Deutsche und US-amerikanische internationale Finanzmarktpolitik


Mémoire de Maîtrise, 2001

85 Pages, Note: 2,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ein Überblick über die internationalen Finanzmärkte

3 Die Krisenanfälligkeit der internationalen Finanzmärkte

4 Die Regimetheorie
4.1 Defizite der Regimetheorie
4.2 Die Regime der internationalen Wirtschaftsordnung

5 Die Vorschläge zur Reform der internationalen Finanzarchitektur
5.1 Umfassende wissenschaftliche Reformkonzepte
5.2 Die Vorschläge der Staatengemeinschaft
5.3 Die Vorschläge von Institutionen und Regimen
5.4 Kritik einzelner Vorschläge

6 US-amerikanische und deutsche Vorschläge zur internationalen Finanzmarktregulierung
6.1 Die US-amerikanischen Vorschläge
6.1.1 Das amerikanisches Finanzministerium
6.1.2 Die amerikanische Zentralbank
6.1.3 Der Meltzer Report
6.1.4 Die Antwort des amerikanischen Finanzministeriums auf den Meltzer Report
6.2 Die deutschen Vorschläge
6.2.1 Die Bundesregierung
6.2.2 Deutsche Bundesbank
6.2.3 Der Vorschlag von Oskar Lafontaine
6.3 Die Nichtregierungsorganisationen (NGO)
6.4 Übersicht über die Reformvorschläge

7 Reformhindernisse

8 Die umgesetzten Maßnahmen zur besseren Regulierung der internationalen Finanzarchitektur (IFA)

9 Zusammenfassung

10 Abkürzungsverzeichnis

11 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Frage nach den deutschen und US-amerikanischen Konzepten zur internationalen Finanzmarktpolitik steht im Mittelpunkt der Arbeit. Dabei werden diese Konzepte vorgestellt und schematisiert. Allerdings werden sie eingebettet als eine Folge von wirtschaftlichen und politischen Ereignissen dargestellt und nicht losgelöst aus ihrem globalen Zusammenhang. Aus diesem Grund werden im Laufe der Arbeit folgende Fragen beantwortet: Worin liegt der Grund eine Regulierung der Finanzmärkte anzustreben? Welche Vorschläge beinhalten die Konzepte zur Regulierung der internationalen Finanzarchitektur (IFA) von den USA und Deutschland. Welche schematische Einordnung der Vorschläge ist sinnvoll? Welche gesellschaftlichen Akteure sind von den Regelungen betroffen und versuchen sie Einfluss auf die Konzepte zu nehmen? Welche Regulierungsmaßnahmen wurden bisher umgesetzt, und welche sind in den kommenden Jahren zu erwarten?

Die für die Arbeit verwendeten Quellen gliedern sich wie folgt: Publikationen der involvierten Akteure, die politikwissenschaftliche Fachdebatte, Tageszeitungen und andere Quellen.

Am Anfang der Arbeit steht die Frage, welches der Grund für die USA und Deutschland war, politische Konzepte zu den internationalen Finanzmärkten zu entwickeln. Daher gibt die Arbeit zu Beginn eine Einführung in die internationalen Finanzmärkte und die Regulierungsinstanzen. Weiterhin werden die Akteure, Segmente und die gehandelten Instrumente der Finanzmärkte vorgestellt. Die Globalisierung der internationalen Finanzmärkte wird thematisiert und empirisch belegt. Es wird die Frage nach den Gründen für das Wachstum der Finanzmärkte gestellt, sowie auf ihre Merkmale und Probleme eingegangen. Zum Schluss werden die Argumente der Globalisierungsskeptiker vorgestellt.

Der Grund, weshalb es zu einer verstärkten Beschäftigung mit der Frage nach einer Regulierung der Finanzmärkte gekommen ist, liegt in der erhöhten Anfälligkeit der Märkte für Krisen und den damit einhergehenden volkswirtschaftlichen Nachteilen, wie z.B. Arbeitslosigkeit und Unternehmenszusammenbrüche. Deshalb werden die Krisen sowie deren Folgen dargestellt. Es wird ein Überblick über den Ablauf von Finanzkrisen und speziell über die Ursachen der Asienkrise als eine der Krisen mit den weitreichendsten Folgen gegeben. Aufgrund der Auswirkungen der Krisen, speziell nach der Asienkrise, kam es zu einer sehr intensiven Diskussion zur Reform der IFA auf politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene. Allerdings beinhalteten die Vorschläge Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Regulierungsbedarfs.

Der theoretische Teil der Arbeit behandelt die Regimetheorie, da die internationale Finanzarchitektur (IFA) hauptsächlich von Regimen gebildet wird. Weiterhin lassen die bisherigen Erfahrungen mit Regimen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer Reform der IFA sowie eine Interpretation der bisherigen Ereignisse zu. Deshalb wird die Regimetheorie in ihrer Entstehung, ihren Inhalten und verschiedenen Ansätzen, aber auch Defiziten beschrieben. Es werden die Regime der internationalen Wirtschaftsordnung mit ihren Grundsätzen, Prinzipien, Normen und Regeln dargestellt. Jedoch werden auch Mängel dieser Regime aufgeführt, da diese auf einen, zu deckenden, Regulierungsbedarf hinweisen.

Um einen Überblick über die komplette Debatte zu geben und eine Einordnung der US-amerikanischen und deutschen Vorschläge zu ermöglichen, werden die Vorstellungen der involvierten Parteien vorgestellt. Diese umfassen Wissenschaftler, Institutionen wie den internationalen Währungsfond (IWF) und die Weltbank sowie die nationalen Parlamenten, Ministerien, Zentralbanken und Nichtregierungsorganisationen.

Um die Vorschläge einzuordnen, werden verschiedene Schemata vorgestellt. Allerdings existiert eine kaum zu überblickende Debatte aller involvierten Akteure über Möglichkeiten zur Regulierung der IFA.

Ein wichtiger Punkt für eine Umsetzung von Vorschlägen zur Finanzmarktregulierung sind die Beschlüsse auf multilateraler Ebene in internationalen Konferenzen.

