Dispositionseffekt, Splitting-Effekte und Herdenverhalten


Seminar Paper, 2002

11 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Dispositionseffekt
2.1 Definition und empirische Evidenz
2.2 Erklärungsansätze
2.2.1 Prospect Theorie
2.2.2 Mentale Konten
2.2.3 Seeking Pride und Avoiding Regret
2.3 Handlungs- und Abwehrstrategien

3 Splitting Effekte
3.1 Formen
3.1.1 Gewichtung von Investmentkategorien
3.1.2 Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten
3.1.3 Gewichtung von Zielkriterien
3.1.4 Bewertung riskanter Zahlungsströme
3.2 Handlungs- und Abwehrstrategien

4 Rationales und irrationales Herdenverhalten

4.1 Definition

4.2 Erklärungsansätze

4.2.1 Vorteile gleichgerichteten Verhaltens

4.2.2 Informationsverarbeitung

4.3 Handlungs- und Abwehrstrategien

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

"Wer das Instrumentarium der Behavioral Finance beherrscht und systematisch die typischen Psychofallen in den Märkten zu vermeiden lernt, trifft bessere Entscheidungen und begreift Schritt für Schritt, wie Märkte tatsächlich funktionieren." (Joachim Goldberg, 2002)

Die jüngsten Entwicklungen an der Börse haben gezeigt, dass das Bild des emotionslosen und rational entscheidenden Homo Oeconomicus im Börsenalltag nicht mehr haltbar ist. Die Finanzwelt scheint ein großes Chaos zu sein, wenn man nur Fakten, Zahlen oder Fundamentalanalysen zur Erklärung zugrunde legt. Die Behavioral Finance tritt deshalb immer mehr in den Vordergrund und versucht dieses scheinbar unerklärliche und willkürliche Verhalten zu verstehen und zu erklären. Auch Börsenakteure unterliegen dem Einfluss psychologischer Faktoren, da auch sie von Emotionen wie Angst, Stolz, Suche nach Anerkennung, Hoffnung und Gier getrieben werden, sich von der Meinung anderer Menschen beeinflussen lassen und nicht immer rationales Verhalten zeigen.

Diese Arbeit soll drei dieser psychologischen Effekte und deren Erklärungsansätze vorstellen und mögliche Handlungsstrategien zur Vermeidung der Fehler anbieten, den Dispositionseffekt, den Splitting Effekt sowie die Macht des Herdenverhaltens.

2 Der Dispositionseffekt

2.1 Definition und empirische Evidenz

Beobachtet man das Verhalten von Anle gern, so stellt man häufig fest, dass sie sich von ,,Verliereraktien" nur schwer trennen können und diese wie Blei in ihrem Depot liegen.

Dagegen werden ,,Gewinneraktien" häufig zu früh verkauft. Sie unterliegen dem sogenannten Dispositionseffekt: Gewinne werden zu früh und Verluste zu spät realisiert (vgl. Shefrin & Statman, 1985, nach Odean, 1998).

Empirisch untermauert wurde diese Hypothese von Odean (1998, S.1780ff.). Er untersuchte alle zwischen 1987 und 1993 getätigten Wertpapiertransaktionen bei 10.000 zufällig ausgewählten Depots eines amerikanischen Discount Brokers. Verglichen wurde der Anteil realisierter Verluste mit dem Anteil realisierter Gewinne. Ermittelt wurden diese, indem innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums (in dieser Studie 1 Tag) die Anzahl realisierter Gewinne (bzw. Verluste) zur Anzahl möglicher Gewinne (bzw. Verluste) ins Verhältnis gesetzt wurde.

Der Dispositionseffekt würde dann bewirken, dass der Anteil der realisierten Gewinne den der realisierten Verluste übersteigt. Diese Annahme bestätigte sich:

durchschnittlich lag der Anteil realisierter Gewinne mit 15 % signifikant ü ber dem Anteil der realisierten Verluste (10%).

