Der Kreuzzugsgedanke und dieFrage nach dem Gerechten Krieg


Thèse Scolaire, 2002

13 Pages, Note: 13 Punkte


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung:

II. Hauptteil:
1. Definitionen und Erläuterungen
1.1.Mentalität der europäischen Bevölkerung im 11. Jahrhundert
1.2.Papst Urban II. - Kurzbiographie
1.3.Der Kreuzzugsgedanke
1.4.Die Kreuzzüge - Übersicht
2. Auseinandersetzung mit den Fragen
2.1.Wie konnte es zu den Kreuzzügen kommen?
2.2.Waren die Kreuzzüge ein »gerechter Krieg«?

III. Schluss:
1. Ergebnis
2. Gegenwartsbezug

IV. Literatur- und Quellenverzeichnis:

I. Einleitung:

1. Vorwort:

Ich möchte meine Facharbeit damit beginnen, hier vorzustellen, warum ich mir dieses Thema ausgesucht habe und was ich mir bei der Bearbeitung von diesem vorstelle.

Die Frage nach einem gerechten Krieg ist zeitübergreifend. Gerade in der heutigen Zeit ist dies ein wichtiges Thema.

Gleich zu Beginn meiner Facharbeit hatte ich eine sehr interessante Begebenheit: Als ich mich in einem Antiquariat in Paderborn nach passender Literatur umsah, bekam eine Dame, die sich auch gerade in den Regalen nach Büchern umschaute meine Unterhaltung mit dem Besitzer des Ladens mit und setzte in dieses Gespräch mit den Worten „Wollen sie sich wirklich mit einem solchen Thema befassen?“ ein. Auf meine Frage, was daran denn so abwegig sei, erzählte sie mir, dass ihr Bruder aus der Kirche ausgetreten sie, nachdem er sich intensiver mit diesem Thema auseinandergesetzt hatte. Dies gab mir zu denken und weckte auch ein wenig Neugierde in mir.

Ein weiterer Aspekt der dieses Thema interessant für mich machte, war der Glaube an einen gerechten Krieg von Seiten der islamischen Religion, was gerade in dieser Zeit sehr häufig in den Medien erwähnt wird. Es wird jedoch immer vergessen, dass es auch in der christlichen Religion einmal den Glauben an einen solchen gab.

2. Aufbau und Ziel der Untersuchungen:

In dieser Facharbeit versuche ich anhand der Kreuzzüge nach einem gerechten Krieg zu forschen, oder besser gesagt, die Kreuzzüge unter der Frage nach einem gerechten Krieg zu untersuchen.

Hierbei versuche ich zuerst, die wirtschaftlichen und sozialen Umstände der damaligen Zeit darzustellen und die für diese Untersuchungen wichtigste Person, Papst Urban II., vorzustellen. Des Weiteren scheint es mir wichtig, einen kurzen Überblick über den gesamten Verlauf der Kreuzzüge zu verschaffen und die Gedanken und Ziele, welche in einem solchen eine Rolle spielten, aufzulisten. Schließlich soll es Ziel meiner Untersuchungen sein, zu verdeutlichen, wie es zu einem Glaubenskrieg wie den Kreuzzügen kommen konnte.

Die letzte Untersuchung soll Aufschluss darüber geben, ob die Kreuzzüge ein gerechter Krieg waren.

II. Hauptteil:

1. Definitionen und Erläuterungen:

1.1. Mentalität der europäischen Bevölkerung im 11. Jahrhundert:

Europa machte im 11. Jahrhundert einen Wandel durch. Aufgrund von Bevölkerungszuwachs verkleinerte sich der Grundbesitz immer mehr. Auch eine „katastrophenähnliche“1 Landwirtschaft, welche durch „Überschwemmungen und Trockenperioden“2 geprägt war, sorgte für eine schlechte sozio-ökonomische Situation der europäischen Bevölkerung, was zu verschiedenen internen „Fehden und Kriegen“3 führte.

Seit Papst Gregor VII (1073-1085 im Amt) war die allgemeine Herrschaft der Kirche auch auf den weltlichen Bereich ausgedehnt. Die Kirche galt als frei und der Papst als Primat hatte die „universale Herrschaft“4 über alle Katholiken und beanspruchte den Gehorsam der Regierenden.

