Der Zusammenhang zwischen narzisstischen Persönlichkeitseigenschaften und dem Führungsverhalten

Eine empirische Untersuchung der Selbstbeurteilung von Führungskräften


Bachelorarbeit, 2009

71 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Problemstellung und Zielsetzung

2 Konzeptioneller Bezugsrahmen
2.1 Deskriptive Aspekte der Führung
2.1.1 Stand der Führungsforschung
2.1.2 Verhaltensorientierte Führung als Untersuchungsgegenstand
2.1.2.1 Führungsstil und Führungsstilforschung
2.1.2.2 Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung
2.2 Begriffsabstimmung Narzissmus
2.2.1 Destruktiver Narzissmus
2.2.2 Konstruktiver Narzissmus

3 Entwicklung eines theoretischen Modells
3.1 Zusammenhang von Persönlichkeit und Führungsverhalten
3.1.1 Verhaltensbestimmende Faktoren narzisstischer Personen
3.1.1.1 Selbstwahrnehmung
3.1.1.2 Selbstkonzept
3.1.2 Einfluss von Narzissmus auf das Führungsverhalten
3.1.2.1 Destruktiver Narzissmus als kontraproduktives Verhalten
3.1.2.2 Konstruktiver Narzissmus als Erfolgsgegenstand
3.2 Hypothesenbildung zur Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung

4 Empirische Untersuchungen
4.1 Konzeption der empirischen Untersuchung
4.1.1 Vorüberlegungen
4.1.1.1 Einfluss von Narzissmus auf die Selbstbeurteilung
4.1.1.2 Integration des Fünf-Faktoren-Modells (Big-Five)
4.1.2 Zentrale Fragestellung
4.1.3 Heuristisches Untersuchungsmodell
4.2 Untersuchungsmethodik
4.2.1 Beschreibung des Narcissistic Personality Inventory
4.2.2 Erklärung des Fragebogens zur Vorgesetzten-Verhaltens-Beschreibung
4.2.3 Stichprobenbeschreibung
4.2.4 Erläuterung der Auswertungsmethoden
4.3 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
4.3.1 Deskriptive Ergebnisse
4.3.1.1 Kennwerte des NPI
4.3.1.2 Kennwerte des FVVB
4.3.1.3 Kennwerte des FFM
4.3.2 Hypothesentests
4.3.2.1 Narzissmus und Führungsverhalten
4.3.2.2 Narzissmus und Führungserfahrung
4.3.2.3 Narzissmus und Geschlecht
4.3.2.4 Narzissmus und Persönlichkeit
4.4 Interpretation der Ergebnisse

5 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

6 Anhang
6.1 Messinstrumente
6.1.1 Fragebogen der aktuellen Untersuchung
6.1.2 Skalen und Items des NPI
6.1.3 Skalen und Items des FVVB
6.2 Tabellen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Ein Rahmenmodell der Führung

Abb. 2: Ohio-State-Leadership-Quadrant

Abb. 3: Darstellung des Johari-Fensters

Abb. 4: Heuristisches Untersuchungsmodell zur Erfassung des Zusammenhangs zwischen Narzissmus und dem Führungsverhalten

Abb. 5: Narzisstische Ausprägung nach Geschlecht

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Merkmale der Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung

Tabelle 2: Faktoren und Eigenschaften des FFM

Tabelle 3: Kennwerte NPI

Tabelle 4: Perzentile NPI

Tabelle 5: Narzisstische Ausprägung nach Geschlecht

Tabelle 6: Kennwerte FVVB

Tabelle 7: Kennwerte FFM

Tabelle 8: Zusammenhang zwischen NPI und FVVB

Tabelle 9: Zusammenhang zwischen NPI und Führungserfahrung

Tabelle 10: Zusammenhang zwischen NPI und FFM

Tabelle 11: Geschlechterverteilung

Tabelle 12: Alter der Führungskräfte

Tabelle 13: Führungserfahrung in Jahren

Tabelle 14: Beschäftigung im aktuellen Unternehmen

Tabelle 15: Mittelwerte Narzissmus und Geschlecht (T-Test) I

Tabelle 16: Mittelwerte Narzissmus und Geschlecht (T-Test) II

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

AO Aufgabenorientierung

bzw. beziehungsweise

ca. circa

d.h. das heißt

DSM Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

et al. und andere

etc. et cetera

f./ff. folgende

ggf. gegebenenfalls

FFM Fünf-Faktoren-Modell (Big-Five)

FVVB Fragebogen zur Vorgesetzten-Verhaltens-Beschreibung

LBDQ Leadership-Behaviour-Descritpion-Questionaire

MO Mitarbeiterorientierung

NPI Narcissistic Personality Inventory

o.ä. oder ähnliches

usw. und so weiter

z.B. zum Beispiel

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen und organisationalen Wandels, sowie veränderter Anforderungen an Führungskräfte, werden in der Führungsforschung in jüngster Zeit verstärkt narzisstische Eigenschaften diskutiert. Trotz des hohen Forschungsinteresses existieren bisher nur wenige Untersuchungen zu diesem Thema. Hinsichtlich dieses Mangels wird die vorliegende Arbeit den Zusammenhang zwischen narzisstischen Persönlichkeitseigenschaften und dem Führungsverhalten untersuchen, welches mit Hilfe der Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung einer Führungsperson operationalisiert wird. In der Literatur herrscht die Annahme, dass eine hohe Mitarbeiterorientierung, verbunden mit einer hohen Aufgabenorientierung das ideale Führungsverhalten darstellt. Aufbauend auf dieser Annahme wird theoretisch und empirisch untersucht, zu welchem Führungsverhalten narzisstische Führungskräfte neigen. Zur Untersuchung des Führungsverhaltens wurde der FVVB (Fragebogen zur Vorgesetzten-Verhaltens-Beschreibung von Fittkau-Garthe & Fittkau, 1971) herangezogen. Dieser wurde mit Teilen des NPI (Narcissistic Personality Inventory in der Version von Raskin & Terry, 1988) ergänzt, um narzisstische Merkmale zu erfassen. Zusätzlich wurden Eigenschaften des Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit (FFM) abgefragt, deren Subskalen mit denen der oben genannten Verfahren in Zusammenhang gebracht wurden. Ein deutlicher Zusammenhang zwischen Narzissmus und dem Führungsverhalten zeigt sich bei der Aufgabenorientierung einer Führungsperson. Diese beschreibt eine instrumentelle Zuwendung zu den Aufgaben des Unternehmens. Die Mitarbeiterorientierung äußert sich durch die Beachtung zwischenmenschlicher Beziehungen im Unternehmen. Dabei wurde kein Zusammenhang zum Narzissmus festgestellt, was eventuell darauf zurückzuführen ist, dass narzisstische Führungskräfte wenig Interesse an den Bedürfnissen der geführten Mitarbeiter haben.

