Der zweite Weltkrieg aus der Sicht eines Völkerbunddiplomaten - C.J. Burckhardt und sein Werk - Meine Danziger Mission


Thèse Scolaire, 2003

8 Pages, Note: 2+


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Der Völkerbund - eine ohnmächtige Organisation

Danzigs Rolle im Versailler Vertrag

Carl J. Burckhardt - ein eidgenössisches Leben

Wie aus einem Genie wieder ein Mensch wird

Quellenverzeichnis

Der Völkerbund - eine ohnmächtige Organisation

"Eine allgemeine Gesellschaft der Nationen muss auf Grund eines besonderen Bundesvertrags gebildet werden zum Zweck der Gewährung gegenseitiger Kategorien für politische Unabhängigkeit und territorialer Integrität in gleicher Weise für die großen und kleinen Staaten."

Bereits während des ersten Weltkrieges plante der damalige amerikanische Präsident Woodrow Wilson ein 14-Punkte-Programm zur Sicherung des Weltfriedens. Die Idee wurde Wirklichkeit als im Januar 1918 sein Gedanke in die Tat umgesetzt wurde. Für manche mag es ein Déjà-vu gewesen sein, denn ähnliche Pläne wurden bereits in den beiden Haager Friedenskonferenzen 1899 bzw. 1907 besprochen aber erst jetzt, nach dem Krieg, wurden sie schließlich umgesetzt.

Auf der Pariser Konferenz wurde nun also die Gründung des Völkerbundes beschlossen, eine Organisation, die als Artikel 1 bis 26 fest im Versailler Vertrag verankert war. Am 10. Januar 1920 nahm "the League Of Nations", wie der Völkerbund in Englisch übersetzt wird, seine Arbeit offiziell auf. Hauptsitz war die Schweizer Stadt Genf.

Zunächst hatten 45 Staaten die Mitgliedschaft inne; 32 Siegermächte und 12 weitere, neutrale Staaten. Bis 1937 erhöhte sich die Zahl der Teilnehmerstaaten auf insgesamt 66. Interessant hierbei ist das die Vereinigten Staaten nicht dazu zu zählen waren. Woodrow, überzeugt von seiner Idee, war nicht in der Lage die nötige 2/3 Mehrheit im Kongress zu erreichen. Die Amerikaner hatten Angst, dass Europa zu viel Macht über die USA erlangen würde und so gaben sie dem Bund von vornherein auch keine großen Chancen. Woodrow selbst starb enttäuscht vom eigenen Land am 3. Februar 1920 in Washington DC nach langer Krankheit.

"Die Deutschen haben zu viel Unheil gebracht als dass sie schon so kurze Zeit später wieder mit uns über Frieden diskutieren könnten!" Genau jenes war der allgemeine Tenor, der dem deutschen Reich den Zutritt zum Völkerbund verwehrte. Erst 1926 konnte man sich auf eine Lösung, auch dank der Politik von Außenminister Gustav Stresemann, einigen. Deutschland wurde ständiges Mitglied im Völkerbundrat, welcher neben der Bundesversammlung das oberste Organ des Völkerbundes war. Der Rat tagte mehrmals jährlich und ist vielleicht am besten mit dem Weltsicherheitsrat in New York zu vergleichen. Der Generalsekretär des Völkerbundes verband die beiden Organe Rat und Versammlung miteinander, welche mehr oder weniger die gleichen politischen Probleme abhandelten. Im Dreijahresrhythmus wurden jeweils 9 weitere Staaten nach sorgfältiger Musterung in den Rat gewählt.

Der Völkerbund konnte auf menschenrechtlicher Basis einige Fortschritte machen, trotzdem war das Hauptziel die Sicherung des Friedens. Man konnte den Streit zwischen Finnland und Schweden um die Ålandinseln sowie den Konflikt um die bulgarisch-griechische Grenze friedlich schlichten. Allerdings nahmen die Großmächte schon jetzt ihre Probleme lieber selbst in die Hand. Die Besetzung des Ruhrgebietes durch Frankreich und die Eroberung Korfus von Italien geschahen am Völkerbund vorbei.

Als Deutschland bereits 1933, 7 Jahre nach Eintritt, wieder austrat und das NS-Regime mit seiner aggressiven Aufrüstungs- und Expansionspolitik begann, konnte der Völkerbund nur dastehen und zusehen wie das Schicksal seinen Lauf nehmen würde. Dem Beginn des zweiten Weltkriegs 1939 stand er schließlich ohnmächtig gegenüber. Nach dem mehrjährigen Schlaf wurde 1946 die Auflösung des Völkerbundes beschlossen. Eine neue Organisation sollte es besser machen, die United Nations Organization (UNO).