1.2. Papst Urban II. - Kurzbiographie:

Papst Urban II. wurde um 1040 als Oddo von Lagery, Sohn einer Adelsfamilie in Frankreich geboren. Er studierte im Reims und trat dem Benediktinerkloster von Cluny bei, wo ihm 1073 das Amt des Priors zugeteilt wurde. Nachdem er zwischen 1078 und 1079 von Papst Gregor VII. zum Kardinalbischof von Ostia ernannt wurde, diente er von 1082 bis 1085 als päpstlicher Legat in Deutschland. Am 12.03.1088 wurde er zum Nachfolger von Victor III., welcher nach dem Tod Gregors VII. nur knapp über ein Jahr im Amt war, ernannt und behielt dieses Amt bis zu seinem Tod am 29.07. 1099. Im Jahre 1881 wurde er heilig gesprochen.

Urban II. galt als eine „eindrucksvolle Persönlichkeit“5, welche eine „überzeugende Redekunst“6 und eine „große Weite des Blickfeldes“7 besaß. Er soll zumeist höflich und sympathisch gewesen sein und sich durch seine „große Kunst der Menschenbehandlung“8 ausgezeichnet haben. Von den Klerikern wurde ihm jedoch vorgeworfen er sei „mehr Weltkind als Heiliger“9, da er mit „Nachsicht und mit Weltverständnis“10 regierte, nicht sehr streng gegenüber seinen Untertanen war und auch selbst den Genuss eines guten Weines nicht ablehnte.

Als seine wichtigste Aufgabe sah Urban II. die Erneuerung der Gemeinschaft, der 1054 getrennten römisch katholischen und römisch orthodoxen Kirche (Schisma), an. Hierzu folgte er 1095 einem Hilferuf aus dem Byzantinischen Reich, welches von den Seldschuken belagert wurde, um auf dem Konzil in Clermont, unter Nutzung seiner

„Mechanismen der Massenpsychologie“11 und dem Wissen, „welch starken Eindruck“12 er auf die Öffentlichkeit machen würde, zum Kreuzzug aufzurufen.

1.3. Der Kreuzzugsgedanke:

Der eigentliche Antrieb, welcher zu den Kreuzzügen führte, ging von Papst Urban II., dem Papst, der als erster zu einem Kreuzzug aufrief, aus. Er verfolgte den Gedanken, mit einem Kreuzzug dem Hilferuf von Kaiser Alexios I., dessen Reich Byzanz von den Seldschuken belagert wurde, zu folgen um somit die Kirchenspaltung von 1054 (Schisma = Spaltung in römisch katholische Kirche und römisch orthodoxe Kirche) rückgängig zu machen und wieder eine christliche Einheit in Europa zu bilden. Für den Papst galt also primär eine „Wiederherstellung der Einheit des alten römischen Reiches in Ost und West durch den geistlichen Beherrscher Roms, Einheit besonders im Hinblick auf die Religion“13 Er forderte in seiner Rede 1095 in Clermont seine Zuhörer als „Sendbote“14 und „oberster Priester der Welt“15 auf, „dieses gemeine Gezücht aus den von euern Brüdern bewohnten Gebieten zu verjagen und den Anbetern Christi rasche Hilfe zu bringen“16. Hierfür versprach er mit „der Macht Gottes“17 eine vollständige Vergebung der Sünden und „die ewige Belohnung“18.

Die Bevölkerung sah die Kreuzzüge als eine gottgewollte Pilgerfahrt ins Heilige Land an, welche dieses von den »Ungläubigen«, die die Gebiete mit „Unrecht und Tyrannei“19 regierten und denen „kein Altar, kein kirchliches Gefäß“20 heilig war, befreien sollte. Hierbei wurde auf die Vergebung irdischer Sünden und einen gerechten Lohn für dieses „Lebensopfer“21 gehofft. Die Bevölkerung erhoffte sich „von der Gegenwart nichts, von der Zukunft alles“22. Man fühlte sich „legitimiert, mit grenzenloser Brutalität gegen andersgläubige Glaubensgenossen vorzugehen und sie zum Wiedereintritt zu `nötigen’“23 und „unter ganz bestimmten Umständen auf Befehl Gottes Kriege durchzuführen“24, was man auf die Lehren des Kirchenvaters und Kirchenlehrers Aurelius Augustinus (354-430) zurückführte, der als einer der ersten Kirchenväter einen heiligen Krieg determinierte.