Um der Vermutung vorzubeugen, dass dies vor allem ein Fehler der Kleinanleger ist, wiederholte er seine Analyse an einem Subsample, das aus den 10% der Anleger bestand, die in der ursprünglichen Stichprobe die meisten Transaktionen begangen hatten. Auch hier zeigte sich ein ähnliches Bild. Unerfahrenheit von Börsenanfängern scheint demnach kene Erklärung für dieses Verhalten zu liefern.

2.2 Erklärungsansätze

2.2.1 Prospect Theorie

Die am häufigsten verwendete Theorie zur Erklärung des Dispositionseffektes ist die von Kahnemann und Tversky (1979) entwickelte Prospect Theorie. Im Gegensatz zur Erwartungsnutzentheorie, einer ökonomischen Standardtheorie, nimmt sie an, dass das Risiko einer Alternative über deren mögliche Gewinne und Verluste relativ zu einem Referenzpunkt bewertet wird, also z.B. der ursprüngliche Kaufpreis eines Wertpapiers, und nicht über das jeweilige Endvermögensniveau.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Angenommen ein Anleger steht vor der Entscheidung zum Kauf einer Aktie, der Kaufpreis beträgt 100 € und die Wahrscheinlichkeit eines Wertverlust von 10€ und einer Wertsteigerung um 10€ innerhalb eines Jahres würden jeweils bei 50% liegen. Die Erwartungsnutzentheorie würde nun folgern, dass er sich einem unsicheren Endvermögen von 90 € oder 110 € gegenüber sieht. Die Prospect Theorie allerdings nimmt an, er betrachtet den ge genwärtigen Einsatz (Kaufpreis) als Referenzpunkt und die Folge des Aktienkaufes wäre am Ende des Jahres ein möglicher Gewinn von 10€ oder Verlust von 10€ mit jeweils 50% Wahrscheinlichkeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1 (vgl. Vossmann et al., 1999, S.9)

Ein weiterer Bestandteil der Prospect Theorie ist die relativ zum eben beschriebenen Referenzpunkt definierte Wertfunktion. Sie ,,...ordnet Gewinnen und Verlusten die vom Entscheider bei Realisierung der entsprechenden Gewinn- / Verlustniveaus empfundenen Werte zu" (Vossmann et al., 1999, S.10). Diese Funktion zeigt dann einen S-förmigen Verlauf, da der oben erwähnte Anleger dem Übergang von 100€ zu 200€ Gewinn sicher mehr Wert beimisst, als dem Übergang von 1000€ zu 1100€, trotzdem der Übergang jeweils identisch 100€ beträgt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.2 (vgl. Vossmann et al., 1999, S.10)

Die Funktion ist konkav im Gewinnbereich und konvex im Verlustbereich. Im Gewinnbereich ist der Anleger risikoavers, einer weiteren Gewinnsteigerung wird immer weniger ,,Wert" beigemessen, das Risiko lohnt sich nicht mehr. Dagegen zeigt sich im Verlustbereich eine deutliche Risikofreude, er hat subjektiv nicht mehr viel zu verlieren, das Risiko abzuwarten lohnt sich. Hinzu kommt die Hoffnung, den ursprünglichen Referenzpunkt wieder zu erreichen. Zusätzlich ist sie im Verlustbereich deutlich steiler, was daher rührt, dass Anleger generell eher risikoavers sind (vgl. Odean, 1998, S.1776) und Verluste meist einen subjektiv höheren Wert haben als Gewinne.

Sobald ein Börsenakteur also Gewinne eingefahren hat, wird er risikoscheu, will die Gewinne möglichst schnell realisieren und verkauft die Gewinneraktie zu früh. Seine Risikofreude bei Verlusten führt dazu, dass er gerade diese Verliereraktien behält und statt seinen Verlust zu realisieren, das Risiko eines weiteren Wertverlustes in Kauf nimmt.