Abstract

Increasing social and organizational change and new demands in the field of leadership have evoked a growing interest in narcissistic characteristics. In spite of the increasing scientific interest there exist only a few researches in this subject. Owing to this fact the present investigation explores the connection between narcissistic personality traits and leadership behavior, which is operationalized by initiating structure and consideration. In scientific literature the assumption prevails that high consideration associated with a collaborative management style results in success. Being based on this assumption the present investigation reports about theoretical and empirical determined results showing which kind of behavior narcissistic leaders tend to. For this survey the FVVB was used (German version of Leadership-Behaviour-Descripton Questionaire from Fittkau-Garthe & Fittkau, 1971). It was amended with tracts of NPI (Narcissitic Personality Inventory in version of Raskin & Terry, 1988) to find narcissistic personality traits. Some traits of the Five-Factor-Model (Big-Five of Personality) identify specific connections in combination to the other two methods. A coherence between narcissism and behavior can be found with regard to the initiating structure of a leader. Its reflected in a instrumentally allocation to managerial functions. Consideration describes an interpersonal relationship management. Coherence is not found between narcissism and consideration. The reason could be that narcissistic leaders are not interested in the needs of their staff.

1 Problemstellung und Zielsetzung

Das Ziel der Führungsforschung bestand lange Zeit darin, Führungsverhalten erklärbar zu machen und Eigenschaften zu benennen, die zum Führungserfolg beitragen. Das Themengebiet zeichnet sich auch in jüngster Zeit durch einen hohen Stellenwert aus und wird in Theorie und Praxis häufig erforscht. Es werden vermehrt Persönlichkeits­eigenschaften von Führungskräften diskutiert, was auf veränderte Anforderungen im organisationalen Kontext zurückgeführt werden kann. Dabei kristallisiert sich ein Trendthema heraus, welches Narzissmus in den Führungskontext einbettet. Charakte­ristisch für die existierenden Arbeiten zu diesem Thema ist die Frage, ob sich Narziss­mus erfolgshemmend oder -fördernd auf das Führungsverhalten auswirkt. So verweist Dammann (2007) in seinem Buch auf einen Zeitungsartikel, in dem es heißt, Narzissten seien im Vorteil (Dammann, 2007). Obwohl der Begriff überwiegend negativ behaftet ist, zeigen aktuelle Studien, dass narzisstische Persönlichkeitseigenschaften zum Führungs­erfolg beitragen können. Da beim Narzissmus häufig von einer Persönlichkeits­störung ausgegangen wird, stellt sich die Frage nach der Grenze zwi­schen konstruktiven und destruktiven Auswirkungen im Führungskontext. Die folgende Arbeit beschreibt Narzissmus in zwei Ausprägungsformen und versucht, daraus re­sultierende, positive und negative Wirkungsweisen gegenüberzustellen. Durch eine Operationalisierung des Führungsverhaltens auf die Aufgaben- und Mitarbeiter­orientierung einer Führungs­person, sollen anschließend Verhaltenspräferenzen narziss­tischer Führungspersönlich­keiten ermittelt werden. Die Literatur sieht das ideale Führungs­verhalten in der Kombi­nation von hoher Aufgaben- und Mitarbeiter­orientierung (Macharzina & Wolf, 2005; Wiswede, 2000). Inwieweit narzisstische Füh­rungskräfte dieses Ideal erfüllen, soll theo­retisch und praktisch untersucht werden.

Als Grundlage zur Erfassung von Zusammenhängen wurde ein Fragebogen entwickelt, der sich aus mehreren etablierten und fundierten Untersuchungsdesigns aus den Be­rei­chen der Persönlichkeitsforschung, klinischer Diagnostik und Führungsforschung zu­sammensetzt. Neben dem FVVB (Fragebogen zur Vorgesetzten-Verhaltens-Beschrei­bung von Fittkau-Garthe & Fittkau, 1971), zur Erfassung des Führungsverhaltens, wur­den in der Befragung Teile des NPI (deutsche Version des Narcissistic Personality In­ventory von Raskin & Terry, 1988) verwendet, welches Narzissmus als Persönlichkeits­konstrukt, auf einem Kontinuum erfasst (Morf & Rhodewalt, 2006). Zusätzlich wurden Eigenschaften des Fünf-Faktoren-Modells (Big-Five der Persönlichkeit) in die Unter­suchung integriert, um generelle Merkmale narzisstischer Personen aufzuzeigen und eine Verbindung zum Führungsverhalten herzustellen.

Im Folgenden wird die Vorgehensweise der Untersuchung dargestellt: Zuerst werden Grundlagen der Führungsforschung erläutert, die in eine Vertiefung des Verhaltensansatzes übergehen. Dabei werden klassische Führungsstile (autoritär, kooperativ, laissez-faire) beschrieben und zwei Dimensionen (Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung) des Führungsverhaltens charakterisiert. Anschließend findet eine Begriffsabstimmung zum Narzissmus statt, wobei zwei Ausprägungsformen differenziert werden. Im nächsten Schritt wird ein theoretisches Modell entwickelt, welches grundsätzliche Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und dem Führungsverhalten verdeutlicht. Weiterhin werden Faktoren beschrieben, die zur Verhaltenssteuerung narzisstischer Personen beitragen. Abschließend sollen die Erkenntnisse über die Merkmale narzisstischer Personen zu Rückschlüssen hinsichtlich der Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung führen. Aufbauend auf theoretisch abgeleiteten Wirkungsweisen von Narzissmus werden Hypothesen gebildet und begründet, die diesen Sachverhalt untersuchen. Im empirischen Teil der Arbeit werden diese Hypothesen geprüft und interpretiert.

2 Konzeptioneller Bezugsrahmen

Die vorliegende Arbeit legt den Fokus auf die Führung von Menschen durch Menschen und widmet sich demzufolge der Mitarbeiterführung. Dabei handelt es sich um einen interaktionalen Beeinflussungsprozess zwischen Führer und Geführten, der von vielen Faktoren gelenkt wird (Wunderer, 2006). Ein bedeutender Faktor für die vorliegende Arbeit ist die soziale Kompetenz einer Führungsperson. Diese beschreibt den Umgang mit sich selbst und mit anderen. Die soziale Kompetenz einer Führungskraft nimmt Einfluss auf das Verhalten der Geführten und trägt somit zum Erfolg eines Unternehmens bei (Ackerhans, 1999). Goleman (1995) verdeutlicht wie soziale Kompetenz wirkt: „[Wer sie besitzt kann] ohne Schwierigkeiten Verbindungen zu anderen herstellen, ihre Reaktionen und Gefühle scharfsinnig erfassen, führen und organisieren und mit Konflikten fertigwerden, die bei allem menschlichen Tun unvermeidlich auftreten (…).“ (Goleman, 1995, S. 154).