1.4. Die Kreuzzüge - Übersicht:

Nachdem Papst Urban II. 1095 auf einem Konzil in Clermont zu einem gemeinsamen Krieg gegen die ungläubigen Besetzer des Heiligen Landes aufrief, zogen im Frühjahr 1096 tausende Bauern unter der Führung Peter des Eremiten und Walter Habenichts ins Heilige Land. Gemeinden, in denen jüdische Menschen wohnten, wurden Opfer dieses »Bauernkreuzzugs«, der sich auch gegen die »Ungläubigen« im eigenen Land richtete. Dieser Zug erreichte im August 1096 Konstantinopel, wurde jedoch im Oktober desselben Jahres bei Civetot von den Türken geschlagen.

Der erste wirkliche Kreuzzug brach im August 1096 nach Konstantinopel auf und eroberte im Juni 1097 Nicaea. Die Moral, welche durch die langen, durch Hungersnöte erschwerten Kriege beträchtlich sank, wurde durch den Fund der vermeintlichen »heiligen Lanze« wieder gefestigt und die Kreuzfahrer begannen am 07. Juni die Belagerung von Konstantinopel, welches sie am 15. Juli erfolgreich einnahmen. Die zumeist jüdische und muslimische Bevölkerung wurde „systematisch massakriert“25. Somit war Jerusalem wieder in christlichem Besitz. Nach der islamischen Rückeroberung Edessas im Jahre 1145 rief Abt Bernhard von Clairvaux in Frankreich zum zweiten Kreuzzug auf. Zur gleichen Zeit wurde in Deutschland gerade ein Kreuzzug gegen die Slawen geführt. 1146 schaffte es Bernhard, Konrad III. zur Teilnahme zu überreden, und im Mai 1147 (also ca. 2½ Jahre nach dem Fall Edessas) zog das Kreuzfahrerheer los, um 1148 das heilige Land zu erreichen. Hier beschloss, man Damaskus zurückzuerobern, was jedoch nach einer 5 tägigen Belagerung aufgegeben wurde und einen Rückzug des ganzen Heers „übersät mit getöteten Menschen und Pferden“26 zur Folge hatte. Zum dritten Kreuzzug wurde 1187 von Gregor VIII. aufgerufen, da Jerusalem von den Moslems zurückerobert wurde. Kaiser Friedrich I., auch »Barbarossa« genannt, brach 1189 in Deutschland auf. Als er jedoch 1190 in Kalykadnos ertrank, kehrte das deutsche Kreuzzugsheer frühzeitig zurück, „noch ehe es palästinensischen Boden betreten hatte“27. Am 04.07.1190 brachen Philipp August von Frankreich und Richard I. von England, auch »Löwenherz« genannt, zusammen auf und nahmen 1191 Akkon ein. Am 02.08.1191 kehrte Philipp August nach Frankreich zurück und überließ Richard »Löwenherz« das alleinige Kommando. Nach der Schlacht bei Jaffa am 05.08.1192, welche die Kreuzfahrer gegen Sultan Saladin gewannen, kam es zu Friedensverhandlungen zwischen Richard I. und Sultan Saladin. Das Resultat dieser Verhandlungen war die Erlaubnis, dass Pilger „ungehindert die heilige Stätte besuchen, römisch-katholische Priester am Heiligen Grab, in Bethlehem und Nazareth die Messe lesen“28 durften. Doch die Stadt selbst blieb in muslimischen Händen.

Hiernach folgte ein Kreuzzug des deutschen Kaisers Heinrich VI. im Jahre 1195, welcher die bis dato friedlich mit Saladin gesinnte Stadt Galiläa angriff, sich jedoch nach kurzer Zeit zurückziehen musste. Heinrich VI. starb und der Kreuzzug wurde aufgelöst.

