Friendly Fire im Kinderzimmer, die Auswirkungen von Gewaltcomputerspielen und ihre pädagogische Bedeutung


Tesis, 2004

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Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung
1 Fragestellung der Arbeit
2 Aktueller Forschungsstand
3 Vorgehensweise.

Teil A: Grundlagen für die Bewertung gewalthaltiger Computerspiele.
1 Die Medienwelten von Kindern und Jugendlichen
1.1 Was sind Medienwelten?.
1.2 Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen: Verdrängt das Netz das Fernsehen?
1.2.1 Die digitale Spaltung der Jugend.
1.2.2 Der Trugschluss vom „einsamen Computerfreak“
1.3 Computerspiele der „Generation @“
1.3.1 Definition „Generation @“
1.3.2 Der Spielemarkt heute: LANs, Clans & Co
1.3.2.1 Internet-Spiele
1.3.2.2 Intranet-Spiele
1.3.2.3 Private-LANs
1.3.2.4 LAN-Partys
1.3.2.5 LAN-Events
1.3.2.6 Clans auf LAN-Events
1.3.2.7 Spielregeln auf LANs
1.3.3 Der Reiz von Netzwerkspielen
2 Gewalthaltige Computerspiele
2.1 Gewalt als „Top-Seller“: Die populärsten Gewaltspiele
2.2 „Counterstrike“ als gewalthaltiges Spiel
2.2.1 Die Entwicklung von Half Life zu Counterstrike
2.2.2 Inhalt des Spiels
2.2.3 Teamplay und Taktik
2.2.4 Ausrüstung und Waffen
2.2.5 Erklärungsansätze für den Erfolg von Counterstrike..
2.3 Beschränkungen gewalthaltiger Computerspiele.
2.3.1 Freiwillige Selbstkontrolle
2.3.2 Gesetzliche Kontrolle
2.4 Virtuelle versus realer Gewalt: Machen Computerspiele aggressiv?.
3 Wirkungsforschung zu aggressionshaltigen Computerspielen
3.1 Überblick über die Wirkungsforschung
3.2 Definition von Aggression
3.3 Erklärungsansätze für Aggression.
3.3.1 Trieb- und instinkttheoretische Ansätze
3.3.2 Frustrations-Aggressions-Hypothese
3.3.3 Lerntheoretische Sichtweise von Aggression
3.3.4 Motivationstheoretisches Verständnis von Aggression
3.4 „Computerspiele machen aggressiv!“ – Machen Computerspiele wirklich aggressiv?
3.4.1 Aufbau der Untersuchung Steckels
3.4.2 Das experimentelle Vorgehen
3.4.3 Die Ergebnisse ihrer Untersuchung..
3.5 Exemplarische Forschungskritik: Die Ergebnisse der Untersuchung Steckels
3.5.1 Die Spielauswahl
3.5.2 Die Betrachtungszeit der Dias
3.5.3 Die Fähigkeit zum Mitfühlen (Empathie)
3.5.4 Zusammenfassende Betrachtung der Untersuchung Steckels
4 Umdenken in der Medienforschung: Die Medien be wirkungsforschung
4.1 Warum Computerspiele faszinieren
4.1.1 Motivationspsychologisches Grundmodell
4.1.2 Die vier Funktionskreise..
4.1.2.1 Die sensumotorische Synchronisierung (pragmatischer Funktionskreis)
4.1.2.2 Die Bedeutungsübertragung (semantischer Funktionskreis)
4.1.2.3 Die Regelkompetenz (syntaktischer Funktionskreis)
4.1.2.4 Der Selbstbezug (dynamischer Funktionskreis)
4.2 Fusion von virtueller und realer Welt?
4.3 Grundmuster von Computerspielen: Macht, Herrschaft und Kontrolle
4.4 Regelkreis der strukturellen Kopplung
4.5 Warum faszinieren gewalthaltige Computerspiele?
5 Zusammenfassung der Ergebnisse aus Teil A

Teil B Empirische Studien zur Bewertung und Einordnung des gewalthaltigen Computerspiels „Counterstrike“.
1 Quantitative empirische Untersuchung: Warum spielen Kinder und Jugendliche „Counterstrike“?
1.1 Grundlage der Untersuchung
1.2 Operationalisierung der Forschungsergebnisse
1.3 Beschreibung des Untersuchungsfeldes...
1.4 Ergebnisse der Befragung
1.5 Zusammenfassung der empirischen Untersuchungsergebnisse...
2 Computerspiele, Lans & Co. als sozialpädagogisches
Handlungsfeld?

2.1 Qualitative empirische Untersuchung: Warum organisiert eine sozialpädagogische Einrichtung LAN-Partys?
2.2 Analytische Bewertung sozialpädagogischer Betreuung von Spielevents
2.2.1 Rechtliche Aspekte
2.2.2 Technische Aspekte
2.2.3 Checkliste für die Planung und Durchführung einer LAN-Party

Schlussfolgerung

Quellen und Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang

Vorwort

In der vorliegenden Diplomarbeit wird aus Gründen der Lesbarkeit das generische Maskulin verwendet, welches weibliche wie männliche Personen gleichermaßen einschließen soll.

Die verwendete Literatur wird grundsätzlich nach der amerikanischen Harvard-Zitierweise belegt. Internetquellen sowie spezifische Erklärungen sind aus Gründen der besseren Lesbarkeit als Fußnoten angegeben.

Diese Arbeit bezieht sich vornehmlich auf aggressionshaltige/gewalthaltige Computerspiele. Die Theorien und die daraus hervorgehenden Erkenntnisse lassen sich jedoch auf andere Bildschirmspiele (Playstation, X-Box, Game-Cube etc.) übertragen. Aus diesem Grund wird im Folgenden nicht explizit zwischen den Begriffen „Computerspiel“, „Videospiel“ und „Bildschirmspiel“ unterschieden.

Da es keine einheitliche Definition von aggressionshaltigen/gewalthaltigen Computerspielen gibt, sind diese in dieser Arbeit vom Autor wie folgt definiert:

Unter dem Begriff „aggressionshaltige“ bzw. „gewalthaltige“ Computerspiele sind solche Spiele gemeint, deren Inhalt es ist, durch den Einsatz von Waffen und der Verletzung oder Tötung virtueller, aber menschenähnlicher Gegner das Spielziel zu erreichen. In diesem Zusammenhang werden die Begriffe „aggressionshaltig“ und „gewalthaltig“ synonym verwendet.

Für darüber hinaus gehende Definitionsfragen verweise ich auf das entsprechende Theoriekapitel.

Ein herzliches Dankeschön geht an alle Personen, die sich als Probanden an der Online-Befragung beteiligt haben, sowie an Dipl. Soz.-Päd. Martin Holtmann, der sich zu einem Interview bereit erklärt hat.

Münster, im Mai 2004

Einleitung

1 Fragestellung der Arbeit

„Die Software fürs Massaker! Ein Computerprogramm der Firma Sierra Entertainment hat den Amokläufer von Erfurt trainiert.“

(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.02, Nr. 17, S. 21)

Mit dieser Überschrift titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zwei Tage nach dem Amoklauf von Erfurt, als der Ex-Schüler Robert Steinhäuser 16 Menschen mit einer Handfeuerwaffe tötete. Diese Schlagzeile sowie viele andere Zitate[1] stehen stellvertretend für die öffentliche negative Wahrnehmung, die Computerspiele, besonders aggressionshaltige Computerspiele, betrifft. Die FAZ-Schlagzeile enthält Botschaften, die scheinbar zu Recht die öffentliche Meinung in Bezug auf Computerspiele bestärken: Die besagte Computersoftware aus dem Hause Sierra scheint in der Lage zu sein, Jugendliche allein durch das Spielen dieses Computerspiels für Amokläufe zu trainieren.

Neben der oberflächlichen Beantwortung durch die FAZ „Was trainiert wird?“ (der Amoklauf) und „Wie trainiert wird?“ (durch das Spielen der Software) bietet sich dem Leser sogar eine Vermutung „Wo trainiert wird?“ Die Kinderzimmer der Kinder und Jugendlichen, eigentlich Sinnbild einer beschützten Lebenswelt, werden durch Computerspiele wie die der Firma Sierra geradezu zu Trainingslagern für den programmierten Amoklauf funktionalisiert. Mit dem Wissen, dass Tausende von Kinder und Jugendlichen über derartige Software verfügen, scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann der nächste konditionierte Amoklauf stattfinden wird.

Das Töten oder Verletzen von Menschen aus den eigenen Reihen (im Fall Steinhäuser: der eigenen Mitschüler und Lehrer) wird - die Motivlage des Schützen an dieser Stelle außen vorgelassen - im Militär als „Friendly Fire“ bezeichnet. Der Begriff „Friendly Fire“ ist wie die Situation an sich ein Paradoxon, eine Wortkombination, die zwei Elemente enthält, die scheinbar nicht miteinander kompatibel sind. Auf der einen Seite das Wort „Fire“, im amerikanischen Militär der Befehl den Beschuss auf gegnerische Einheiten zu eröffnen, auf der anderen Seite das Wort „Friendly“, Synonym für eine enge zwischenmenschliche Beziehung.

„Friendly Fire im Kinderzimmer“ nimmt dieses Paradoxon auf und fokussiert das Spannungsverhältnis zwischen „Friendly“ und „Fire“ in Bezug auf aggressionshaltige Computerspiele und die Lebenswelt („Kinderzimmer“) von Kinder und Jugendlichen.

Ähnlich wie der Begriff „Fire“ signalisieren Schlagzeilen wie die der FAZ und die aufgeführten Zitate eine drohende, nicht berechenbare Gefahr die von Personen ausgeht, die aggressionshaltige Computerspiele spielen. Zahlreiche Untersuchungen im Bereich der Forschung zu diesen Spielen nehmen diese Thematik auf und versuchen mit Hilfe wissenschaftlicher Verfahrensweisen diese nicht greifbare Bedrohung zu erklären. Eine große Anzahl von Forschungsergebnissen stützen die These, dass aggressionshaltige Computerspiele das Verhalten ihrer Spieler negativ beeinflussen und stärken so die Rufe nach präventiven Gegenschlägen in Form von Verboten oder Indizierungen dieser Computerspiele. Ausgehend von der Vermutung, dass Gewalt im Computerspiel ermöglicht, aus Kindern und Jugendlichen Amokläufer zu rekrutieren, stellt sich dennoch die Frage, warum in Deutschland bislang nur dieser eine Fall bekannt geworden ist, obwohl sich Tausende Kinder und Jugendliche täglich mit diesen Spielen beschäftigen. Oder im Umkehrschluss formuliert: Wenn eine so große Anzahl von Spielern aggressionshaltige Computerspiele nicht spielt um aggressives Verhalten zu erlernen, dann scheinen andere Motive vorzuliegen, die trotz der öffentlichen Stigmatisierung von aggressionshaltigen Computerspielen dazu führen, dass eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen genau diese Spiele präferiert. Hinter der Computersoftware aus dem Hause Sierra verbirgt sich eines der weltweit erfolgreichsten Computerspiele: Counterstrike.

Aus meinen Beobachtungen nimmt sich die Counterstrike-Community vollkommen entgegengesetzt dem durch die Medien konstruierten Bild von Counterstrike-Spielern wahr. Aus der Selbstwahrnehmung der Spieler von Counterstrike kann vermutet werden, dass weniger die gefährlichen „Fire-Elemente“ den Reiz des Spiels ausmachen. Diesem Gedanken folgend, soll die vorliegende Arbeit „Friendly Fire im Kinderzimmer“ keine Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen aggressionshaltiger Spiele geben, sondern nach der Motivation der Spieler fragen: Was motiviert Kinder und Jugendliche aggressionshaltige Computerspiele wie Counterstrike zu spielen?

Während die im ersten Absatz formulierte öffentliche Wahrnehmung vermuten lässt, Counterstrike würde auf Grund der aggressiven Elemente gespielt, ist meine Hypothese, dass die Motivation der Spieler in den sozialen Elementen des Spiels zu finden ist. Gestützt wird diese Vermutung dadurch, dass Counterstrike mehrheitlich via Internet gespielt wird und dementsprechend in einem sozialen Umfeld von Mit- bzw. Gegenspielern.

Um diese Hypothese zu überprüfen, wird die vielfältige Forschungsdiskussion betrachtet und eine empirische Umfrage unter heranwachsenden Counterstrike-Spielern hinzugezogen. Zudem wird die sozialpädagogische Praxisrelevanz der Thematik in Form eines exemplarischen Interviews mit einem Mitarbeiter einer sozialpädagogischen Einrichtung in Coesfeld untersucht.

Aus den so gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen werden abschließend Hilfestellungen für die sozialpädagogische Praxis gegeben, da diese nicht nur einen ideellen Stellenwert haben darf, sondern sich an der Lebenswelt von Kinder und Jugendlichen messen lassen muss.

2 Aktueller Forschungsstand

Die Frage, ob und wie aggressionshaltige Computerspiele auf Kinder und Jugendliche wirken, steht nicht erst seit dem Amoklauf von Erfurt im Jahre 2002 im Blickpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen. Aus der klassischen Medienwirkungsforschung zu Gewaltdarstellungen in Medien haben sich zahlreiche Ansätze entwickelt, die versuchen, mögliche Zusammenhänge zwischen dem Konsum aggressionshaltiger Medien und dem Auftreten von aggressivem Verhalten zu belegen bzw. zu widerlegen. Zur Wirkung medialer Gewaltdarstellung gibt es zwei Grundauffassungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten (vgl. Hoffmann 2000, 117):

1. Gewaltdarstellungen haben eine schädliche Wirkung, weil die Rezipienten dadurch Techniken und Rechtfertigungen für Gewalttätigkeiten erlernen. Sie erhöhen die Bereitschaft zu eigenen aggressiven Handlungen.[2]
2. Gewaltdarstellungen sind unschädlich, weil Rezipienten dadurch stellvertretend in der Phantasie Aggressionspotentiale abreagieren. Sie vermindern so die Bereitschaft zu eigenen aggressiven Handlungen.[3]

Anhand dieser beiden Ansätze zur Auswirkung von Gewaltdarstellungen in Medien wird deutlich, wie heterogen die wissenschaftliche Betrachtungsweise hinsichtlich der Frage nach möglichen Auswirkungen von Gewaltdarstellungen ist. Zudem wird deutlich, dass es die Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen von aggressionshaltigen Medien noch immer nicht zu geben scheint.

Im Bereich der Medienwirkungsforschung zu aggressionshaltigen Computerspielen sind ähnlich unterschiedliche Ansätze zu finden. Während die Wirkungsforschung zu aggressionshaltigen Computerspielen wie in den Untersuchungen von Steckel, Grossmann und DeGaetano von schädlichen Auswirkungen in Form von Steigerung des Aggressionsmotivs und Herabsetzung des empathischen Empfindens ausgeht (vgl. Teil A, Kap. 3.4.1), gibt es wiederum andere Ansätze, wie den von Green und Bavellier, die dem Spielen von aggressionshaltigen Computerspielen sogar förderliche Wirkungsmechanismen zuschreiben (vgl. Teil A, Kap. 3.1). Im Bereich der Medienbewirkungsforschung wird weniger die direkte Auswirkung von aggressionshaltigen Computerspielen analysiert, als vielmehr der Frage nachgegangen, welche Gründe bei Kindern und Jugendlichen vorliegen, aggressionshaltige Computerspiele zu spielen. Maßgeblich für die Entwicklung in Bereichen der Medienbewirkungsforschung sind Fritz und Fehr, die bereits seit den 1980er Jahren im Bereich der Computerspielforschung arbeiten und deren Ergebnisse unter anderem im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgestellt werden (vgl. Teil A, Kap. 4).

3 Vorgehensweise

Die Arbeit besteht aus zwei Hauptteilen. In Teil A werden die Medienwelten von Kindern und Jugendlichen näher beschrieben und die theoretischen Grundlagen für die Bewertung von aggressionshaltigen Computerspielen gelegt.

Um sich der Beantwortung der einleitenden Frage weiter zu nähern, wird zunächst auf die Medienwelt, in der Kinder und Jugendliche heutzutage aufwachsen, eingegangen (Kap. 1). In diesem Kapitel soll geklärt werden, welchen Stellenwert Medien und hier im Speziellen der Computer für Kinder und Jugendliche besitzen.

Besonderes Augenmerk wird auf die neueren Entwicklungen in der medialen Lebenswelt der Spieler gelegt. Insbesondere die Neuerungen im Bereich der Netzwerkpartys sollen dem Leser näher gebracht werden.

Kapitel zwei widmet sich den gewalthaltigen Computerspielen und verdeutlicht exemplarisch anhand des Spiels „Counterstrike“, um was für Spiele es sich handelt, die in erster Linie von Kindern und Jugendlichen der „Generation @“ gespielt werden. Ferner geht es darum, die Beschränkungen dieser Spiele vorzustellen und der Frage nachzugehen, ob es Parallelen zwischen virtueller und realer Gewalt gibt.

Kapitel drei definiert zunächst den Begriff „Aggression“ und stellt anschließend verschiedene Erklärungsansätze für die Entstehung aggressiven Verhaltens vor. Zudem werden die Ergebnisse der Medienwirkungsforschung über aggressionshaltige Computerspiele kritisch beleuchtet.

In Kapitel vier steht der Ansatz der Medienbewirkungsforschung im Mittelpunkt der Betrachtung. Dieser löst sich von den ursprünglichen Ansätzen der Medienwirkungsforschung und legt seinen Schwerpunkt auf die Frage nach der Motivation für das Spielen von aggressionshaltigen Computerspielen. In diesem Kapitel soll geklärt werden, warum aggressionshaltige Computerspiele Kinder und Jugendliche faszinieren und von ihnen so häufig gespielt werden.

Um eine übersichtliche Grundlage für die nachfolgende empirische Überprüfung der Hypothese zu erhalten, werden die bis dahin erarbeiteten Ergebnisse in Kapitel fünf kompakt zusammengefasst.

Ausgehend von der Zusammenfassung der Ergebnisse im letzten Kapitel, werden in Teil B die selbst erhobenen empirischen Daten dokumentiert und analysiert.

In Kapitel eins wird die an der Forschung gemessene Hypothese in Form einer Umfrage unter heranwachsenden Counterstrike-Spielern quantitativ überprüft. Den Fokus legt diese Umfrage auf die Suche nach der Motivation, warum Kinder und Jugendliche Counterstrike spielen.

Kapitel zwei stellt die sozialpädagogische Umsetzung der Untersuchungsergebnisse aus Kapitel eins, sowie die sich daraus entwickelten Handlungsanweisungen für die Praxis der Sozialen Arbeit vor.

Teil A: Theoretische Grundlagen für die Bewertung gewalthaltiger Computerspiele

1 Die Medienwelten von Kindern und Jugendlichen

1.1 Was sind Medienwelten?

„Es gibt heute ca. 6 Milliarden Menschen auf der Welt und über 14 Milliarden Mikroprozessoren.“ (Opaschowski 1999, 10)

Das Zahlenverhältnis von Prozessoren zu Menschen spiegelt wider, in was für einer Welt Kinder und Jugendliche im 21. Jahrhundert aufwachsen. Medien, in ihrer speziellen Ausformung Computer, und deren Nutzung gehören wie selbstverständlich zum Lebensalltag von Kindern und Jugendlichen. Sie sind Bestandteil ihrer Sozialisation und ihrer Identitätsbildung.

Bei einer Umfrage stimmten im Jahr 1999 36 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass in Zukunft die elektronischen Medien die Kindesentwicklung mehr beeinflussen werden als die Schule und das Elternhaus (vgl. Opaschowski 1999, 80).

Der Begriff Medienwelten ist mittlerweile ein gebräuchlicher Terminus. Kübler versteht unter dem Begriff Medienwelten „[...] das Gesamt medialer Infrastrukturen und Tätigkeiten wie auch ihre subjektiven Rekonstruktionen, durch die Individuen analytisch erfasst werden.“ (2003, 25) Kinder und Jugendliche sind also ein Bestandteil dieser medialen Infrastruktur, nehmen an ihr teil und formen sie mit.

Um die Medienwelten zu erobern müssen sich Kinder und Jugendliche gleichzeitig in einem Meer von Informationen zurechtfinden (vgl. Opaschowski 1999, 77). Hier ist Navigationshilfe von Seiten der Eltern und/oder der Sozialen Arbeit gefragt.

Eine Schwierigkeit hierbei ist sicherlich die Tatsache, dass die Eltern-Generation oftmals selbst Probleme hat, sich in der neuen Medienwelt zurecht zufinden. Ein Grund mehr, dass Soziale Arbeit hier auf dem „Stand der Dinge“ ist, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zur Medienwelt nicht zu verwehren.

1.2 Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen: Verdrängt das Netz das Fernsehen?

Gemeinhin ist das Klischee weit verbreitet, dass Kinder heutzutage nur noch vor dem Fernseher bzw. dem Computer sitzen. In einer im Jahr 2002 durchgeführten Untersuchung, die im Auftrag des medienpädagogischen Forschungsverbandes Südwest[4] durchgeführt worden ist, wurde belegt, dass dieses Vorurteil so nicht zutrifft. In ihrer Freizeit sind Kindern und Jugendlichen nicht-mediale Tätigkeiten nach wie vor wichtiger als die Nutzung von Medien. So gaben laut besagter Studie 42 Prozent der befragten 6 bis 13-jährigen Kinder an, am liebsten in ihrer Freizeit draußen zu spielen bzw. sich mit Freunden zu treffen (vgl. KIM-Studie 2002, 7). Erst auf Platz drei findet sich das Fernsehen (39 Prozent), gefolgt von Sport treiben (19 Prozent) und der Computernutzung (17 Prozent), der jedoch im Vergleich zu der KIM-Studie aus dem Jahr 2000 stark zugenommen hat.

Während der amerikanische Computerwissenschaftler Tapscott (1998, 49) noch Ende der 1990er Jahre das Schlagwort „Netz frisst Fernsehen“ prägte, zeigen die Ergebnisse der Mediennutzungsforschung einen Trend der integrierten Medienkultur (vgl. Opaschowksi 1999, 23). So stieg die Zahl von Jugendlichen, die als regelmäßige Freizeitbeschäftigung das Fernsehen angaben, von 88 (1997) auf 92 Prozent (1999). Parallel dazu steigt jedoch auch die Zahl der Jugendlichen, die sich regelmäßig mindestens einmal in der Woche mit dem Computer beschäftigen. Hierbei beträgt der Zuwachs zwischen den Jahren 1997 und 1999 vier Prozentpunkte auf insgesamt 29 Prozent. Fernseher und Computer stehen bei der Mediennutzung also in keinem Konkurrenz-, sondern in einem Komplementärverhältnis. Obwohl die Nutzung beider Medien in den letzten Jahren weiter angewachsen ist, ist das Fernsehen nach wie vor das beliebtere Medium. Kinder zwischen drei und 13 Jahren verbringen durchschnittlich 1,5 Stunden pro Tag vor dem Fernseher (in Ostdeutschland durchschnittlich 2,0 Stunden). Je älter die Kinder werden, desto mehr schauen sie fern. Waren früher noch die Jungen Spitzenreiter im Fernsehen, so holten in den letzten zwei Jahren die Mädchen auf. Der Grund hierfür ist, dass immer mehr Jungen vom Fernsehen zum Computer wechseln (vgl. Opaschowski 1999, 34). Für die 6 bis 13 jährigen Kinder in Deutschland gehören Computer und Internet bereits zu Bestandteilen ihrer Lebenswelt. Im Jahr 2002 verfügten zwei Drittel aller Haushalte, in denen Kinder aufwuchsen, über mindestens einen Computer. In 47 Prozent der Haushalte stand im Jahr 2002 daneben auch ein Internetanschluss zur Verfügung (vgl. KIM-Studie 2002, 16). Die ersten Ergebnisse der neusten KIM-Studie aus dem Jahr 2003 zeigen eine weitere Verbreitung. Mittlerweile verfügen 74 Prozent der Haushalte mit Kindern über mindestens einen PC, und auch die Verfügbarkeit über einen Internetanschluss ist abermals um zehn Prozentpunkte auf nun 57 Prozent gestiegen.[5] Ohne die Nutzung des Internets fungiert der Computer vorwiegend als „Spielzeug“, so nutzen 70 Prozent der Kinder den PC in erster Linie für das alleinige Spielen, in zweiter Linie für das gemeinsame Spielen mit anderen (53 Prozent). Verfügt ein Kind über Zugang zu einem Computer mit Internetanschluss, wird dieser vorwiegend zur Suche von Informationen für die Schule oder zum Schreiben von E-Mails verwendet. Jedoch ist auch das Spielen über das Internet auf dem Vormarsch. 18 Prozent der 12 bis 19 Jährigen gaben an täglich bzw. mehrmals pro Woche Netzspiele zu spielen.[6] Auffällig ist, dass speziell das Netzspielen eindeutig von Jungen bevorzugt wird. Im Jahr 2002 spielten 20 Prozent der Jungen Netzspiele, während nur 2 Prozent der Mädchen täglich bzw. mehrmals pro Woche im World Wide Web spielten (vgl. JIM-Studie 2002, 47).

Von welchen Faktoren es abhängt, ob Kinder und Jugendliche Zugang zu Computer und Internet haben, wird im nächsten Kapitel vorgestellt.

1.2.1 Die digitale Spaltung der Jugend

Die neuen Medien werden besonders von den Jugendlichen handlungskompetent genutzt, die auch die alten Medien nutzen.[7]

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass diejenigen, die auf Grund gesellschaftlicher Benachteiligung nicht bereits an den alten Medien partizipieren, auch bei den neuen Medien benachteiligt sind. Ob ein Kind über einen eigenen PC verfügt hängt in erster Linie vom Einkommen der Eltern ab. Wie aus der KIM-Studie ersichtlich wird, verfügen 83 Prozent der Haushalte mit einem Einkommen über 2.500€ über einen PC. Liegt das Einkommen der Haushalte unter 2.500€ vermindert sich der Anteil von PC-Nutzern auf 46 Prozent. Noch deutlicher wird die Abhängigkeit von Einkommen und Teilhabe an der Medienwelt, wenn man die Verbreitung des Internetzugangs betrachtet. 72 Prozent der Haushalte mit einem Einkommen über 2.500€ verfügen über einen Internetzugang, während bei nur 23 Prozent der einkommensschwachen Haushalte ein Internetzugang vorhanden ist (vgl. KIM-Studie 2002, 17).

Neben dem Einkommen der Eltern entscheidet der Bildungsgrad darüber, welchen Platz Kinder und Jugendliche in der „medialen Klassengesellschaft“ (Opaschowski 1999, 52) besetzen. Die Ergebnisse einer im Jahr 2002 durchgeführten Untersuchung zum Medienumgang 12 bis 19-Jähriger belegen, dass zwar 92 Prozent der Gymnasiasten, aber lediglich 69 Prozent der Hauptschüler zu den interneterfahrenen Nutzern gehören (vgl. JIM-Studie 2002, 43).

1.2.2 Der Trugschluss vom „einsamen Computerfreak“

In der Öffentlichkeit und in den Medien ist das Bild weit verbreitet, dass der „Computerfreak“ blass, einsam und kontaktscheu ist und sich völlig isoliert nur seinem Computer widmet.

Zu ganz anderen Ergebnissen kommt Opaschowski. Im Gegensatz zum genannten Klischee und zu manchen Medienberichten stehen „Computerfreaks“ seiner Auffassung nach „[...] mit beiden Beinen auf der Erde“ (Opaschowski 1999, 44), anstatt losgelöst von der Welt zu leben (vgl. DER SPIEGEL 34, 1995).

Im Verhältnis zu der übrigen Bevölkerung treiben Computernutzer besonders viel Sport (29 Prozent, Gesamtbevölkerung: 14 Prozent), sind mehr mit dem Auto unterwegs (35 Prozent, Gesamtbevölkerung: 21 Prozent) und fahren gerne Rad (31 Prozent, Gesamtbevölkerung: 26 Prozent) (vgl. Opaschowski 1999, 44). Selbst beim Computerspielen sind „Computerfreaks“ nicht immer allein. Laut JIM-Studie 2002 gaben nur ein Drittel der befragten Spieler an, überwiegend alleine zu spielen. 15 Prozent der Spieler spielten überwiegend mit anderen zusammen und mehr als die Hälfte der Spieler (52 Prozent) teilten mit zur Hälfte alleine und zur anderen Hälfte mit anderen zu spielen (vgl. JIM-Studie 2002, 37).

Diese Daten belegen, dass das Bild von Computerspielen in der Öffentlichkeit überdacht werden sollte. Daher wird im weiteren Verlauf der Arbeit weitergehend auf diese öffentliche Wahrnehmung von Computerspielern eingegangen.

1.3 Computerspiele der „Generation @“

1.3.1 Definition der „Generation @“

Begriffe wie „generation X“, „Generation Golf“ und „generation @“ wurden in den letzten Jahren inflationär zur Beschreibung der Jugendlichen geprägt und gebraucht. Es scheint, als sollte man in einer so schnelllebigen Zeit wie heute immer mehr kategorisieren müssen, damit der Überblick behalten und die individuelle Zugehörigkeit bestimmt werden kann. Letztlich handelt es sich bei diesen Bezeichnungen jedoch um Konstrukte, die zum einen Teil aus Marketinggründen und zum anderen Teil aus der Möglichkeit zur Gruppenzuweisung entstehen.

Grundlage dieser Arbeit ist die Definition von Opaschowski, der „Generation @“ wie folgt beschreibt:

Die Bezeichnung Generation @ bezieht sich in erster Linie auf die jüngere Generation im Alter von 14 – 29 Jahren, die in einer von elektronischen Medien und unter dem Zeichen von @ geprägten Umwelt aufgewachsen sind.“ (Opaschowski 1999, 19)

Seiner Meinung nach gehören zu dieser Generation diejenigen, die nach 1970 geboren sind und die in der Zeit des Übergangs von der Industrie- zur Informationsgesellschaft aufwachsen (vgl. Opaschowski 1999, 20).

Für einen großen Anteil dieser „Übergangsgeneration“ sind Begriffe wie „LAN-Party“ und „Clans“ keine Fachbegriffe, sondern Teile ihrer Jugendkultur. Was genau unter diesen Begriffen zu verstehen ist bzw. was ihre Besonderheit ausmacht, wird im nächsten Kapitel der Arbeit erläutert.

