Grundlagen des Notenlesens und Umsetzung in exemplarischen Akkordeonschulen


Term Paper, 2002

30 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsvezeichnis

Ansatz und Inhalt

1. Grundlagen des Spiels nach Noten

2. Analyse exemplarischer Akkordeon-Schulen im Hinblick auf das Erlernen des Notenlesens
2.1. Einleitung
2.2. Analyse
a) M II 2.2.1. Die Akkordeonfibel Bd.1 von Hans Lüders
2.2.2. Das „Akkordeonschulwerk“ Bd. 1 von Margot Eisenmann
2.2.3. Die „Schule für Piano-Akkordeon“ Bd. 1 von Hans Luck u.a
b) M III 2.2.4. Die „Akkordeonschule für die Jugend“ von M.Ellegaard u.a
2.2.5. Das „Akkordeonbuch für Anfänger“ von Eleonora Santo
2..3. Zusammenfassung

3. Möglichkeiten für die Förderung der für das Spiel nach Noten erforderlichen Teilfähigkeiten

Anhang : Literatur

Ansatz und Inhalt

Das Spiel nach Noten im Instrumentalunterricht mit Anfängern ist ein umstrittenes und viel diskutiertes Thema. Dabei geht es nicht nur darum, wie Kinder das Spiel nach Noten am leichtesten erlernen und warum, sondern ob sie es überhaupt von Anfang an lernen sollten.

Bei Kindern, die noch nicht oder nur geringfügig lesen können, entwickeln sich z.B. motorische, musikalische und mentale Fähigkeiten wesentlich schneller und qualitativ besser, wenn der Lernprozess zunächst auf der visuellen und auditiven Nachahmung des Lehrers basiert. Das Spiel nach Noten hingegen ist schwerer, dauert also länger und zögert die Entwicklung musikalischen Könnens hinaus. Das Erlernen des Notenlesens, vor allem aber das eigentliche Spiel nach Noten kann jedoch sehr problematisch sein, wenn es nicht früh genug angefangen und mit Ausdauer und einer guten Methode vermittelt wird.

In allen Schulen für Instrumentalanfänger im Fach Akkordeon wird sofort mit dem Spiel nach Noten begonnen. Für Schüler, die nach der Suzuki-Methode unterrichtet worden sind und bereits über ein Repertoire von Stücken verfügen, wenn sie mit dem Spiel nach Noten beginnen, gibt es keinerlei Hilfsmittel für das Erlernen des Notenlesens, und der jeweilige Pädagoge steht vor der schwierigen Aufgabe, basierend auf oft jahrzehntelanger Erfahrung ein schlüssiges Konzept zu entwickeln.

Hinzu kommt, dass es über das Notenlesen bislang keine Literatur gibt, da es noch nicht erforscht ist und nur wenige vereinzelte Darstellungen von Erfahrungen und deren Reflexion zum theoretischen Studium zur Verfügung stehen.

In der vorliegenden Arbeit werden zunächst die Fähigkeit des Notenlesens untersucht und ihre Grundlagen aufgeschlüsselt dargestellt. Im zweiten Kapitel werden die verschiedenen Konzepte der wichtigsten und am weitesten verbreiteten Akkordeon-Schulen im Hinblick auf das Erlernen des Notenlesens analysiert. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick darüber zu schaffen, welche Anforderungen an ein für das Erlernen des Notenlesens und speziell für Kinder geeignetes Heft zu stellen sind und wie diese im Einzelnen umgesetzt werden können.

1. Grundlagen des Spiels nach Noten

Das Spiel nach Noten erfordert eine Reihe von Teilfähigkeiten, die einzeln und im gleichzeitigen Miteinander beherrscht werden müssen.

Martin Gellrich schlüsselt folgende sechs Teilfertigkeiten auf (1):

- Der Schüler muss das Instrument richtig halten und die erforderlichen Spielbewegungen ausführen können.
- Da er die Augen auf den Notentext richtet, muss der Schüler sich auf dem Instrument blind orientieren können.
- Der Schüler muss in der Lage sein, Tonhöhen und Rhythmen richtig zu lesen.
- Noten muss der Schüler in Griffe umsetzen können.
- Das Gelesene muss innerlich gehört werden können.
- Das innerlich Gehörte muss der Schüler in Griffe auf dem Instrument übertragen können.

Voraussetzung hierfür sind nach Gellrich wiederum das Vorhandensein einer inneren Klangvorstellung sowie die Fähigkeit des Schülers, sich beim Spielen zuzuhören, das Gespielte im Gedächtnis zu behalten und zu prüfen, ob das Gespielte bzw. im Gedächtnis Behaltene mit der inneren Klangvorstellung übereinstimmt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Bild (nach Gellrich, mit Veränderung der Ziffern) veranschaulicht das Zusammenwirken aller Teilfähigkeiten beim Spielen nach Noten. Die Pfeile symbolisieren folgende Vorgänge:

1 Zuhören beim eigenen Spiel
2 Spiel nach Gehör
3/4 Vergleich des Gespielten mit der musikalischen Vorstellung
5 direktes Umsetzen von Gelesenem in das Greifen
6 Noten schreiben
7 Generieren einer musikalischen Vorstellung aus dem Lesen

Gellrich fügt hinzu, das Spiel nach Noten funktioniere auf zwei Wegen: Bei Weg Nr.1 werde das Gelesene direkt in Griffe umgesetzt, bei Weg Nr.2 werde das Gelesene erst innerlich gehört und anschließend gespielt. Beide Wege seien gleichermaßen wichtig und müssten beim Schüler ausgebildet werden. Die erste der beiden Möglichkeiten nach Noten zu spielen werde dann eingesetzt, wenn ein Stück neu gelernt werden soll. Die zweite hingegen werde in einem späteren Übestadium angewendet. (1)

Das Spiel nach Noten ist komplex und schwierig, und gerade im Anfangsunterricht kommen die Schüler nur sehr langsam vorwärts, wenn sie alle diese neu zu erlernenden Fähigkeiten gleichzeitig umsetzen sollen. Daher ist ein Anfangsunterricht naheliegend, der in Abschnitte geteilt ist, in denen die einzelnen Fertigkeiten zunächst jeweils nebeneinander entwickelt werden, bevor sie dann gleichzeitig zu üben sind.

Eine effektive Methode, das Spiel nach Noten zu vermitteln, muss sich daher jeder einzelnen dieser Teilfähigkeiten intensiv widmen und diese nach und nach zusammenführen, bis das eigentliche Spiel nach Noten beginnen kann.

2. Analyse exemplarischer Akkordeon-Schulen im Hinblick auf das Erlernen des Notenlesens

2.1. Einleitung

Die im ersten Kapitel aufgeschlüsselten verschiedenen Teilfähigkeiten des Spiels nach Noten unterscheiden sich unter anderem dadurch, ob der direkte Umgang mit Noten darin enthalten ist oder nicht. So sind zum Beispiel für die Orientierungsfähigkeit auf dem Instrument oder das Hören und Bewerten des eigenen Spiels keine Noten erforderlich, während für das richtige Lesen von Tonhöhen und Rhythmen oder das Umsetzen von Gelesenem in Griffe Noten unverzichtbar sind. Ausgehend von der Tatsache, dass eine Instrumentalschule nicht alles leisten kann und auch nicht alles leisten muss, was zum Erlernen des Spiels nach Noten erforderlich ist, muss der Anspruch an eine solche Schule relativiert werden. Sie ist vielmehr als Hilfsmittel gedacht, die ein Instrumentalpädagoge innerhalb seines methodischen Konzeptes verwenden kann. Das heißt, dass die Fähigkeiten, die ohne Noten erlernt werden können, durchaus nicht unbedingt in einer Schule berücksichtigt zu sein haben. Hingegen sollten alle die Teilfähigkeiten, für die man Noten braucht, mit Hilfe einer Schule entwickelt werden können. Das gilt vor allem für das Notenlesen selbst, das trotz seiner Abstraktheit möglichst kindgerecht vermittelt werden muss. Ferner werden das Umsetzen des Gelesenen in Griffe sowie das innerliche Hören des Gelesenen im Umgang mit dem von der Schule gestellten Angebot an Notenbeispielen geübt. Entsprechend sollte dieses gestaltet sein. Auch Aufgaben zum Notenschreiben, die innerhalb des von der Schule verwendeten Konzeptes gestellt sind, können sinnvoll sein, gehören allerdings nicht zwingend in eine Schule, denn analog zum Lesen- und Schreibenlernen in der Grundschule kann das Notenschreiben auch in einem Extraheft unter Anleitung des Instrumental- oder Theorielehrers stattfinden.

