Chaos in der internatinoalen Politik


Dossier / Travail, 2000

46 Pages


Extrait


Chaos in der internationalen Politik. Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten eines neuen systemtheoretischen Ansatzes

In der aktuellen Theoriedebatte spielen system- und hier besonders chaostheoretische Ideen eine zunehmend wichtige Rolle (wie z.B. im Turbulenz-Modell von James N. Rosenau). Der Begriff des Chaos bleibt aber rein metaphorisch und ohne methodisches Plafond. Aufgrund der Nachwirkung statischer internationaler Systemmodelle aus den 60er und 70er Jahren sowie der oft als 'systemisch' klassifizierten Theorie des strukturellen Realismus von Kenneth N. Waltz wird Rosenaus Ansatz eher zur Verunglimpfung der Chaostheorie als heuristisch und theoretisch wertlos beitragen anstatt ihr den Weg in die Disziplin internationale Politik zu öffnen. Damit würde die Chaostheorie aber gründlich mißverstanden. Sie stellt - gerade mit Blick auf die gegenwärtige Weltlage und Theoriediskussion - wichtige innovative Konzepte und Methoden bereit. Einige davon werden erläutert und beispielhaft illustriert. Vor allem geht es um die adäquate Behandlung international-politischer Wandlungsprozesse und die Vermeidung neuer politischer Machbarkeitslegenden.

1. Der Einzug von Chaos-Gedanken in die aktuelle Theoriedebatte

Während die 'Chaostheorie' seit langem in der Alltagssprache und in der Populärwissenschaft ihren festen Platz gefunden hat und auch schon zur Grundlage allgemeiner sozialwissenschaftlicher Theoriebildung genommen wird (z.B. Bühl 1990), hat sich die Disziplin internationale Politik bislang mit am resistentesten gegen sie gezeigt1. Dabei muß man freilich von dem Umstand absehen, daß entsprechende implizite Annahmen und Analogmetaphern hier schon seit langem zum festen Bestandteil von Theoriebildung und Theoriedebatten zählen.

1.1 Systemtheoretische Reformulierung internationaler Dynamik

Die Einführung wenigstens elementaren systemtheoretischen Denkens verdankt die Disziplin internationale Politik in erster Linie der frühen Friedensforschung - in Verbindung mit Namen wie Kenneth Boulding, Anatol Rapoport, Pitrim Sorokin, Karl W. Deutsch oder dem Morton A. Kaplan (Mesjasz 188: 296f.). Neuere Konzepte und Instrumente der Systemmodellierung sind indes weitgehend unimplementiert geblieben bzw. nur auf alltagssprachlichem Niveau rezipiert worden. Dazu gehören u.a. nicht-lineare Thermodynamik, Synergetik, Katastrophentheorie, Selbstreferenz, Autopoiesis - und eben auch Chaos (s. den Überblick bei Mesjasz 1988: 320-325). Neues Systemdenken ist im Bereich der Internationalen Politik gegenwärtig allerdings aus mindestens vier Gründen angemessen und unbestreitbar notwendig (Mesjasz 1993: 20):

(1) Das Ende der Bipolarisierung hat die weltpolitische Relevanz rascher und unvorhergesagter Wandlungsprozesse (Bifurkationen) deutlich werden lassen.
(2) Gegenwärtig wird weitgehend anerkannt, daß zumindest auf globaler Ebene politische Prozesse vorherrschen, die durch Vielfalt, Differenzierung und Selbstorganisation gekennzeichnet und deshalb im Sinn klassischer Polittechnologie nicht mehr handhabbar sind.
(3) Es wächst das Bewußtsein, daß "'rigorose'" Modelle der internationalen Politik sich nur sehr begrenzt anwenden lassen.
(4) Wachsendes Interesse gilt linguistisch und hermeneutisch orientierten Konzepten - oder allgemein poststrukturellen/postmodernen Theoriebildungsversuchen. Systemtheorie kann dabei als metatheoretischer Bezugsrahmen dienen.

Richtig verstandene, dynamische Systemtheorie als heuristischer Hintergrund wird gerade auch der immer deutlicher werdenden "Pertinenz des 'Internationalen'" (Halliday 1994: 1- 22) in besonderer Weise gerecht - d.h. dem Umstand, daß sich internationale Beziehungen eben doch nicht sinnvollerweise entnationalisiert und vergesellschaftet denken lassen, sondern daß die Organisationsform 'Staat' nach wie vor zumindest als Bezugsrahmen und Begrenzungsnorm mit ins theoretische und analytische wie auch ins politisch-praktische Kalkül gezogen werden muß. Die Systemperspektive erlaubt es, den jeweils interessierenden Komplex internationaler Beziehungen analytisch aus dem Geflecht des globalen Handlungs- und Sinnsystems sozialer Tatbestände herauszuheben, ohne ihn eben seiner sozialen Realität zu berauben und die Beziehungszusammenhänge unangemessen zu mechanisieren.

1.2 Das Turbulenz-Argument des Postinternationalismus - ein neues (viertes) Bild des international-politischen Systems

Sofern die Theoriebildung im Fach internationale Politik überhaupt über systemtheoretische Konzepte verfügt, sind dies reichlich partiale Systemperspektiven, die eigentliche Systemdynamik und systemischen Wandel nicht eigentlich zu erfassen und erklären vermögen (beispielhaft für diese Defizite ist ja klassischerweise Waltz 1979). Hier setzt vor allem die methodische Kritik des Postinternationalismus2 am neorealistischen Paradigma an (die im übrigen z.B. auch Teile des Neoliberalismus mit trifft): Weltpolitik sei nicht mehr international und auch nicht mehr transnational oder interdependent zu begreifen, weil sich die dafür notwendigen nationalen, regionalen oder wenigstens politikfeldbezogenen Grenzen nicht mehr aufrechterhalten ließen, sondern geradezu "delinearisiert" (Rosenau 1990: 47-66) würden. Infolgedessen sei der analytische Ausgangspunkt von vornherein auf der globalen Ebene des Weltsystems zu wählen, d.h. mit Blick auf die steten interaktiven, fluktuierenden Wechselwirkungen zwischen den einstigen subnationalen, nationalen und über- bzw. transnationalen Ebenen des Weltsystems (z.B. Rosenau 1990). "Postinternationale Politik", folgt man Rosenau (1989: 3), "legt den Niedergang langständiger systemischer Muster nahe, ohne zugleich anzuzeigen, wohin die Wandlungen führen könnten.

Sie legt Fluß und Übergang ebenso nahe, wie sie die Anwesenheit und die Funktionsfähigkeit stabiler Strukturen impliziert. Sie ermöglicht ebenso Chaos, wie sie auf Kohärenz hinweist."

Es geht also nicht mehr - im (neo)realistischen Sinn - um Politik zwischen formal gleichberechtigten Aktionseinheiten, sondern um sich potentiell stets verändernde globaler Wirkungszusammenhänge, wobei sich Prozesse auf verschiedenen Systemebenen oder in verschiedenen Systemen (von Individuen bis hin zur Weltgesellschaft) stets von neuem und wechselseitig überlagern - "postinternationale Politik" ist dauernden Turbulenzen ausgesetzt (Rosenau 1990: 3-20). Sehr ähnlich dazu ist der Ausgangspunkt der kritisch-sozialen Theorie (s. die Grundlegung bei Onuf 1989: 52-65) bei der Annahme einer "permanenten Restrukturierung" (Wendt/Duvall 1989: 60-63) oder der steten "Rekonstitution" (Kratochwil 1992: 49) von Beziehungszusammenhängen. Selbiges gilt für das entstehende Paradigma des "radikalen Interpretivismus" (Rengger/Hoffmann 1992: 132; beispielhaft u.a. Cochran 1995; George 1994: 191- 219): im Bereich der internationalen Beziehungen, ebenso wie in den Sozialwissenschaften überhaupt, seien Kategorisierungsunterfangen ebenso zum Scheitern verurteilt wie Versuche, weltpolitische Dynamik in diskrete abhängige und unabhängige Variablen aufzusplitten - vielmehr gehe es um komplexe "historikopolitische Phänomene" (George 1994: 3). Dann ist jedoch unter einem international-politischen System alles andere als das positionale Strukturbild einer Staatenwelt zu verstehen, welches Waltz (1979) bei der Entwicklung seines Systemansatzes noch zugrundegelegt hatte. Vielmehr ist dem Globalismus und seinen Verwandten die Einsicht zu verdanken, daß es demgegenüber gerade um einen dynamisierten Theorieansatz geht, vor allem bezüglich der Analyseebenen: alle vier Bilder internationaler Beziehungen - das individuenbezogene, das staatliche, das internationale -3 und das eben skizzierte globale müssen gerade in ihren Wechselwirkungen erfaßt werden (North 1990: 10). Es gibt sogar einen Konsens innerhalb des Globalismus, daß dabei methodisch eine Orientierung an der 'Chaostheorie' am ehesten weiterhelfen wird, nur wird die entsprechende methodologische Grundlegung entweder noch nicht einmal versucht (wie bei North 1990) oder beschränkt sich auf platte Analogieschlüsse zwischen turbulenten Luftströmungen und "globaler politischer Turbulenz", die über das rein metaphorische Stadium nicht hinauskommen (wie bei Rosenau 1990).

Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß sich in der Disziplin internationale Politik durchaus die Einsicht durchzusetzen begonnen hat, daß neuere systemtheoretische Konzepte und Methoden (mithin also das, was landläufig so gern als 'Chaostheorie' bezeichnet wird) potentiell den Weg zu theoretischer Weiterentwicklung und Integration zu öffnen vermögen. Dabei herrscht jedoch eine von Anfang an unsinnige Verknüpfung von "Chaos" und "Unordnung" bzw. totaler "Unberechenbarkeit" vor (z.B. Rosenau 1989: 3) oder "Chaos" in der Welt wird in selsbtbestätigenderweise als deutliches Indiz für das Ende der Staatenwelt und die wundersame Niederkunft der "Gesellschaftswelt" begriffen (z.B. Czempiel 1993: 105-132).

2. Begriffsprobleme und Definition von Chaos

"Chaos" stellt jedoch - ebenso wie z.B. "Gleichgewicht", "Evolution" oder "Selbstorganisation" einen wohldefinierten terminus technicus dar - sofern es nicht als Ubiquitärformel für alles Ungewisse mißbraucht wird (zur Einführung: Bühl 1992; Crutchfield u.a. 1989; Müller 1992). Chaos ist in diesem Sinn der Oberbegriff für die Ersetzung laminaren (geordneten, von parallelen Prozesse gekennzeichneten) Systemverhaltens durch turbulentes Systemverhalten (Crutchfield u.a. 1989: 10; ausführlich: Shaw 1981). Dieser Übergang entsteht durch die komplexe Überlagerung linearer Prozesse, deren Interaktionen schließlich zur exponentiellen Vervielfachung auch marginaler Zustandsschwankungen im System oder einzelnen seiner Komponenten führen (Crutchfield u.a. 1989: 11; Shaw 1919: 80f.). Gemäß einem Definitionsvorschlag von Krohn und Küppers läßt sich sagen:

"Der allgemeine Begriff Chaos bezeichnet Ereignisfolgen oder Prozesse, die wegen ihrer sensitiven Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen langfristig nicht vorhersagbar sind. Diese Sensitivität hat nämlich zur Folge, daß kleine Ursachen große Wirkungen haben können. Deshalb sind Zufall und Notwendigkeit (Gesetzmäßigkeit) keine sich ausschließenden Begriffe." (Krohn/Küppers, Hg. 1992: 388 [Glossar]).

Für Chaos oder - weitgehend synonym - turbulente Fluktuationen gibt es also hinlänglich klare technische Kriterien. Unfundiert und irreführend ist daher die bei Rosenau vollzogene Gleichsetzung von meteorologischer "atmosphärischer Turbulenz" mit "globaler politischer Turbulenz" und die These, daß "sowohl Natur als auch Politik vom Zusammenfluß verschiedener Kräfte dazu angetrieben werden, Welten in steter Bewegung zu werden" (Rosenau 1990: 57). Auch mit "der Ubiquität von Anomalien" (Rosenau 1990: 92-96) haben Chaos und Turbulenz wenig bis gar nichts zu tun.

3. Chaos als Methode? - von der Metapher zum Modell

3.1 Durchleuchtung der chaotischen Black Box

Was bislang aussteht, ist die Elaboration der Chaosmetapher zu einem wissenschaftlichen Modell - und vielleicht von dort aus weiter zu einer ausgeformten Theorie (Bühl 1992; Druwe 1990). Metaphorisches Chaos ist ubiquitär und trivial: letztlich kann alles immer in irgendeiner Weise 'chaotisch' sein, aber das nutzt der wissenschaftlichen Modellbildung überhaupt nicht. Solch eine Chaos-Metapher ist wissenschaftlich "eingefroren" - ihr Gebrauch wird habituell und inhaltslos (Mesjasz 1993: 23).

Bei Rosenau führt diese Reifizierung des Chaos zu einer abstrusen methodologischen Konsequenz: obwohl er einer Ära weltpolitischer Omniinterdependenz das Wort redet und deswegen allen traditionellen Theorien von vornherein ihre Adäquanz absprechen will (1990: Kap. 2), kleidet er seine Gegen-Theorie, die eine Theorie der weltpolitischen Turbulenz und zugleich eine allgemeine Theorie von Kontinuität und Wandel im Bereich des Internationalen sein soll - in drei fixe diskrete Parameter: den "strukturellen", den "relationalen" und den "orientierungsbezogenen" (1990: 101). Der "strukturelle Parameter" bezieht sich auf die Strukturierung der jeweils betrachteten Systemebene (global, national oder subnational), im Fall der globalen Ebene z.B. das "westliche Staatensystem" der "vor-50er" Jahre vs. das "bifurzierte" (dauernd durch "delinearisierende" Verzweigungen evolvierende) System der "post-90er" Jahre; der "relationale Parameter" bezeichnet im wesentlichen die klassische Frage nach den Machtbeziehungen und dem materiellen Fundament von Macht, z.B. hierarchische, auf militärische Fähigkeiten gestützte Macht vs. auch aus Humankapital abgeleitete Macht, wie sie Rosenau für das globale System der "Post-50er" ausmacht; der "orientierungsbezogene Parameter" bezieht sich im wesentlichen auf die Loyalitätsbeziehungen der Untertanen (1990: 100-104).

Erstens ist damit höchstens quantitativer Wandel erfaßbar, nicht jedoch qualitativer - den die Formel der "postinternationalen Politik" (zuerst: Rosenau 1989) aber gerade nahelegt. Internationale Dynamik ist bei Rosenau entweder im Sinn des traditionellen Bilds der Staatenwelt normal und linear, oder aber postinternational und abnormal.

Turbulenz wird somit als purer Gegensatzbegriff zur klassischen internationalen Politik definiert und hat keine eigene inhaltliche Qualität, außer der, letztlich alles zu sein, nur nicht linear. Zweitens wird damit die rudimentäre Strukturlogik traditioneller Theoriebildung gerade nicht verlassen; denn die Parameter werden in ihren Ausprägungen isoliert auf den drei traditionellen Ebenen (global, national, subnational) untersucht, die bereits Waltz (1954) erkannt und unterschieden hatte. Außerdem läßt sich mittels der drei Parameter bestenfalls ein Kategorienschema aufstellen, aber nicht die Grundlage einer allgemeinen Theorie weltpolitischer Kontinuität und weltpolitischen Wandels schaffen. Ein positiver Aspekt von Rosenaus gescheitertem Theoriebildungsunterfangen liegt immerhin in der eindringlichen Herausstellung der Wandlungsanfälligkeit, Prognose- und Voluntarismus-Resistenz der internationalen Beziehungen.

Bereits der noch nicht elaborierten Chaosmetapher ist daher zugutezuhalten, daß sie gegen die traditionelle Stabilitätsmetapher antritt - und damit die Möglichkeit eröffnet, die Theorie der internationalen Politik endlich vom Modell des linearen Wandels von einem wohldefinierten Gleichgewicht zum andern zu befreien, der höchstens durch zeitweilig turbulente Phasenübergänge beeinträchtigt bzw. verzögert werden kann (Mesjasz 1993: 24-27). Soll aber auf lange Sicht die populäre "Liebe zum Chaos" nicht "vergeblich" bleiben, so ist gerade die paradoxe Technisierung des Chaos nötig (Bühl 1992): Chaos muß zu einer wohldefinierten Kategorie gemacht werden, mit deren Hilfe dann der Versuch unternommen werden kann, die sozusagen postmoderne Black Box nichtlinearer Phänomene schrittweise aufzuhellen.

3.2 Grundlagen eines postphysikalistischen Chaos-Modells

Eine derartige Durchleuchtung wiederum erscheint nur dann möglich, wenn das Chaos seines Pseudoessentialismus entkleidet und selbst in einen größeren Zusammenhang gebracht wird. Damit kann dann zugleich verdeutlicht werden, daß es sich auch immer nur auf spezifische Komponenten größerer Sachverhalte beziehen kann und keine adäquate Zustands- oder Prozeßbeschreibung an sich darstellt.

An erster Stelle steht die Erarbeitung einer wirklich operationalisierbaren Definition von 'global'. Entgegen momentan verbreiteter Vulgärinterpretationen ist 'global' keineswegs mit 'universal' gleichzusetzen, sondern bezieht sich auf die Untermenge derjenigen sozialen Interaktionen, die sozusagen direkt auf dem Globus stattfinden, und nicht durch Staaten, Regionen oder internationale Organisationen mediatisiert werden.

