufgrund dessen beziehen sich meine Informationen zur Beantwortung dieser Fragen hauptsächlich auf Presseberichte und auf die Online-Seiten verschiedener überregionaler Medien. Dieses Vorgehen haben unter anderem bereits Charles Russel und Bowman Miller für ihre Terrorismusstudie in den 1980er Jahren gewählt (Riegler 2009: 176). Die Online-Berichte haben den Vorteil, dass sie aktuell und den Ermittlungsfortschritten angepasst sind, da sie meist Wochen oder Monate später weiterhin aktualisiert werden und somit auf dem neuesten Stand bleiben. Da der Großteil der zu analysierenden Terroristen am 13. November oder kurz darauf verstorben ist, beruhen die Presseberichte und Artikel insbesondere auf Dokumenten und Mitteilungen der französischen und belgischen Polizei, sowie auf Augenzeugenberichten und Aussagen von Freunden und Verwandten der Täter. Aus sprachlichen Gründen handelt es sich vor allem um deutsch- und englischsprachige Quellen. Aufgrund des schwindenden Interesses der Öffentlichkeit an den Attentaten stammen die Berichte zum Größten Teil aus den Jahren 2015 und 2016. Die Zahlen, beispielweise die Anzahl der Opfer, stammen hauptsächlich aus dem Global Terrorism Index und der Global Terrorism Database (GTD).

2. Das soziale Profil der Pariser Attentäter

2.1. Geschlecht

Die Terroristen waren an jenem Abend in drei Teams organisiert (Cruickshank 2017) Das erste Team fand sich gegen 21:20 Uhr am Stade des Frances ein, in dem gerade die Deutsche Nationalmannschaft gegen die französische Auswahl spielte (Nossiter / Breeden / Bennhold 2015). Zu dieser Gruppe gehörten Salah Abdeslam, der seine Komplizen zum Stadion fuhr (Paravicini / Palmeri 2016) und Bilal Hafdi (Parlapiano et al. 2016). Hafdi sprengte sich um 21:53 Uhr an einem Fast-Food-Restaurant 300 Meter vom Stadion entfernt in die Luft (Parlapiano et al. 2016). Zusätzlich sprengten sich um 21:20 Uhr an Tor D und um 21:25 Uhr an Tor H der Arena zwei weitere Selbstmordattentäter in die Luft. Die Identität der beiden ist weiterhin unklar. An ihren Leichen wurden Pässe gefunden, die auf die Namen „Ahmad Almohammad“ (Farmer 2016) und „Mohammad Almahmod“ (Diehl 2015a) ausgestellt waren. Der Pass von Mohammad Almahmod dürfte wohl gefälscht gewesen sein (Diehl 2015a). Das gilt wahrscheinlich gleichermaßen für das Dokument von Ahmad Almohamad (Cruickshank 2017). Zumindest einer der Pässe stammt vermutlich aus einer Lieferung von Blanko-Dokumenten aus dem syrischen Rakka, die vom IS erbeutet wurden (Diehl 2015a). Die Fingerbadrücke von Ahmad Almohammad stimmen mit denen eines syrischen Soldaten überein, der allerdings zum Zeitpunkt der Anschläge bereits tot war (Diehl 2015a). Vermutlich wurde der Pass nur benutzt, um eine Person mit der Identität des Soldaten nach Europa zu schleusen. Dies spricht dafür, dass die Pässe nicht echt sind, sondern lediglich benutzt wurden, um die wahre Identität der beiden Täter zu verschleiern.

Im Gegensatz zu seinen anderen Mittätern überlebte Salah Abdeslam als einziger die Pariser Terrorattacken und die Tage danach (Barker 2015). Er ließ sich gegen 23 Uhr von seinen Freunden Mohammed Amri und Hamza Attou in Paris abholen (Cruickshank 2017). Zusammen fuhren sie nach Belgien (Paravicini / Palmeri 2016). In Brüssel verlor ihn die Polizei erstmal aus den Augen (Paravicini / Palmeri 2016) ehe er fast ein halbes Jahr nach den Anschlägen am 18. März 2016 in Brüssel-Molenbeek festgenommen wurde (Paravicini / Palmeri 2016).

