Die Philosophie Oswald Spenglers in: Preußentum und Sozialismus


Presentation (Elaboration), 2002

16 Pages, Grade: sehr gut


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Engländer und Preußen

Marx

Schlußteil

Anhang

Literaturverzeichnis

Einleitung

Oswald Spengler (1880–1936) gilt heute als einer der einflußreichsten konservativen Publizisten Deutschlands und der konservativen Revolution. Zu verstehen ist unter dem Begriff der konservativen Revolution eine Geisteshaltung, welche auf Bindung an die Gemeinschaft anstatt auf individueller Freiheit beruhte. Schriftsteller und andere geistige Eliten waren von der Vorstellung durchdrungen, daß es neben Marxismus und Kapitalismus einen dritten spezifisch deutschen Weg geben muß.

Dieser Weg in die Moderne, heraus aus der Weimarer Republik, sollte ein auf den preußischen Werten fußender preußischer Sozialismus sein. Bestimmungsfaktoren dieser konservativen Revolution waren Antithesen wie: „die Ideen von 1914“ statt „die Ideen von 1789“, „Gemeinschaft statt Gesellschaft“, „preußischer Sozialismus statt Kapitalismus“. Dem letzteren Gegensatzpaar widmete sich Oswald Spengler in seinem im Dezember 1919 erschienen Werk „Preußentum und Sozialismus“.

Entstanden ist das Werk als eine Reaktion auf die Novemberereignisse, welche Spengler mit „Ekel und Erbitterung“ erfüllten. Für ihn war dieser Umsturzversuch der „... dümmste und feigste, ehr- und ideenloseste...“ den die Welt je gesehen hat.

Hauptangriffspunkte Spenglers sind der westliche Parlamentarismus und Liberalismus. Entgegenstellt wird diesen Ideen eine Rückbesinnung auf die staatssozialistischen Traditionen Preußens.

Spenglers Preußentum ist jedoch nicht mit dem preußischen Staat gleichzusetzen, vielmehr geht es um eine preußische Geisteshaltung. Diese begründeten sich in der preußischen Rasse, Rasse jedoch nicht im ideologischen Sinne der Machthaber von 1933 bis 1945, sondern Rasse im Sinne Nietzsches. Er definierte Rasse als starke Natur. Von Rasse sein bedeutet nichts anderes, als die Kraft zu besitzen sich dem Daseinskampf zu stellen. Ein Kampf einer Gemeinschaft von Menschen mit gleichen Gedanken und Zielen. Diese Rassen sind Produkte ihrer Kulturen, welche sich im Laufe der Zeit nicht zu Kulturschöpfern, sondern zu Schöpfungen der Kultur entwickeln. Kultur züchtet die Menschen einer Landschaft zu Völkern heran. Kultur umschreibt folglich eine Völkergruppe von ausgeprägtem Stil und einheitlichem Weltgefühl.

Im Verlauf der Jahrhunderte erstarrt die Schöpferkraft der Kultur, und sie wird Zivilisation. Umschrieben wird dieser Vorgang bei Spengler, als eine Auflösung der jetzt wesentlich gewordenen großstädtisch veranlagten Volkskörper zu formlosen Massen. Es stehen sich somit Weltstadt und Provinz gegenüber. Mit der Demokratie wird letztendlich der Untergang eingeleitet, der 4. Akt einer Tragödie. In dieser Staatsform, welche er als die Herrschaft des Geldes bezeichnet, sieht er den Untergang der Staatsidee. Nicht mehr der Staatsmann, sondern die Wirtschaftsmächte durchdringen den Staat.

Elementar für Spenglers Philosophie waren die „Ideen von 1914“, welche einen Unüberbrückbaren Dissens zwischen der westlichen Zivilisation und der deutschen Kultur diagnostizierten. Spengler setzte hier der Trias „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, welche aus der französischen Revolution von 1789 hervorging, die Trias „Pflicht, Ordnung und Gerechtigkeit“ entgegen. Die Verwirklichung sah Spengler in einem „deutschen Sozialismus“, der als Gegenentwurf zum liberalen Parlamentarismus, aber auch zum marxistischem Sozialismus bzw. der Sozialdemokratie als seine gemäßigte Form, gedacht war.

Die Versöhnung des Sozialismus mit dem Preußentum wurde bei Spengler nicht zuletzt durch die in München selbst miterlebte Novemberrevolution beflügelt.