Zweitens darf diese globale Ebene nicht nur statisch- strukturell und ahistorisch betrachtet werden, sondern ist stets auch im Licht des aktuell stattfindenden "Prozesses der politischen Strukturierung" (Ruggie 1989: 31) zu sehen. Das liegt schon daran, daß der Strukturbegriff selbst nicht (wie bei Waltz 1979) zu einer objektiven Größe erhoben werden sollte, weil damit ihre typischerweise inkongruenten Perzeptionen seitens der in einer bestimmten Konstellation relevanten Entscheidungsträger von vornherein unbehandelbar gemacht werden. Somit hat ein postphysikalistischer Strukturbegriff also nicht so sehr danach zu fragen, wie Staaten im internationalen System 'tatsächlich' positioniert sind, sondern wie sie wechselseitig ihre Relationen zueinander perzipieren. Der statische Begriff der Struktur sollte mithin durch den dynamischen Begriff der "Strukturierung" (Ruggie 1989: 31) ersetzt werden.

Zum dritten muß das Wechselverhältnis zwischen Strukturierungsprozessen auf verschiedenen Systemebenen (z.B. international, regional, global) systematisch (d.h. unter Angabe genauer Transformationsmechanismen) herausgestellt werden. Chaos ist also in jedem Fall präzise an das "empirische politikwissenschaftliche Relativ" zurückzubinden (Druwe 1990: 54-59)! Das diese Rückbindung zunächst tastend - anhand der Verallgemeinerung über chaostheoretisch orientiert durchzuführende empirischer Analysen - vonstatten zu gehen haben wird, ist kein Defizit, sondern ermöglicht die Verknüpfung von Grundlagen- und angewandter Forschung im Sinn politikbegleitender, "praxisrelevanter Grundlagenforschung" (gem. Hellmann 1994: 83). Praxisgebunden elaborierte

Chaostheorie der internationalen Beziehungen bietet also eine gute Möglichkeit, "den wissenschaftsimmanenten Anforderungen und dem Anspruch nach gesellschaftlicher und praktischer Relevanz" (Hellmann 1994: 82) gleichzeitig zu entsprechen.

4. 'Chaostheorie' als Untergruppe der neueren Allgemeinen Systemtheorie

4.1 Systemtheorie und internationale Politik

Den eben angesprochenen dreifachen Zusammenhang liefert die neue Allgemeine Systemtheorie,4 die allerdings nicht selbst wiederum im Sinn einer "'Supersystemtheorie'" mißverstanden werden darf (Türk 1978: 7). Vielmehr muß sie als Sammelformel für eine Reihe unterschiedlicher systemorientierter Konzepte aufgefaßt werden. Streng genommen wäre daher besser von "'Systemperspektive'" zu sprechen (Buckley 1978: 273). Systeme sind in diesem Sinn bewußt überzeichnende Rekonstruktionen, die alltagsweltliche Zusammenhänge abstrahieren, um sie zu verdichten und somit die Wirkungszuammenhänge und Beeinflussungsmöglichkeiten stringenter herausstellen zu können (Waschkuhn 1987: 7). Werden systemische Konzepte im Rahmen sozialwissenschaftlicher Theoriebildung herangezogen, fällt außerdem bereits notwendigerweise die Hälfte ihres Inhalts und Objektbereichs fort, nämlich der Bereich rein physischer Systeme. Zu diesem zählen organische (z.B. Blutkreislauf) und nicht-organische Systeme (z.B. Autos) (Türk 1978: 7). Indes wäre besser zu sagen: dieser Bereich sollte bei sozialwissenschaftlichem Erkenntnisinteresse fortfallen; denn die bisherigen ernstzunehmenden politologischen Versuche systemtheoretischer Theoriebildung, insbesondere auch im Bereich der internationalen Politik,5 haben sich gerade in bemerkenswerter Ausschließlichkeit diesen inadäquaten mechanizistischen Systembezügen anheimgestellt.

Die Disziplin internationale Politik sieht sich ohnehin seit jeher bedauernswerten Mißverständnissen und aus ihnen abgeleiteten Vorurteilen gegen systemtheoretische Konzepte ausgeliefert. So ist Waltz beispielsweise bei der Entwicklung seines Ansatzes des strukturellen Realismus einem gründlichen Fehlverständnis aufgesessen. Er selbst billigt sich das Verdienst zu, eine auf mikroökonomischen Annahmen (typologische Äquivalenz von freiem Markt und internationalem System) basierende echte, systemische Theorie der internationalen Politik entwickelt zu haben (1975: 72). Das Waltz'sche Fehlverständnis liegt in der Auffassung, eine systemische Theorie der internationalen Politik könne allein auf solchen mikroökonomischen Annahmen aufbauen, da die Konzepte der Allgemeinen Systemtheorie allesamt hierarchisch orientiert (Input, Verarbeitungszentrum, Output) und daher auf das anarchisch organisierte internationale System überhaupt nicht anwendbar seien (1975: 72 u. 74). Diese Unterstellung ist auf eine äußerst mangelhafte Kenntnis der neueren Allgemeinen Systemtheorie zurückzuführen, die keineswegs nur triviale Hierarchiemodelle, sondern gerade auch Modelle für multistabile Mehrebenensysteme bereitzustellen vermag.

Ebenso wie im Fall des Chaos läßt sich zwar im Bereich der internationalen Politik eine ausgesprochene "Proliferation des Systembegriffs" (Czempiel 1981: 93) feststellen, aber nur durch die Etikettierung der Arena internationaler Interaktion als "internationales System" läßt sich noch kein transluzides Modell internationaler Politik gewinnen (Buzan/Little 1994; Czempiel 1981: 93-95). Die Systemmetapher ist im Fach internationale Politik zwar allenthalben an zentraler Stelle anzutreffen, der Systembegriff indes erscheint chronisch unterentwickelt (Buzan/Little 1994: 232f.).

4.2 Zur Logik der drei Kybernetiken (Kybernetik I-III)

Daß die Disziplin internationale Politik dynamischer Modelle bisher weitgehend entbehrt hat, verschafft ihr mithin den Vorteil, sich jetzt - am zagen Beginn des Imports derartiger Sichtweisen - von vornherein auf ein spezifisches Verständnis von Chaos festzulegen und somit das anderswo typische Begriffschaos zu vermeiden. Aus verschiedenen Gründen liegt es dabei nahe, unter Chaos eine spezifische Dynamikform und damit einen Spezialfall von internationalem Systemwandel zu verstehen und gerade nicht irgendeine "Chaostheorie" (Bühl 1992: 26; Müller 1992). Vielmehr sollte statt Chaostheorie eigentlich besser von neuerer Systemtheorie gesprochen werden, in der dann unter anderem auch Konzepte wie Selbstorganisation und Emergenz ihren Platz hätten. Ein erneuter Begriffsimperialismus zugunsten des 'Chaos', wie er für die Disziplin internationale Politik bislang so typisch war ('Macht', 'Sicherheit', 'Nationalstaat', 'Gewinn' u.ä.), könnte damit wirksam vermieden werden. Dafür muß indes zunächst einmal noch genauer geklärt werden, was unter Systemtheorie zu verstehen ist. Im historischen Rückblick lassen sich hierbei drei verschiedene Reflexionsniveaus unterscheiden, die konventionsgemäß als verschiedene logische Stufen systemischen Regelungsdenkens (Kybernetik) bezeichnet werden, oder kurz: Kybernetik I-III (z.B. van de Vijver, Hrsg. 1992).

Für die im Bereich der internationalen Politik immer anzustrebende synoptische und dennoch anti-statische Betrachtungsweise bieten sich wie gesagt insbesondere Konzepte der neueren Allgemeinen Systemtheorie an. Dabei darf diese neue Systemtheorie gerade nicht mit der Gleichgewichtstheorie (statische Systemtheorie = Kybernetik I) oder der Thermostatenlogik (klassische Kybernetik = Kybernetik II) verwechselt werden. Erstere geht von der homöostatischen Stabilität sozialer Phänomene aus und ist darauf gerichtet, Abweichungen von einem fixen Zielzustand durch negative Rückkoppelungen auszuregeln; zweitere führt adaptive (heterostatische) Mechanismen ein, die bei Störungen des Gleichgewichts positive Rückkoppelungsschleifen aktivieren und dem System zu einer neuen Qualität verhelfen sollen, die den Umwelteinflüssen besser entspricht (s. Busch 1979: 94-97). Die den derzeitigen Kenntnisstand in der neueren Systemtheorie reflektierende Kybernetik III geht vor allem aus der Perspektive der Symbolisierung oder Reflexivität vor: jedes System verfügt sowohl über eine Selbstbeschreibungsmatrix als auch verschiedene, kontextabhängige symbolische Repräsentationen seiner Umwelten. Deshalb kann es auch nicht auf diese oder jene Tendenz in 'der' Umwelt reagieren (etwa gemäß dem Waltz´schen Shape-and-shove-Prinzip), sondern nur versuchen, aus seiner Perspektive wahrgenommene (perzipierte) Veränderungen in der Umwelt zu einem logischen Bild zu interpretieren und dann seine Prozeßdynamik so zu regeln versuchen, daß einerseits die Verwirklichung selbstbestimmter Ziele und andererseits zugleich die weitere Aktions- und Adaptionsfähigkeit des Gesamtsystems so gut wie möglich sichergestellt werden können (grundlegend u.a.: Busch 1979; Krohn/Küppers, Hrsg. 1992; Taschdjian 1976; van de Vijver, Hrsg. 1992). Erst ab der Logik einer Kybernetik III lassen sich nichtlineare Formen auswärtiger und internationaler Politik überhaupt auf den Begriff bringen.

