Die Grundprinzipien des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG)


Dossier / Travail, 2002

32 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Gesetzestext: Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Abschnitt 1: Allgemeines

1. Einleitung
1.1 Grundzüge des BSHG
1.2 Stellung des Hilfeberechtigten im BSHG
1.3 Sozialhilferecht und Sozialgesetzbuch
1.4 Sozialhilfe im System der sozialen Sicherung
1.4.1 Sozialhilfe und Sozialversicherung
1.4.2 Sozialhilfe und soziale Entschädigung
1.4.3 Sozialhilfe und Jugendhilfe

2. Grundprinzipien des BSHG
2.1 Prinzip der Bedarfsdeckung (§1 BSHG)
2.2 Prinzip der Aktivierung zur Selbsthilfe (§1 Abs.2 Satz2 BSHG)
2.3 Prinzip des Nachrangs (§2 BSHG)
2.3.1 Selbsthilfe
2.3.2 Hilfe von anderen
2.3.3 Praxis
2.4 Prinzip der Individualisierung – Wunsch- und Wahlrecht (§§3,7 BSHG)
2.4.1. Das Individualisierungsprinzip
2.4.2. Das Wunsch- und Wahlrecht
2.4.3. Wunschrecht und Bekenntnisfreiheit
2.5 Prinzip der Leistungspflicht – Anspruch auf Sozialhilfe (§4 BSHG)
2.6 Prinzip des Tätigwerdens von Amts wegen – Einsetzen der Sozialhilfe (§ 5 BSHG)
2.7 Prinzip des Vorrangs der freien Wohlfahrtspflege – Verhältnis zu freien Wohlfahrtspflege (§10 BSHG)

3. Armut und BSHG
3.1 Armutsbegriffe
3.2 Armutspolitik und deutsches Sozialstaatsmodell

4. Zusammenfassung

5. Literatur

Bundessozialhilfegesetz (BSHG)

in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, 2975),
zuletzt geändert durch das Vierte Gesetz zur Änderung
des Elften Buches Sozialgesetzbuch (BGBl. I S. 1656)*

*) Die letzte Änderung des Gesetzes ist mit Wirkung vom 1. August 1999 in Kraft getreten. Soweit einzelne Regelungen später in Kraft treten oder außer Kraft treten, ist dies in der jeweiligen Fußnote vermerkt[1]

Abschnitt 1: Allgemeines

§ 1 Inhalt und Aufgabe der Sozialhilfe

(1) Die Sozialhilfe umfaßt Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen.
(2) Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Hilfe soll ihn soweit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; hierbei muß er nach seinen Kräften mitwirken.

§ 2 Nachrang der Sozialhilfe

(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die jedoch kein Anspruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Gesetz entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

§ 3 Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles

(1) Art, Form und Maß der Sozialhilfe richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach der Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen. Wird die Leistung an den Hilfeempfänger durch eine Einrichtung erbracht, ist durch die Vereinbarung nach Abschnitt 7 zu gewährleisten, daß diese Leistung den Grundsätzen des Satzes 1 entspricht.
(2) Wünschen des Hilfeempfängers, die sich auf die Gestaltung der Hilfe richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen des Hilfeempfängers, die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung zu erhalten, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls erforderlich ist, weil andere Hilfen nicht möglich sind oder nicht ausreichen und wenn mit der Anstalt, dem Heim oder der gleichartigen Einrichtung Vereinbarungen nach Abschnitt 7 bestehen. Der Träger der Sozialhilfe braucht Wünschen nicht zu entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.
(3) Auf seinen Wunsch soll der Hilfeempfänger in einer solchen Einrichtung untergebracht werden, in der er durch Geistliche seines Bekenntnisses betreut werden kann.

§ 3a Vorrang der offenen Hilfe

Die erforderliche Hilfe ist soweit wie möglich außerhalb von Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen zu gewähren. Dies gilt nicht, wenn eine geeignete stationäre Hilfe zumutbar und eine ambulante Hilfe mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen.

§ 4 Anspruch auf Sozialhilfe

(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit dieses Gesetz bestimmt, daß die Hilfe zu gewähren ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.
(2) Über Form und Maß der Sozialhilfe ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit dieses Gesetz das Ermessen nicht ausschließt.

§ 5 Einsetzen der Sozialhilfe

(1) Die Sozialhilfe setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, daß die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen.
(2) Wird einem nicht zuständigen Träger der Sozialhilfe oder einer nicht zuständigen Gemeinde im Einzelfall bekannt, daß Sozialhilfe beansprucht wird, so sind die darüber bekannten Umstände dem zuständigen Träger der Sozialhilfe oder der von ihm beauftragten Stelle unverzüglich mitzuteilen und vorhandene Unterlagen zu übersenden. Ergeben sich daraus die Voraussetzungen für die Gewährung, ist für das Einsetzen der Sozialhilfe die Kenntnis der nicht zuständigen Stelle maßgebend.