1.3.2 Der Spielemarkt heute: LANs, Clans & Co.

Ursprünglich wurden Computerspiele im Einpersonen-Modus konzipiert.

Mit dem Computerspiel „Quake II“ kam im Jahr 1996 das erste Spiel auf den Markt, das nicht nur in einem lokalen Netzwerk, sondern auch per Modem im Internet zu spielen war. Diese neue Spielform führte zu einer ständigen Verfügbarkeit menschlicher Gegenspieler im World Wide Web und setzte damit den Grundstein der „Online-gaming-community“ (vgl. Fromm 2003, 32).

Auf dieser Grundlage entwickelte sich ein neuer Typus von Computerspielern: der Netzwerkspieler (vgl. Vogelgesang 2003, 65). Die Gruppe der Netzwerkspieler besteht in erster Linie aus 15 bis 25-jährigen Spielern, die in sogenannten „Multiplayer-Spielen“ gemeinsam bzw. gegeneinander antreten. Der Markt der "Multiplayer-Spiele" hat sich der steigenden Nachfrage entsprechend angepasst, so dass gerade in den letzten Jahren zahlreiche mulitplayerfähige Spiele erschienen sind. Grundsätzlich wird zwischen den Internet-Spielern und den Intranet-Spielern im Local Area Network[8] unterschieden.

1.3.2.1 Internet-Spiele

Internet-Spieler spielen prinzipiell von zu Hause aus mit anderen bzw. gegen andere Spieler. Rein technisch ist es möglich, mit Spielern aus der ganzen Welt zu spielen. Einzige Vorraussetzung ist ein PC sowie ein Internet-Anschluss. Die Software, also in diesem Fall das Spiel, muss genau wie bei den Intranet-Spielen auf dem eigenen PC installiert sein. Gespielt wird über einen externen Rechner (Server), auf den über das Internet zugegriffen wird. Der Server bildet das Verbindungsglied zwischen den einzelnen online-verknüpften Rechnern. Der Standort des Servers ist beliebig, jedoch gilt: je weiter der Server entfernt ist, desto geringer ist die Spielgeschwindigkeit. Daneben sind noch zwei weitere Dinge für die Spielgeschwindigkeit entscheidend: zum einen der Zugang des Rechners zum Internet (Modem, ISDN oder DSL), zum anderen die sogenannte „Ping-Zeit“ der Onlineverbindung.[9]

Abhängig vom jeweiligen Spiel besteht während des Spielens die Möglichkeit der Kommunikation mit anderen Spielern. Die meisten Multiplayer-Spiele unterstützen eine sogenannte „Teamspeak“-Funktion[10]. Gespielt werden kann im Prinzip jedes Spiel, das einen Multiplayer-Modus besitzt, was bei den heutigen Spielen zunehmend häufiger der Fall ist.

1.3.2.2 Intranet-Spiele

Ähnlich wie bei den Online-Spielern sind die Computer der Intranet-Spieler mit einander verbunden. Die Verbindung besteht jedoch nicht wie bei den Online-Spielern über eine Telefonleitung, sondern über Netzwerkkabel. Treffpunkt zum Spielen sind sogenannte LANs, die in den letzten Jahren einen sehr starken Zulauf gewonnen haben.[11] Die einzige technische Voraussetzung zur Teilnahme an einem LAN ist ein netzwerkfähiger Computer. Abhängig von der Größe des LANs werden die Rechner entweder durch sogenannte „Cross Over“-Kabel direkt miteinander verbunden, oder – und das ist die Regel - durch „Twisted Pair“-Kabel und mit Hilfe von „Hubs“ oder „Switchs“, die eine Art Verbindungsglied darstellen. Auch beim Intranet-Spiel besteht die Möglichkeit einen Rechner als Server fungieren zu lassen und diesen zwischen die vernetzten Computer zu schalten. Um den Aufbau eines Netzwerkes zu ermöglichen wird von den Teilnehmern einer LAN-Veranstaltung ein gewisses Grundverständnis über Computernetzwerke gefordert, welches sie entweder bereits durch eigene Erfahrungen mitbringen oder auf LANs erlangen können. So müssen beispielsweise auf den einzelnen Rechnern die für das Netzwerk unabdingbaren Protokolle installiert sein.[12] Auch die Vergabe von IP-Adressen, die eine Art Identifikationsnummer im Netzwerk bilden, sowie die Anpassung der PCs an die im Netzwerk verwendeten Arbeitsgruppen sollten von den Spielern beherrscht werden können. Bei LANs wird zwischen drei Formen unterschieden:

den Private-LANs, den LAN-Partys und den LAN-Events.

1.3.2.3 Private-LANs

Auslöser des heutigen LAN-Booms waren private Initiativen, so dass er aus der „Community“ heraus entstanden ist (vgl. Vogelgesang 2003, 68). Jugendliche Computerspieler schlossen sich - ganz entgegen dem Stereotyp vom computersüchtigen Einzelgänger - zusammen und starteten den Versuch, Computer zu vernetzen und so multiplayerfähige Spiele im LAN zu spielen. Private-LANs erfordern ein hohes Maß an Organisationstalent, da die passende „location“, d.h. Räumlichkeit, gefunden werden muss, um alle Rechner an diesen Platz transportieren und das Netzwerk stabil installieren zu können. Die Umsetzung dieser Bedingungen geschieht in erster Linie durch „learning by doing“, eingebettet in einem Umfeld von erfahrenen und weniger erfahrenen Computerspielern. Es ist zu beobachten, dass bei den meisten Teilnehmern eines Private-LANs eine Phase des Erwerb von Grundwissen zu Netzwerktechniken von einer Phase des vertieften Wissens über unterschiedliche Vernetzungsformen, Hardware und Softwareneuigkeiten abgelöst wird. Private-LANs dienen also nicht nur als Treffpunkt von Kindern und Jugendlichen, um Computerspiele zu spielen, sondern werden zu einer Art Wissensplattform und Sozialisationsagentur (vgl. Vogelsang 2003, 68). Darüber hinaus stehen das Einhalten von Gruppenregeln und die Entwicklung gemeinsamer Problemlösungsstrategien im Mittelpunkt der Private-LANs – und natürlich der Spaß als Hauptmotiv.

1.3.2.4 LAN-Partys

Während die Privat-LANs noch in Eigenregie organisiert werden handelt es sich bei LAN-Partys um bereits vororganisierte Veranstaltungen. Sie sind gegen Ende der 1990er Jahre aus den Private-LANs entstanden. LAN-Partys bieten die Möglichkeit überregional gegen andere Spieler oder Spielergemeinschaften (Clans) anzutreten. Abhängig von der Anzahl der Spieler finden sie in Jugendheimen, leer stehenden Gebäuden oder extra hierfür angemieteten Hallen statt. Am Ort findet der Spieler bereits die komplette Infrastruktur vor, die für das Netzwerkspielen erforderlich ist (Switches/Hubs, Server, etc.). Lediglich der eigene PC mit integrierter Netzwerkkarte, Monitor, PC-Maus und PC-Tastatur sowie ein Netzwerkkabel müssen von den Spielern mitgebracht werden. Um die Durchführung einer LAN-Party zu gewährleisten, arbeitet ein Organisationsteam im Hintergrund. Dieses ist für den Raum, die Technik, das Catering, die Schlafmöglichkeiten und das Sponsoring verantwortlich. Bei den klassischen LAN-Partys besteht in der Regel das „Orga-Team“ aus Spielern, die einerseits die Organisation übernehmen, jedoch andererseits auch teilnehmende Spieler sind. Die Teilnehmerzahlen schwanken zwischen zwanzig und hundert Spielern. Zur Abdeckung der entstehenden Kosten nehmen die Organisatoren von LAN-Partys Eintrittsgelder, die zwischen 5 und 25 Euro schwanken. Auch wenn Spezialisierungs- und Professionalisierungstendenzen im Bereich der LAN-Partys unverkennbar sind, steht bei ihnen immer noch der Spaß und die Geselligkeit im Vordergrund (vgl. Vogelgesang 2003, 71). Im weiteren Verlauf der Arbeit wird speziell auf eine LAN-Party des „Stellwerkes“ in Coesfeld detaillierter eingegangen (vgl. Teil B, Kap. 2.1).

1.3.2.5 LAN-Events

In der jüngsten Vergangenheit entwickelten sich aus den klassischen LAN-Partys die sogenannten LAN-Events, was die Professionalisierung und Kommerzialisierung in diesem Freizeitbereich widerspiegelt (vgl. Vogelgesang 2003, 71). Während LAN-Partys noch von Personen aus der Gruppe der Spieler veranstaltet werden, sind LAN-Events durch externe kommerzielle Teams organisiert, die Ablaufplanungen erstellen und Organisations- und Technikteams bereitstellen. Den Teilnehmern stehen zum Teil sogar Physiotherapeuten zur Verfügung, die sich um körperliche Begleiterscheinungen wie z.B. verspannte Rückenmuskulaturen der Spieler in den Pausen kümmern (vgl. Vogelgesang 2003, 71). In der Regel dauern diese LAN-Events das ganze Wochenende, d.h. von Freitag bis Sonntag. Die Werbung für derartige LAN-Events findet auf virtuellen Plattformen statt.[13] Hier findet der „User“ zahlreiche „Links“ (Verweise) zu den entsprechenden Internetpräsentationen der LAN-Event-Organisatoren. Als Anreiz für die Teilnahme an einem LAN-Event wird mit Geld- oder Sachpreisen geworben, die von Sponsoren zur Verfügung gestellt werden. Das Budget der Organisatoren liegt im sechs- vereinzelt sogar im siebenstelligen Euro-Bereich, was verdeutlicht, dass es hierbei um mehr als nur Spaß und Geselligkeit, sondern um ein neues Freizeitgewerbe geht.

Auf den Internet-Seiten der LAN-Event-Ogranisatoren besteht schon vor den Veranstaltungen die Möglichkeit, Plätze zu reservieren und Informationen über den Turnierverlauf und das Regelwerk zu erhalten.

Nachfolgend ein beispielhafter Ausschnitt aus der Internetpräsenz eines „Battlefield Vietnam“ LAN-Events vom 05. bis 07. März 2004.

Abbildung 1: Bildausschnitt einer Internetseite von LAN-Event-Organisatoren

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle : http://www.bfnam-lan.de, 04.03.04.)

Dieses Beispiel macht deutlich, wie professionell die Seiten der Organisatoren aufgebaut sind. Ein plakatives Banner mit dem Namen des Spiels im oberen Bereich, die Navigationsleiste mit zahlreichen Informationen zum Event im linken Teil und die einzelnen Sponsoren im rechten Bereich der Seite. Im mittleren Teil wird mit einem der vielen Sachpreise, ein Computer im Design des Hauptsponsors, geworben.

Die enge Kooperation zwischen Softwareindustrie und Event-Organisatoren wird anhand dieses „Battlefield Vietnam Release LAN“ besonders deutlich. Das Computerspiel „Battlefield“ ist bereits seit längerer Zeit auf dem Markt und wird jetzt durch das Erweiterungspaket „Vietnam“ ergänzt. Um einen möglichst großen Werbeeffekt zu erzielen, unterstützt die Firma Electronic Arts[14] die Organisatoren dieses LAN-Events. Entsprechend fand zu Beginn der Veranstaltung am 05. März 2004 zunächst eine 90-minütige Präsentation des neuen Spiels statt. Erst im Anschluss wurde der LAN-Event offiziell eröffnet. Die Softwarehersteller haben schnell erkannt, dass die inzwischen große Kaufkraft von Jugendlichen auf LAN-Events hervorragend angesprochen werden kann und diese eine optimale Plattform sind, um für die Firmenprodukte zu werben.

Die folgende Grafik gibt einen Überblick, wie groß das Angebot an LAN-Events und dementsprechend auch die Nachfrage bei Jugendlichen nach dieser neuen Spielkultur ist. Die abgebildete Karte zeigt alle LAN Events in Deutschland für die Monate März und April 2004.

Abbildung 2: Verteilung von LAN-Partys in Deutschland für März/April 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.lanparty.de/map, 15.03.04.

1.3.2.6 Clans auf LAN-Events

Während bei LAN-Partys einzelne Spieler gegeneinander antreten oder sich erst auf der Veranstaltung zu jeweiligen Teams zusammen schließen, treten bei LAN-Events schon vor der Veranstaltung gebildete Mannschaften, in der Szenesprache „Clans“ genannt, gegeneinander an. Diese „Clans“ sind ähnlich wie Sportvereine aufgebaut (vgl. Vogelgesang 2003, 72). Es besteht eine Hierarchie innerhalb des Clans, differenziert nach Aufgabenfeldern. Leitet im Sportverein der erste Vorsitzende den Verein, so liegt bei Clans die Hauptverantwortung beim „Clan-Leader“, der in erster Linie für die Spielerbetreuung und Sponsorenakquise zuständig ist. Gemeinsame Abkürzungen der Spielernamen, einheitliche Kleidungsstücke, ein eigener Spiel-Server und koordiniertes Training sind gängige Bestandteile der Clan-Subkultur (vgl. Fromm 2003, 32). Organisation und Kommunikation der Clan-Mitglieder erfolgt in erster Linie über das Internet. In speziellen „chat-rooms“[15] werden Taktiken besprochen, „Clanwars“ organisiert und über die Weiterentwicklung des Clans diskutiert. Clans finanzieren sich im Regelfall durch Mitgliedsbeiträge, in einzelnen Fällen auch durch eine finanzielle Unterstützung von Sponsoren. Die Beiträge werden zur Deckung entstehender Kosten verwendet, beispielsweise für die Miete eines Spiele-Servers. Hierbei handelt es sich um einen angemieteten Computer, auf dem beliebe Spiele installiert werden können. Über das Internet können die „Clanmember“ gemeinsam auf diesem Spiele-Server trainieren. Gespielt wird in Clanligen, die mit dem Ligabetrieb im Fußball vergleichbar sind.

Für das Spiel Counterstrike gibt es in Deutschland drei verschiedene Ligen, in denen insgesamt 192 Clans vertreten sind.[16] Auf der Internetseite, der weltweit größten Online-Plattform für die Organisation von „Clanwars“, der „ClanBase“,[17] sind alleine in Deutschland 20.576 Clans registriert.[18]

1.3.2.7 Die Spielregeln der LANs

Damit trotz der großen Menge an Spielern ein fairer Wettkampf entstehen kann, ist es unabdinglich, Regeln festzulegen. Für die LAN-Szene ist beispielsweise die wichtigste Regel: „Don´t cheat!“ (Betrüge nicht!) (vgl. Vogelsang 2003, 79). Diese Regel ist von großer Bedeutung, da durch Manipulation der Spielesoftware oder durch Installation zusätzlicher Hilfsprogramme bei nahezu allen Spielen die Möglichkeit besteht zu „cheaten“. „Cheaten“ im Computerspiel bedeutet, dass gewisse Grundregeln, die im Spiel gegeben sind, durch die Software aufgehoben werden können. Ein Beispiel hierfür ist der sogenannte „Wallhack“. Nutzt man diesen „Cheat“, hat der Spieler die Möglichkeit durch virtuelle Wände im Spiel zu sehen und sich so einen enormen Spielvorteil zu verschaffen. Um der Benutzung von „Cheats“ vorzubeugen gibt es mittlerweile zahlreiche Anti-Cheat-Programme, wie beispielsweise „Cheating-Death“[19]. Hierbei handelt es sich um ein kleines Programm, das während des Spiels im Hintergrund läuft und permanent die Festplatte nach möglichen „Cheats“ durchsucht. Wird ein solcher „Cheat“ gefunden, bricht die Verbindung zum Spiele-Server automatisch ab. Auf LAN-Partys findet bezüglich „Cheats“ keine Kontrolle der Computer durch Außenstehende statt. Vielmehr herrscht eine Art von Ehrenkodex innerhalb der Spieler-Community. „Cheater“ werden sofort von LAN-Partys verbannt und können unter Umständen auf den sogenannten „Blacklists“ registriert werden. Dies sind „schwarze Listen“, die den „Cheater“ für alle anderen kenntlich machen und über das Internet einzusehen sind (vgl. Vogelgesang 2003, 70). Ähnlich wie in der Alltagswelt muss sich also auch jeder Spieler auf LAN-Partys an die bestehenden „Spielregeln“ halten.

1.3.3 Der Reiz von Netzwerkspielen

Die Gründe, warum jedes Jahr eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen an Netzwerkspielen (hierbei sind im Speziellen die Intranetspiele gemeint) teilnehmen, sind so vielschichtig wie die Spannbreite der Teilnehmer selbst. Zum einen ändert sich in Netzwerkspielen das Format des Gegners gegenüber den klassischen Ein-Personen-Computerspielen. Auch wenn Computerspiele heute mit einem enormen technischen Aufwand entwickelt werden und dadurch die virtuellen Gegner immer realer und menschenähnlicher wirken, handelt es sich bei den Spielfiguren trotzdem um reagierende Wesen. Jede Aktion des Spielers löst eine Reaktion des virtuellen Gegners aus. Mit zunehmender Spieldauer werden diese Reaktionen immer leichter zu durchschauen. Der Spielspaß verblasst mit der Zeit, da der Gegner berechenbar wird oder das Spiel einfach durchgespielt ist.[20]

Es ist jedoch grundsätzlich anders, wenn es sich bei dem gegnerischen Spieler nicht um eine programmierte Figur, sondern um einen denkenden Menschen handelt, der die virtuelle Marionette steuert. Menschliche Gegner variieren zumeist ihre Spieltaktik, können unvorhersehbare Aktionen durchführen und sind daher nur sehr bedingt berechenbar.

Ein Netzwerkspiel lässt sich mit dem Spielprinzip vieler Gesellschaftsspiele vergleichen. Man spielt zusammen mit anderen und es geht darum, möglichst schnell das Spielziel zu erreichen und zu gewinnen. Es entsteht also ein direkter Wettbewerb unter den einzelnen Spielern, eine Komponente, die in konventionellen Computerspielen mit virtuellen Gegnern nicht vorhanden ist. Zudem spielt die Kommunikation unter den einzelnen Spielern eine wichtige Rolle. Ob per Chat oder über Headsets besteht die Möglichkeit mit anderen Spielern schriftlich und mündlich zu kommunizieren. So werden Taktiken gemeinsam besprochen, Fehler ausgewertet und nachfolgende Spielstrategien geplant. Netzwerkspiele sind zudem Generationen-übergreifend. Viele LAN-Partys setzen in der Regel ein Mindestalter von 18 Jahren für die Teilnahme voraus. Nach oben besteht grundsätzlich keine Altersbeschränkung, was dazu führen kann, dass ein 18-jähriger neben einem 38-jährigen Spieler sitzt. Das Motiv jedoch, warum beide Spieler an diesen Veranstaltungen teilnehmen, ist das Gleiche: Der Reiz am gemeinsamen Computerspielen. Für den Erfolg auf einer LAN-Party ist das Alter der Teilnehmer völlig unwichtig. Vielmehr sind die spieltypischen Fähigkeiten, die die Spieler mitbringen und in der Szene-Sprache „skills“ genannt werden, entscheidend. Netzwerkpartys, im Speziellen LAN-Events, laufen zwar nach einem turnierähnlichem Regelwerk ab, sind jedoch in einigen Bereichen ein regelfreier Raum. Beispielsweise entscheidet jeder Spieler selbst, wann bzw. ob er schläft.

Die folgende, von dem Computerspielemagazin „GameStar“ am 12.03.2004 durchgeführte Online-Umfrage unter Beteiligung von ca. 14.000 Personen gibt einen nicht repräsentativen Einblick, welchen Stellenwert Netzwerkspiele für Jugendliche haben.[21]

Abbildung 3: Stellenwert von Netzwerkspielen für Jugendliche. Frage: „Spielst du Multiplayer-Spiele?“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer (81,1 Prozent) spielt somit Mutliplayer-Spiele. Die zur Zeit meist gespielten Mutliplayer-Spiele auf LAN-Partys sind „Counterstrike“ und „Battlefield 1942“.[22] Beide Spiele enthalten aggressive Elemente, deren Formen und Auswirkungen im nächsten Kapitel dargestellt werden.

2 Gewalthaltige Computerspiele

2.1 Gewalt als „Top-Seller“: Die populärsten Gewaltspiele

Ein Blick in die Liste der zehn im März 2004 meistverkauften Computerspiele für die Spielkonsole X-Box verdeutlicht, welche Bedeutung gewalthaltige Computerspiele haben.

Abbildung 4: Die zehn meistverkauften Videospiele im März 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: http://www.media-markt.de/charts/software/xbox.pdf, 02.04.04.)

Sechs von zehn Spiele fallen in die Kategorie gewalthaltige Computerspiele, die aus diesem Grund eine Altersbeschränkung unterliegen und in der Abbildung als „Action-Spiele“ aufgeführt sind. Auch wenn man vier der zehn Spiele in die Kategorie Simulation einordnen kann, geht es bei zwei dieser Spiele letztlich um nichts anderes, als den Gegner (mit dem Auto) zu eliminieren (Need for speed, Project Gotham City). Lediglich zwei der meistverkauften Spiele sind klassische Sportsimulationen.

Die Umsatzzahlen dieser Spiele belegen die Faszination, die nicht nur generell von Computerspielen, sondern insbesondere von den Spielen ausgeht, in denen Gewaltdarstellungen den Mittelpunkt des Handlungsgeschehens bilden (vgl. Fritz/Fehr 2003, 53). Man kann also davon ausgehen, dass täglich eine Vielzahl an Kindern und Jugendlichen in virtuellen Welten mit Gewalthandlungen konfrontiert werden und offenbar Spaß daran haben.

Beispielhaft wird nachfolgend eines der „Top-Ten“ Spiele vorgestellt.

2.2 „Counterstrike“ als Beispiel für gewalthaltige Computerspiele

Die Wirkung von Computerspielen auf Kinder und Jugendliche soll am Beispiel eines der genannten „Top-Ten“ Spiele, nämlich Counterstrike[23], demonstriert werden. Die Auswahl des Spiels geschieht aus zweierlei Gründen: Zum einen ist CS das erfolgreichste Onlinespiel, das momentan auf dem Markt gespielt wird. Im April 2002 spielten weltweit 8,2 Millionen Menschen mindestens einmal im Monat CS (vgl. Gieselmann 2002, 65).

Zum anderen rückte CS stellvertretend für gewalthaltige Computerspiele in den Brennpunkt der öffentlichen Diskussion nachdem bekannt wurde, dass der Amokläufer von Erfurt, Robert Steinhäuser, regelmäßig CS gespielt hatte. Dementsprechend nahmen die Medien breitwillig dieses Thema auf, was sich z.B. in der einleitend schon zitierten Schlagzeile der gemeinhin als seriös geltenden FAZ manifestierte.

Die Aussage von Steinhäusers Eltern, „Wir waren bis zu dieser brutalen Wahnsinnstat eine ganz normale Familie“ (Eisenberg 2002, 39), legt zudem nahe, dass das CS-Spielen und seine mutmaßlich gewalttätigen Folgen die Sozialstruktur in Familien und in der Gesellschaft destabilisiert.

2.2.1 Die Entwicklung, von Half-Life zu Counterstrike

Vor der Klärung der Frage, inwieweit gewalthaltige Computerspiele gewalthaltige Folgen haben können, soll zunächst die Funktionsweise von CS erläutert werden.

CS basiert auf den „First-Person-Shooter[24] “ „Half-Life“, der von der Firma „Valve Software“ entwickelt worden ist. FPS bedeutet, dass der Spieler die dreidimensionale Spielwelt aus der Ich-Perspektive der virtuellen Spielfigur heraus sieht (vgl. Gieselmann 2002, 63). Den weltweiten Vertrieb von „Half-Life“ hat die US-amerikanische Firma „Sierra“ übernommen (vgl. Fromm 2003, 36).

Half-Life erschien 1998 und versetzt den Spieler in die Rolle des Physikers Gordon Freeman, der in einer Zukunftswelt Mitarbeiter einer unterirdischen Forschungsstation ist. Freeman muss sich nach einem misslungenen Experiment gegen Außerirdische behaupten und den Weg an die rettende Oberfläche suchen.

Die Spielfigur in Half-Life ist nicht - wie in FPS ansonsten üblich - ein Soldat, der im Waffengebrauch ausgebildet ist, sondern zunächst einmal ein Zivilist.

Im Wesentlichen geht es bei „Half-Life“ nicht um das Kämpfen, sondern darum, Rätsel zu lösen. Im Gegensatz zu älteren FPS zeichnen sich bei diesem Spiel die Computergegner durch ein höheres Maß an künstlicher Intelligenz aus:

„Verharrt der Gamer beispielsweise lange an einem Punkt, versuchen die gegnerischen Soldaten ihn mit Handgranaten aus seinem Versteck zu treiben. Sodann beginnen sie nicht wild, sondern sehr überlegt zu schießen.“ (Fromm 2003, 38)

Dieses neue Format von Computerspielen, das zum einen Elemente der klassischen FPS wie „Doom“ oder „Quake“ enthält, auf der anderen Seite jedoch vom Spieler taktisches und überlegtes Vorgehen erfordert, war ein überwältigender Erfolg für die Firma Valve (vgl. Fromm 2003, 38). Die Besonderheit und damit der Grundstein von CS sind die über das Internet erhältlichen Editoren, mit deren Hilfe ambitionierte Spieler ihre eigenen Level oder Karten erstellen und somit das Spiel weiter beliebig modifizieren und weiterentwickeln können. Zwei der Spieler von „Half-Life“ waren die Studenten Minh Le, aus British Columbia Kanada, und der US-Amerikaner Jess Cliffe. Sie hatten die Idee, die FPS realistischer zu gestalten und statt auf Science-Fiction auf Terrorismusbekämpfung zu setzen.

Grundbasis ihrer angestrebten Weiterentwicklung blieb „Half-Life“. Die beiden Freizeitspieler, die ursprünglich keine kommerziellen Absichten für die Modifikation des Spiels hatten, entwickelten daraufhin das von ihnen so benannte Spiel CS. Am 18. Juni 1999 war die erste Beta-Version von CS fertig und wurde über die Homepage von Le für alle zugänglich gemacht. Per „Download“ konnten Spieler weltweit auf diese erste Version von CS kostenlos zugreifen. Einzige technische Voraussetzung für die Anwendung des neuen Spiels war die Vorinstallation von „Half-Life“. Inzwischen ist die erste Beta-Version mehrmals überarbeitet worden: aktuell kann mit den Versionen 1.5 und 1.6 gespielt werden.

2.2.2 Inhalt des Spiels

Das Spielprinzip von CS ist relativ simpel und ähnelt dem eines „Räuber und Gendarm-Spiels“ (Rötzer 2003, 116): Eine Antiterroreinheit und eine Terroristengruppe bekämpfen sich mit fiktiv selbsterworbenen Waffen. Gewinner ist das Team, das in einem Zeitraum von fünf Minuten entweder alle Gegner ausschaltet oder einen bestimmten Auftrag erfüllt hat (vgl. Schmitz 2000, 74).

Die Spieldynamik entsteht dadurch, dass die zwei Teams auf verschiedenen „maps“ (Karten) als Angreifer und Verteidiger agieren. Neben einer teamspezifischen Punktewertung existiert ein „ranking“ (Rangliste), indem die „frags“ (Abschüsse) und „death“ (eigene Tode) gegeneinander abgewogen werden. In CS gibt es fünf unterschiedliche Szenarien, die wiederum jeweils mit zahlreichen unterschiedlichen „maps“ gespielt werden. Die nach Einschätzung es Autors am meisten gespielten Szenarien sind die „Geiselrettung“ (cs_maps) und die „Bombenentschärfung“ (de_maps).[25]

2.2.3 „Teamplay“ und Taktik in CS

CS gehört zu den „Taktik-Shootern“ auf dem Spielemarkt und hob sich damit als eines der ersten Spiele von den klassischen „Ego-Shootern“ ab. Anders als in anderen Mannschaftsspielen ist das „Teamplay“ nicht nur formal, sondern in der gesamten praktischen Anwendung zwingend notwendig, um erfolgreich sein zu können (vgl. Gieselmann 2002, 79).

Unter „Teamplay“ wird in CS verstanden:

- Anderen Mitspielern Rückendeckung geben, falls diese einen Angriff auf den Gegner versuchen sollten .
- In kleinen Gruppen vorgehen, wobei jeder Spieler "seinen Bereich" im Auge behält, um sofort schussbereit zu sein.
- Die Sicherheit und der Rundengewinn des Teams der „Frag-Statistik“ vorzuziehen.
- Wichtige Positionen im Spiel, z.B. die der Scharfschützen, nach besten Kräften unterstützen.
- Übersicht über die Positionen der Teamkollegen bewahren.
- Koordiniertes Voranschreiten (vgl. TAMM 2001, 46).

Unterstützt wird die Mannschaftsidee, durch zahlreiche Kommunikationsformen im Spiel. Die einfachste Form der Kommunikation sind die mannschaftsinternen Funksprüche, die sogenannten „Radio-Signals“, die per Tastendruck gesetzt werden können. Über diese Kommunikationsform kann Hilfe herbei gerufen und andere Warnhinweise an alle Mitglieder des eigenen Teams gesendet werden.

Eine weitere Art der Kommunikation während des Spiels ist der „Chat“. Hier wird zwischen einem „Team-Chat“, also einem internen Chat, und dem allgemeinen Chat unterschieden, den alle Spieler, also auch die gegnerischen, während des Spiels im unteren Bereich des Bildschirms mitverfolgen können. Die gängigste Kommunikationsform wird jedoch per „Headset“ initiiert.[26] Auf diese Weise können Spieler direkt miteinander sprechen, wobei die Qualität stark von der Internetverbindung abhängt (vgl. Gieselmnann 2002, 79).