4.3 Das internationale System als "ökosoziales System"

Systeme sind gemäß einer an der Logik einer Kybernetik III orientierten Systemtheorie vor allem als "ökosoziale Systeme" aufzufassen (Bühl 1990: 35). Ökosoziale Systeme sind nicht nur umweltreaktiv (im Sinn des Thermostat-Modells der primitiven Kybernetik), sondern umweltsensibel; sie prozessieren in ihre Umwelt hinein und sind schließlich so mit ihr verwoben, daß sie sich von ihr nur noch analytisch trennen lassen.

Deshalb ist das internationale System im Sinn wohlverstandener Systemtheorie auch gerade nicht 'delinearisiert', oder 'unberechenbar' und auch nicht einfach 'anarchisch', d.h. schlechterdings unkontrolliert, sondern im Gegenteil sogar multipel kontrolliert, aber eben ökologisch, d.h. durch begrenzende Faktoren. All diese Faktoren tragen in ihrer Gesamtheit zur Determinierung der Systemdynamik bei, und gerade aufgrund dieser Mehrfachkontrolle wird die Systemdynamik eben typischerweise (im oben definierten, technischen Sinn) chaotisch sein, weil zwar die einzelnen Kontrollpfade (z.B. Völkerrecht, diplomatische Praktiken, internationale Organisationen, internationale Regime, transnationale Kommunikationswege, Staatschefs) festgelegt sind, nicht aber ihre situationsspezifischen Gewichtungen, Verknüpfungen, Interdependenzen und Perzeptionen bzw. Interpretationen seitens der jeweils relevanten Aktionseinheiten oder Subsysteme. Das internationale System ist als ökosoziales System auch ein disperses, heterarchisches System: es besteht aus wohldefinierten Modulen, deren Interaktionseffekte aber nicht vorhersehbar, geschweige denn im teleologischen Sinn beeinflußbar sind - die Kontrolle ist komplex über verschiedene Steuerungsmedien verteilt (zu dieser dispersen Kontrolle s. Hejl 1992; Willke 1994).

Die Tatsache, daß ökosoziale Systeme, mithin also auch das internationale System, zwar nicht gerade funktional perfekt nivellierend - wie das Waltz (1979: 96f. u. 194) annimmt -, aber doch funktional redundant und plurivalent organisiert sind, bedingt ihre gute Überlebensfähigkeit im Sinn der Resistenz gegen fundamentalen, die elementare Organisation betreffenden, Wandel: "Komplexe Systeme sind in der Regel jedenfalls als metastabile Systeme anzunehmen, insofern sie durch einen lebhaften Austausch zwischen den Subsystemen und mit der Umwelt gekennzeichnet sind und deshalb einerseits nur schwer zu integrieren und kaum zu zentrieren sind, andererseits aber normalerweise auch kaum grundlegend und global zu irritieren." (Bühl 1990: 127; s. auch Willke 1994: 70-77) Durch den Ausfall oder den funktionalen Wandel einzelner Module (z.B. den Untergang von Staaten oder den Wechsel ihrer Regierungsform, den Zerfall von Bündnissystemen oder internationalen Organisationen, der Auflösung regionaler Zusammenhänge) ist deshalb auch in der Regel nicht das betreffende Regionalsystem oder gar das gesamte internationale System maßgeblich betroffen - zumal sich, den Prinzipien chaotischer Dynamik entsprechend, auch turbulente Prozesse während ihrer Hochtransformation z.B. von der sub- auf die internationale Ebene abstumpfen oder von einer intermediären (z.B. der regionalen) Ebene absorbiert werden. Erst wenn keine regionalen 'Reibungsflächen' oder - weniger mechanizistisch gesprochen - Fluktuationspuffer mehr vorhanden sind, ist die Keimlegung für einen globalen oder zumindest supra- oder multiregionalen Konflikt anzunehmen.

5. Der Platz der 'Chaostheorie'

Eine elaborierte und methodisch abgesicherte 'Chaostheorie' in der Disziplin internationale Politik hätte sich zu allererst von der momentan bestimmenden Diktion einer Globaltheorie von "Wandel und Kontinuität" (z.B. Rosenau 1990) zu verabschieden, die wie gesagt bei einer popularisierenden Chaosmetapher stehen bleibt und überdies vorgibt, daraus direkt Hypothesen, Erklärungsschemata und Prognose ableiten zu können. Theoretisch brauchbares Chaos hingegen ist wie schon gesagt stets als Formel für eine spezifische, empirisch vorfindbare Form von Systemdynamik zu begreifen, die auf dem Prinzip der sensitiven Abhängigkeit von den Ausgangsbedingungen beruht. In diesem Sinn ist Chaos dem neomechanistischen Weltbild (Hejl 1992: 176f.) verpflichtet: Auch chaotische Prozesse haben ein mechanisches Korrelat, d.h. die prinzipiellen Entwicklungspfade sind im klassischen, mechanistischen Sinn eindeutig definiert. Die 'Wahl' zwischen den einzelnen Pfaden ist jedoch komplex und historisch kontingent, so daß es sich bei chaotischen Systemen trotz der hinlänglichen Transluzidität ihrer Komponenten immer um nicht-triviale Systeme handelt.

Komplex ist sie insofern, als der Fortgang der Systementwicklung eben äußerst sensibel von den Anfangsbedingungen abhängt und deswegen auch bei nur marginalen Anfangsunterschieden der Inputs völlig verschiedene Outputs möglich (aber nicht zwingend notwendig) sind. Historisch kontingent ist die Wahl der Pfade deswegen, weil sie nicht nur vom derzeitigen Systemzustand (d.h. den möglichen aktuellen Inputs) abhängt, sondern mindestens gleichermaßen von der Systemgeschichte (d.h. der sensiblen Definition dieser Inputwerte).

Jedenfalls kann es auf keinen Fall 'das' empirisch beobachtbare Chaos geben, weil es auch nicht 'das' beobachtbare System gibt. Ebenso wie Systeme nur sinnvoll zu verstehen sind als Konstrukte, die aus bestimmten Erkenntnisinteressen und methodologischen Überlegungen heraus an bestimmte Dimensionen der empirisch faßbaren Wirklichkeit herangetragen werden, handelt es sich auch bei der Untersuchung der Dynamik ebensolcher Systeme immer um Modelldenken. Systemtheorie intendiert eine tertiäre (Re)konstruktion der Wirklichkeit, indem sie versucht, soziale (sekundäre) Konstruktionen der Wirklichkeit (primäre Konstruktion) auf der Grundlage ihrer spezifischen Konzepte zu rekonstruieren.

6. Beispiele systemtheoretischer Ausarbeitung der Chaosmetapher: Schwellenphänomene, Phasenübergänge, Emergenz

Mit der gedanklichen Orientierung an einer Systemtheorie der Art Kybernetik III ist jedoch noch nicht viel erreicht, solange nicht auch konkrete operationalisierbare Konzepte zur Verfügung stehen, und zwar sowohl in bezug auf die Datensammlung als auch die wechselseitige Verknüpfung der gewonnenen Daten bzw. ermittelten Sachverhalte (vgl. Bahg/Zou 1990). Zu einer wissenschaftlichen Definition des Chaos gehört daher immer die Angabe spezifischer Randbedingungen und die empirisch begründete Modellierung der unterstellten chaotischen Entwicklungspfade (Bühl 1990: 28; Hejl 1992: 176-180). Auf diese Weise lassen sich dann interessierende politische Phänomene auf handhabbare, jedoch nicht willkürlich verkürzte, sondern dann Schritt für Schritt zu elaborierende Formeln bringen. Corning (1994: 28-32) nennt dafür mehrere Beispiele, unter anderem die folgenden (die jeweiligen Verdeutlichungen für den Bereich der internationalen Politik sind hinzugefügt):

(1) Schwellenphänomene: Ursprünglich lineare Prozesse wechseln in spezifischen Kontexten über zu nicht-linearer Dynamik, oder mehrere lineare Prozesse überlagern sich zu emergenten nicht-linearen Prozessen - Umgekehrtes ist freilich ebenso möglich. Eine gegenstandsadäquate Theorie der internationalen Politik sollte daher weniger versuchen, ihrem Objektbereich eine bestimmte Grunddynamik zu oktroyieren - vom klassischen Mächtegleichgewicht über positionalen Konservativismus der Systemeinheiten/Staaten (Waltz 1979) und globale politische Turbulenz (Rosenau 1990) bis hin zu Makroformen sozialen Wandels, der unabhängig von nationalen und regionalen Schwellen vonstatten gehen soll (Scholte 1993), als vielmehr gerade nach den Schwellenphänomenen zu suchen, die auf Dynamikwechsel hinweisen. Für außenpolitische Planung bedeutet das z.B., daß ihre "Frage eigentlich nur lauten [kann], welche Art von Planung unter welchen Randbedingungen (und historischen Ausgangsbedingungen) bei welcher Zielsetzung bis zu welchem Grad vorzunehmen ist, was für Instrumente zur Verfügung stehen oder gegebenenfalls entwickelt werden können, welche alternativen Kosten und Nutzen [...] zu erwarten sind." (Bühl 1990: 236)