Oftmals ist die Schule, mit der ein Lehrer arbeitet, das einzige Material, das dem Schüler in den ersten Jahren seines Instrumentalunterrichts zur Verfügung gestellt wird. Die darin enthaltenen Notenbeispiele und Stücke bilden sein Repertoire und prägen die musikalische Entwicklung des Schülers. Je nachdem, wie mit Melodie, Rhythmus und Harmonik in den verschiedenen Stücken umgegangen wird, welchen Stellenwert Technik und musikalische Ausdrucksmittel darin haben und ob in ihrer Auswahl einer bestimmten Stilistik der Vorzug gewährt wurde, bilden sich das musikalische Wissen und Empfinden des Schülers heraus. Abgesehen vom richtigen Erlernen des Notenlesens sollte daher in einer guten Instrumentalschule verantwortungsbewusst mit dem großen Einfluss, den sie auf die Schüler hat, umgegangen werden.

Im Zentrum der folgenden Analyse einiger Schulen für Standard- bzw. Melodiebassakkordeon soll in erster Linie die Einführung der Notenschrift stehen. Jede hier ausgewählte Schule wird auf folgende Fragen hin untersucht:

- Wie wird die Musiknotation eingeführt?
- Geschieht dies instrumentengerecht
- und altersgerecht ?

Ferner sollen auch ggf. die speziellen Übungen für das Umsetzen von Gelesenem in Griffe bzw.

für das innerliche Hören von Gelesenem sowie die allgemeine musikalische Qualität und die Ausgewogenheit von technischem und musikalischem Anspruch berücksichtigt werden.

Untersucht werden die verschiedenen Konzepte der erfahrungsgemäß in Deutschland gegenwärtig am häufigsten verwendeten Standardbass- und Melodiebass – Akkordeonschulen im Unterricht mit Anfängern.

2.2.1. „Die Akkordeon – Fibel“ (Bd.1) von Hans Lüders

Die 1983 neuaufgelegte „ leichtverständliche(2) Schule ist laut Vorwort für Kinder und „den einfachen Musikliebhaber“ (2) eingerichtet und verspricht ebenda die Vermittlung einer instrumentengerechten Spieltechnik sowie einer „grundlegenden musikalischen Ausbildung“ (2) .

Sie ist für Standardbass-Akkordeon und ausdrücklich für den Anfangsunterricht mit Kindern oder Erwachsenen entwickelt worden und kann von letzteren auch zum Selbststudium genutzt werden. Anhand des Inhaltsverzeichnisses lässt sich eine Gliederung des Schulwerkes in vier Teile feststellen: Im Einführungsteil befinden sich Literaturvorschläge, Übersichtstabellen sowie Erklärungen zur Notenschrift, zur Haltung des Instrumentes und zur Balgführung (in dieser Reihenfolge). Für den gesamten Einleitungsteil werden insgesamt sechs Seiten des 48 Seiten umfassenden Heftes verwendet. Es folgen ein kurzer zweiter Teil (drei Seiten) mit ersten Spielübungen für die rechte Hand und ein noch kürzerer dritter Teil (zwei Seiten) mit ersten Spielübungen für die linke Hand. Ab da spielen beide Hände zusammen, und die Notenschrift wird parallel zum technisch-musikalischen Können schrittweise erweitert.

Im ersten Teil des Heftes sind die Grundlagen der Musiknotation dargestellt. Zwei DinA 4 – Seiten enthalten u.a. Informationen über das Fünfliniensystem, Tonhöhe und Tondauer, Zeilen und Zwischenräume, die Notennamen, über Partiturschreibweise, Violin- und Bassschlüssel, Notenwerte, Taktarten und Pausen.

Zwischen den verbalen Erläuterungen befinden sich außerdem alle erwähnten Dinge auch in bildlicher Darstellung. Auf einem der Bilder werden die Buchstabennoten den einzelnen Tasten zugeordnet und dabei Begriffe wie „zweigestrichene Oktave“ oder „kleines F“ eingeführt. In den ersten Spielübungen mit der rechten Hand, für die insgesamt zehn Notenbeispiele von jeweils einer Zeilenlänge vorgesehen sind, soll das neuerworbene Wissen verinnerlicht werden.

Für die linke Hand, der sechs Notenbeispiele von je einer Zeilenlänge gewidmet sind, wird sofort die in der Standardbassliteratur weit verbreitete „Tabulaturschrift“ verwendet, wobei unter einem Grundbass, also einem einzelnen Ton in der linken Hand, der entsprechende Großbuchstabe und unter einem Dur-Akkordbass der jeweilige Kleinbuchstabe steht.

Nachdem die linke Hand in den dafür vorgesehenen „ersten Spielübungen“ die sechs für die C-Dur – Kadenz erforderlichen Knöpfe ausprobieren konnte, beginnt das Zusammenspiel mit beiden Händen.

Hier wird die Musiknotation um Balgzeichen und Bindebogen erweitert. Nach vierzehn Stücken und Notenbeispielen von je ein bis zwei Zeilen Länge werden der Fünftonraum c1 – g1 oktaviert und dazu zwei Übungen angeboten. Gleich im Anschluss wird der Fingerwechsel bzw. das Unter- und Übersetzen eingeführt. Beide Techniken werden erklärt und können in speziellen Übungen mit den Tönen a1 und h1 ausprobiert werden. Die Oktave ist nun vollständig.

Vorzeichen werden im ersten Band nicht verwendet, alle Stücke und Notenbeispiele stehen in C-Dur.

Die Notation für die rechte Hand wird über den Fünftonraum in C-Dur und dessen Oktavierung bzw. Erweiterung eingeführt. Ein solcher Anfang ist für ein Piano-Akkordeon durchaus instrumentengerecht und bildet auch in vielen Klavierschulen den Kern des Konzeptes. Die linke Hand jedoch wird durch die Verwendung der Tabulaturschrift von Anfang an so einfach wie nur möglich behandelt.

Da das ganze Heft mit nur einer einzigen Tonart auskommt, benötigt der Schüler insgesamt nur sechs Knöpfe von mindestens zweiunddreißig, nämlich die der einfachen Kadenz in C-Dur.

Zudem muss der Schüler aufgrund der Tabulaturschreibweise nicht unbedingt die Note bzw. den Akkord im Notenbild erkennen, sondern braucht lediglich den Buchstaben unterhalb der Zeile zu lesen. Diese Praxis ist mit Sicherheit der Grund dafür, dass der größte Teil der Schüler, die Standardbass-Akkorden spielen, im Bassschlüssel notierte Töne nicht lesen können.

Die entsprechenden technischen und musikalischen Konsequenzen sollen an dieser Stelle nicht im Mittelpunkt stehen, nur so viel: während Klavierschulen, die nach einem ähnlichen Konzept beginnen wie diese Akkordeonschule, sehr bald die ersten Vorzeichen einführen, wird dem Akkordeonschüler, der nach Lüders Schule unterrichtet worden ist, die Tonart C-Dur technisch und musikalisch bald als die „natürliche“ Tonart erscheinen, eine subjektive Theorie, die später kaum mehr zu korrigieren ist. Dies im Allgemeinen als „instrumentengerecht“ zu bezeichnen wäre angesichts der Möglichkeiten des Akkordeons unangemessen.

Im Vorwort wird die Zielgruppe, an die die Schule von Hans Lüders gerichtet ist, als „das Kind und den einfachen Musikliebhaber“ (2) definiert. Über diese Kombination lässt sich angesichts der Tatsache streiten, dass ein einfacher Musikliebhaber etwas völlig anderes ist als ein Kind.

Die Arten des Lernens bei Erwachsenen und Kindern sind grundverschieden. Während Kinder nur über einen Bruchteil der Lernerfahrung eines Erwachsenen verfügen, sind erwachsene Schüler aufgrund ihrer Erfahrung und Spezialisierung im Alltag in ihren Lernmethoden bereits festgelegt. Da von Erwachsenen kognitives Denken weit häufiger gefordert wird als die Lösung gestalterischer und kreativer Aufgaben, verstehen sie zwar abstrakte Zusammenhänge besser als Kinder, sind aber weit weniger flexibel und experimentierfreudig. Hinzu kommt, dass die Lernfähigkeit im Bereich der Motorik bei Erwachsenen wesentlich langsamer ist als bei Kindern *.