2.2.4 Ausrüstung und Waffen in CS

Anders als in anderen FPS werden in CS die Waffen nicht einfach aufgesammelt, sondern müssen zu Beginn jeder Spielrunde gekauft werden. Hierfür steht den Spielern ein Budget zur Verfügung, dessen Höhe vom Erfolg bzw. Misserfolg der vorherigen Runde abhängig ist (vgl. Gieselmann 2002, 78). Jeder Spieler kann dabei nur eine Hauptwaffe, eine Pistole und ein Messer besitzen, wobei Pistole und Messer bereits ohne Kauf vorhanden sind. Als Ausrüstungsgegenstände stehen Kevlar (Schutzweste), Nachtsichtgerät, Handgranaten sowie Munition zur Verfügung (vgl. Gieselmann 2002, 78). Zudem hängt der Waffenkauf in CS von der Fähigkeit des Spielers und der zu spielenden „map“ ab. Bestimmte Karten erfordern bestimmte Waffen. Handelt es sich beispielsweise um eine sehr weiträumige Karte, so kommen in erster Linie sogenannte „Sniper-Waffen“ zum Einsatz. Dies sind Scharfschützengewehre, die den Gegner trotz weiter Entfernung außer Gefecht setzen können.

Bei der Entwicklung von CS wurde großen Wert auf Detailgenauigkeit der Waffen gelegt, so dass im Spiel nur Abbilder real existierender Waffen verwendet werden (vgl. Fromm 2003, 39). Hierzu hatte Programmierer Le ausführliche Studien auf einem Schießstand betrieben, auf dem er selbst jede Waffe ausprobierte (vgl. Gieselmann 2002, 78). Zur Veranschaulichung der Detailgenauigkeit werden nachfolgend die Spiel- und die Originalwaffe der Kalaschnikow AK-47 gegenüber gestellt.

Abbildung 5: Gegenüberstellung der Originalwaffe „Kalaschnikow AK-47“ und der entsprechenden Spielwaffe in CS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Waffe im Original

Die Waffe im Spiel

Quelle : http://www.cs.4players.de/strategie_waffen_rifles.php3; 16.03.2004

In CS wird grundsätzlich zwischen fünf Waffenkategorien Unterschieden:

- Pistolen (engl. Pistol) in sechs Versionen
- Schrotflinten (engl. Shotgun) in zwei Versionen
- Maschinenpistolen (engl. Submachinegun, SMG) in fünf Versionen
- Gewehre (engl. Rifle) in acht Versionen; davon vier Sturmgewehre, zwei halbautomatische, zwei so genannte "Bolt-Action"-Scharfschützengewehre und
ein Maschinengewehr (MG)
- ein Messer.[27]

Neben dem detailgenauen Aussehen der Waffen sind auch Magazingröße, Treffsicherheit und Schadenswirkung an den Originalwaffen orientiert.
Die Treffsicherheit der einzelnen Waffen wird wesentlich durch die jeweilige Bewegungsform (Stehen, Laufen, Hocken, Springen) des Spielers beeinflusst.
Zudem hängt die Treffgenauigkeit der Waffen von ihren jeweiligen Anwendern ab. Wird z.B. unkontrolliert im Dauerfeuer-Modus auf einen Gegner geschossen, vergrößert sich der Streuwinkel der Waffe und die Treffgenauigkeit wird ebenso unsicher (vgl. Gieselmann 2002, 79) Auf der in Deutschland wohl bekanntesten CS-Internetseite[28] besteht die Möglichkeit weitere Informationen zu den im Spiel verwendeten Waffen zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass neben der detaillierten Beschreibung der einzelnen in CS verwendeten Waffen die Möglichkeit besteht, die Waffe im Original zu betrachten.

Wählt man die Option „Als Original zeigen“ öffnet sich folgendes Bild:[29]

Abbildung 6: Original CS-Waffe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Neben der Beschreibung der Waffe, in diesem Fall einer Heckler & Koch USP Tactical. 45, wird der Hersteller-Link mit angegeben[30]. Der Betrachter der Seite kann also nur mit einem Mausklick die virtuelle Waffen-Welt verlassen und die reale Waffen-Welt betreten.

2.2.5 Erklärungsansätze für den Erfolg von Counterstrike

Die Gründe, warum CS zu den erfolgreichsten Computerspielen gehört, lassen sich in sechs Punkten zusammenfassen (vgl. Gieselmann 2002, 82 ff.):

1. CS ist ein Spiel, das relativ leicht zu erlernen ist. Selbst Anfänger haben eine Chance im Team mitzuspielen und so relativ schnell die Bedienung von CS zu beherrschen. Zudem sind die Hardwareanforderungen sehr gering, weshalb auch Spieler mit älteren Computermodellen CS spielen können.
2. CS zu spielen ist jederzeit möglich. Aufgrund der weltweit großen Anzahl an Spielern findet man immer einen Server, auf dem gespielt werden kann.
3. CS ist nach wie vor eine kostenlose Modifikation, über deren Fortentwicklung nicht große Softwareunternehmen entscheiden, sondern die Spieler selbst. Deshalb ist die Identifikation mit dem Spiel sehr hoch.
4. CS entwickelt sich ständig weiter. Neben den zahlreichen neuen „maps“, die überwiegend durch die Spieler selbst erstellt werden, wird auch die
CS-Version im Abstand von ca. einem Jahr aktualisiert. Die neueste Version ist zur Zeit CS 1.6 und enthält neben zwei neuen Waffen ein Schutzschild, das von der Antiterroreinheit genutzt werden kann.
5. Die realistischen Waffen. Während in anderen Spielen Waffen wie eine „Gauss-Kanone“ oder ein „Plasma-Gewehr“ zum Einsatz kommen, handelt es sich bei CS um Waffen, die auch in der Realität vorhanden sind. Das Fachsimpeln über Waffen, ihren bestmöglichen Einsatz in CS und ihre Weiterentwicklung füllen zahlreiche Diskussionsforen im Internet.[31]
6. CS ist ein Teamspiel. Das gemeinsame Planen der Spielzüge, das Ausprobieren neuer Spieltaktiken und die Kommunikation der Spieler untereinander sind wesentliche Elemente von CS.

Diese sechs Punkte tragen dazu bei, dass CS immer noch eine große Anzahl von Spielern weltweit fasziniert, obwohl es jetzt bereits fünf Jahre alt ist. Gebremst wurde die Begeisterung für CS, nach dem in der Folge des Amoklaufs von Erfurt bekannt wurde, dass der Attentäter Robert Steinhäuser ein CS-Spieler war. Die Rufe nach Indizierung des Spiels wurden lauter.

2.3 Beschränkungen gewalthaltiger Computerspiele

2.3.1 Freiwillige Selbstkontrolle

An der in Teil A, Kapitel 2.1 aufgeführten Abbildung 4 ist auffällig, dass alle Spiele der Kategorie „Action“ durch die „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK) erst ab 16 bzw. ab 18 Jahren frei gegeben sind, wohin gegen die Simulationsspiele keine Altersbeschränkung aufweisen. Somit stellt sich die Frage, wie die Altersbeschränkungen zustande kommen.

Die USK wurde auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland (VUD) und dem Förderverein für Jugend und Sozialarbeit 1994 gegründet (vgl. Jörns 2003, 118). Sinn und Zweck der USK ist es, dass sich die Mitglieder des VUD verpflichten, alle Spiele bereits vor deren Veröffentlichung durch die USK begutachten zu lassen. Diese prüft die Spiele auf jugendschutzrelevante Aspekte und vergibt im Anschluss daran eine Altersempfehlung in den folgenden Stufen:

- Ohne Altersbeschränkung
- Geeignet ab 6 Jahren
- Geeignet ab 12 Jahren
- Geeignet ab 16 Jahren
- Nicht geeignet unter 18 Jahren.

Entsprechend dieser Einstufung haben sich die Hersteller von Video- und Computerspielen verpflichtet ihre Produkte mit dem USK-Siegel zu kennzeichnen.

Zum Erhalt von Marktchancen bei Jugendlichen wurden jedoch viele Spiele für den deutschen Markt angepasst, so dass sie das Prädikat „Freigegeben ab 16 Jahren“ erhalten konnten. Dies kann am Beispiel CS weiter verdeutlicht werden.

CS gibt es in zwei Versionen auf dem Spielemarkt:

1. In der englischen Originalversion (nicht geeignet unter 18 Jahren).
2. In deutschen Kaufversion (geeignet ab 16 Jahren).

Um der Empfehlung „Nicht geeignet unter 18 Jahren“ oder gar einer Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) vorzubeugen, wurde die deutsche CS-Version leicht modifiziert. So ist das Blut in der deutschen Version nicht rot, sondern grün gefärbt und die Gegner setzen sich lediglich kopfschüttelnd auf den Boden, wenn sie getötet werden, während sie in der englischen Version realitätsnäher zusammensacken und tot liegen bleiben (vgl. Jörns 2003, 118).

Zur Veranschaulichung hier vier Bildausschnitte: links die deutsche CS-Version mit grünem Blut und den toten Spielfiguren, die sich hinsetzen, rechts die Originalversion von CS mit realistisch wirkendem Blut und liegenden toten Spielfiguren:

Abbildung 7: Deutsche und englische CS-Version

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.counterstrike.de, 26.04.04

Die deutsche, abgeänderte Version von CS spaltet die „Gamer-Community“ hierzulande in zwei Lager: Auf der einen Seite gibt es zahlreiche Spieler, die ihre CS-Version mit sogenannten „Blood-Patches“ manipulieren. „Blood-Patches“ sind kleine Programme, die sich sehr einfach aus dem Internet überspielen lassen und die Grundsoftware von Counterstrike verändern. Dadurch „bluten“ die virtuellen Gegner so, wie es in der englischen Fassung Standard ist (vgl. Wiemken 2001, 61). Auf der anderen Seite stehen die Spieler, die die Modifikation nicht stört, da sie durch Verringern der Grafikauflösung Blut und tote Spieler nicht mehr sehen. Hintergrund dieser technischen Veränderung ist jedoch nicht etwa eine Abneigung gegen die grausame Darstellung, sondern der Spielvorteil, der sich hieraus ergibt. Durch die verringerte Grafikauflösung laufen Spielbewegungen schneller ab, was gerade im Kampf von Vorteil ist (vgl. Fromm 2003, 123).

2.3.2 Gesetzliche Kontrolle

Neben der freiwilligen Kontrolle durch die USK existiert auch eine stattliche Kategorisierung der Computerspiele. Während die USK einen selbstbindenden Charakter hat, handelt es sich bei der BPjM um eine Bundesbehörde mit weitreichenden Befugnissen, die im Jugendschutzgesetz (JuSchG) in den §§ 17 bis 25 geregelt sind. Die Besonderheit im neuen Jugendschutzgesetz[32] ist, dass es nun eindeutig zwischen Trägermedien (Bilder, Texte, CD-Rom, Videokassetten) und Telemedien (Medien, die durch elektronische Informations- und Kommunikationsträger wie Rundfunk oder das Internet übermittelt werden) unterscheidet.

Die BPjM befasst sich mit den Tele- und Trägermedien, die

„[...]die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen

Persönlichkeit [...]gefährden“[...].“Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien.“

(§ 18, Abs. 1 JuSchG)

Während es bei Rassenhass und harter Pornographie relativ wenig Interpretationsspielraum gibt, lässt sich über die Definition von „unsittlicher“ und „verrohend wirkender“ Gewalt streiten.

Im Hinblick auf Computerspiele wird eine verrohende Wirkung dann vermutet, wenn folgende Merkmale erfüllt sind:

- Gewalt gegen Menschen als einzig mögliche Spielhandlung,
- Gewalttaten gegen Menschen, die deutlich visualisiert sind (blutende Wunden, zerberstende Körper, Todesschreie),
- Gewalt gegen Menschen, wobei die Gewaltanwendung „belohnt“ wird (Punktgewinn, erfolgreiches Durchspielen nur bei der Anwendung von Gewalt) (vgl. Fromm 2003, 91).

Als nach dem Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002 bekannt wurde, dass der Täter auch CS gespielt hatte, geriet das Spiel ins Visier der öffentlichen Meinung. Der damalige Kanzlerkandidat der Unionsparteien, Ministerpräsident Edmund Stoiber, sah bei CS die oben genannten Merkmale erfüllt und forderte, dass die Herstellung solcher Spiele verboten werde müsste (vgl. Jörns 2003, 123). Unabhängig von den Erfurter Geschehnissen lag dem BPjM bereits ein Indizierungsantrag für CS vor, was jedoch im Zuge der Berichterstattung nach dem Amoklauf völlig unbeachtet blieb. Die BPjM entschied sich trotz des großen politischen und öffentlichen Drucks dazu, CS nicht zu indizieren. Ein entscheidender Grund hierfür war, dass sich zum ersten Mal in der Geschichte der BPjM eine ganze Jugendszene hinter ein zu indizierendes Produkt stellte. So wurde beispielsweise die Initiative „Gamer gegen Terror“ gegründet, die sich gegen ein Verbot von CS aussprach, unter anderem, weil sie befürchteten, dass die CS-Spieler von der Gesellschaft als „Sündeböcke der Nation“ abgestempelt würden.[33] Zwei Vertreter der CS-Szene wurden von der BPjM angehört und überzeugten das Gremium von einer Indizierung abzusehen (vgl. Jörns 2003, 123). Wäre CS als ein „gefährdendes“ Spiel eingestuft worden, so hätte dies zur Folge gehabt, dass es in der Liste der jugendgefährdenden Medien, dem sogenannten „Index“, aufgenommen worden wäre. Daraus resultierend hätte das Spiel nicht mehr an Personen unter 18 Jahren verkauft oder verliehen werden dürfen (vgl. Fromm 2003, 90). Zudem hätten dann auf allen LAN-Partys auf denen CS gespielt wird, Alterskontrollen durchgeführt werden müssen. (vgl. Jörns 2003, 121).

Selbst wenn CS in Zukunft auf den Index gesetzt würde, würde dies jedoch nicht bedeuten, dass Kindern und Jugendlichen das Spiel nicht mehr zugänglich wäre. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass gerade die Beschaffung und Weiterverbreitung von indizierten Spielen von Jugendlichen als besondere Herausforderung angesehen wird. Der Index der BPjS gilt bei Jugendlichen als „geheime Hitliste“: Alles was darauf ist, wird in den Augen spielbegeisterter Jugendlicher als reizvoll eingeschätzt (vgl. Wiemken 2001, 61). Zudem ist es im Zeitalter von Internet, „eMule“ und „Kazaa“ eine Leichtigkeit an Spiele zu gelangen, die in Deutschland auf dem Index stehen. Ungeklärt bleibt wiederum die Frage: Wie groß ist die Gefahr, die von gewalthaltigen Computerspielen wie CS für Kinder und Jugendliche ausgeht?

Um sich der Beantwortung dieser Frage zu nähern, soll vorab die Unterscheidung zwischen virtueller und realer Gewalt deutlich gemacht werden.

2.4 Virtuelle versus reale Gewalt: Machen Computerspiele aggressiv?

Nach Meinung Gieselmanns (2002, 32) sind Untersuchungen, die mit einfachen Ursache-Wirkung-Schemata die negativen Folgen von Gewalt in Videospielen nachweisen oder widerlegen wollen, von vornherein zum Scheitern verurteilt und lassen den Kern der Problematik außer Acht. Reale Gewalt und Gewalt in Computerspielen sind nur bedingt miteinander zu vergleichen, da sie ein jeweils unterschiedliches Ziel verfolgen. Reale Gewalt lässt sich in drei Formen differenzieren, wie aus dem folgenden Schaubild ersichtlich wird (vgl. JFF 2003, 7):

Abbildung 8:Gewaltdifferenzierung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Reale Gewalt ist zweckgebunden. Sie kann auf körperlicher (physischer), seelischer (psychischer) oder gesellschaftlicher Ebene stattfinden und wird für die Ausübung von Macht instrumentalisiert. Damit geht einher, dass sich Macht bzw. Herrschaft auf Einzelne oder Gruppen negativ auswirkt, somit eine Schädigung bzw. ein Leiden von Menschen statt findet (vgl. Fritz/Fehr 2003, 49).

Hingegen folgt Gewalt im Computerspiel, ähnlich wie im freien Kinderspiel, keinem externen Zweck und erzeugt daher auch keinen „echten“ Schaden. Sie findet in einem virtuellen Raum statt, in dem sie an die Spielhandlung gebunden ist (vgl. Ladas 2003, 27). Es stellt sich daher die Frage, ob eine Übertragung der gewaltbezogenen Handlungen von der virtuellen in die reale Welt möglich ist, obwohl die jeweiligen Welten unterschiedliche Sinnzusammenhänge aufweisen?

3 Wirkungsforschung zu aggressionshaltigen Computerspielen

Auf die Frage, inwiefern Jugendliche gewaltbezogene Handlungen von der virtuellen in die reale Welt übertragen, versucht die Medienwirkungsforschung eine Antwort zu geben. Ausgehend von der weitverbreiteten Annahme, dass gewalthaltige Computerspiele Aggressionen beim Spieler auslösen, erfolgt zunächst ein Überblick über die Ergebnisse der Wirkungsforschung gewalthaltiger Computerspiele. Im Anschluss geht es um eine differenzierte Betrachtung dessen, was unter Aggression verstanden wird und welche Erklärungsansätze es für aggressives Verhalten gibt.

Dazu wird exemplarisch im weiteren Verlauf eine der bekanntesten Studien im Bereich der Wirkungsforschung zu gewalthaltigen Computerspielen vorgestellt und deren Ergebnisse kritisch hinterfragt.

3.1 Ein Überblick über die Wirkungsforschung

Die Geschichte der Wirkungsforschung zu Video- und Computerspielen geht auf die 1980er Jahre zurück, da speziell gegen Ende dieses Jahrzehnts der Video- und Computerspielemarkt stark expandierte. Mit der Ausbreitung des Marktes rückte auch die Frage nach möglichen Auswirkungen von Computerspielen in den Mittelpunkt des Interesses. Die ersten empirischen Studien bezogen sich zunächst auf allgemeine Fragen zu Anziehungskraft und einzelnen Wirkungsbereichen von Computerspielen. So untersuchte der Amerikaner Biegen bereits 1985 die Zusammenhänge von Computerspielen und Schulleistungen (vgl. Biegen 1985, 21 ff.). Im deutschen Sprachraum gilt Fritz als Pionier der Computerspielforschung. Seine neueren Erkenntnisse werden in Teil A, Kapitel 4 vorgestellt.

Ab den 1990er Jahren folgten zahlreiche weitere Untersuchungen, die Zusammenhänge zwischen gewalthaltigen Computerspielen und ihre Auswirkung auf Kinder und Jugendliche freilegen sollten. Viele der durchgeführten Untersuchungen genügen jedoch nicht wissenschaftlichen Standards, da sie stark von ideologisch geprägten Vorannahmen bestimmt sind (vgl. Gieselmann 2002, 25).

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Studie von Grossmann und DeGaetano (2002), die in ihrem Buch „Stop teaching our kids to kill“(deutsche Ausgabe: „Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht?“) veröffentlicht wurde. Beide Forscher machen die Gewalt in den Medien, hier besonders in aggressionshaltige Computerspielen allgemein für den Gewaltanstieg in den USA und speziell für Amokläufe wie in Littleton (Colorado) verantwortlich. Sie behaupten, „First-Person-Shooter“ seien geeignet ein Kind zum Scharfschützen auszubilden, da beim Schießen mit der PC-Maus eine intensive Koordination von Hand und Auge trainiert wird. Für Grossmann und Degaetano (2002, 85) sind Spiele wie CS „killing simulations“ (Tötungssimulatoren), die durch operante Konditionierung und Stimulus-Response-Training aus Kindern „Killer“ machen können. Jedoch lassen beide Forscher in ihrer Untersuchung das Umfeld der Spieler völlig unberücksichtigt. Die soziale Situation, die konkrete Beziehung zwischen Täter und Opfer und das daraus resultierende Motiv der Amokläufer von Littleton spielen in ihrer Untersuchung keine Rolle. Wissenschaftliche Analysen sind in ihrer Untersuchung selten, so dass die Studie als populistischer Beitrag in einem Land angesehen werden kann, dessen Menschen übereilt einen Grund für die wachsende Aggressivität vieler Jugendlicher suchen (vgl. Gieselmann 2002, 24). In diesem Fall wurde in den gewalthaltigen Computerspielen der Auslöser vermutet. Pauschalurteile, die auch in Deutschland nach dem Amoklauf in Erfurt von der hiesigen Presse publiziert wurden, sollten daher mit besonderer Skepsis betrachtet werden.

Nach wie vor erscheinen viele Studien zu diesem Themenkomplex. Viele dieser Untersuchungen behaupten, den klaren Beweis für die schädliche Auswirkung von Computerspielen auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen führen zu können. Die meisten weisen jedoch eklatante Mängel auf, so dass man die Ergebnisse nicht als wissenschaftlich fundiert betrachten kann. Beispielsweise verglichen Anderson und Morrow 1995 die „Tötungsrate“ im "Jump-and-Run"-Spiel „Super Mario Brothers“ zwischen verschiedenen studierenden Testpersonen und wollten Aussagen darüber treffen, ob sie unter konkurrierenden Bedingungen unnötig mehr ,,Wesen" töten würden als in einer kooperierenden Situation (vgl. Anderson/Morrow 1995, 1020 ff.). Sie verglichen die Leistungen der Studierenden unter den folgenden zwei Voraussetzungen:

1. Gemeinsames Spielen (die Spielenden spielten abwechselnd die gleiche Figur).
2. Konkurrierendes Spielen (die Spielenden spielten nacheinander die gleiche Figur).

Zur weiteren Analyse dieser Testergebnisse ist es hilfreich, die Funktionsweise des untersuchten Spiels genauer zu erläutern.

Ziel des Spiels „Super Mario Brothers“ ist es auf Plattformen zu springen, Diamanten einzusammeln und den Ausgang des Levels zu finden. Dabei können auftauchende Gegner mit Feuerbällen oder durch einen Sprung auf den Kopf „getötet“ werden. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit dem Gegner auszuweichen bzw. über ihn hinweg zu springen. Im Folgenden ein Spielausschnitt, der zeigt, wie die Spielfigur Mario einen Gegner (in diesem Fall eine Schildkröte) mit Feuerbällen eliminiert:

Abbildung 9: Spielausschnitt „Super Mario Brothers 2“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: http://www.kultspiele.net/screenshot/
southpark-supermariobrothers2.gif, 14.04.04)

Die getöteten Gegner wurden jeweils zur „Tötungsrate“ summiert und anschließend zwischen den beiden Gruppen (gemeinsame und konkurrierende) verglichen.

Während die „Tötungsrate“ bei den gemeinsam Spielenden 44 Prozent betrug, belief sie sich bei den konkurrierenden Spielern auf 66 Prozent. Anderson und Morrow interpretierten diese Ergebnisse als Beleg „riesiger Auswirkungen auf aggressives Verhalten“, „verheerend unterschiedlicher Raten aggressiven Spiels“ und als Beweis, dass konkurrierendes Spiel „aggressive Tendenzen (der Spielenden) erhöht, obwohl die Aggression nicht gegen die Konkurrenten gerichtet ist“ (Anderson/Morrow 1995, 1027 ff.). Daran wird deutlich, dass sich Andersson und Morrow nicht an die in der Wissenschaft gängigen Definitionen von „Aggression“ wie beispielsweise die von Dollard et al. (1938, 18) orientieren, die Aggression als eine Verhaltensweise beschreiben, deren Zielsetzung die Verletzung einer Person ist, gegen die sie gerichtet ist. Die programmierten Wesen, die sich in „Super Mario Brothers“ der Spielfigur entgegenstellen, sind keine reallebenden Wesen und ihre Vernichtung verursacht auch keinen Schmerz. Zudem ist das Untersuchungsergebnis, dass Konkurrenzsituationen aggressive Tendenzen hervorrufen, kein nur für Computerspiele geltendes Argument. Denn dass Konkurrenz die Leistung von Menschen anspornt kann in zahlreichen anderen Lebensbereichen wie Sport, Arbeitswelt und Bildung beobachtet werden.

Eine andere Form, die Auswirkungen von Computerspielen nachzuweisen, wählten Griffith und Dancaster, die das Ausmaß der Aggressionssteigerung durch Messung der Herzfrequenz belegen wollten (vgl. Griffith/Dancaster 1995, 543 ff.).

Sie gingen davon aus, dass ein hoher Puls gleichzusetzen sei mit einem hohen Maß an Aggressionspotential. In ihrer Studie mussten die Probanden im Computerspiel auf Raumschiffe und Asteroiden schießen. Das Ergebnis der Studie war eine „beachtliche“ Erhöhung des Pulsschlags der Probanden von 86 auf 88 Schläge pro Minute (Durchschnittswerte). Neben der Tatsache, dass eine Steigerung um nur zwei Schläge pro Minute ein nur bedingt aussagekräftiges Ergebnis darstellt, wurde auch vernachlässigt, dass es zahlreiche Gründe für das Ansteigen des Pulsschlages geben kann, so zum Beispiel Stress während des Spiels oder auch Frustration, weil die Anforderungen des Spiels zu hoch sind. Ein Anstieg des Aggressionspotentials in Folge des Computerspielens lässt sich anhand dieser Studie abermals nicht überzeugend nachweisen.

Nur wenige Studien im Bereich der Computerspiele gehen entgegengesetzt der klassischen Negativforschung vor und fahnden stattdessen nach positiven Effekten. Ein Beispiel hierfür ist die Untersuchung der amerikanischen Kognitionswissenschaftler Green und Bavellier, die belegen konnten, dass gewalthaltige Computerspiele die Aufmerksamkeit der Spieler verbessern. Im Hinblick auf Aufgaben, die eine visuelle Aufmerksamkeit erfordern, lösten nach ihren Untersuchungen Spieler gewalthaltiger Computerspiele diese Aufgabe bis zu 50 Prozent besser als Spieler anderer Computerspiele.[34]

Diese wenigen Beispiele der Wirkungsforschung machen deutlich wie unterschiedlich die Herangehensweisen, die Methoden und die Aussagen dieses Forschungszweiges im Bereich der Computerspiele sind. Gerade bei Studien, die den eindeutigen Beleg für die negativen Auswirkungen aggressionshaltiger Computerspiele erbringen wollen, müssen die Ergebnisse besonders kritisch hinterfragt werden, was anhand eines Beispiels in einem nachfolgenden Kapitel noch ausführlicher getan wird.[35] Jedoch geht es zuvor darum zu klären, was man unter dem Begriff „Aggression“ verstehen kann und welche Erklärungsansätze es für aggressives Verhalten gibt.

3.2 Definition von Aggression

„Aggressio“ stammt aus der lateinischen Sprache und heißt übersetzt „der Angriff“. Von der etymologischen Bedeutung her kann also jegliche Form des Angriffs als aggressives Verhalten bezeichnet werden.

Auf der Suche nach einer spezifischeren Bestimmung des Begriffs „Aggression“ finden sich in der Fachliteratur verschiedene Definitionsversuche, die eine große Bandbreite aufweisen. Grundsätzlich sollten Definitionen wesentliche Merkmale eines zu erklärenden Gegenstandes rein beschreibend bündeln. Auffallend ist, dass dies besonders bei dem Versuch einer Definition von „Aggression“ nicht immer gegeben ist.

Ein Beispiel hierfür ist die Definition von Selg:

„Aggression besteht in einem gegen einen Organismus oder ein Organismussurrogat gerichteten Austeilen schädigender Reize.“(Selg 1974, 22)

Auf dem ersten Blick versucht sich Selg streng an dem beobachtbaren Verhalten zu orientieren. Auf den zweiten Blick fällt jedoch auf, dass Entscheidendes fehlt: Diese Definition gibt keinerlei Informationen über die Intention des Akteurs oder der Akteurin (vgl. Borg-Laufs 1997, 16).

Ähnlich offen lässt auch Jüttemann seine Definition:

„Der Begriff ,menschliche Aggression´ oder ,Aggression´ bezeichnet eine Denkweise und darüber hinaus jede Handlungsweise, welche auf einer Denkweise beruht, die unter dem Gesichtspunkt allgemeiner oder besonderer menschlicher Verantwortung als erwartungswidrig beurteilt wird; für eine derartige Denkweise ist ein bewußtes Negieren und Ignorieren menschlicher Verantwortung charakteristisch.“ (Jütttemann 1978, 299)

Auch hier wird sowohl auf eine konkrete aggressive Verhaltensweise wie auf das Motiv der Akteurin oder des Akteurs verzichtet.

Diese zwei Definitionen verdeutlichen wie unterschiedlich Bestimmungen des Begriffs Aggression sein können. Daher wird in dieser Untersuchung auf eine Minimaldefinition zurückgegriffen, die Steckel für ihre Studien zugrunde legt (vgl. Teil A, Kap. 3.4.1). Sie versteht unter Aggression

“..ein Verhalten, daß darauf abzielt, eine andere Person zu verletzen oder zu schädigen.“ (Steckel 1998, 13)

An dieser Stelle wird noch einmal auf die Definition des Autors hingewiesen, der „aggressionshaltige Computerspiele wie folgt definiert:

Unter dem Begriff „aggressionshaltige“ bzw. „gewalthaltige“ Computerspiele sind solche Spiele gemeint, deren Inhalt es ist, durch den Einsatz von Waffen und der Verletzung oder Tötung virtueller, aber menschenähnlicher Gegner das Spielziel zu erreichen. In diesem Zusammenhang werden die Begriffe „aggressionshaltig“ und „gewalthaltig“ synonym verwendet.

3.3 Erklärungsansätze für Aggression

Neben den gebräuchlichen Definitionen sind auch die Erklärungsansätze für „Aggression“ in der Forschung uneinheitlich.

Um ein besseres Verständnis der Wirkungsforschung über aggressionshaltige Computerspiele zu ermöglichen, werden an dieser Stelle vier unterschiedliche Forschungspositionen zu aggressivem Verhalten vorgestellt. In der Reihenfolge ihrer Entstehung wird zwischen dem trieb- und instinkttheoretischen Ansatz, der Frustrations-Aggressions-Theorie und der sozialen Lerntheorie unterschieden. Zu den neueren Aggressionstheorien, die teilweise auf den älteren Ansätzen aufbauen bzw. eine Integration verschiedener Theorien darstellen, gehört die Motivationstheorie der Aggression, die abschließend dargestellt wird.

3.3.1 Trieb- und instinkttheoretische Erklärungsansätze

Freud ging grundsätzlich nicht von einem Aggressionstrieb im Menschen aus. Seiner Einschätzung nach ist Aggression Bestandteil des „Ich-Triebs“, und ihr Auftreten ist als Abwehrreaktion auf Bedrohungen des „Ichs“ zu werten.