Im Jahre 1199 begeistert Theobald von Champagne zusammen mit Papst Innozenz III. zu einem Kreuzzug, welcher auch als »Kreuzzug der Armen« bezeichnet wurde, da die Zielgruppe für die Teilnahme an diesem Kreuzzug eher ärmere Leute waren, bei dem von Venedig aus ins heilige Land übergesetzt werden sollte. Doch da nicht genug Geld vorhanden war, mussten die Kreuzfahrer zuerst für die Venezianer die christliche Stadt Zara zurückerobern. Als dann aus Konstantinopel die Nachricht kam, dass Kaiser Isaak II. von seinem Bruder Alexios gestürzt worden war, half das Kreuzheer auch hier und brach 1203 nach Konstantinopel auf. Nachdem sie dieses erobert hatten, konnte Isaak seine Schulden jedoch nicht begleichen, was zu einer wilden Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer führte, die „auf barbarische Weise mehr Kunstschätze und kulturelle Werte vernichteten als die Türken bei der Eroberung im Jahre 1453“29.

1212 behauptete der Hirtenjunge Stephan aus Frankreich, von Jesus selbst zu einem Kreuzzug aufgefordert worden zu sein und wurde im Juni 1212 mit seinem »Kinderkreuzzug« von Kaufleuten Richtung heiliges Land mitgenommen. Diese Schiffe erreichten ihr Ziel jedoch nie. Zwei Schiffe sanken und die restlichen Insassen der anderen fünf Schiffe wurden versklavt. Auch der »Kinderkreuzzug« aus Deutschland, welcher von dem Dorfjungen Nikolaus angeführt wurde, scheiterte schon in Genua.

Der fünfte Kreuzzug wurde 1227 von Friedrich II. angeführt, welcher von Papst Gregor IX. in den Kirchenbann gestellt wurde, da er nicht sofort nach dessen Aufruf aufbrach. Am 07. September 1228 landete Friedrich II. in Akkon. Von hier verhandelte er mit Sultan El - Kamil und erreichte eine freiwillige Freigabe Jerusalems ohne kriegerische Akte, was ihm jedoch keinen Ruhm einbrachte, da nach christlicher Auffassung die „Kreuzfahrer die Muslims besiegen und töten, aber keine Verträge mit ihnen schließen“30 sollten.

Die Rückeroberung Jerusalems durch choresmische Türken im Jahre 1244 war der Anlass zum sechsten Kreuzzug, zu welchem Ludwig IX, auch »der Heilige« genannt, aufrief. Sein Heer brach 1248 auf und eroberte am 05. Juni 1249 die Stadt Damiette in Ägypten, um von hier aus den Sultan zu besiegen. Doch Ludwig IX. musste sich am 06. März 1250 geschlagen geben, da „sein Herr durch Seuchen und Hunger und er selbst durch die Ruhr“31 geschwächt waren. Er wurde gefangen genommen und kam erst gegen eine sehr hohe Summe wieder frei.

Auch den siebten und letzten Kreuzzug führte Ludwig »der Heilige« im Jahre 1270 an. Er segelte nach Nordafrika um dort den Emir von Tunis zu bekehren und ihn zu einem gemeinsamen Zug zu gewinnen. Doch Ludwig und sein Herr erkrankten sofort nach ihrer Landung am 18. Juni 1270 an einer Seuche und Ludwig starb am 25. August noch vor Tunis.

2. Auseinandersetzung mit den Fragen:

2.1. Wie konnte es zu den Kreuzzügen kommen?

Ein Glaubenskrieg in so großem Umfang wie die Kreuzzüge wäre ohne eine große soziale Bereitschaft in der Bevölkerung gar nicht möglich gewesen. Man kann die „Frömmigkeit des Mittelalters“32 als einen ausschlaggebenden Faktor für die massenhafte Teilnahme an den Kreuzzügen ansehen. Hier wäre der eschatologische Gesichtspunkt der Johannes-Offenbarung, welche eine Rückkehr des Satans nach 1000 Jahren christlicher Herrschaft und eine Wiederkunft Christi prophezeite, von Bedeutung. Nun scheint so manchem Christen, „fasziniert von der