(2) Phasenübergänge: Eine spezielle Form von Schwellenphänomenen, die als abrupte Übergänge (Bifurkationen) erscheinen. Die berühmte 'Schwelle zum Krieg' wäre ein Beispiel. Jedoch ist festzuhalten, daß auch solche Übergänge nicht einfach passieren und sich dann retrospektiv als linear und vorbestimmt zurückverfolgen lassen (wie das zum Beispiel die populäre Formel vom Ende des Ost-West-Konflikts, das auf eine Art Demokratisierungsschub zurückzuführen sei, suggeriert). Sie sind zwar in dem Sinn irreversibel, daß es keinen Systemrückfall geben kann, der genau dem bisherigen (meliorativen) Entwicklungspfad, nur eben in umgekehrter (pejorativer) Richtung, folgen würde. Das heißt aber noch lange nicht, daß etwa der jetzige Zustand Mittelosteuropas nur einen Weg zum Besseren öffnen kann.

Um Phasenübergänge politologisch überhaupt sinnvoll behandeln zu können, erscheinen drei analytische Schritte notwendig: Erstens eine systematische historische Bestandsaufnahme, die retrodiktiv versucht, die bisherigen Furkationen, die die in Frage stehende Entwicklung durchlaufen hat, zu rekonstruieren und diejenigen Faktoren zunächst hypothetisch zu ermitteln, die für das Einschwenken der Systementwicklung auf diesen und nicht jenen Pfad verantwortlich gemacht werden können. Zweitens die Ausarbeitung eines Kriteriensets, das die Entscheidung darüber ermöglicht, welche Phänomene tatsächlich 'neu' sind und welche traditionell, nun aber in Rekombination vorliegend. Drittens die historisch-typologische Aushebung eines Politikstilinventars, das einen Fundus dafür bereitstellt, diese ausgemachten, zunächst wahrscheinlich reichlich abstrakten Elemente auch tatsächlich mit Inhalt zu füllen, und das heißt vor allem, ihnen konkrete Werte, Interessen, Handlungen/Strategien u.ä. zuzuordnen, um einerseits im Rückblick begangene Steuerungsfehler identifizieren und andererseits für zukünftige ähnliche Situationen bessere Alternativen, zumindest aber geschärftes Problembewußtsein entwickeln zu können. Die vor allem innerhalb des Realismus vorherrschende diffuse "Anarchophilie" (Buzan/Little 1994: 236) ist also durch eine dreistufige systematische Retrodiktion zu ersetzen.

(3) Emergente Phänomene: Bereits Waltz (z.B. 1986: 336) hat implizit postuliert, internationale Politik als emergentes Phänomen zu verstehen. So beispielsweise, wenn er das theoretische Augenmerk auf systemische Effekte lenkt, in seinem Sinn also diejenigen Faktoren, die aus dem internationalen System stammen und die Aktionseinheiten in bestimmte Formen bringen, sie in bestimmte Beziehungen zueinander setzen und sie zu bestimmten Verhaltensweisen anregen. Diese

Emergenzvorstellung ist jedoch reichlich mechanizistisch und sollte durch eine flexiblere, allgemeine Definition ersetzt werden:

"Im 'klassischen' Sinne bedeutet Emergenz die Entstehung neuer Seinsschichten (Leben gegenüber unbelebter Natur oder Geist gegenüber Leben), die in keiner Weise aus den Eigenschaften einer darunter liegenden Ebene ableitbar, erklärbar oder voraussagbar sind. In einer modernen Version spricht man von Emergenz, wenn durch mikroskopische Wechselwirkung auf einer makroskopischen Ebene eine neue Qualität entsteht, die nicht aus den Eigenschaften der Komponenten herleitbar (kausal erklärbar, formal ableitbar) ist, aber dennoch allein in der Wechselwirkung der Komponenten besteht." (Krohn/Küppers, Hg. 1992: 389 [Glossar])

In diesem Sinn ist auch Chaos ein emergentes Phänomen, das sich immer auf seine notwendigen Konstitutivkomponenten zurückrechnen, aber eben nicht hinreichend aus ihnen herleiten läßt. Emergenz beinhaltet daher zweifellos eine gewisse Autonomisierung, die sie aber nicht vom Fortgang der Geschichte schlechthin abkoppelt. Vielmehr können emergente Systeme auch wieder imergieren (wie z.B. das bipolarisierte Weltsystem), ohne daß dabei alle seine Komponenten ebenfalls verschwinden oder sich maßgeblich verändern müssen. Emergenz entsteht nicht so sehr aufgrund des gegeneinander aufsummierten Charakters der Systemkomponenten (z.B. westliche Welt vs. Ostblock), als aufgrund vielmehr einer spezifischen Klasse von Interaktionen zwischen ihnen (z.B. militärische Abschreckungsstrategien).

7. Was bringt eine Chaostheorie internationalen Politik?

7.1 Chaos als Übergangsphänonmen

Für sozialwissenschaftliche Anwendungen, mithin also auch für den Bereich internationale Politik, läßt sich das Chaos- Modell nur sinnvoll verwenden, wenn es nicht als pejorisierende Pauschalformel für Unberechenbarkeit verwandt, sondern in seinem oft übersehenen eufunktionalen Gehalt betrachtet wird. Dann verwandelt sich das Chaos in einen präzisen Begriff, welcher der Bezeichnung spezifischer Transformationsprozesse - von einem stabilen Zustand zum nächsten - dient, und nicht als Weltformel für intellektualisierte Orientierungslosigkeit. Chaos ist in diesem Sinn also immer als "transitorisches Chaos" zu begreifen (Bühl 1992: 31-33). Transitorisches Chaos erfüllt vier Primärfunktionen (Bühl 1992: 31f.): die Absorption von Störungen aus der Umwelt, die somit nicht sofort und direkt ins Systemzentrum vordringen können, weil sie erst dessen chaotische Dynamik überwinden und sich sozusagen an ihr abreiben müssen; die Sprengung fester Bahnen der Systementwicklung, die sich zur dysfunktionalen Stagnation festgefahren haben; die Vermeidung von Angreifern, gleichsam im Sinn prozessualen Hakenschlagens; das flexible Suchverhalten nach neuen systemischen Idealzuständen.

Allerdings hat sich jede an neueren systemtheoretischen Konzepten orientierte Theorie der internationalen Politik einem Fundamentaleinwand zu stellen: der Frage der Übertragbarkeit im weiteren Sinn "autopoietischer Begriffe auf soziale Systeme" (dazu: Beyme 1992: 222-225). Wie gesehen ist solch eine Übertragung zunächst lediglich metaphorisch, und die konkrete Ausarbeitung entsprechender sozialwissenschaftlicher Konzepte hat dann die Spezifika sozialer Systeme explizit zu berücksichtigen, wenn sie mehr anstrebt, als nur eine Mystifizierung der Begriffslosigkeit. Zu diesen Charakteristika zählen unter anderem die folgenden Sachverhalte: "Soziale Systeme erzeugen nicht die lebenden Systeme, welche die sozialen Systeme konstituieren. Das populäre Beispiel: Eine Fußballmannschaft erzeugt nicht ihre Spieler"; "Menschliche Systeme konstituieren mehrere soziale Systeme zu gleicher Zeit"; "Alle Komponenten sozialer Systeme haben direkten Zugang zur Umwelt des jeweiligen Systems, ganz im Unterschied zu den Bestandteilen biologischer Systeme." (Beyme 1992: 225)

Als Konstitutivkriterium für soziale Systeme erscheint der Begriff der "Autopoiesis" oder der "Selbstreferenz" daher inadäquat und sollte durch denjenigen der "Synreferenz" ersetzt werden (Hejl 1992: 195f.). Damit wird ausgedrückt, daß soziale Systeme immer in sensibler Weise kontextkontingent sind: Sie und ihre Mitglieder werden dadurch definiert, daß (individuelle oder korporative) Akteure über die Zeit hinweg in systematischer Weise in ihrem Handeln auf gemeinsame Wirklichkeitskonstrukte Bezug nehmen, daher aber auch keinem Konstrukt vollständig angehören, sondern es in der Regel immer um multiple Mitgliedschaft geht (Hejl 1992: 191). Eine wichtige Beobachtung von Rosenau (1990: 115) ist es mithin, daß diese Tatsache auch und gerade für Akteure in der internationalen Politik immer charakteristischer wird.

Einige wichtige Grundlagen einer 'chaostheoretischen' Sichtweise internationaler Beziehungen sollen nun anhand zweier Beispiele knapp illustriert werden: zum einen nationale Außenpolitik, zum anderen das international-politische Handlungssystem.

