Obwohl sich heutzutage die Kirchen immer mehr leeren, Gottesdienstangebote abgebaut werden und entsprechend der Markt und die Verdienstmöglichkeiten immer kleiner werden, dürfen sich die Kirchenmusiker daran erfreuen, dass sie musikalisch gesehen, die Freiheit geniessen, Werke zur Aufführung zu bringen, die ihnen persönlich richtig und zum jeweiligen kirchlichen Anlass passend erscheinen. Ebenso ist es jedem Kirchenmusiker freigestellt, wie er seinen Kirchenjob ergänzt, sei dies mit Unterrichten, Konzerttätigkeit oder einer ganz anderen Beschäftigung.
Neu-Kompositionen unterliegen keinen stilistischen Grenzen; ob experimentell oder konservativ, man kann fast alles vermarkten, und entsprechend gross ist auch die Palette an „neuer“ Musik.
Suchte man bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Harmonie und komponierte nach mehr oder weniger strengen Regeln, so brachte die Jahrhundertwende die musikgeschichtlich richtige Konsequenz, dass die Tonalität erweitert wird, tonale Zentren die Bedeutung verlieren, neue Kompositionstechniken entwickelt und elektronische Reproduktionsmittel eingesetzt werden.
Als junger Kirchenmusiker, der die künstlerische Freiheit schätzt, die im heutigen Arbeitsumfeld herrscht, stelle ich mir die Frage: „Wie ist es, wenn die Politik Einfluss auf die Künste nimmt und die Individualität zu Gunsten eines vermeintlichen Allgemeinwohls eingeschränkt wird?“. Diese Frage stellt sich insbesondere, wenn die Politik dann das Kulturschaffen beeinflusst, während eine kulturelle Revolution stattfindet.
Weiter stellt sich die Frage, inwiefern die weltliche Politik die Kirche beeinflussen kann, die ja selber auch Interesse daran hat, ihre „Schäfchen“ nicht zu verlieren und sie entsprechend führen muss.
Im Folgenden soll das kirchenmusikalische Schaffen und Wirken in Deutschland in der Zeit von 1933-1945, also der Periode der Nazi-Diktatur, untersucht werden. Ein spezielles Augenmerk kommt dabei der evangelischen Kirchenmusik zu, da die Quellenlage auf katholischer Seite äusserst unbefriedigend ist und die Wirkung der katholischen Kirchenmusik nicht annähernd die gleiche Bedeutung erlangt hat.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Die Rolle der christlichen Kirchen
- Die katholische Kirche und das Reichskonkordat
- Die evangelische Kirche spaltet sich
- Anstellungsfragen
- Die arische Abstammung
- Würde und stilistische Orientierung des Kirchenmusikers
- Von Beruf Kirchenmusiker
- Die Situation der Kirchenmusik und der Künstler
- Politische Versprechen und Realität
- Chorwesen
- Komponisten
- Die Orgel im Dienst der Kirche und der Propaganda
- Epilog
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das kirchenmusikalische Schaffen in Deutschland während der NS-Diktatur (1933-1945), mit besonderem Fokus auf die evangelische Kirche. Es wird analysiert, wie die politische Einflussnahme auf die Kunst und die Individualität der Kirchenmusiker wirkte und wie die Kirche selbst auf die weltpolitische Lage reagierte.
- Der Einfluss des Nationalsozialismus auf die Kirchenmusik
- Die Rolle der katholischen und evangelischen Kirche im NS-Staat
- Die Auswirkungen der NS-Ideologie auf die Anstellung und die künstlerische Freiheit von Kirchenmusikern
- Die Auseinandersetzung innerhalb der evangelischen Kirche (Deutsche Christen vs. Bekennende Kirche)
- Die politische Instrumentalisierung der Kirchenmusik
Zusammenfassung der Kapitel
Das Vorwort beleuchtet den Kontrast zwischen der heutigen künstlerischen Freiheit von Kirchenmusikern und den Einschränkungen während des Nationalsozialismus. Das Kapitel über die Rolle der christlichen Kirchen beschreibt die unterschiedlichen Reaktionen der katholischen und evangelischen Kirche auf das NS-Regime, insbesondere das Reichskonkordat und die Spaltung innerhalb der evangelischen Kirche. Die folgenden Kapitel befassen sich mit den Auswirkungen der NS-Ideologie auf die Anstellung von Kirchenmusikern, ihre künstlerische Freiheit und die politische Instrumentalisierung der Kirchenmusik, einschließlich der Entwicklungen im Chorwesen und bei den Komponisten. Das Kapitel über die Orgel beschreibt deren Verwendung im Dienste der Kirche und der Propaganda.
Schlüsselwörter
Kirchenmusik, Nationalsozialismus, Deutschland, 1933-1945, Evangelische Kirche, Katholische Kirche, Reichskonkordat, Deutsche Christen, Bekennende Kirche, Künstlerische Freiheit, Politische Einflussnahme, Propaganda, Anstellungspolitik.
- Arbeit zitieren
- Thomas Halter (Autor:in), 2003, Kirchenmusik während des Nationalsozialismus in Deutschland 1933-1945, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108441