2.2.2 Mentale Konten

Nun könnte man behaupten, dass Anleger die Verlierer nur deshalb halten, da dies eventuell die Gewinner von morgen sind. Sie also nur darauf warten, dass sich die Verliereraktien wieder erholen und wenigstens den Ausgangspunkt wieder erreichen werden. Dies erklärt aber nicht, warum Anleger unfähig sind, die steuerlichen Vorteile eines ,,tax swap" zu nutzen. Dabei werden die in die Verlustzone geratenen Aktien gegen Aktien mit ähnlichen Risiko- und Renditeaussichten ausgetauscht. Die Renditeaussichten bleiben dadurch erhalten, allerdings können die realisierten Verluste von der Steuer abgesetzt werden.

Erklärt wird dieses Verhalten durch das Konzept der mentalen Konten (Thaler, 1985), welches postuliert, dass Individuen dazu tendieren, spekulative Geschäfte (,,gambles") in separate mentale Konten zu unterteilen. ,,Diese werden dann separat als Gewinn oder Verlust evaluiert." (Thaler, 1985, nach Odean, 1998). Ein Austausch der Aktien gegen Aktien mit ähnlicher Renditeaussicht würde bedeuten, das Konto ,,ursprüngliche Aktie" mit einem Verlust zu schließen. Dies würde dann ein psychisches Unwohlsein verursachen, ausgelöst durch kognitive Dissonanz, die ursprüngliche Kaufentscheidung wäre unvereinbar mit der Kognition ,,das war ein Verlustgeschäft" und müsste als falsche Entscheidung hingenommen werden.

Gerade diese kognitive Dissonanz versuchen Individuen aber weitestgehend zu vermeiden. ,,Dies ist bedenklich, da die Vermeidung des subjektiven Unwohlempfindens anlässlich der Verlustrealisation mit dem Verzicht auf die Steuerersparnis einen klaren ökonomischen Nachteil nach sich zieht." (Vossmann et al., 1999, S.12)

2.2.3 Seeking Pride und Avoiding Regret

Da, wie in der Einleitung erwähnt, Börsenaktionäre wie andere Individuen bestrebt sind, Stolz und Anerkennung zu erfahren, verstärkt dies noch zusätzlich den Dispositionseffekt. Ein realisierter Verlust wird nicht nur als vor sich selbst einzugestehende Fehlentscheidung empfunden, sondern führt auch dazu, dass man vor anderen Menschen, z.B. Kollegen aber auch Kunden bei Anlageberatern, das eigene Versagen offenbaren müsste. Solch ein Zustand wird als ,,Avoiding regret" bezeichnet, da ein Bedauern über eine aus ex post betrachtete falsche Entscheidung nach hinten verschoben wird. Dies ist eine klare ,,Vogel Strauß Taktik".

Die vorzeitige Gewinnrealisierung wird mit ,,Seeking pride" erklärt, das Individuum möchte möglichst schnell in Situationen kommen, in denen es stolz auf erwirtschaftete Gewinne sein kann, was wiederum Lob und Anerkennung durch andere auslöst (vgl. Shefrin und Statman, 1985, nach Koschlitzki, 2001).

2.3 Handlungs- und Abwehrstrategien

Der Dispositionseffekt kann, wenn er erst mal vom Anleger erkannt wurde, durchaus vermieden werden. Doch selbst dieser erste Schritt fällt gerade professionellen Anlegern sicher schwer, denn diese Selbsterkenntnis stellt ihre Professionalität und Rationalität durchaus in Frage. Da aber gezeigt wurde, dass dieser Effekt nicht nur Laien betrifft, sollte man den Vorteil der Kenntnis dieses psychisch bedingten ,,Fehlverhaltens" nutzen, statt an den eigenen Fähigkeiten zu zweifeln.