Sozialwissenschaftler sehen in der individuellen Persönlichkeit den wichtigsten Determinanten, der den Umgang zu sich und zu anderen steuert (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2008). Narzisstische Persönlichkeiten verfügen über ein gestörtes Selbstbild und empfinden gegenüber ihren Mitmenschen wenig Empathie (Battegay, 1991). Es kann angenommen werden, dass soziale Kompetenz bei ihnen weniger ausgeprägt ist. Zur Überprüfung dieses Sachverhalts eignet sich der verhaltenstheoretische Führungsansatz, da er Rückschlüsse auf die Beziehungsfähigkeit einer Führungsperson erlaubt (Dries, 2002). Die folgenden Abschnitte beleuchten die allgemeinen Aspekte der Führung und der Führungsforschung und nehmen Bezug zum verhaltenstheoretischen Führungsansatz. Anschließend wird die narzisstische Persönlichkeit begrifflich eingeordnet und in eine positive und negative Ausprägung differenziert.

2.1 Deskriptive Aspekte der Führung

Führung besteht überall da, wo mehrere Menschen gemeinsam ein Ziel verfolgen, unabhängig davon, ob die Zielverfolgung freiwillig (menschliche Gemeinschaften, Vereine, Unternehmen) oder heraus aus Zwangssituationen (Gefängnis) entsteht (Altmann, 1992). In der Literatur existieren zahlreiche Definitionen über Führung, die von unterschiedlichen Theorien ausgehen. Laut Kehrer (1982) handelt es sich bei Führung um einen bewussten oder unbewussten Beeinflussungsprozess, der auf eine Verhaltensänderung abzielt (Kehrer, 1982). Auch Stogdill (1974) verdeutlicht die Absicht der Beeinflussung: „Leadership can be defined as the process by which an agent iduces a subordinate to behave in a desired manner” (Stogdill, 1974, S. 17). Eine Voraussetzung von Führung sind demnach Menschen, die sich führen lassen, bzw. eine Person als Führer anerkennen und ihm bereitwillig folgen. Somit stellt Führung eine Interaktionsbeziehung dar, in der das Verhalten der geführten Mitarbeiter, von dem Verhalten der Führungsperson, beeinflusst wird.

Unter Führungsverhalten können Verhaltensweisen verstanden werden, die den Funktionen der Gruppen-Lokomotion und Gruppen–Kohäsion dienen (Schreyögg & Conrad, 2008). Damit sind die sachlich-rationale Dimension der Zielerreichung des Unternehmens und die sozioemotionale Dimension gemeint, welche die Zusammenarbeit der Menschen beschreibt (Wiswede, 2000). Das Rahmenmodell der Führung, welches in Abbildung 1 dargestellt ist verdeutlicht, welchen Einfluss das Verhalten der Führungskraft auf die Geführten und den Unternehmenserfolg ausübt. Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird das Verhalten von Führungskräften durch die Introspektion erfasst, wodurch die Führungssituation, das Verhalten der geführten Mitarbeiter und der Führungserfolg überwiegend ausgeblendet werden. Das Modell dient lediglich als Grundlage zur Vergegenwärtigung des Führungsprozesses, in dem die Führungsperson und seine Beziehungsgestaltung im Mittelpunkt stehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Ein Rahmenmodell der Führung (eigene Darstellung in Anlehnung an Nerdinger et al., 2008, S. 89)

2.1.1 Stand der Führungsforschung

Forscher und Wissenschaftler beschäftigen sich bereits seit neun Jahrzehnten mit dem Forschungsgebiet Führung (Rosenstiel, Molt & Rüttinger, 2005). Ausgangspunkte der Untersuchungen können in betriebswirtschaftlichen, psychologischen, soziologischen und philosophischen Fragestellungen begründet sein (Mackau, Bruggmann & Luczak, 2002). Die langjährige Auseinandersetzung mit dem Themengebiet hat mittlerweile eine unüberschaubare Zahl von führungstheoretischen Ansätzen erschaffen. Bei den meisten Autoren herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass von drei grundlegenden Ansätzen auszugehen ist, dem Eigenschaftsansatz, dem Verhaltensansatz und dem situativen Ansatz (Gabele, Liebel & Oechsler, 1992). Die Führungsansätze verfolgen explizit oder implizit das Ziel, Führungserfolg zu erklären, vorherzusagen und zu beeinflussen.

Der Eigenschaftsansatz hat eine lange Tradition und findet seinen Ursprung in der Great-Man-Theorie (Rosensteil et al., 2005). Diese geht davon aus, dass ein erfolgreicher Führer durch eine spezielle Persönlichkeit gekennzeichnet ist (Macharzina & Wolf, 2005). Untersuchungsschwerpunkt der aktuellen Arbeit ist der Verhaltensansatz, der bis auf die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückgeht (Nerdinger et al., 2008). Dieser Ansatz stellt das Führungsverhalten in den Mittelpunkt der Überlegungen. Die Forschung suchte nach typischen Verhaltensweisen, die eine Abgrenzung zwischen Führer und Geführten ermöglichen (Strunz & Dorsch, 2001). Es sollte ein Führungsstil aufgefunden werden, der langfristig zum Erfolg führt (Wiswede, 2000). Aufbauend auf dem Eigenschafts- und Verhaltensansatz berücksichtigen die Theorien des situativen Ansatzes erstmals Kontextfaktoren, welche Einfluss auf das Führungsverhalten ausüben können (Nerdinger et al., 2008). Der situative Ansatz postuliert die Wahl eines passenden Führungsstils, entsprechend der jeweiligen Situation (Gabele et al., 1992).

Während die bisher genannten Führungsansätze bei ihren Untersuchungen an der Führungsperson ansetzen, werden in jüngster Zeit die Geführten zunehmend beachtet (Macharzina & Wolf, 2005). Innerhalb psychodynamischer Ansätze, charismatischer Ansätze, transformationaler- und transaktionaler Ansätze werden Wechselwirkungen und Beziehungsdynamiken zwischen Führer und Geführten beschrieben (Steyrer, 1995). Begründung findet die neue Sichtweise dieser Ansätze in dem Wissen, dass Führung ein Interaktionsprozess darstellt, deren Erfolg nicht allein auf die Führungsperson zurückgeführt werden kann. Eine Vertiefung dieser Ansätze erweist sich hinsichtlich des Themas dieser Arbeit als unzweckmäßig. Der Schwerpunkt liegt auf dem Verhaltensansatz, welcher nachstehend erläutert wird.

