Wasser. Die Privatisierung eines Elements

Eine kritische Analyse des globalen Wassermarktes


Seminar Paper, 2004

31 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1) Wasser als Wirtschaftsgut

2) Wasser – eine knappe Ressource
2.1) Menge und Verwendung von Süßwasser
2.2) Regionaler Trinkwassermangel: Auswirkungen und Initiativen

3) Der Wassermarkt
3.1) Anteile der privaten und öffentlichen Weltwasserversorgung
3.2) Expertenprognosen für das Potential des Wassermarktes
3.3) Die beiden Großen des Wassergeschäfts
3.3.1) Vivendi Environnement (heute: Veolia Environnement)
3.3.2) Suez/Ondeo
3.4) Die Definition des Wassers als Ware
3.5) Der Weltwasserrat
3.6) Die Weltwasservision der World Commission on Water
3.7) Globale Finanzinstitutionen als Unterstützer der Privatwirtschaft
3.7.1) IWF und Weltbank
3.7.2) Welthandelsorganisation WTO

4) Negativbeispiele einer kommunalen Privatisierung der Wasserversorgung
4.1) Der Korruptionsfall von Grenoble
4.2) Die Katastrophe von Cochabamba

5) Kritische Stimmen zur Wasserprivatisierung

6) Profitware Wasser

7) Literaturverzeichnis

1) Wasser als Wirtschaftsgut

Wasser ist ein grundlegendes Element der Welt und des Lebens. Viele Religionen und Kulturen sehen Wasser als heiliges Allgemeingut an, zu dem jeder Mensch einen freien Zugang haben soll und muß. Demgegenüber steht die offizielle ökonomische Neudefinition des Wassers zum Ende des 20. Jahrhunderts, die das Wasser zu einer Wirtschaftsware machte. Meiner Leitfrage à Dient die Privatisierung des Wassers dem allgemeinen Interesse? folgend analysiere ich anhand dieser Arbeit das ökonomische Potential des Wassers und die Folgen der Privatisierung des Wasser­sektors für die einzelnen Parteien.

Meine Analyse beginnt mit der Problematisierung des Wassers als knappe Ressource, in der ich auf die Aspekte der Menge und Verwendung von Süßwasser und auf die Auswirkungen des regionalen Trinkwassermangels eingehe. Im nächsten Punkt (3) stelle ich die einzelnen Aspekte des Wassermarktes und dessen Herausbildung, bzw. Etablierung dar. Zu ihnen gehören sowohl die Anteile des privaten, bzw. öffentlichen Sektors an der globalen Wasserversorgung, als auch eine Wachstumsprognose für den Wassermarkt und die Unternehmensprofile der zwei größten Wasserdienstleister der Welt. In den weiteren Unterpunkten zum Wassermarkt zeige ich auf, wie wichtige und einflußreiche internationale Organisationen die Privatisierung möglich gemacht haben und inwiefern sie diese unterstützen, beziehungsweise vorantreiben. In Abschnitt 4 stelle ich zwei Negativbeispiele bereits praktizierter Privatisierungen in Städten dar, ehe ich im fünften Teil weit verbreiteten Kritiken an der Privatisierungspraxis, stellvertretend niedergeschrieben durch zwei Buchautoren, eine Geltung verleihe. Im abschließenden Fazit fasse ich die Ergebnisse meiner Arbeit zusammen und beziehe Stellung zu der in diesem Werk thematisierten Problematik

2) Wasser – eine knappe Ressource

2.1) Menge und Verwendung von Süßwasser

Wasser ist die Basis jeglichen Lebens und daher absolut unersetzlich.[1] So kann man zwar anstelle von einem Liter Wasser einen Liter Orangensaft konsumieren, doch benötigt man für die Herstellung des Liters Orangensaft bis zu 1000 Liter Wasser.[2] Auch bei der Produktion anderer Nahrungs- und Konsumgüter sowie der Verarbeitung von Rohstoffen und im Zuge diverser wirtschaftlicher Tätigkeiten von Menschen (z.B. Landwirtschaft, Fischerei, Industrie, etc.) wird eine große Menge an Wasser verbraucht. Die auf der Erde vorhandene Menge an Wasser bleibt stets konstant, da sie durch einen ständigen Kreislauf immer wieder erneuert und gereinigt wird. Süßwasser wird für die meisten wirtschaftlichen Prozesse verwendet und stellt den kleinsten Teil der globalen Wasservorräte dar.[3] Die Welt wird zu vier Fünfteln von Wasser bedeckt. Allerdings handelt es sich dabei hauptsächlich um Ozeane, also um Salzwasser. Lediglich 2,5% der globalen Wasservorräte sind trinkbar. Von dieser Menge sind wiederum rund vier Fünftel nicht zugänglich, da sie in Gletschern oder Eisbergen gebunden sind. Der größte Teil ­­des von Menschen nutzbaren Süßwassers befindet sich in unterirdischen Grundwasservorkommen.[4] Einige Grundwasserleitern, sogenannte Aquifere, breiten sich sehr großflächig aus. Die Grundwasserreserven der Welt sind rund 60 mal so groß wie die Wasservorkommen in den Flüssen und Seen.[5] Jedes Jahr verdunstet ein Großteil der erneuerbaren Süßwasservorräte in die Atmosphäre. Dieses Wasser regnet zum Teil auf Ozeane, zum Teil auf Wälder, Äcker und Wiesen nieder, die Niederschläge sind jedoch von Region zu Region verschieden. Das übrige Süßwasser fließt über Flüsse oder das Grundwasser ins Meer, wo es ebenso verdunstet. Diese Wasser­ressourcen sind ihrerseits sehr ungleich verteilt – so verfügt Brasilien beispielsweise über mehr Fließgewässer als die USA und Kanada zusammen.[6]

Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erforderten die stetig wachsende Welt­bevölkerung und die gleichzeitig expandierende Wirtschaft immer größere Mengen an Wasser.[7] Die Bemühungen, Wasser nutzbar zu machen, und der gleichzeitige Einsatz von Kunstdüngern und Pestiziden führten zu einer Intensivierung der Landwirtschaft und einer Erhöhung der Produktionsraten. Heute werden weltweit rund zwei Fünftel der Nahrungsmittel auf künstlich bewässerten Anbauflächen produziert.[8] So sind Länder wie China, Indonesien, Indien, Pakistan, Israel oder Japan bei über der Hälfte ihrer Lebensmittelproduktion auf künstliche Bewässerung angewiesen.[9] Die Fließgewässer und Niederschläge würden nicht mehr ausreichen, um genügend Nahrungsmittel für die Weltbevölkerung zu produzieren. Dadurch gehen heute etwa 70% des globalen Wasserverbrauchs auf das Konto der Landwirtschaft. Die Industrialisierung erfaßte Mitte des 19. Jahrhunderts weite Teile Europas. Auch sie wäre ohne den Wasser­reichtum Europas und die technischen Innovationen undenkbar gewesen. Für den Antrieb der Maschinen und die verschiedensten industriellen Fertigungsprozesse brauchte man Milliarden von Litern Wasser.[10] Im 20. Jahrhundert hat der weltweite Wasserverbrauch stark zugenommen: 1900 wurden noch rund 38 Kubikkilometer Wasser für die gesamte industrielle Fertigung verwendet, 1995 waren es schon 732 Kubikkilometer.[11] So ist die Industrie heute für gut 20% des weltweiten Wasser­verbrauchs verantwortlich. Atomkraftwerke und Kraftwerke auf der Basis fossiler Brennstoffe sind die größten industriellen Einzelverbraucher. Auch andere industrielle Produktionsformen verbrauchen Unmengen von Wasser. So braucht es ca. 400.000 Liter Wasser, um ein Auto herzustellen.[12] Die Haushalte verbrauchen lediglich etwa 10% des Wassers.[13] Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in vielen europäischen Ländern Abwasserreinigungssysteme. Gleichzeitig wurden weltweit zu­nehmend mehr Städte und Kommunen an Wassersysteme angeschlossen. Dieser Prozeß ist bis heute allerdings noch lange nicht abgeschlossen.[14]

2.2) Regionaler Trinkwassermangel: Auswirkungen und Initiativen

Zur Zeit haben rund 1,2 Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Rund 2,5 Milliarden Menschen leben ohne einen Mindeststandard an ge­regelter Abwasserversorgung.[15] Zudem sterben jedes Jahr ca. 2,4 Millionen Kinder an Krankheiten, die durch verunreinigtes Wasser übertragen werden.[16] Aufgrund dieser Notlagen hat die UN-Millennium-Generalversammlung folgendes Entwicklungsziel[17] festgelegt:

„[…] bis zum Jahr 2015 den Anteil der Weltbevölkerung, dessen Einkommen weniger als 1 Dollar pro Tag beträgt, und den Anteil der Menschen, die Hunger leiden, zu halbieren, sowie bis zu demselben Jahr den Anteil der Menschen, die hygienisches Trinkwasser nicht erreichen oder es sich nicht leisten können, zu halbieren“, und „[…] der auf Dauer nicht tragbaren Ausbeutung der Wasser­ressourcen ein Ende zu setzen.“

(General Assembly Resolution, A/Res/55/2 vom 18.09.2000)