Später, unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges, revidierte Freud seine Auffassung. Die von den Nationalsozialisten durchgeführte systematische Massenvernichtung von Menschen war für ihn der Ausgangspunkt, neben dem lebenserhaltenen Trieb des „Eros" einen Todestrieb, den „Thanatos“, in seine Überlegungen einzubeziehen (vgl. Freud 1938, 35).

Um die Selbstvernichtung zu vermeiden, so Freud, distanziert das Individuum die Aggression von sich selbst und richtet sie gegen andere Personen. Demnach gibt es für Freud keine Möglichkeit menschliche Aggression auszuschalten, wodurch sie seiner Ansicht nach unvermeidbar ist. Eine Übertragung der Überlegungen Freuds auf das Spielen von aggressionshaltigen Computerspielen bietet Parallelen zur mittlerweile als widerlegt geltenden Katharsisthese.

Die Katharsisthese[36] geht davon aus, dass durch das dynamische Mitvollziehen von an fiktiven Modellen beobachteten Gewaltakten der Drang des Zuschauers abnimmt, selbst aggressives Verhalten zu zeigen (vgl. Kunczik/Zipfel 2002, 30). Spielt jemand also gewalthaltige Computerspiele so würde dies aggressivem Verhalten vorbeugen.

Freuds trieb- und instinkttheoretische Ansätze sind ebenso wie die Katharsisthese in den darauffolgenden Jahren oft in Frage gestellt worden. Teile seiner triebtheoretischen Annahmen wurden jedoch von der Yale-Gruppe[37] im Jahr 1939 in ihrer Frustrations-Aggressions-Hypothese (F-A-Hypothese) aufgegriffen.

3.3.2 Frustrations-Aggressions-Hypothese

Anders als Freud gingen die „Yale-Gruppe“ nicht davon aus, dass Aggression ein im Organismus festgelegter Trieb ist, sondern als Folge einer Zielbehinderung oder Frustration entsteht.

Sie hielten ihre Hypothese in zwei Postulaten fest (vgl. Dollard et al. 1994, 9):

1. Aggression ist immer die Folge von Frustration.
2. Jede Frustration führt zu Aggression.

Während das erste Postulat unverändert blieb, wurde das zweite Postulat bald darauf modifiziert. Es lautete nunmehr in abgeschwächter Form:

„Eine Frustration führt zur Anregung von einer Reihe verschiedener Reaktionen, von denen eine die Anregung zu irgendeiner Form von Aggression ist.“ (Dollard et al. 1994, 14)

Im Gegensatz zur Triebtheorie Freuds geht die F-A-Hypothese zwar von externen Faktoren aus, die Aggressionen auslösen. Jedoch wird auch in der F-A-Hypothese Aggression als unvermeidbar und damit als entschuldbar angesehen (vgl. Kornadt 1982, 27). Überträgt man die ursprüngliche F-A-Hypothese auf Kinder und Jugendliche, so hätte dies zur Folge, dass aggressives Verhalten nur dadurch verhindert werden kann, wenn Kinder und Jugendliche in einer Umwelt aufwachsen, die frei von frustrierenden Erfahrungen ist. Der Amokläufer von Erfurt, Robert Steinhäuser, der die Erfahrung gemacht hat, nicht zum Abitur zugelassen zu werden und im Land Thüringen damit keinen Schulabschluss zu haben, ist ein nachvollziehbares Beispiel dafür, in welchem Umfang auch Kinder und Jugendliche schon in jungen Jahren mit Frustration umgehen müssen. Insgesamt betrachtet postulieren Triebmodelle aggressiver Verhaltensweisen die Unvermeidbarkeit von Aggressivität. Jedoch sind sie weder empirisch belegt noch können sie erfolgversprechende Handlungsmöglichkeiten anbieten, wenn Antworten auf die Frage gesucht werden, wie aggressives Verhalten vermindert oder gar verhindert werden kann (vgl. Borg-Laufs 1997, 53).

3.3.3 Lerntheoretische Sichtweise von Aggression

Der lerntheoretische Ansatz bedient sich einer anderen Herangehensweise, um die Entstehung aggressiver Verhaltensweisen zu klären. Ebenso wie jedes andere Verhalten müssen nach Ansicht der Lerntheoretiker auch aggressive Verhaltensweisen erlernt werden (vgl. Bandura 1979, 78). Nach der Lerntheorie werden aggressive Verhaltensweisen durch Imitation von Modellen oder durch Beobachtung derselben erlernt. Der Mechanismus des Lernens durch Imitation führt zu einer direkten Nachahmung des beobachtbaren Verhaltens, wohingegen das Modell-Lernen zu einer Übernahme von Handlungsmustern führt, die nicht direkt in sichtbares Verhalten umgesetzt, sondern im Gedächtnis des Beobachters gespeichert werden (vgl. Hoffmann 2000, 119). Die Theorie des sozialen Lernens unterscheidet zwischen dem kognitiven Erwerb von Verhaltensweisen, die ein destruktives und schädigendes Potential haben und solchen Faktoren, die bestimmen, ob eine Person das Erlernte auch ausführen wird (vgl. Bandura 1979, 82). Nicht alles, was Menschen lernen, wie beispielsweise der nahezu perfekte Umgang mit einem Scharfschützengewehr in CS, wird dementsprechend auch in der Realität ausgeführt. Die Erwartung von möglichen Konsequenzen wirkt hier regulierend (vgl. Hoffmann 2000, 119).

Um neues Verhalten überhaupt erlernen zu können, sind mehrere kognitive Subprozesse erforderlich (vgl. Bandura 1979, 86 ff.):

Zunächst muss die Aufmerksamkeit des Lernenden gegeben sein. Die Aufmerksamkeit ist zum Beispiel dann hoch, wenn das Modell einen hohen Status erlangt oder besonders ansprechend auf den Beobachter wirkt.

Als Nächstes folgen Gedächtnisprozesse. Wenn das Modell nicht mehr präsent ist, muss das Verhalten im Langzeitgedächtnis des Beobachters gespeichert sein, da es sonst wieder verlernt wird.

Der dritte Schritt des Lernens besteht aus motorischen Reproduktionsprozessen: Der Lernende führt das Verhalten aus. Dies kann nur dann geschehen, wenn der Lernende eine bestimmte Reihe von Fertigkeiten entsprechend den modellierten Verhaltensmustern auch zusammenfügen kann. Kann er dies nicht, bleibt der Lernprozess solange unwirksam bis die erforderlichen Fertigkeiten durch weitere Beobachtung oder Übung entwickelt sind.

Der vierte Subprozess betrifft die Bekräftigungs- und Motivationsprozesse, die für das Ausführen des erlernten Verhaltens sorgen. Wie bereits erwähnt spielen hier Erwartungen gegenüber möglichen Konsequenzen eine wichtige Rolle. Eine Person kann die Fähigkeiten zur Ausführung eines Verhaltens zwar erwerben und sie auch im Gedächtnis behalten, jedoch selten entsprechend handeln, wenn das Verhalten negativ sanktioniert ist oder anderweitig ungünstig aufgenommen wird. Wird das Verhalten positiv bewertet kann diese Bewertung als Verstärkung des Verhaltens verstanden werden.

Die wichtigste Quelle für das Erlernen von aggressivem Verhalten ist aus Sicht der Lerntheorie die Familie. Dies ist insofern nachvollziehbar, da dem Kind hierbei Modelle gegenüberstehen, die für ihn einen besonders hohen Status haben. Die Familie ist in ein Netzwerk sozialer Systeme eingebettet, das als zweite Lernquelle angesehen wird. Die dritte Quelle aggressiver Verhaltensweisen stellen symbolische Modellierungsprozesse da, die durch die Massenmedien, wie beispielsweise das Fernsehen, ausgelöst werden (vgl. Bandura 1979, 111).

Allerdings stellt sich hierbei die Frage, inwiefern auch gewalthaltige Computerspiele als Modelle aggressiver Verhaltensweisen dienen können. Diese Frage wird in Teil A, Kapitel 5 näher beleuchtet, wo es um eine differenzierte Betrachtung virtueller und realer Lebenswelten geht. Es kann jedoch bereits festgestellt werden, dass Kinder und Jugendliche sehr genau zwischen diesen beiden Welten unterscheiden und demnach Computerspiele nur sehr bedingt als Modelle zum Erlernen aggressiver Verhaltensweisen gelten können.

3.3.4 Motivationstheoretisches Verständnis von Aggression

Eine Integration der genannten Modelle zur Erklärung aggressiven Verhaltens versucht die motivationstheoretische Konzeption der Aggression von Kornadt.

Im motivationstheoretischen Verständnis gilt Aggression als eine Disposition im Individuum, die in ihrer Stärke und Ausprägung interindividuell variiert (vgl. Kornadt 1998, 18). Diese Disposition enthält zwei antagonistische Komponenten: Das Motiv zur Aggression und das Motiv zur Aggressionshemmung. Das Aggressionsmotiv wird von Kornadt als „die Schädigung oder Verletzung von anderen oder von deren Interessen und/oder das Eliminieren von Quellen einer Frustration durch eigenes gewaltsames Handeln“ definiert (vgl. Kornadt 1982, 82). Das Motiv zur Aggressionshemmung, von dem im menschlichen Organismus eine überdauernde Bereitschaft vermutet wird, kann durch „negative Anreize“ aggressives Verhalten vermeiden. Zu solchen „negativen Anreizen“ gehören beispielsweise Schuldgefühle, Gefühle der Scham oder Reue oder auch Angst vor Strafe (vgl. Kornadt 1998, 294).

An dieser Stelle werden Parallelen sowohl zur Trieb- und Instinkttheorie als auch zur Motivationstheorie deutlich, da das triebähnliche Element im Menschen im Mittelpunkt steht. Eine Aggressionshandlung ist nach motivationstheoretischem Verständnis das Ergebnis des Zusammenspiels der handelnden Person und den spezifischen situativen Bedingungen (vgl. Kornadt 1998, 21). Weiter geht dieser Ansatz davon aus, dass zwei Faktoren aggressives Verhalten kontrollieren bzw. regulieren: Normen und Empathie.

Normen

Im Verlauf der Sozialisation werden Kindern verschiedene Normen und Werte vermittelt. Dies betrifft zahlreiche Bereiche des Lebens, u.a. den Umgang mit Gewalt und Aggression. Entsprechend seines kulturellen Kontextes lernt das Kind in seinem Umfeld, welche Formen von Aggression und Gewalt erlaubt und welche Formen unerwünscht sind. Die Normen, die das Kind akzeptiert, werden im Laufe der Kindesentwicklung als die eigenen Normen übernommen und ins Selbstkonzept eingebaut. Dieser Prozess der Übernahme von Normen wird als Internalisierung bezeichnet.

Empathie

Die Fähigkeit zum Mitfühlen wird als zweiter Hemmmechanismus der Aggression bezeichnet. Das Mitleiden mit dem potentiellen Opfer von Aggressionen und die damit möglicherweise verbundenen Schuldgefühle stehen dem Ausführen von Gewalt gegenüber.

Nachfolgendes Schaubild verdeutlicht nochmals die motivationstheoretische Sichtweise:

Abbildung 10: Motivationspsychologisches Modell

(vgl. Steckel 1998, 94)

In motivationstheoretischer Hinsicht können Computerspiele somit in zweifacher Hinsicht wirken: Zum einen bewirken sie eine Anregung des Aggressionsmotiv, was sich in einer erhöhten Aggressionsbereitschaft äußert; zum anderen können aggressionshaltige Computerspiele die natürlichen Hemmmechanismen gegenüber Aggression durch Normen und Empathie befördern (vgl. Steckel 1998, 64).

3.4 „Computerspiele machen aggressiv!“ – Machen Computerspiele wirklich aggressiv?

Mit dieser „Schlagzeile“ macht[38] der Fernsehsender 3Sat auf einer Seite seiner Internetpräsenz auf die Ergebnisse einer Untersuchung der Bochumer Forscherin Rita Steckel seit dem 21.12.2000 aufmerksam.[39]

3 Sat, ein Kultursender mit bildungsbürgerlichem Anspruch und von der Senderleitung auch als Forum des „anders Fernsehen“ beschrieben, trägt mit dieser Veröffentlichung dazu bei, dass Steckels Thesen einem breiteren und nichtwissenschaftlichen Publikum zugänglich gemacht und damit popularisiert werden. In diesem Zusammenhang ist es überraschend, dass die Redaktion von 3Sat, die ansonsten insbesondere moralische und ethische Fragen in den Vordergrund ihrer Berichterstattung stellt, die Ergebnisse von Steckel distanzlos übernimmt, ohne sie rechercheüblich kritisch zu hinterfragen. Dies wäre jedoch gerade bei einem derart emotional aufgeladenen Thema wie Aggression und Gewalt durch Computerspiele von Nöten. Aus diesem Grund wird Steckels prominent gewordene Studie an dieser Stelle besonders gewürdigt und unter kritische Betrachtung gestellt.

3.4.1 Aufbau der Untersuchung Steckels

Steckel führte 1998 eine Untersuchung mit 167 Kindern aus verschiedenen Bochumer Kindertagesstätten und Jugendfreizeiteinrichtungen durch. Ihre Untersuchung, die sich an dem motivationstheoretischen Verständnis von Aggression orientiert[40], hatte das Ziel zu klären, inwieweit das Spielen gewalthaltiger Videospiele sich auf das kindliche Verhalten auswirkt.

Steckel ging dabei von zwei Hypothesen aus:

1. Der Umgang mit gewalthaltigen Computerspielen bewirkt (als unmittelbarer Effekt) eine Aktivierung des Aggressionsmotivs und hat sowohl kurzfristige, wie auch langfristige Folgen für das Verhalten von Kindern.
2. Der Umgang mit gewalthaltigen Computerspielen führt zu einer Herabsetzung des empathischen Empfindens (vgl. Steckel 1998, 64).

Vor der Untersuchung wurden die Kinder in zwei Altersgruppen eingeteilt. Auf der einen Seite steht die Gruppe der jüngeren Kinder (alle Kinder, die beim Erhebungszeitpunkt jünger als zehn Jahre und einen Monat waren) und auf der anderen Seite die Gruppe der älteren Kinder (alle Kinder, die älter als zehn Jahre und einen Monat waren). Das experimentelle Vorgehen teilte sich in zwei Phasen auf. In der ersten Phase wurden personenabhängige Variablen erfasst: die dispositionelle Aggressionsneigung, das beobachtbare aggressive Verhalten, die Ausprägung des empathischen Mitfühlens, die Neugierde, die Ängstlichkeit, die allgemeinen Spiel- und Freizeitvorlieben. Anhand dieser Daten sollte überprüft werden, ob Zusammenhänge zwischen dem Sozialverhalten der Kinder und deren Videospielgewohnheiten festgestellt werden können (vgl. Steckel 1998, 69 ff.). Die zweite Phase entsprach der eigentlichen experimentellen Untersuchung, in der die Hypothesen der Aggressions-Motiv-Aktivierung und der emotionalen Desensibilisierung durch das Spielen aggressiver Spiele überprüft werden sollten.

3.4.2 Das experimentelle Vorgehen

Zur Überprüfung der Hypothesen wählte Steckel zunächst zwei, ihrer Einschätzung nach geeignete Spiele aus. Aus ethischen Gründen entschied sich die Forscherin für ein Gewaltspiel mit einem leicht aggressiven Inhalt: „Street-Fighter 2“. Dieses Spiel ist ein sogenanntes „Box- und Prügelspiel“, bei dem zwar körperliche Gewalt vorherrscht, jedoch ohne spielerische Tötungshandlungen. Als aggressionsfreies Spiel bestimmte die Forschungsgruppe „Joshi′s Cookie“, ein Sortier- und Geschicklichkeitsspiel.

Für ca. 20 Minuten sollten die Kinder eines dieser Spiele spielen[41]. Anschließend wurden den Kindern 24 emotionsanregende Dias (Menschen und Tiere in bedrückenden Situationen) und 24 neutrale Dias (Landschaftsaufnahmen oder Blumen) vorgeführt (vgl. Steckel 1998, 81 ff.). Mit diesem Vorgehen wollte die Autorin prüfen, ob das Spielen mit ,,Street Fighter 2" im Gegensatz zu ,,Joshi′s Cookie" zu einer Herabsetzung des empathischen Empfindens führt. Verschiedene Messindikatoren für die emotionale Reagibilität sollten darüber Aufschluss geben. So wurde unter anderem die Anzahl der zu betrachtenden Bilder sowie die Länge der Betrachtungszeit der einzelnen Bilder erhoben, da auch hier Hinweise für eine Herabsetzung des empathischen Empfindens vermutetet wurden.

Unmittelbar nach einer erneuten Spielphase von ungefähr zehn Minuten sollten die Kinder anhand einer Emotions-Adjektiv-Skala ihre eigene emotionale Empfindsamkeit einschätzen. Ein zweites wichtiges Anliegen der Untersuchung war es zu prüfen, ob Computerspielen das Aggressionsmotiv anregt. Den Kindern wurden dazu hintereinander sechs Bilder gezeigt, die wiederum Konfliktsituationen zwischen Kindern darstellten und zu denen sie dieses Mal eine Phantasiegeschichte erzählen sollten (vgl. Steckel 1998, 93). Zentrale Annahme dieser Methode ist es, dass die möglicherweise durch das Computerspiel angeregte aggressive Tendenz sich auf die erzählten Geschichten der Kinder auswirkt.

Um die Vorerfahrungen der Kinder, die sie in die experimentelle Situation mitbringen, zu berücksichtigen, wurde mit ihnen abschließend ein standardisiertes Interview geführt. Dabei wurde erfasst, ob das Kind ein Spielgerät besitzt, welche Spiele es bevorzugt, wie häufig und wie lange das Kind spielt und ob die Kinder auch in anderen Kontexten spielen (vgl. Steckel 1998, 95).

3.4.3 Die Ergebnisse ihrer Untersuchung

Zusammenhänge zwischen Sozialverhalten und Videospielgewohnheiten

1. Hoch aggressive Kinder beschäftigen sich nach ihren eigenen Angaben in ihrer Freizeit gerne mit konsumatorischen Tätigkeiten wie Fernsehen und Videospielen. Besonders attraktiv sind hierbei die aggressiven Elemente dieser Spiele (vgl. Steckel 1998, 189).
2. Kinder, die sich sehr ausdauernd mit Videospielen beschäftigen, ziehen das Alleinspiel dem Spiel im sozialen Kontext vor (vgl. ebd.).

Folgerungen aus der ersten These:

1. Steckel konnte zwar nachweisen, dass unabhängig der experimentellen Bedingungen hoch aggressive Kinder verglichen mit weniger aggressiven Kindern höhere Motivierungskennwerte aufweisen. Jedoch fehlt der Beleg für eine generelle unmittelbare Anregung des Aggressionsmotivs bei allen Kindern durch das Spielen von aggressionshaltigen Videospielen (vgl. Steckel 1998, 188).
2. Eventuelle langfristige Folgen von aggressionshaltigem Videospielen vermutete Steckel dadurch, dass bei den Kindern, die sich bereits zuvor intensiv mit Videospielen beschäftigt hatten, die Aggressions-Hemmungs-Komponente nicht so stark ausgeprägt war wie bei den Kindern, die sich zuvor nicht mit Videospielen auseinandergesetzt hatten (vgl. Steckel 1998, 188).

Folgerungen aus der zweiten These:

Die Gruppe von Kindern, die „Street Fighter 2“ gespielt hatten, zeigten beim Betrachten der Bilder im Testverfahren weniger emotionelle Beteiligung. Kinder, die hoch aggressiv waren und bereits über Spielerfahrung verfügten, zeigten sogar besonders wenig Anzeichen von Betroffenheit (vgl. Steckel 1998, 192).

Zusammenfassend geht Steckel davon aus, dass eine Reihe von Indizien für eine unmittelbare Wirkung von aggressionshaltigen Videospielen auf die Empathiefähigkeit sprechen. Langfristig, so Steckel, führe dies zu einer Schwächung des Hemmmechanismus und damit zu einer erhöhten Bereitschaft aggressiven Verhaltens (vgl. Steckel 1998, 193).

3.5 Exemplarische Forschungskritik: Die Ergebnisse der Untersuchung Steckels

In einer Gesellschaft, die nach wie vor durch die Ereignisse von Erfurt geprägt ist, bieten Steckels Ergebnisse eine mögliche Antwort auf die Frage warum der Amoklauf passieren konnte.

Nachfolgend soll untersucht werden, inwieweit die Ergebnisse der Studie dazu beitragen können, diese Frage zu beantworten. Bestehende Zweifel am Zustandekommen und an der Richtigkeit der wissenschaftlichen Ergebnisse Steckels werden exemplarisch an drei Untersuchungsparametern genauer analysiert.

3.5.1 Die Spielauswahl

Um die Auswirkungen von aggressionshaltigen Computerspielen nachzuweisen ließ Steckel die Kinder mit einem aggressionshaltigen und einem aggressionsfreien Computerspiel spielen. Da diese beiden Spiele Grundelemente der Studie sind, bedarf es hier einer genaueren Analyse, wie geeignet die Spiele zum Überprüfen der Untersuchungsthesen sind. Da das Ziel der Studie ist, die negativen Auswirkungen von aggressionshaltigen Computerspielen im Vergleich zu aggressionsfreien Computerspielen zu belegen, muss der Aspekt „Aggression“ eine abhängige Variable sein, während die Bereiche „Action-Lastigkeit“, „Tiefe der Spielgeschichte“, „Schwierigkeitsgrad“ sowie „grafische und akustische Effekte“ der beiden Spiele dementsprechend als unabhängige Variablen fungieren müssen, um die Ergebnisse der Studie als valide Einschätzen zu können (vgl. Ladas 2003, 29).

Unter dem Aspekt der „Aggression“ stellt sich also die Frage, ob die in der Untersuchung verwendeten Computerspiele sich nur in dieser abhängigen Variable unterscheiden. Sollte dies verneint werden können, besteht die Gefahr, dass der nachgewiesene Anstieg des Aggressionsmotivs z.B. mit der allgemein erhöhten Erregung verwechselt werden kann. „Street Fighter 2“ besticht durch extreme Schnelligkeit. Während des Spiels ist Reaktionsvermögen gefordert, da ansonsten der virtuelle Gegner das Spiel für sich entscheidet. Es geht nicht darum, strategisch überlegt zu handeln, sondern darum, dass durch schnelle Schläge und Tritte der Gegner besiegt wird. Die Spielfiguren in „Street Fighter 2“ wirken menschenähnlich; die Realitätsnähe des Spiels wird durch akustische Signale beim Schlagen und Treten unterstrichen.

Joshi´s Welt hingegen spielt in einer Phantasielandschaft, die nur wenige Bezüge zur realen Welt hat. Weder die Spielfiguren noch ihre Umgebung oder die Geräusche während des Spiels zeigen Parallelen zur Realität auf. Zur Veranschaulichung werden nachfolgend zwei Spielausschnitte aus den jeweiligen Spielen gegenüber gestellt.

Abbildung 11: Spielausschnitte „Street Fighter 2“ und „Joshi´s Cookie“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: http://www.clubic.com/ ar/110-1.html, 15.04.04.)

Die beiden Spielausschnitte verdeutlichen, dass sich beide Spiele allein durch die grafische Aufarbeitung stark voneinander unterscheiden. Sie sprechen Kinder unterschiedlich an, wodurch ein direkter Vergleich der Spiele in Bezug auf „Aggression“ erschwert wird. Diese Zweifel werden durch eine im Jahr 1993 durchgeführte Sichtung der Ergebnisse von 17 Experimentalstudien zu Auswirkungen von aggressionshaltigen Computerspielen verstärkt. Es zeigte sich dabei, dass bei allen Studien, die bezüglich der Spielauswahl wissenschaftlich fundiert vorgegangen waren, keine Aggressionssteigerung festzustellen war (vgl. Sacher 1993, 313 ff.).

3.5.2 Die Betrachtungszeit der Dias

Nachdem die Kinder bei Steckels Untersuchung das jeweilige Videospiel spielten, hatten sie die Möglichkeit, sich Dias anzusehen. Die Dias setzten sich aus emotionsanregenden und neutralen Lichtbildern zusammen. Steckel hielt die Betrachtungsdauer der Kinder fest und nutzte die gesammelten Daten, speziell die Betrachtungszeit der emotionsanregenden Dias, als zusätzliches Indiz für ihre These, dass aggressionshaltige Videospiele zu einem Rückgang von Empathie führen.

Steckel lässt hierbei jedoch die Tatsache außer Acht, dass die emotionsanregenden Dias noch eine völlig andere zusätzliche Wirkung haben. Die Betrachtungszeit dieser Bilder verlängert sich, da sie interessanter als Landschaftsaufnahmen, Bilder von Mohnfeldern oder Feldwegen sind.

Zur Veranschaulichung werden nachfolgend exemplarisch zwei emotionsanregende und zwei neutrale Dias gegenübergestellt. Auf der einen Seite sind ein misshandeltes und ein schreiendes, farbiges Kind zu sehen, während dem gegenüber Aufnahmen von einer Blume und einem Waldweg dargestellt sind:

Abbildung 12: Emotionsanregende und neutrale Dias aus der Untersuchung Steckels

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Steckel 1998, 217 ff.)

Die Gegenüberstellung der beiden Diagruppen verdeutlicht, wie unterschiedlich die Wirkung dieser Bilder – im speziellen auf Kinder – sein kann.

Gieselmann geht daher davon aus, dass allein die Betrachtungsdauer der Dias noch kein Indiz für eine „emotionale Desensibilisierung“ sein kann (vgl. Gieselmann 2002, 27).

3.5.3 Die Fähigkeit zum Mitfühlen (Empathie)

Steckels zweite Untersuchungsthese beruht auf der Vermutung, dass sich aggressionshaltige Computerspiele auf die Fähigkeit zum Mitfühlen auswirken. Unter Berücksichtigung der Fernsehwirkungsforschung setzt Steckel voraus, dass es eine Wirkung auf das empathische Erleben der Kinder beim Spielen der Computerspiele gebe:

„Die Ergebnisse der Fernsehwirkungsforschung belegen, dass der Konsum gewalthaltiger Fernsehfilme zu einer emotionalen Abstumpfung führt, die sowohl kurzfristig wirksam wird, aber auch langfristig Wirkungen auf die dispositionelle Empathie hat. “ (Steckel 1998, 192)

Interessant ist nun der hierauf folgende Satz:

„Beim spielerischen Umgang mit Gewalt im Videospiel, bei dem aggressive Konfliktlösungen gefordert sind und empathisches Mitfühlen mit dem Aggressionsopfer nicht gefragt ist, sollte diese emotionale Abstumpfung noch deutlicher werden.“ (Steckel 1998, 192)

Was hier noch als Hypothese formuliert ist, wird von Steckel im weiteren Verlauf der Studie mutmaßlich wissenschaftlich bewiesen:

„So konnten die verschiedenen Einzelbefunde zusammengenommen ein Befundmuster aufzeigen, das als Beleg für diese These einer unmittelbaren durch das Kampfspiel herabgesetzten emotionalen Sensitivität gelten kann.“ (Steckel 1998, 193)

Steckel greift auf die Ergebnisse der Fernsehwirkungsforschung zurück und sieht in Computerspielen die Gefahr, dass die „emotionale Abstumpfung“ im Vergleich zum gewalthaltigen Fernsehen sogar noch zunimmt.

An dieser Stelle müssen zwei Punkte kritisch betrachtet werden:

1. Ist die Übertragung der Ergebnisse aus der Fernsehwirkungsforschung auf die Auswirkungen von aggressionshaltigen Computerspielen zulässig?
2. Kann unter Berücksichtigung der ersten Frage der Aussage zugestimmt werden, dass Gewalt in Computerspielen zu einer „emotionalen Abstumpfung“ führt?

Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen gibt eine im Jahr 2002 durchgeführte Studie von Ladas, der 2.141 Computerspieler zur Wirkung und Nutzung von Gewalt befragte.

Ladas grenzt filmische Gewalt stark von der Gewalt in Computerspielen ab, da die semantischen Zusammenhänge, also die Fähigkeit in eine andere Rolle zu springen, beispielsweise in die des Filmstars, im Computerspiel hinter den syntaktischen Zusammenhängen zurücktreten (vgl. Ladas 2003, 28). Im Computerspiel, speziell im aggressionshaltigen Spiel, geht es also weniger um den Charakter der Spielfiguren, sondern viel mehr um die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Spielobjekten (vgl. Ladas 2003, 28). Der Spieler muss z.B. im Spiel „Super Mario Brothers“ erkennen, dass ein Gegner auf ihn zukommt und dementsprechend ausweichen. Ob der Gegner eine Schildkröte, eine Biene oder ein Hund ist, ist für den Spielverlauf unwichtig.

Im Spielfilm hingegen wird versucht, dem Zuschauer ein emotionales Erlebnis zu bieten. Das Mitzittern mit dem Held, das Mitleid mit den Opfern und die Frage, ob die gute oder die böse Seite gewinnt, stehen im Vordergrund. Im Computerspiel ist zwar auch eine Spielgeschichte vorhanden, jedoch geht es in erster Linie darum, Reiz-Reaktions-Folgen zu verstehen und zu beherrschen. Dementsprechend hat auch die Gewalt, die im Computerspiel angewandt wird, eine andere Bedeutung als die im Fernsehen oder auf der Kinoleinwand.

Die Gewalt im Computerspiel hat einen „Wettbewerbscharakter“, das heißt, die virtuellen Gegner werden zu „Schießbudenfiguren“ (Ladas 2003, 28, 38), deren Ausschaltung lediglich dem Vorankommen im Spiel dient, und nicht Tötung, Schmerz oder Leid bedeuten. Virtuelle Gegner sind keine ausdifferenzierten, sich emotional entwickelnden Charaktere, sondern lediglich aus Pixeln zusammengesetzte Barrieren um das Spielziel „Herrschaft, Macht und Kontrolle“ zu erreichen (vgl. Teil A, Kap. 4.3). Im Bereich der Fernsehwirkungsforschung konnte Grimm (1999, 707 ff.) nachweisen, dass für eine ängstigende oder Mitleid erregende Wirkung medialer Gewalt die Art der Opferdarstellung verantwortlich ist. Die Gewalt in Computerspielen und ihre meist nebensächliche Spielgeschichte lassen jedoch für diese Opferrollen keinen Platz, da die „Opfer“ in den Computerspielen lediglich „Zielscheiben“ sind, welche die Attribute eines „Opfers“ nicht erfüllen. Dementsprechend ist es fraglich, inwiefern Phänomene wie Gewalthabitualisierung oder Empathiereduktion bei Gewalt in Computerspielen überhaupt auftreten können.