2.1.2 Verhaltensorientierte Führung als Untersuchungsgegenstand

Den Ursprung des Verhaltensansatzes findet man in der Human-Relation-Bewegung (Wagner & Patzak, 2007), deren Ziel die Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen in Unternehmen darstellte. Der Ansatz untersucht das Verhalten von Führungspersonen, um individuelle Besonderheiten festzustellen, die zum Erfolg beitragen. Das Führungsverhalten wird in diesem Ansatz durch stark situationsabhängige, affektive Handlungen beschrieben (Gabele et al., 1992). Das Ziel der Forschung bestand darin, das optimale Führungsverhalten zu modellieren, welches sich über einen längeren Zeitraum und über Situationen hinweg zeigte (Wiswede, 2000). Somit knüpft die Führungsstilforschung an den verhaltensorientierten Ansatz an.

2.1.2.1 Führungsstil und Führungsstilforschung

Der Führungsstil ergibt sich im Vergleich zum Führungsverhalten aus beständigen Verhaltenstendenzen, die situationsunabhängig sind und auf zeitstabilen Bedürfnissen, wie zum Beispiel Macht oder sozialem Kontakt beruhen (Gabele et al, 1992). Als Bestimmungsfaktoren des Führungsstils lassen sich zahlreiche Faktoren heranziehen. Daraus ergibt sich auch die Motivation der Führungsstilforschung, die darin begründet war, idealtypische Formen von Führungsstilen zu modellieren (Macharzina & Wolf, 2005). Bei der Suche nach effektivem Führungsverhalten beeinflusste speziell Lewin (1939) die Forschung durch seine Führungs-Typologie (Wiswede, 2000). In experimentellen Settings untersuchte Lewin den Einfluss eines autoritären (autokratischen), demokratischen (kooperativen) und laissez-faire Führungsstils (Lewin, Lippit & White, 1939 zitiert nach Bonsen, 2003). Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigten, dass der autoritäre Führungsstil zu aggressiven Verhalten innerhalb der Experimentalgruppen führt (Rosenstiel et al., 2005). Die Aggressivität lässt sich auf das fehlende Mitspracherecht der Geführten zurückführen, welche bei dieser Form der Führung lediglich Anweisungen der Führungsperson ausführen (Aretz, 2007). Eine hohe Unzufriedenheit ergab sich bei dem laissez-faire-Stil, der mit einer Leistungsminderung einherging (Linde & Heyde, 2008). Bei diesem Stil übt der Führer keinen Einfluss auf die Geführten aus und überlässt sie sich maßgeblich selbst (Bonsen, 2003). Der demokratische Führungsstil ist durch die Zusammenarbeit zwischen Führer und Geführten gekennzeichnet und wird in der Literatur als idealste Form des Führungsverhaltens angesehen (Macharzina & Wolf, 2005). Dabei erwartet die Führungsperson sachliche Unterstützung und bezieht die Untergebenen in Entscheidungsprozesse mit ein (Franken, 2007).

Im Rahmen dieser Arbeit werden nicht alle Modelle vorgestellt die dem Verhaltensansatz zu Grunde liegen. Es scheint jedoch von Bedeutung die Weiterentwicklung des Ansatzes ab Ende der 1940er Jahre zu erwähnen, welche durch ein wissenschaftlich arbeitendes Forscherteam der Ohio-State-University beeinflusst wurde (Witolla, 2007). Dabei konnten die Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung als zwei zentrale Verhaltensdimensionen innerhalb der genannten Führungsstile herausgestellt werden.

2.1.2.2 Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung

Aufbauend auf dem Versuch die Wirkung der oben genannten Führungsstile zu untersuchen, ging aus den Ohio-Studien ein Fragebogen hervor, der es erstmals ermöglichte das Führungsverhalten zu erfassen (Fittkau-Garthe & Fittkau, 1971). Aus einer Liste mit 1790 Verhaltensbeispielen der Führung entwickelten Wissenschaftler den Leadership-Behavior-Discription-Questionaire (LBDQ) mit 150 Items (Hemphill & Koons, 1957 zitiert nach Bonsen, 2003). Nach einer Reihe von Untersuchungen wurde der Umfang des Fragebogens auf 32 Items reduziert (Nerdinger et al., 2008). Die deutsche Version des Instruments, welches sowohl zur Fremd- als auch zur Selbstbeurteilung eingesetzt werden kann, ist der Fragebogen zur Vorgesetzten-Verhaltens-Beschreibung (FVVB) (Fittkau-Garthe & Fittkau, 1971). Durch Faktorenanalysen der einzelnen Items gelangte man zu folgenden vier Größen des Führungsverhaltens: (1) freundliche Zuwendung, (2) mitreißende, zur Arbeit stimulierende Aktivität, (3) Ermöglichung von Mitbestimmung und (4) Kontrolle vs. laissez-faire, wobei die beiden Erstgenannten mehr als 80 Prozent der Varianz des Verhaltens, der befragten Führungskräfte, erklären konnten (Macharzina & Wolf, 2005). Hinsichtlich dieser Ergebnisse stellte man zwei Dimensionen heraus, die das Verhalten von Führungskräften beschreiben können: Dabei handelt es sich um die Aufgabenorientierung (initiating strucutre) und die Mitarbeiterorientierung (consideration) (Nerdinger et al., 2008). Verhält sich eine Führungskraft mitarbeiterorientiert, werden die Bedürfnisse der Geführten in den Vordergrund gestellt, wodurch eine motivierende und unterstützende Wirkung angenommen wird (Linde & Heyde, 2008). Der aufgabenorientierte Führungsstil kennzeichnet sich durch die sachliche Ausrichtung des Führens auf Planung, Koordination und Kontrolle (Aretz, 2007). Um das Konzept eines kombinierten Führungsstils zu verdeutlichen, wurde für den FVVB eine fünfte Skala gebildet, welche sich aus freundlicher Zuwendung und stimulierender Aktivität zusammensetzt (Fittkau-Garthe & Fittkau, 1971).