Zahl Tausend“33, der Gedanke gekommen sein, „eine Kreuzfahrt zur Befreiung Jerusalems zu unternehmen und damit gleichzeitig seine Sünden loszuwerden“34. Der Glaube an die Absolution von allen weltlichen Sünden genoss einen hohen Stellenwert bei den Kreuzfahrern. So heißt es: „als Papst Urban allen christlichen Kämpfern gegen die Heiden den Nachlass der Sünden versprach, da erwachte der Eifer des gleichsam eingeschläferten Mannes, seine Kräfte kehrten wieder, die Augen wurden ihm geöffnet, seine Kühnheit verdoppelte sich“35.

Auch der Glaube an die „leitende, legitime Autorität des Papstes“36, welcher im Namen Gottes zu dieser bewaffneten Pilgerfahrt aufrief, wird eine große Wirkung auf die damalige Bevölkerung gehabt haben.

Allgemein kann man sagen, dass sich Pilgerfahrten in das Heilige Land gerade zu dieser Zeit einem hohen Beliebtheitsgrad innerhalb der christlichen Bevölkerung erfreuten. So verwundert es nicht, dass Nachrichten wie die, dass „eine schöne Äbtissin, welche den Türken in die Hände fiel“37, misshandelt wurde, bis sie „den Geist aufgab“38, oder dass Geistliche „geschlagen und gestoßen“39 wurden, für großes Aufsehen und heftige Empörung sorgten.

Doch nicht nur religiösen Gründe haben für eine so große Kreuzzugsbereitschaft gesorgt. Auch sozio-ökonomische Gründe waren von Bedeutung. Die Hoffnung auf ein besseres Leben im Heiligen Land in dem „nach Auskunft der Bibel `Milch und Honig’ fließen sollten“40, hat vor allem die „Feudalschicht“41 so wie die Unterschicht, „die buchstäblich auf der Straße liegenden Scharen der bäuerlichen Bevölkerung“42, begeistert.

Von Seiten des Papstes kam noch ein weiterer Faktor, welcher ihn dazu brachte zu einem Kreuzzug aufzurufen, dazu, was bereits in Punkt 1.3. erwähnt wurde. Er wollte eine Erneuerung der Einheit zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche erreichen um wieder alleiniger Primat der Christenheit zu werden. Also kann man hier die Schlussfolgerung ziehen, dass das Schisma von 1054 eine gewisse Rolle beim Kreuzzugsaufruf spielte.

2.2. Waren die Kreuzzüge ein »gerechter Krieg«?

Um diese Fragestellung gezielt bearbeiten zu können, sollte man dieser zuerst die „Lehre vom gerechten Krieg“43 zu Grunde legen:

Diese Lehre besagt, ein Krieg sei dann gerechtfertigt, wenn er

1) von der staatlichen Gewalt (also nicht illegal) erklärt werde,

2) um einer gerechten Sache willen geführt werde (also nicht der Verteidigung eines bestehenden Unrechts diene),

3) gegen einen ungerechten Angriff gerichtet ( also nicht präventiv) sei,

4) mit Mitteln geführt werde, die nicht selber Unrecht schüfen (z.B. Unschuldige in die Kampfhandlung einbezögen), und die

5) eine gewisse Aussicht auf Erfolg hätten (also nicht sinnlos Menschen opferten).44

Wenn man diese Bedingungen, welche einen Krieg legitimieren sollen, um ihn zu einem »gerechten Krieg« zu machen, auf den ersten Blick betrachtet, könnte man meinen, sie scheinen einleuchtend und vernünftig. Doch wenn man sie sich genauer ansieht und in diesem Fall auf die Kreuzzüge anwendet, merkt man, dass „sie für die Praxis als undurchführbar“45 gelten müssen.