Deshalb ist es sinnvoll, sich mit den deutschen und US-amerikanischen Vorschlägen, als zwei der wirtschaftlich sowie politisch stärksten Industrieländer zu beschäftigen. Diese beinhalteten die Konzepte der Parlamente, der Regierung, dem Finanzministerium, den Zentralbanken und von Nichtregierungsorganisationen.

Bei der Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen umfassenden Reform stellt sich die Frage, ob gesellschaftliche Akteure ein Interesse an der Behinderung einer Reform der IFA haben und mit welchen Mitteln sie ihren Einfluss geltend machen.

Um die Praxisrelevanz der US-amerikanischen und deutschen Vorschläge zu beurteilen, ist es notwendig zu sehen, welche der bisherigen Vorschläge in die Regulierungspraxis umgesetzt wurden. Abschließend werden die in den kommenden Jahren zu erwartenden Regulierungsmaßnahmen untersucht.

Zusammenfassend zu den Erkenntnissen der Arbeit lässt sich sagen, die Konzepte der USA und Deutschland sind vorrangig pragmatischer Natur. Die Vorschläge der USA tendieren dabei eher in eine liberale und marktorientierte Richtung. Ausgenommen von dieser Einschätzung bleibt der deutsche Vorschlag des damaligen Finanzministers Oskar Lafontaine. Dieser ist als dirigistisch einzuordnen, da er auf eine Zielzone zwischen den drei Weltwährungen hinauslief.

Es gibt sinnvolle Schemata um die Konzepte einzuordnen. Diese beinhalten die Unterscheidung in Vorbeugung und Management von Finanzkrisen, die Zuordnung zu vier unterschiedlichen Ansätzen (marktliberal, pragmatisch, “global governance“ und dirigistisch) sowie die Einordnung der ökonomischen Ebene (mikroökonomisch und makroökonomisch).

Eine Regulierung der IFA ist gegen die Interessen der Wall Street, da die Unternehmen in einem liberalisierten Finanzsystem ihre Gewinne steigern können. So versucht die Wall Street die Konzepte in Richtung marktliberaler Renovierungsmaßnahmen zu beeinflussen. Es gibt außerdem eine enge Verquickung zwischen dem US-Finanzsektor und der US-Regierung.

Die bisher umgesetzten Maßnahmen sind als sehr moderate Renovierungsarbeiten zu bezeichnen. Es kann noch nicht von einer umfassenden Regulierung gesprochen werden. Eine zukünftige umfassende Regulierung hängt vom Zusammenspiel erneuter Krisen und deren Auswirkungen, dem Willen der beteiligten Politiker und Institutionen sowie der Fähigkeit der Wall Street ihre Interessen durchzusetzen, ab. Aufgrund der divergierenden Ansichten zum Regulierungsbedarf und der bisherigen Erfahrung mit weitreichenden Vorschlägen ist eine umfassende Regulierung eher unwahrscheinlich.

2 Ein Überblick über die internationalen Finanzmärkte

Um die Frage zu klären, weshalb die USA und Deutschland begonnen haben politische Konzepte zu den internationalen Finanzmärkten zu entwickeln, ist es notwendig, sich mit der Globalisierung der Finanzmärkte und deren Institutionen zu beschäftigen.Der Grund einer Regulierung der internationalen Finanzarchitektur wird in der Dynamisierung und „Entgrenzung“, des Abkoppelns der internationalen Finanzmärkte von der Realwirtschaft, und den damit verbundenen Instabilitäten gesehen. Es findet eine Globalisierung der internationalen Finanzmärkte statt, die sich empirisch belegen lässt.

Die IFA ist ein „Sammelbegriff, der die Institutionen und Regelwerke bezeichnet, welche der Regulierung und Stabilisierung der internationalen Finanz- und Währungsbeziehungen dienen.“[1]

Es gibt verschiedene internationale Institutionen und Regime, welche für die existierenden Regelungen zur Aufsicht und Überwachung der internationalen Finanzarchitektur verantwortlich sind. Die internationalen Finanzinstitutionen (IFIs) tragen dabei unterschiedlich zur Stärkung des globalen Finanzsystems bei.

Der internationale Währungsfond (IWF) ist im Rahmen des IWF-Übereinkommens für die Überwachung aller Mitgliedsstaaten verantwortlich und beobachtet die Entwicklungen in der Weltwirtschaft und an den Weltfinanzmärkten.

Die internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) nutzt im Rahmen ihrer Aufgaben ihr Wissen, um Ländern bei der Planung und Implementierung von Reformen zur Stärkung von Finanzsystemen, einschließlich Banken, Kapitalmärkten und Marktinfrastrukturen zu unterstützen.

Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) bietet zudem verschiedenen, mit der Stärkung des globalen Finanzsystems befassten Gremien analytische, statistische und administrative Unterstützung.

Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beteiligt sich am Verfahren der makroökonomischen Überwachung und Finanzmarktaufsicht und formuliert Richtlinien zur Evaluierung und Verbesserung der Grundlagen der Unternehmensführung.

Die Zusammenarbeit und Koordinierung der Aufsichtspraktiken geschieht durch verschiedene sektorspezifische internationale Gruppierungen von Regulierungs- und Aufsichtsinstanzen:

- dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht als wichtiges Gremium zur Aufstellung von Regelungen auf dem Gebiet der Bankenaufsicht
- der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufseher (IOSCO), die gegenseitige Unterstützung zur Förderung der Integrität von Wertpapier- und Terminmärkten weltweit bietet
- der Internationalen Versicherungsaufsicht (IAIS), die mit Aufsichtsgremien bei der Förderung hoher Standards auf dem Gebiet der Versicherungsaufsicht zusammenarbeitet.

Weiterhin existieren Gremien von Zentralbankexperten, die sich mit der Infrastruktur und Funktionsweise der Märkte befassen:

- der Ausschuss für Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme, der Zahlungsverkehrssysteme analysiert und Empfehlungen zur Risikoreduzierung auf diesem Gebiet ausspricht
- der Ausschuss für das Globale Finanzsystem (vormals der ständige Ausschuss für den Eurogeldmarkt), der die Lage des globalen Finanzsystems analysiert und Empfehlungen zur Verbesserung der Funktionsweise der Märkte ausspricht.[2]

Als Marktteilnehmer werden die folgende Akteure bezeichnet.