Parallel zu den Ohio-Studien gelangten Forscher der Michigan-Schule zu ähnlichen Erkenntnissen. Dabei wurden die Verhaltensausprägungen durch einen Skalenwert zwischen den Extrempolen Mitarbeiterorientierung und Leistungsorientierung definiert (Likert, 1967 zitiert nach Rosenstiel et. al., 2005). Während die Forscher von Michigan davon ausgingen, dass sich die beiden Verhaltensweisen untereinander ausschließen, deuteten Ergebnisse der Ohio-Studien daraufhin, dass die beiden Dimensionen als unabhängige Faktoren des Führungsverhaltens zu verstehen sind (Linde & Heyde, 2008). Strunz & Dorsch (2001) untermauern, dass eine Trennung der beiden Dimensionen nicht real, sondern nur gedanklich-analytisch möglich sei, da beinahe alle Aufgaben sowohl personen- als auch sachbezogen sind (Strunz & Dorsch, 2001). Macharzina & Wolf (2005) verweisen auf eine Untersuchung von Fleishman und Harris (1962) zur Messung der Beschwerde- und Fluktuationsrate von Mitarbeitern, bei unterschiedlich stark ausgeprägter Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung, welche zu folgenden Ergebnissen gelangte:

„Es konnte ein negativer Zusammenhang zwischen Mitarbeiterorientierung einerseits und Beschwerde- und Fluktuationsrate andererseits festgestellt werden, wobei allerdings die ´Grenzrate der Beschwerde/Fluktuation` mit steigender Mitarbeiterorientierung abnahm. (…) Auch zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen Beschwerde- und Fluktuationsrate und der Aufgabenorientierung, wobei ein Ansteigen der ´Grenzrate der Beschwerde/Fluktuation` festgestellt wurde. Schließlich stellte sich in der Mitarbeiterorientierung die offenbar dominierende der beiden Führungsstilvariablen heraus“ (Fleishman & Harris, 1962, S.43, zitiert nach Macharzina & Wolf, S. 570).

Diese Befunde verdeutlichen den Einfluss des Führungsverhaltens auf die Geführten und bestätigen die Unabhängigkeit der beiden Verhaltensdimensionen. Auch Ergebnisse aus Untersuchungen von Judge, Piccolo & Ilies (2004) belegen, dass das Führungsverhalten gemessen an den beiden Dimensionen einen Zusammenhang mit Maßen des Führungserfolgs aufweist (Judge, Piccolo & Illies, 2004, zitiert nach Nerdinger et al, 2008). Auf der Grundlage dieser Ergebnisse bedient sich auch die vorliegende Arbeit an der deutschen Version des Fragebogens. Durch die gute Operationalisierung (Bonsen, 2003) stellt der FVVB ein geeignetes Instrument zur Aufdeckung von Zusammenhängen zwischen Narzissmus und entsprechenden Führungsverhaltensweisen dar. Bestätigt wird die Eignung nicht nur durch die zugeschriebene Verhaltensnähe, die im Einklang mit dem Verständnis von Führung als Interaktionsprozess steht, sondern auch durch die zahlreich durchgeführten Analysen bezüglich des Instruments, welche die psychometrische Güte gewährleisten (Dries, 2002).

Aufbauend auf den Erkenntnissen, das Führungsverhalten zweidimensional zu betrachten, entwickelte sich innerhalb der Führungsforschung der Ohio-State-Leadership-Quadrant (Abbildung 2), der die Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung (hier Beziehungsorientierung) miteinander ins Verhältnis setzt (Hungenberg & Wulf, 2005).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Ohio-State-Leadership-Quadrant (Hersey & Blanchard, 1977, S.95, zitiert nach Witolla 2007, S. 4)

Der Quadrant differenziert die zwei Dimensionen hinsichtlich einer hohen oder niedrigen Ausprägung, wodurch sich eine Vierteilung ergibt. Daraus lassen sich verschiedene Führungsstile ableiten. So kann dem unteren linken Feld der Laissez-faire-Stil zugeordnet werden, rechts daneben der autoritäre Stil, oben rechts der kooperative Stil und oben links ein Stil, der durch eine hohe Mitarbeiterorientierung und eine niedrige Aufgabenorientierung geprägt ist (Volk, 2004). Wie bereits erwähnt wurde, sieht die Literatur das Ideal im oberen rechten Feld, welches durch hohe Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung gekennzeichnet ist (Wiswede, 2000). An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass Führungserfolg und Führungsverhalten nicht linear auf diese beiden Dimensionen zurückgeführt werden können. Situative Variablen und Kontextbedingungen sind in der Führungspraxis ebenfalls von großer Bedeutung (Volk, 2004). Es hat sich zudem als unrealistisch herausgestellt, das ideale Führungsverhalten aufzufinden, welches über Situationen hinweg zum Erfolg führt. Fest steht hingegen, dass das Verhalten einer Führungsperson eine wichtige Größe darstellt, da es bei den Mitarbeitern zu Reaktionen führt, die den Unternehmenserfolg beeinflussen können. Bevor darauf eingegangen wird, welche Faktoren das Verhalten narzisstischer Führungskräfte bestimmen, wird geklärt wodurch sich narzisstische Persönlichkeiten charakterisieren lassen und welche Ausprägungen Narzissmus annehmen kann.

2.2 Begriffsabstimmung Narzissmus

In der klinischen Psychologie wird Narzissmus als eine Überidealisierung des eigenen Selbst (Fiedler 2001) oder als Störung der Selbstwertregulation bezeichnet (Kernberg, 2001; Marneros, 2007). Der Begriff entstammt der griechischen Sage des schönen Jünglings Narziss, der seinem eigenen Spiegelbild verfallen war (Faust, o. J) und wurde erstmals von Freund (1909) in die Psychoanalyse eingeführt (Grunberger, 1976). Anschließend veröffentlichte Freud (1914) einen grundlegenden Artikel „Zur Einführung des Narzißmus“ (Kernberg, 2006, S. 115), der heute noch Forscher und Theoretiker beschäftigt. Darin beschreibt er Narzissmus als Verliebtheit in die eigene Person, welche eine notwendige Entwicklungsstufe im Reifungsprozess eines Menschen darstellt (Hartmann, 2006). Narzissmus ist demzufolge nicht zwangsläufig abnorm oder krankhaft. Die Herstellung eines positiven Selbstwertes ist ein wesentliches Grundmotiv jedes Menschen, wonach Narzissmus als Überlebens-Strategie angesehen werden kann (Faust, o. J.). Krankheit entsteht in diesem Zusammenhang erst, wenn die Regulierung des Selbstwertgefühls problematisch wird und sich Interaktionsprobleme ergeben (Battegay, 1991).