Da nun die Selbsterkenntnis sicher den ersten Schritt zur Besserung darstellt, allein aber noch nicht genügt, sollte man sich selbst zwingen, bei der nächsten Transaktionsentscheidung besser zu handeln. Häufig scheitert dies allerdings an der mangelnden Selbstkontrolle. ,,Eine in einem rationalen Moment gefasste Handlungsabsicht wird nicht umgesetzt, weil es in der konkreten Situation an Willenskraft mangelt." (Vossmann et al., 1999, S.13). Dem kann man durch den Einsatz sogenannter precommitment-Instrumente nachhelfen, z.B. in Form von Stop-Loss-Orders. Wird eine vorher festgelegte Verlust-Unter-Grenze unterschritten, die Verluste bewegen sich also unter das zu Beginn gerade noch tolerierte Niveau, werden die Aktien automatisch verkauft. Allerdings lässt sich gerade in letzter Zeit beobachten, dass selbst diese Stopp-Loss-Grenze von Anlegern im Nachhinein weiter nach unten verschoben wird. Was durchaus zeigt, dass der Dispositionseffekt, selbst nach der Erkenntnis in starkem Maße weiterwirkt.

3 Splitting Effekte

Ein weiteres psychologisches Phänomen stellen die verschiedenen Splitting Effekte dar. Diese sind vor allem deshalb interessant, da sie Diversifikationsentscheidungen beeinflussen, die ja aus Gründen der Risikostreuung bei Investitionen in Wertpapiere eine wichtige Rolle spielen. So kann man z.B. beobachten, dass Anleger, die vor die Entscheidung gestellt werden, ihr Portfolio zusammen zu stellen, je nach Anzahl der zur Verfügung stehenden Investmentkategorien unterschiedlich diversifizieren.

3.1 Formen

Splitting Effekte können sich auf unterschiedliche Arten von Kategorien beziehen, wie in der folgenden Abbildung dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.1 (vgl. Langer und Weber, 1999, S.4)

3.1.1 Gewichtung von Investmentkategorien

Untersuchungen zeigen, dass Portfolioentscheidungen durch die Vorgabe der Auswahlmenge, also z.B. der Menge der zur Verfügung stehenden Fonds, beeinflusst werden (vgl. Benartzi und Thaler, 1998; nach Langer und Weber, 1999, S.5): ,,je größer der Anteil an Aktienfonds in der Auswahlmenge, desto größer der Anteil des in Aktien investierten Kapitals" (Langer et al. ebd.). Dies lässt sich recht einfach erklären. Vor allem weniger erfahrene Investoren nutzen bei ihrer Entscheidung eine einfache Regel: die 1/n Aufteilung. Um ein wohldiversifiziertes Portfolio zu erreichen, was aus Gründen der Risikoaufteilung an sich sicher sinnvoll sein mag, wird ein Entscheidungsalgorithmus genutzt, den Benartzi et al. als naive Diversifikation bezeichnen. Dass diese Regel nicht nur ungeeignet ist, sondern auch manipulativen Einflüssen unterliegen kann, erscheint einleuchtend, da die Portfolioentscheidungen der Investoren durch die Gestaltung des Angebotsspektrums, z.B. je nach Interesse des Anlageberaters, beeinflusst werden können. (vgl. Langer et al., 1999, S.6)

3.1.2 Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten

Splitting Effekte können auch bei der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten eine entscheidende Rolle spielen. Einem Ereignis wird im Durchschnitt eine sehr viel höhere Eintrittswahrscheinlichkeit zugewiesen, wenn das Ereignis in Unterereignisse zerlegt wird (vgl. Langer et al., 1999, S.7). Dieser Effekt tritt nicht nur bei unerfahrenen Testpersonen mit wenig Erfahrung im Umgang mit Wahrscheinlichkeiten sondern auch bei Finanzprofis auf (vgl. Fox, Rogers und Tversky, 1996, nach Langer et al., 1999, S.7).