Die Zentralbank besitzt als oberste Währungsbehörde die monetären Hoheitsrechte und ist in der Regel für einen stabilen Geldwert nach innen und außen verantwortlich.

Als Finanzintermediäre werden Unternehmen bezeichnet, welche sich auf den Kauf und Verkauf von Vermögenswerten spezialisiert haben. Dazu zählen Kapitalanlagegesellschaften (Pensionsfonds, Investmentfonds, Hedge Fonds), welche mittlerweile zu den bedeutendsten Akteuren auf den internationalen Devisenmärkten zählen. Weitere Intermediäre sind: Universalbanken (Geschäftsbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken), Realkreditinstitute und Teilzahlungsbanken, Bausparkassen, Versicherungen sowie Factoring- und Leasinggesellschaften.

Zu den Nichtbanken gehören alle Wirtschaftssubjekte, die weder Zentralbank noch Finanzintermediär sind. Diese umfassen die privaten Haushalte, die meisten privaten und öffentlichen Unternehmen und den Staat. Die Nichtbanken als Anbieter am Kapitalmarkt sind in der Regel große Unternehmen, die Nachfrager auf dem Markt für Bankkredite hingegen kleine und mittlere Unternehmen und private Haushalte.[3]

Nach ihrer Funktion werden drei Marktteilnehmer unterschieden: Hedger, Investoren und Arbitrageure. Als Hedger werden die Marktteilnehmer bezeichnet, welche sich gegen bestimmte Risiken absichern wollen. Dabei werden Risiken, die aus offenen Finanzpositionen stammen, durch Gegengeschäfte abgesichert. Die Investoren sind Kapitalanbieter und suchen geeignete Anlagemöglichkeiten im Rahmen ihrer Rendite-Risikovorstellung. Besonders den institutionellen Investoren wie Pensionskassen, Investmentfonds, Finanzholdinggesellschaften und Versicherungen wird in Zukunft ein steigender Einfluss auf die Devisen-, Anleihe- und Aktienmärkte nachgesagt . Arbitrageure hingegen sind Marktteilnehmer, welche Preisunterschiede auf verschiedenen Märkten ausnutzen, um risikolos Gewinn zu erzielen.[4]

Die Finanzmärkte unterteilen sich in folgende Segmente: den Geldmarkt, den Kapitalmarkt, den Markt für Bankkredite und den Devisenmarkt sowie Märkte für derivate Finanzinstrumente. Auf dem Geldmarkt agieren fast ausschließlich Geschäftsbanken und die Zentralbank. Dort werden Geldmarktpapiere und Geldmarktkredite gehandelt. Auf dem Kapitalmarkt werden Anleihen und Beteiligungen gehandelt. Auf dem Markt für Bankkredite sind die Geschäftsbanken Anbieter und Nachfrager, die Nichtbanken nur Nachfrager. Auf dem Devisenmarkt werden Forderungen und Verbindlichkeiten in ausländischer Währung gehandelt. Für jede „harte“ Währung existiert ein Devisenmarkt. Auf den Märkten für derivate Finanzinstrumente werden Financial Futures, Optionen und Swap-Geschäfte getätigt. Derivate werden teils an der Börse und teils over-the-counter (OTC) gehandelt.[5] Als ein Beispiel für den Kapitalmarkt zeigt die folgende Graphik die Entwicklung der Aktienindizes von den USA, Deutschland und Japan.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung von DAX, Dow Jones und Nikkei Index[6]

Manuel Castells spricht den Finanzmärkten eine dominierende Rolle in der heutigen kapitalistischen Weltordnung zu. Laut Castells leben wir in einer Netzwerk-Gesellschaft. Das zentrale Kennzeichen dieser Gesellschaft besteht in der Organisation aller wichtigen Funktionen und Prozesse durch Netzwerke:

„as a historical trend, dominant functions and processes in the information age are increasingly organized around networks. Networks constitute the new social morphology of our societies, and the diffusion of networking logic substantially modifies the operation and outcomes in processes of production, experience, power, and culture.“[7]

Die Anwesenheit oder Abwesenheit im Netzwerk sowie die Dynamik jedes Netzwerkes im Vergleich zu anderen Netzwerken sind der Grund für die Vorherrschaft in der Gesellschaft. Castells sieht einen neuen Kapitalismus, der durch zwei charakteristische Merkmale gekennzeichnet ist. Dieser ist global und zum größten Teil um ein Netzwerk von Finanzströmen angeordnet. Kapital agiert zeitgleich als eine Einheit auf globaler Ebene. Er sieht globale Finanzmärkte, deren Ziel, gestützt auf Informationsnetzwerke, die Akkumulierung von Kapital ist. Von diesen Netzwerken wird Kapital in die verschiedensten Wirtschaftssektoren investiert und bestimmt damit das Schicksal von Währungen und regionalen Wirtschaften.[8]

Die Sichtweise von Castells wird ergänzt durch Susan Strange, welche die Rolle der Finanzmärkte vorwiegend kritisch betrachtet. Sie sieht die internationalen Finanzmärkte weit außerhalb der Kontrolle von Staaten und internationalen Institutionen. Dabei kennzeichnet sie das Verhalten der Finanzmärkte als sprunghaft, unvorhersehbar, zu einem irrationalen Verhalten neigend, welches andere schädigen kann. Da dies die Merkmale eines Verrückten sind, führte sie auch den Begriff „mad money“ ein. Die Krisen der Finanzmärkte kämen unvorhersehbar, überraschend und seien sehr schädlich. Deshalb sieht sie die Notwendigkeit, diesen Zustand schnellstens zu ändern.[9]