Das zweite Terrorkommando begann um 21:25 Uhr ihre Angriffe auf Bars, Cafés und Restaurants (Aisch et al. 2016). Als Erstes fuhren sie zum „ Le Carillon “ und „ Le Petit Cambodge “ (Aisch et al. 2016). Dort töteten sie laut GTD 15 Gäste und verletzten zehn weitere schwer. Um 21:32 Uhr trafen sie an den Cafés „ Casa Nostra “ und „ Bonne Biere “ ein (Cruickshank 2017) und töteten 5 Menschen und verletzten 24 Gäste (GTD). Ihre nächste Station war die Bar „ La Belle Equipe “, an der sie sich vier Minuten später einfanden (Cruickshank 2017). Hier starben 19 Personen und 26 wurden zum Teil schwer verletzt (GTD). Der letzte Halt war um 21:40 Uhr das Restaurant „ Le Comptoir Voltaire “ (Aisch et al. 2016). An dem Restaurant sprengte sich einer der Täter in die Luft, wobei er selbst starb und 18 Gäste verletzte (GTD). Insgesamt starben somit innerhalb von 15 Minuten 40 Menschen und 78 wurden verletzt. Verantwortlich für diesen Angriff war Abdelhamid Abbaoud, der das Tatfahrzeug zu den einzelnen Zielen steuerte (Cruickshank 2017) und als Koordinator der Anschläge gilt (Diehl 2015b). Des Weiteren zählten zu dem Team Chakib Akrough (Parlapiano et al. 2016) und Ibrahim Abdeslam (Cruickshank 2017). Letztere war der ältere Bruder von Salah Abdeslam (Cruickshank 2017) und der Selbstmordattentäter, der sich am „ Le Comptoir Voltaire “ in die Luft sprengte (Kepel / Jardin 2017: XV).

Den Anschlag mit den meisten Toten jedoch verübten Ismaël Omar Mostefaï, Samy Amimour und Fouad Mohamed Aggad als sie die Konzerthalle „ Bataclan “ stürmten (Cruickshank 2017). Gegen 21.40 Uhr parken sie ihren VW Polo an der Halle und betreten den mit 1500 Besuchern gefüllten Veranstaltungsort (Aisch et al. 2016). Bewaffnet sind sie mit Sturmgewehren und Sprengstoffwesten (Aisch et al. 2016). Als zwei Polizeibeamte gegen 22:00 Uhr am Bataclan ankommen stellen sie sich den Terroristen entgegen (Cruickshank 2017). Als die Beamten Samy Amimour verwunden, sprengt er sich in die Luft (Cruickshank 2017). Daraufhin zogen sich Ismaël Omar Mostefaï und Fouad Mohamed Aggad mit Geiseln tiefer ins Gebäude zurück (Cruickshank 2017). Um 00:13 Uhr stürmen französische Spezialkräfte den Tatort (Aisch et al. 2016). Dabei wurden beide verbliebenen Angreifer tödlich verwundet (Cruickshank 2017). Einem von ihnen (vermutlich Mostefaï) gelang es noch, seine Sprengstoffweste zu zünden und sich in die Luft zu sprengen (Becker et al. 2015). Die Bilanz des Bataclan-Angriffs laut GTD: mit den drei Tätern 93 Tote und 217 Verletzte. Der Anschlag auf die Konzerthalle war somit einer der 20 schwersten Terroranschlägen im Jahr 2015 (Global Terrorism Index 2016: 13).