3.1.3 Gewichtung von Zielkriterien

Im Börsenalltag müssen häufig Entscheidungen getroffen werden, bei denen zur Bewertung der vorliegenden Alternativen mehrere Kriterien bzw. Ziele zu berücksichtigen sind. So müssen z.B. bei Investitionsentscheidungen Rendite und Risiko der einzelnen Anlagealternativen mit einbezogen werden. Um dieses Problem systematisch zu lösen, werden den Kriterien meist Gewichte zugewiesen. Die Kriterien werden dann einzeln bewertet und abschließend diese Bewertungen gewichtet aufsummiert (vgl. Langer et al., 1999, S.8f). So könnte ein Anleger z.B. bei der Entscheidung zwischen zwei Wertpapieren dem Kriterium Risiko 50% und dem Kriterium Rendite 40% Gewicht zuordnen, der Bekanntheitsgrad des Unternehmens könnte dann noch zu 1/10 in seine Entscheidung einfließen.

Doch auch solche Gewichtungsprozesse können durch Splitting Effekte beeinflusst werden. Ähnlich wie bei der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten erhalten Hauptkriterien im Durchschnitt ein höheres Gewicht, wenn sie in mehrere Unterkriterien aufgespaltet werden (vgl. Weber et al., 1986, nach Langer et al., 1999, S.9).

3.1.4 Bewertung riskanter Zahlungsströme

Ein Splitting Effekt ganz anderer Art tritt bei der Bewertung riskanter Zahlungsströme auf. Durch die Bündelung aber auch durch Zerstückelung einzelner Objekte, dies können Güter, monetäre Zahlungen oder riskante Anlageformen sein, kann die Gesamtattraktivität der Objekte beeinflusst werden. So kann z.B. ein Fonds deutlich attraktiver sein als die einzelnen in ihm enthaltenen Wertpapiere oder auch umgekehrt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob bei der Bewertung riskanter Anlageformen ,,ein Portefeuille als attraktiver eingeschätzt wird, wenn nur die Gesamtertragsverteilung des Portefeuilles, nicht aber die einzelnen Positionen [...] bekannt sind." (Langer et al., 1999, S.13) Untersuchungen haben gezeigt, dass die Bündelung einzelner riskanter Engagements die Akzeptanz eher erhöht, dies aber davon abhängt welches Risikoprofil die Anlagen aufweisen (vgl. Langer et al., 1999, S.14).

3.2 Handlungs- und Abwehrstrategien

Da Splitting Effekte bei Entscheidungen im Anlagebereich einen großen Einfluss haben, sollten vor allem unerfahrene Anle ger sich diesem psychologischen Effekt ständig bewusst sein. Um Manipulationen zu verhindern, sollten z.B. Entscheidungen bzgl. der Diversifikation bereits im Vorfeld getroffen werden. Ein Anleger, der schon vorher weiß, dass er 50% in Aktienfonds und 50% in Rentenfonds investieren möchte, wird diese Entscheidung dann nicht mehr von der Anzahl der jeweils angebotenen Fonds abhängig machen.

Aber nicht nur das Vermeiden von Fehlern ist bei Kenntnis des Splitting Phänomens möglich, gleichzeitig kann dieses Wissen auch eingesetzt werden, um Entscheidungen anderer in eine gewünschte Richtung zu lenken (vgl. Langer et al., 1999, S.14).

4. Rationales und irrationales Herdenverhalten

4.1 Definition

Die Kursentwicklungen der letzten Jahre, vor allem am Neuen Markt, können mit dem Einzelverhalten der am Aktienmarkt handelnden Individuen nicht mehr so einfach erklärt werden. Der NEMAX 50 Performance Index erreichte im März 2000 einen Höchststand von 9631,53 Punkten bis es zum Crash kam und immer wieder neue Tiefsstände erreicht wurden. Man spricht in diesem Zusammenhang von Spekulationsblasen (Bubbles), die seit dem 17. Jahrhundert (,,Tulpenspekulation") immer wieder auftraten und insofern kein neues Phänomen darstellen (vgl. Nöth und Weber, 2001, S.8).