Kinder dagegen werden oft von Erwachsenen unterschätzt, vor allem, wenn sie nur nach ihrem Abstraktionsvermögen beurteilt werden. In Wirklichkeit sind sie in ihrer Aufnahmefähigkeit den Erwachsenen weit überlegen, da das vielfältige Potenzial, das noch entfaltet werden soll und das Kinder auch von Natur aus entfalten wollen **, aufgrund ihrer erst kurzen Lebenszeit kaum Gelegenheit hatte zu verkümmern ***.

Prinzipiell muss also der pädagogische Ansatz bei der Zusammenarbeit mit Kindern ein völlig anderer sein als der bei der Arbeit mit Erwachsenen.

Lüders versucht in seiner Schule durchaus, den Stoff kindgerecht darzustellen, indem er zahlreiche Illustrationen einfügt. Auch der zweifarbige Druck und die leicht verständlichen bildlichen Darstellungen theoretischer Zusammenhänge (beispielsweise der Notenwerte eines 4/4 – Taktes auf S.7) kommen Kindern entgegen. Die verbalen Erklärungen hingegen sind in sehr kleiner Schrift und auf zu engem Raum untergebracht, so dass ein Kind, das vielleicht gerade erst lesen lernt, nur wenig oder gar nichts damit anfangen kann.

Die Texte selbst vereinfachen den Inhalt teilweise extrem, was vermutlich im Interesse der Kinder geschieht, sind jedoch mitunter zu einfach und nicht mehr korrekt.

* vgl.: „Psychologie des Instrumentalunterrichts“ (Nicolai Petrat) Bosse-Verlag 2000

** vgl.: „Kinder sind anders“ (Maria Montessori) dtv 1550

*** vgl.: „Innenansichten eines Artgenossen“ (Kap. „Hirn und Wirklichkeit“) (Hoimar v. Dithfurt) dtv 1990 Beispielsweise „genügen zur Kennzeichnung aller Töne 7 Buchstaben des Alphabetes“ (3). Dasmag für den „einfachen Musikliebhaber“ (2) genügen, ist jedoch von einer soliden musikalischen Ausbildung des Kindes weit entfernt.

Die Erläuterung der Notenschrift auf zwei DinA 4 – Seiten ist für Erwachsene, die Abstraktes schnell erfassen und sich merken können, sicher eine gute Grundlage für den Beginn des Notenlesens, für Kinder jedoch, die mit allen Sinnen lernen und jede neue Information mit ihren Händen, ihren Augen und Ohren verarbeiten, und die vor allem Spielen wollen anstatt nur darüber nachzudenken, ist diese Methode eher ungeeignet. Der kindliche Spiel- und Bewegungstrieb wird vielmehr gebremst und, polemisch ausgedrückt, in einen Vier-Viertel-Takt gepresst.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich allgemein auf den Stellenwert, dem das Notenlesen in Lüders Schule im Verhältnis zum eigentlichen Instrumentalspiel zukommt. Anhand der technischen und musikalischen Einfachheit der Notenbeispiele lässt sich erkennen, dass von einem Schüler ausgegangen wird, der gerade erst damit anfängt, Akkordeonspielen zu lernen.

Dieser Schüler ist nun nach dem Konzept dieses Heftes zunächst einmal damit beschäftigt, sich das auf den ersten beiden Seiten wenig kindgerecht dargestellte Wissen anzueignen, bevor er dann sein Instrument, immerzu bis 4 zählend, entdecken darf. Die Theorie ist der Praxis hier deutlich übergeordnet. Obwohl das nicht prinzipiell als falsch bezeichnet werden kann, da es sicher auch Unterrichtsphasen geben muss, in denen das Notenlesen und die Beschäftigung mit theoretischen Zusammenhängen im Mittelpunkt stehen, sind die ersten Instrumentalstunden eines lernfreudigen Kindes kein günstiger Zeitpunkt dafür. Denn diese Lernfreude bezieht sich primär auf das Musizieren selbst, nicht auf die abstrakte, für Kinder schwerer zugängliche Theorie. Im Gegensatz hierzu könnte die Motivation des Schülers durch erste schnelle und sichtbare Erfolge am Instrument, beispielsweise durch das Erlernen einiger leichter Kinderlieder nach Gehör, vervielfacht und dann für die schwierigeren Dinge, wie z.B. Notenlesen, genutzt werden.

Da für die beiden Teilfähigkeiten des innerlichen Hörens von Gelesenem bzw. des Umsetzens von Gelesenem in Griffe keine speziellen Übungen vorhanden sind und demnach wohl auf ein unbewusstes Erlernen derselben gesetzt wird, soll zum Abschluss der Analyse dieser Schule noch die Frage nach der Ausgewogenheit zwischen technischem und musikalischem Anspruch gestellt werden.

Prinzipiell sind Technik und musikalisches Ausdrucksvermögen nur schwer voneinander zu trennen, da es für letzteres nicht nur der Fähigkeit des Empfindens bedarf, sondern dieses auch am Instrument umgesetzt werden muss. Dafür ist ein hohes Maß an spielerischer Vielseitigkeit notwendig, besonders was die Gestaltung von Tönen und Tongruppen betrifft.

Die besten musikalischen Ideen müssen unverwirklicht bleiben, wenn der Spieler nicht in der Lage ist, bewusst mit Balgtechnik, Atmung, Körperbewegung und seinen Fingerbewegungen umzugehen. Dies alles ist im Zusammenhang mit dem Spielen der möglichst richtigen Töne weit schwerer als das bloße, vielleicht sogar schnelle Spielen der Töne und muss daher von Anfang an wesentlicher Bestandteil eines guten Akkordeonunterrichtes sein.

Eine Schule, der es lediglich um das Notenlesen und damit verbunden die Auswahl progressiv geordneter, für Akkordeon geeigneter Literatur geht, kann diese Dinge durchaus dem Lehrer überlassen, der mit ihr arbeitet. Denn ohne diesen wird auch die beste Schule einem Schüler Musikalität nicht vermitteln können, da das Hören und Nachahmen sowie die bewusste körperliche Erfahrung hierfür die wichtigste Rolle spielen und ohne die Hilfe eines Lehrers kaum zu erlernen sind. Manche Schulen gehen dennoch auf die einzelnen Techniken ein, die für musikalisches Spiel unverzichtbar sind, so z.B. auch die von Hans Lüders. Allerdings verrät diese ihren geringen musikalischen Anspruch schon dadurch, dass erst auf Seite 32 (von insgesamt 48) „die musikalischen Spielarten“ überhaupt zur Sprache kommen. Dafür werden hier auf einer Seite gleich eine ganze Reihe von Artikulations-, Vortrags-, Tempo- und Lautstärkebezeichnungen eingeführt. Die Art und Weise der kurz erklärenden Darstellung wirkt, ähnlich wie die Einführung der Musiknotation auf den ersten beiden Seiten des Heftes, eher wie eine für Erwachsene leicht verständliche Abhandlung als eine Lernhilfe für Kinder.

Von da an sind sämtliche folgenden Notenbeispiele mit entsprechenden Vortragsbezeichnungen gesäumt, was den Eindruck vermittelt, dass in allen vorhergehenden Notenbeispielen, die gemessen an ihrem Umfang mindestens ein Unterrichtsjahr eines durchschnittlichen Schülers füllen können, bewusst auf die Frage „Wie?“ verzichtet wurde. Dass diese Frage jedoch prinzipiell zu stellen ist, sollte keinem Schüler, gleich welches Instrument er erlernt, so lange vorenthalten werden, und erst recht dann nicht, wenn es sich um eine „grundlegende musikalische Ausbildung“ (2) handelt.

2.2.2. Das „Akkordeonschulwerk“ Bd. 1 von Margot Eisenmann,

Die Akkordeonschulen, die in den folgenden drei Kapiteln betrachtet werden sollen, verfolgen ein ähnliches Konzept wie die von Hans Lüders und werden daher weniger ausführlich analysiert. Die jeweiligen Parallelitäten werden lediglich aufgezählt, und nur auf Besonderheiten soll genauer eingegangen werden.