Den Beginn dieses Umsturzes datiert er, wie viele Konservative nicht auf den November 1918, sondern bereits auf den 19. Juli 1917, als der Reichstag eine Friedensresolution verabschiedete.

Im Verlauf dieser Ausarbeitung soll der von mir angestrebte Erkenntnisgewinn darin liegen Spenglers Philosophie in „Preußentum und Sozialismus“ darzulegen. Um den Umfang der Arbeit nicht zu sprengen, habe ich mein Hauptaugenmerk auf die Kapitel „Engländer und Preußen“, „Marx“ und „Revolution“ gelegt. Mittels dieser sollte es möglich sein die von Spengler bereits in der Einleitung aufgegriffene Frage zu beantworten.

„Ist Sozialismus ein Instinkt, oder ein System? Das Endziel der Menschheit, oder nur ein Zustand von heute und morgen? Oder ist es nur eine Forderung einer einzelnen Klasse? Ist er mit dem Marxismus identisch?“ [1] Revolution

Ein Franzose, so Spengler, „...würde den Vergleich mit 1789 als eine Beleidigung seiner Nation mit Recht ablehnen.“[2] Was der Revolution von 1918 entscheidendes fehlte, war nicht nur ein Held oder Führer, sondern vor allem „...die ungeheure Masse, die ein Gedanke zur Einheit schmiedete...“[3]. In Frankreich brach die Urgewalt des Volkes derart hervor, daß der „Bodensatz“ ins Hintertreffen geriet. Im Deutschland des Jahres 1918 beheilt das „Geschmeiß“ der Großstädte die Oberhand. Somit fehlte eben dieses „Weltgefühl“ - der Wille zur Gemeinschaft und darin lag die Niederlage begründet. „Hier trennten sich zum ersten Male! – Marxismus und Sozialismus, die Klassentheorie und der Gesamtinstinkt.“[4] Die gleichen Soldaten die 4 Jahre unter der schwarz – weiß – roten Fahne fochten, haben unter der Roten nichts gewagt, nichts gewollt und nichts geleistet. Der Grund hierfür lag wieder in der mangelnden Einigkeit. So wurde die sogenannte Arbeiterschaft durch einige in den Kopf eingehämmerte Sätze in ihrem Bewußtsein vom Volke abgespalten. Und so kommt Spengler zu dem Schluß: „Nein wir sind keine Revolutionäre. Keine Not, keine Presse, keine Partei kann einen ordnungswidrigen Sturm mit der Gewalt von 1813, 1870, 1914 hervorrufen.“[5]

Das klassische Land europäischer Revolution ist Frankreich. Diese Rasse erfreut sich am rasenden Mord aus Rache am Unterdrücker. Das Ergebnis der großen Tage kümmert ihn weniger. Der Engländer versucht seinen Gegner von der Schwäche der eigenen Position zu überzeugen, mißlingt dies scheut er nicht davor zurück seinem König den Kopf abzuschlagen, weil er eben dies Mittel für notwendig hält. Folglich zählt für den Engländer der Zweck und für den Franzosen das Mittel. Wir Deutschen sind nur Karikaturen beider Arten. Eine echte Revolution ist die des gesamten Volkes, wie sie 1914 als sozialistische stattfand. Diese psychologische Sichtweise europäischer Revolutionen erweitert Spengler zu einer Typologie der abendländischen Revolutionen. Es gibt nach ihm die ehrwürdige, die großartige und die lächerliche Revolution. Allen diesen Formen liegt eine Frage zugrunde:

„Ist der Wille des Einzelnen dem Gesamtwillen zu unterwerfen oder umgekehrt?“[6]

Diese Machtfrage, das Aufzwingen des eigenen Willens wird von den drei spätesten Völkern des Abendlandes instinktiv beantwortet. „Der englische Instinkt entschied, die Macht gehört dem Einzelnen. [...] Wenn jeder für sich kämpft, kommt es in letzter Linie allen zugute.“[7] Der französische entschied: „Die Macht gehört niemand.“

Hier zeigt sich der bereits erwähnte französische Anarchismus. Kein Staat, sondern Gleichheit aller. Spengler entdeckt nun den Fehler der deutschen Revolution darin, daß die Deutschen nicht nach Instinkt, sondern nach den Ideen von Marx gehandelt haben. Übersehen wurde die Andersartigkeit der deutschen Machtidee.