George Soros, der als einer der erfolgreichsten Spekulanten gilt, versucht die oft irrationalen Bewegungen der internationalen Finanzmärkte mit dem Prinzip der Reflexivität zu erklären. Die Teilnehmer an den Finanzmärkten bringen Vorurteile in ihren Entscheidungsprozeß ein. Jeder Marktteilnehmer hat die Aufgabe, einem künftigen Ereignisverlauf (welcher aus Marktpreisen besteht) einen gegenwärtigen Wert beizumessen, wobei dieser Verlauf abhängig ist von den jeweiligen Werten, welche alle Marktteilnehmer ihm gemeinsam zuschreiben. Somit gibt es keine vom Denken der Beteiligten unabhängige Realität. Sie ist mit ihren Reflexionen eng verbunden. Die Vorurteile der Beteiligten wirken sich auf den tatsächlichen Ereignisverlauf unmittelbar aus. Der Ereignisverlauf wiederum werde sich von den Erwartungen der Beteiligten unterscheiden. Hierin sieht Soros den Schlüssel zum Verständnis der Finanzmärkte.[10]

Unter der Globalisierung der Finanzmärkte werden im allgemeinen zwei Trends verstanden. Zum einen werden die Grenzen für Kapital durchlässiger und somit verlieren einzelne Märkte ihre regionale Bedeutung. Zum anderen verlieren Finanzmärkte auch ihre abgegrenzte funktionale Bedeutung. Bisher separate Segmente rücken enger aneinander, so dass die Unterteilung der Finanzmärkte in Geld-, Kapital- und Kreditmärkte immer mehr verschwindet. Allerdings ist die Globalisierung der Finanzmärkte als Prozess zu sehen, da immer mehr Entwicklungsländer leistungsfähige Kapitalmärkte errichten und einen steigenden Teil der internationalen Kapitalbewegungen auf sich lenken.[11]

Susanne Lütz spricht von fundamentalen Strukturveränderungen auf den internationalen Finanzmärkten. Sie kennzeichnet vor allem drei Strukturmerkmale der Globalisierung im Finanzsektor. Erstens die Anonymisierung der Marktbeziehungen, welche sich aus der mit entgrenzten Märkten wachsenden Zahl von Marktteilnehmern ergibt. Weiterhin wird ein zunehmend kurzfristiger, lockerer und anonymer Charakter von Finanzbeziehungen gesehen. Zweitens sieht sie eine wachsende Komplexität von Risiken. Vor allem Finanzinnovationen, wie Derivate, werden für den Anstieg der Risiken verantwortlich gemacht. Drittens wird ein zunehmend spekulativer Charakter der globalen Kapitalflüsse gesehen. Der Anteil des privaten Kapitals ist in den 90iger Jahren erheblich angewachsen. Allerdings liegt das Ziel dieser Anlagetätigkeit in einer Mischung von Vermögenswerten, deren Rendite möglichst hoch ist. Durch ihre Anlagestrategie tragen institutionelle Investoren somit zum kurzfristigen und teils spekulativen Charakter der weltweiten Kapitalströme bei.[12]

Die Globalisierung der internationalen Finanzmärkte hat auch zu Einflüssen auf die Nationalstaaten geführt. James Carewill, ein politischer Berater Bill Clintons (der damalige US-Präsident) hat in diesem Zusammenhang folgendes Zitat geprägt:

Früher dachte ich, wenn es wirklich so etwas wie Wiedergeburt geben sollte, würde ich gern als Präsident, als Papst oder als Baseball-Star wiedergeboren werden. Jetzt allerdings würde ich lieber in Gestalt des Anleihemarktes in diese Welt zurückkehren, und jeder hätte größten Respekt vor mir.“[13]

Als eine der wichtigsten Folgen der gegenseitigen Durchdringung nationaler und internationaler Finanzmärkte wird die Bestimmung der nationalen Zinssätze von globalen Faktoren gesehen. Auf lange Sicht wird eine Angleichung der Zinssätze in den entwickelten Ländern erwartet. Bei Entwicklungsländern zeigt sich der Einfluss der globalen Finanzmärkte ebenfalls durch Restriktionen bei der Kreditgewährung.

Auch bezogen auf die Wahl des Währungsregimes ergeben sich Konsequenzen für die Nationalstaaten. Die Länder haben die Wahl zwischen einem festen Wechselkurs oder einer eigenständigen Geldpolitik. Da die Aufrechterhaltung eines festen Wechselkurses aufgrund von möglichen Spekulationsattacken zu kostspielig wäre, bleibt den Ländern nur die Option zwischen frei floatenden Wechselkursen und einer Währungsunion. Weiterhin wird die Fähigkeit der Regierungen eingeschränkt, bei einem floatenden Wechselkurs eine eigenständige Geldpolitik zu betreiben. Durch die neuen Finanzinstrumentarien und die weltweiten Kapitalströme sind die Regierungen in ihrer Rolle bei der Kontrolle der Geldmenge und der Inflationsrate stark eingeschränkt.[14]

Als empirische Belege für die Globalisierung der Finanzmärkte werden verschiedene Daten angeführt. Seit dem Zweiten Weltkrieg verzeichnen die internationalen Kapitalmärkte und die ausländischen Direktinvestitionen ein rapides Wachstum. Dabei stiegen die Finanztransaktionen ebenso wie die ausländischen Direktinvestitionen, mit Ausnahme der ersten Hälfte der achtziger Jahre, schneller als die Nominaleinkommen. Gleichzeitig weitete sich der Finanzsektor konstant schneller aus als der Handel.[15]

Das internationale Kreditvolumen belief sich zu Beginn der neunziger Jahre auf sechs Billiarden Dollar. Der tägliche Umsatz an den Devisenbörsen beträgt heute eine Billiarde Dollar. Damit liegt er gegenwärtig um das Fünfzigfache über dem Wert des Weltexports, der 1979 noch das Zwanzigfache ausmachte.[16] Eine Internationalisierung der Aktien- und Anleihetransaktionen hat stattgefunden.