Im Vorwort des ersten Bandes des „Akkordeonschulwerkes“ äußert sich die Autorin Margot Eisenmann nicht darüber, an wen die Schule gerichtet ist. Aus den Notenbeispielen auf den ersten Seiten, in denen vorwiegend einfache Kinderlieder zitiert werden, sowie aus der Literatur- Empfehlung des Heftes „Für Kinder“ Heft 1 mit dem Vermerk „bis etwa acht Jahre“ auf Seite 9 lässt sich jedoch entnehmen, dass es sich um Kinder handelt, die jünger sind als acht Jahre, also entweder noch gar nicht oder gerade erst lesen lernen.

In dem zu dieser Schule dazugehörigen „Lehrerband“, ein Beiheft mit methodischen Kommentaren für den Instrumentallehrer, heißt es jedoch, die Grundhefte seien „ altersneutral gehalten(4) und könnten mit „ Kindern aller Altersstufen wie auch mit Erwachsenen verwendet werden(4). Hier zeigt sich ein im vorherigen Kapitel bereits ausführlich erörterter Ansatz, in dem nicht prinzipiell zwischen erwachsenem und kindlichem Lernen unterschieden wird und der sich in der Gestaltung einer Schule leicht zugunsten der Erwachsenen entfalten kann.

Tabellen, Erklärungen und Theorie eröffnen das Heft denn auch mit viel und sehr kleiner Schrift, ganz ähnlich, wie das in Lüders Schule der Fall ist. Auch hier wird zu Beginn der Spielübungen mit ganzen Noten von c1 im Fünftonraum angefangen, der später oktaviert und durch a1 und h1 ergänzt wird. Ebenso wie bei Lüders werden auch hier für alle Beispiele des ganzen Heftes keine Vorzeichen verwendet. Einige Stücke in G-Dur sind zwar vorhanden, aber so gesetzt, dass darin kein Ton mit Vorzeichen vorkommt. Etwas anders als Lüders verfährt Eisenmann hingegen mit der Behandlung der linken Hand.

Bevor die Akkordbässe eingeführt werden, lernt der Schüler die Töne c, G und d im Bassschlüssel zu lesen und zu spielen und muss dabei ohne Tabulaturschrift auskommen. Nach einigen Übungen mit beiden Händen wird das „Akkordwerk“ erklärt. Ab hier wird auch die Tabulaturschreibweise verwendet, allerdings nur für die Akkorde. Die Grundbässe muss der Schüler nach wie vor anhand der Noten erkennen, ebenso sich wiederholende Akkorde. Während Lüders, wenn z.B. viermal hintereinander der C-Dur-Akkord zu lesen ist, auch viermal den Buchstaben C darunter schreibt, steht er bei Eisenmann im selben Fall nur einmal am Anfang da, und der Schüler hat auf diese Weise wenigstens die Chance, Tonwiederholungen von wechselnden Tönen unterscheiden zu lernen. Leider handelt es sich nur um die Grundtöne der einfachen Kadenz von C-Dur. Die Erklärung des Akkordwerkes ist (nach Lüders sieben Buchstabennamen für alle Töne) ein weiteres Beispiel für unkorrekte Vereinfachung: „Den Zusammenklang von mindestens drei Tönen nennt man Akkord.“ (5) Auch hier wird kindliches Abstraktionsniveau mit dem eines dummen Erwachsenen verwechselt, und der Versuch einer kindgerechten, das heißt anschaulichen, greifbaren und korrekten Darstellung gar nicht erst unternommen. Die Differenzierung verschiedener musikalischer Spielweisen nimmt Eisenmann bereits von Anfang an vor. Diese werden nicht, wie bei Lüders, alle auf einmal erklärt, sondern nach und nach mit dafür vorgesehenen Spielübungen einbezogen, ein Zeichen dafür, dass ein musikalischer Anspruch von Seiten der Autorin prinzipiell vorhanden ist. Wie dieser im einzelnen aussieht, wird im Beiheft für Lehrer ausführlich beschrieben. Er ist je nach Geschmack und künstlerischer Orientierung des Lehrers zu diskutieren und soll an dieser Stelle ausgeklammert werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Margot Eisenmann in wesentlichen Punkten die selben oder ähnliche Fehler gemacht hat wie Lüders, vor allem, was die theoretisierende, wenig kindgerechte Grundanlage des Heftes angeht.

2.2.3. Die „Schule für Piano-Akkordeon“ Bd. 1 von Hans Luck, Horst Frühauf und Heinz Zeiske

Auch die Schule für „Piano-Akkordeon“ von Hans Luck u.a., die seit den sechziger Jahren in der ehemaligen DDR an nahezu allen Musikschulen im Akkordeonunterricht verwendet wurde, hat ein ähnliches Problem wie die beiden bisher betrachteten, nämlich den wenig kindgerechten Stil in der Darstellung des Lernstoffes. Die Erklärungen sind hier um ein Vielfaches ausführlicher, unvereinfacht und korrekt, was trotz aller Mühe der Autoren den diesbezüglichen Mangel nur vergrößert. Eine Zielgruppe wird im Vorwort nicht erwähnt. Auf Seite 11 heißt es im Kapitel über „die Sitzweise des Spielers und die Haltung des Instrumentes“: „Der Spieler sitzt aufrecht auf dem vorderen Teil des Stuhlsitzes. Der Oberkörper ist leicht nach vorn geneigt. Der linke Fuß wird etwas nach vorn, der rechte zurückgesetzt (...) . Kinder sollten eine ihrer Körpergröße entsprechende Sitzgelegenheit (...) verwenden, damit auch bei ihnen die richtige Sitzweise gewährleistet ist.“ (6). Demnach wird nicht prinzipiell von einer Verwendung dieser Schule im Unterricht mit Kindern ausgegangen, sondern mit Erwachsenen oder mit Kindern.

Die Einführung der Notenschrift erfolgt auch hier über lange Texte in kleiner Schrift, und ebenso wie in Lüders und Eisenmanns Schulen verwendet auch Luck zunächst den Fünftonraum.

Allerdings beginnt er in der zweigestrichenen Oktave und transponiert später in die eingestrichene. Der Grund dafür ist leicht zu erkennen: Die Töne, die im Bassschlüssel zu lesen sind, können auf diese Weise leichter von denen im Violinschlüssel unterschieden werden, da die Basstöne zunächst nicht über die dritte Linie hinausgehen und die Diskanttöne den dritte Zwischenraum der Zeile nicht unterschreiten.A1 und h1 werden auch hier anschließend ergänzt.

Im Bassschlüssel orientiert sich die Reihenfolge der zu erlernenden Töne an den in der Grundbassreihe eines Standardbass-Akkordeons nebeneinanderliegenden Tönen im Quintabstand. Der Schüler lernt also zunächst nicht, wie in der rechten Hand, die Töne der Tonleiter, sondern F, C, G und D.

Zu loben sind allerdings drei wichtige Dinge, durch die sich diese Schule von denen Lüders und Eisenmanns qualitativ abhebt. Das ist erstens der Umgang mit der linken Hand. Auf den ersten dreißig Seiten von insgesamt siebzig wird in keinem der Notenbeispiele ein Akkordbass verwendet, und auf Tabulaturschrift verzichtet das gesamte Heft – auch in Band 2. Mit anderen Worten: der Schüler lernt auch das Notenlesen im Bassschlüssel, und kann später sogar Akkorde auf einen Blick erkennen.

Zweitens wird von der ersten Spielübung an Wert auf musikalische Spielweise gelegt, das heißt, allgemeine Spielanweisungen in Bezug auf Artikulation oder Charakter des Stückes gehören von Anfang an als selbstverständlicher Bestandteil der Musiknotation und deren Ausführung dazu.