Bubbles entstehe n vor allem durch das gleichgerichtete Verhalten der Anleger, das verschiedene Ursachen haben kann und mit dem Begriff Herdenverhalten beschrieben wird. ,,Herdenverhalten wird immer dann als Erklärung herangezogen, wenn für große Kursbewegungen an den Finanzmärkten keine `offensichtlich´ neuen Informationen vorliegen" (Nöth et al., 2001, S.3). Unterschieden wird dabei aber Herdenverhalten, das durchaus rational begründbar ist, also ,,gleichgerichtetes Verhalten, das ausschließlich auf Informationen beruht oder mit sonstigen Anreizen rational begründbar ist. Bei [dem sogenannten] irrationalen Herdenverhalten ist das gleichgerichtete Verhalten weder durch neue Informationen noch durch Anreize zu rechtfertigen" (Nöth et al., ebd.).

4.2 Erklärungsansätze

4.2.1 Vorteile gleichgerichteten Verhaltens

In der Literatur wird Herdenverhalten oft dadurch erklärt, dass es Situationen gibt, in denen Gleichheit belohnt wird. ,,Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Individuum umso größeren Nutzen von einer Entscheidung erwarten darf, je mehr Individuen dieselbe Entscheidung treffen" (Mewis, 2001, S.30). So ist es durchaus rational, dem irrationalen Verhalten der Herde zu folgen, wenn dadurch Gewinne durch das Entstehen einer Bubble eingestrichen werden können. ,,Da der Zeitpunkt, an dem diese Spekulation endet, [aber] nicht vorhersagbar ist, sollte die Beteiligung an irrationalem Herdenverhalten vermieden werden: Der erwartete Ertrag der Investition deckt das Spekulationsrisiko in der Regel nicht" (Nöth et al., 2001, S. 9).

Ein weiterer Vorteil von gleichgerichtetem (Herden-) Verhalten, der vor allem das Verhalten von Analysten und Fondmanagern erklärt, ist die Risikovermeidung. ,,[... So] wird unterstellt, dass [...] Analysten eher den Voraussagen erfahrener Kollegen folgen, um im Falle einer Fehlprognose nicht allein dazustehen und somit die Gefahr einer schlechten Reputation zu vermeiden" (Mewis, 2001, S.30). Analysten und Fondsmanager ,,haben kaum Anreize, von der Herde abzuweichen, selbst wenn sie das Herdenverhalten als irrational erkennen", ,,da dieses erhöhte Risiko in der Regel nicht entlohnt wird" (Nöth et al., 2001, S.13f.). Zum zweiten wird ihre Leistung außerdem auch noch relativ zu der ihrer Kollegen beurteilt, weshalb sich eine Abweichung vom Durchschnitt unter Berücksichtigung des eben erwähnten Risikos nicht lohnt (vgl. Nöth et al., 2001, S.13f.).

4.2.2 Informationsverarbeitung

Hirth und Walter (2001) definieren und erklären Herdenverhalten über den Ansatz der ineffizienten Informationsverarbeitung. ,,Allgemein formuliert liegt Herdenverhalten dann vor, wenn Individuen unter Außerachtlassung ihrer eigenen Information lediglich die Entscheidung anderer imitieren. [...] Hervorgerufen wird [...][es] allein dadurch, dass die eigene Information zu schwach im Vergleich zur beobachteten Entscheidung der `Herde´ ist." (Hirth und Walter, 2001, S.2) Bezeichnet wird dieser Ansatz mit dem Begriff ,,Informationskaskaden" (informational cascades).