Um diese Ziele zu erreichen, muß bis 2015 weiteren rund 1,6 Milliarden Menschen Zugang zu ausreichender Wasserinfrastruktur verschafft werden. Auch die Zahl der Menschen, die ohne Abwasserbeseitigung leben, soll bis 2015 halbiert werden (The Bonn Keys; International Freshwater Conference 03. bis 07. Dezember 2001), d. h. mindestens zwei Milliarden Menschen müssen mit einer verbesserten Ab­wasser­infra­struktur versorgt werden (Bonn Recommendations for Action, The Bonn Keys).[18] Allerdings reichen die bisweilen eingesetzten Finanzen zur Erreichung dieser Ziele nicht aus. Schätzungen der Investitionen, die für eine erforderliche Wasserinfrastruktur notwendig sind, reichen bis zu 180 Milliarden US-Dollar jährlich. Derzeit werden rund 70 bis 80 Milliarden US-Dollar pro Jahr investiert.

Alleine für die Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Wasser wären 20 Milliarden US-Dollar nötig, verglichen mit einem heutigen Niveau von 10 Milliarden US-Dollar.[19] Die Basis dieser Schätzungen wird allerdings, sofern sie auf den Lösungskonzepten und Kostenkalkulationen der Wasserkonzerne beruhen, auch in Zweifel gezogen:

„Der immense Investitionsbedarf, den die Weltbank mit jährlich 60 Milliarden US-Dollar veranschlagt, ist ein zentrales Argument für die Beteiligung des privaten Sektors: Nur so seien die erforderlichen Mittel aufzubringen. Diese Schätzungen basieren jedoch weitgehend auf den Lösungskonzepten, Kosten­kalkulationen und Gewinnerwartungen der, Global Players´ selbst. Damit nimmt die Argumentation der Weltbank ihr Ergebnis implizit vorweg. Und der Blick auf die Alternative, nämlich Lösungen und damit Akteure zu suchen, die kostengünstiger sind, wird damit verstellt.“[20]

3) Der Wassermarkt

3.1) Anteile der privaten und öffentlichen Weltwasserversorgung

Die weltweite Wasserversorgung und Abwasserentsorgung wird in der Regel haupt­sächlich (noch) von öffentlichen Unternehmen ausgeführt. Privatisierung und Public-Private-Partnership (PPP) stellen eher die Ausnahme dar. Selbst in den Städten werden lediglich unter 10% der Bevölkerung von Privatunternehmen versorgt. Die euro­päischen Länderausnahmen sind Großbritannien und Frankreich. In beiden Ländern beziehen mehr Menschen ihr Trinkwasser von privaten Unternehmen.[21] In Nord­amerika, Osteuropa, Afrika und Asien betrug der Privatisierungsgrad 1997 weniger als 5%.[22] 42% der globalen privaten Wasserversorgungs- und Abwasser­ent­sorgungs-projekte sind jedoch in Lateinamerika realisiert, 31% entfallen auf Ostasien und den Pazifik.[23]

3.2) Expertenprognosen für das Potential des Wassermarktes

Die Zeitschrift Fortune stellt in einer Reportage über die globale Wasserindustrie im Mai 2000 folgendes fest[24]:

“Water promises to be to the 21st century what oil was to the 20th century: the precious commodity that determines the wealth of nations“[25]

Diese Prognose ist durchaus ernst zu nehmen, gilt doch die Versorgung der Be­völker­ung und der Industrie mit Wasser bereits jetzt schon als ein Geschäft mit einem Jahresvolumen von weltweit rund 400 Milliarden US-Dollar.[26] Zahlen von Fortune belegen die ökonomische Wichtigkeit des Wassersektors:

“Supplying water to people and companies is a $400-billion-a-year industry. That's 40% of the size of the oil sector and one-third larger than global pharmaceuticals.“[27]

Industrieanalysten trauen der Wasserindustrie noch bedeutend höhere kurzfristige Zuwächse zu. 1998 prognostizierte die Weltbank dem Wassersektor in naher Zukunft ein Volumen von 800 Milliarden US-Dollar. Diese Voraussage wurde 2001 auf eine runde Billion US-Dollar erhöht.[28]

Experten gehen davon aus, daß der Privatisierungsanteil weltweit steigen wird.[29] Das liegt zum großen Teil auch daran, daß es bis ins Jahr 2010 schätzungsweise weltweit über 650 Millionenstädte geben wird, die für ihre Bevölkerungsschichten über eine völlig unzureichende Wasserversorgungsinfrastruktur verfügen werden.[30] Vivendi, das größte Wasserunternehmen der Welt, rechnet für das Jahr 2010 mit einem privaten Marktanteil von rund 60% in Lateinamerika, von bis zu 35% in Westeuropa und Afrika und von ca. 20% in Nordamerika und Asien.[31]