Gleichzeitig sind die jeweiligen Spielanweisungen, bevor sie zum ersten mal gebraucht werden, detailliert erklärt. Der Spielkultur wird also ein sehr hoher Wert beigemessen, da vielfältige Gestaltung immer ausdrücklich gefordert ist. Drittens ist die musikalische und technische Qualität der Notenbeispiele entsprechend hoch. Schon früh werden verschiedene Tonarten verwendet, zuerst a-Moll, bald diejenigen mit 1b- oder 1#- Vorzeichnung. Außerdem spielt die linke Hand auf den ersten dreißig Seiten anspruchsvolle, teilweise polyphon angelegte Begleitungen, für die der Schüler alle Töne der Tonleiter lesen und greifen können muss. Auch die später verwendeten Akkordbässe werden von Anfang an vielfältig eingesetzt, und die daraus hervorgehenden Liedbegleitungen stehen sowohl was ihren technischen Anspruch als auch ihre musikalische Qualität betrifft, weit über denen des Herrn Lüders oder der Frau Eisenmann.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Hans Luck zu den wenigen Autoren gehört, die das Ziel anstreben, dem Schüler maximale Spielqualität auf einem Standardbass-Akkordeon zu vermitteln und dafür Mühe weder scheuen noch dem Schüler zu ersparen gedenken. Abgesehen davon, dass das Standardbass-Akkordeon von Lehrern mit einem ähnlich hohen Anspruch inzwischen als veraltet betrachtet wird und diese Schule demnach nicht mehr aktuell ist, ist sie für Kinder ohne Lesefähigkeit ungeeignet.

Spezielle Übungen für das bewusste Umsetzen von Gelesenem in Griffe bzw. für das Entwickeln einer inneren Klangvorstellung anhand des Notentextes sind auch hier nicht vorhanden.

2.2.4. Die „Akkordeonschule für die Jugend“ von Mogens Ellegaard, Lars Holm und Torbjörn Lundquist

Die drei Autoren der „Akkordeonschule für die Jugend“ gehören in der Geschichte des Einzeltonakkordeons zu den wichtigsten Persönlichkeiten überhaupt. Mogens Ellegaard, Akkordeonist und Lehrer, war an der Entwicklung von kleinen Schülerinstrumenten mit chromatischen Einzeltönen ohne Akkordbässe maßgeblich beteiligt, auf Lars Holm gehen bedeutende Arrangements für das Akkordeon im Anfängerbereich zurück, während der Komponist Torbjörn Lundquist zahlreiche Werke schuf, die inzwischen zur pädagogischen, kammermusikalischen oder solistischen Repertoire-Literatur des Akkordeons gehören.

Das 1972 herausgegebene Heft ist einer der ersten veröffentlichten Versuche eines Unterrichtskonzeptes für Kinder, die von Anfang an Melodiebass-Akkordeon (C-Griff) spielen ohne vorher unbedingt auf einem Standardbass-Akkordeon begonnen zu haben. Im Nachwort, das die Verfasser anstelle eines Vorworts geschrieben haben, werden jedoch aufgrund der damals vergleichsweise geringen Verbreitung des Einzeltonakkordeons vor allem im Musikschulbereich Leser angesprochen, die „schon längere Zeit auf dem althergebrachten Schifferklavier gespielt“ (7) haben und nun, angeregt durch dieses Heft, ein neues Akkordeon ausprobieren sollten. Die „Akkordeonschule für die Jugend“ ist vor diesem Hintergrund entstanden und, wie schon der Name sagt, für Kinder bestimmt. Die auf dem Cover abgebildeten Fotografien mit akkordeonspielenden Kindern machen dies auch allen, die noch nicht lesen können, unmissverständlich klar. Dennoch könne sie in jedem Alter genutzt werden sofern jugendliches Denken und Empfinden vorhanden seien, heißt es im Nachwort.

Zahlreiche Abbildungen, in denen die Knöpfe des Akkordeons aus derselben Perspektive gezeigt sind, in der sie ein von oben auf sein Instrument herabschauender Spieler sieht, große Schrift und kurzgehaltene verbale Erklärungen ermöglichen Kindern einen leichten Zugang zur Notenschrift.

Die ersten von der Schule vorgesehenen Spielübungen setzen noch keine Informationen über die Musiknotation voraus und sind gewissermaßen als Vorstufe des Notenlesens zu verstehen. Ein beliebiger Knopf der Diskant- oder Bassseite, dargestellt als Kreis, bildet in Verbindung mit einem Balgzeichen und den Ziffern von eins bis vier den Inhalt der ersten Lese - Spiel - Übung des Schülers. Anschließend werden kurz einige Dinge über das Notensystem erklärt, und zwar die Linien und Zwischenräume, der G-Schlüssel, die Namen der ersten drei Töne (c1, d1 und e1) und die Zählweise bei einer ganzen Note. Nach einigen Spielübungen für die rechte Hand mit diesen drei, je als Ganze notierten Tönen und der Hinzuziehung des Taktstriches beginnt die linke Hand mit denselben drei Tönen und ebenfalls im Violinschlüssel. In den nun folgenden Übungen, in denen halbe und Viertelnoten hinzugenommen werden, spielen beide Hände im Unisono.

Im Anschluss daran werden die Töne f1, g1 und a1 auf den Knöpfen des Instrumentes und in Form von Notenschrift gezeigt sowie der Dreivierteltakt anhand eines Übungsbeispieles und ohne weitere Erklärung dargestellt. In der Tat ist beim Lehren eines Kindes das Weglassen von unnötigen Erklärungen prinzipiell sinnvoll*.

* Forschungen im Bereich des Sprechenlernens bei Kleinkindern haben gezeigt, dass Kinder während ihres Lernprozesses nicht wie Erwachsene von allgemein geltenden Regeln auf die einzelnen Beispiele schließen, sondern im Gegensatz dazu aus vielen gelernten und unhinterfragten Fakten die entsprechende Regel intuitiv ableiten. Vgl.: Glenn Doman: „Wie kleine Kinder lesen lernen“ (Hyperion. 1966)

Nach einer kurzen Übung mit den drei neuen Tönen folgen die ersten Kinderlieder. Dem Schüler steht nun in beiden Händen der Tonraum c1 bis a1 in C-Dur zur Verfügung, und er spielt noch immer alle Stücke im Unisono.

Mit jedem neuen Notenbeispiel werden auch neue musikalische bzw. notationstechnische Inhalte hinzugenommen, wie z.B. dynamische Bezeichnungen, Pausen, der Auftakt, verschiedene Artikulationsbezeichnungen, der Haltebogen, die Punktierung, die Achtelnoten oder der Alla-Breve-Takt. Es herrscht also durchaus eine Ausgewogenheit zwischen technischem und musikalischem Anspruch. Zum Repertoire des Schülers gehören inzwischen zahlreiche Kinder- und Volkslieder sowie pädagogische Kompositionen von Lundquist, in denen immer auch genaue musikalische Spielanweisungen, Fingersätze und Balgwege angegeben sind. Das Unisono-Spiel der beiden Hände wird außerdem allmählich in ein Imitations- und Kanon-Spiel umgewandelt.

Für das Spiel mit der linken Hand leistet der Schüler motorisch, musikalisch und lesetechnisch grundsätzlich dasselbe wie für das Spiel mit der rechten. Hinzu kommt, dass das Lesen polyphoner Zweistimmigkeit hier schon sehr früh geübt wird. Die Gleichberechtigung beider Hände wurde mit Konsequenz verfolgt, was die Qualität dieser Schule erheblich steigert.

Nach Einführung der Töne h1 und c2 kann nun der gesamte Oktavtonraum genutzt werden. Als letzter wird der Ton h hinzugenommen. Die Reihenfolge, in der die Töne eingeführt worden sind, orientiert sich weniger an für ein Knopfakkordeon günstigen Griffmodellen als am lesetechnisch logischen Modell der C-Dur-Tonleiter. Der Sechstonraum in C-Dur, mit dem bis über die Mitte des Heftes hinaus gearbeitet wird, ist eine mögliche, nicht jedoch die einfachste Variante. Eine besonders für kleine Kinder besser geeignete Reihenfolge der Töne könnte sich stattdessen auf leichte Griffmodelle, wie z.B. die kleine „Kuckucks“-Terz beziehen. Auf diese Weise könnten auch schon früher alterierte Töne in die Spielübungen einbezogen werden, und eine Überbewertung der Tonart C-Dur würde dadurch vermieden.