Bezogen auf die Entwicklungsländer lässt sich ein starker Anstieg der Direktinvestitionen feststellen. Ende der 80iger Jahre floss kaum privates Kapital in die Schwellenländer. Im Jahre 2000 dürfte der Zufluss privaten Kapitals, also Kredite, Anleihen, Aktienkäufe und Direktinvestitionen bei 200 Milliarden DM liegen.[17]

Die USA dominieren den Finanzsektor, was durch die Marktkapitalisierung der Aktien deutlich wird. Alle im Dow-Jones-Aktienindex enthaltenen Aktien haben eine Marktkapitalisierung von 3700 Milliarden Dollar. Die Marktkapitalisierung des EuroStoxx 50-Aktienindex dagegen beträgt 2200 Milliarden Dollar während sich der Deutsche Aktienindex (DAX) mit 700 Milliarden Dollar begnügt. Die gemeinsame Marktkapitalisierung der New York Stock Exchange und der Technologiebörse Nasdaq betrug Ende 2000 mehr als 20 Billionen Dollar. Tokio kommt auf 3,2 Billionen Dollar und London auf 2,5 Billionen Dollar.[18]

Es gibt verschiedene Gründe für das Wachstum der internationalen Finanzmärkte. Der Übergang zu einem System flexibler Wechselkurse nach dem Zusammenbruch des Bretton Woods System der festen Wechselkurse war eine Ursache, welcher die größte Bedeutung bei der Herausbildung der heutigen globalisierten Finanzmärkte zugesprochen wird. Danach folgte die Liberalisierung der Kapitalmärkte durch nationale Regierungen, die eine politisch motivierte Deregulierungsmaßnahme war. Als weitere Gründe werden angeführt, Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnik, die Professionalisierung des Anlageverhaltens, da die Portfoliomanager institutioneller Investoren häufig eine Strategie kurzfristiger Renditemaximierung verfolgen, der Höhenflug des Ölpreises und die daraus folgende Verschuldung der dritten Welt, das unerwartete Auftreten von riesigen, mobilen Geldern der OPEC-Staaten, die internationale Rezession und das Anwachsen der Staatsverschuldung sowie die strukturellen Zahlungsbilanzungleichgewichte einer Reihe wichtiger Länder.[19]

Die Ökonomen gehen von einer durchweg positiven Funktion der Finanzmärkte aus.

Finanzmärkte haben die Funktion, Ersparnisse in Investitionen zu verwandeln, und bewirken , sofern sie von nationalen Kapitalverkehrsbeschränkungen befreit sind, die effiziente Allokation von Kapital in der Welt. Sie ermöglichen, dass Anlagekapital dorthin fließt, wo es die höchste Rendite erzielt oder die beste Risikostreuung in Bezug auf anderswo getätigte Anlagen erreicht.[20]

Allerdings wird diese Definition den Problemen, welche im Zusammenhang mit der internationalen Finanzarchitektur auftreten nicht gerecht. Frenkel und Meinhoff werfen mit dem Konzept der „impossible trinity“ einige grundsätzliche Probleme der Regulierung der internationalen Finanzarchitektur auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Weltfinanzordnung aufgrund von Zielpräferenzen[21]

Bei der Weltfinanzordnung in der „impossible trinity“ bestehen die Ziele in globalen Finanzmärkten, stabilen Finanzmärkten sowie nationaler Autonomie. Allerdings gilt es als unmöglich alle drei Ziele zu erreichen, da sich z. B. globale Finanzmärkte und nationale Autonomie nicht gleichzeitig verwirklichen lassen. Wenn man davon ausgeht, dass sich immer nur zwei Ziele gemeinsam verwirklichen lassen, dann ergeben sich laut Abbildung drei verschiedene Weltfinanzordnungen.[22]

Eine eher marktliberale Sichtweise zeigt sich auch in der Konzeption der effizienten Märkte sowie der damit verbundenen Theorie rationaler Erwartungen. An den Finanzmärkten sind alle Preise, Kurse und Renditen vollständig flexibel. Die Marktteilnehmer verarbeiten alle relevanten Informationen so, dass die Finanzmarktpreise die realen Verhältnisse der Wirtschaft widerspiegeln. Daraus folgt, dass eine Politik der Deregulierung und der Beseitigung von Marktbeschränkungen zu einem für alle Marktteilnehmer positivem Ergebnis führt. Kommt es zu Fehlentwicklungen, so ist dies ausschließlich auf die fehlende Flexibilität der Preisbildung zurückzuführen. Diese Sichtweise gab zu einer Deregulierungswelle Anlass, die in den USA ihren Anfang nahm.[23]

Allerdings gibt es auch eine Sicht, welche die Anfälligkeit der Finanzmärkte betont. Dabei wird auf die Eigendynamik der Finanzmärkte verwiesen, auf das Abkoppeln des finanzwirtschaftlichen Bereichs von der Realwirtschaft und auf Preisentwicklungen, die auf Grundlage akzeptierter ökonomischer Theorien nicht zu erklären sind. Diese Eigendynamiken zeigen sich in der Anfälligkeit der Finanzmärkte für spekulative Übertreibungen. Die Ergebnisse neuerer Forschung lauten: Finanzmärkte sind nur in Ausnahmefällen informationseffizient. Es werden zwei Phasen gesehen: in einer neigen sie zu übertriebenen Preisreaktionen (starken Kursschwankungen), in einer anderen nehmen sie allgemein zugängliche und preisrelevante Informationen nicht wahr (trotz positiver Fundamentalfaktoren erfolgt keine Aufwertung z. B. einer Währung). Somit ist der Grund der Deregulierung der Finanzmärkte, das Vertrauen auf stets richtige Preissignale bei freier Preisbildung, widerlegt.[24]

Es werden zunehmend Probleme an den internationalen Finanzmärkten gesehen, welche die Instabilitäten auf den Finanzmärkten erhöhen. Als Beispiele dafür werden angeführt: die Ausdünnung der Bankenaufsicht, die zunehmende Spekulation mit Vermögenswerten, die Ausdünnung der Risikokontrolle, die steigende Menge der anlagesuchenden Mittel, eine erhöhte Volatilität und die zunehmende Bedeutung von Finanzderivaten.[25]