7.2 Beispiel 1: Chaos und Außenpolitik

Was die Chaostheorie - sofern sie richtig verstanden wird - vor allem nahelegt, ist ein außenpolitisches Globalkonzept. Darunter ist jedoch gerade kein Aufruf zur Selbstüberforderung zu sehen. Vielmehr geht es darum, vom Glauben an die Fortschreibung der Disziplinierung der Welt mit anderen Mitteln Abschied zu nehmen, wie er sich nach der Bipolarisierung verbreitet hat - etwa in dem Sinn, daß die Gestaltungskompetenz und Definitionsgewalt hinsichtlich der weltpolitischen Situation, wie sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die beiden Supermächte innehatten, nun durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ausgeübt werden soll, um ein postuliertes "Ordnungsdefizit" zu füllen (z.B. Czempiel 1993: 97-104). Hier wird deutlich, daß gerade das globalistische oder postinternationale Paradigma einem mechanizistischen Stabilitätsdenken verhaftet ist, das dessen Statikvorwurf gegenüber dem Realismus noch bei weitem übertrifft. Globale oder postinternationale Politikplanung hätte vielmehr bei der Einsicht zu beginnen, daß innerhalb komplexer Netzwerke hierarchische oder pseudohierarchische Steuerung entweder gar nicht organisierbar oder zumindest nicht effektiv ist, weshalb Steuerungsleistungen, die das (aus der jeweiligen Perspektive) Gesamtsystem betreffen, nicht als situative und auf Idealzustände abzielende Anweisungen ergehen sollten (Bühl 1990: 180).

Mithin bedeutet das Attribut 'global' deshalb auch nichts anderes als die Forderung, auch bei scheinbar strikt bereichspezifischen Problemen stets explizit die Lage und anvisierte Zukunft des Gesamtsystems mit ins Kalkül einzubeziehen. Unter den Bedingungen weltpolitischer Interdependenz können selbst zunächst scheinbar fokale Probleme nur noch sinnvoll als "Multi-Kontext-Probleme" (Hoffmann 1993: 54) behandelt werden, weil sie gleichsam radiale Probleme sind, die vom Kern der Sache in diverse andere kognitive Zusammenhänge und/oder ganze Politikbereiche ausstrahlen. Die Frage der deutschen Beteiligung an militärischen Aktionen im Rahmen von NATO oder UNO etwa ist ein Musterbeispiel für ein Multi-Kontext-Problem - sie kann je nach Situation vor den verschiedensten Hintergründen relevant werden: in Zusammenhang mit dem Deutschlandbild im Ausland, dem Interesse am Aufbau eines eigenen Generalstabs, eines Sitzes im UN-Sicherheitsrat, der Auseinandersetzung mit der Opposition, vor allem der SPD angesichts bevorstehender Bundestagswahlen u.v.m. Dabei könnte man gemäß der Chaostheorie die Hypothese aufstellen, daß das Hin- und Herschalten zwischen den einzelnen möglichen Kontexten auf der Grundlage nichtlinearer Dynamik erfolgt: Zwar ließe sich empirisch eindeutig ermitteln, welche Kontexte bisher schon aufgetaucht sind, doch selbst wenn man diese Menge dann als vollständig voraussetzen wollte, ließe sich nicht mit ausreichender Sicherheit vorhersagen, welcher dieser Kontexte beim nächsten Mal relevant wird; denn bereits marginal unterschiedliche Ausgangsbedingungen können zu völlig anderer Kontextrelevanz führen.

Anhand dieses Beispiels läßt sich anschaulich eine weitere Elaboration chaotischer Modellbildung einführen: chaotische Dynamik folgt transienten Gradienten. Im einfachsten Fall heißt das, sie folgt "transienten Bifurkationen" (Pohlmann/Niedersen 1990: 70). Furkationen sind Phasengrenzen, an denen ein scheinbar spontaner Übergang von einem Systemzustand oder einer spezifischen Systemdynamik in eine(n) von möglichen anderen stattfindet. Im einfachsten Fall gibt es zwei neue Alternativzustände/Dynamiken; dann läßt sich im engeren Sinn von einer Bi-Furkation sprechen, jedoch hat sich dieser Begriff zur Kennzeichnung von Furkationen insgesamt durchgesetzt, unabhängig davon, wieviele Vergabelungen diese jeweils besitzen. Diese Bifurkationen sind nun aber, und insbesondere im Fall sozialer Systeme, typischerweise dynamisch - oder eben spezifischer transient, d.h., sie werden als solche erst retrodiktiv oder bestenfalls en passant erkennbar, wenn die Systementwicklung sie schon weitgehend hinter sich gelassen hat und bereits relativ irreversibel auf einen neuen Entwicklungspfad eingeschwenkt ist: "Im Bifurkationspunkt selber passiert also noch nichts, sondern erst im sensitiven Bereich, der danach beginnt!" (Pohlmann/Niedersen 1990: 70) Jedoch befindet sich die Systementwicklung auch dann noch in einem Zustand, der effektive Beeinflussung möglich macht, sofern genaue Kenntnis über die kritischen Systemparameter vorhanden ist (Pohlmann/Niedersen 1990: 69). Hier ist also paradoxerweise gerade punktuelle Politik gefragt.

Das daraus folgenden Problem für den Design außenpolitischen Handelns wird dann deutlich, wenn außenpolitische Dilemmasituationen vorherrschen, wie das gegenwärtig z.B. für die deutsche Außenpolitik mit dem "Dilemma der doppelten Normalität" (Siedschlag 1995) der Fall ist: Deutschland ist gehalten, auf doppelte Weise ein 'normaler' Staat zu werden, je nachdem, welche Perspektive man wählt. Als neue Bundesrepublik wird ihm erweiterte politische und militärische Handlungsfähigkeit bzw. -verpflichtung zugeschrieben, während es sich als erweiterte alte Bundesrepublik angesichts einer noch immer bestehenden diffusen Furcht von 'Deutschland' freiwillig Beschränkungen auferlegen oder sich massiv an internationalen Anforderungen orientieren soll.

Synonym ließe sich von einem außenpolitischen

Qualitätsdilemma sprechen, im Sinn eines zugleich internen und externen, aber nur sehr zum Teil übereinstimmenden, Qualitätsanspruchs an die deutsche Außenpolitik. Die externen, von den westlichen Nachbarn an die Qualität der deutschen Außenpolitik herangetragenen Anforderungen ergeben sich einerseits aus der Erwartung, daß Deutschland seine als infolge der Vereinigung gesteigert perzipierte zivile und militärische Potenz zum Wohl der internationalen Gemeinschaft und zur Unterstützung der Verbündeten einsetzen werde, andererseits aus dem Verdacht, Deutschland könne sich entweder als moralischer Richter über die Welt aufspielen oder einen erneuten Griff, dieses Mal nicht nach der Weltmacht, sondern nach der Vorherrschaft in Europa wagen, und dem sich daraus ergebenden Verlangen, die Bundesrepublik müsse sich der historischen Erfahrung des 'häßlichen Deutschland' auf ewige Zeit bewußt bleiben, zugleich jedoch ihre Zugehörigkeit zum 'Westen' versichern und ihre Streitkräfte für internationale Einsätze zur Verfügung stellen. Die internen Qualitätsanforderungen bestehen zum einen in dem Ruf nach politischer Führung und Wiederherstellung einer nicht näher umrissenen 'Handlungsfähigkeit', zum anderen aber im Postulat eines 'breiten innenpolitischen Konsensus'.

Das Dilemma läßt sich dann so beschreiben: Wird den intern artikulierten Postulaten nachgekommen, kann das in der Umwelt als anmaßend und als Indiz für die Vorbereitung neuer Machtpolitik perzipiert (oder politisch interpretiert) werden, während bei dem Versuch, den externen Anforderungen nachzukommen, innenpolitisch der Eindruck mangelnder politischer Führung und Interessenbestimmung riskiert wird.

Dabei kann es zu einer regelrechten Dilemmaspirale kommen, wenn z.B. wiederum intern auf die Ausdrucksformen externer Perzeption oder Interpretation geantwortet wird, etwa in Form von sozusagen selbstgemachten deutschen Militarisierungsthesen (z.B. Martin/Schäfer 1994), oder wenn es zu einer externen Reaktion auf interne Folgen des ursprünglichen Dilemmas kommt, indem sich beispielsweise die Rede von der mangelnden politischen Führung oder der prinzipiellen Verantwortungsunlust aufgegriffen findet (z.B. Gordon 1994; Sked 1991).

In systemtheoretischer Terminologie gesprochen, ist diese Dilemmaspirale sehr sensitiv gegenüber marginalen Veränderungen ihrer Eingangswerte, zumal diese subjektiv und verschwommen definiert sind. Ihrer Struktur nach ist diese Spirale ein völlig lineares Phänomen, das sich in der Dimension internesexternes Anforderungsprofil bewegt. Aber gerade die kritische Kopplung ihrer Endpunkte (nationales vs. internationales Anforderungsprofil) und die Möglichkeit von reziproken Re- entries dieser binären Unterscheidung in den Verlauf der Spirale macht ihre Dynamik nichtlinear.