Das Heft hat insgesamt 45 Seiten, und erst auf Seite 35, nachdem alle Töne der C-Dur-Tonleiter bekannt sind, werden diese in den Bassschlüssel übertragen. Von da an bis zum Schluss des Heftes ist die Stimme der linken Hand jeweils im Bassschlüssel notiert, wobei zunächst nur der Tonraum einer kleinen Terz verwendet und dann schließlich wieder erweitert wird. Sicherlich ist das Lesen in zwei Systemen mit nur einem Notenschlüssel wesentlich einfacher, besonders im Unisono-Spiel. Es hat jedoch den Nachteil, dass der Schüler dann gar nicht unbedingt beide Zeilen lesen muss, um in beiden Händen die richtigen Töne zu spielen, da sie ja völlig identisch sind. Denselben Trick würde er nach der Erkenntnis, dass es sich um Unisono-Spiel handelt, allerdings auch dann anwenden, wenn die untere Zeile im Bassschlüssel stände. Die Verwendung zweier verschiedener Schlüssel würde sich jedoch bei den Stücken lohnen, die imitatorisch angelegt sind, so dass der Schüler dieselbe Tonfolge in beiden Schlüsseln lesen muss. Das wäre ein leichterer Beginn für das Lesen zweier Schlüssel gleichzeitig. Eine so späte Verwendung des Bassschlüssels, wie sie in Ellegaards Schule vorgesehen ist, dürfte dem Schüler relativ schwer fallen, da er inzwischen daran gewöhnt ist, die Töne für die linke Hand im Violinschlüssel zu lesen. Langfristig gesehen ist eine Flexibilität im Umgang mit den Schlüsseln in beiden Systemen zwar unverzichtbar, aber im vorliegenden Fall entsteht eher der Effekt einer Korrektur von etwas bereits Gelerntem, die sowohl bei Kindern als auch bei erwachsenen Schülern einiger Mühe bedarf.

2.2.5. Das „Akkordeonbuch für Anfänger“ von Eleonora Santo

Das 1986 herausgegebene „Akkordeonbuch für Anfänger“ wird von der Autorin auf der ersten Seite als „ein Konzept für den Unterrichts – Anfang auf dem Knopfgriff – Akkordeon, Einzelton, C-Griff“ (8) beschrieben. Die Art der Anrede der Schüler in den Erklärungen lässt darauf schließen, dass es sich bei diesen um Kinder handeln soll. Da gleich auf der ersten Seite das Lesen von Fragen und das schriftliche Beantworten derselben in dafür vorgesehenen Kästchen oder auf leeren Zeilen gefordert werden, setzt diese Schule jedoch ein Mindestalter der Schüler von sieben Jahren voraus. An die Notenschrift wird zunächst über Vorstufen herangeführt. Die ersten Übungen in dieser Schule sind Schreib- bzw. Malübungen, in denen lediglich zwischen hoch und tief unterscheiden werden muss. Anhand zwei- bis dreisilbiger Wörter, wie „Kuckuck“ oder „Martin“, wird die kleine Terz entdeckt und für jede Silbe ein Zeichen (Hand, Schnecke oder Gesicht mit lachendem bzw. traurigem Mund) in ein Zwei – Zeilensystem eingetragen. Das ganze soll laut Anweisung der Autorin gesungen, gemalt und gespielt werden.

Anschließend lernt der Schüler die beiden Töne „c“ und „a“ auf seinem Instrument kennen, auf denen er möglicherweise schon die Wortmelodien der ersten Übungen mit der Kleinterz gespielt hat. In aller Kürze werden nun das Liniensystem mit fünf Linien plus Hilfslinien, der Violinschlüssel, der Bassschlüssel und jeweils die Töne „c“ und „a“ in beiden Schlüsseln dargestellt. Außerdem wird zwischen Viertel- und Achtelnoten unterschieden sowie die beiden Balgzeichen erklärt. Diese werden in allen folgenden Übungen und Stücken mit notiert. Es folgt das Lied „Schneck’ im Haus“, das nur aus den Tönen c2 und a1 bzw. c1 und a (linke Hand) besteht. Die linke Hand imitiert, was die rechte vorgemacht hat, danach spielen beide dasselbe noch einmal im Unisono. Dies ist die einzige Übung mit diesen beiden Tönen, denn gleich im Anschluss werden die Töne g1 und e1 im Violinschlüssel, bzw. g und e im Bassschlüssel vorgestellt und das Lied „Schneck’ im Haus“ in veränderter Form nochmals gespielt: im ersten Takt mit den neuen Tönen g und e, im zweiten Takt mit den „alten“ Tönen c und a. Zusätzlich soll der Schüler dabei zwischen laut, leise und mäßig laut unterscheiden. Die entsprechenden Notationszeichen und deren italienisches Herkunftswort werden kurz erklärt. Auf der nächsten Seite ist ein Akkordeon skizziert, in dessen als Kreise dargestellte Knöpfe der Schüler nun die bereits bekannten Notennamen eintragen kann. Wie in Ellegaards Schule ist die Perspektive des dargestellten Instrumentes auch hier die eines auf die Knöpfe herabschauenden Spielers, das Bild steht also auf dem Kopf und ist spiegelverkehrt. Es folgen Leseübungen, in denen der Schüler die bis dahin verwendeten Töne im Violin- und Bassschlüssel erkennen soll, sowie Schreibübungen, in denen er sie als Achtel- und Viertelnoten plus den jeweiligen Notenschlüssel in dafür vorgesehene leere Systeme einzutragen hat. Die nächsten zwei Seiten werden dafür verwendet, den Zweiviertel, Dreiviertel- und Viervierteltakt sowie die ganze Pause einzuführen.

Das Ganze soll in vier Klatschübungen verinnerlicht werden.

Es folgt nun eine Reihe von Lese,- Rhythmus- und Fingerübungen, die mit den vier bekannten Tönen auskommen. Dabei werden beide Hände prinzipiell gleich behandelt. Die Töne sollen einzeln und im Zusammenklang als Terz oder Akkord gelesen werden. Außerdem muss der Schüler richtig zählen, um Viertel- und Achtelnoten in den verschiedenen Taktarten korrekt zu spielen. Im Anschluss daran werden die Töne f, f1, d und d1 in beiden Schlüsseln hinzugenommen, entsprechende Lese- und Spielübungen folgen. Dabei spielen rechte und linke Hand nach wie vor im Unisono oder imitieren sich gegenseitig. Auch Transpositionsübungen, in denen bekannte Stücke mit anderen Tönen vom Schüler aufgeschrieben und dann gespielt werden sollen, sieht das Heft vor.

Während bisher linke und rechte Hand entweder im Unisono oder imitatorisch genau dasselbe zu spielen hatten, folgen auf Seite 17 die ersten Stücke, in denen für die rechte und linke Hand jeweils verschiedene Töne und Rhythmen vorgesehen sind. Es fällt auf, dass die linke Hand nun immer Begleitfunktion hat, fast ausnahmslos als Ostinato angelegt ist und dass auf polyphone Spielweise, etwa wie in Ellegaards Schule, verzichtet wird. Das musikalische Niveau der Notenbeispiele und die spieltechnische Anforderung an den Schüler sind dadurch wesentlich niedriger als in den von den drei skandinavischen Autoren erfundenen oder arrangierten Stücken. Außerdem verfügen die meisten siebenjährigen oder älteren Schüler bereits über ein Repertoire an Kinder- und Volksliedern, und die Beschäftigung mit „Schneck’ im Haus“ oder „Backe, backe Kuchen“, Lieder also, die sie schon im Alter von drei Jahren und spätestens im Früherziehungsunterricht gesungen haben, dürfte sie inzwischen unterfordern und langweilen.

Leider haben die Stücke und Übungsbeispiele in den ersten zwei Dritteln des Heftes genau dieses Niveau, und erst zwischen Seite 29 und 37 befinden sich für siebenjährige angemessene Kinderlieder.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf Notenbeispiele, die imitatorisch angelegt sind. Die im Bassschlüssel notierte linke Hand spielt in allen diesen Stücken eine Oktave tiefer als die im Violinschlüssel notierte rechte. Dadurch erhält die melodische Linie bei jedem Wechsel der Hände einen Bruch. Bei imitatorischen Stücken könnte man die Oktavierung einer jeden Wiederholung auch als Echo interpretieren, doch auch in Stücken, wo die Melodie durch beide Hände „wandert“ und dabei nicht imitiert sondern fortgeführt wird, findet bei jedem Manualwechsel eine Oktavierung statt. Oft steht auch der Text des jeweiligen Liedes zwischen den Zeilen, und der Schüler wird ausdrücklich dazu angehalten, mitzusingen. Abgesehen davon, dass der Oktavwechsel den Schüler beim Singen verwirren kann, gibt es keinen musikalischen Grund dafür. Zwar wird auf diese Weise das Lesen im Bassschlüssel, das in der kleinen Oktave begonnen wurde, konsequent weitergeführt, jedoch geschieht dies auf Kosten der Musikalität.