Der preußische Instinkt war : die Macht gehört dem Ganzen. Der einzelne dient ihm. Das Ganze ist souverän - der König ist nur der erste Diener seines Staates. Jeder erhält seinen Platz in der Gesellschaft zugewiesen. Befehlen und Gehorchen ist seit dem 18. Jahrhundert autoritativer Sozialismus in Preußen. Dieser ist dem Wesen nach unfreiheitlich und antidemokratisch, bezogen auf den englischen Liberalismus und die französische Demokratie.

Nach Spengler war das sozialistische Ideal in Preußen also bereits verwirklicht. Erst die radikale Theorie gliederte das „...Land der Bauern und Beamten“[8] in Stände auf. Sie gab den zahllosen Berufständen den Namen „dritter Stand“, was ihn zum Objekt eines Klassenkampfes machte. Sozialistische Gedanken wurden zum Privileg des vierten Standes – der Arbeiterschaft erhoben. Hier wird für Spengler klar, daß die marxistischen Ideen nicht mit dem deutschen Sozialismus vergleichbar sind. Während bei Marx der Klassenkampf die Gesellschaftsform bestimmt, wird sie in Deutschland durch den angeborenen preußischen Instinkt geprägt. Der Klassenkampf wird von ihm Grundsätzlich abgelehnt, da die Stände des Bürgers und des Proletariers „...künstlich geschaffene Nichtstände“[9] sind. Das Ende Weimars sieht Spengler im künstlich herbeigeführten Klassenkampf des politischen Sozialismus. „Im Herzen des Volkes ist Weimar gerichtet. Man lacht nicht einmal. Der Abschluß der Verfassung stieß auf absolute Gleichgültigkeit. “[10] Ihr Ende finden diese Betrachtungen mit der Vorstellung des Gegenrevolutionär. „Das verlogene Schauspiel einer nicht geglückten und nicht beendeten Revolution ein Ende nimmt, ist sicher. Draußen bereitet sich einer neuer Akt des Weltkrieges vor. Während die Nationalversammlung, ein verschlechterter Reichstag, aus den Trümmern des zerstörten Staates eine Hütte zusammenflickt, in der Schiebertum und Wucher mit Löhnen, mit Waren, mit Ämtern bald die einzigen Beschäftigungen sein werden, beginnen andere über das letzte Jahr anders zu denken.“[11] Ziel dieser nicht beendeten Revolution ist der preußische Staatssozialismus. Spengler datiert den Begin dieser Revolution, welche durch im November 1918 nur unterbrochen wurde, auf das Jahr 1914. Erklärbar wird dies durch die Überwindung aller sozialen Konflikte durch ein alle vereinendes Ideal, wie er es in der Kriegsbegeisterung von 1914 sah.

Engländer und Preußen

Engländer und Preußen bilden in ihrem Kern die am nächsten verwandten Völker.

Dennoch bildeten sich beide auf der Grundlage gegensätzlicher sittlicher Imperative.

Begründet waren diese auf dem Ordensgeist der Deutschritter und dem Geist der Wikinger. „Die einen trugen die germanische Idee in sich, die anderen fühlten sie über sich: persönliche Unabhängigkeit und überpersönliche Gemeinschaft. Heute nennt man sie Individualismus und Sozialismus.“[12] Aus diesem Wesensgehalt heraus entstanden zwei unterschiedliche Staatsformen. Persönliche Unabhängigkeit, Selbstverantwortung, Selbstbestimmung, Entschlossenheit, Initiative sind Werte, die Spengler mit England verband, während das Preußische für überpersönliche Gemeinschaft, für Treue, Disziplin, selbstlose Entsagung und Selbstzucht stand. Die der englischen Prägung wurde durch den geographischen Umstand der Insellage beeinflußt. Hier taucht noch einmal der bereits in der Einleitung erwähnte Punkt des Schöpfertums der Landschaft auf. Nur diesem Umstand war es zu verdanken das der Staat, dessen Aufgabe es ist das Volk zu schützen, ganz in den Hintergrund treten konnte. „In England ersetzt die Insel den organisierten Staat.“[13] Das zurücktreten des Staates begünstigte die maximale Entwicklung persönlicher Freiheit des Einzelnen – der Liberalismus in Reinform.