Bereits diese zehn Namen verdeutlichen ein erstes typisches Merkmal: Es handelt sich hauptsächlich um Männer. Auch bei den zwei nicht identifizierten Tätern dürfte es sich um Männer handeln, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Pässe gefälscht sind. Beide wurden am 3. Oktober auf der griechischen Insel Leros als Flüchtlinge registriert (Farmer 2016; Parlapiano et al. 2016). Den griechischen Behörden wäre es aufgefallen, wenn zwei Frauen versucht hätten, mit männlichen Ausweisen nach Europa zu gelangen. Außerdem hätte es die Polizei wahrscheinlich erwähnt, wenn es sich bei den beiden Attentätern um Frauen gehandelt hätte. Das Geschlecht der zehn Terroristen stellt keine Ungewöhnlichkeit da. Die Liste männlicher Terroristen ist lang: Saïd und Chérif Kouachi, die im Januar 2015 den Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo verübten (Kepel / Jardin 2017: 156), die Staatsterroristen Muammar al-Gaddafi (Laqueur 1998: 204–208) oder Saddam Hussein (Laqueur 1998: 227), der Rechtsextreme Anders Behring Breivik oder der „Schakal“ Ilich Ramírez Sánchez (Riegler 2009: 176). Bei vielen Terroranschlägen sind Männer die Täter und das gilt, wie die Beispiele oben verdeutlichen, nicht nur für den islamistischen Terror.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon Walter Laqueur kam Ende der siebziger Jahre zu der Erkenntnis, dass Terroristinnen eine Ausnahme seien (Laqueur 1977: 117). Daneben belegen verschiedene empirische Studien dieses Bild. So kamen die bereits in der Einleitung erwähnten Charles Russel und Bowman Miller 1983 in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass es sich bei Terroristen hauptsächlich um Männer handelt (Waldmann 1993: 188, zitiert nach Riegler 2009: 176). Dabei haben sie anhand von Presseberichten die Lebensläufe von 350 Terroristen analysiert, die zwischen 1966 und 1976 einer terroristischen Vereinigung in Japan, Westeuropa, dem Mittleren Osten oder Lateinamerika angehört haben (Riegler 2009: 176).

Dennoch gibt es bezüglich des Geschlechts auch Ausnahmen. Bei russischen Anarchisten gab es einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil von circa einem Drittel (Pomper 2007: 90). Bei den Terroristen und Terroristinnen der linksextremen Roten Armee Fraktion (RAF) gab es ebenfalls einen ungewöhnlich hohen Frauenanteil (Waldmann 2001: 147). Dies bestätigen die Studien von Herbert Jäger, Gerhard Schmidtchen und Lieselotte Süllwold. Sie haben den Lebenslauf von 250 Personen sowohl aus dem rechts- als auch aus dem linksextremen Milieu anhand von Fahndungsunterlagen und Prozessakten versucht zu analysieren (Schmidtchen 1981: 19). Dabei stellten sie fest, dass bei Rechtsextremen Frauen kaum eine Rolle spielten (Schmidtchen, 1981: 23) Hierbei sollte man allerdings beachten, dass sie nur 23 rechtsextreme Persönlichkeiten untersuchten (Schmidtchen 1981: 19). Ihre Ergebnisse für rechtsextreme Terroristen sind somit nicht unbedingt repräsentativ, was sicherlich auch dem Untersuchungszeitraum (bis 1978) geschuldet sein mag (Schmidtchen 1981: 19). In den 1970er Jahren stand der linksextreme Terror durch die RAF viel stärker im Fokus. Bei linksextremen Terroristen ist der Frauenanteil laut der Studie mit 33% überdurchschnittlich hoch (Schmidtchen 1981: 23). Eine erwähnenswerte Ausnahme gibt es ebenfalls bei der Pariser Terrorserie: Hasna Aït Boulahcen (Kepel / Jardin 2007: XIV). Sie versorgte Abaaoud und Akrough nach ihren Taten mit Geld und besorgte ihnen einen Unterschlupf in Saint-Denise nahe Paris (Cruickshank 2017). Dort starben alle drei am 18. November 2015 bei einem Feuergefecht mit der französischen Polizei (Cruickshank 2017).

Festzuhalten ist, dass es sich bei den Tätern von Paris ausnahmslos um Männer handelte. Ebenso handelt es sich bei ihren Unterstützern wie Mohammed Amri und Hamza Attou meist um Männer, mit Ausnahme von Hasna Aït Boulahcen. Dies ist kein ungewöhnlicher Befund. In ihrem Geschlecht unterscheiden sich die Terroristen aus der französischen Hauptstadt nicht sonderlich von anderen terroristischen Strömungen.