Danzigs Rolle im Versailler Vertrag

"Der Eindruck, den der Vertrag macht, ist enttäuschend, erweckt Bedauern und Niedergeschlagenheit. Die Friedensbedingungen erscheinen unsagbar hart und demütigend, während viele von ihnen mir unerfüllbar scheinen."

Lambert Lansing, US-Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, sah dem Versailler Vertrag, der Deutschland nach dem ersten Weltkrieg die Grenzen zeigen sollte, äußerst kritisch entgegen. Der Kontrakt, welcher am 28. Juni 1919 unterzeichnet und am 10. Januar 1920 in Kraft gesetzt wurde, hatte zur Folge, dass Deutschland einer Reihe von Ländern insgesamt 19 Gebiete abtreten musste. Darunter waren z.B. Elsass-Lothringen (Frankreich), Nordschleswig (Dänemark), Westpreußen und Ostoberschlesien (Polen), sämtliche Kolonien an verschiedene alliierte Staaten sowie die seit 1237 deutsche Stadt Danzig. Während bei vielen dieser Gebiete Abstimmungen durchgeführt wurden, gab es bei Danzig kein solches Votum. Die fast ausschließlich von Deutschen bewohnte Stadt an der Nogat wurde gegen den Willen der Bevölkerung zur Freien Stadt Danzig unter den Schutz des Völkerbundes gestellt. Trotzdem bekam Polen Sonderrechte an dem Gebiet.

Die Artikel 100 bis 108 verankerten die Rechte des Völkerbundes an der Freien Stadt im Versailler Vertrag.

Die Artikel 100 und 101 beschrieben peinlichst genau die Grenzen dieses Gebietes, welche von Ostsee bis zum Weichsel-Nogat Delta auf der Nord-Süd Achse verlief, von West nach Ost gab es noch genauere Bestimmungen, welche die Vermutung veranlassen, dass hier um jeden Quadratmeter Land gefeilscht wurde.

"Die alliierten und assoziierten Hauptmächte verpflichten sich, die Stadt Danzig nebst den im Artikel 100 bezeichneten Gebiet als Freie Stadt zu begründen; sie tritt unter den Schutz des Völkerbunds." Neben dem Artikel 102 wurde im folgenden Artikel 103 auch direkt der Verantwortliche für Danzig ausgemacht - der Hohe Kommissar des Völkerbundes. Dieser musste seinen Sitz in Danzig haben, sollte eine Verfassung ausarbeiten und entstehende Streitigkeiten klären.

Der Artikel 104 bezeichnete die weiter oben bereits genannten Sonderrechte Polens an der gerade gegründeten Freien Stadt. Polen bekam das Recht die außenpolitischen Aktivitäten Danzigs komplett zu übernehmen. Der strittige Punkt war allerdings ein anderer; Polen durfte laut Vertrag das Eisenbahnnetz, den Postverkehr und die Schifffahrt kontrollieren - Streit war hier vorprogrammiert.

Kurz nachdem der Vertrag veröffentlich wurde, ging der französische Generalfeldmarschall Foch auf die eben enthüllte Landkarte zu, zeigte mit dem Finger auf die Freie Stadt Danzig und sprach: "Hier beginnt der nächste Krieg!"

Die weiteren Artikel befassen sich mit der Nationalität der Bürger innerhalb der gezeichneten Grenzen. Sie waren nun Staatsangehörige der Freien Stadt Danzig.

Lansing prophezeite schon damals, einen Tag nach der Vorstellung des Abkommens, dass das Schicksal seinen Gang nehmen würde.

"Man muss von vornherein zugeben, dass der Völkerbund ein Werkzeug der Mächtigen ist, um das normale Wachstum nationaler Macht und nationaler Bestrebungen bei jenen aufzuhalten, die durch die Niederlage machtlos geworden sind. Prüft den Vertrag und ihr werdet finden, dass Völker gegen ihren Willen in die Macht jener gegeben sind, die sie hassen, während ihre wirtschaftlichen Quellen ihnen entrissen und anderen übergeben sind. Hass und Erbitterung, wenn nicht Verzweiflung, müssen die Folgen derartiger Bestimmungen sein. Es mag Jahre dauern, bis diese unterdrückten Völker imstande sind, ihr Joch abzuschütteln, aber so gewiss wie die Nacht auf den Tag folgt, wird die Zeit kommen, da sie den Versuch wagen."