Die kritischen Punkte, an denen sich entscheidet, welchen Verlauf die Spirale in der nächsten Zeit nimmt, sind als transiente Furkationen zu verstehen: Weil die notwendigen Informationen einer vorausberechneten Kursbestimmung der Spirale immer erst im nachhinein verfügbar sind und auch - vor allem was das externe Anforderungsprofil anbelangt - stark von konkurrierenden Ereignissen abhängen, welche die Relevanz des Dilemmas entweder verschärfen oder dämpfen, läßt sich bestenfalls angeben, wann kritische Phasen erreicht sind, nicht jedoch, in welche Richtung das deutsche internationale Image nun umkippen bzw. ob es sich überhaupt wesentlich verändern wird. Erst wenn einigermaßen scharfe Informationen aus der internationalen Umwelt verfügbar werden - z.B. Zeitungsartikel oder polemische politische Aufsätze - läßt sich die Richtung erkennen. Dann aber ist die sensible Phase des Phasenübergangs schon weitgehend vorbei und damit auch die Möglichkeit der gezielten politischen Einflußnahme. Nun wird typischerweise selbstorganisierende Eigendynamik der Dilemmaspirale einsetzen, z.B. in der Form, daß sich aufgrund mangelnder alternativer Themen auch andere Zeitungen an die neue Tendenz ankoppeln oder daß die internationale Perzeption zur Orientierungsgröße für die nationale Diskussion wird.

Diese Dynamik ist dann chaotisch: Sie kann ihren Ursprung durchaus in linearen Prozessen oder sogar einzelnen kreativen Akten (z.B. eben Zeitungsartikel) haben, diese Prozesse überlagern sich jedoch in turbulenter Weise und machen so verläßliche Prognosen und Zukunftsprojektionen unmöglich, wenngleich die prinzipiellen Entwicklungspfade (z.B. Telefonleitungen, Verteilersysteme 'transnationaler' Tageszeitungen, diplomatische Kontakte, einzelne besonders 'scharfe' Autoren) wohldefiniert und bekannt sind. Dabei wird auch deutlich, daß innerhalb chaotischer Prozesse durchaus regulative Mechanismen am Werk sind, z.B. sog. Ordner und Attraktoren (Bühl 1992: 38f.). Hier im Beispiel wären z.B. einzelne Zeitungsberichte als Ordner aufzufassen, die unter bestimmten Gegebenheiten die Prozeßdynamik (z.B. das jeweilige internationale Image Deutschlands) takten können - wenn sie z.B. wiederum als Anreize für die Themenwahl innerhalb der nationalen deutschen Diskussion dienen. Attraktoren wären dabei die einzelnen möglichen Deutschlandbilder, auf welche die internationale Perzeption Deutschlands sozusagen zufließen kann - die 'häßlichen Deutschen', der deutsche Pazifismus, Deutschland als Motor der europäischen Integration u.ä. Das ist zugleich eine Verdeutlichung des Phänomens der Plurivalenz und des Relevanzwechsels, wie sie für fluktuierende/flexible Systeme charakteristisch sind.

Chaostheoretisch ergibt sich aus diesen Zusammenhängen die Forderung, das Dilemma der doppelten Normalität sei zunächst weniger zu lösen als vielmehr gerade in der Schwebe zu halten, um seinen positiven Aspekt, nämlich die aus ihm paradoxerweise gewinnbare politische Flexibilität aufgrund einer Vielzahl interdependenter Optionen, nicht einem statischen Normalitätsdenken zu opfern. Daher ist es höchst zweifelhaft, angesichts aktueller Herausforderungen nach klar definierten Etiketten für die Außenpolitik einzelner Staaten zu rufen, wie das etwa im Fall Deutschlands etwa Senghaas (z.B. 1994) mit der Formel des "Handelsstaats" tut. Ebenso unangemessen ist die Suche nach fixen "Handlungsmaximen" (z.B. Link 1991: 100). Im Gegensatz dazu muß sich eine außenpolitische 'Chaostheorie' nachhaltig weigern, der Außenpolitik diffuse Wertgrundlagen autoritativ anzuempfehlen. Ihm hat es vielmehr darum zu gehen, Konzepte zu entwickeln, um die langfristige Funktionsfähigkeit des außenpolitischen Systems abzusichern und je nach Situation verschiedene Optionen offenzuhalten.

Das bedeutet aber zugleich, daß sich realistische Außenpolitik offenbar angesichts komplexer Problemausstrahlungen und -verquickungen immer nur auf die problemstrukturelle Frage der langfristigen Funktionsfähigkeit des eigenen politischen Systems insgesamt genommen konzentrieren kann und nicht - in situationsstruktureller Manier - auf scheinbar isolierte Politikbereiche und Einzelfall-Lösungen. Das wird sich jedoch nur auf der Grundlage eines Systemmodells entwerfen und in die Tat umsetzen lassen, welches den uns so vertrauten, aber zunehmend hinderlichen intellektuellen Rekurs auf Binärlogik und Linearkausalität durch am Gedanken des fließenden Netzwerks orientierte Denkweisen ersetzt, in dem es bestenfalls zeitweise prominente Knotenpunkte geben kann.

Für eine sozusagen chaosadäquate politische Steuerung haben Multi-Kontext-Situationen und Dilemmaspiralen zur Folge, daß sie verschiedene Referenzebenen gleichzeitig in ihre Ziel- und Mitteldefinitionen einbeziehen muß. Politische Steuerung in diesem Sinn läßt sich einzig auf dem Weg dezentraler Kontextsteuerung verwirklichen (z.B. Hejl 1992). Steuerung besteht dann nicht mehr in zweckrationaler Technologie, sondern wird selbst zu einem "schöpferischen Prozeß" (Münch 1994: 404), der in der "Interpretationszone" (386) verschiedener Bezugssysteme abläuft und daher eben zum Teil auch als "Faktorinput in die nichtpolitischen Systeme" (387) zu sehen ist. Am besten wird das daran deutlich, daß sich Politik immer mehr "ausdrücklich der nichtpolitischen Medien der Kommunikation bedienen und sich nach ihren Erfolgskriterien bewerten lassen" muß (388).

Für die Außenpolitik hat das die Konsequenz, daß ihre Rationalität nicht im Verfolgen chronifizierter und in ihrem politischen Korrelat diffuser Ideallinien und dem damit verbundenen Aktivismus liegen kann, sondern einzig in einem Verständnis von Außenpolitik als permanentem Regelungsprozeß der Beziehungen des eigenen Systems zur internationalen Umwelt und den in ihr existierenden Systemen unter funktionaler Absicherung der dazu benötigten intrasystemischen Strukturen und Prozesse und dem Ziel (a) der bestmöglichen Verwirklichung eigener aktueller Interessen sowie zugleich (b) der bestmöglichen Wahrung der kreativen Anpassungsfähigkeit (Adaptivität) des Systems an relativ unbeeinflußbare kritische Umweltereignisse. Solche Steuerung darf nicht globale Verantwortung auch für nur äußerst bruchstückhaft beeinflußbare Entwicklungstendenzen reklamieren, sondern muß sich auf "'kritische Inputs'" (Hejl 1992: 207) konzentrieren. Das bedeutet, es gilt anzuerkennen, daß es von vornherein unmöglich ist, das Augenmerk auf alle potentiell relevanten Ereignisse und Prozesse zu richten. Deswegen ist eine Konzentration auf für das jeweilige (fokale) System in der jeweiligen Umwelt nicht ohne unzumutbare Konsequenzen für die beiden primären Systemaufgaben (Interessenverwirklichung und Adaptivitätswahrung) vernachlässigbare Ereignisse (fokale Kontingenzen) nötig. Dazu sind allerdings noch valide Kriterien auszuarbeiten.

7.3 Beispiel 2: Anwendunsmöglichkeiten auf der Ebene des internationalen Systems

Wenngleich sich also neue system- oder spezifisch chaostheoretische Konzepte paradoxerweise zunächst gerade für den Design nationaler Politik anbieten, so tragen sie doch auch einem adäquateren und sachlicheren Verständnis von globalen Transformationsprozessen bei. Das läßt sich gut am Beispiel des weltpolitischen Wandels 1989/90 verdeutlichen. Die allgemeine Systemtheorie legt nahe, daß mit dem Zusammenbruch des Sowjetkommunismus, manifest werdend in der Auflösung des Warschauer Pakts im April und der Sowjetunion im Dezember 1990, zwar die Bipolarisierung endete (oder bestenfalls noch der Kalte Krieg), aber nicht eigentlich der Ost-West-Konflikt.