Es wird deutlich, dass eine direkte Übertragung der Ergebnisse aus der Fernsehwirkungsforschung auf die Wirkungsforschung von aggressionshaltigen Computerspielen nicht möglich ist. Dementsprechend ist also fraglich, ob - wie Steckel meint belegen zu können - Computerspiele zu einer „emotionalen Abstumpfung“ führen. Steckel gibt indirekt bereits selbst eine Antwort auf diese Frage, indem sie sagt, dass Empathie beim Computerspielen keine Relevanz hat (vgl. Steckel 1998, 192). Jedoch liegt dies nicht daran, dass die Spieler gefühlskalt wären, sondern an dem zuvor erwähnten Phänomen, nach dem sich Gewalt in Computerspielen klar von Gewalt im Fernsehen unterscheidet.

In der bereits erwähnten Studie von Ladas lassen sich hierfür Hinweise finden, wenn er unter anderem das empathische Empfinden und Habitualisierungstendenzen beim Spielen von aggressionshaltigen Computerspielen herausstellt (vgl. Ladas 2003, 30).

Gerade in diesem Punkt weichen seine Ergebnisse von denen Steckels erheblich ab. Ladas Untersuchungsresultate bestätigen, dass virtuelle Spielgewalt vom Nutzer allgemein stark ästhetisiert, empathiefrei und rein funktionalistisch wahrgenommen wird. Die meisten Spieler seiner Studie sahen keinen moralischen Zusammenhang zwischen der angewandten virtuellen Gewalt und der realen Welt. Auch eine eventuelle Gewalthabitualisierung konnte durch die Nutzer gewalthaltiger Computerspiele nicht bestätigt werden (vgl. Ladas 2003, 31).

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die Ergebnisse der Fernsehwirkungsforschung nicht auf die Wirkungsforschung von Computerspielen übertragen werden können, da die Folgen des jeweiligen Mediums unterschiedlich sind. Daraus folgt, dass eine „emotionale Abstumpfung“ nicht automatisch ein Resultat des Spielens aggressionshaltiger Computerspiele ist. Auch Steckels Ergebnisse zu den Videospielgewohnheiten müssen kritisch hinterfragt werden. Ziehen Kinder, die häufig Video spielen, das Alleinsein im Spiel dem Spielen im sozialen Kontext wirklich vor? In Teil A, Kap. 1.2.2 wurde bereits der Trugschluss vom einsamen Computerspieler aufgezeigt. Es wird im weiteren Verlauf der Arbeit unter Berücksichtigung eigener empirischer Daten (vgl. Teil B, Kap. 1) zu prüfen sein, wie diese Frage weiter beantwortet werden kann.

3.5.4 Zusammenfassende Betrachtung der Untersuchung Steckels

An der Analyse der drei Untersuchungsparameter in der Studie Steckels wird deutlich, dass die Gültigkeit von Teilen ihrer Forschungsergebnisse angezweifelt werden kann. Des Weiteren stellt sich die Frage, inwiefern ihre Untersuchungsergebnisse mit Blick auf die Veränderungen im Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen auch heute noch Gültigkeit beanspruchen können. Die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit haben gezeigt, dass der Bereich der Multiplayer-Spiele einen immer größeren Stellenwert für Kinder und Jugendliche einnimmt. Über dieses Spezifikum kann Steckels Untersuchung jedoch keine Aussage treffen. Zudem bleibt in ihren Forschungen die Frage nach der Motivation der Spieler völlig unberücksichtigt. Sie konnte zwar belegen, dass das Aggressionsmotiv bei Kindern, die bereits vor der Untersuchung als hoch aggressiv eingestuft wurden, durch das Spielen von aggressionshaltigen Computerspielen angestiegen ist, jedoch berücksichtigt sie nicht, welche Gründe bereits vorab zu einer erhöhten Aggressionsbereitschaft geführt haben. Oder anders formuliert: Inwiefern ist die Steigerung des Aggressionsmotiv wirklich auf das Spielen von aggressionshaltigen Computerspielen zurückzuführen? Hätte nicht das gleich Untersuchungsergebnis festgestellt werden können, wenn statt „Street Fighter 2“ ein Gesellschaftsspiel wie „Mensch-ärgere-dich-nicht“ als Forschungsinstrument gedient hätte?

Die Verwendung aggressionshaltiger Computerspiele wie „Street Fighter 2“ führt dazu, dass unter Druck gespielt werden muss, da der Spielinhalt eine wettkampfähnliche Auseinandersetzung mit dem virtuellen Gegner erfordert. Zudem wird dieser Druck durch die Laborsituation verstärkt. Während des Spielens sind die Kinder mit Messgeräten verkabelt, werden von einer Videokamera gefilmt und befinden sich in einer für sie völligen fremden Umgebung. Inwiefern diese experimentellen Befunde auch auf die Lebenswelt von Kindern übertragen werden können, muss unter diesen Untersuchungsbedingungen als völlig offen gelten. Steckel kommt im Verlauf ihrer Gesamtauswertung zu dem Ergebnis, dass eine Reihe von Indikatoren auf gravierende negative Auswirkungen aggressionshaltiger Spiele schließen lassen. Einen eindeutigen Beweis dafür kann sie jedoch nicht liefern, wodurch sie viel Raum für Spekulationen lässt.

4 Umdenken in der Medienforschung: Die Medien be wirkungsforschung

„Ehe man sinnvoll fragen kann, was Medien bewirken, muss man fragen, wodurch ihre Anziehungskraft beim Publikum verursacht wird.“ (Fritz/Fehr 2003, 53)

Seit einigen Jahren gibt es sich in der Medienforschung Ansätze, die sich von den Prinzipien der traditionellen Wirkungsforschung distanzieren. Diese Ansätze versuchen nicht zu klären, welche Auswirkungen gewaltorientierte Spiele haben, sondern eine Antwort auf die Frage zu erhalten, was Kinder, Jugendliche und Erwachsene an visueller Gewalt fasziniert.

Die Frage nach den Hintergründen der feststellbaren Faszination gegenüber visueller Gewalt ist die Forschungsbasis der neuen „Medien(be)wirkungsforschung“ (Fritz/Fehr 2003, 53).

4.1 Warum Computerspiele faszinieren

Um sich der Beantwortung der Frage, warum Computerspiele Kinder und Jugendliche faszinieren, zu nähern, wird im folgenden zunächst ein motivationspsychologisches Grundmodell vorgestellt, von dem ausgehend auf vier sogenannte Funktionskreise geschlossen wird, die als eine Art Gelenkstück zwischen den Anforderungen des Spiels und den Fähigkeiten des Spielers zu verstehen sind und damit maßgeblich für die Entstehung von Faszination durch das Computerspielen verantwortlich sind. Anschließend werden drei Hauptelemente von Computerspielen vorgestellt, die einen wesentlichen Einfluss auf die Motivation der Spieler ausüben.

4.1.1 Motivationspsychologisches Grundmodell

Ein wichtiger Beitrag zur Klärung der Frage nach der Faszinationskraft von Computerspielen kann das motivationspsychologische Grundmodel von Wegge liefern:

Abbildung 13: Motivationspsychologisches Grundmodell nach Wegge

(vgl.Wegge et. al. 1995, 216 ff.)

Wegge geht davon aus, dass zwei verschiedene Dinge aufeinander treffen müssen, um beim Spieler Motivation zu erzeugen:

Auf der einen Seite sind dies persönliche Eigenschaften des Spielers, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind und in Bezug auf das Modell auch als Erwartungen oder Nachfrage bezeichnet werden können. Das Modell führt eine Reihe solcher Personenmerkmale auf: z.B. die individuelle Ausprägung verschiedener Motive wie das Leistungs-, Anschluss- und Machtmotiv; die Fähigkeiten eines Menschen: emotionale Vorlieben und Gewohnheiten; die jeweiligen Interessen des Spielers; die Ziele, die der Spieler für wichtig erachtet (vgl. Wegge, et. al. 1995, 217 ff.).

Dem gegenüber steht in Form von Motivierungspotential das Angebot. Im Hinblick auf Computerspiele sind solche Motivierungspotentiale z.B. in der oberflächigen Spielerscheinung (z.B. die Farbenvielfalt), bei dem eigentlichen Spielinhalt (z.B. das zu verfolgende Spielziel) sowie in der Regel- bzw. Spieldynamik des Spiels zu sehen.

Ob ein Spieler längerfristig motiviert ist, das entsprechende Computerspiel zu spielen, hängt davon ab, wie hoch der Deckungsgrad zwischen „Angebot“ (Motivierungspotential) und der „Nachfrage“ (Persönlichkeitsmerkmale) ist (vgl. Fritz 1995, 18).

Hat der Spieler mit dem Spiel begonnen, stellen sich über die Anstrengung und Ausdauer des Spielers emotionale und kognitive Spielwirkungen ein. Dies können beispielsweise Erfolgserlebnisse, Enttäuschungen, Ermüdung oder Spielfreude sein. Wegges Modell lässt sich sowohl auf klassische Brettspiele wie auch auf Computerspiele übertragen. Um jedoch tiefer in die Materie einzusteigen, soll im nächsten Kapitel auf die Motivation bzw. die Faszination durch Computerspiele eingegangen werden. Dabei beziehe ich mich auf das Modell der vier ineinandergreifenden Funktionskreise, mit deren Hilfe erläutert werden kann, wie sich der Spieler auf das Spiel einstellt (vgl. Fritz 1995, 28 ff).

4.1.2 Die vier Funktionskreise

Auf die Frage, warum Kinder und Jugendliche Computerspiele spielen, gibt es auf den ersten Blick nur recht oberflächliche Antworten. So macht die Suche nach Spaß und Spannung den Hauptteil der Motivation bei Jugendlichen aus. Darüber hinaus geht es bei dem überwiegenden Teil der Computerspiele darum, eine Spielfigur in einer konstruierten Welt zu steuern. Die Spielfigur, die von einem menschenähnlichen Wesen bis hin zu Fahrzeugen oder Tieren variieren kann, ist in diesem Fall ein Stellvertreter der spielenden Person und verschafft ihm so Zugang zu einer virtuellen Welt (vgl. Fritz 1995, 26 ff.).

Die Eigenart dieser virtuellen Welt besteht darin, dass man sich wahrnehmend und handelnd in dieser Welt aufhält, ohne dass man faktisch in ihr vorhanden ist oder nach den Maßstäben der realen Welt in ihr handeln könnte (vgl. Fritz 1995, 29). Nach Fritz hat die virtuelle Spielfigur das Ziel, Macht, Herrschaft und Kontrolle zu erlangen, um so bestehen und letztlich siegen zu können. Um in diese virtuelle Welt einzutreten und den Leistungsanforderungen und Fertigkeiten der Computerspiele gerecht zu werden, müssen zahlreiche Fähigkeiten entwickelt und eingesetzt werden. Nur wenn diese Fähigkeiten und Fertigkeiten aufeinander abgestimmt sind, bleibt die Motivation beim Spieler erhalten.

Die Fähigkeiten fasst Fritz in den sogenannten Funktionskreisen zusammen:

1. die sensumotorische Synchronisierung
2. die Bedeutungsübertragung
3. die Regelkompetenz
4. der Selbstbezug.

Diese vier Funktionskreise lassen sich als „Gelenkstücke“ ansehen, die das Motivierungspotential der Computerspiele mit den Persönlichkeitsmerkmalen des Spielers und dessen Lebenskontext in Beziehung setzen.[42]

Nachfolgend sollen die vier Funktionskreise mit einem jeweiligen Bezug zum Spiel CS erläutert werden.

4.1.2.1 Die sensumotorische Synchronisierung (pragmatischer Funktionskreis)

In diesem Funktionskreis steht der Spieler vor der Aufgabe eigene reale Bewegungsmuster und Wahrnehmungsformen auf die Bewegungs- und Handlungsmöglichkeiten der virtuellen Spielfigur abzustimmen. Die Spielfigur ähnelt hierbei einer Marionette, die vom Spieler geführt wird. In der Regel erfolgt die Steuerung dieser Spielfigur über eine PC-Tastatur in Kombination mit einer PC-Maus oder durch einen „Joystick“. In den letzten Jahren haben sich die Steuerungsmöglichkeiten der Spielfiguren immer mehr an der Realität ausgerichtet. So können mittlerweile Autorennspiele mit einem Lenkrad und zwei Fußpedalen gesteuert werden, die die Authentizität noch verstärken (vgl. Fritz 1995, 29).

Da jede noch so kleine Bewegung der Spielfigur eine Veränderung des Spielgeschehens verursacht, dienen ausschließlich die wahrgenommen Bilder als Rückmeldung für die ausgeführten Bewegungen. Durch Spielübung bilden sich automatisierte Körperbewegungen, die - je nach Anforderung - die virtuelle Marionette entsprechend reagieren lassen. Bei ungeübten Spielern lassen sich häufig mimetische Reaktionen während des Spiels beobachten. So geht ihr Körper beispielsweise bei Autorennspielen in der Kurve mit oder sie springen quasi zusammen mit ihrem virtuellen Vertreter durch die unterschiedlichen Levels (vgl. Fritz 1995, 29). Mit fortschreitender Spielpraxis vergrößern sich die Lernprozesse, so dass der Spieler tiefer in die virtuelle Welt eintauchen und sich auf diese Art und Weise dem Spielziel nähern kann. Ähnlich dem Auto fahren findet eine Erweiterung des eigenen Körperschemas statt. Im sensumotorischen Funktionskreis entsteht im Spieler ein befriedigendes Gefühl, da mit zunehmender Spielübung die Spielfigur immer besser beherrscht wird (vgl. Fritz 1995, 29).

Auf das Spiel CS bezogen steht der Spieler zunächst vor der Aufgabe, sich mit der Steuerung der Spielfigur, die lediglich über fünf Tasten der PC-Tastatur in Kombination mit der PC-Maus erfolgt, vertraut zu machen. Der Spieler lernt zwischen Formen der Bewegung zu unterscheiden (gehen, laufen, hocken, klettern) und diese Bewegungen mit gezieltem Schießen zu verbinden. Bei fortschreitender Spielübung erkennt der Spieler, dass gewisse Bewegungskombinationen für den Spielverlauf von Vorteil sein können. So kann beispielsweise das schnelle Laufen der eigenen Spielfigur von Spielern des gegnerischen Teams gehört werden. Geht die Spielfigur jedoch, so ist dies für die Gegenseite nicht hörbar.

4.1.2.2 Die Bedeutungsübertragung (semantischer Funktionskreis)

Beim semantischen Funktionskreis geht es darum, die „optischen Zeichen“ auf dem Bildschirm so zu deuten, dass auf den Inhalt des Spiels geschlossen werden kann. Im Regelfall rekonstruiert der Spieler in seiner Wahrnehmung das Spiel im Sinne der von den Spieldesignern präferierten Bedeutungsinhalte. In welchen Spielarten sich der Spieler wiederfindet hängt von seinen kulturellen Erfahrungen und moralischen Einstellungen ab. Ziel dieser Bedeutungsübertragung ist eine Identifikation mit dem elektronischen Stellvertreter und damit ein bewusstes Ausfüllen der vorgegebenen Rolle in der virtuellen Welt (vgl. Fritz 1995, 30).

Auf CS übertragen ist es maßgeblich, die zwei verschiedenen Parteien auf dem Bildschirm so zu deuten, dass je nach Zugehörigkeit zwischen Freund und Feind unterschieden werden kann. Gelingt dies nicht besteht die Gefahr des „Friendly Fires“, wodurch dem eigenen Team Schaden zugefügt wird.

4.1.2.3 Die Regelkompetenz (syntaktischer Funktionskreis)

Der syntaktische Funktionskreis weist auf die Notwendigkeit der individuellen Regelakzeptanz durch den Spieler hin. Anders als beim Führen einer Marionette ist er an die Spielregeln gebunden. Indem der Spieler nach und nach die Spielregeln erkennt und lernt, wie er sie für seine Spielzwecke nutzen kann, baut sich bei ihm Spannung auf. Schafft es der Spieler diese Runde zu überstehen? Wird er zu den Besten gehören?

Der syntaktische Funktionskreis erstreckt sich über neun Stufen (vgl. Fritz 1995, 31 ff.):

1. Der Spieler entwickelt aus Sinneseindrücken (Sehen und Hören) Muster.
Hier gilt es in CS die Mitglieder aus dem eigenen Team zu identifizieren. Zudem muss der Gegner sowie dessen Bewaffnung optisch und akustisch wahrgenommen werden.

2. Anhand dieser Muster konstruiert der Spieler die Spielobjekte. Je realistischer die Sinneseindrücke sind, desto leichter funktioniert diese Konstruktion, wodurch sich die von den Spieldesignern programmierte Objektwelt für den Spieler erschließt.

In CS klingt beispielsweise jede Waffe anders. Geübte Spieler können nur durch das Hören einer Waffe rekonstruieren, um welchen Waffentypus es sich handelt und wie weit der Gegner entfernt ist.

3. Der Spieler beobachtet Veränderungen dieser Objekte und misst ihnen bestimmte Eigenschaften zu, z.B., ob sie für ihn nützlich oder gefährlich sind.
Der Spieler in CS lernt zwischen den verschiedenen Waffen zu unterscheiden und kann deren Vor- und Nachteile bestimmen bzw. für seine Zwecke nutzen. So beschleunigt sich z.B. die Geschwindigkeit der Bewegungen, wenn die Spielfigur statt mit einem Gewehr nur mit einem Messer bewaffnet ist.

4. Diese Veränderungen ordnet der Spieler zu Geschehensabläufen und kausalen Zusammenhängen.

Will das eigene Team möglichst schnell an einer strategisch wichtigen Stelle sein, sollten die Spieler keine schweren Waffen tragen, sondern lediglich das Messer.

5. Der Spieler lernt, die Geschehensabläufe einzelner Objekte in Beziehung zueinander zu sehen.

Der CS-Spieler lernt, dass er nur mit dem Messer bewaffnet seine Bewegungen beschleunigen kann, jedoch im Kampf durch die minimale Bewaffnung benachteiligt ist.

6. Aus den verschiedenen Spielerfahrungen entwickelt der Spieler Spielstrategien.
So macht es für den CS- Spieler Sinn neben dem Messer noch eine weitere Waffe mit sich zu führen, um für den Fall des Kampfes gerüstet zu sein.

7. Der nächste Schritt in der Ausgestaltung der Systemkomplexität besteht darin, verschiedene Spiel-Strategien miteinander sinnvoll zu verknüpfen und aufeinander abzustimmen.

Wie bereits erwähnt lebt CS genau von dieser Dynamik. Ein gemeinsamer Überraschungsangriff kann beispielsweise dadurch geplant werden, dass das gegnerische Team mit Hilfe von Blend- und Rauchgranaten abgelenkt wird. Maßgebend für das erfolgreiche Durchführen von Strategien ist die Kommunikation im Team. Nur durch eine im Team abgestimmte Strategie lässt sich in CS der Gegner besiegen.

8. Strategien werden nach bestimmten Kriterien geordnet, wodurch der Spieler in der Lage ist, unterschiedliche Situationen zu meistern.

Strategien müssen der Umgebung angepasst werden. Macht es auf der einen „map“ noch Sinn das Gebäude von einer Seite gemeinsam zu stürmen, so gilt es auf der nächsten „map“ das Team in zwei Einheiten aufzuteilen, die die gegnerische Mannschaft von verschiedenen Seiten angreifen. Auf sich verändernde Gegebenheiten muss durch veränderte Strategien reagiert werden.

9. Die so entwickelten Spielprinzipien können fortan für ähnliche Spiele verwendet werden.

Wer in CS gelernt hat, die Steuerung der Spielfigur und das gezielte Schießen miteinander zu kombinieren, kann diese Fertigkeiten in zahlreichen anderen „FPS“ anwenden.

4.1.2.4 Der Selbstbezug (dynamischer Funktionskreis)

Bei den bisher erläuterten Funktionskreisen werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich die Spieler mit dem Computerspiel „in Beziehung“ (Fritz 1995, 33) setzen. Die Kraft und die Energie, mit der sie dies tun, kann mit Hilfe des dynamischen Funktionskreises erläutert werden (vgl. Fritz 1995, 33). Die „motivationale Kraft“ erwächst dadurch, dass die Thematik des Computerspiels (die Skripte, die Episoden und die einzelnen Szenen) den Lebensbereich des Spielers berühren und in Bezug zu seinem kulturellen Hintergrund und seinen sozialen Rollen gesetzt wird.[43] Der Spieler findet also im Computerspiel vielfältige Anknüpfungspunkte zu seinen eigenen Erfahrungen, Wünschen und Handlungsbereitschaften. Erst wenn der Spieler sich in „seinem“ Spiel „wiederfindet“, kann es für ihn Faszinationskraft erlangen (vgl. Fritz 1995, 34).

Dadurch, dass der Spieler die genannten Aspekte aus dem Spiel herauslöst, die für sein eigenes Leben wichtig sind, wird das Spiel zur „Metapher seines eigenen Lebens“(Fritz 1995, 34).

In CS findet das Miteinanderspielen, der Wettkampf, die klare Unterscheidung von Gut und Böse und das „Sich Ausprobieren“ in einer fiktiven, virtuellen Welt statt, über deren Ein- und Ausstieg der Spieler selbst entscheidet. Dies differenziert die virtuelle Welt von der realen Welt und löst Faszination beim Spieler aus. Es können Grenzen überschritten werden wie das Erschießen des virtuellen Gegners, ohne jedoch die Konsequenzen der realen Welt fürchten zu müssen (vgl. Gieselmann 2003, 52).

Auf der Suche nach den Ursachen für den Amoklauf von Erfurt konnten keinerlei Anzeichen für eine psychische Störung beim Attentäter gefunden werden. Er ist weder Opfer eines Missbrauchs noch Leidtragender grober körperlicher Misshandlung gewesen (vgl. Eisenberg 2002, 39). Hat also das Spielen von CS dazu beigetragen, dass Steinhäuser CS nicht nur als Metapher für sein Leben gesehen hat, sondern die Spielinhalte von der virtuellen in die reale Welt übertragen hat? Die Frage, ob es zu einer Übertragung von virtuellen Elementen ins reale Leben kommen kann soll daher im nächsten Kapitel beleuchtet werden

4.2 Fusion von virtueller und realer Welt?

Besteht beim Spielen von CS durch die Verknüpfung virtueller Spielelemente mit Elementen aus dem Leben des Spielers die Gefahr der Verschmelzung von virtueller Welt und realem Lebensraum?

Kritiker von Computerspielen sehen in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, dass Kinder und Jugendliche durch das Spielen von Computerspielen nicht mehr zwischen virtueller und realer Welt unterscheiden können (vgl. Glogauer 1995, 64).

Ein erster allgemeiner Hinweis zur Bewertung dieser Vermutung kann schon bei Freud gefunden werden:

„Jedes spielende Kind benimmt sich wie ein Dichter, indem es sich eine eigene Welt erschafft oder, richtig gesagt, die Dinge seiner Welt in eine neue, ihm gefällige Ordnung versetzt. Es wäre dann unrecht zu meinen, es nähme diese Welt nicht ernst; im Gegenteil, es nimmt sein Spiel sehr ernst, es verwendet große Affektbeträge darauf. Der Gegensatz zu Spiel ist nicht Ernst, sondern - Wirklichkeit. Das Kind unterscheidet seine Spielwelt sehr wohl, trotz aller Affektbesetzung, von der Wirklichkeit und lehnt seine imaginierten Objekte und Verhältnisse gerne an greifbare und sichtbare Dinge der wirklichen Welt an.“ (Freud 1947, 214)

Aus der Einschätzung Freuds ergibt sich, dass die spielende Person, selbst wenn sie voll und ganz in die virtuelle Welt eingetaucht ist, sehr wohl zwischen virtueller Welt und realer Wirklichkeit unterscheiden kann. Kinder und Jugendliche halten sich beim Computerspielen in einer Zwischenwelt auf (vgl. Gieselmann 2002, 11). Auf der einen Seite existiert die Alltagsrealität, die Dinge aufweist, die Kindern und Jugendlichen zum Teil noch fremd sind, auf der anderen Seite wirkt eine imaginäre Welt, eine Innenwelt des Kindes, gefüllt mit Träumen und Phantasien, die frei von den Normen und Verhaltensmustern der äußeren Welt ist. Nach Freud gehört die Spielwelt also weder klar in die Alltagsrealität noch klar in die Innenwelt. Die Spielwelt ist eine eigene Welt, eine dritte Realität zwischen Alltagswelt und Innenwelt (vgl. Gieselmann 2002, 12).

Erst wenn der Spieler sich im Spiel wiederfindet, entsteht Faszination beim Spielen. Er kann sich jedoch nur wiederfinden, wenn er auf Bekanntes trifft, das ihm so oder so ähnlich bereits in der Außenwelt vertraut ist.[44] Kinder und Jugendliche, die in einer aggressiven Umwelt aufwachsen, finden auch in der „dritten Realität“ (Gieselmann 2002, 12) diese Aggressionen wieder (vgl. Fritz 1995, 34).

Der entscheidende Unterschied zur realen Welt liegt jedoch darin, dass virtuelle Welten von ihren Themen und Handlungsanforderungen her sehr begrenzt sind. Wie im folgenden Kapitel noch weiter auszuführen sein wird geht es in diesen Welten um Macht, Herrschaft und Kontrolle. Gefühle zwischen den Menschen, Vertrauen, Zärtlichkeit, Einsicht in die Motivationen für menschliches Handeln oder gar differenzierte Charakterstrukturen wird man in virtuellen Welten nicht finden.[45]

Verdeutlicht wird die fehlende Empathie auch in dem Vergleich von virtueller und realer Gewalt.[46]

4.3 Grundmuster von Computerspielen: Macht, Herrschaft und Kontrolle

Computerspiele sind nach Mustern aufgebaut, die sich bei genauerer Analyse der einzelnen Genres in nahezu allen Computerspielen wiederfinden lassen. Diese Muster weisen jeweils in der Außenwelt Parallelen auf, wodurch beim Spieler ein Selbstbezug zum Erlebten auf dem Bildschirm stattfindet.

Nachfolgend werden die Grundmuster den Aspekten der Außenwelt gegenübergestellt:

Abbildung 14: Grundmuster von Computerspielen und deren Parallelen zur Außenwelt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(vgl. Fritz 1995, 34)

Bei dem Vergleich gemeinsamer Grundmuster von Computerspielen, lassen sich drei Hauptbestandteile herausarbeiten, die alle einen Hauptfokus aufweisen, nämlich das Ziel, das Bleiberecht in der virtuellen Welt sicherzustellen. Die Mittel für diesen Zweck sind: Macht, Kontrolle und Herrschaft (vgl. Fritz 1995, 34).

Der Macht der Spieleentwickler muss der Computerspieler seine in den Funktionskreisen erworbene Handlungsmacht entgegensetzen, um so das Spiel beherrschen zu können. Nur dadurch, dass sich der Computerspieler selbst reguliert (Wünsche, Gefühle, Kognition, Anspannung, Konzentration) kann er die Kontrolle über das Spiel erhalten. Werden die Einzelziele erreicht setzt, eine Symbiose aus Macht und Kontrolle ein, was zu einem Gefühl von Herrschaft führt. Die Faszination von Computerspielen ist zu einem wesentlichen Teil von dem Zwischenspiel dieser drei Grundmuster abhängig.

Die Angebote der virtuellen Computerwelt werden von Computerspielern als Erweiterung ihrer eigenen Lebenswelt verstanden (vgl. Fritz 2003, 24). Für Kinder und Jugendliche ist die Auseinandersetzung mit Macht, Kontrolle und Herrschaft in der realen Außenwelt mit dem Gefühl verbunden, diesen drei Elementen ausgeliefert zu sein. Die Erwachsenen kontrollieren sie und üben Macht über sie aus: Erwachsene beherrschen Kinder und Jugendliche. In der virtuellen Computerwelt ist es jedoch anders. Hier können die Minderjährigen die Rolle des Herrschers einnehmen. Zwar nutzen Computerspieler die Spiele auch als Mittel gegen Langeweile und mangelnde Anregung in ihrer Lebenswelt. Im wesentlichen dienen die Spiele jedoch der „Selbstmedikation“ (Fritz 1995, 38) gegen Misserfolgsängste, mangelnde Lebenszuversicht und gegen das Gefühl, ihr eigenes Leben nicht beherrschen und kontrollieren zu können.

Die virtuelle Computerwelt bietet also einen Raum, in dem sich Kinder und Jugendliche ausprobieren können. Die Grenzen der Außenwelt gelten hier nur bedingt, und sie haben in dieser Welt die Möglichkeit in die Rolle eines Erwachsenen zu schlüpfen, allerdings mit der Option, diese Welt jederzeit wieder verlassen zu können.

4.4 Regelkreis der strukturellen Kopplung

Der Regelkreis der strukturellen Kopplung fasst die bisherigen Forschungsergebnisse zusammen. Nachfolgendes, leicht verändertes Schaubild zeigt den Regelkreis der strukturellen Kopplung:

Abbildung 15: Regelkreis der strukturellen Kopplung nach Fritz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(vgl. Fritz 1995, 37)

Dem Modell ist zu entnehmen, dass dem Motivierungspotential der Computerspiele (das Angebot) die Erwartungshaltung des Spielers mit seiner Persönlichkeit und seinen Lebenskontexten gegenübersteht. Angebot und Erwartungen werden durch die vier miteinander verwobenen Funktionskreise gekoppelt, die sowohl die Leistungsanforderungen enthalten als auch über den Selbstbezug auf die Faszinationskraft des Computerspiels einwirken. Beim Spieler wird dann Faszination ausgelöst, wenn Spielsymbole, Spielregeln und Spieldynamiken zur Metapher für das eigene Leben werden. Wenn also Computerspiele faszinierend wirken, so bedeutet dies, dass sie etwas im Menschen angesprochen oder bestätigt haben, das für sein reales Leben von Bedeutung ist.

Verbindungsglied zwischen der virtuellen und der realen Welt der Spieler ist das Motiv von Macht, Herrschaft und Kontrolle (vgl. Fritz 1995, 36).