Carl J. Burckhardt - eine eidgenössisches Leben

Diplomat, Historiker, Professor, Schriftsteller und Präsident eines großen Unternehmens - es scheint so als wäre C. J. Burckhardt nie so richtig glücklich geworden in seinem Leben. Allround-Genie oder bloß ein Blender - was steckt wirklich hinter dem Schweizer?

Carl Jacob wird als Sohn eines Juristen am 10. September 1891 in Basel in der Schweiz geboren. Er studiert Geschichtswissenschaften und beginnt 1918 seine diplomatische Karriere als Attaché an der Schweizer Botschaft in Wien. Hier lernt er auch seinen späteren, langjährigen Freund Hugo von Hofmannsthal kennen.

1923 wird er vom Internationalen Roten Kreuz engagiert die Folgen des Griechisch-Türkischen Krieges und dem damit verbunden Flüchtlingsproblem zu lösen.

1929 bereits, im Alter von 38 Jahren, erhält er einen Lehrstuhl an der Züricher Universität, welchen er auch am "Institut des Hautes Études" in Genf zur Verfügung gestellt bekommt.

Den ersten Teil seines schriftstellerischen Hauptwerks "Richelieu" veröffentlicht er 1935. Vor allem sein brillanter Stil und die perfekte Karikatur der damaligen Zeit ließen das Buch zu einem bedeutenden Werk werden.

Der Höhepunkt seiner beruflichen Karriere folgt dann 1937. Er wird vom Völkerbund, welcher seit dem Versailler Vertrag die Aufsicht von Danzig übernommen hat, als Hoher Kommissar der Freien Stadt eingesetzt. Höchste Priorität hat hier die Kommunikation zwischen den Ländern Polen und dessen unmittelbaren Nachbarn Deutschland; Polen leitet die Außen- und Verteidigungspolitik während die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei seit 1936 die Regierung stellt.

Mit einiger gehörigen Portion Sarkasmus nimmt Burckhardt auch diese Tatsache bereits bei seiner Ernennung aufs Korn: "Es werden eines Tages deutsche Kriegsschiffe im Hafen von Danzig einlaufen, und ich werde vor der Tür meines Hauses stehen und mit erhobenem Füllfederhalter im Namen des Völkerbundes dagegen protestieren."

Nur 2 Jahre nach seiner Berufung scheint das einzutreten, was er antizipierte. Burckhardt bemüht sich noch um die Schlichtung der deutsch-polnischen Streitigkeiten - vergeblich. Adolf Hitler stilisiert die Weigerung der Rückgabe Danzigs an das deutsche Reich zum Kriegsgrund und kündigt kurze Zeit später den lange umkämpften Nichtangriffspakt von 1934. Am 1. September 1939 beginnt der zweite Weltkrieg mit der Beschießung des polnischen Munitionslager an der Danziger Westerplatte. Burckhardt verlässt schon vorher Danzig und verschwindet vorerst länger von der politischen Bühne.

Erst 1945 erhält er wieder einen bedeutenden Posten - er wird Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Er leitet die Betreuung von Kriegsgefangenen und Zivilinternierten. Gleichzeitig ist er Gesandter seines Heimatlandes, der Schweiz an der Botschaft in Paris.

Als Burckhardt auf die 65 zugeht, zieht er sich aus dem öffentlichen Leben ein wenig zurück; er konzentriert sich jetzt auf seine schriftstellerischen Fähigkeiten. 1954 erhält er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 11 Jahre nach dem Krieg gibt er dann sogar die Briefe, die sein Freund Hugo von Hofmannsthal ihm schrieb, heraus. Außerdem veröffentlicht er drei weitere Bände seiner historiographischen Biographie "Richelieu".

Den meisten Wirbel gab es aber um sein Buch "Meine Danziger Mission", indem er seine Arbeit zwischen 1937 und '39 beschreibt. Ist wirklich alles wahr was Carl Jacob Burckhardt da berichtet?

Er stirbt schließlich im Alter von 83 am 3. März 1974. Der Weltenbummler findet seine letzte Ruhe wo anders als in seiner Heimat, der Schweiz.

Wie aus einem Genie wieder ein Mensch wird... (Quellenkritik zu „MDM“)

"Geschichte und Geschichten wachsen und wechseln im Enstehn!" Theodor Fontane brachte in einem seiner Gedichte das Schicksal von Carl Jacob Burckhardt auf den Punkt. Sein Dasein als Zeitzeuge ist unbestritten, seine Ehrlichkeit als Zeithistoriker dagegen äußerst fraglich. Besonders die Informationen aus seinem Werk "Meine Danziger Mission", indem er aus seiner Zeit als Hoher Kommissar in der Freien Stadt berichtet, scheinen nicht immer glaubwürdig.