Demokratie in England heißt für jedermann reich zu werden, in Preußen, jeden Rang zu erreichen. Die Ethik des Wirtschaftsliberalismus dient somit der Befriedigung hedonistischer Bedürfnisse. Preußen entwickelte sich im Gegensatz dazu aus seiner Lage als Mark ohne natürliche Grenzen, aus einer Lage die auf allen Seiten dem Feind offen stand, zu einer völlig anderen Staatsform. Anstatt der größtmöglichen Freiheit des Einzelnen, wird Preußen durch das Kollektiv bestimmt. In dieser Gemeinschaft zählt der Einzelwille nichts. „Jeder für sich, das ist englisch, alle für alle: das ist preußisch. Liberalismus aber heißt: Der Staat für sich, jeder für sich.“[14]

Nach Spengler hatte der deutsche Liberalismus den Fehler begangen, eine längst überfällige Reform des preußischen Staates durch eine Übertragung des englischen Systems zu erlangen. „Wenn also mit dem 19. Jahrhundert eine Demokratisierung des Staates unerläßlich wurde, so durfte sie nicht in englischen Formen erfolgen, die dem genau entgegengesetzten System entsprachen.“[15]

Der richtige Weg für Deutschland läge nicht in der Schaffung zweier Parteien, sondern darin, dem einzelnen nach Maßgabe seiner praktischen, sittlichen und geistigen Fähigkeit ein bestimmtes Maß von Befehl und Gehorsam zuzuweisen.

Ziel dieses Staatsgebildes, das Spengler direkt aus dem "Ordensgeist der Deutschritter" ableitete, war ein „organischer Staat“, der mit der „Exaktheit einer guten Maschine“[16] arbeite. Ein derartiger Staat zerfalle nicht in die widerstreitenden Interessen von Privat- oder Verbandsinteressen. Dieser Staat werde vom „Gemeingefühl“, der Aufgabe und der Arbeit getragen – und eben nicht nach englischer Manier vom Ziel des privaten Glücks und Erfolgs. Offizierskorps, Beamtenschaft und Arbeiter würden geschlossen als „überpersönliche Einheit“ handeln.

Der englisch – deutsche Gegensatz hat laut Spengler eine lange Geschichte.

Ökonomisch drückten sich diese Unterschiede im Falle Preußens mit der Wirtschaftslenkung durch den Staat aus, während in England das freie Unternehmertum Einzug erhielt. Zuletzt drückte sich der Gegensatz auch politisch aus. Der Parlamentarismus sei ,,ein spezifisch englisches Gewächs"[17], das sich allerdings bis jetzt ,,dem Festlande und schließlich der ganzen Welt" aufgedrängt habe, in Deutschland in Wahrheit aber nur ,,Unsinn oder Verrat“[18] sei.

Zum Abschluß bringt Spengler dieses Kapitel mit der Feststellung, daß Preußen, den übernommenen kapitalistisch – parlamentartistischen Liberalismus, überwinden muß. Nur dann kann der Endkampf der beiden großen germanischen Ideen ausgefochten werden. Parlamentarismus, wie er in England praktiziert wurde war nach Spengler verbraucht und am niedergehen, als deutsche Narrheit ihn herüberholte. Erklärt wir dies am Beispiel der englischen Oberklasse, welche vormals gegeneinander stand.

Heute müssen sich Tories (konservativer Politiker) und Whigs (liberaler Politiker) gegen die Arbeiterklasse zusammenschließen. In der Folge wird das auf zwei Parteien beruhende englische System zerbrechen, da ihm die Arbeit mit drei Parteien fremd ist. Mit einem Aufruf an die beiden „sozialistischen“ Parteien Deutschlands (Sozialdemokratie und Konservative), sich gegen den gemeinsamen Feind – das „innere England“ – den kapitalistisch - parlamentarischen Liberalismus zu wenden, endet dieses Kapitel. Eine beide Kräfte vereinende „sozialistische Monarchie“ müsse am Ende dieses Kampfes stehen.

Marx

Größter Feind Spenglers war Karl Marx. Folglich sah er seine größte Aufgabe darin, den „deutschen Sozialismus“ von Marx zu befreien. Befreiung nur des deutschen Sozialismus, „denn es gibt keinen anderen“[19]. Spenglers Schrift darf aber nicht nur als eine Auseinandersetzung mit dem Sozialismus gelesen werden, sondern muß auch als eine Abrechnung mit dem Manchesterkapitalismus aufgefaßt werden. Begründet ist dies darin, daß Spengler eben diesen als eine Abart des Marxismus auffaßt. Beide sind staatsfeindlich und materialistisch durch und durch. Diese Feststellung begründete Spengler mit dem Hinweis darauf, daß der Marxismus wie das „Manchestertum“ die Arbeit als „Ware“ und nicht als Beruf, Dienst oder Lebensinhalt einstufte. Der Irrtum von Marx besteht nun für Spengler darin, daß dieser die Instinktgegensätze von Engländern und Preußen auf materielle Gegensätze reduziert. „Und so übertrug er durch eine wahrhaft Groteske Kombination den Instinktgegensatz der germanischen Rassen auf den materiellen Gegensatz zweier Schichten. Er schrieb dem „Proletariat“, dem vierten Stande, den preußischen Gedanken des Sozialismus und der „Bourgeoisie“ dem dritten Stande, den englischen des Kapitalismus zu.“[20]

Für Spengler ist „...Marxismus der Kapitalismus der Arbeiterschaft“[21].