Diese Zahlen sind mit einiger Vorsicht zu genießen, weil sie wiederum von den Unternehmensinteressen geleitet sind. Trotzdem gibt alleine die Umsatzsteigerung von Vivendi Water in den letzten Jahren einen Hinweis darauf, wie dynamisch sich dieser Markt entwickelt. Vivendi Water erreichte mit einem Umsatz von 14 Milliarden Euro im Jahr 2001 eine Umsatzsteigerung von 50% gegenüber 1998.[32]

3.3) Die beiden Großen des Wassergeschäfts

3.3.1) Vivendi Environnement (heute: Veolia Environnement)

Das Unternehmen wurde 1853 durch ein kaiserliches Dekret mit dem Ziel gegründet, Paris mit Wasser zu versorgen. Im Laufe seines Bestehens expandierte die damals noch unter dem Namen Compagnie Générale des Eaux agierende Firma weltweit und diversifizierte in sämtliche Versorgungsbereiche.

Heute bietet das Multi-Utility-Unternehmen alle möglichen Dienstleistungen an: Wasser, Abwasser, Energie, Transport und Abfall.[33] Veolia Environ­nement gehören derzeit 33 Firmen. An über 50 Unternehmen besitzt der Konzern Beteiligungen. Darunter sind auch etliche Anteile an ehemals öffentlichen Wasserversorgern und Abwasserentsorgern wie den Berliner Wasserbetrieben.[34] Zusammen mit seinen Konkurrenten Suez und SAUR teilt sich Veoila Environnement gut 80% des französischen Trinkwassermarktes. Gleichzeitig ist Veoila weltweit der wichtigste private Wasserversorger. Über 110 Millionen Menschen und 40 Millionen Betriebe weltweit beziehen ihr Wasser von diesem Konzern.[35]

3.3.2) Suez/Ondeo

Die ehemalige Suez Lyonnaise des Eaux, die sich seit dem Jahr 2001 Suez nennt, ist Hauptkonkurrentin der heutigen Veolia Environnement. Suez entstand 1997 aus der Fusion der Compagnie de Suez und der Lyonnaise des Eaux. Erstere wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts für die Finanzierung und den Bau des Suezkanals gegründet. Nach der Verstaatlichung des Suezkanals war das Unternehmen weiterhin im Bereich der Finanz- und Industriedienstleistungen tätig.

Die Lyonnaise des eaux et d`éclairage entstand 1880 mit der Aufgabe, die Stadt Lyon mit Wasser und Elektrizität zu versorgen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Unternehmen zu einem der weltweit führenden Konzerne in sämtlichen Versorgungsbereichen. Zu den Kernaktivitäten Wasser und Energie kamen noch Bau- und Abfallunternehmen sowie Firmen, die mit der Wartung von Parks oder Gefängnissen befaßt waren.

Die Öffnung der globalen Wassermärkte zu Beginn der 1990er Jahre führte zu einem weiteren Akquisitionsschub im Wasserbereich, so daß heute weltweit ebenfalls über 110 Millionen Menschen durch Suez mit Wasser versorgt werden. Für 70 Millionen Menschen kümmert sich der Betrieb um die Abwasserentsorgung, während er zudem Wasserver- und Entsorgungsverträge mit 60 Millionen Firmen erfüllt.[36]

Suez ist derzeit an über 60 Firmen im Energie-, Bau-, und Abfallsektor beteiligt. Für den Sektor Wasserver- und Entsorgung ist hauptsächlich die Konzerntochter Ondeo zuständig, die ihrerseits wiederum an 30 weiteren Firmen beteiligt ist.[37] Im Jahr 2001 hat Suez die Akquisitionsstrategie in sämtlichen Bereichen fortgeführt. Dies führte zu einer Umsatzsteigerung des Gesamtkonzerns von 3,4 Milliarden auf 4,2 Milliarden Euro. Der Wassersektor stieg dabei von 0,9 auf 1 Milliarde Euro. Suez hat sein Umsatzwachstum allerdings hauptsächlich den Zukäufen neuer Firmen zu verdanken. Lediglich 7% der Umsatzerhöhungen waren auf das Wachstum aus eigener Kraft zurückzuführen. Der Reingewinn stieg ebenfalls nur um 4%. Durch diese aggressive Akquisitionspolitik mußte auch Suez den Schuldenstand enorm erhöhen, nämlich auf 118% des Eigenkapitals.[38] Ein Jahr später sah sich das Unternehmen noch einem massiven Schuldenberg von 26 Milliarden Euro gegenübergestellt.[39]

3.4) Die Definition des Wassers als Ware

In den letzten 30 Jahren verbreitete sich das Bewußtsein, daß Wasser allmählich zu einem knappen Gut werden würde.[40] Die Weltbank ging dieses Problem direkt ökonomisch an und orientiert sich bis heute an den folgenden vier Beschlüssen der Internationalen Wasser- und Umweltkonferenz der UNO von Dublin 1992[41]:

(1) Trinkwasser ist ein endliches und verletzliches Gut, das absolut notwendig ist für Leben, Entwicklung und Umwelt. Soziale und wirtschaftliche Ent­wicklung muß Hand in Hand gehen mit dem Schutz des Ökosystems

(2) Entwicklung und Management von Wasser muß ausgehen von einem ge­meinschaftlichen Ansatz, der alle Verbraucher, Planer und Ent­scheidungs­träger aller Stufen einschließt.