Die verarbeiteten Schriften in Burckhardts Buch sind Berichte, die er während seiner Zeit als Hoher Kommissar des Völkerbundes an Joseph Avenol, Generalsekretär der Genfer Organisation, an Frank Walters, Vize-Generalsekretär und Leiter der politischen Abteilung, an die Präsidenten des Dreierkomitees Danzigs und an die englischen Außenminister Anthony Eden sowie Lord Halifax geschrieben hat. Als weitere Quellen konnte Burckhardt Dokumente benutzen, die er nicht beim Verlassen der Freien Stadt vernichten musste.

Der Schweizer Diplomat stand in diesen entscheidenden Jahren auf einem verlorenen Posten. "Ich blieb nicht weil ich glaubte eine Rolle spielen zu können, sondern weil ich bis zum letzten Augenblick hoffte, auf engstem Raum und ohne wirksame Mittel [...] einer übernommenen Pflicht genügen zu können." Sicherlich gebührt dem vielbewunderten Burckhardt dafür auch eine große Portion Respekt, aber als Zeuge vieler großen politischen Ereignisse trägt er auch eine genauso große Verantwortung. Die Ungereimtheiten, welche aus dem Buch hervorgehen, sind vielleicht auf mangelndes Errinerungsvermögen zurückzuführen, vielleicht aber auch auf allzu große Fantasie.

Er beschreibt in seinem Buch auch die Begegnung mit dem damaligen deutschen Reichskanzler Adolf Hitler am 11. August 1939 auf dem Obersalzberg. Dieses geheime Treffen im sogenannten Teehaus, einem in den Fels gesprengten Wohnsitz des "Führers aller Deutschen" fand nur zwischen Hitler und Burckhardt statt. Der Diplomat sollte aber zwei Tage später in seinem Haus in Basel einen französischen und einen englischen Diplomaten zu Gast haben. Hierbei handelte es sich um Roger Makins, Vertreter des englischen Außenminister Lord Halifax, und um die Vertretung des französischen Außenministers George Bonnet, Pierre Arnal. Diese fertigten dann einen peinlich genauen Bericht an. Auffällig aber ist, dass die Versionen von Makins/Arnal und der Text in Burckhardts umstrittenen Buch teilweise auseinandergehen. "Die Divergenzen sind allerdings unwesentlich" heißt es im Bericht des Schweizers. Aber besonders in einem Punkt sind die Divergenzen durchaus von wesentlicher Natur. Burckhardt nennt es fortan den "allermerkwürdigsten Ausspruch den Hitler je tat". Der Reichskanzler soll gesagt haben:

"Alles was ich unternehme, ist gegen Russland gerichtet; wenn der Westen zu dumm und zu blind ist, um dies zu begreifen, werde ich gezwungen sein, mich mit den Russen zu verständigen, den Westen zu schlagen, und dann nach seiner Niederlage mich mit meinen versammelten Kräften gegen die Sowjetunion zu wenden. Ich brauche die Ukraine, damit man uns nicht wieder wie im letzten Krieg aushungern kann."

Nicht nur, dass es unwahrscheinlich ist, dass sich Hitler jemals zu einer solchen Äußerung hätte hinreißen lassen; in keinem der Berichte der beiden anderen Diplomaten taucht dieser Ausspruch auf. Burckhardt hatte diese Sätze des Reichskanzlers wohl für sich behalten. Eine Unterschätzung dieser Wörter des Reichskanzlers von Burckhardts Seite kommt nicht in Frage, da sonst jede Winzigkeit, jede Gefühlsäußerung Hitlers den beiden westlichen Diplomaten diktiert wurde. Auch der genaue Zeitpunkt kann in dem sonst chronologisch angefertigten Bericht nicht lokalisiert werden; Burckhardt erwähnt sie lediglich am Ende seines Berichtes, wie er in "Meine Danziger Mission" abgedruckt ist. Warum hat er den beiden Diplomaten diese Information vorenthalten? Die Antwort des Hohen Kommissars ist zwar nicht zurückzuweisen, aber auch keine gute Entschuldigung. Just bei der Unterredung mit den westlichen Verbindungsleuten gab es einen Anruf aus Paris, dass jenes geheime Treffen auf dem Obersalzberg in einer französischen Abendzeitung publiziert worden wäre. Nicht überraschend wurde dann auch die Information aufgenommen, dass der Bericht unwahre Einzelheiten beinhaltete. Burckhardt soll der Presse mitgeteilt haben, Hitler habe ihm einen Brief für den englischen Premierminister Chamberlain übergeben, der England auffordert, Deutschland bei einem Vorstoß gegen Russland zur Seite zu stehen. Enttäuscht von dieser Meldung hätte Burckhardt, so er selbst, dem "allermerkwürdigsten Ausspruch" keine Bedeutung mehr verliehen. Der Ausspruch schien für ihn jetzt nur so wahrscheinlich wie ein Bestandteil einer Halluzination.