Als Beweis dafür scheint ihm die Gleichsetzung von Arbeit und Ware zu dienen, mit der Marx die Analyse des kapitalistischen Systems durch die Mehrwerttheorie betreibt. Im preußischen Sozialismus ist Arbeit eine Pflicht – im Marxismus eine Ware. Die Moral, welche Marx hierbei an den Arbeiter weitergibt war eine reine Geschäftsmoral. Das Geschäft seine „Ware“ Arbeit anzubieten ist nach Marx nicht unsittlich, sondern es nicht zu tun. In der Folge wird aus dem Lohnkampf Spekulation, der Arbeiter wird Händler mit seiner „Ware“ Arbeit. Der von Marx propagierte Mehrwert wird die Beute, die man der Gegenpartei davonträgt. Das von Spengler entworfene Modell setzt der Mehrwerttheorie eine Solidarvorstellung des preußischen Staates entgegen. Wie bereits erwähnt ist in Preußen die Arbeit keine Ware, sondern Pflicht der Allgemeinheit gegenüber. Einen sittlichen Unterschied in der Würde der Arbeit gibt es nicht. Der Bergarbeiter ist ebensoviel Wert wie der Gelehrte. Diese idealisierte Version der Solidargemeinschaft hebt den Klassenkampf im Staate durch aktives Eingreifen in die Lohnpolitik auf. Ziel ist eine Festsetzung des Lohnes für jede Art von Arbeit nach Maßgabe der wirtschaftlichen Gesamtlage.

Das primäre Hauptziel Spenglers, um den Sozialismusbegriff für sich nutzbar zu machen, mußte darin liegen ihn vom Marxismus beanspruchten Sozialismus-Begriff so umzudeuten, daß er für das eigene Anliegen fruchtbar gemacht werden konnte. Diese Umdeutung lautete: ethischer – und nicht ökonomischer – Sozialismus. Versteht man Spengler so, so ist Sozialismus ethisch als „Weltgefühl“ aufzufassen. Dieses Weltgefühl, daß „die eigene Meinung im Namen aller“ verfolgte, machte alle ohne Ausnahme zu Sozialisten, „...ob wir es wissen und wollen oder nicht".

Bereits hier ist zu erkennen, daß Spengler mit Sozialismus keine politische Theorie meinte, sondern eine Moral. Kurzum das von ihm festgelegte „Weltgefühl“ wird zur Ethik, welche in der Folge mit preußischer Pflichtethik gleichgesetzt wird.

Ein weiter Kritikpunkt in „Preußentum und Sozialismus“ ist der Kapitalismus. Einblicke gab bereits die von Spengler entwickelte Lohnpolitik. Die negativen Folgen des Wirtschaftsliberalismus sollte durch eine gelenkt Wirtschaft eingeschränkt werden. Diese Ideen wurden auch vom linken Flügel der NSDAP unter Gregor Strasser aufgenommen. Während Strasser eine Sozialisierung der Wirtschaft ins Auge gefaßt hatte, hatte Hitler spätestens seit Beginn der 30er Jahre die sozialistische Idee über Bord geworfen. Spengler beschwor eine autoritäre Staatsgewalt die Kommunismus und Nationalsozialismus unter Kontrolle halten sollte.

Schlußteil

Spengler wollte seine Schrift „Preußentum und Sozialismus“ nicht als Programmschrift verstanden wissen. Diese Schrift sollte vielmehr dazu dienen, über die Situation anders denken zu lernen. Sein Staatsmodell läuft letztlich auf die Herstellung einer größtmöglichen gesellschaftlichen Geschlossenheit hinaus. Es war Spenglers Überzeugung, daß die innere Verfassung einer Nation immer und überall den Zweck hat, für den äußeren Machtkampf in Verfassung zu sein.