Als überaus positiv zu erwähnen ist die Vielfalt der Übungsmöglichkeiten, die die Schule dem lernenden Kind anbietet. Sie erstreckt sich von Lese- und Schreibübungen über Transposition, Rhythmusklatschen und Fingerübungen bis hin zu Liedern mit Gesang und Spielstücken. Der Umgang mit der Notenschrift wird hier vielfältig praktiziert und bietet dem Kind die Möglichkeit, sich der Musiknotation von allen verschiedenen Seiten anzunähern. Von den im ersten Kapitel beschriebenen Teilfähigkeiten des Notenlesens werden auf diese Weise einige mehr gefördert, als in allen bisher betrachteten Akkordeonschulen, nämlich nicht nur das Lesen der Noten selbst, sondern auch das Aufschreiben, das Transponieren und damit verbunden die Reproduktion einer inneren Klangvorstellung sowie die Entwicklung dieser Klangvorstellung durch das Singen nach Noten.* Auch der Verzicht auf unnötige, komplizierte Erklärungen kommt Kindern entgegen. Der Ansatz, die Notenschrift anhand des Instrumentes einzuführen, also nach instrumentengerechten Griffmodellen wie z.B. der kleinen Terz, und nicht umgekehrt das frühe Instrumentalspiel nach Noten anhand der C-Dur-Tonleiter auszurichten, ist durchaus als fortschrittlich zu bewerten, zeigen doch die verschiedenen Schulen beispielsweise für Streichinstrumente auch ein am Instrument orientiertes Modell des mit Noten arbeitenden Anfangsunterrichtes. Die Gleichberechtigung beider Notenschlüssel in Santos Schule ist ebenfalls zu loben, da nur auf diesem Weg die Fähigkeit entwickelt werden kann, in beiden Schlüsseln zu lesen.

* Anders als beim Spielen nach Noten, wo der Schüler Gelesenes in Griffe umsetzen kann, ohne sich eine Vorstellung vom Klang machen zu müssen, fördert das Singen nach Noten die Fähigkeit der inneren Klangvorstellung. Wenn diese Fähigkeit vorhanden ist, fließt sie in das Spiel nach Noten automatisch mit ein.

Verbesserungswürdig sind allerdings das gesamte äußere Erscheinungsbild des Heftes, die sprachliche Qualität der Erklärungen sowie das Notenbild selbst. Letzteres ist vor allem dadurch mangelhaft, dass die Abstände zwischen den einzelnen Noten nicht mit deren zeitlichem Wert übereinstimmen. Wenn Achtelnoten enger geschrieben wären als Viertelnoten und diese wiederum nur die Hälfte des Platzes einnähmen, den eine halbe Note braucht, überschaute der Lesende die rhythmische Struktur schneller, weil sie logisch dargestellt wäre und das äußere Bild den Inhalt widerspiegelte. Besonders für ein mit notierten Rhythmen unerfahrenes Kind dürfte ein sorgfältig angefertigtes Notenbild eine erhebliche Erleichterung beim Notenlesen sein.

Was die sprachliche Qualität der Erklärungen anbelangt, hier sind der Autorin vor allem grammatikalische und Interpunktionsfehler unterlaufen. Auch die Formulierungen selbst lassen zu wünschen übrig. Zwei Beispiele: „Ab heute den spiele ich ... Akkordeon.“ (9)

Einzufügen sind das Datum und der Name des Schülers. Es fehlen vier Kommata. Oder:

„Versuche eigene Texte auszudenken, sie auf zwei Töne zu singen (Kuckucksruf) und auf dem

Akkordeon zu spielen.“ (10) Richtig müsste dieser Satz so lauten: Versuche, Dir eigene Texte auszudenken, die Du mit zwei Tönen singen und auf Deinem Akkordeon spielen kannst.“ Diese Kritik mag etwas kleinlich erscheinen, aber in einer Schule für Kinder, die gerade Lesen lernen und sich auch sprachlich noch entwickeln, die also beim Lesen unbewusst und intensiv Sprache erlernen, sollte unbedingt auf eine korrekte Schreibweise geachtet werden. Jeder Erwachsene sollte versuchen, mit Kindern möglichst gut und richtig zu sprechen und zu schreiben, erst recht aber muss die Sprache in jedem Kinderbuch und in jeder Schule nicht nur Kindern verständlich sein, sondern auch richtig verwendet werden.

Im Heft selbst ist durchweg handschriftlich gearbeitet worden. Es ist nicht gebunden und besteht aus spiralisierten Seiten ohne feste äußere Deckblätter. Am Material wurde also sehr gespart.

Bei regelmäßigem Transport und häufiger Verwendung nutzt sich das Heft innerhalb weniger Wochen ab und verliert dadurch noch mehr an Wert. Teurere Bände hingegen, die wertvoller gebunden und gedruckt sind, weiß wohl auch jedes Kind zu schätzen. Hinzu kommt, dass ein gutes Instrument etwa oder teurere Originalnoten auch den Wert des Musizierens im Ansehen des Kindes steigern. Schmutzige, zerknickte Kopien oder ein abgenutztes Ringbuchheft hingegen fordern die Sorgfalt der Kinder nicht gerade heraus.

2.3. Zusammenfassung

Die fünf betrachteten Akkordeonschulen repräsentieren jeweils ein methodisches Modell für den Anfängerunterricht sowie speziell für die Vermittlung und den Umgang mit der Musiknotation.

In den populärsten anderen Schulen, beispielsweise der „Neuen Holzschuh-Schule“ von Alfred Holzschuh u.a., der „Akkordeonschule MIII“ von Gabriele Steffens, der Schule „Akkordeon mit links“ von Maximilian Schnurrer oder dem „Akkordeon-Spaß“ von Helmut Quackernack wird nach ähnlichen oder denselben Konzepten wie den hier vorgestellten gearbeitet, so dass sie an dieser Stelle nicht extra berücksichtigt werden müssen.

Die Analyse in den vorhergehenden fünf Kapiteln hat zu dem negativen Ergebnis geführt, dass keine der Schulen den Anforderungen gerecht wird, die an eine kindgerechte, instrumentengerechte, musikalisch und technisch anspruchsvolle und die Fähigkeit des Notenlesens angemessen fördernde Akkordeonschule zu stellen sind. Zwar schneiden einige Schulen in dem einen oder anderen Punkt durchaus gut ab, haben dafür aber an anderer Stelle Mängel, vor allem bei der Einführung der Notenschrift. In folgender Zusammenfassung werden alle Ergebnisse nochmals aufgezählt und damit eine Übersicht darüber geschaffen, was in eine selbstgestaltete Notenlese-Schule gegebenenfalls übernommen werden kann und was vermieden werden muss.

1. P O S I T I V

- Einführung der Musiknotation anhand graphischer Vorstufen
- Gleichbehandlung beider Schlüssel
- erstes Spiel nach Noten anhand von instrumentengerechten Griffmodellen bei Knopfgriff-Akkordeon und Melodiebass-Manual
- erste Töne im Violinschlüssel können mit denen im Bassschlüssel nicht verwechselt werden (Wahl entsprechender Oktaven)
- viele verschiedene Übungen mit Notenschrift, wie z.B. Singen, Noten schreiben, Klatschen, Transponieren, Notenlesen u.a.
- sinnvolle bildliche Darstellungen anstelle verbaler Erklärungen
- Vermeidung komplizierter Erklärungen
- Gleichbehandlung beider Hände
- früher Beginn mit einfacher Polyphonie
- Einbeziehung musikalischer Spielweise von Beginn an

2. N E G A T I V

- Konzept für Kinder UND Erwachsene
- viel Information auf engem Raum (kleine Schrift u.s.w.)
- verbale Erklärungen, in denen kindliches Lernen unberücksichtigt bleibt und die stattdessen auf niedriges Erwachsenenniveau reduziert werden
- zu viel Neues gleichzeitig
- zu wenig Übungen für neuen Lerninhalt
- Tabulaturschrift für linke Hand
- Violinschlüssel für beide Hände und plötzlicher, unvorbereiteter Wechsel zum Bassschlüssel für die linke Hand
- Vernachlässigung der linken Hand
- Unterforderung der linken Hand durch zu viel Ostinato-Begleitung
- Oktavierung innerhalb einer Melodielinie bei Manualwechsel
- unangemessen niedriges Niveau der Spielübungen
- Vernachlässigung einer musikalisch ausdrucksvollen Spielweise
- Überbetonung der Tonart C-Dur, Ausschluss anderer Tonarten
- erste Spielübungen ausschließlich mit ganzen Noten
- unsorgfältige handschriftliche Rhythmus-Notation
- schlechte sprachliche Qualität bzw. Interpunktionsfehler
- zu Unkorrektheit vereinfachte verbale Erklärungen
- schlechte Qualität des Materials

3. Möglichkeiten für die Förderung der für das Spiel nach Noten erforderlichen Teilfähigkeiten

Abschließend sollen die von Martin Gellrich empfohlenen Übungen für die Entwicklung der von ihm aufgeschlüsselten und im ersten Kapitel dieser Arbeit dargestellten Teilfertigkeiten des Spiels nach Noten aufgezählt werden.