Der erste Punkt besagt, dass ein »gerechter Krieg« dürfe nicht illegal geführt werden . Im Falle der Kreuzzüge war dies zutreffend. Sie wurden sowohl von Seiten der Kirche als auch von Seiten des Königs ausgerufen und gefordert und somit auch legitimiert. Doch woher nimmt sich ein Staat, oder besser gesagt dessen Führung, das Recht, einen Krieg zu erklären? Bei den Kreuzzügen war der Grund für eine solche Legitimierung die Rückeroberung des Heiligen Landes. Doch dieses Heilige Land, was es zurück zu erobern galt, war „seit dem 6. Mai des Jahres 610, als Jerusalem von den Persern erobert wurde - also seit 485 Jahren!“46 nicht mehr in christlichen Händen. Hier verwundert, dass von Seiten der Christenheit nicht eher ein Versuch unternommen wurde, dieses zurück zu gewinnen. Auch die Eroberung Jerusalems durch die Seldschuken lag zur Zeit des Kreuzzugsaufrufs von Papst Urban II. bereits „fast 25 Jahre“47 zurück. Somit birgt dieser erste Punkt einige Kontroversen und hilft keineswegs, die Kreuzzüge einen Schritt näher an die Bezeichnung »gerechter Krieg« zu führen.

Nach Punkt zwei der o.g. Auflistung muss ein »gerechter Krieg« zugunsten einer gerechten Sache geführt werden. Doch ist nicht in den Augen derer, welche zu einem Krieg aufrufen, die Intention, welche sie damit verfolgen, immer legitim? Es ist niemals eindeutig, welche Partei in einem Krieg das Recht auf ihrer Seite hat. Dies auf die Kreuzzüge angewendet zeigt, dass die Kreuzfahrer natürlich der Überzeugung waren, sie kämpften für eine gerechte Sache, nämlich für die Befreiung des Heiligen Landes, in welchem ihr Erlöser gelebt hat. Doch auf der anderen Seite haben auch die Seldschuken Jerusalem in dem Glauben, ihr Vorgehen sei gerechtfertigt, erobert. Die Dichotomie der Auseinandersetzung wird an jener Stelle deutlich, sodass auch dieser Punkt nicht wirklich überzeugen kann.

Nun gilt es nach einer Überzeugungskraft des dritten Punktes zu forschen. Hier wird gefordert, dass ein Krieg nicht präventiv sein darf, was bedeutet, dass er nicht zur Vorbeugung oder Abschreckung, sondern zur Verteidigung gegen einen ungerechten Angriff dienlich sein darf. Hier muss zuerst wieder festgelegt werden, wann man nur zur Verteidigung und nicht offensiv gegen einen ungerechten Angriff Krieg führt. Über die Definition, wann ein Angriff gerecht oder ungerecht ist, wird sich in dieser Lehre schon in Punkt zwei gestritten. Die Einteilung in eine offensive oder defensive Kriegsführung kann man nie ganz eindeutig bestimmen, da der Angegriffene bei einem Sieg seinen Gegner „so weit niederzwingen“48 muss, bis dieser endgültig militärisch geschlagen ist. Im Fall der Kreuzzüge sind die Kreuzheere ausgezogen und haben außerhalb des eigenen Landes, jedoch im Namen von Verbündeten, versucht, ein anderes Land zu befreien. Doch auch das Kreuzheer blieb nicht defensiv. Nach der Einnahme Jerusalems am 15. Juli 1099 veranstaltete es dort ein solches Blutbad, dass nach den Aussagen eines Kreuzfahrers „die Unsrigen [die Kreuzfahrer] bis zu den Knöcheln im Blut wateten“49, welches zur Abschreckung der Heiden gedacht war. Also erfüllten die Kreuzzüge auch diesen Punkt zur Legitimierung als einen »gerechten Krieg« nicht.

Über den vierten Punkt, welcher besagt, dass keine Unschuldigen in die Kampfhandlung einbezogen werden dürfen, braucht man nicht sehr viel zu sagen. Es gab in der ganzen Geschichte nie Kriege, bei denen keine Unschuldigen betroffen waren. Auch im Falle der Kreuzzüge wurden, wie schon eben erwähnt, Unschuldige Opfer von Massakern. Auch der Kampf gegen die Ungläubigen im eigenen Land, beispielsweise gegen die Juden, gehörte nicht zu den eigentlichen Zielen der Kreuzzüge und macht somit die Juden zu unschuldigen Opfern.