Psychische Störungen werden in der klinischen Psychologie auf einem Kontinuum betrachtet, welches verschiedene Ausprägungsgrade zwischen einer optimalen psychischen Gesundheit und einer geringen psychischen Gesundheit unterscheidet (Zimbardo & Gerrig, 2004). Auch Narzissmus kann auf diesem Kontinuum betrachtet werden, da er verschiedene Ausprägungsformen annehmen kann. In jüngster Zeit gewinnt die entwicklungspsychologische Sicht an Bedeutung, welche einen gesunden Narzissmus annimmt (Kernberg, 2006). Dieser kann innerhalb dieser Arbeit als eine Ausprägung in der Nähe optimaler psychischer Gesundheit angesehen werden. Hinsichtlich dieser Erkenntnis erfolgt eine Differenzierung zwischen destruktiven Narzissmus und konstruktiven Narzissmus. Nachstehend werden die beiden Ausprägungsformen erläutert.

2.2.1 Destruktiver Narzissmus

Narzissmus in seiner negativen Form kann mit der narzisstischen Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt werden. Abgeleitet aus dem Lexikon der Psychiatrie handelt es sich dabei um eine behandlungsbedürftige Abwandlung der Persönlichkeitsstruktur, bei der die Beziehungsfähigkeit gestört ist, während das Sozialverhalten unauffällig bleibt (Peters, 2007). Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) beschreibt die narzisstische Persönlichkeitsstörung als ein abnormales Verhältnis zu sich selbst (Peters, 2007). Das DSM-IV ist das aktuelle Klassifikationssystem der American Psychiatric Association, zu Deutsch: Handbuch psychischer Störungen (Möller, 2003). Daraus geht weiterhin hervor, dass Betroffene durch ein grandioses, idealisiertes Selbst belastet werden, welches das tatsächlich fehlende Selbst ersetzen soll. Als Folge be­schreibt das Störungsbild tiefgreifende Phantasien von Großartigkeit, ein erhöhtes Be­dürfnis nach Bewunderung und einen Mangel an Empathie (Fiedler, 2003). In An­lehnung an Battegay (1991) werden nachfolgend neun Bewertungspunkte aus dem DSM-IV aufgeführt, wovon fünf gegeben sein sollen, um eine narzisstische Störung zu diagnostizieren:

1. Auf Kritik wird mit Wut, Scham oder Demütigung reagiert,
2. zwischenmenschliche Beziehungen werden ausgenutzt,
3. es wird übertriebenes Selbstwertgefühl gezeigt, welches mit einem starken Gefühl der Wichtigkeit gekoppelt ist (Annahme, etwas Besonderes zu sein),
4. es dominiert die Ansicht, eigene Probleme wären einzigartig und Verständnis wird nur von besonderen Menschen erwartet,
5. ständige Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe werden verfolgt,
6. Verlangen nach dauernder Aufmerksamkeit und Bewunderung,
7. es mangelt stark an Einfühlungsvermögen,
8. Belastung durch permanente Neidgefühle,
9. arrogante oder überhebliche Verhaltensweisen (Battegay, 1991).

Wirth (2006) betont beim pathologischen Narzissmus die Funktionalisierung anderer Menschen, um das eigene Selbstwertgefühl zu steigern (Wirth, 2006). Das bedeutet, dass andere Menschen dafür benutzt werden, sich selbst besser zu fühlen. Die Funktionalisierung kann durch eine Abwertung anderer Personen erfolgen oder durch eine Aufwertung in Form von Idealisierung (Grunberger, 1976). Die Abwertung anderer als Selbstwertdienlichkeits-Funktion wird häufig durch Neid hervorgerufen und eingesetzt, wenn andere Personen als Bedrohung wahrgenommen werden (Dammann, 2007). Die Idealisierung anderer kann ebenfalls dem Selbstwert dienen und geht aus dem Wunsch des Narzissten hervor, sich nur mit besonderen Menschen zu umgeben (Marneros, 2007). In der klinischen Psychologie existiert eine weitere Einteilung zwischen offenem und verdecktem Narzissmus (Joraschki, 2005 zitiert nach Marneros, 2007). Während sich offener Narzissmus mit bisherigen Erläuterungen deckt, kennzeichnet sich der verdeckte Narzissmus durch Unterlegenheitsgefühle und generelle Unzufriedenheit (Akhtar, 2006). Innerhalb der vorliegenden Arbeit wird von dem offenen Narzissmus ausgegangen, dem die Kriterien des DSM-IV zu Grunde liegen.

2.2.2 Konstruktiver Narzissmus

Wie bereits erwähnt, wird die negative Deutung des Narzissmusbegriffs in jüngster Zeit von Berichten über positive Auswirkungen abgelöst. Kohut (1976) berichtet bereits in der Vergangenheit von konstruktivem und destruktivem Narzissmus, indem er sie als die zwei Gesichter des Charismas bezeichnet (Kohut, 1976). Auch in der heutigen Zeit wird der konstruktive Narzissmus häufig mit charismatischen Charakterzügen in Verbindung gebracht. Unter Charisma wird eine Qualität der Persönlichkeit verstanden, die dazu befähigt andere zu motivieren (Steyrer, 1995). Auf diesen Aspekt wird, bei der Betrachtung von Narzissmus im Kontext mit Führungsverhalten (siehe Kapitel 3.2.2), näher eingegangen. Ausschlaggebend für die positive Ausprägungsform von Narzissmus ist die Fähigkeit, relativ konstante positive oder negative zwischenmenschliche Beziehungen auszubilden (Maneros, 2007) und innovative Ideen zu entwickeln, von denen andere sich überzeugen lassen. Dammann (2007) bestätigt, dass konstruktiver Narzissmus dazu befähigt sich sowohl von anderen abzugrenzen, als auch auf Beziehungen einzulassen (Damman, 2007). Diese Fähigkeit beruht auf einem gesunden Selbstwertgefühl. Somit bildet die positive Form des Narzissmus die Basis für ein stabiles Selbstbewusstsein und sorgt für Ausgeglichenheit im Beruf und im Alltag. Pinnow (2005) ist der Auffassung, dass sich die konstruktive Form durch ausreichend gute elterlicher Fürsorge ergibt, während er die Ursache der destruktiven Ausprägung in einer mangelnden Zuwendung sieht (Pinnow, 2005). Frühkindliche Erfahrungen stellen in diesem Fall den Ausgangspunkt für produktive Leistungen dar, die sich in sozialer Nützlichkeit äußern können. Durch die hohe Beschäftigung mit sich selbst kann auf eine größere Zielorientiertheit geschlossen werden, was speziell im Beruf Vorteile nach sich ziehen kann.