(3) Frauen spielen eine entscheidende Rolle bei Beschaffung, Verwaltung und Schutz von Wasser. Sie haben das Recht bei allen Entscheiden mitzubestimmen.

(4) Wasser hat einen wirtschaftlichen Wert. Alle Menschen sollen ein Grund­recht auf Wasser und Sanitation haben zu einem angemessenen Preis. Wasser als wirtschaftliches Gut zu betrachten ist ein guter Weg zu effizientem und an­gemessenem Verbrauch.[42]

Vor allen Dingen der vierte Punkt sorgte für Furore und stieß bei der Finanz- und Unternehmenswelt auf ein großes Echo: „Die Idee von Wasser als einem Wirtschaftsgut ist eine kulturelle Revolution“, lobte die Controlling-Firma PriceWaterhouseCoopers in einem ihrer Berichte das „Dublin Statement“.[43] Die neuen Theorien besagen, daß Wasser nur deshalb verschmutzt und verschwendet werde, weil es allen beinahe kostenlos zur Verfügung stehe.

Wäre Wasser den marktwirtschaftlichen Prinzipien von Angebot und Nachfrage unter­worfen, würde es zu einem kostendeckenden Preis verkauft, der die Investitionen in Staudämme, Wasserrohre und Kläranlagen korrekt widerspiegle.

Die durch den Markt bestimmten Preise würden ihrerseits zu einer effizienteren Nutzung und Verteilung der Wasserressourcen führen. Und das wiederum hätte zur Folge, daß man der Wasserkrise beikommen könne.

Durch dieses neue Paradigma wurde ein grundlegendes Tabu gebrochen: Wasser war kein Allgemeingut mehr, das von allen mehr oder weniger kostenlos genutzt werden konnte. Wasser war wie Schuhe, Autos und Brot zu einer Handelsware geworden.[44]

3.5) Der Weltwasserrat

In den Folgejahren dieses Paradigmenwechsels entstanden zahlreiche staatliche und nichtstaatliche Organisationen, die sich ausschließlich mit der Vermarktung von Wasser befaßten. Eine der mächtigsten Organisationen ist der 1996 gegründete Weltwasserrat (World Water Council). Ziel der in Marseille/Frankreich ansässigen, supranationalen Organisation ist es, die verschiedenen Blickwinkel im Wasserbereich zu koordinieren und auf einen Nenner zu bringen, damit möglichst schnell neue Handlungs­möglichkeiten für die Mitglieder – Regierungen, internationale Organisationen, Nicht­regierungsorganisationen und multinationale Konzerne – geschaffen werden können. Dabei ist der Weltwasserrat kein demokratisch legitimiertes, neutrales Gremium, sondern stark mit der Wasserindustrie und der Weltbank vernetzt. Alle drei Jahre organisiert der Weltwasserrat eine große, internationale Konferenz. Diese Veran­staltungen sind inzwischen zu wichtigen Networking-Plattformen geworden, so daß kein Weg an ihnen vorbei führt.[45]

3.6) Die Weltwasservision der World Commission on Water

Die Ministererklärung des ersten Weltwasserforums (März 1997 in Marrakesch in Marokko) beauftragte den Weltwasserrat, „eine Vision für Wasser, Leben und die Umwelt für das 21. Jahrhundert“ auszuarbeiten. In diese Erklärung sollte die gesamte Weltbevölkerung eingeschlossen werden: Die Zivilgesellschaft, die Privatwirtschaft, staatliche Institutionen, lokale Gemeinschaften und Interessensgruppen von Frauen.[46] Daraufhin gründete der Weltwasserrat 1998 die World Commission on Water for the 21st Century mit Sitz in Stockholm/Schweden, welche die „Vision“ erarbeiten sollte. Die Kommission besteht aus 21 hochkarätigen Wasserspezialisten aus aller Welt. Vorsitzender der World Commission on Water ist Ismail Serageldin, ein mit 13 Ehrendoktortiteln ausgezeichneter Wirtschaftswissenschaftler[47] und damaliger (1998) Vizepräsident für Sonderprogramme der Weltbank. Die „Vision“ wurde zum zweiten Weltwasserforum im März 2000 in Den Haag/Niederlande publiziert. Dieser war stark beeinflußt von Serageldins neoliberalen Wasservisionen[48], die er 1994 in einem kleinen Buch[49] veröffentlicht hatte. Serageldin sieht in den Haushalten die Keimzelle für den nachhaltigen Umgang mit Wasser. Deshalb sind alle Haushalte mit Wasser­versorgungen und Abwasserentsorgungen auf ökologisch nachhaltige Weise auszustatten. Somit wäre die Wasserversorgung laut Serageldin in erster Linie von privatem Nutzen, da vor allem die privaten Haushalte von ihren Annehmlichkeiten wie Gesundheit oder Zeiteinsparungen profitieren würden.[50] Deshalb sollen die privaten Haushalte auch selbst für die Finanzierung der Wasserversorgung aufkommen. Sie sollen die für sie am besten geeignete und finanzierbare Wasserversorgung aus einer Palette von Möglichkeiten wählen können.[51] Dadurch würden sich die versorgten Haushalte automatisch Gedanken um die Abwasserentsorgungen machen und auch hierbei nach Lösungen suchen.