Für die Fähigkeit, sich blind auf dem Instrument zu orientieren, sollen nach Gellrich Fingerübungen verwendet werden. Diese werden ohne Noten gespielt, und die Konzentration wird dabei auf die Haltung, die Spielbewegung und die Fingersätze gerichtet. Auch einfache Lieder können dafür verwendet werden.

Zur Stärkung der Tonhöhenvorstellung sind Singen und die relative Solmisation hilfreich, und zur Stärkung der Rhythmusvorstellung und des Rhythmusgefühls dienen Übungen, in denen Mund, Hände, Füße und Stimme beteiligt werden.

Mit dem Material der bisherigen Übungen soll improvisiert werden, was für die Fähigkeit des Zuhörens beim eigenen Spiel von Bedeutung ist und das musikalische Gedächtnis verbessert.

Zu einem späteren Zeitpunkt folgt das Spiel von Liedern nach Gehör, die vorher gesungen wurden. Gellrich empfiehlt Lieder, die nur Tonverbindungen enthalten, die zuvor in technischen Übungen gespielt wurden. Auf diese Weise werden das Spiel nach Gehör, das Sich-Zuhören sowie das Bewerten des eigenen Spiels und das Korrigieren der Fehler trainiert.

Nach der Einführung der Notenschrift sollte auch das Spiel nach Noten beginnen. Dabei wird zunächst nur das Lesen und Spielen der Tonhöhen erklärt und die möglichst einfachen Rhythmen vom Lehrer vorgemacht.

Parallel dazu soll mit dem Blattspiel begonnen werden, da Schüler mit einer gut entwickelten musikalischen Vorstellung sonst eher nach Gehör spielen anstatt richtig Noten zu lesen, obwohl sie dabei in die Noten schauen.

Für die Fähigkeit, aus Gelesenem eine innere Klangvorstellung zu entwickeln, rät Gellrich zum Blattsingen, wobei die relative Solmisation verwendet werden soll.

Vom Schüler nach Gehör gespielte Stücke, Fingerübungen und Improvisationen könnten von diesem gelegentlich auch aufgeschrieben werden, um die Tonhöhennotation und die Verwendung einfacher Notenwerte zu üben.

Die Einbeziehung komplizierter Rhythmen hält Gellrich erst in einem Alter von zehn bis zwölf Jahren für sinnvoll, weil Kinder erst dann das dafür notwendige Bruchrechnen mit Zeiteinheiten verstehen. Da in einer Unterrichtsstunde kaum alle diese Dinge geübt werden können, sind weniger zeitaufwändige Teile, wie Notenschreiben oder Blattsingen, nur zeitweise in den Unterricht zu integrieren. Bei den Fingerübungen jedoch sollte der Schüler im Vergleich zu allen anderen am weitesten fortgeschritten sein. Außerdem können mehrere Übungen miteinander verbunden werden, z.B. indem Lieder nach Gehör gespielt werden, die zuvor gesungen wurden, oder indem technische Übungen aus Elementen von Liedern bestehen.

Während in normalen Instrumentalschulen der Stoff systematisch gegliedert ist, sind es nach Gellrichs Methode die Teilfertigkeiten, die systematisch entwickelt werden. Außerdem, beschreibt Gellrich, wird in den Schulen oft ausschließlich dem Bereich der Spieltechnik eine große Bedeutung zugemessen und die meisten anderen für das Spiel nach Noten unverzichtbaren Basisfähigkeiten, wie z.B. Singen und Spiel nach Gehör, als „wünschenswerte, aber verzichtbare“ (11) Fähigkeiten angesehen.

Von den im zweiten Kapitel dieser Arbeit betrachteten Akkordeonschulen entspricht als einzige das „Akkordeonbuch für Anfänger“ von Eleonora Santo den hier dargestellten Anforderungen zumindest teilweise. Zu wünschen wäre ein Heft, in dem für alle hier beschriebenen Teilfähigkeiten entsprechende Übungen vorgesehen sind, das musikalisch anspruchsvolle und instrumentengerechte Spielstücke enthält, in dem die Erklärungen kurz und kindgerecht gestaltet sind und das aus stabilem Material angefertigt ist. Den Versuch eines solchen, für das Spiel nach Noten bestimmten Heftes werde ich zu einem späteren Zeitpunkt als meine Diplomarbeit vorlegen.

A N H A N G

Zitate:

1 nach Martin Gellrich: „Dem Spiel nach Noten effektiv auf die Sprünge helfen“ (NMZ 3/2002)
2 Hans Lüders: „Akkordeonfibel“ S.3
3 Hans Lüders: „Akkordeonfibel“ S.6
4 Margot Eisenmann: Lehrerband S.3
5 Margot Eisenmann: „Akkordeon - Schulwerk“ Bd.1A S.15
6 Hans Luck u.a. : „Schule für Piano-Akkordeon“ Bd.1 S.11
7 Mogens Ellegaard u.a.: „Akkordeonschule für die Jugend“ S.46
8 Eleonora Santo: “Akkordeonbuch für Anfänger” Deckblatt
9 Eleonora Santo: “Akkordeonbuch für Anfänger” S.1
10 Eleonora Santo: “Akkordeonbuch für Anfänger” S.3
11 Martin Gellrich: „Dem Spiel nach Noten effektiv auf die Sprünge helfen“ (Spalte 5 unten)

Literatur:

- Martin Gellrich: „Dem Spiel nach Noten effektiv auf die Sprünge helfen“ (NMZ 3/2002)
- Hans Lüders: „Akkordeonfibel“ (Hohner Verlag Trossingen, 1984)
- Margot Eisenmann: „Lehrerband“ (Hohnerverlag Trossingen, 1986)
- Margot Eisenmann: „Akkordeon-Schulwerk“ Bd.1A (Hohnerverlag Trossingen, 1986)
- Hans Luck, Horst Frühauf, Heinz Zeiske: „Schule für Piano-Akkordeon“ (VEB Harth Musik Verlag Leipzig, 1976)
- Mogens Ellegaard, Torbjörn Lundquist, Lars Holm: „Akkordeonschule für die Jugend“ (Thore Ehrling Musik AB Stockholm, 1972)
- Eleonora Santo: „Akkordeonbuch für Anfänger” (Prokordeon Klaus Werner, 1986)

Hiermit versichere ich, die Arbeit in allen Teilen selbständig angefertigt und dabei ausschließlich

die oben angegebene Literatur verwendet zu haben.

Excerpt out of 30 pages

Details

Title
Grundlagen des Notenlesens und Umsetzung in exemplarischen Akkordeonschulen
College
Academy of Music Würzburg
Grade
1,0
Author
Year
2002
Pages
30
Catalog Number
V108519
ISBN (eBook)
9783640067169
File size
415 KB
Language
German
Notes
Um herauszufinden, welche Anforderungen an ein für das Erlernen des Notenlesens und speziell für Kinder geeignetes Heft zu stellen sind und wie diese im Einzelnen umgesetzt werden können, werden u.a.die Fähigkeit des Notenlesens untersucht sowie die Konzepte einiger wichtiger und weit verbreiteter Akkordeon-Schulen im Hinblick auf das Erlernen des Notenlesens analysiert.
Keywords
Grundlagen, Notenlesens, Umsetzung, Akkordeonschulen
Quote paper
Nancy Laufer (Author), 2002, Grundlagen des Notenlesens und Umsetzung in exemplarischen Akkordeonschulen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108519

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