Dies lässt sich gut am Beispiel der Anleger verdeutlichen: Das Kaskademodell nimmt an, dass alle Anleger ,,über einen gewissen gemeinsamen Informationsstand verfügen, darüber hinaus jedoch ihnen jeweils exklusiv zugängliche Kenntnisse über die Entscheidungssituation vorliegen" (Mewis, 2001, S.30). Die Anleger müssen nun anhand dieser Informationen eine Investitionsentscheidung bzgl. der am Markt befindlichen Wertpapiere treffen. Der einzelne Anleger kann die Entscheidungen seiner Vorgänger beobachten, was es ihm ermöglicht auf deren exklusive Informationen zu schließen. Nun lässt sich häufig beobachten, dass Individuen ihre eigenen Informationen zugunsten der Interpretation der Vorgängerentscheidungen vernachlässigen. Problematisch ist an dieser Vorgehensweise, dass durch die beschränkte Menge an Informationen, ,,falsche Entscheidungen keineswegs ausgeschlossen sind." (Mewis, ebd.). Die Informationsverarbeitung ist ineffizient, denn ,,könnten alle Informationen genutzt werden, so wäre eine falsche Entscheidung mit zunehmender Anzahl der bereits getroffenen Entscheidungen immer unwahrscheinlicher." (Mewis, ebd.)

Wichtig ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass Informationskaskaden mit der Zeit nicht robuster werden, sondern zerbrechlich sind (Fragilität). Dies liegt vor allem daran, dass die Entscheidungen der nachfolgend Handelnden keinen Informationsgehalt mehr besitzen. Die Kaskade ist dadurch sehr empfindlich gegenüber exogenen Einflüssen, wie z.B. neuen Informationen (vgl. Hirth et al., 2001, S.8; Mewis, 2001, S.31). Wenn im Falle der Anleger neue Informationen veröffentlicht werden, kann dies eine langanhaltende Kaskade jederzeit zum Einsturz bringen, wie dies bei den Werten am Neuen Markt zum Zeitpunkt des Platzens der Bubble der Fall war. Dies können z.B. den Erwartungen widersprechende Unternehmensdaten sein.

Eine Kaskade kann aber auch dadurch zusammenbrechen, weil eine oder mehrere Personen ein abweichendes Verhalten zeigen, was zu der Vermutung führen wird, dass sie über präzisere Informationen verfügt als alle anderen. ,,Sie legt daher ein großes Gewicht auf die eigene Information und handelt nach dieser. Dann besteht ein Anreiz für nachfolgende Individuen, die Entscheidung dieses Individuums zu imitieren, auch wenn sie der gebildeten Kaskade widerspricht." (Hirth et al., 2001, S.8)

4.3 Handlungs- und Abwehrstrategien

Wie bereits erwähnt, kann Herdenverhalten durchaus rational begründet sein ebenso wie das Folgen einer Herde, die sich offensichtlich irrational verhält. Dabei sollte dem Anleger das Risiko eines solchen Verhaltens bewusst sein. Das Verlustrisiko ist vor allem im Falle von irrationalem Herdenverhalten groß, was viele Anleger in den letzten zwei Jahren zu spüren bekamen.

Zum anderen sollte man den Aussagen von Analysten und den Investitionsentscheidungen von Fondsmanagern nicht immer blind vertrauen, da auch sie durchaus rationale Gründe haben, einer irrationalen Herde zu folgen. Eine noch offene und schwierig zu lösende Frage ist natürlich, inwieweit man die Anreize der Analysten und Fondsmanager ändern kann, um zu vermeiden, dass auch sie sich an irrationalem Herdenverhalten beteiligen, was angesichts ihrer ,,Vorbildfunktion" ziemlich bedenklich ist. Anlegern sei geraten, ,,sich der Anreizproblematik bewusst zu sein, sofern die Empfehlungen und das Verhalten dieser Personengruppe bei der eigenen [Investitions-] Entsche idung eine Rolle spielen sollen." (Nöth et al., 2001, S.17)

,,An dieser Stelle kann der Privatanleger, Fondsmanager oder Analyst beweisen, dass er klüger als die Schafe in einer Schafherde ist." (Nöth et al., ebd.)