So würde sich die Frage der Abwasserbehandlung und somit auch der Wasserqualität nach einiger Zeit auf überregionalem Niveau stellen, so daß sich alle beteiligten Wassernutzer darüber einigen müssen, wieviel sie in ökologische Maßnahmen investieren wollen. Schließlich sollen die Haushalte auch für die Kosten der Abwasserentsorgung aufkommen. In diesem nachfrageorientierten Ansatz soll laut Serageldin die Privatwirtschaft entscheidend zum Zug kommen, da staatliche Wasser­unternehmen wegen ihrer zentralistischen Struktur und Korruptionsanfälligkeit kaum in der Lage sind, ihre Dienstleistungen effizient und flexibel zu erbringen.[52] Außerdem hält der Autor universale, vom Staat festgelegte Standards in der Wasserver- und Entsorgung selbst in den wohlhabenden Ländern für kaum noch finanzierbar. Serageldin plädiert insgesamt auch dafür, daß die Privatwirtschaft auch die Nachfrage der ärmeren Menschen durch entsprechende Angebote decken muß.

In der Weltwasservision wurde Serageldins Analyse durch hunderte von Organi­sationen und Experten aus allen sich mit Wasser beschäftigenden Gebieten weiter­entwickelt.[53] Die Präambel der „Vision“ lautete schließlich:

“Every human being, now and in the future, should have enough clean water for drinking and sanitation, and enough food and energy at reasonable cost. Pro­viding adequate water to meet these basic needs must be done in equitable manner that works in harmony with nature.”[54]

Die Kostenfrage der revolutionären Wasserversorgung wird von der World Commission on Water als wichtigste und dringendste Aufgabe angesehen. Die Kommission fordert, daß die Verbraucher die vollen Kosten für alle Wasserdienstleistungen tragen sollen. Außerdem verlangt sie Subventionen, die direkt an die Armen gerichtet werden müssen und nicht etwa an die Dienstleister. Alternativ wird in der „Weltwasservision“ die Möglichkeit herangezogen, daß arme Menschen ihre Wasserrechnung durch Arbeits­leistungen be­gleichen können.

Die Vollkostendeckung muß auf jeden Fall gewährt sein, weil sie die Voraussetzung für ein größeres Engagement privater Wasserunternehmen im Wassergeschäft ist.[55]

Ausschließlich private Investoren seien in der Lage, die finanziellen Mittel für die notwendige Infrastruktur aufzubringen. Außerdem schafft das Prinzip der Voll­kosten­deckung den Privaten Anreize, neue Technologien für eine effizientere Wassernutzung auf den Markt zu bringen.[56]

Der Report sieht eine grundlegend neue Rollenverteilung für das Wassermanagement vor. So soll sich der Staat komplett aus der Wasserversorgung zurückziehen und günstige Rahmenbedingungen für die Neuausrichtung gemäß der „Vision“ schaffen. Vor allem soll der Staat dabei private Investoren durch Steuererleichterungen anziehen und ihnen nach getätigter Investition einen verläßlichen Regulierungsrahmen bieten, das heißt, die erbrachten Leistungen und die Wasserqualität kontrollieren, Preise evaluieren und darauf achten, daß die Unternehmen die Umweltnormen einhalten. Außerdem muß der Staat die Vollkostendeckung und die gezielte Subventionierung Ärmerer gewähr­leisten.