Der fünfte Punkt legitimiert einen »gerechten Krieg«, falls eine gewisse Aussicht auf Erfolg bestehe. Jede Kriegsführung, welche keine Aussicht auf Erfolg bei ihrem Unternehmen sieht, oder wenigstens eine geringe Hoffnung auf einen Sieg hegt, würde gewiss von einem solchen ablassen, um sich nicht selbst zu besiegen. Die Kreuzfahrer hatten durch den Glauben an einen gottgewollten Krieg mit dessen Unterstützung bestimmt eine begründete Hoffnung auf einen Sieg. Doch falls dieser Grund einen Krieg rechtfertigen würde, wäre jeder Krieg einer militärisch überlegenen Macht gegen eine unterlegene Gruppe ein »gerechter Krieg«. Somit verliert dieses Argument schon einmal von vornherein für die Rechtfertigung eines Krieges seine Gültigkeit.

Hier wird also deutlich, dass die Kreuzzüge alles andere als ein gerechter Krieg waren, da sie nur einen von diesen fünf Punkten bestätigen. Gerade im Fall der Kreuzzüge, welche nun mal in christlichem Namen geführt wurden, hätte man meinen können, dass „das Christentum als eine Religion des Friedens“50, einem solchen Unternehmen widersagen würde, anstatt zu einem solchen motivieren.

III. Schluss:

1. Ergebnis:

Das Ergebnis dieser Untersuchungen scheint recht klar: Die Kreuzzüge waren kein »gerechter Krieg«. Man kann die Lehre von einem »gerechten Krieg« eher als „Notverordnung“51, welche in der Theorie einleuchtend erscheint, in der Durchführung jedoch ihren ganzen Glanz verliert, ansehen.

Natürlich spielte die Mentalität der damaligen europäischen Bevölkerung eine maßgebliche Rolle, doch diese darin enthaltene Naivität trägt auch nicht dazu bei, einen Krieg zu rechtfertigen.

Ich kann nun die Entscheidung des Mannes, welcher wegen den Kreuzzügen aus der Kirche austrat, nachvollziehen, wenn ich auch nicht weiß, ob man diese Fehltritte noch heute auf das Christentum projizieren kann.

Des Weiteren bin ich beim Bearbeiten der „Lehre vom gerechten Krieg“52 zu der Überzeugung gekommen, das es in der ganzen Geschichte noch nie einen Krieg gegeben hat, der gerecht gewesen ist. Auch glaube ich nicht, dass es einen solchen in der Zukunft jemals geben wird, da mich die Lehre vom »gerechten Krieg« in keinem Punkt wirklich überzeugt hat.

2. Gegenwartsbezug:

Man kann die Frage eines «gerechten Krieges» leicht auf die Gegenwart beziehen, was die Ereignisse des 11. Septembers 2001 zeigen. Hier verübten islamische Fundamentalisten einen Terroranschlag auf des World Trade Center in New York, bei welchem zahlreiche Menschen ums Leben kamen. Dieser Anschlag wurde von Seiten der Fundamentalisten mit dem Dschihad ( islamische Bezeichnung für den »Heiligen Krieg« gegen die »Ungläubigen« ) gerechtfertigt. Hier wird deutlich, dass der Glaube an einen »gerechten Krieg«, welcher durch eine Religion legitimiert ist, nicht aus der Vergangenheit stammt, sondern auch in der heutigen Zeit noch sichtbar ist. Was einst durch die Kreuzfahrerheere verübt wurde, wurde dort in ähnlicher Form von Seiten des Islam ausgeführt.