Inwiefern speziell gewalthaltige Computerspiele Faszination beim Spieler auslösen, soll im anschließenden Kapitel vorgestellt werden.

4.5 Warum faszinieren gewalthaltige Computerspiele?

Nach Hoffmann lässt sich die Faszination von Gewaltdarstellung in drei Dimensionen unterteilen (vgl. Hoffmann 2000, 121):

Physiologisch

Die Dramaturgie von Gewaltdarstellungen befriedigt das Bedürfnis nach angenehmer und scheinbar folgenloser Aufregung allein durch die Form der Darstellung. Dies hat Ähnlichkeiten mit dem Konsum pornographischer Angebote, bei denen nicht die Notwendigkeit besteht, den Gehalt zu verstehen, um das Gefühl der „Lust“ zu befriedigen.

Emotional

Mediengewalt hat eine Stellvertreterfunktion. Man kann sich beim Betrachten oder Spielen gewalthaltiger Medien mit dem Sieger identifizieren und Abenteuer erleben, die in der Realität unmöglich oder sehr riskant wären.

Kognitiv

Man sucht Orientierung und Informationen über eine unüber- und undurchschaubar gewordene Welt.

Auf die Frager, welche Faszination von den gewalthaltigen Elementen in Computerspielen ausgeht und was den daraus resultierenden Verkaufserfolg gewalthaltiger Spiele erklärt, nennen Fritz und Fehr (2003, 53 ff.) fünf Gründe:

1. Spielerische Gewalt vertreibt Langeweile; sie ist spannend und erfordert stetige Aufmerksamkeit.
2. Mit spielerischer Gewalt können Macht, Herrschaft und Kontrolle ausgeübt werden.
3. Der Spieler ist in der Realität gesellschaftlicher Gewalt ohnmächtig ausgesetzt und kann mit Hilfe von spielerischer Gewalt sich selbst in eine aktive und kontrollierende Position versetzen.
4. Gewalt im Spiel besitzt eine konsumierbare Warenform; sie ist ästhetisiert und erhöht die Erlebnisdichte.
5. Gewalt im Videospiel ist frei von Moral und Empathie, da sie sich gegen virtuelle, computergesteuerte Gegner richtet, die nicht lebendig sind.

Forschungen, die die Motive für das Computerspielen untersuchen, gehen davon aus, dass Langeweile der wesentliche Anlass ist, warum Kinder und Jugendliche sich in virtuelle Welten begeben. Das Computerspielen führe zu einer Steigerung des Erregungsniveaus, die von den Spielern als angenehm empfunden wird (vgl. Fritz/Fehr 2003, 53). Durch die in den vier Funktionskreisen beschriebenen Wirkungen werden die Vorraussetzungen und die Motivation hierfür geschaffen.[47] Die schematischen Spielabläufe und die ständige Wiederkehr des immer Gleichen führen jedoch dazu, dass das Erregungsniveau nach einiger Zeit wieder absinkt. Die Bedrohung durch virtuelle Gewalt kann das Absinken des Erregungsniveaus zwar begrenzen, jedoch nicht verhindern (vgl. Fritz/Fehr 2003, 54). Anders verhält es sich, wenn - wie in Netzwerkspielen - der virtuelle Gegner durch einen realen Menschen gesteuert wird.[48] Die gewalthaltigen Elemente der virtuellen Welt sind für die Spieler zum Teil bekannte Elemente des wirklichen Lebens.

Kinder und Jugendliche wachsen in einer gewalthaltigen Welt auf. Krieg, kriegerisches Handeln und Gewalt werden täglich durch das Fernsehen in die Wohn- und Schlafzimmer von Kindern und Jugendlichen übertragen. Jedoch bleiben sie hinter dem Bildschirm steril verpackt, wodurch sie für Kinder den Charakter eines gewalthaltigen Computerspiels haben (vgl. Wiemken 2001, 73).

Während Kinder der realen Gewalt in Form von Krieg, Terrorismus, familiärer Gewalt und ähnlichem ohnmächtig ausgesetzt sind, können sie in Computerspielen selbst aktiv werden und den Verlauf des Spiels so kontrollieren und steuern, u.a. durch spielerische Gewaltausübung. Macht und Herrschaft, zwei Dinge, die sonst nur Elemente in der Welt der Erwachsenen sind, können so auch von Kindern ausgeübt werden (vgl. Fritz/Fehr 2003, 56). Jedoch entwickelt nur eine akzeptable Gewaltpräsentation eine ausreichende Faszinationskraft. Die Präsentation der virtuellen Gewalt muss auf der einen Seite Aspekte aus der realen Welt aufnehmen um die Erlebnisdichte zu erhöhen, auf der anderen Seite jedoch die Gewalt so ästhetisieren, dass sie nicht abstoßend wirkt. Die nackte Darstellung der Gewalt wäre unerträglich und damit nicht attraktiv (vgl. Fritz/Fehr 2003, 55).

Während die Differenzierung zwischen realer und virtueller Gewalt für Kinder möglich ist, stehen sie innerhalb der Familie anderen Problemen entgegen, die in der virtuellen Welt nicht existieren. Das Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen wird durch zahlreiche Widersprüche begleitet. Einerseits versichern beispielsweise die Eltern ihrem Kind ihre Liebe, andererseits handeln sie so, dass bei Kindern der Eindruck entstehen kann, sie würden von ihnen abgelehnt. Der Grund hierfür ist, dass Eltern und Kinder zum Teil unterschiedliche Interessen haben. Durch die Vermischung dieser beiden Seiten werden Kinder irritiert. Kinder fordern Eindeutigkeit, die ihnen in Gewaltcomputerspielen geboten wird. Für sie gibt es häufig nur Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse. Der virtuelle Gegner bietet keine Möglichkeit zur Kommunikation, um eine befriedigende Situation auszuhandeln. Es gilt zu reagieren, nicht zu diskutieren (vgl. Wiemken 2001, 72).

5 Zusammenfassung der Ergebnisse aus Teil A

Das Medium Computer mit seinen zahlreichen Facetten ist zu einem festen Bestandteil der „Generation @“ geworden. Computerspiele haben sich zu einer wichtigen, wenn auch nicht der wichtigsten Freizeitaktivität von Kindern und Jugendlichen entwickelt (vgl. Teil A, Kap.1.2). In diesem Zusammenhang machen die aufgezeigten Forschungsergebnisse deutlich, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen den Schritt in die virtuelle Welt vollziehen können. Die Nutzung des Computers, insbesondere des Internets, für Netzwerkspiele ist nach wie vor ein männliches Phänomen, das zudem stark vom Bildungsniveau der Kinder und Jugendlichen abhängig ist und insofern die Gefahr einer „digitalen Spaltung“ der Jugend in sich birgt (vgl. Teil A, Kap. 1.2.1). Mit dem vergrößerten Angebot an Computern und Videospielen rückte die Frage nach der Wirkung derartiger Spiele, im Speziellen der aggressionshaltigen Computerspiele, in den Vordergrund.

In Anlehnung an die Wirkungsforschung über Gewalt in Videos und Fernsehen haben sich zwei Forschungsrichtungen zur Wirkung aggressionshaltiger Computerspiele etabliert: Die „klassische“ Wirkungsforschung steht in der Tradition der Wirkungsforschung zu Gewalt in Videos und Fernsehen und weist durch unadäquate Forschungsansätze in entscheidenden Bereichen Defizite auf (vgl. Teil A, Kap. 3.5). Bis heute konnte empirisch nicht eindeutig belegt werden, dass aggressionshaltige Computerspiele direkte Auswirkungen auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen haben bzw. dass durch das Spielen dieser aggressionshaltigen Programme aggressives Verhalten bei den Spielern ausgelöst wird.

Die Medienbewirkungsforschung löst sich von der klassischen Sichtweise und versucht ausgehend von der oben genannten Einschätzung, dass der eindeutige Beleg für direkte Auswirkungen aggressionshaltiger Computerspiele auf Kinder und Jugendliche fehlt, eine Antwort auf die Frage zu finden, aus welchen Motiven heraus Kinder und Jugendliche von gewalthaltigen Computerspielen fasziniert sind. Es wird dabei geklärt, wie Kinder und Jugendliche Zugang zu den virtuellen Welten erlangen und warum sie sich von dieser fiktiven Welt angesprochen fühlen. Für diesen Forschungsansatz ist das entscheidende Motiv die Suche nach Macht, Herrschaft und Kontrolle und nicht die gewalthaltige Auseinandersetzung mit den virtuellen Gegnern (vgl. Teil A, Kap. 4.3). Demnach können Kinder und Jugendliche zwischen virtueller und realer Welt differenzieren, weshalb eine direkte Auswirkung der gespielten Handlungen auf das reale Leben nicht zu erwarten ist (vgl. Teil A, Kap. 4.2).

Am Beispiel von CS wurde ein Spiel mit aggressionshaltigen Elementen vorgestellt und deutlich gemacht, wie sich die Theorie der Medienbewirkungsforschung in der Praxis bewähren kann. Insbesondere in Kapitel 2 von Teil A wurde festgestellt, dass CS-Spieler nicht den „Cyber-Space“ aufsuchen, um dort aggressives Verhalten auszuleben oder gar erlernen zu können, sondern um mit anderen Jugendlichen zusammen zu spielen. Gerade diese soziale Komponente ist der Ansatzpunkt der nachfolgenden empirischen Untersuchung und begründet eine Herangehensweise im Sinne der Medienbewirkungsforschung, dessen Forschungsansätze sich diese Arbeit zu eigen macht, um sowohl die Motivationslage der Benutzer des Spiels CS, als auch die Auswirkungen des Spiels auf die soziale Kompetenz der CS-Spieler näher beleuchten zu können.

Teil B: Empirische Studien zur Bewertung und Einordnung des gewalthaltigen Computerspiels „Counterstrike“

1 Quantitative empirische Untersuchung: Warum spielen Kinder und Jugendliche „Counterstrike“?

Die einleitend dargestellte Fragestellung nach den Motiven für das Spielen von aggressionshaltigen Computerspielen soll nun am Beispiel von Spielerfahrungen mit dem Computerspiel CS empirisch untersucht werden. Hierbei geht es in erster Linie um Verifizierung oder Falsifizierung der Forschungshypothese, dass nicht die aggressiven Elemente in CS das Hauptmotiv für das Spielen von CS sind, sondern der Teamgedanke des Spiels. Ebenso geht es um die Überprüfung und Ergänzung der bisher in der Forschung ermittelten Erkenntnisse zur Motivlage beim Spielen aggressionshaltiger Computerspiele.

1.1 Grundlage der Untersuchung

Wenn man die in Teil A, Kapitel 5 aufgeführten Forschungsergebnisse auf die Spielbedingungen von CS überträgt, lassen sich hieraus fünf Hypothesen ableiten, die die Grundlage der nachfolgenden Untersuchung bilden. Für die Fragestellung dieser Arbeit sollte der vierten und der fünften Hypothese besondere Beachtung geschenkt werden:

1. CS-Spieler sind in erster Linie männlich, verfügen über einen hohen Bildungsgrad und sind auch jenseits der Altersgrenze der „Generation @“ zu finden.
2. CS-Spieler gehören zu den Gewinnern der „digitalen Spaltung“, das heißt, sie verfügen über gute Zugangsmöglichkeiten zur medialen Welt und nutzen die Medien entsprechend intensiv.
3. CS-Spieler sind keine „CS-Junkies“, die ihre Teilhabe an der medialen Welt allein zum exzessiven Spielen von CS nutzen. Für die Spieler ist CS eine teilweise wichtige, aber bei weitem nicht einzige und zumeist nicht dominante Freizeitaktivität.
4. CS-Spieler spielen in erster Linie nicht auf Grund der aggressiven Elemente von CS, sondern weil sie sich mit dem Spielprinzip, insbesondere dem Teamgedanken des Spiels identifizieren.
5. Dem Identifizierungsmuster folgend bedeutet das Spielen von CS, sich in einem sozialen Kontext aufzuhalten, zu dem auch die Organisation in Clans und die Teilnahme an LANs gehört. Folgerichtig hat das Spielen von CS positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten der Spieler.

1.2 Operationalisierung der Forschungshypothesen

Die Überprüfung der fünf Hypothesen geschieht mit Hilfe einer Umfrage. Aus zwei Gründen ist eine quantitative Forschungsmethode in Form einer Online-Umfrage unter CS-Spielern gewählt worden: Zum einen orientiert sich diese Form der Umfrage am Freizeitverhalten der Spieler, das in Teil A, Kapitel 1.2 beschrieben wurde. Zum anderen besteht so die Möglichkeit eine breite Masse von CS-Spielern in ganz Deutschland zu erreichen.

Die Operationalisierung der Umfrage erfolgt durch Fragen, die in drei Inhaltsfelder aufgeteilt sind:

Im ersten Inhaltsfeld („ Wer spielt CS?“) werden das Alter, das Geschlecht, der momentane (Berufs-) Status (Schüler / Student / berufliche Situation) und die Freizeitaktivitäten der Spieler erfasst.

Im zweiten Inhaltsfeld („ Der Computer – mein bester Freund?“) wird die Nutzungsintensivität des Computers, die Art des Online-Zugangs, die Verweildauer im Internet und der zeitliche Umfang des CS-Spielens ermittelt.

Im dritten Inhaltsfeld („Motivation für und soziale Bedeutung von CS“) soll zum einen die Motivation für das Spielen von CS transparent gemacht werden, was zum anderen auf die soziale Bedeutung von CS für die Spieler schließen lassen kann.

Die drei Inhaltsfelder bilden die Grundstruktur der Umfrage und bestehen jeweils aus 4 bis 6 Fragen. Die insgesamt 15 Fragen konnten durch Markierung von Auswahlfeldern (MA), Wahl vorgegebener Antwortmöglichkeiten mit Hilfe einer Laufleistentaste (VA) und Verfassen eigener Kommentare (EK) beantwortet werden, was nachfolgende Tabelle dokumentiert[49]:

Das erste Inhaltsfeld: „Wer spielt CS?“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das zweite Inhaltsfeld: „Der Computer – mein bester Freund?“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das dritte Inhaltsfeld: „Motivation für und soziale Bedeutung von CS“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.3 Beschreibung des Untersuchungsfeldes

Ziel der Online-Umfrage war es eine möglichst hohe Anzahl von CS-Spielern aus ganz Deutschland zu erreichen, ohne dass bestimmte Altersklassen, unterschiedliche Bildungsniveaus, ein Geschlecht oder andere spezielle Personengruppen automatisch von der Umfrage ausgeschlossen waren.

Aus diesem Grund wurde versucht eine Multiplikator-Plattform zu finden, die eine möglichst große Anzahl an unterschiedlichen CS-Spielern die Teilnahme an der Umfrage ermöglicht. Diese Kriterien erfüllt die Internetpräsentation des Unternehmens 4Players GmbH, das für die Inhalte der wohl bekanntesten deutschen CS-Seite[50] verantwortlich ist. Auf Bitte des Verfassers veröffentlichte die Redaktion am 11.02.04 einen Aufruf an die Besucher der Seite sich an der Umfrage zu beteiligen.[51] Über einen gesetzten Link konnten die Besucher der Counterstrike.de-Seite mit einem Mausklick zu der Homepage des Verfassers gelangen, auf der die Umfrage veröffentlicht wurde.

Innerhalb eines Monats, zwischen dem 11.02.04 und dem 11.03.04, erfolgten 2.312 Rückmeldungen. Aufgrund dieser großen Zahl an Rückläufen, - der die für die Diplomarbeit begrenzte Zeit gegenüberstand, wurden lediglich 500 Rückläufer zufällig entnommen und ausgewertet. Von diesen 500 Bögen wurden nach einer formalen Sichtung zwei Bögen als nicht verwertbar aussortiert. Diese zwei Bögen wurden durch zwei wiederum zufällig entnommene und formal korrekt ausgefüllte Bögen ersetzt, so dass eine Grundbasis von 500 verwertbaren Bögen zur Verfügung stand. Neben den Rückläufen der Fragebögen erreichten mich zahlreiche E-Mails der Teilnehmer, von denen hier zwei exemplarisch vorgestellt werden:

Hi Stefan!

Also, ich wollte dir nur sagen, dass du meinen ausgefüllten Fragebogen
von mir aus veröffentlichen kannst...fände ich sogar gut :)
Zeig den Leuten endlich, dass wir Gamer (nicht nur Counter-Strike) keine
Verbrecher sind, sondern Sportler und gute Freunde.
mfg Thomas M.

Sehr geehrter Herr Gesmann,

ich habe an Ihrer Umfrage teilgenommen und bin ganz begeistert von dem Grundgedanken Ihrer Idee eine Umfrage bei den Counterstrike-Spielern zu starten. Da ich selbst aktiv Counterstrike spiele, erwarte ich voller Spannung das Ergebnis Ihrer Diplomarbeit und, um Sie etwas zu unterstützen, habe ich einfach Ihre Umfrage auf der Homepage meines Clans (www.omclan.de) gelinkt. Ich hoffe diese Entscheidung war in Ihrem Sinne. Falls dem nicht so ist, bitte ich Sie mir zurück zu schreiben, dann werde ich dies umgehend rückgängig machen.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias T.

Diese zwei E-Mails stehen repräsentativ für die positiven Rückmeldung, die von Seiten der „CS-Community“ bezüglich dieser Umfrage zu registrieren war. Besonders beeindruckend waren die Aufrufe zur zahlreichen Teilnahme an der Umfrage, die innerhalb der Spieler-Szene kursierten. Beispielhaft hierfür findet sich im Anhang ein Bildausschnitt des Old-Men Clan (OMClan), der auf seiner Internetpräsenz zur Teilnahme an der Umfrage aufgerufen hat (vgl. Anhang, A2).

Diese Reaktionen zeigen, dass auch innerhalb der CS-Community ein reges Interesse für eine wissenschaftliche Analyse des Spielens von CS und seiner gesellschaftlichen Auswirkungen besteht.

1.4 Ergebnisse der Befragung

1. Wer spielt CS?

Ähnlich den Ergebnissen der JIM-Studie 2002 (vgl. Teil A, Kap. 1.2) hinsichtlich der Geschlechterverteilung bei Netzspielen ist das Resultat dieser Umfrage. Lediglich zwölf der 500 ausgewerteten Fragebögen sind von Mädchen bzw. Frauen ausgefüllt worden, was die Vermutung bekräftigt, dass CS ein männliches Phänomen ist.

Bei Betrachtung der Altersverteilung kann festgestellt werden, dass CS in erster Linie ein Spiel der „Generation @“ ist. Folgende Grafik soll dies verdeutlichen:

Abbildung 16: Altersverteilung der Umfrageteilnehmer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Entsprechend der bisherigen Erfahrungen ist der größte Teil der Befragten im Alter zwischen 16 und 25 Jahren. Auffällig ist an dieser Stelle, dass selbst ca. 14 Prozent der Kinder im Alter von 10 bis 15 Jahren bekennende CS Spieler sind, obwohl das Spiel erst ab 16 Jahren freigegeben ist (vgl. Teil A, Kap. 2.3). Zudem wird deutlich, dass CS auch von Personen gespielt wird, die außerhalb der „Generation @“ liegen. Eine genauere Analyse des Datenmaterials verdeutlicht, dass ca. 6 Prozent der Spieler über 29 Jahre alt ist.

CS ist zudem nicht der alleinige private Lebensinhalt der befragten CS-Spieler. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass neben dem Spielen von CS sonstige Freizeitaktivitäten einen hohen Stellenwert für CS-Spieler haben. So geben über die Hälfte der Spieler an, Sport zu treiben (56,2 Prozent), sich regelmäßig mit Freunden zu treffen und auf Partys zu gehen (54,4 Prozent), wohin gegen nur ca. 13 Prozent konsumatorische Tätigkeiten wie ins Kino gehen oder Fernsehen gucken als Hobbys angeben. Das Bild des isolierten Computerspielers, der abgekapselt vom sonstigen Leben sich nur seinem PC-Spiel widmet, kann hiermit revidiert werden.

Bei Betrachtung des aktuellen Status (Schüler / Studierende / Beruf) stellt sich heraus, dass knapp über die Hälfte (51,8 Prozent) der Teilnehmer noch Schüler sind; reichlich ein Drittel der Probanden (38,4 Prozent) arbeiten bereits in ihrem Beruf, knapp ein Zehntel (9,8 Prozent) geben an, momentan im Studium zu sein. Interessant ist hier eine genauere Betrachtung der besuchten Schulformen, was folgende Grafik thematisiert:

Abbildung 17: Schulformen der Umfrageteilnehmer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es zeigen sich Parallelen zu den Ergebnissen aus Teil A, Kapitel 1.2.1, wonach vor allem Kinder und Jugendliche mit höherem Bildungsniveau zu den „Internet-Erfahrenen“ gehören. Auch CS scheint in erster Linie von Kindern und Jugendlichen mit höherem Bildungsniveau gespielt zu werden. Über die Hälfte der CS-Spieler besuchen ein Gymnasium, wohin gegen ein geringerer Anteil der Spieler Hauptschüler sind. Ob die Gründe hierfür in mangelnder Hardewareausstattung oder einem Desinteresse an CS von Seiten der Hauptschüler zu finden ist, konnte in dieser Umfrage nicht geklärt werden.

2. Der Computer – mein bester Freund?

Die Ausstattung mit Breitbandverbindungen (DSL) hat in Deutschland in den letzten Jahren stark zugenommen. Dass der Ausbau dieser leistungsstarken Internetverbindung auch die Kinder und Jugendlichen erreicht hat, wird bei der Auswertung der Umfrage deutlich. So verfügt der größte Teil der CS-Spieler über einen DSL-Anschluss (88,3 Prozent), etwa jeder Zehnte (8,9 Prozent) nutzt ISDN und lediglich ein sehr geringer Teil der Spieler wählt sich analog über ein Modem ins Internet ein (2,7 Prozent). Nimmt man das Bild der „digitalen Spaltung“ an dieser Stelle noch einmal auf, so würden die CS-Spieler dementsprechend zu der gewinnenden Seite dieser Spaltung gehören. Sie verfügen über einen eigenen PC und sind überdurchschnittlich gut an das Internet angebunden. Dementsprechend häufig wird der PC und das Internet verwendet. Die folgende Grafik gibt einen Überblick über die Zeit, die Kinder und Jugendliche pro Woche am PC verbringen:

Abbildung 18: Verbrachte Stunden am PC pro Woche
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Fasst man die letzten beiden Säulen (20-25 Std. und über 25 Std.) zusammen, so verbringen über die Hälfte der Spieler mehr als 20 Stunden pro Woche am Computer, was einer täglichen PC-Präsens von durchschnittlich fast drei Stunden entspricht.

Um die Frage zu beantworten, welchen Stellenwert die Nutzung des Internets, im Speziellen das Spielen von CS hat, werden in den beiden nachfolgenden Abbildungen die „Online-Kosten“ und die wöchentliche Zeit, die Kinder und Jugendliche mit dem Spielen von CS verbringen, analysiert:

Abbildung 19: Onlinekosten pro Monat

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hinsichtlich der „Online-Kosten“ pro Monat kann man die CS-Spieler in drei Gruppen unterteilen: Zunächst die Personengruppe, die bis zu 20€ im Monat für Onlinekosten zahlt (insgesamt 18,2 Prozent). Die zweite Gruppe bilden die Spieler, die 20 bis 30€ pro Monat für ihre Online-verbrachte Zeit zahlen müssen (insgesamt 33,6 Prozent). Die dritte und größte Gruppe gibt mehr als 30€ pro Monat für die Nutzung des Internets aus (insgesamt 48,2 Prozent). In der letzten Gruppe ist der Anteil der Personen, die sogar mehr als 40€ pro Monat bezahlen, besonders auffallend.

Auf Grund der hohen Dichte von DSL-Anschlüssen innerhalb der CS-Spielerschaft und der gleichzeitig großen Anzahl von Spielern, die über 40€ pro Monat zur Nutzung des Internets zahlen, ist davon auszugehen, dass es sich bei dieser letzten Gruppe von CS-Spielern um Personen handelt, die über eine sogenannte „Flaterate“ verfügen. Das heißt, sie zahlen einen pauschalen Betrag pro Monat und können so durchgehend „online“ sein.[52]

Trotz des nicht unerheblichen Betrags von über 40€ sind fast ein Drittel der CS-Spieler bereit dieses Geld für ihr Hobby zu zahlen. Dementsprechend kann auch eine hohe Verweildauer der CS-Spieler im Internet abgeleitet werden, woran erkennbar ist, welchen Stellwert das Internet bei den befragten CS-Spielern hat.

Die naheliegende Vermutung, dass CS-Spieler so viel Zeit am Computer und im Internet verbringen, weil sie dementsprechend viel CS spielen, kann mit Hilfe des nächsten Schaubild problematisiert werden.

Abbildung 20: Stunden pro Woche, die CS gespielt wird

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mehr als ein Viertel der Spieler verbringt maximal drei Stunden pro Woche mit dem Spielen von CS. Über die Hälfte der CS-Spieler (50,6 Prozent) ist zwischen drei und zwölf Stunden pro Woche mit dem Spielen von CS beschäftigt. Und nur weniger als ein Viertel der Spieler (insgesamt 22,2 Prozent) spielt mehr als zwölf Stunden pro Woche CS. Auffällig ist auch, dass es keine Person gibt, die mehr als 20 Stunden pro Woche CS spielt.

Die Grafik verdeutlicht, dass die aufgeführte Vermutung, CS-Spieler verbringen deshalb soviel Zeit am PC und im Internet, weil sie CS spielen, nicht haltbar ist.

Auf Grund der bisherigen Daten kann die Gefahr einer Isolierung der Computerspieler von der Außenwelt zwar nicht widerlegt werden (schließlich verbringen 42 Prozent der Umfrageteilnehmer mehr als 25 Stunden pro Woche generell am Computer), jedoch ist der Grund für die lange Verweildauer der Befragten am PC und im Internet nicht im exzessiven Spielen von CS zu finden. Die Ergebnisse der JIM-Studie (vgl. JIM-Studie 2002, 32) bestätigen die starke Nutzung der PCs durch Jugendliche, insbesondere des Internets, welches sich als ein neues Freizeitmedium für diese Generation etabliert hat. Gleichzeitig bietet die JIM-Studie eine Erklärung für die lange Verweildauer der Jugendlichen im Internet. Die Studie verdeutlicht, dass das Internet in erster Linie ein Informations- und Kommunikationsmedium für Heranwachsende darstellt, da die Mehrzahl der in der JIM-Studie befragten Jugendlichen angaben, überwiegend E-Mails zu schreiben, Informationen für die Schule zu suchen und Freunde im „Chatroom“ zu treffen, während sie im Internet seien (vgl. JIM-Studie 2002, 47).

Somit lässt sich zusammenfassen: Bei der Nutzung des Internets steht die Kommunikation mit anderen Menschen im Vordergrund, was ein zusätzlicher Hinweis ist, dass eine mögliche Vereinsamung der Jugendlichen von Kritikern zu Unrecht befürchtet wird. Neben der Gefahr der Vereinsamung durch das Spielen von Computerspielen steht in erster Linie die Frage nach den möglichen Auswirkungen besonders der aggressionshaltigen Computerspiele im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Jedoch zeigen die Ergebnisse der Wirkungsforschung, dass eindeutige Aussagen auf diese Frage nicht gegeben werden können (vgl. Teil A, Kap. 3.5).

Wie im angesprochenen Kapitel erwähnt, ist ein gravierendes Problem der Wirkungsforschung zu aggressionshaltigen Computerspielen der Blickwinkel, mit dem diese Spiele betrachtet und bewertet werden. Daher liegt dem nachfolgenden Ergebniskapitel ein anderer Forschungsansatz zugrunde.

3. Motive für und soziale Bedeutung von CS

Um Hinweise zur Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen von Computerspielen zu erhalten, basieren nachfolgende Ergebnisse auf Ansätzen der Medienbewirkungsforschung. Denn die zentrale Überlegung bei der Konzeption der Umfrage war nicht, weitere Hinweise über die Auswirkungen von aggressionshaltigen Computerspielen zu erhalten, sondern die Motivlage der Teilnehmer zum Spielen von CS zu erfahren, d.h., direkt nach Gründen zu fragen, warum sie CS spielen. An dieser Stelle sei noch einmal an die Aussage von Fritz erinnert, der der Wirkungsfrage beim Gebrauch von Medien die Frage nach deren Anziehungskraft vorausstellt (vgl. Fritz/Fehr 2003, 53).

Die folgende Abbildung spiegelt die Antworten der Teilnehmer auf diese Frage wider. Es ist jedoch zu beachten, dass die Probanden Mehrfachantworten geben konnten, was die hohen Prozentzahlen erklärt

Abbildung 21: Motive für das Spielen von CS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die dargestellten Daten legen den Schluss nahe, dass das wichtigste Motiv, CS zu spielen, der Teamgedanke des Spiels ist. Die Möglichkeit, im Team miteinander zu kommunizieren und das gemeinsam Ziel, den Gewinn der Spielrunde zu erreichen, wird von den Umfrageteilnehmern am häufigsten genannt. An zweiter Stelle steht die Möglichkeit gemeinsam mit Freunden CS zu spielen. Statt im Jugendheim trifft man sich in virtuellen Räumen und spielt dort gemeinsam. Das Grundelement des „miteinander Spielens“ hat sich also nicht verändert, es erfolgt lediglich eine räumliche Verlagerung.

Für mehr als ein Viertel der Befragten ist die Realitätsnähe des Spiels wichtig. Nach den Ergebnissen aus Teil A, Kapitel 2.4 muss dies jedoch nicht bedeuten, dass eine Übertragung der zwar realistisch wirkenden, aber letztlich virtuellen Elemente in CS - zum Beispiel die Waffen - in die reale Welt stattfindet. Macht, Herrschaft und Kontrolle, so belegt die Medienbewirkungsforschung, sind die elementaren Gründe, warum Kinder und Jugendliche Computerspiele spielen. Diese Gefühlskombination verstärkt sich, wenn die virtuelle Welt Parallelen zur realen Welt zeigt. In CS findet dies durch eine realistische Umgebung, menschenähnliche Spielfiguren und detailgenaue Waffen statt. Kinder und Jugendliche bestimmen in CS gemeinsam den Spielverlauf, sind dementsprechend auch gemeinsam für den Erfolg bzw. Misserfolg der Spielrunde verantwortlich und haben so die Möglichkeit in der virtuellen Welt ein selbstbestimmtes virtuelles Leben zu führen, dass außerhalb der Regelwelt der Erwachsenen liegt.