Globalisierungsskeptiker verweisen darauf, dass sich das Gewicht der nationalen Kapitalmärkte nicht verringert hat, da der Umfang der Investitionen weiterhin von der nationalen Sparquote abhängt. Dieses Argument zeigt allerdings Schwächen, weil sich die Korrelationsraten zwischen Sparquoten und Investitionen bei bestimmten Ländern in den achtziger Jahren verringert haben. Zum anderen können sich hohe Korrelationen auch bei vollständiger Kapitalmobilität dann ergeben, wenn Sparen als auch Investitionen von identischen Faktoren bestimmt werden oder die Regierungen das Sparverhalten beeinflussen.[26] Allerdings gibt es Argumente, die einer vollständigen Globalisierung der internationalen Finanzmärkte widersprechen. Eine wirklich globale Strategie zeichnet sich am ehesten bei den ausländischen Direktinvestitionen ab. Kapital ist noch immer überraschend wenig mobil. Die geringen Leistungsbilanzsalden weisen auf eine niedrigere Kapitalmobilität hin als suggeriert wird. Weiterhin deutet die hohe Korrelation zwischen der nationalen Spartätigkeit und der nationalen Investitionstätigkeit auf einen ausgeprägten „Heimat-Bias“ der Kapitalanleger hin. Ein anderes Argument verweist darauf, dass sich der grenzüberschreitende Kapitalverkehr hauptsächlich zwischen den Industrieländern abspielt. Diese haben im Zeitraum 1991-1997 mehr als vier Fünftel des weltweiten Stroms von ausländischen Direktinvestitionen, Portfolio-Investitionen und sonstigem Kapital absorbiert.[27] Auch Aloys Prinz und Hanno Beck schlussfolgern, dass sich das „Gespenst Globalisierung“ anhand der Felder Welthandel, Kapitalmobilität und Arbeitsmobilität empirisch nicht nachweisen lasse.[28]

Außerdem wird auf umfangreiche internationale Kapitalbewegungen schon vor dem ersten Weltkrieg verwiesen. So lagen die Netto-Kapitalabflüsse in den Jahrzehnten vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung deutlich über den Werten der Neunzigerjahre. Jedoch kann man nur bei einigen wenigen Segmenten von weltumspannenden Finanzmärkten sprechen. Die internationalen Transaktionen konzentrierten sich vor allem auf Staatsanleihen und Schuldverschreibungen von Eisenbahnen oder Versorgungsunternehmen. Die internationalen Kapitelbewegungen der Neunzigerjahre umfassen dagegen eine viel weitere Palette von Wertpapieren. Das Kapital fließt auch nicht, wie damals, primär nur in eine sondern in beide Richtungen.[29]

3 Die Krisenanfälligkeit der internationalen Finanzmärkte

Das System der internationalen Finanzmärkte ist von häufigen Krisen gekennzeichnet. Diese wiederkehrenden Krisen haben negative Auswirkungen auf die betroffenen Länder, allerdings auch auf die nicht direkt betroffenen Industrieländer und die Weltwirtschaft im Allgemeinen. Die Asienkrise von 1997-1999 war, aufgrund ihrer Heftigkeit und des bisher nicht gekannten Ausmaßes, der Auslöser für die intensivste Debatte über die Ausgestaltung und die Rahmenbedingungen der Finanzmärkte seit der Bretton-Woods-Konferenz 1944. Der Grund liegt darin, dass der ungenügenden Ausgestaltung der internationalen Finanzarchitektur eine erhebliche Mitschuld an den Krisen vorgeworfen wird.[30] Manche Autoren sprechen sogar von einer Zäsur für die Weltwirtschaft. Die Asienkrise legte die systemischen Mängel der heutigen Weltwirtschaftsordnung offen. Das lange dominante, vor allem auf Deregulierung und Liberalisierung der Wirtschaft setzende neoliberale Modell wird mehr und mehr in Frage gestellt.[31]

Seit den achtziger Jahren gab es eine Reihe von ernsten Krisen des internationalen Finanzsystems. Mexico wurde Mitte 1982 zahlungsunfähig und leitete die lateinamerikanische Schuldenkrise ein, welche nach und nach alle Länder des Kontinents erfasste. Die Schuldenkrise bedeutete für den lateinamerikanischen Kontinent ein verlorenes Jahrzehnt mit ökonomischer Stagnation und sinkendem Lebensstandard und kann bis heute nicht als gelöst angesehen werden. 1994 folgte eine erneute Finanzkrise in Mexico. Im Rahmen dieser Krise vergab der IWF Kredite in Höhe von rund 18 Mrd. US-Dollar. Dies war insofern eine bemerkenswerte Summe als die Kreditvergabe des IWF insgesamt nicht mehr als 35 Mrd. Dollar umfasste. Die Asienkrise 1997 wurde durch spekulative Attacken gegen den thailändischen Baht ausgelöst. Mit der Aufgabe der Dollarbindung des Baht brach auch das Vertrauen in die Stabilität der Währung zusammen. Es folgte eine Kapitalflucht und die drastische Abwertung des Baht. Die Krise in Thailand weitete sich in kurzer Zeit auf andere südostasiatische Länder aus und erfasste Indonesien, Südkorea, die Philipinen und Malaysia. Nach der Asienkrise floss Kapital aus ökonomisch unterentwickelten Ländern in die westlichen Zentren. Dadurch wurde die letzte und bisher schwerste Finanzkrise in Russland 1998 ausgelöst.[32] Es folgte 1998/1999 eine Krise in Brasilien.[33] In den USA geriet der große Hedge Fond LTCM (Long-Term Capital Management) an den Rand des Zusammenbruchs und musste in einer groß angelegten Rettungsaktion wegen der Gefahr von Kettenreaktionen im Finanzsystem rekapitalisiert werden.[34]

Die Spekulation, hier insbesondere die Währungsspekulation wird oft als eine wichtige Ursache für Krisen gesehen.[35] Dabei beinhaltet Spekulation Käufe und Verkäufe mit den Ziel, von Preisbewegungen zu profitieren. Im Gegensatz dazu stehen Transaktionen zur Finanzierung von internationalem Handel oder dem Erwerb von rentablen Vermögenswerten.[36]