§ 6 Vorbeugende Hilfe, nachgehende Hilfe

(1) Die Sozialhilfe soll vorbeugend gewährt werden, wenn dadurch eine dem einzelnen drohende Notlage ganz oder teilweise abgewendet werden kann. Die Sonderbestimmung des § 36 geht der Regelung des Satzes 1 vor.
(2) Die Sozialhilfe soll auch nach Beseitigung einer Notlage gewährt werden, wenn dies geboten ist, um die Wirksamkeit der zuvor gewährten Hilfe zu sichern. Die Sonderbestimmung des § 40 geht der Regelung des Satzes 1 vor.

§ 7 Familiengerechte Hilfe

Bei Gewährung der Sozialhilfe sollen die besonderen Verhältnisse in der Familie des Hilfesuchenden berücksichtigt werden. Die Sozialhilfe soll die Kräfte der Familie zur Selbsthilfe anregen und den Zusammenhalt der Familie festigen.

§ 8 Formen der Sozialhilfe

(1) Formen der Sozialhilfe sind persönliche Hilfe, Geldleistung oder Sachleistung.
(2) Zur persönlichen Hilfe gehört außer der Beratung in Fragen der Sozialhilfe (§ 14 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) auch die Beratung in sonstigen sozialen Angelegenheiten, soweit letztere nicht von anderen Stellen oder Personen wahrzunehmen ist. Wird Beratung in sonstigen sozialen Angelegenheiten auch von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege wahrgenommen, ist der Ratsuchende zunächst hierauf hinzuweisen.

§ 9 Träger der Sozialhilfe

Die Sozialhilfe wird von örtlichen und überörtlichen Trägern gewährt.

§ 10 Verhältnis zur freien Wohlfahrtspflege

(1) Die Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie der Verbände der freien Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben und ihre Tätigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben werden durch dieses Gesetz nicht berührt.
(2) Die Träger der Sozialhilfe sollen bei der Durchführung dieses Gesetzes mit den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeiten und dabei deren Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben achten.
(3) Die Zusammenarbeit soll darauf gerichtet sein, daß sich die Sozialhilfe und die Tätigkeit der freien Wohlfahrtspflege zum Wohle des Hilfesuchenden wirksam ergänzen. Die Träger der Sozialhilfe sollen die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe angemessen unterstützen.
(4) Wird die Hilfe im Einzelfalle durch die freie Wohlfahrtspflege gewährleistet, sollen die Träger der Sozialhilfe von der Durchführung eigener Maßnahmen absehen; dies gilt nicht für die Gewährung von Geldleistungen.
(5) Die Träger der Sozialhilfe können allgemein an der Durchführung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz die Verbände der freien Wohlfahrtspflege beteiligen oder ihnen die Durchführung solcher Aufgaben übertragen, wenn die Verbände mit der Beteiligung oder Übertragung einverstanden sind. Die Träger der Sozialhilfe bleiben dem Hilfesuchenden gegenüber verantwortlich.

1. Einleitung

Als Bestandteil einer umfassenden Sozialleistungsreform wurde der Entwurf eines Bundessozialhilfegesetzes von der Bundesregierung am 20. April 1960 im Bundestag eingebracht, am 4. Mai 1961 hat der Bundestag das Gesetz verabschiedet, der Bundesrat hat dem Gesetz am 26. Mai 1961 zugestimmt und es trat am 1. Juni 1962 in Kraft.

Bis zu diesem Zeitpunkt galt das alte Fürsorgerecht, welches im Wesentlichen auf der Verordnung über die Fürsorgepflicht (RFV) und auf den Reichsgrundsätzen über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge (RGr.), beide aus dem Jahre 1924, beruhte.

In dieser Arbeit soll es, nach einem kurzen allgemeinen Überblick, um die wichtigsten Grundprinzipien des Bundessozialhilfegesetzes gehen. Am Ende derselbigen Arbeit werden wir versuchen, einen Zusammenhang zwischen den Grundprinzipien des BSHG einerseits und ihrer praktischen Anwendung andererseits, herzustellen und wir werden versuchen herauszufinden, inwieweit das BSHG geeignet ist, Menschen in Armutssituationen aufzufangen und wieder herauszuhelfen.

1.1 Grundzüge des BSHG

Das in der Bundesrepublik bestehende gegliederte Sozialleistungssystem beruht auf einer Dreiteilung: Versicherung – Versorgung – Fürsorge.

In der nachfolgenden Tabelle werden in einer übersichtlichen Form die drei Säulen des Sozialleistungssystems der BRD nach Voraussetzungen, Vorgehen, Leistungsformen und Finanzierungsart unterschieden:

Die drei Strukturprinzipien sozialer Sicherung [2]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Sozialhilfe ist eine nachrangige Leistung (Nachrang §2 BSHG) - sie kann nicht eingreifen, wenn sich der Hilfesuchende selbst helfen kann oder ausreichende Leistungen von dritter Seite erhält (d. h. Sozialhilfe ist nachrangig gegenüber jeder anderen möglichen Hilfe, sei es Selbsthilfe oder Hilfe durch Dritte). Die Hilfe ist unabhängig von der Zugehörigkeit des Hilfeempfängers zu einer Personengruppe, sie ist nicht an die Forderung geknüpft, daß der Hilfeempfänger bereits Vorleistungen erbracht bzw. daß er vorher Beiträge oder Steuern für diese Sozialleistung eingezahlt hat. Sie orientiert sich nur an der aktuellen Notlage (nach der Ursache dafür wird nicht gefragt) und wird nicht für die Vergangenheit bewilligt.