Nichtsdestotrotz wird dieser „regelfreie Raum“ nicht ausgenutzt. In Teil A, Kapitel 1.3.2.7 wurde bereits am Beispiel des „cheaten“ deutlich, dass Kinder und Jugendliche sich selbst ihre eigenen Regeln setzen. Die Grafik zur Motivlage der Spieler verdeutlicht, dass die Teilnehmer der Umfrage nur begrenzt in die virtuelle Welt eintauchen um sich abzureagieren. Ein Grund hierfür ist sicherlich die Tatsache, dass simples Abreagieren nicht mit der Spielphilosophie von CS und mit dem durch die Spieler selbst erstellten Regelwerk kompatibel ist.

Eine solche Interpretation kann mit Hilfe einer Binnendifferenzierung des Motivs „Abreagieren“ gestützt werden. Unter zwei Aspekten wurde die Personengruppe untersucht, die das genannte Motiv angegeben hat: Zum einen unter dem Aspekt des Alters. Hierbei stellte sich heraus, dass keinerlei Signifikanz zwischen dem Alter der CS-Spieler und dem Motiv des „Abreagierens“ festzustellen ist. Die Altersspannweite der Teilnehmer, die „Abreagieren“ als Motiv angaben, ist von 16 bis über 40 Jahren gleichmäßig verteilt. Zum anderen wurde eine Abhängigkeit gegenüber dem Aspekt der Schulform untersucht, wobei jedoch auch keine aussagekräftige Verbindung feststellbar war. Diejenigen, die „Abreagieren“ angaben, verteilen sich auf alle Schulformen und sind auch bei den Berufstätigen und den Studierenden vorzufinden. Eine pauschale Aussage etwa, dass nur Haupt – oder Realschüler das Spiel zum Abreagieren nutzen, kann nicht nachgewiesen werden.

Es kristallisiert sich im zunehmenden Maße heraus, dass die soziale Komponente in Form des Teamgedankens, somit das Miteinander Spielen, ein wichtiger, aber bisher in der Wirkungsforschung vernachlässigter Grund für das Spielen von CS ist. Diese These soll nachfolgend weitergehend untersucht werden.

Das Spielen von CS bedeutet mit anderen zu spielen. Bereits in Teil A, Kapitel 1.3.2 wurde der Stellenwert von Clans und Netzwerkpartys für Kinder und Jugendliche herausgestellt. Die Ergebnisse der Umfrage belegen, dass das Spielen von CS in erster Linie ein Spielen im Clan bedeutet. Zwei Drittel der Umfrageteilnehmer sind Clanmitglieder (67 Prozent), nur ein Drittel gab an, nicht in einem Clan zu spielen (33 Prozent). Um zu überprüfen, ob die Mitgliedschaft in einem Clan mit persönlichen Beziehungen zu Clanmitgliedern gleichzusetzen ist, wurde gefragt, wie viele Mitglieder innerhalb des Clans auch persönlich bekannt sind. Folgende Grafik gibt Aufschluss über die Antworten:

Abbildung 22: Persönliche Kontakte im Clan

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es wird deutlich, dass sich bei dieser Frage die Gruppe der Clanmitglieder in zwei Parteien aufspaltet: Zum einen die Personen Gruppe, die entweder Niemanden oder nur wenige Mitglieder persönlich kennt (insgesamt 53,4 Prozent) und zum anderen diejenigen, die mit gut der Hälfte bzw. mit fast allen Mitgliedern persönlichen Kontakt pflegt (insgesamt 46,6 Prozent). Mitgliedschaft in einem Clan ist also nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit persönlicher und damit realer Begegnung der Clanteilnehmer. Im Gegensatz zur Mitgliedschaft in einem konventionellen Verein, in dem sich die Mitglieder alle mehr oder weniger gut persönlich kennen, bietet die Mitgliedschaft in einem Clan zum einen eine verbindliche Form des Miteinander Spielens, zum anderen jedoch die gleichzeitige Möglichkeit anonym zu bleiben.

In Gesprächen mit CS-Spielern wurde diese Spaltung innerhalb des Clans ebenfalls deutlich. Einige Clanmitglieder kannten sich bereits persönlich, bevor sie sich zu einem Clan zusammenschlossen; sie gingen beispielsweise in die gleiche Klasse oder spielten im gleichen Verein Fußball. Das gemeinsame Interesse an CS und die schon bestehende Freundschaft wurden als Anlass genommen einen Clan zu gründen. Andere Spieler sind zum Teil seit Jahren gemeinsam in einem Clan, kennen sich jedoch nur unter ihrem Clan-Pseudonym.

Hier ein Ausschnitt aus einem Interview, dass der Verfasser am 24.04.04 mit einem Mitglied des Tierheim-Clans im „mIRC-Chat“ geführt hat:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anhand dieses exemplarischen Gesprächs kann man gut nachvollziehen, dass der Spaß und das „Miteinander gut auskommen“ zentrale Elemente des Clanleben sind. Dies ist auch oder vielleicht gerade deswegen möglich, weil der Kontakt aufgrund der räumlichen Distanz zwischen den Mitgliedern zumeist unpersönlich ist. Die Mitgliedschaft in einem Clan, in dem nur wenige oder gar keine Mitglieder persönlich bekannt sind, bedeutet wiederkehrende Teilnahme an anonymen virtuellen Veranstaltungen. Die Spieler verbindet zwar der Spaß am Spiel, jedoch nur auf die virtuelle Welt begrenzt.

Dies wird auch deutlich, wenn man die Ergebnisse auf die Frage nach der Teilnahmehäufigkeit an einer LAN-Party betrachtet:

Abbildung 23: Teilname an LAN-Partys pro Jahr

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Über die Hälfte (57,4 Prozent) der Umfrageteilnehmer geht entweder gar nicht oder maximal dreimal pro Jahr auf eine LAN-Party. Insgesamt fast 30 Prozent besuchen drei bis neun Mal pro Jahr eine solche Veranstaltung, nur 13 Prozent der CS-Spieler öfter als neun Mal pro Jahr. Hier bestätigt sich die bereits geäußerte Vermutung, dass das Spielen von CS zwar bedeutet, miteinander zu spielen, jedoch nicht automatisch damit gleichzusetzen ist, dass die sozialen Kontakte aus der virtuellen Welt auch in die reale Welt übertragen werden.

1.5 Zusammenfassung der empirischen Untersuchungsergebnisse

Hinsichtlich der Überprüfung der fünf Hypothesen lassen sich folgende Ergebnisse feststellen:

- Zu Hypothese 1:

Es kann belegt werden, dass CS von männlichen Spielern bevorzugt wird, die von der Altersstruktur her zum überwiegenden Teil innerhalb der „Generation @“ zu finden sind und zudem über einen hohen Bildungsgrad verfügen.

- Zu den Hypothesen 2 und 3:

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass CS-Spieler über gute Zugangsvoraussetzungen verfügen, um an der medialen Welt teilzuhaben. Sie sind nahezu vollständig mit hochwertigen Internetanschlüssen ausgestattet und verbringen neben der Pflege von sozialen Kontakten und Sportaktivitäten einen großen Teil ihrer Freizeit damit den PC zu nutzen. Wozu die Umfrageteilnehmer den PC in erster Linie nutzen, kann die Umfrage nicht beantworten. Jedoch kann aufgrund der relativ hohen Online-Gebühren der Umfrageteilnehmer darauf geschlossen werden, dass sie während der PC-Nutzung viel Zeit im Internet verbringen. Die Umfrage belegt jedoch nicht, dass der PC und der Internetanschluss von ihnen hauptsächlich für das Spielen von CS genutzt wird.

- Zu den Hypothesen 4 und 5:

Die Vermutung, CS-Spieler spielten nicht in erster Linie auf Grund der aggressionshaltigen Elemente CS, konnte nachgewiesen werden. Für die Spieler zählt in erster Linie der Teamgedanke des Spiels. Dadurch hat auch die Organisation in Clans einen hohen Stellenwert für die CS-Spieler. Die daraus gefolgerte starke Teilnahme der Probanden an LAN-Partys konnte nur bedingt belegt werden. Hier ist eine Spaltung der Spielergemeinschaft in eine aktive und eine passive Gruppe festzustellen.

Wie einleitend erwähnt bilden die Hypothesen vier und fünf den Schwerpunkt dieser Arbeit. Die weitgehende Bestätigung beider Thesen lässt ein neues Bild der Wirkung von Computerspielen entstehen, das zumindest in der Wirkungsforschung bislang nur wenig Bedeutung erhielt. Obwohl Spiele wie CS aggressionshaltige Elemente aufweisen, das Spiel zwischenzeitlich sogar indiziert werden sollte, zeigt eine Befragung derjenigen, die sich nahezu täglich mit dem Spiel beschäftigen, dass die sozialen und nicht etwa die aggressiven Elemente für die Spieler im Mittelpunkt stehen.

In Bezug auf die sozialpädagogische Umsetzung dieser Forschungsergebnisse ist der Hinweis wichtig, dass gerade im Bereich der offenen Jugendarbeit Soziale Arbeit bedeutet, eine enge Verflechtung mit der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen anzustreben. Aufgrund dieser Verflechtung kann Soziale Arbeit anderen öffentlichen Hilfsinstitutionen einen entscheidenden Schritt voraus sein. Im nächsten Kapitel soll eine Möglichkeit vorgestellt werden, wie Soziale Arbeit diesen Vorsprung unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Arbeit für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen nutzen kann.

2 Computerspiele, LANs & Co. als sozialpädagogisches Handlungsfeld?

„Die Aufgabe von Medienpädagogik kann es nicht sein, die Zunahme der Bedeutung von Computerspielen aufzuhalten oder zu verhindern.“ (Kirk 2001, 100)

Kirks Aussage verdeutlicht, dass sich pädagogisches Handeln an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen orientieren muss und nicht versuchen sollte, ihr Freizeitverhalten in starren Bahnen zu lenken. Seiner Auffassung nach ist die Aufgabe pädagogischer Arbeit, sich neugierig mit der Entwicklung dieser Lebenswelten auseinanderzusetzen, um so in einen sinnvollen Dialog mit Jugendlichen treten zu können (vgl. Kirk 2001, 101). Wie die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit gezeigt haben, wachsen Kinder und Jugendliche in einer Medienwelt auf (vgl. Teil A, Kap. 1.2), die von multiplayerfähigen Computerspielen, den sich daraus entwickelnden LAN-Partys und dem Zusammenschluss von Kindern und Jugendlichen in Clans geprägt ist. Für die Sozialpädagogik sollte es somit wichtig sein, Stellung zu diesen Entwicklungen und Veränderungen in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen zu beziehen.

Hilfestellung geben die Forschungsansätze, die in dieser Arbeit vorgestellt worden sind. Während die Medienwirkungsforschung davon ausgeht, dass aggressionshaltige Computerspiele eine Gefahr für Kinder und Jugendliche darstellen, verdeutlicht die Medienbewirkungsforschung, dass es den Kindern und Jugendlichen bei diesen Spielen in erster Linie darum geht, Macht, Herrschaft und Kontrolle in einer virtuellen Welt auszuüben und relativiert damit die Befürchtungen der Wirkungsforschung.

Die hier vorgelegte empirische Untersuchung kann keine Aussage zu möglichen Auswirkungen aggressionshaltiger Computerspiele wie CS treffen. Allerdings zeigt sie, dass für die Spieler nicht die aggressiven Elemente des Spiels im Vordergrund stehen, sondern „das Soziale“, also das Miteinander beim Spielen von CS. Aus diesem Grunde organisieren sich Kinder und Jugendliche in Clans, investieren Teile ihrer Freizeit für dieses Hobby und besuchen zusammen LAN-Partys, auf denen letztlich auch soziale Kompetenz erzielt wird (vgl. Teil A, Kap. 1.3.2).

Kritiker aggressionshaltiger Computerspiele gehen davon aus, dass diese Spiele zu einer Verminderung des empathischen Empfindens führen. Die Besprechung der Studie von Steckel (vgl. Teil A, Kap. 3.5) macht jedoch deutlich, dass solche Ergebnisse kritisch hinterfragt werden müssen, um einer vordergründigen Wertung vorzubeugen und offen gegenüber adäquateren Ansätzen zu bleiben. In einem Punkt kann der Wirkungsforschung jedoch zugestimmt werden: Aggressionshaltige Computerspiele können kein Lernfeld für die Ausbildung von Empathie sein, da - wie in Teil A, Kapitel 3.5.3 verdeutlicht wurde – empathisches Empfinden kein Bestandteil des Spielens am Computer ist. Empathie ist nur in der realen Welt des menschlichen Miteinanders erlernbar (vgl. Fritz/Fehr 2003, 57).

Soziale Arbeit hat die Aufgabe Kinder und Jugendliche in der realen Welt in ihrer Entwicklung zu fördern. Da Empathie für das menschliche Zusammenleben unabdingbar ist, gehört zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auch die weitere Ausbildung von Empathie (vgl. Wiemken 2001, 92). Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung zur Motivlage von CS-Spielern und der Tatsache, dass beim gemeinsamen Computerspielen soziale Elemente eine wichtige Rolle einnehmen, ist der Frage nachzugehen, ob Soziale Arbeit Kindern und Jugendlichen hier nicht einen Raum bieten sollte, in dem sie zum einen ihrem Hobby nachgehen können und zum anderen das „Miteinander“ des Computerspielens unter pädagogischer Hilfestellung weiter ausbauen können.

Ein weiterer Aspekt ist die Förderung medienpädagogischen Handelns bei Heranwachsenden durch Soziale Arbeit. Es ist angezeigt, Kindern und Jugendlichen Medienkompetenz in Form von technischer, semantischer und pragmatischer Kompetenz zu vermitteln (vgl. Maier 1998, 30). Neben der Handhabung von Hard- und Software (technische Kompetenz) geht es also um das Verstehen der Inhalte (semantische Kompetenz) und darum, diese Medien nach eigenem Interesse anzuwenden (pragmatische Kompetenz). Wenn zu diesen drei Elementen der Medienpädagogik auch noch die Stärkung von sozialer Kompetenz hinzuträte, sollte Soziale Arbeit offen und fördernd gegenüber Angeboten an Kinder und Jugendliche stehen. Eine solche Form könnte beispielsweise das Organisieren von LAN-Partys in Jugendzentren sein. Dieses exemplarische Angebot könnte im Bereich der technischen Kompetenz Kenntnisse über Hard- und Software ausbauen und Einblicke in die Struktur von Computernetzwerken ermöglichen.

Weiter bestünde die Möglichkeit, die gespielten Inhalte - ähnlich wie im „Hardliner-Ansatz[53] “ vorgesehen (vgl. Wiemken 2001, 92 ff.) - mit den Jugendlichen zu reflektieren und zu bewerten. Auf diese Art und Weise besteht die Möglichkeit, dass ein sinnvoller und ethisch Korrekter Umgang mit Medien erlernt wird. Mögliche Fehlentwicklungen, die nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit aggressionshaltigen Computerspielen stehen, können so rechtzeitig erkannt und deren Folgen vermieden werden. Des weiteren könnten Kinder und Jugendliche dazu befähigt werden, selbst LAN-Partys zu organisieren, was zu einer Stärkung der pragmatischen Kompetenz führen würde. Entscheidend ist, dass diese Maßnahme in einem Zusammenspiel von Kommunikation und Interaktion erfolgt, so dass auch die soziale Kompetenz gefördert wird.

Es ist dargelegt worden, wie groß das Interesse bei Kindern und Jugendlichen ist, an Netzwerkpartys teilzunehmen (vgl. Teil A, Kap. 1.3.3 und Teil B, Kap. 1.4). Es stellt sich somit die Frage, ob für die Soziale Arbeit Möglichkeiten existieren auf diese Bedürfnisse einzugehen und Kinder und Jugendliche in diesem Bereich ihrer Freizeitgestaltung zu unterstützen. Des Weiteren muss geklärt werden, wie eine solche Unterstützung aussehen könnte.

Um sich der Beantwortung dieser Fragen zu nähern, sollten zunächst weitere Teilfragen isoliert werden:

Lassen sich die in der Umfrage belegten Motive, die Kinder und Jugendliche zum CS-Spielen via Internet führen, auch in der Praxis, also auf unter sozialpädagogischer Anleitung organisierten LAN-Partys wiederfinden? Oder geht es den Spielern neben dem Spielen im Team nicht auch darum, frei von dem Einfluss der Erwachsenenwelt und damit auch frei von sozialpädagogischem Handeln zu sein? Zugespitzt formuliert: Besteht nicht die Gefahr, dass durch eine LAN-Party, die mit Hilfe der Sozialen Arbeit durchgeführt wird, das Subsidiaritätsprinzip[54] unterwandert wird? Es stellt sich die Frage, inwieweit Soziale Arbeit hier also eingreifen darf. Es ist zu klären, ob sich das Teilnehmerfeld in einer durch Jugendzentren organisierten LAN-Party ähnlich zusammensetzt, wie die CS-Spieler der empirischen Untersuchung. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, soll der Frage nachgegangen werden, welche Möglichkeiten Soziale Arbeit hat, auch die Kinder und Jugendlichen zu erreichen, die nicht in den klassischen Typus der Netzwerkspieler fallen, wie z.B. Kinder und Jugendliche mit geringerem Bildungsniveau.

Mit Hilfe einer quantitativen Untersuchungsmethode wird versucht Antworten auf diese Fragen zu erhalten.

2.1 Qualitative empirische Untersuchung: Warum organisiert eine sozialpädagogische Einrichtung LAN-Partys?

Die nachfolgende, auszugsweise Dokumentation eines Interviews mit einem Mitarbeiter einer städtischen Einrichtung in Coesfeld soll einen exemplarischen Einblick in die Möglichkeiten sozialpädagogischer Begleitung von LAN-Partys geben:[55]

„Verfasser: Bitte stellen Sie doch kurz das „Stellwerk“ vor und beschreiben Sie Ihr

Arbeitsfeld.

Holtmann: Das Jugendhaus „Stellwerk“ ist ein städtisches Jugendzentrum, und wir machen offene Kinder- und Jugendarbeit. Es gibt keine besonderen Zugangsvoraussetzungen für Kinder und Jugendliche (keinen Mitgliedsbeitrag, keine Kosten). Es handelt sich um einen offenen Treffpunkt; in der Regel ist jeden Nachmittag in der Woche von 15:00 bis 20:00 Uhr geöffnet.

Unsere Zielgruppe sind nicht-organisierte Jugendliche und Cliquen im Alter von 8 bis ca. 20 Jahren. Wir haben ein Stammpublikum von rund 60 Jugendlichen, davon sind am Tag im Schnitt 30 Jugendliche anwesend.

Verfasser: Was bietet das Jugendzentrum den Kindern und Jugendlichen?

Holtmann: Zum einen gibt es Angebote für Kinder, dazu zählt u. a. die Hausaufgabenhilfe und ein spezielles, auf Kinder zugeschnittenes Programmangebot. Zum anderen bieten wir für Jugendliche das Jugendkaffee an (inkl. Internetspiele, Billard, Zeitschriften, einer kleinen Gastronomie etc.). Außerdem stehen von Zeit zu Zeit größere Veranstaltungen wie Disko, Konzerte oder auch LAN-Partys an.

[...]

Verfasser: Wie hat das Jugendamt[56] darauf reagiert, als die Idee für eine LAN-Party zur Sprache kam?

Holtmann: Das Jugendamt hat eigentlich gar nicht reagiert, letztlich sind wir das Jugendamt. Wir können als Mitarbeiter des Jugendamts, das wir ja letztlich sind, neue Ideen einbringen. Dies betrifft also nicht nur LAN-Partys, sondern auch viele andere Angebote. Die LAN-Partys mussten mit dem Amtsleiter abgeklärt werden, da jugendschutzrelevante Dinge beachtet werden mussten. Zum Teil ist auch die politische Komponente nicht ganz zu verneinen. Wir haben das Ganze in den Jugendhilfeausschuss eingebracht. Da wir ein sauberes Konzept vorgelegt haben, hat es uns nicht überrascht, dass die Veranstaltung vom Jugendhilfeausschuss abgesichert worden ist. Wir bewegen uns mittlerweile auch politisch auf sehr sicherer Ebene. Es ist nicht so, dass es sich hier um eine „unüberdachte“ Veranstaltung handelt, was mit sehr kritischem Auge betrachtet würde. Wir haben sehr deutlich dargelegt, was wir wollen, was wir können und was bei uns nicht geht.

Verfasser: Wie groß war die Resonanz bei der ersten LAN-Party? Wie viele Spieler sind gekommen?

Holtmann: An der Kapazität des Hauses gemessen war die Resonanz relativ hoch. Es gibt teilweise LAN-Partys, die überbieten sich gegenseitig mit der Anzahl der Teilnehmer, dies geht dann teilweise bis in den vierstelligen Bereich. Wir sagen hier aber von vorneherein, wir wollen die Teilnehmerzahl im unteren zweistelligen Bereich halten, da wir hier eine räumliche Kapazität für 30 bis 40 Spieler haben. Bei der ersten LAN-Party waren knapp 30 Leute hier, die spontan hierher kamen, also keine „Insider“ oder Leute, die gesondert angesprochen wurden. Die Spieler sind durch Mundpropaganda bzw. durch die Werbung auf uns aufmerksam geworden.

[...]

Verfasser: Ist die Initiative, LAN-Partys zu organisieren, von Ihnen ausgegangen?

Holtmann: Ja, die Initiative für die erste Veranstaltung ist von uns ausgegangen. Sie ging nicht von den Besuchern aus, weil man auch sagen kann, dass die Besucher, die hier tagtäglich sind, nicht vorrangig aufgrund von Computerinteressen ins Jugendzentrum kommen. Sie gehen zwar gerne ins Internet, um zu chatten, aber es handelt sich nicht um die Jugendlichen, die sich gerne intensiv mit der Materie auseinandersetzen.

Verfasser: Sie machen die LAN-Partys in Kooperation mit einem Clan. Wie kam es dazu?

Holtmann: Das war eine Zufallsbegegnung. Dadurch, dass die LAN-Partys hier veranstaltet und veröffentlicht wurden, tauchten natürlich auch Leute auf, die Clans angehören. Über einen anfänglichen Informationsaustausch kam es im Laufe der Zeit zu einer Kooperation, da sich die Clanmitglieder auch gerne organisatorisch betätigen wollten.

Verfasser: Teilen Sie sich die Organisation mit dem Clan oder läuft es doch noch in erster Linie von Ihnen aus?

Holtmann: Sie ist geteilt, aber es gibt eindeutige Grenzen. Die technische Organisation, z.B. für die nächste größere Party, läuft über diesen Clan, dass heißt, sie bieten eine Website an, auf der man Sitzplatzreservierungen machen kann. Der Clan wickelt auch die technische Seite ab, organisiert Pizzabestellung über das Internet etc. Aus der technischen Seite halte ich mich weitgehend raus.

Meine Aufgabe liegt darin, mich um die Infrastruktur zu kümmern. Ich sorge für Tische, Stromversorgung, Starkstromkästen, und ansonsten ist mein Part der restliche Teil der Öffentlichkeitsarbeit, wie z. B. Zusammenarbeit mit der Zeitung und die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes, da ich hier offiziell als Veranstalter fungiere.

Verfasser: Warum besuchen Jugendliche diese LAN-Partys statt alleine zu Hause vor dem Rechner zu sitzen? Wie ist dazu Ihre Einschätzung?

Holtmann: Ich glaube der Grund ist die soziale Komponente von LAN-Partys. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Spielen alleine zu Hause vor dem Computer auf Dauer glücklich macht. Der Mensch ist sozial orientiert und hier treffen sich Gleichgesinnte. Leute, mit denen man kommunizieren und spielen kann. Es ist nicht mehr der virtuelle Gegner auf der Scheibe, es ist ein reales Gegenüber, mit dem ich mich messen muss. Dies macht die Sache spannender und schafft Motivation.

Verfasser: Wie würden Sie denn pauschal die Spieler beschreiben, die an den LAN-Partys teilgenommen haben?

Meistens finden sich hier Oberstufenschüler, Gymnasiasten ein, relativ wenig Real- oder Hauptschüler. Im Prinzip also männlich und von der Schullaufbahn her eher mit einem hohen Bildungsniveau ausgestattet.

Verfasser: Haben Sie versucht auch Interessierte mit geringerem Bildungsniveau zu erreichen? Oder haben Sie das den Jugendlichen selbst überlassen?

Holtmann: Wenn sich für ein Angebot eine bestimmte Zielgruppe herausgefiltert hat, versuchen wir nicht unbedingt eine Ausgewogenheit herzustellen. Wir haben allerdings schon diese Möglichkeiten eröffnet. Die Werbung für unsere LAN-Partys richtet sich grundsätzlich an jeden und sie kann auch jeden erreichen. Darüber hinaus haben wir bei den ersten LAN-Partys für die Jugendlichen, die keinen eigenen PC haben Computer zur Verfügung gestellt. Wer also keinen hatte, konnte sich trotzdem anmelden, die Möglichkeit bestand somit für jeden. Dieses Angebot wurde aber nur sporadisch genutzt und im Endeffekt haben die Teilnehmer selbst die Wahl getroffen. Das Bild über die Teilnehmer hat sich durchgängig so bestätigt, wie vorhin erwähnt.

Verfasser: Wie würden Sie die Atmosphäre beschreiben, die bei so einer LAN-Party herrscht.

Holtmann: Es handelt sich um eine sehr friedliche Veranstaltung. Im Vergleich zu einer üblichen Fete oder Disco mit den gleichen Altersgruppen, z. B. eine Oberstufenparty, sind LAN-Partys sehr ruhige Veranstaltungen. Wenn man den disziplinarischen Aspekt anschaut gab es auf keiner Veranstaltung Probleme mit Alkohol, mit dem Verhalten der Jugendlichen, mit Vandalismus, mit Pöbeleien untereinander oder mit sonstigem Fehlverhalten.

Alles in allem sind es sozial ansprechende Veranstaltungen, der Ton untereinander ist sehr moderat. Während der Spiele kochen schon mal die Emotionen über, aber das Verhalten hat immer eine spielerische Komponente. Man kann sagen, dass das Geschehen auf dem Bildschirm oft im krassen Widerspruch zu dem Geschehen vor dem Bildschirm steht.

Verfasser: Auf ihrer Internetseite[57] ist zu lesen, dass ausschließlich Spiele gespielt werden, die nach der verbindlichen Alterseinstufung gespielt werden dürfen. Wie kommt das bei den Spielern an?

Holtmann: Zu Anfang gab es damit ein Problem. Wir haben gleich gesagt, dass wir hier im Haus keine indizierten Spiele haben wollen. Dies wäre rechtlich möglich gewesen, wenn wir gesagt hätten, wir trennen z.B. die Räume ab, sprich in einen Bereich für über 18-jährige. Dort hätten dann vom Gesetz her auch indizierte Spiele gespielt werden dürfen, allerdings unter der Voraussetzung, dass keine jüngeren Teilnehmer diesen Raum betreten. Wir waren aber der Meinung, dass dies nicht der Corporate Identity unseres Hauses entsprechen würde, generell keiner Jugendfreizeiteinrichtung. Wir wollen nicht die Spiele fördern, die nachweislich als jugendgefährdend einzuordnen sind. Und wir wollen auch nicht die Erwachsenen oder jungen Erwachsenen ansprechen, die genau diese Spiele suchen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Das müssen Interessierte dann eben privat durchführen. Generelle Abmachung hier im Hause ist: Vom Alter unabhängig werden keine indizierten Spiele gespielt. Das ist nach einer kurzen Einstiegsphase, in der wir die Leute deutlich darauf hingewiesen haben, problemlos angenommen worden.

Zum Teil gab es Nachfragen und Irritationen, weil einige Spiele teilweise sehr kompliziert angelegt sind. Von Counterstrike gibt es beispielsweise eine deutsche und eine englische Version. Hier war wirklich Aufklärungsarbeit notwendig, da viele keine Vorkenntnisse hatten und beispielsweise nicht wussten, dass die englische CS-Version unter 18 Jahren nicht gespielt werden darf. Mittlerweile ist bekannt, dass auf unseren LAN-Partys keine indizierten Spiele gespielt werden. Seit der Neufassung des Jugendschutzgesetzes vor mittlerweile zwei Jahren sind noch weitere verbindliche Grenzen hinzugekommen.

Verfasser: Warum sollten Jugendheime ihrer Meinung nach LANs organisieren?

Holtmann: Es gibt keine besondere Begründung. Die Frage ist weniger: Wie pädagogisch sinnvoll ist eine Veranstaltung? Das Interesse ist da. Es gilt nur die Frage zu beantworten: Kann ich so eine Sache zulassen? Lässt es sich mit meinen pädagogischen Prinzipien vereinbaren? Bin ich in der Lage Rahmenbedingungen zu schaffen, um dem Interesse der Jugendlichen entgegenzukommen? Es gibt genauso wenig eindeutige pädagogische Begründungen, eine Kinderdisco zu veranstalten.

Da gibt es Leute, die - mit gutem Recht – sagen, sie wollen nicht, dass ihre Kinder frühzeitig an derartiges Vergnügen gewöhnt werden. Tatsache ist aber, dass das Interesse der Jugendlichen da ist und, wenn das Interesse groß ist, sollte man sich mit der Materie befassen und überlegen, ob wir als Pädagogen diesem Interesse entgegenkommen können. Es geht darum dem Ganzen einen Rahmen zu geben, so dass man im Anschluss sagen kann, dass pädagogisch sinnvoll gehandelt worden ist. Das können wir von uns behaupten.

Verfasser: Kritiker von LAN-Partys in Jugendheimen behaupten, dass dadurch das Subsidiaritätsprinzip unterschritten wird?

Holtmann: Wenn man uns das ständig vorhalten würde, dann dürften wir demnächst keine Veranstaltungen mehr durchführen. Subsidiaritätsprinzip heißt: wir dürfen nur dort aktiv werden, wo andere nicht aktiv werden können und da muss man ganz klar sagen: was kleinere LAN-Partys in diesem speziellen Rahmen in Coesfeld angeht, sind wir die Einzigen.