Das allgemeine Ablauf von Finanzkrisen wird als „Hit and Run“ beschrieben. Kapital kommt in Massen und trifft auf einen Finanzsektor der nicht genügend vorbereitet ist. Dort erzielt es dann einige Zeit hohe Gewinne und verschlechtert dabei die materiellen Grundlagen der Produktion. Beim ersten Schwächeanzeichen oder bei einer höheren Renditeerwartung anderswo zieht das Kapital in Massen wieder ab.[37]

Huffschmidt kennzeichnet drei Stufen, in denen Finanzkrisen ablaufen:

Als erste Stufe von Finanzkrisen stehen die Auslöser. Das können entweder externe oder interne Faktoren sein. Externe Faktoren beinhalten z.B. Zinserhöhungen in den USA, was zu einem Rückfluss der vorher angelegten Gelder führt. Interne Ursachen können z.B. politische Krisen sein (wie die politischen Unruhen 1994 in Chiapas) oder auch Unternehmenszusammenbrüche in Sektoren, die vorher einen großen Anteil an Investitionen zu verzeichnen hatten. Diese Zusammenbrüche wirken sich auf die Liquidität und die Kreditvergabe und damit auf die gesamte Wirtschaft aus. Weiterhin sind hier die Inflationsraten der Schwellenländer, die oft über den amerikanischen liegen, zu sehen. Diese realen Aufwertungen fördern die Importe und führen deshalb zu Handels- und Leistungsbilanzdefiziten. Aufgrund der negativen Leistungsbilanzen gehen Finanzanleger davon aus, dass die Wechselkursanbindung an den Dollar langfristig nicht aufrecherhalten werden kann, und beginnen mit dem Abzug des Kapitals. Das führt zu starkem Druck auf die Wertpapierkurse und die Währung.

Danach folgt die zweite Stufe der Finanzkrisen, die spekulative Vertiefung. Spekulanten wollen von der antizipierten Abwertung der Währung profitieren. Dazu haben sie zwei Möglichkeiten. Sie nehmen Kredite in Landeswährung auf und tauschen diese sofort in Hartwährung um in der Erwartung, bei der Rückzahlung weit weniger als das eingesetzte Kapital zu benötigen. Oder sie können die Landeswährung auf Termin zu einem bestimmten Kurs in Hartwährung verkaufen, in der Hoffnung bei Fälligkeit des Termins für einen geringeren Betrag die Hartwährung kaufen zu können und somit den Kontrakt zu erfüllen. Diese Spekulationen führen zu einer selbsterfüllenden Verstärkung des Verkaufsdrucks. Da die Devisenreserven einer Zentralbank begrenzt sind, ist ein Abwehrkampf gegen das internationale Finanzkapital nahezu aussichtslos.

Die dritte Stufe beinhaltet die Ansteckung, womit ein Übergreifen auf andere Länder gemeint ist. Die Spekulanten erwarten, dass auch die Währungen anderer Länder unter Druck geraten. Deshalb spekulieren sie gegen diese Währungen und erzeugen damit den notwendigen Druck, welcher dann tatsächlich zu einer Abwertung führt.[38]

Daher war die Spekulation in Asien eine Machtauseinandersetzung zwischen den Spekulanten, den nationalen Zentralbanken und den Regierungen. Die Spekulanten hatten die Erwartung, dass die Dollarbindung der Wechselkurse nicht zu halten sei und gingen von einer erfolgreichen Spekulation aus.[39]

Die Auswirkungen der Krisen beinhalten oft enorme Folgen für die Krisenländer selbst, aber sie wirken sich ebenfalls auf nicht unmittelbar betroffene Länder aus. Diese Folgen sind zum einen wirtschaftlicher und zum anderen besonders in den Krisenländern auch sozialer Natur und werden am Beispiel der Asienkrise verdeutlicht. Helen Hayward spricht von verheerenden Konsequenzen für die Entwicklungsländer, welche sich besonders katastrophal auf die arme Bevölkerung ausgewirkt haben. Die Menschen waren betroffen von steigender Arbeitslosigkeit, Lohneinbußen, Inflation und der Reduzierung der öffentlichen Ausgaben. Es gab eine hohe Anzahl von Unternehmenszusammenbrüchen, die wiederum zu massiven Arbeitsplatzverlusten führten. Die internationale Arbeiterorganisation (ILO) schätzt, dass als Ergebnis der Asienkrise die Zahl der Arbeitslosen weltweit um 10 Millionen gestiegen ist, wobei hier die Anzahl der illegalen Arbeiter, welche auch ihren Job verloren haben, noch nicht erfasst ist. Die hohe Inflation hat die Ersparnisse entwertet, die Anzahl der Armen in der Region stieg auf 90 Millionen an.[40]

In den USA wurden allein mehr als zwei Billionen Dollar Aktienkapital vernichtet. Fast die Hälfte der Weltwirtschaft rutschte 1997/1998 in die Rezession, darunter auch Musterländer wie Südkorea und Brasilien.[41]

Somit wurden infolge der Krisen die Leben von Millionen Menschen destabilisiert, die sozialen Unterschiede vergrößert während sich gleichzeitig der Lebensstandard verschlechterte. Huffschmidt führt einige Daten für die Krisenländer Indonesien, Korea, Malaysia, Philippinen und Thailand an. Das Wachstum des Inlandsproduktes in Prozent wurde ausgehend von positiven Zahlen bei allen Ländern negativ (ausgenommen die Philipinen, wo es stark sank). Die Verbraucherpreise stiegen deutlich an und die Leistungsbilanz wurde ausgehend von negativen Werten positiv.[42]

Abbildung 3 verdeutlicht den Absturz des thailändischen Baht im Verlauf der Krise in Thailand.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: die Währung, die Zinsen und der Aktienindex von Thailand[43]

Anhand des Charts der „shortterm interest rate“ lässt sich auch gut der, im Endeffekt vergebliche, Abwehrkampf der thailändischen Zentralbank mittels Zinserhöhungen erkennen. Die unterstützenden Devisenmarktinterventionen kosteten die Bank 20 Milliarden Dollar an Reserven.