IV. Literatur- und Quellenverzeichnis: Zitierte Quellen:

Wolfgang Borchardt und Reinhardt Möldner ( o. j. ): Themen und Probleme der Geschichte, jüdisches Leben in christlicher Umwelt. Ein historischer Längsschnitt (Cornelsen Hirschgraben)

Wilhelm Brüggeboes 1972: Kirchengeschichte, Ein Lehrbuch für den katholischen Religionsunterricht ( Patmos-Verlag Düsseldorf)

Alexander Cartellieri 1972: Weltgeschichte als Machtgeschichte in 5 Bänden,

Band 4 Der Vorrang des Papsttums zur Zeit der ersten Kreuzzüge 1095 - 1150 ( Scientia Verlag Aalen)

Eugen Drewermann 1982: Der Krieg und das Christentum: von der Ohnmacht und Notwendigkeit des Religiösen (Friedrich Pustet Verlag Regensburg)

Gisbert Gemein und Joachim Cornelissen 1992: Kreuzzüge und

Kreuzzuggedanke im Mittelalter und Gegenwart, Quellen- und Arbeitsbuch für die Oberstufe des Gymnasiums ( Bayrischer Schulbuch-Verlag München)

Peter Kawerau 1982: Ostkirchengeschichte III , Das Christentum in Europa und Asien im Zeitalter der Kreuzzüge ( Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium )

Johannes Lehmann 1976: Die Kreuzfahrer, Abenteuer Gottes ( C. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG, Bindlach)

Brenda Ralph Lewis 1976: Die Kreuzzüge, Ein Was ist Was Buch, Band 60 (Tessloff Verlag)

Gerhard Wehr 1979: Aurelius Augustinus, Größe und Taktik des umstrittenen Kirchenvaters, GTB Biographie (Gütersloher Verlagshaus)

Nicht zitierte Quellen:

Horst Fuhrmann 1984: Papst Urban II. und der Stand der Regularkanoniker (Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften)

Die Bekenntnis des heiligen Augustinus ( o. j. ) (Atlas-Verlag Köln)

Francesco Gabrieli 1975: Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht (Deutscher Taschenbuch Verlag)

G. Kahl-Furthmann 1979: Christentum und Krieg (Verlagsgesellschaft Lorenz Ellwanger, Bayreuth)

[...]


1 W. Borchardt und R. Möldner

2 ebd.

3 ebd.

4 W. Brüggeboes, S.67

5 P. Kawerau, S.40

6 ebd.

7 ebd.

8 ebd.

9 G. Gemein und J. Cornelissen, S.41

10 ebd.

11 ebd.

12 A. Cartellieri, S.3

13 P. Kawerau, S.2

14 W. Borchardt und R. Möldner, S.16f

15 ebd.

16 ebd.

17 ebd.

18 ebd.

19 J. Lehmann, S.20

20 ebd.

21 W. Borchardt und R. Möldner, S.19

22 ebd.

23 G. Wehr, S.84

24 G. Gemein und J. Cornelissen, S.141

25 G. Gemein und J. Cornelissen, S.34

26 J. Lehmann, S.230

27 J. Lehmann, S.297

28 J. Lehmann, S.314

29 J. Lehmann, S.326

30 B. R. Lewis, S.39

31 J. Lehmann, S.362

32 J. Lehmann, S.34

33 ebd.

34 J. Lehmann, S.35

35 G. Gemein und J. Cornelissen, S.45

36 W. Borchardt und R. Möldner, S.19

37 J. Lehmann, S.20

38 ebd.

39 ebd.

40 W. Borchardt und R. Möldner, S.19

41 ebd.

42 ebd.

43 E. Drewermann, S. 137

44 ebd.

45 E. Drewermann, S. 138

46 J. Lehmann, S. 18

47 ebd.

48 E. Drewermann, S. 143

49 J. Lehmann, S.147

50 E. Drewermann, S. 142

51 E. Drewermann, S.135

52 E. Drewermann, S. 137

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Der Kreuzzugsgedanke und dieFrage nach dem Gerechten Krieg
Cours
Facharbeit
Note
13 Punkte
Auteur
Année
2002
Pages
13
N° de catalogue
V106528
ISBN (ebook)
9783640048076
Taille d'un fichier
427 KB
Langue
allemand
Annotations
Eine Facharbiet über den Kreuzzugsgedanken und die Frage ob die Kreuzzüge ein gerechter Krieg waren.
Mots clés
Kreuzzugsgedanke, Gerechten, Krieg, Facharbeit
Citation du texte
Marc Wegener (Auteur), 2002, Der Kreuzzugsgedanke und dieFrage nach dem Gerechten Krieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106528

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