Privatunternehmen spielen in der neuen Ordnung die wichtigste Rolle.[57] Sie sollen vollumfänglich Wasser an alle Nutzer liefern und die Finanzierungen für die erforder­lichen Infrastrukturmaßnahmen tätigen. Kommunen und Benutzergruppen („Wasser­parlamente“ u. a.) sollen dafür Sorge tragen, daß ärmere Menschen einen Zugang zu Kleinkrediten („Mikrokrediten“) sowie Subventionen bekommen. Außerdem müssen diese Institu­tionen den oft mittellosen Menschen die freie Wahl ihrer Wasserversorgung ermög­lichen und erleichtern. Ein Mitspracherecht, auch auf überregionaler Ebene, soll durch die Wasserparlamente garantiert werden. Die Gelder der internationalen Entwicklungs­hilfeorganisationen sollen den Privatisierungsschub mit flankierenden Maßnahmen wie Forschung, Beratung auf kommunalem und nationalem Niveau und die Subvention­ierung der armen Bevölkerungsteile unterstützen.[58]

3.7) Globale Finanzinstitutionen als Unterstützer der Privatwirtschaft

3.7.1) IWF und Weltbank

Private Unternehmen sichern sich besonders in armen Regionen der Welt zunehmend mehr Marktanteile.[59] Die Hauptgeldgeber der Wasserversorger in den Entwicklungs­ländern sind internationale Kreditinstitute wie der IWF und die Weltbank. Dieses Finanzgebäude wird zusätzlich durch ein Netzwerk regionaler Entwicklungsbanken (European Investment Bank, Inter-American Development Bank, etc.) gestützt.[60] Die Weltbank verfügt über zwei Abteilungen zur Unterstützung der globalen Wasser­konzerne. Die erste ist die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development, IBRD). Sie vergibt Kredite an Staaten und kann diese Kreditvergabe an Bedingungen, wie die Privatisierung der öffentlichen Wasserversorgung, knüpfen. Kapital wird aber von Seiten der Weltbank auch direkt an die großen Wasserkonzerne gegeben. Dies geschieht über die International Finance Corporation (IFC).[61]

Neben der Weltbank und den regionalen Banken spielt inzwischen auch der Internationale Währungsfonds (IWF) eine wichtige Rolle bei der Privatisierung im Süden. So geht aus den Kreditunterlagen des IWF die 40 Länder betreffen hervor, daß das Finanzinstitut im Jahr 2000 zwölf Ländern die Privatisierung oder die kosten­deckende Preisgestaltung der Wasserversorgung zur Kreditbedingung gemacht hat. Acht dieser Länder liegen in der Region südlich der Sahara und sind meist ziemlich klein, sehr arm und hochgradig verschuldet.[62]

3.7.2) Welthandelsorganisation WTO

Auch die Welthandelsorganisation WTO spielt eine Schlüsselrolle bei der Marktöffnung für transnationale Unternehmen, indem sie die Privatisierung und den Export von Gütern und Dienstleistungen fördert, weswegen sie 1995 ins Leben gerufen wurde. Um den globalen (freien) Fluß von Kapital, Gütern und Dienstleistungen zu gewährleisten, ist die WTO dazu ermächtigt, kontinuierlich an der Eliminierung aller noch bestehender tarifären und nichttarifären Handelshemmnisse zu arbeiten. Dies geschieht mittels eines umfangreichen Regelwerks für den internationalen Handel, das alle 142 WTO-Mitgliedsstaaten akzeptieren und befolgen. Diese Handelsbestimmungen machen es den beteiligten Staaten schwer, den Import von Gütern sowie Kapital-, und Dienst­leistungen, einschließlich Wasser, zu verhindern, beziehungsweise deren Export zu kontrollieren.

Das GATT-Abkommen (General Agreement on Tariffs and Trade) ist ein wichtiger Bestandteil des WTO-Regelwerkes und definiert Wasser als Handelsware. Somit können Verbot und Quotierung des Wasserexports, selbst wenn sie aus Umweltgründen veranlaßt werden, als Handelsbeschränkung und damit als Verletzung internationaler Bestimmungen geahndet werden. Gleiches würde natürlich auch bei Import­beschränkungen gelten.[63] Auch bei verheerenden Auswirkungen für den Umweltschutz und andere sinnvolle Maßnahmen, die souveräne Staaten per Gesetz festgeschrieben haben, hält die WTO strikt an ihrem Standpunkt fest, Wasser als Handelsgut anzusehen.[64] Seit Februar 2000 führt die WTO Vorgespräche (GATS 2000) für eine neue GATS-(General Agreement on Trade in Services) Regelung. Die offiziellen Gespräche begannen im Jahr 2002 und sollen bis 2005 abgeschlossen sein. So wurde der Artikel VI über „staatliche Reglementierungen“ durch die Einführung einer „Notwendigkeits­prüfung“ erweitert. Dabei muß die jeweilige Regierung nachweisen, daß jede Maßnahme zur Aufrechterhaltung einer öffentlichen Dienstleistung „notwendig“ ist.[65]