Die geschlossene innere Verfassung eines Staates stellt für Spengler die unabdingbare Voraussetzung für einen erfolgreichen außenpolitischen Machtkampf dar. Klassenkampf hingegen, aus dem soziale Spaltung und Aufruhr hervorgingen, würden eine Nation innenpolitisch lähmen und damit außenpolitisch handlungsunfähig machen. Deshalb müsse es Ziel einer „nationalen Orientierung“ sein, ein Bündnis mit der Arbeiterschaft herzustellen. Dies gilt um so mehr, als Spengler politische Macht im 20. Jahrhundert als Ausfluß gesellschaftlichen Reichtums deutet. Dieser habe auch Auswirkungen auf die militärische Macht, so daß von einer „tiefen Verwandtschaft, ja fast Identität von Politik, Krieg und Wirtschaft“ geredet werden könne. Spengler hat seine Schrift "Preußentum und Sozialismus" 13 Jahre nach ihrem Erscheinen einmal „eines der aggressivsten politischen Pamphlete“ aus seiner Feder genannt. Die "nationale Bewegung" habe von diesem Buch ihren Ausgang genommen. In seiner 1933 veröffentlichten Schrift "Jahre der Entscheidung" beschreibt Spengler seine Stimmungslage im Jahre 1919 wie folgt: „Niemand konnte die nationale Umwälzung dieses Jahres mehr herbeisehnen als ich.

Ich habe die schmutzige Revolution von 1918 vom ersten Tage an gehaßt, als den Verrat des minderwertigen Teils unseres Volkes an dem starken, unverbrauchten, der 1914 aufgestanden war, weil er eine Zukunft haben konnte und haben wollte."[22] Und weiter: „Irgend etwas mußte kommen, in irgendeiner Gestalt, um die tiefsten Instinkte unseres Blutes von diesem Druck zu befreien, wenn wir bei den kommenden Entscheidungen des Weltgeschehens mitzureden, mitzuhandeln haben und nicht nur ihre Opfer sein sollten. Das große Spiel der Weltpolitik ist nicht zu Ende.“[23]

Daß Spengler mit dieser „Gestalt“ nicht Hitler meinte, daran hat er keinen Zweifel gelassen. Er hat sich bis zu seinem Tod, trotz anfänglicher Sympathien für die NS-Bewegung, gegen die Umarmungsversuche durch die Nationalsozialisten gewehrt. Das Angebot Georg Strassers, der ihn für die Mitarbeit an den „Nationalsozialistischen Monatsheften“ zu gewinnen versuchte, wies Spengler mit dem Hinweis auf die „primitive Lösung des Antisemitismus“ durch die Nationalsozialisten zurück. Auch das Angebot von Joseph Goebbels, am „Tag von Potsdam“ am 18. März 1933 eine Rede zu halten, lehnte Spengler ab. Einem Ruf auf eine Professorenstelle für Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig im Juni 1933 kam er nicht nach. Seine ablehnende Haltung gegenüber führenden Nationalsozialisten, sowie der Makel Hitler in seinem Werk „Jahre der Entscheidung“ nicht hinreichend gewürdigt zu haben, ließen ihn bald in der Versenkung staatlicher Ignoranz verschwinden. Dennoch müssen auch einige Kritikpunkte seiner Philosophie herausgestellt werden. So legte er mit seinen Schriften durchaus das Ideologische Fundament, welches den aufstieg der NSDAP ermöglichte. Erwähnenswert sind hier seine Aussagen über die Schöpferkraft einzelner Völker, sowie der starke Hang zu autoritärer Führung. Der ständige Verweis auf einen Erlöser, welcher die Geschicke des deutschen Volkes in die Hand nimmt erfaßten im Reich der Zwischenkriegszeit genau den Geist der zum Teil gedemütigten Bevölkerung. Weiterhin reduziert Spengler den Staat auf eine ständige Fähigkeit zur Kriegsbereitschaft. Durch die Abrüstungsauflagen des Versailler Vertrages war die Republik für diesen Zustand jedoch nicht in Form. Zur Rechtfertigung eines autoritativen Staates zieht er die historische parallele zur französischen Revolution. Nach dem Terror der Jakobinerherrschaft kam der „Cäsar“ Napoleon I. und rettet die Nation durch Abschaffung der Demokratie und Widereinführung der Monarchie. In Deutschland fragte sich der durch Krisen geschüttelte Leser von „Preußentum und Sozialismus“, ob nicht auch hier ein „Cäsar“ auftaucht und eine Einheit von Regierenden und Regierung schafft. Die Geschichte hat gezeigt das diese „Lichtgestalt“ 13 Jahre später die Geschicke der Regierung an sich riß. Letztendlich zeigt gerade der große Erfolg des Spenglerschen Werkes, daß die Demokratie in Weimar keineswegs gefestigt war. Festzustellen bleibt trotz der Kritik, Spengler habe der NS-Ideologie das Fundament gelegt, das er die Nationalsozialistische Bewegung als etwas albernes empfunden hat. Eine Bewegung die etwas großartiges in Gang gesetzt hatte, aber es nicht zu Ende brachte.