[...]


[1] Kreile, Michael: Deutschland und die Reform der internationalen Finanzarchitektur, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37-38/2000, S. 12

[2] Tietmeyer, Hans: Internationale Zusammenarbeit und Koordination auf dem Gebiet der Aufsicht und Überwachung des Finanzmarkts, in: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Mai 1999, Frankfurt am Main, S. 6-7

[3] Besser, Axel: Funktion und Dynamik von Finanzinnovationen internationale Finanzmärkte im Wandel, Wiesbaden, Gabler 1996, S. 14-17

[4] Ebd., S. 18-19

[5] Besser a.a.O.(Anm 3), S. 8-14

[6] http://www.mexi.com/ECO/32usa.html

[7] Castells, Manuel: The rise of the network society, the information age: economy, society and culture volume 1, Blackwell Publishers Inc. , Massachusetts 1996, S. 469

[8] Castells a.a.O. (Anm. 7), S. 474

[9] Strange, Susan: Mad money: when markets outgrow governments, University of Michigan Press, 1998, S. 1

[10] Soros, Georg: Die Krise des globalen Kapitalismus, Offene Gesellschaft in Gefahr, Alexander Fest Verlag, 1999, S. 83-85

[11] Strange a.a.O. (Anm. 9), S. 3

[12] Lütz, Susanne: Die politische Architektur von Finanzmärkten, Plenarvortrag für den DVPW-Kongress “Politik in einer entgrenzten Welt”, September 2000, S. 6-7

[13] Lowell, Bryan: Der entfesselte Markt: die Befreiung des globalen Kapitalismus, Wien, Ueberreuter, 1997, S. 23-24

[14] Beck, Ulrich: Politik der Globalisierung, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1998, S. 151-162

[15] Perraton, Jonathan, Goldblatt, David, Held, David, McGrew, Anthony: Die Globalisierung der Wirtschaft, in: Beck, Ulrich: Politik der Globalisierung, 1. Aufl. 1998, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, S. 139

[16] Ebd., S. 149

[17] Moritz-Lipp, Ernst: Internationale Finanzströme, Ausmaß und Dynamik, in: Internationale Politik, Juni 2000, Nr. 6, 55. Jahr, S. 10-11

[18] Zuviel USA, in: Börse Aktuell, Ausgabe Nr. 11/2001, S. 6

[19] Beck a.a.O. (Anm. 14), S. 98

[20] Kreile a.a.O. (Anm. 1), S. 13

[21] Frenkel, Michael; Menkhoff, Lukas: "Stabile Weltfinanzen? Die Debatte um eine neue internationale Finanzarchitektur. Heidelberg: Springer 2000, S. 17

[22] Ebd., S. 11-18

[23] van Scherpenberg, Jens: Re-Regulierung der internationalen Finanzmärkte?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 49/99, S. 19

[24] Filc, Wolfgang: Die Finanzmärkte sind ineffizient, Schlußfolgerungen für ein neues Weltfinanzsystem, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, Jg. 40, Nr. 3, März 1999, S. 72

[25] Heribert, Dieter: Nach den Krisen der 90er Jahre: Re-Regulierung der internationalen Finanzmärkte?, in: PROKLA Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 118, 30 Jg., 2000, Nr. 1, S. 42

[26] Beck a.a.O. (Anm. 14), S. 154

[27] Nunnenkamp, Peter: Globalisierung und internationales Finanzsystem, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37-38/2000, S. 4-6

[28] Prinz, Aloys; Beck, Hanno: Politische Ökonomie der Globalisierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 23/1999, S. 12

[29] Remsperger, Hermann: Globalisierung und Finanzmärkte, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln Nr. 30, 30. Juni 2000, S. 2

[30] van Scherpenberg a.a.O. (Anm. 23), S. 19

[31] Dieter, Heribert: Ostasien nach der Krise: Interne Reformen, neue Finanzarchitektur und monetärer Regionalismus, in Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37-38/2000, S. 21

[32] Herr, Hansjörg: Finanzströme und Verschuldung in: Stiftung Entwicklung und
Frieden (Hrsg.): Globale Trends 2000, Frankfurt am Main 1999, 219-222

[33] Huffschmid, Jörg: Kapital auf der Suche nach schnellem Gewinn. Die Hauptursachen der Finanzkrisen liegen in den Metropolen - die Hauptfolgen trägt die Peripherie, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, Jg. 40, Nr. 3, März 1999, S. 64

[34] Kreile a.a.O. (Anm. 1), S. 13

[35] Köhler, Claus: Währungsregime und Währungskrise. Die unterschätzte Rolle der Spekulation, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, Nr. 7, Juli 1998, S. 176

[36] Hayward, Helen: Costing the Casino. The Real Impact of Currency Speculation in the 1990s, in: http://www.waronwant.org/tobin/casino.htm, S. 1

[37] Huffschmid a.a.O. (Anm. 33), S. 64

[38] Huffschmid a.a.O. (Anm. 33), S. 66-68

[39] Köhler a.a.O. (Anm. 35), S. 176

[40] Hayward a.a.O. (Anm. 36), S. 1-2

[41] Der Spiegel: Globaler Wahnsinn, Nr. 42, 1998, S. 111

[42] Huffschmid a.a.O. (Anm. 33), S. 67

[43] http://www.mexi.com/ECO/70thai.html

Fin de l'extrait de 85 pages

Résumé des informations

Titre
Deutsche und US-amerikanische internationale Finanzmarktpolitik
Université
Martin Luther University  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
2,7
Auteur
Année
2001
Pages
85
N° de catalogue
V1068
ISBN (ebook)
9783638106603
ISBN (Livre)
9783638679404
Taille d'un fichier
714 KB
Langue
allemand
Mots clés
USA, Deutschland, Finanzmärkte, Wirtschaft Regulierung, Konzepte, Finanzarchitektur
Citation du texte
Ronald Reifert (Auteur), 2001, Deutsche und US-amerikanische internationale Finanzmarktpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1068

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