5 Fazit

Fasst man die dargestellten Effekte zusammen und macht sich bewusst, dass diese nur einen Ausschnitt der Behavioral Finance Erkenntnisse darstellen, sollte klar erkennbar sein, dass die Börse, wie schon Kostolany erkannte, stark von der Psychologie des Einzelnen und der Herde beeinflusst wird. Interessant ist dabei, dass nicht nur unerfahrene Anfänger sondern auch Börsen- und Finanzprofis Entscheidungen nicht immer rational anhand von Fakten und Zahlen treffen. Diese Arbeit sollte aufzeigen, dass die Kenntnis der psychologischen Einflüsse nicht die eigene Professionalität in Frage stellen sollte, sondern zur Vermeidung von Fehlern und zur Steuerung anderer eingesetzt werden kann.

Gerade in Zeiten wie diesen können die Ansätze der Behavioral Finance ergänzend genutzt werden, um nicht selbst Opfer von Boom und Crash zu werden, wie es so vielen unerfahrenen und auch professionellen Anlegern bekanntermaßen in den letzten zwei Jahren und auch schon vor Jahrhunderten erging.

6 Literaturverzeichnis

- Goldberg, J. (2002, Juni 20.). Behavioral Finance. URL: http://www.cognitrend.de
- Hirth, H. und Walter, A. (2001): Rationales Herdenverhalten. Wirtschaftswissenschaftliches Studium - WiSt, Jg. 30, Heft 1, S. 17-22.
- Koschlitzki, N. (2001). Bubbles gestern, heute, morgen: Ein Versagen der Bewertungsmodelle? Seminararbeit. Johann Wolfgang Goethe Universität. Frankfurt am Main.
- Langer, T. und Weber, M. (1999). Eins plus eins ist mehr als zwei. Die Bedeutung von Splitting-Effekten für die Finanzmärkte. Reihe Forschung für die Praxis, Band 5. Behavioral Finance Group. Universität Mannheim.
- Mewis, H. (2001). Die Kraft des Herdenverhaltens. WZB-Mitteilungen, 92, S. 29-31. URL: http://www.wz-berlin.de/publikation/periodika.de.htm
- N ö th, M. und Weber, M. (2001). Rationales und irrationales Herdenverhalten. Reihe Forschung für die Praxis, Band 12. Behavioral Finance Group. Universität Mannheim.
- Odean, T. (1998): Are Investors Reluctant to Realize Their Losses?, Journal of Finance, vol. 53, 1775-1798.
- Vossmann, F. und Weber, M. (1999). Der Dispositionseffekt: Vom merkwürdigen Charme der Verlierer. Reihe Forschung für die Praxis, Band 3. Behavioral Finance Group. Universität Mannheim.

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Details

Title
Dispositionseffekt, Splitting-Effekte und Herdenverhalten
College
University of Mannheim
Course
Psychologie der Finanzmärkte
Grade
1,3
Author
Year
2002
Pages
11
Catalog Number
V107032
ISBN (eBook)
9783640053070
File size
513 KB
Language
German
Notes
Psychologische Theorien werden auch zur Erklärung des Verhaltens an der Börse immer wichtiger, dies ist Aufgabe der Behavioral Finance. Diese Arbeit soll drei der verschiedenen psychologischen Effekte und deren Erklärungsansätze vorstellen und mögliche Handlungsstrategien zur Vermeidung der Fehler anbieten, den Dispositionseffekt, den Splitting Effekt sowie die Macht des Herdenverhaltens.
Keywords
Dispositionseffekt, Splitting-Effekte, Herdenverhalten, Psychologie, Finanzmärkte
Quote paper
Judit Drimal (Author), 2002, Dispositionseffekt, Splitting-Effekte und Herdenverhalten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107032

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