3 Entwicklung eines theoretischen Modells

Die bisherige Arbeit hat einen Überblick über Grundlagen der Führungsforschung geschaffen, wobei der Schwerpunkt auf den verhaltenstheoretischen Führungsansätzen lag. Außerdem wurde die narzisstische Persönlichkeit charakterisiert und aufgezeigt, welche Ausprägungsformen unterschieden werden. In den folgenden Kapiteln werden die bisherigen Aufführungen in Beziehung zueinander gesetzt und um untersuchungsrelevante Aspekte ergänzt. Dabei wird der generelle Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit und dem Führungsverhalten theoretisch untersucht und es werden verhaltensbestimmende Faktoren narzisstischer Personen diskutiert, die im Hinblick auf eine Selbstbeurteilung des Führungsverhaltens von Bedeutung sind. Anschließend wird der Einfluss von Narzissmus auf das Führungsverhalten untersucht und zum Teil mit empirischen Studien verdeutlicht. Daraus werden Hypothesen für die Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung abgeleitet, welche im empirischen Teil der Arbeit geprüft werden.

3.1 Zusammenhang von Persönlichkeit und Führungsverhalten

Welche interindividuellen Merkmale eines Individuums verhaltensbestimmend sind und inwieweit sie Verhalten erklären können, untersucht die Persönlichkeitsforschung als Teil der differentiellen Psychologie (Pervin, 1981). Den meisten vorherrschenden Auffassungen aus der Literatur kann abgeleitet werden, dass es sich bei der Persönlichkeit um eine komplexe Menge von einzigartigen Eigenschaften handelt, welche das Verhalten eines Individuums über Situationen und den Lauf der Zeit hinweg beeinflussen (Zimbardo & Gerrig, 2004). Die Persönlichkeit repräsentiert demnach das Selbst einer Person, welches die Anpassung an die Innen- und Außenwelt bestimmt. Da das Verhalten bei der Führung den Unternehmenserfolg mitbestimmt, stellt sich die Frage, welche Rolle die Persönlichkeit im Führungskontext einnimmt. Durch einen kurzen Rückgriff auf den Eigenschaftsansatz der Führungsforschung soll dieser Frage nachgegangen werden.

Die Eigenschaftstheorie ging von der impliziten Annahme aus, dass Persönlichkeitseigenschaften des Führenden direkt mit dem Führungserfolg einhergehen (Wunderer, 1993). Eigenschaften, die dabei als Erfolgsfaktoren identifiziert wurden, sind zum Beispiel: Intelligenz, Selbstsicherheit, Extraversion, Größe, Geschlecht und Kontaktfähigkeit (Gabele et al., 1992). In einem Sammelreferat konnte auch Stogdill (1981) belegen, dass Personen in Führungspositionen den Unterstellten hinsichtlich vielerlei Merkmale überlegen sind (Stogdill, 1981, zitiert nach Macharzina & Wolf, 2005). Die Grenze solcher Ergebnisse liegt jedoch im Interaktionismus der Einzelfaktoren, da sich herausstellte, dass kein Merkmal über Situationen hinweg konstant blieb (Dries, 2002). Auch Metaanalysen zeigten, dass sich nur etwa 10 % der Erfolgsvarianz aus bestimmten Eigenschaften erklären, wobei die Intelligenz höhere Werte aufzeigt (Neuberger, 1994, zitiert nach Nerdinger et al., 2008). Es herrscht bis heute Uneinigkeit darüber, ob Führung auf das Vorhandensein einzelner Persönlichkeitseigenschaften zurückzuführen ist oder ob es auf einer bestimmten Anordnung mehrerer Merkmale beruht. Gabele et al. (1992) betrachten die Persönlichkeitsmerkmale als wichtige Faktoren, jedoch messen sie auch situativen Faktoren große Bedeutung bei (Gabele et al., 1992). So kann die Reduzierung des komplexen Führungsgeschehens auf einen Faktor und die Außerachtlassung verschiedener Umwelt- und Situationsfaktoren bei dem Eigenschaftsansatz als kritisch erachtet werden. Trotz der Kritikpunkte belegt der Ansatz einen kausalen Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Führungsverhalten, welcher jedoch im jeweiligen Kontext betrachtet werden muss (Rosenstiel et al., 2005). Bei einer narzisstischen Persönlichkeit ist die Selbstwertregulation beeinträchtigt, wodurch das Führungsverhalten beeinflusst werden kann. Deshalb werden anschließend Faktoren beschrieben, die beim Narzissmus verhaltensbestimmend sind.

3.1.1 Verhaltensbestimmende Faktoren narzisstischer Personen

Das menschliche Verhalten ist von vielen Faktoren abhängig, die sich in personen- und umweltabhängige Faktoren gruppieren lassen (Franken, 2004). Dazu zählen beispielsweise Charakter, Interessen, Wissen, Erfahrungen, Umgebung, Motivation, Fähigkeiten und Fertigkeiten. In einer Führungsposition ist es wichtig das eigene Verhalten zu verstehen und zu steuern. Die jeweilige Persönlichkeit und die Subjektivität der Wahrnehmung einer Person bestimmen dieses Verständnis (Franken, 2007). Demnach kann es bei einer narzisstischen Persönlichkeit mit destruktiver Ausprägung zu einer systematischen Fehleinschätzung kommen, welche sich nachteilig auf die Führungsqualität auswirken kann. Personen mit einer funktionierenden Persönlichkeit, sind in höherem Maße in der Lage, sich selbst zu reflektieren und objektiv wahrzunehmen (Pervin, 1981). Bei einer Persönlichkeit in der Nähe psychischer Krankheit, mangelt es an dieser Fähigkeit, weil die Selbstwahrnehmung und das Selbstbild verzerrt sind. Da die Selbstwahrnehmung und das Selbstbild zur Verhaltenssteuerung beitragen, werden die Begriffe nachstehend erklärt.