Oswald Spengler starb am 8. Mai 1936 in seiner Münchner Wohnung an einem Herzschlag.

Anhang

1880

29. Mai: Oswald Arnold Gottfried Spengler wird als zweites Kind des Postsekretärs Bernhard Spengler und seiner Frau Pauline (geb. Grantzow) in Blankenburg (Harz) geboren.

1899-1903

Nach dem Abitur Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften in Halle, München und Berlin.

1904

Promotion an der Universität Halle mit der Schrift „Der metaphysische Grundgedanke der Heraklitischen Philosophie“.

1908-1911

Gymnasiallehrer in Hamburg für die Fächer Naturwissenschaft, Mathematik, Deutsch und Geschichte.

1911

Nach der Übersiedlung nach München arbeitet Spengler zunächst als Kulturredakteur für verschiedene Zeitungen, danach als freier Schriftsteller und Privatgelehrter.

ab 1914

Veröffentlichung mehrerer Schriften, in denen er sein stark monarchistisches und antiparlamentarisches Programm entwickelt.

1915

Den Ausbruch des Ersten Weltkriegs bezeichnet Spengler in seiner Denkschrift „An den Kaiser Wilhelm“ als „den größten Tag der Weltgeschichte“.

1918-1922

Veröffentlichung seines zweibändigen Hauptwerks „Der Untergang des Abendlandes“, das in seiner kulturpessimistischen Geschichtsdeutung stark auf das vom Ausgang des Ersten Weltkriegs enttäuschte Bürgertum wirkt.

1919

Januar: Spengler lehnt eine ihm angetragene Professur für Philosophie an der Universität Göttingen mit der Begründung ab, er wolle die noch verbleibende Zeit gänzlich für die Fortführung seines Werkes nutzen.

November: Auszeichnung mit dem Ehrenpreis der Stiftung des Nietzsche-Archivs. Dezember: Veröffentlichung der Schrift "Preußentum und Sozialismus", abgefaßt aus „Ekel und Erbitterung“ über die „dümmste und feigste ... Revolution der Weltgeschichte“.

1920

Bekanntschaft mit Arthur Moeller van den Bruck, einem der Theoretiker der Konservativen Revolution, mit dem ihn fortan eine lockere Freundschaft verbindet.

1923

8./9. November: Spengler wird Zeuge des Auftritts Adolf Hitlers im Münchener Bürgerbräukeller, der dem Hitler-Putsch unmittelbar vorangeht.

1924

26. Februar: Vor dem "Hochschulring deutscher Studenten" hält Spengler eine Rede über "Politische Pflichten der deutschen Jugend" und verurteilt dabei "das Gaukelspiel allgemeiner Wahlen und einer freien Presse".

In seinem Buch "Neubau des Deutschen Reiches" prangert er die Degeneration der "freien Verantwortlichkeit" an und brandmarkt deutsche Beamte als "philiströse Aktenschlepper".

1925

Das Angebot Gregor Strassers, der ihn für die Mitarbeit an den "Nationalsozialistischen Monatsheften" zu gewinnen versucht, weist Spengler mit dem Hinweis auf die "primitive Lösung des Antisemitismus" durch die Nationalsozialisten zurück.

1931

Veröffentlichung der Schrift "Der Mensch und die Technik", in der Spengler der abendländischen Kultur einen notwendigen und ausweglosen Sterbensvorgang voraussagt.

1932

In der Abhandlung "Jahre der Entscheidung" führt er seine pessimistische Kulturphilosophie weiter aus und polemisiert gegen die Akademiker, die er als "Schwätzer und Hetzer" entlarvt.

1933

18. März: Das Angebot von Joseph Goebbels, am "Tag von Potsdam" eine Rede zu halten, lehnt Spengler ab.

14. Juni: Dem Ruf auf eine Professorenstelle für Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig kommt Spengler nicht nach.