Einer solchen Mitteilung von Hitler, in einer solchen kritischen Zeit, wo Ironie wohl fehl am Platz war, keine Bedeutsamkeit zukommen zu lassen scheint doch mehr als naiv. Hat er den Nationalsozialismus in Deutschland wirklich so maßlos unterschätzt? Es scheint eher so, dass besonders an dieser Stelle aus dem historischen Bericht Burckhardts der Geschichtenschreiber in ihm durchkam.

1951, neun Jahre vor der Veröffentlichung von "Meine Danziger Mission", hatte Burckhardt noch einen ganz anderen Grund für das Verschweigen angegeben. Dem Historiker Percy Schramm gegenüber sagte er, er habe die sowieso schon angespannte Lage nicht noch weiter verschärfen wollen.

Man kann aber annehmen, dass weder die eine noch die andere Ausrede zurecht "wahr" genannt werden darf. Es ist doch wesentlich wahrscheinlicher, dass der rhetorisch begabte Diplomat Burckhardt Hitler den Ausspruch in den Mund gelegt hat und er lediglich annahm Hitlers heimliche Intention wiederzugeben. Diese Vermutung wird zusätzlich durch eine unveröffentlichte Memoiren-Textstelle Burckhardts gestützt. Diese beschreibt das Gespräch zwischen Burckhardt und dem französischen Journalist André Garteiser. "Gänzlich dem Reiche der Fantasie angehörend erschien ihm meine Versicherung, Hitlers eigentliche Ziele lägen im Osten, den Nichtangriffspakt werde er im Falle eines für ihn günstigen Kampfausganges brechen. Im Osten habe er große territoriale Ziele."

Plötzlich wird der angebliche Hitler-Ausspruch schon als eigene Versicherung ausgegeben. Einem misstrauischen Mann wie Garteiser hätte man explizit sagen müssen, dass es keine eigene Prophezeiung ist, sondern eine Absichtserklärung des Mannes, der die Fäden damals in der Hand hatte, eben Hitlers.

"...zu schwören, dass alles stimmt, was man aus dem Gedächtnis aufgeschrieben hat, ist eine gar heikle Sache." Dieses Zitat stammt von Burckhardt selbst und vielleicht wird so aus einem Genie wieder ein Mensch mit zu viel Eitelkeit und Ruhmessucht.

Georg Christoph Lichtenberg sagte einmal: "Mäßig angestellte Wahrheiten sind Lügen" - dem stimme ich zu.

Quellenverzeichnis

Primärliteratur : "Meine Danziger Mission", Carl Jacob Burckhardt,

Deutscher Taschenbuch Verlag, München, Auflage vom Mai 1962

Weitere Quellen:

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/BurckhardtCarlJacob/

http://www.pausenhof.de/referate/refges/refgesv001.asp

http://www.voelkerbund-geschichte.de/

http://www.gonschior.de/weimar/Danzig/index.htm

http://www.lsg.musin.de/Geschichte/wr/Quellen/kritik_Versailles.htm

http://www.deutsche-schutzgebiete.de/vertrag_von_versailles.htm

FAZ - Artikel vom 02.06.1999, Rainer A. Blasius, "Die wahre Erfindung ist so wahr wie der Traum"

Fin de l'extrait de 8 pages

Résumé des informations

Titre
Der zweite Weltkrieg aus der Sicht eines Völkerbunddiplomaten - C.J. Burckhardt und sein Werk - Meine Danziger Mission
Note
2+
Auteur
Année
2003
Pages
8
N° de catalogue
V108522
ISBN (ebook)
9783640067190
Taille d'un fichier
411 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Arbeit erklärt zuerst die Arbeit des Völkerbundes, geht später dann auf den Versailler Vertrag und insbesonders Danzigs Rolle in diesem ein. Der Hauptteil beschreibt das Leben des Diplomaten Carl Jacob Burckhardt, sein Buch &quot,Meine Danziger Mission&quot, und wie glaubwürdig es wirklich ist!
Mots clés
Weltkrieg, Sicht, Völkerbunddiplomaten, Burckhardt, Werk, Meine, Danziger, Mission
Citation du texte
Robert Pollheim (Auteur), 2003, Der zweite Weltkrieg aus der Sicht eines Völkerbunddiplomaten - C.J. Burckhardt und sein Werk - Meine Danziger Mission, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108522

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