3.1.1.1 Selbstwahrnehmung

Im Bereich der Führung ist die Wahrnehmung als interpersonal zu bezeichnen, da sie in der Regel einen wechselseitigen Prozess darstellt, bei dem Personen sich gegenseitig nach bestimmten Maßstäben oder Kriterien beurteilen (Preiser, 1979). Im Rahmen dieser Arbeit geht es jedoch nicht um die Wahrnehmung anderer Personen, sondern um die Wahrnehmung der eigenen Person hinsichtlich des Führungsverhaltens. Combs, Richards & Richards (1976) betrachten das wahrgenommene Selbst als den wichtigsten Komplex im eigenen Wahrnehmungsfeld, als Ausgangspunkt aller anderen Wahrnehmungen (Combs et al., 1976, zitiert nach Becker, 1986). Wie geführt wird, ist demnach auch abhängig von der Wahrnehmung einer Person. Eine objektive Selbstwahrnehmung fördert die soziale Kompetenz und bestimmt somit langfristig den Erfolg einer Führungskraft. Das Johari-Fenster (Abbildung 4) veranschaulicht, dass nur ein Bruchteil des eigenen Verhaltens tatsächlich wahrgenommen wird (Menzi & Züger, 2007). Das Modell wurde von den Sozialpsychologen Joe Luft und Ingham Harry (1955) konzipiert, um die Wahrnehmung des Einzelnen durch die Gruppe zu beleuchten (Jung, 2008). Es dient zum besseren Verständnis von Selbst- und Fremdwahrnehmung und ermöglicht so, eigene Schwächen zu erkennen, das Verhalten zu modifizieren und die soziale Kompetenz zu verbessern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Darstellung des Johari-Fensters (Niermeyer, 2008, S. 105)

Im Bereich A des Fensters wird der Teil des Verhaltens abgebildet, der einem Selbst und Anderen bekannt ist. Es zeigt die öffentliche Person und ihr freies Handeln. In Bezug auf die Selbstbeurteilung des Führungsverhaltens ist Bereich B (blinder Fleck) interessant, da hier Anteile des Verhaltens abgebildet sind, die eine Person selbst kaum wahrnimmt, Andere hingegen deutlich. Der Bereich C (Privatperson) umfasst das eigene Denken und Handeln, welches bewusst vor der Außenwelt verborgen wird. Im Bereich D befinden sich unbewusste Aspekte des Selbst, die weder für die eigene Person, noch für Andere zugänglich sind. Zur Verbesserung der sozialen Kompetenz gilt es den blinden Fleck zu verkleinern (Niermeyer, 2008) und einen Abgleich von Selbst- und Fremdbild zu schaffen. Narzisstische Probleme lassen sich dem Bereich B und D des Johari-Fensters zuordnen, da sich die Betroffenen nicht bewusst darüber sind, dass ein Defizit vorliegt. Regelmäßiges Feedback kann einen Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild fördern (Jung, 2008), wodurch es zu einer Verkleinerung des Bereichs B und C kommen kann. Demnach vergrößert sich der Bereich A, was bedeutet, dass offen mit eigenen Schwächen umgegangen wird. Das wahrgenommene Selbst wird durch die Rückmeldungen von anderen verglichen, wodurch es möglich ist sich objektiver zu betrachten und ggf. weiterzuentwickeln.

3.1.1.2 Selbstkonzept

Ein wesentlicher Beeinflussungsfaktor der Selbstwahrnehmung ist das Selbstkonzept einer Person. Leitl (2006) versteht darunter: „die mentale Repräsentation derjenigen persönlichen Eigenschaften, welche von Individuen zur Selbstdefinition und zur Verhaltensregulation genutzt werden“ (Leitl, 2006, S. 46). Die Säulen des Selbstkonzepts setzen sich aus dem Selbstbild und dem Ich-Ideal zusammen (Klein & Kresse, 2006). Das Selbstbild beschreibt die Einstellung zu sich und enthält Vorstellungen über eigene Stärken und Schwächen. Das Ich-Ideal ist die idealisierte Form des Selbst und verkörpert alle Wünsche an die eigene Persönlichkeit (Klein & Kresse, 2006), die jedoch nicht zwangsläufig dem wahren (objektiven) Selbst entsprechen. Auf die Frage, welches Konstrukt das Verhalten in der Führungspraxis mehrheitlich bestimmt, antwortet die Forschung mit dem Ich-Ideal (Wiswede, 2000). Diese Tatsache lässt Folgen für die Interaktion von Führer und Geführten vermuten, da ein unrealistisches Selbstbild sich nachteilig auf das Verhalten auswirken kann. Aus der Bewertung des Selbstbildes entsteht das Selbstwertgefühl, welches großen Einfluss auf Gedanken, Stimmung und Verhalten von Personen ausübt (Rosemann & Kerres, 1986). Klein und Kresse (2006) nehmen an, dass sich nahezu alle psychischen Probleme auf ein Selbstwertgefühlsdefizit zurückführen lassen (Klein & Kresse, 2006). Es wird deutlich, welche Bedeutung dem Selbstkonzept im Leben eines Menschen zukommt.

Zusammenfassend beschreiben das Selbstbild und die Selbstwahrnehmung das Bild, welches eine Person von sich hat. Im Bereich der Führung wird Lern- und Entwicklungsbereitschaft gefordert (Franken, 2007). Weil sich Narzissten tendenziell überbewerten, ist deren Veränderungsbereitschaft eingeschränkt. Dadurch kann der Führungserfolg leiden. Auch bei der Selbstbeurteilung von Führungskräften hinsichtlich ihres Führungsverhaltens sind diese Faktoren bedeutend, da ein unrealistisches Bild von sich selbst, zu einer Fehlbeurteilung führen kann. Was es bei einer Selbstbeurteilung von Führungskräften zu beachten gilt, geht aus den Vorüberlegungen der empirischen Untersuchung hervor (siehe Kapitel 4.1.1). Im nächsten Kapitel wird ein Bezug zu den beiden Ausprägungsformen von Narzissmus hergestellt und mit dem Führungsverhalten in Verbindung gebracht. Dabei wird sich auf theoretische Erkenntnisse und existierende Studien gestützt. Abschließend werden Hypothesen über die Auswirkung von Narzissmus auf das Führungsverhalten aufgestellt, welche im empirischen Teil dieser Arbeit geprüft werden.

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Ende der Leseprobe aus 71 Seiten

Details

Titel
Der Zusammenhang zwischen narzisstischen Persönlichkeitseigenschaften und dem Führungsverhalten
Untertitel
Eine empirische Untersuchung der Selbstbeurteilung von Führungskräften
Hochschule
Hochschule Fresenius; Köln
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
71
Katalognummer
V1066623
ISBN (eBook)
9783346477538
ISBN (Buch)
9783346481184
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Narzissmus, Führung, Führungsverhalten, Führungskräfte, Unternehmensführung, Organisationspsychologie, Wirtschaftspsychologie
Arbeit zitieren
Janine Lippelt (Autor:in), 2009, Der Zusammenhang zwischen narzisstischen Persönlichkeitseigenschaften und dem Führungsverhalten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1066623

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