2.2. Alter

Wie sieht es mit dem Alter der Täter aus? Waren sie jung oder eher älter? Der Jüngste von ihnen war Bilal Hafdi. Er wurde am 22. Januar 1995 geboren (Bach 2015) und war zum Zeitpunkt seines Selbstmordanschlags am Stade des Frances 20 Jahre alt. Sein junges Alter und jugendliches Aussehen brachten ihm von einigen Medien den Namen „baby-faced jihadi” ein (Farmer 2016). Der zweitjüngste Dschihadist war der 23-jährige Fouad Mohamed Aggad (Hengst et al. 2016). Chakib Akrough wurde am 27. August 1990 geboren (o. A.: 2016) und war somit bei seinem Selbstmord am 18. November 2015 25 Jahre alt. Salah Abdeslam war bei seiner Festnahme am 18. März 2016 27 Jahre alt. Geboren ist er am 15. September 1989 (Love / Labbe 2015).

Zu den älteren der zehn Attentäter gehörten Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud, geboren am 15. September 1987 (Baumgärtner et al. 2015), sowie der gleichaltrige Samy Amimour, der am 15. Oktober 1987 zur Welt kam (Love / Labbe 2015). Er war bei seinem Tod ebenso wie Abaaoud 28 Jahre alt. Die ältesten Terroristen waren Ismaël Omar Mostefaï, welcher am 21. November 1985 (Love / Labbe 2015) das Licht der Welt erblickte und der am 30. Juli 1984 geborene Ibrahim Abdeslam (Love / Labbe 2015), älterer Bruder von Salah Abdeslam und zugleich ältester Attentäter. In dem Pass des noch nicht identifizierten Ahmad Almohamad ist der 10. September 1990 als Geburtsdatum eingetragen (Love / Labbe 2015). Ob dies sein wahres Geburtsdatum ist lässt sich nicht beantworten, da der Pass wie zuvor bereits erwähnt vermutlich gefälscht ist. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass es keine riesige Differenz zwischen dem Datum auf dem besagtem Pass und dem wahren Geburtsdatum gibt. Bei seiner Registrierung auf Leros wäre er 25 Jahre alt gewesen. Den Behörden dort wäre aufgefallen, wenn ein alter Mann mit dem Dokument eines 25-jährigen eingereist wäre. Daraufhin hätten sie nachgeforscht beziehungsweise dem Mann die Einreise verweigert. Das Geburtsdatum des zweiten nicht-identifizierten Täters ist nicht bekannt.

Die Attentäter waren bei ihren Anschlägen also junge Männer zwischen 20 und 31. Ihr Durchschnittsalter beträgt (die beiden unbekannten Täter vom Stade des Frances nicht eingerechnet) 26,25 Jahre. Berücksichtigt man zudem das Alter der 26-jährigen Hasna Aït Boulahcen (Kepel / Jardin: XIV) und der 27-jährigen beziehungsweise 21-jährigen Mohammed Amri und Hamza Attou (Parlapiano et al. 2016) senkt sich das Durchschnittsalter auf 25,8 Jahre. Sie liegen damit deutlich unter dem französischen Bevölkerungsdurchschnitt von 41,2 für das Jahr 2015 (Statista 2019). Auch dieser Befund ist für Terroristen nicht außergewöhnlich. In der Studie von Miller und Russel waren der Durchschnittsterrorist zwischen 22 und 24 (Waldmann 1993: 188, zitiert nach Riegler 2009: 176). In der Studie von Schmidtchen waren 44% der untersuchten Terroristen jünger als 22 (Schmidtchen 1981: 23); in den Untersuchungen von Saskia Lützinger et al. waren die Hälfte der Personen unter 28 (Lützinger et al. 2010: 20). Eine Ausnahme stellen lediglich Linksterroristen dar, die etwas älter sind (Schmidtchen: 23). Diese verschiedenen Studien zeigen, dass ein junges Alter nicht unbedingt etwas Außergewöhnliches für Terroristen ist.