Die Hilfe hat sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu richten, wobei den berechtigten Wünschen des Hilfeempfängers hinsichtlich der Ausgestaltung der Hilfe weitgehend entsprochen werden soll ( Individualisierung, Wunsch- und Wahlrecht §§ 3,7 BSHG). Schematische Hilfeleistung ist der Sozialhilfe grundsätzlich fremd. Die Leistungsformen können Geld- und Sachleistungen, sowie personenbezogene soziale Dienste umfassen. Finanziert wird die Sozialhilfe über Steuern.

Der Anspruch auf Sozialhilfe (§4 BSHG) räumt dem Hilfesuchenden einen klagbaren Rechtsanspruch auf die Hilfe ein, soweit es sich um die Muß-Leistungen der Sozialhilfe handelt. Der Anspruch besteht jedoch nur dem Grunde nach, nicht auch hinsichtlich der Art und des Umfangs der Leistungen. Aber auch Ermessensentscheidungen, hinsichtlich Soll- und Kann- Leistungen, müssen begründet werden.

Das Eintreten der Träger der Sozialhilfe ist nicht von einem Antrag abhängig (Einsetzen der Sozialhilfe §5 BSHG) - sie haben von Amts wegen einzutreten, wenn ihnen ein Notstand, der Leistungen nach dem BSHG auslösen kann, bekannt wird.

a) Dem BSHG liegt das sogenannte Bedarfsdeckungsprinzip (§1 BSHG u.a.) zugrunde, also nur ein echter Bedarf kann durch Leistungen der Sozialhilfe gedeckt werden. In Abschnitt 2.1. dieser Arbeit gehen wir ausführlich darauf ein.

Das BSHG unterscheidet zwischen 2 Formen der Hilfe:

1. Sicherstellung des reinen Existenzminimums = Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU)
2. Leistungen für qualifizierte Bedarfstatbestände durch eine Reihe eingehend geregelter Hilfearten (Schwerpunkt) = Hilfe in besonderen Lebenslagen (HbL)

Die wesentliche Neuerung gegenüber dem alten Fürsorgerecht ist nicht in dem Katalog der einzelnen Leistungen zu sehen, sondern in den für diese Hilfe geltenden besonderen Einkommensgrenzen, die von der herkömmlichen fürsorgerechtlichen Bedürftigkeitsgrenzen erheblich abweichen. Bei solchen Situationen ist also regelmäßig davon auszugehen, daß der Hilfesuchende zwar in der Lage ist, für seinen laufenden Lebensunterhalt aufzukommen, jedoch die Aufbringung der Mittel zur Bestreitung eines besonderen (einmaligen oder laufenden) Bedarfs über seine Kräfte hinausgeht. Hilfe in besonderen Lebenslagen kann also auch - je nach den Umständen des Einzelfalles - noch gewährt werden, wenn das Einkommen die maßgebende Einkommensgrenze wesentlich übersteigt. Einige Leistungen, bei denen die persönliche Hilfe im Vordergrund steht, werden zudem ohne Rücksicht auf vorhandenes Einkommen oder Vermögen gewährt.

Das BSHG versucht einen Mittelweg zwischen Gleichheitssatz und Rechtsanspruch auf der einen Seite und Ermessensspielraum und Individualhilfe auf der anderen Seite zu finden.

Die Ausbildungshilfe (§§ 31-35 BSHG) wurde durch das 2. HStruktG (Haushaltsstrukturgesetz) vom 22. Dezember 1981 mit Wirkung vom 1. Januar 1982 ersatzlos gestrichen.

[...]


[1] http://home.t-online.de/home/Sozialgesetzbuch/buch/bshgs1.htm

[2] Böhnisch, L., Arnold, H., Schröer, W., 1999: Sozialpolitik. Weinheim und München. S. 217

Fin de l'extrait de 32 pages

Résumé des informations

Titre
Die Grundprinzipien des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG)
Université
Dresden Technical University  (Erziehungswissenschaften/ Sozialpädagogik)
Cours
BSHG und Armut
Note
1,7
Auteur
Année
2002
Pages
32
N° de catalogue
V10740
ISBN (ebook)
9783638170871
Taille d'un fichier
616 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bundessozialhilfegesetz, BSHG, Grundprinzipien, Individualitätsprinzip, Nachrang
Citation du texte
Stefanie Fischer (Auteur), 2002, Die Grundprinzipien des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10740

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