Durch den Wegfall der Bipolarisierung änderte sich nämlich nicht die Organisation des internationalen Systems, sein prinzipieller anarchischer Charakter, sondern nur seine Struktur, die prägnante und prekäre zweipolig zugespitzte Erscheinungsform (Wagner 1993: 77-79 u. 103). Das Übergehen der Unterscheidung zwischen Organisation als Gesamtheit der einem Phänomenbereich zugrundeliegenden formalen Gesetzmäßigkeiten und Struktur als spezifische prozedurale Merkmale auf diesen Gesetzmäßigkeiten aufbauender Wechselwirkungen führt "Weltinnenpolitiker" wie Czempiel indes zu der Fehleinschätzung, es stehe eine Ära gesetzmäßig bzw. organisatorisch veränderter Beziehungen in Richtung auf eine institutionell steuerbare - und in dieser Hinsicht homogene - "Gesellschaftswelt" bevor (1993: 105-107).

Daß das internationale System seinen technischen anarchischen Charakter trotz der Zunahme z.B. transnationaler Verknüpfungen bislang behalten hat, liegt an der konservativen Tendenz selbstorganisierender Systeme. Weil diese sich erst aus regelmäßigen Interaktionen ihrer (zunächst unterstellten) Komponenten konstituieren, sind sie (bzw. ist die Systemorganisation) relativ resistent gegen Verhaltensänderungen weniger Komponenten. Auf dieser logischen Grundlage kann man dann tatsächlich, wie Waltz (1979: 73-78) das - allerdings ohne eine entsprechende Absicherung - tut, von der Autonomisierung der Organisation gegenüber Einzelkomponenten sprechen.

Des weiteren läßt sich etwa die Dynamik von Krisen und Kriegen recht anschaulich mittels des Chaos-Vokabulars erklären - oder zunächst zumindest: erklärend reformulieren. Zuerst ist dabei festzuhalten, daß chaotische Fluktuationen in vier prozessualen Schritten ablaufen (zum Folgenden vgl. Brecher/Yehuda 1985; Bühl 1990: 127f.): Oszillationen, die ihre Normamplituden überschreiten und - auf ihrer Systemebene zunächst - zu irreversiblen Desynchronisationen führen, gefolgt von Dissipationen, d.h. der ausufernden Zerstreuung von Systemkomponenten und -inhalten (z.B. vereinzelte Übergiffe gegen Angehörige ethno-nationaler out-groups, Grenzgefechte u.ä.). Dann kommt es zur Keimbildung, einer kritischen Furkation, ab der sich die Dissipation nicht fortsetzt, sondern es zu Aggregationsphänomenen kommt oder zumindest die weitere Prozeßdynamik irgendwie 'getaktet' wird. Je nach Höhe dieses Schwellenwerts schreitet die Systementwicklung dann entweder auf dem Weg der Diffusion oder der Resonanz fort. Zur Diffusion kommt es bei niedrigen Schwellenwerten, so daß die Prozeßdynamik (hier also z.B. die Eskalation von Konflikten) relativ unbehindert auf andere Systemkomponenten oder -ebenen übergreifen bzw. sich intensivieren kann - so wie eine Epidemie (z.B. hin zu soziopolitischer Desintegration und der Imergenz nahezu eines ganzen Staatswesens wie im Fall Ex-Jugoslawiens oder hin zu regelrechten Genoziden wie in Ruanda). Resonanz ist immer dann zu erwarten, wenn die Schwellenwerte so hoch liegen, daß die Prozeßdynamik zunächst auf ihrem derzeitigen Niveau verharren muß, um auf die (mehr oder minder 'zufällige') Ausprägung amplifizierender (unterstützender)

Prozeßverzweigungen zu warten - das bekannte synergetische Prinzip der 'Versklavung'. Erst dann wird sozusagen ein Überspringen des Dynamikfunkens auf die nächsthöhere Ebene oder parallele Systeme möglich (derart ließe sich z.B. ein zusammenfassender Erklärungsversuch der nach dem relativ raschen Fortfall des weltpolitischen Overlay der Bipolarisierung spontan einsetzende globale Trend zu regionalen, vor allem ethno-nationalen Konfliktformationen ansetzen).

Gerade derartige Phasenübergänge sind politologisch interessant. Methodisch hat ein auf chaostheoretischen Überlegungen aufbauendes Verständnis der Dynamik internationaler Konflikte bis hin zum Krieg daher technisch gesprochen immer bei auffälligen Oszillationen anzusetzen, die wiederholt bestimmte Normwerte überschreiten. Diesem Bedarf entspricht gut die neue Frühwarnungs-Forschung, die sich bemüht, im Sinn von Krisen-Eskalations-Indikatoren derartige Werte festzulegen und Kriterien für ihre reliable Erfassung zu entwickeln (z.B. Lund 1994; Rupesinghe, Hg. 1994; Saperstein 1994).

Die Relevanz von Schwellenwerten bzw. Phasenübergängen legt zudem nahe, daß politische Einflußnahme in solchen Fällen letztlich immer nur auf dem Weg einer "paradoxen Intervention" (Dazu: Willke 1994: 125-134) sinnvoll sein wird, welche sich auf die Spielregeln des Systems, in das interveniert wird, einläßt, anstatt ihm eine bestimmte Zieldynamik (z.B. 'Zivilisierung') oder einen bestimmten Zielzustand (z.B. 'Gesellschaftswelt') vorschreiben zu wollen. Paradox sind derartige Interventionen, insofern sie sich gerade Teilen der zu ändernden Systemdynamik zunächst unterordnen müssen, um am Ende erfolgreich zu sein.

8. Ausblick

Wenn man analytisch unterstellt, daß die Entwicklungsdynamik der internationalen Beziehungen zum guten Teil chaotischen Charakter hat, so kann das auch helfen, unsere Disziplin vor unangemessenen Ansprüchen auf 'Wissenschaftlichkeit', 'Genauigkeit' oder 'echte' Erklärungen zu schützen. Denn was das Chaos zuläßt, sind allgemeine Aussagen über den Eintritt in turbulente Entwicklungsphasen (bzw. den Wiederaustritt aus ihnen), nicht aber Prognosen in bezug auf punktuelle Ereignisse oder spontane Umbrüche in der weltpolitischen Tektonik. In diesem Sinn können (und sollen) wissenschaftliche Aussagen zu chaotischen Prozessen zwar seismographische Validität aufweisen, nicht aber temporale oder inzidentelle Reliabilität.

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[...]


1 Zu den wenigen Ausnahmen zählen: Brecher/Yehuda 1985; Geeraerts (1994); Mesjasz (1988); Saperstein (1994).

2 Neben Rosenau (1990) vertreten eine postinternationalistische Position v.a. McGrew, Lewis u.a. (1992) und North (1990).

3 So ja klassisch Waltz (1954).

4 Für Einführungszwecke sind vor allem geeignet: Willke (1993), (1994), (1995).

5 Zur älteren Systemtheorie internationaler Beziehungen s. die Überblicke bei: Little (1978); Simonis (1973); Weltman (1973). Kaplan (1957) etwa ging von der analytischen Annahme eines statischen internationalen Systems aus, das sich seiner Organisation oder seinen Komponenten nach nie verändern, sondern nur den einen oder anderen Gleichgewichtszustand einnehmen kann. Ihn interessierte nur die Ausformung des Systemzustands zu einem bestimmten Zeitpunkt und nicht die historischen Prozesse, die zur Ausformung eben dieses Zustands geführt haben. Systemwandel gab es für ihn nicht - lediglich einen Wechsel zwischen sechs vordefinierten Gleichgewichten (z.B. Machtgleichgewichts-System, bipolares System u.a.). Rosecrance (1963) ließ sich immerhin schon von der Einsicht leiten, daß internationale Prozesse meist zu diffus seien, um unmittelbare Rückschlüsse auf Strukturkomponenten oder Gesetzmäßigkeiten des internationalen Systems insgesamt zuzulassen. Im Gegensatz zu Kaplan ging er weiterhin davon aus, daß es nicht 'das' internationale System gibt, sondern nur konstellationsbezogene internationale Handlungssysteme. Einen der ersten Anstöße zur Dynamisierung der Systemtheorie im Fach internationale Politik hat McClelland (1969) geliefert. Sein Interesse galt nicht nur mehr weltpolitischen Strukturmustern, sondern gerade den Veränderungsprozessen derartiger Muster. In diesem Zusammenhang hielt er sowohl die Außenpolitik- als auch die konstellationsbezogene internationale Systemanalyse für unzureichend und plädierte für eine System-Interaktionsanalyse.

Fin de l'extrait de 46 pages

Résumé des informations

Titre
Chaos in der internatinoalen Politik
Université
Humboldt-University of Berlin
Auteur
Année
2000
Pages
46
N° de catalogue
V106826
ISBN (ebook)
9783640051014
Taille d'un fichier
464 KB
Langue
allemand
Annotations
Überlegungen zur Anwendbarkeit der (thermodynamischen) Systemtheorie bzw. Chaostheorie auf die internationale Politik nach dem Kalten Krieg.
Mots clés
Chaos, Politik
Citation du texte
Alexander Siedschlag (Auteur), 2000, Chaos in der internatinoalen Politik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106826

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