2.3. Nationalität

Bei den Attentätern handelt es sich hauptsächlich um Europäer. Abdelhamid Abaaoud war Belgier (Becker et al. 2015), genauso wie Chakib Akrouh, der allerdings auch die marokkanische Staatsbürgerschaft besaß (o. A. 2016a). Die übrigen Personen (Ibrahim und Salah Abdeslam, Samy Amimour, Foud Mohamed Aggad, Bilal Hafdi und Ismaël Omar Mostefaï) waren allesamt Franzosen (Barker 2015; o.A. 2016b). Auch bei Hasna Aït Boulahcen handelt es sich um eine Französin, die ebenfalls die marokkanische Staatsbürgerschaft besaß (Sydow 2015b). Über die Nationalität der beiden Männer, die unter den Namen Ahmad Almohamad und Mohammad Almahmod nach Europa kamen, kann im Gegensatz zu ihren Komplizen keine abschließende Aussage getroffen werden. Laut Angaben des IS handelt es sich um zwei Iraker (Hengst et al. 2016). Von unabhängigen Quellen wurde das nicht betätigt; teilweise widersprechen sich hier die Medienberichte auch gegenseitig. So berichtet der Spiegel von zwei syrischen Pässen, die bei den beiden Stade des Frances-Attentätern gefunden wurden (Diehl 2015a). Hingegen wurden laut dem Independent aus London ein syrischer und ein ägyptischer Pass am Tatort gefunden (Buchanan 2015).

Es handelt sich demnach bei allen Beteiligten, deren Identität geklärt ist, um EU-Bürger, teilweise mit doppelter Staatsbürgerschaft. Dies mag vielleicht erstaunen. Unter einem Terroristen stellen sich viele Menschen wahrscheinlich einen Araber aus dem Nahen Osten vor. Allerdings ist dies gar nicht so ungewöhnlich. So wurden zum Beispiel zwischen 1994 und 2004 mehr radikale Muslime französischer Herkunft verhaftet als Pakistaner und Jemeniten zusammen (Dickey 2005: 35).

2.4. Migrationshintergrund

Wie sieht es mit dem Migrationshintergrund der Terroristen aus? Lebten die Familien schon seit Generationen in Europa oder sind sie erst kürzlich dorthin gezogen? Bei Abdelhamid Abaaoud lässt sich diese Frage relativ leicht beantworten, zumindest in Bezug auf seinen Vater Omar Abaaoud (Sorge 2015). Dieser zog 1975 von Marokko nach Belgien (Burke 2016), um dort im Bergbau zu arbeiten (Kirchner 2015). Später gründete er ein Textilgeschäft (Baumgärtner et al. 2015). Das gleiche gilt für Hasna Aït Boulahcen. Ihr Vater war Marokkaner, der in den 70er-Jahren nach Frankreich kam (Farmer 2016). Dies bestätigte der Bürgermeister von Creutzwald, der Stadt, in der der Vater zuletzt lebte (Farmer 2016). Auch die Abdeslam-Brüder sind marokkanischer Abstammung (o.A 2018). Der Vater von Ismaël Omar Mostefaï kam ursprünglich aus Algerien, die Mutter aus Portugal (Hengst et al. 2016), genauso wie die Familie von Samy Amimour (Baumgärtner et al. 2015). Von den restlichen Personen liegen keine Informationen vor. Die Wurzeln von denjenigen, über die genug Berichte bekannt sind haben ihre Wurzeln folglich in den nordafrikanischen Maghreb-Staaten Algerien und Marokko, sowie im südeuropäischen Portugal. Es handelt sich also somit nicht um Araber aus dem Nahen Osten, sondern um europäische Staatsbürger.

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Final del extracto de 23 páginas

Detalles

Título
Das soziale Profil der Pariser Attentäter vom 13. November 2015
Universidad
Johannes Gutenberg University Mainz
Calificación
1,3
Autor
Año
2019
Páginas
23
No. de catálogo
V1064743
ISBN (Ebook)
9783346478870
ISBN (Libro)
9783346478887
Idioma
Alemán
Palabras clave
profil, pariser, attentäter, november
Citar trabajo
Nils Keukert (Autor), 2019, Das soziale Profil der Pariser Attentäter vom 13. November 2015, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1064743

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