25. Juli: Einzige persönliche Unterredung mit Hitler in Bayreuth.

Vom Nationalsozialismus, mit dem er anfangs sympathisiert, rückt er in der Folgezeit immer deutlicher ab.

31. August: Im NS-Organ "Völkischer Beobachter" wird Spengler vorgeworfen, in seiner Schrift "Jahre der Entscheidung" weder Hitler noch die "nationalsozialistische Bewegung" gewürdigt zu haben.

27. September: Obwohl noch in den Senat der "Deutschen Akademie" gewählt, darf Spengler fortan im Rundfunk nicht mehr erwähnt werden.

1936

8. Mai: Oswald Spengler stirbt in München

Literaturverzeichnis

1.) Naeher, Jürgen: Oswald Spengler, Hamburg, 1994

2.) Oswald Spengler: Jahre der Entscheidung, dtv, München, 1961

3.) Tartsch, Thomas: Denn der Mensch ist ein Raubtier, Books on Demand, 2001

4.) Oswald Spengler: Preußentum und Sozialismus, C.H. Beck, München, 1921

[...]


[1] Preußentum und Sozialismus, 1919 C.H. Beck Verlag, München, S. 1

[2] ebd., S.10

[3] ebd., S.10

[4] ebd., S.10

[5] ebd., S.11

[6] ebd., S.14

[7] ebd. S. 14

[8] ebd., S. 15

[9] Untergang des Abendlandes Bd. II

[10] Preußentum und Sozialismus, S. 17

[11] ebd., S. 17

[12] ebd., S. 31

[13] ebd., S. 32

[14] ebd., S. 34

[15] ebd., S. 60

[16] ebd., S. 60

[17] ebd., S. 54

[18] ebd., S. 54

[19] ebd., S. 4

[20] ebd., S. 69

[21] ebd., S. 75

[22] Jahre der Entscheidung, dtv, 1961, S. 13

[23] ebd., S. 13

Excerpt out of 16 pages

Details

Title
Die Philosophie Oswald Spenglers in: Preußentum und Sozialismus
College
Free University of Berlin
Grade
sehr gut
Author
Year
2002
Pages
16
Catalog Number
V108813
ISBN (eBook)
9783640070053
File size
483 KB
Language
German
Keywords
Philosophie, Oswald, Spenglers, Preußentum, Sozialismus
Quote paper
Ronald Philipp (Author), 2002, Die Philosophie Oswald Spenglers in: Preußentum und Sozialismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108813

Comments

  • guest on 3/7/2005

    differenzierte sehweise.

    die hausarbeit gefällt mir sehr gut. und nicht nur, da ich in den literturangaben zitiert werde.
    sie bietet ein differenziertes bild von oswald spengler, den man in der wissenschaftlichen diskussion entweder apodiktisch als wegbereiter des nationalsozialismus oder als genialen kulturphislosophen charakterisiert.
    oswald spengler ist vielmehr ein begnadeter literat und philosoph gewesen, der wie sein vorbild friedrich nietzsche anti-antisemit war, gleichzeitg aber auch ein anti-demokrat. wie viele seiner damaligen zeitgenossen sah er in der nsdap ein mittel zum zweck, um die verhasste weimarer republik abzulösen. dabei verachtete er immer die primitive "völkische" bewegung mit ihrem biologismus und antisemitismus. spengler wollte vielmehr einen staat, indem der preußische staatssozialismus in form einer geisteshaltung und der entsprechenden elite, zu der jeder mit der entsprechenden begabung gehören konnte, die bestimmedne kraft war. das zeigt auch die hauarbeit, die sich mit "preußentum und sozialismus" von 1919 beschäftigt. der autor zeigt, wie spengler die beiden antagosnismen ihres politischen inhaltes entkleidet und sie zu einer geisteshaltung zusammenfügt, wobei sich auch spenglers grosse schwäche zeigt, nämlich dienichtbeachtung der realen lebensbedingungen der arbeiterschicht. ausser einem arbeitsethos hat er keine vorschläge, um die bestehende kluft zwischen prußentum und sozialismus in der realität zu überbrücken. auch wird seine anti-demokratische geisteshaltung sichtbar, die aber wie ausgeführt, nicht mit den nationalsozialismus gleichzusetzen ist.
    insgesamt gesehen kann man die hausarbeit als überblick und einstieg in das thema empfehlen.

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Title: Die Philosophie Oswald Spenglers in:  Preußentum und Sozialismus



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