Verfasser: Vielen Dank für das Interview.“

Das Interview macht deutlich, in welchen Bereichen sich die Ergebnisse der empirischen Untersuchung auch in der Praxis der Sozialen Arbeit wiederfinden. Bei den sozialpädagogisch betreuten LAN-Partys in Coesfeld finden sich ebenfalls in erster Linie männliche Jugendliche mit hohem Bildungsniveau wieder. Die Versuche, auch andere Kinder und Jugendliche zu erreichen, scheinen keinen Erfolg zu haben. Ob dies mit der Auswahl der Spiele oder mit den sonstigen Bedingungen zusammenhängt, kann mit Hilfe der Interviewaussagen nicht geklärt werden. Bei der sozialpädagogischen Organisation von LAN-Partys sollte jedoch beachtet werden, dass die „digitale Spaltung“ somit nicht bereits bei der Geschlechterfrage beginnt.

Die Coesfelder Praxis zeigt, dass LAN-Partys und Soziale Arbeit miteinander kompatibel sind und diese Angebote dann auch von den Jugendlichen angenommen werden. Soziale Arbeit kann demnach den Anstoß geben, Jugendliche aus Clans in die Organisation von LAN-Partys miteinzubeziehen.

Hier gilt es auch für die zukünftige Kooperation zwischen Sozialer Arbeit und Heranwachsenden anzuknüpfen. Der Reiz von LAN-Partys besteht darin, dass aus ihnen eine Subkultur entstehen kann (vgl. Teil A, Kap. 1.3.3). Diese gilt es soweit wie möglich auch bei der Unterstützung durch Soziale Arbeit aufrecht zu erhalten. Soziale Arbeit hat die Aufgabe, gemeinsam mit den Jugendlichen ein Regelwerk zu erarbeiten, das den Rahmen der Veranstaltung bildet. Für die Inhalte sollten die Jugendlichen selbst verantwortlich sein.

Die dargestellte Praxis belegt, was die Erkenntnisse der Medienbewirkungsforschung und die Ergebnisse der durchgeführten empirischen Untersuchung bereits vermuten ließen: Auf LAN-Partys werden gewalthaltige Computerspiele nicht aufgrund ihrer aggressiven Momente gespielt, sondern wegen der sich gegenseitig unterstützenden Wettbewerbs- und Gemeinschaftssituationen. Soziale Arbeit hat hier die Möglichkeit Jugendliche bei der Gestaltung ihrer Freizeit zu unterstützen und gleichzeitig die Erweiterung von sozialen Kompetenzen zu initiieren. Gleichzeitig besteht für soziale Einrichtungen die Möglichkeit, durch das Angebot einer Mitorganisation von LAN-Partys Kinder und Jugendliche zu erreichen, die ansonsten Angebote der Offenen Jugendarbeit nicht wahrnehmen würden. Das Gespräch mit dem Sozialpädagogen in Coesfeld macht deutlich, dass in erster Linie Jugendliche mit hohem Bildungsniveau zu den Teilnehmern der LAN-Partys gehören. Viele dieser Spieler, so der Betreuer, waren auf Grund der LAN-Partys zum ersten Mal in seiner Sozialeinrichtung. Hier besteht die Chance mögliche Hemmschwellen abzubauen und Kontakte zu Kindern und Jugendlichen zu knüpfen, die ansonsten außerhalb der klassischen Zielgruppe von Offener Jugendarbeit stehen.

2.2 Analytische Bewertung sozialpädagogischer Betreuung von Spielevents

Wenn Soziale Arbeit Kinder und Jugendliche mit Hilfe von LAN-Partys erreichen will, bedeutet dies jedoch auch, dass ein hohes Maß an Medienkompetenz und Organisationsarbeit von Seiten der Pädagogen verlangt werden muss. Hinsichtlich notwendiger Bedingungen bei der Betreuung dieser neuen Medienform könnten folgende Aspekte Grundsteine eines sozialpädagogischen Konzeptes zur Organisation von LAN-Partys sein:

2.2.1 Rechtliche Aspekte

Die pädagogische und juristische Verantwortlichkeit, die aus der Durchführung einer LAN-Party erwächst, darf nicht unterschätzt werden. Auch für Soziale Arbeit gilt: Wer als Veranstalter auftritt, steht in einer umfassenden Verantwortung für das, was im Rahmen dieser Veranstaltung geschieht (vgl. §§ 15 u. 24 JuSchG).

Zudem ist es notwendig, die gesetzlich oder vertraglich geregelte Aufsichtspflicht über Minderjährige mit in die Planung von LAN-Partys einzubeziehen (vgl. § 832, Abs. 2 BGB).

Darüber hinaus ist zu beachten, dass indizierte Spiele Minderjährigen keinesfalls zugänglich gemacht werden dürfen. Dies gilt sowohl für die aktive Anwendung dieser Spiele wie auch für das bloße Betrachten indizierter Spiele (vgl. §§ 15 u. 24 JuSchG). Soll trotzdem die Möglichkeit bestehen auch indizierte Computerspiele auf der LAN-Party zu spielen, so müssen diese räumlich getrennt von nicht-indizierten Spielen angeboten werden, ohne dass für Minderjährige eine Möglichkeit besteht, diese Räume zu betreten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass selbst die minderjährigen Jugendlichen, die eine schriftliche Erklärung ihrer Eltern vorweisen können, die ihnen das Spielen von indizierten Spielen erlaubt, diese Spiele nicht benutzen dürfen, da auch Erziehungsberechtigte die vom Staat vorgegebenen rechtlichen Vorlagen nicht außer Kraft setzen können. Betreuer in der Sozialen Arbeit sollten bereits bei der Planung von LAN-Partys beachten, welche Spieler erreicht und welche Spiele gespielt werden sollen. Kommt es zu einem Verstoß gegen geltendes Recht, z.B. dadurch, dass ein Minderjähriger Zugang zu indizierten Spielen hat, drohen den Veranstaltern bis zu einem Jahr Haft oder eine hohe Geldstrafe (vgl. § 27 JuSchG).

Informationen zur Indizierung und Alterseinstufung von Computerspielen können über das örtliche Jugendamt in Erfahrungen gebracht werden.

2.2.2 Technische Aspekte

Neben den rechtlichen Fragen spielen die technischen Voraussetzungen eine wichtige Rolle bei der Organisation einer LAN-Party in Einrichtungen der Sozialen Arbeit.

Die technischen Vorkehrungen lassen sich in zwei Bereiche gliedern:

1. Die Netzwerktechnik und
2. die Stromversorgung.

1. Netzwerktechnik

Beim Aufbau lokaler Computer-Netze kommen in der Regel Netzwerkverteiler, die sogenannten „Switchs“ oder „Hubs“, zum Einsatz (vgl. Teil A, Kap.1.3.2.2). Hier gilt es vorab zu klären, wie viele „Switchs“ zur Verfügung stehen müssen oder ob aufgrund der Teilnehmergröße noch zusätzlich ein Server eingerichtet werden sollte. Ähnlich wie auf kommerziellen LAN-Partys können die Spieler im Vorfeld aufgefordert werden Netzwerkkabel und Dreifach-Steckdosen mitzubringen.

2. Stromversorgung

Neben dem Erfordernis einer passenden Netzwerktechnik stellt sich auch die Frage nach einer ausreichenden Stromabsicherung. Technisch ist es weder möglich noch ratsam die Computer auf eine einzige Steckdose zugreifen zu lassen. Ein Computer hat in der Regel eine Stromaufnahme von ca. 500 Watt. Üblicherweise laufen in einem Raum mehrere Steckdosen an einer einzigen Sicherung zusammen, die im Normalfall für eine Gesamtbelastung von 3.680 Watt ausgelegt ist. Wenn in diesem Raum mehr als sieben Computer auf die einzelnen im Raum verteilten Steckdosen angeschlossen werden, beträgt die gesamte Stromaufnahme mehr als 3.500 Watt, wodurch die Sicherung zu hoch belastet würde. Die Konsequenz wäre ein Stromausfall, der gerade bei Computern, die im Betrieb sind, zu weitreichenden Folgen bis zum Datenverlust führen kann - vom unterbrochenen Spielspaß ganz abzusehen.

Es gilt also bereits in der Planungsphase einer LAN-Party zu überlegen, welche Stromkreise zur Verfügung stehen und wie ggf. Stromkreise mit Hilfe von Verlängerungskabeln miteingebunden werden können.

2.2.3 Checkliste für die Planung und Durchführung einer LAN-Party

Nachfolgend eine Checkliste, die bei der Planung einer LAN-Party in einem Jugendheim ausgearbeitet werden könnte:

- Welche Konzepte kommen je nach Alter und Anzahl der Teilnehmer aus medienpädagogischer und jugendschutzrechtlicher Hinsicht zur Anwendung?
- Ist die Veranstaltung mit dem Träger der Einrichtung abgestimmt? (Dies gilt für den Fall, dass der Träger über die inhaltliche Ausrichtung der sozialen Einrichtung entscheidet.)
- Soll die LAN-Party an einem oder an mehreren Tagen durchgeführt werden?
- Gibt es ausreichend Tische und Stühle?
- Reicht die Anzahl und Größe der zur Verfügung stehenden Räume aus?
- Welches Maß an Verpflegung soll angeboten werden?
- Sollen Schlafmöglichkeiten angeboten werden?
- Wer übernimmt welche Aufgabe während der LAN-Party?
- Müssen Eintrittsgelder genommen werden, um eventuelle Kosten zu decken?
- Wie lassen sich Kinder und Jugendliche bereits in der Planung einer LAN-Party mit einbinden?
- Sind rechtliche und technische Aspekte hinreichend beachtet?
(Vgl. Teil B, Kap. 2.2.1 ff.)

Aus eigener Erfahrung bei der Organisation von LAN-Partys kann empfohlen werden, dass ein zeitlicher Planungs-Vorlauf von zwei Monaten veranschlagt werden sollte. In dieser Zeit kann zum einen die LAN-Party professionell organisiert werden, zum anderen bietet dieser Zeitraum ausreichende Möglichkeiten aktiv Werbung für die Veranstaltung machen zu können. Als Werbemedien kommen folgende Mittel in Betracht: eigene Homepage (sofern vorhanden), Lokal- und Regionalpresse, Lokalfunk, Handzettel und Plakate, zentrale Homepages für die gesammelte Veröffentlichung von Terminen[58] und natürlich Mundpropaganda durch die Besucher des Jugendheims. Das Anmeldeverfahren sollte in verbindlicher, d.h. schriftlicher Form stattfinden. Soweit es möglich ist, kann dies direkt auf der Internetpräsentation der sozialen Einrichtung geschehen. In dieser schriftlichen Anmeldung sollten die genannten rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die eigene Hausordnung aufgeführt sein. Es bietet sich an im Anmeldebogen die E-Mail-adressen der Teilnehmer zu erfragen, um so die Weitergabe kurzfristiger Informationen zu ermöglichen und ggf. einen E-Mailverteiler für zukünftige LAN-Partys und weitere Veranstaltungen des Hauses einrichten zu können.

Schlussfolgerung

Ausgangsfrage dieser Arbeit war es zu prüfen, inwieweit „friendly fire“ als verdeckte Gefahr Einzug in die Kinderzimmer der „Generation @“ hält, wenn sich Kinder und Jugendliche mit aggressionshaltigen Computerspielen beschäftigen. Um diese Frage zu klären wurde der Schwerpunkt der Arbeit auf die Klärung der Motivlage für das Computerspielen gelegt, d.h., warum Kinder und Jugendliche aggressionshaltige Computerspiele spielen.

Die einleitende Hypothese, dass diese Spiele nicht aufgrund ihrer aggressiven Elemente gespielt werden, sondern weil für die Heranwachsenden das gemeinschaftliche Spielen im Vordergrund steht, konnte anhand der Beschreibung der Medienumgebung (Teil A, Kap. 1 und 2), der Analyse wissenschaftlicher Erkenntnisse (Teil A, Kap. 3 und 4) und nicht zuletzt durch die selbst erhobenen Daten der empirischen Untersuchung (Teil B, Kap. 1) bestätigt werden. Schlussfolgernd kann also davon ausgegangen werden, dass Kinder und Jugendliche weniger von einem gefahrvollen „friendly fire“ als von einem kompetenzerweiternden „friendly gameing“ geprägt werden, wenn sie aggressionshaltige Programme wie z.B. Counterstrike spielen. Die Arbeitsergebnisse lassen sich jedoch nicht auf alle aggressionshaltigen Spiele übertragen. Software, dessen Spielziel es ist möglichst viele virtuelle Gegner auf eine abstoßende Art und Weise zu eliminieren, lassen bei den Heranwachsenden auch andere Motive für das Computerspielen vermuten, was diese Untersuchung aber nicht weiter beleuchten konnte. Die große Anzahl an CS-Spielern, der Verkaufserfolg von Multiplayer-Spielen und die Anziehungskraft von LAN-Partys signalisieren jedoch, dass Kinder und Jugendliche zunehmend den Wettkampf in virtuellen Welten suchen. Zudem ermöglicht die Ausbreitung von Breitbandanschlüssen einer zunehmenden Zahl von Jugendlichen an dieser Welt teilzuhaben.

Die Untersuchungsergebnisse fordern die „Erwachsenenwelt“ auf zu diesen Entwicklungen Stellung zu nehmen und das öffentliche Bild vom Spielen am Computer zu überdenken. In den 1950er Jahren sah die damalige Eltern-Generation „Rock ´N´ Roll“ als eine Gefahr für die Entwicklung ihrer Kinder an; im Jahre 1982 prophezeite Neil Postmann „das Verschwinden der Kindheit“ (vgl. Postmann 1983) u.a. als Reaktion auf die Ausbreitung der elektronischen Medien und fürchtete bereits drei Jahre später, dass sich die Menschheit durch die weitere Entwicklung der Medien „zu Tode amüsieren würde“ (vgl. Postmann 1985). Und auch Ereignisse wie die in Littleton oder in Erfurt unterstreichen die immer noch schwierige Einordnung des Gebrauchs (gewalthaltiger) Computerspiele durch Kinder und Jugendliche. In diesem Zusammenhang kann die hier vorgelegte Untersuchung eine Hilfestellung geben, um sich der Thematik „Computerspiele und Gewalt“ auf eine sachliche und vorurteilsfreiere Art und Weise zu nähern als es die in der Einleitung aufgeführten Zitate suggerieren mögen.

Die aktuell zum zweiten Jahrestag des Amoklaufs publizierten Reminiszenzen zum Erfurter Attentat verweisen auf einen weiteren wichtigen Aspekt der in dieser Arbeit untersuchten Thematik: Die Motive des Attentäters für die Tat sind vielschichtig und deuten zunehmend auf Bereiche jenseits des Gebrauchs aggressionshaltiger Computerspiele hin. So wussten beispielsweise die Eltern Steinhäusers weder von der Schulabsenz ihres Sohnes noch von seinem Ausschluss von den Abiturprüfungen[59]. Es kann zwar nicht mehr geklärt werden, welche spezielle Bedeutung das Spielen von CS bei Steinhäusers Vorhaben gespielt hat. Jedoch scheint gesichert, dass persönliche und insbesondere familiäre Probleme des Attentäters, z.B. in Form einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung, eine entscheidende Rolle bei seiner Tat spielten.

In diesem Zusammenhang kann sich Soziale Arbeit aufgrund ihrer Nähe zu Kindern und Jugendlichen die Erkenntnisse dieser Arbeit zu nutzen machen, indem sie ein Bindeglied zwischen der heranwachsenden Generation von Spielern und deren Eltern wird. Dabei gilt es nicht nur das veränderte Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen, sondern auch die steigende Bedeutung der Neuen Medien und ihrer spezifischen Anwendungsformen wahrzunehmen, die sich nicht nur auf das häusliche Spielen am Computer beschränken. In diesem Sinne bieten LAN-Partys in Jugendheimen die Möglichkeit Jugendliche zu erreichen, die ansonsten nicht zu den Nutzern von sozialen Jugendeinrichtungen gehören. Dadurch, dass dort keine überteuerten Eintrittsgelder verlangt werden und die Spieleranzahl in einem überschaubaren Rahmen bleibt können Hemmungen sinken, solche Veranstaltungen zu besuchen. Zudem sollte Soziale Arbeit auch die Eltern der Spieler nicht ausschließen und Möglichkeiten eröffnen mit diesen in Kontakt zu treten. Doch neben dem Teil von Jugendlichen, die gegenüber LAN-Partys offen sind, verweisen die Ergebnisse der Arbeit auch auf einen anderen Teil von Spielern, der das anonyme Spiel via Internet dem gemeinschaftlichen Erleben auf Netzwerkpartys vorzieht. Diese Personen entziehen sich den hier dargelegten sozialpädagogischen Handlungsmöglichkeiten im Bereich des Spielens gewalthaltiger Computerspiele und bedürfen der weiteren Aufmerksamkeit auch der wissenschaftlichen Forschung auf diesem Themengebiet.

Diese Arbeit kann somit Anreize für eine weitere Ausarbeitung sozialpädagogischer Handlungsfelder beim Umgang mit Computerspielen und Computerspielern geben und damit helfen, mögliche Hemmschwellen von Seiten der Heranwachsenden im Kontakt mit Einrichtungen der Sozialen Arbeit zu senken und über diesen Weg Kinder und Jugendliche bei ihrer Freizeitgestaltung entgegenzukommen. Dies gilt umso mehr, da Soziale Arbeit speziell im Bereich der Offenen Jugendarbeit auf die Annahme ihrer Angebote durch junge Heranwachsende angewiesen ist, um ihre Legitimationsbasis nicht zu verlieren. Die Annahme der sozialpädagogischen Dienstleistungen durch eine möglichst große Anzahl an Kinder und Jugendlichen wäre die beste Werbung und zugleich erfreulichste Perspektive der Sozialen Arbeit.

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Vogelgesang, Waldemar (2003): LAN-Partys. Jugendkulturelle Erlebnisräume zwischen Off- und Online. In: merz (Medien + Erziehung), Zeitschrift für Medienpädagogik (2003): Virtuelle Lebenswelten, München, S. 65–76.

Wegge, Jürgen/Kleinbeck, Uwe/Quäck, Almut (1995): Motive der Bildschirmspieler. Die Suche nach virtueller Macht, künstlicher Harmonie und schnellen Erfolgen? In: Fritz, Jürgen (Hrsg.) (1995): Warum Computerspiele faszinieren. Empirische Annäherungen an Nutzung und Wirkung von Bildschirmspielen, Weinheim, S. 214-238.

Wiemken, Jens (2001): Hardliners-Zeit für Helden? In: Fromme, Johannes/Meder, Norbert (Hrsg.) (2001): Bildung und Computerspiele. Zum kreativen Umgang mit elektronischen Bildschirmspielen, Opladen, S. 57-98.

Internetadressen

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http://www.bfnam-lan.de, 04.03.04.

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http://www.unitedadmins.com, 16.04.04.

http://www.waldemar-vogelgesang.de/pdf/jugendkulturen.pdf, 29.03.04.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Bildausschnitt einer Internetpräsentation von LAN-Event-Organisatoren

Abbildung 2 Verteilung von LAN-Partys in Deutschland (März/April 2004)

Abbildung 3 Stellenwert von Netzwerkspielen für Jugendliche. Frage: „Spielst du Multiplayer-Spiele?“

Abbildung 4 Die zehn meistverkauften Videospiele im März 2004

Abbildung 5 Gegenüberstellung der Originalwaffe „Kalaschnikow AK-47“ und der entsprechenden Spielwaffe in CS

Abbildung 6 CS-Waffe im Original

Abbildung 7 Deutsche und englische CS-Version

Abbildung 8 Gewaltdifferenzierung

Abbildung 9 Spielausschnitt „Super Mario Brothers 2“

Abbildung 10 Motivationspsychologisches Modell

Abbildung 11 Spielausschnitte „Street Fighter 2“ und „Joshi´s Cookie“

Abbildung 12 Emotionsanregende und neutrale Dias aus der Untersuchung Steckels

Abbildung 13 Motivationspsychologisches Grundmodell nach Wegge

Abbildung 14 Grundmuster von Computerspielen und deren Parallelen zur Außenwelt

Abbildung 15 Regelkreis der strukturellen Kopplung nach Fritz

Abbildung 16 Altersverteilung der Umfrageteilnehmer

Abbildung 17 Schulformen der Umfrageteilnehmer

Abbildung 18 Verbrachte Stunden am PC pro Woche

Abbildung 19 Onlinekosten pro Monat

Abbildung 20 Stunden pro Woche, die CS gespielt wird

Abbildung 21 Motive für das Spielen von CS

Abbildung 22 Persönliche Kontakte im Clan

Abbildung 23 Teilnahme an LAN-Partys pro Jahr

Anhang

A1: Bildausschnitt aus der Counterstrike.de-Seite

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A2: Bildausschnitt aus der Internetpräsenz des OMC-Clans

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A3: Online-Umfrage des Autors

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vielen Dank, dass du an dieser Umfrage teilnimmst. Diese Umfrage wird Bestandteil meiner Diplomarbeit mit dem Thema: “Friendly Fire im Kinderzimmer, die Auswirkungen von Counterstrike & Co” sein. Es geht darum, ein Profil von Counterstrikespielern zu entwickeln, weswegen ich auf die Mitarbeit von möglichst vielen CS-Spielern angewiesen bin. Die Ergebnisse dieser Umfrage werde ich auf dieser Seite im Sommer 2004 veröffentlichen. Alle Daten werden ausschließlich für Forschungszwecke genutzt und nicht Dritten zugänglich gemacht.

Vielen Dank für deine Mithilfe.

Stefan Gesmann, Münster 10.02.04. Bei Rückfragen: stefan@gesmann.de

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] „Als Erstes stirbt das Mitgefühl, dann kann aus dem Computerspiel auch blutiger Ernst werden" (vgl. http://www.n-tv.de/3009513.html, 07.04.04). „Computerspiele sind Tötungssimulatoren“ (Grossmann/DeGaetano 2002, 85). „Mit ‚Ego-Shootern’ trainiert der Spieler das Töten“(Glogauer 2002, 154).

[2] Ansätze dieser Grundauffassung lassen sich in der Stimulations-, Habitualisierungs- und Erregungstheorie wiederfinden.

[3] Ansätze dieser Grundauffassung lassen sich in der Katharsis- und Inhibitionstheorie wiederfinden.

[4] Im Folgenden als KIM-Studie bezeichnet.

[5] Vgl. http://www.mpf.de/studien/kim/kim03.html 29.03.04.

[6] Vgl. http://www.mpfs.de/studien/kim/kim03.html, 29.03.04.

[7] Vgl. http://www.waldemar-vogelgesang.de/pdf/jugendkulturen.pdf, 29.03.04.

[8] Im Folgenden als LAN bezeichnet.

[9] Ein Ping ist ein Datenpaket, welches dem Onlinespieler vom angewählten Server geschickt wird, d.h., die Antwort des Servers auf die Anfrage des PCs. Diese Antwortzeit des Servers wird in Millisekunden (ms) angegeben - und je schneller der Server antwortet, desto besser ist der Ping.

[10] Vgl. hierzu auch Teil A, Kap. 2.2.3: Teamplay und Taktik.

[11] Vgl. http://www.planetlan.de/history.html, 19.04.04.

[12] Beispielsweise das TCP/IP Protokoll, ein Microsoft Windows Standardprotokoll, das für die Anbindung an ein Netzwerk notwendig ist.

[13] Vgl. „http://www.planetlan.de“ oder „http://www.lanpartys.de“, 03.05.04.

[14] Vgl. http://www.electronic-arts.de, 01.04.04. Electronic Arts ist einer der weltweit führenden Hersteller von Computerspielesoftware.

[15] Internet Realy Chats, Abgekürzt IRC.

[16] Vgl. http://www.gamestar.de/multiplayer/clanliga, 01.04.04.

[17] Vgl. http://www.clanbase.com/welcome.php, 02.04.04.

[18] Vgl. http://www.clanbase.com/ladders.php?gid=22, 04.04.04.

[19] Vgl. http://www.unitedadmins.com, 16.04.04.

[20] Vgl. http://www.bpb.de/snp/referate/bra_netgames.htm, 15.03.04.

[21] Vgl. http://www.gamestar.de/aktuell/umfragen/ergebnis.php?id=51&seite=1, 15.03.04.

[22] Vgl. http://speicherlan.de/index.php?show=turniere, 22.04.04.

[23] Im weiteren als CS abgekürzt.

[24] Im weiteren Verlauf als FPS abgekürzt.

[25] Weitere Informationen zu den unterschiedlichen Szenarien finden sich unter „http://www.bpb.de/snp/referate/wiemk_cs.htm“ oder „http://www.counterstrike.de“, 15.04.04.

[26] Die Möglichkeit des Kommunizierens besteht seit der Version 1.3.

[27] Vgl. http://www.cs.4players.de/strategie_waffen.php3 16.03.04.

[28] Vgl. http://www.counterstrike.de, 20.04.04.

[29] Vgl. http://www.cs.4players.de/strategie_waffen.php3, 20.04.04.

[30] Vom Autor rot gekennzeichnet.

[31] Vgl. http://forum.counterstrike.de, 15.04.04.

[32] Das neue JuSchG ist am 1. April 2003 in Kraft getreten.

[33] Vgl. http://www.gamer-gegen-terror.de, 23.04.04.

[34] Vgl. http://www.telepolis.de/deutsch/special/game/14900/1.html; 21.03.04.

[35] In Teil A, Kap. 3.4.1 wird exemplarisch die Untersuchung Steckels auf diese Fragestellung hin beleuchtet.

[36] Katharsis (griech.) = Reinigung

[37] Die als „Yale-Gruppe“ bezeichneten Forscher der Universität Yale: Dollard, Doob, Miller, Mowrer und Sears.

[38] Titel einer Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum vom 15.11.2000.

[39] http://www.3sat.de/nanao/astuecke/13978, 01.05.04.

[40] Vgl. Teil A, Kap. 3.3.4: Das Motivationstheoretische Verständnis von Aggression.

[41] Nach dem Zufallsprinzip wurde bestimmt, ob die Kinder „Street Fighter 2“ oder „Joshi´s Cookie“ spielen sollten.

[42] Vgl. Abbildung 13: Das motivationspsychologische Grundmodell nach Wegge.

[43] Vgl. auch Teil A, Kapitel 4.3: Grundmuster von Computerspielen.

[44] Vgl. Teil A, Kap. 4.3: Grundmuster von Computerspielen.

[45] Vgl. http://www.bpb.de/snp/referate/fritzwkl.htm, 15.03.04.

[46] Vgl. Teil A, Kap. 2.4: Virtuelle versus realer Gewalt

[47] Vgl. Teil A, Kap. 4.1.2: Die vier Funktionskreise.

[48] Vgl. Teil A, Kap. 1.3.3: Der Reiz von Netzwerkspielen.

[49] Der Original-Fragebogen der Umfrage ist im Anhang zu finden (vgl. Anhang, A3).

[50] Vgl. http://www.counterstrike.de, 02.05.04.

[51] Ein Bildausschnitt der Counterstrike.de-Seite mit dem Hinweis auf die Umfrage ist im Anhang dieser Arbeit zu finden (vgl. Anhang, A1).

[52] Momentan beträgt der Pauschalbetrag bei der Deutschen Telekom 29,95 €, zuzüglich 16,99€ Grundgebühr für den DSL-Anschluss.

[53] Im Hardliner-Ansatz wird versucht, die bei Bildschirmspielern begrenzten sinnlichen Erfahrungen durch authentische Erfahrungen zu erweitern, um so die Inhalte von Computerspielen, wie z.B. aggressionshaltige Elemente, kritisch hinterfragen zu können. So wurde beispielsweise das Computerspiel „Doom“ so nachgespielt, dass die Spieler unter Anleitung von Betreuern das Spiel nachbetrachtend gemeinsam reflektiert haben.

[54] Subsidiaritätsprinzip: „Sozialethisches, verfassungsrechtliches und gesellschaftspolitisches Prinzip, das nach den Kriterien der Erforderlichkeit und der besseren Erfüllbarkeit den kleineren Einheiten (Individuum, Familie, Gemeinde, Region, Teilstaat) Handlungspriorität vor den nächst höheren gibt. Die übergeordnete Gemeinschaft soll nur tätig werden, und ist aber dann auch zur Hilfe verpflichtet, wenn die untergeordnete Ebene der sozialen oder politischen Unterstützung bedarf.“ (Vgl. Lexikon der Politik 1998, 630)

[55] Das Interview wurde mit dem Sozialpädagogen Martin Holtmann am 11. März 2004 im Jugendzentrum „Stellwerk“ in Coesfeld geführt. Das „Stellwerk“ veranstaltet bereits seit zwei Jahren zwei Mal im Jahr eine LAN-Party und ist damit Hauptveranstalter sozialpädagogisch betreuter LAN-Partys im Kreis Coesfeld.

[56] Das „Stellwerk“ ist dem Jugendamt Coesfeld unterstellt.

[57] Vgl. http://www.stellwerk-coesfeld.de, 02.05.04.

[58] Wie z.B. die in Teil A, Kapitel 1.3.2 genannte Homepage: „http://www.planetlan.de“.

[59] Vgl. die Interviews mit Steinhäusers Eltern in der ARD-Dokumentation „Amok in der Schule“ vom 21. April 2004.

Final del extracto de 134 páginas

Detalles

Título
Friendly Fire im Kinderzimmer, die Auswirkungen von Gewaltcomputerspielen und ihre pädagogische Bedeutung
Universidad
University of Applied Sciences Münster
Calificación
1,3
Autor
Año
2004
Páginas
134
No. de catálogo
V108916
ISBN (Ebook)
9783640071067
Tamaño de fichero
2267 KB
Idioma
Alemán
Notas
In dieser Arbeit werden nicht die direkten Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen untersucht sondern ein Schritt zuvor angesetzt. Es wird geklärt aus welcher Motivaton heraus Kinder und Jugendliche gewalthaltige Computerspiele wie beispielsweise Counterstrike spielen. Der Anhang ist aus Darstellungsgründen nur in der Druckversion enthalten.
Palabras clave
Friendly, Fire, Kinderzimmer, Auswirkungen, Gewaltcomputerspielen, Bedeutung
Citar trabajo
M. A. Stefan Gesmann (Autor), 2004, Friendly Fire im Kinderzimmer, die Auswirkungen von Gewaltcomputerspielen und ihre pädagogische Bedeutung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108916

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