Alleine unter diesen Umständen wären die betroffenen Regierungen zweifellos bereit, bisher öffentliche Sektoren privaten Unternehmen zu überlassen – schon alleine um die Last und die Kosten eines komplexen Verteidigungsverfahrens zu vermeiden. Zudem sehen die GATS-2000 Vorschläge vor, privaten ausländischen Dienstleistern den Zugang zu staatlichen Dienstleistungsverträgen zu verschaffen. Diese hätten damit den gesetzlichen Anspruch auf öffentliche Gelder, wie z. B. staatliche Zuschüsse und Kredite.[66] Die WTO geht mit einem Vorschlag noch einen Schritt weiter, indem sie multinationalen Unternehmen das besondere Recht auf kommerzielle Präsenz in einem anderen Land verleihen möchte, da die Bereitstellung einer Dienstleistung oftmals die Präsenz im Konsumentenland erfordert. So soll es ausländischen Dienstleistern erlaubt werden, ohne Einschränkungen in ein anderes Land investieren und dort Nieder­lassungen eröffnen zu können. Sollten die GATS-Regeln in diesem vollen Umfang angenommen werden, hätten die großen multinationalen Konzerne sämtliche recht­lichen Instrumentarien zur Hand, um sich weltweit öffentliche Wasserver­sorgungs­systeme an den Nagel zu reißen. Ein weiteres Instrumentarium der Macht stellen für die WTO auch ihre Schlichtungsstellen dar. Diese ermöglichen es den Mitgliedsstaaten, im Interesse eines im Land ansässigen Unternehmens zu agieren und Gesetze, Politik und Pro­gramme eines anderen Landes als Verstoß gegen geltendes WTO-Recht anzufechten. In so einem Fall können nicht gewählte Handelsexperten vor einem Tribunal über die Beschuldigungen befinden und die WTO-Regeln mit gesetzlich bindenden Auflagen durchsetzen. Hiervon wird inzwischen zunehmend Gebrauch gemacht. Viele be­schuldigte Regierungen geben im Angesicht hoher Sanktionen vor einem bedingungslos zu befolgenden Urteilsspruch oder schon vor dem Beginn der Verhandlungen nach und erfüllen die Forderungen der Klägernation, indem sie ihre Gesetze ändern. Die Urteile und die verhängten Strafen können auch nationale Gesetze, politische Vorhaben und staatliche Programme aushebeln oder neue entstehen lassen, die mit dem WTO-Reglement vereinbar sind. Diese Macht verdankt die WTO dem Umstand, daß sie im Unterschied zu anderen internationalen Institutionen sowohl judikative (recht­sprechende) als auch legislative (gesetzgebende) Gewalt hat.[67]

4) Negativbeispiele einer kommunalen Privatisierung der Wasserversorgung

4.1) Der Korruptionsfall von Grenoble

Durch das ungleiche Machtverhältnis zwischen Kommune und multinationalem Großkonzern kam es in Grenoble/Frankreich zu einem großen Korruptionsskandal, der sich in den 1990er Jahren ereignete. 1989 hat der Stadtrat beschlossen, die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung mittels eines Konzessionsvertrages (Lauf­zeit: 25 Jahre) an die Compagnie de Gestion des Eaux du Sud-Est (COGESE) zu übertragen.[68] Die Verträge mit der Tochter der damaligen Suez Lyonnaise des Eaux (heute ONDEO, hinter Vivendi der zweitgrößte private Wasserver- und Entsorger der Welt, beide aus Frankreich) unterschrieb der Bürgermeister von Grenoble, Alain Carignon.[69] Dieser Konzessionsvertrag war gleichzeitig das Ende einer Epoche, denn über 100 Jahre lang war die Wasserversorgung von Grenoble ein öffentlicher Betrieb, der stets Wasser von hoher Qualität zu einem günstigen Preis lieferte. Das Unternehmen erwirtschaftete jedes Jahr einen Gewinn, der ins Budget der Stadt floß. Aus diesen Gründen kam es zu heftigen Protesten der Gewerkschaften und der Umweltschutzpartei Association Démocratie Ecologie Solidarité (ADES). Nach der Übernahme des Betriebes COGESE kam es wie erwartet zu massiven Preisanstiegen. Fünf Jahre später kam heraus, daß dieses Geschäft durch massive Schmiergeldzahlungen eingeleitet wurde. So hatte Suez Lyonnaise des Eaux Carignon enorm bei seiner Wahlkampagne unterstützt und ihm auch Geschenke im Wert von fast drei Millionen Euro zukommen lassen. 1995 wurde Carignon, der inzwischen das Amt des Kommunikationsministers der Landesregierung bekleidet, zu vier Jahren Haft verurteilt. Jaques Prompsey, für den Handel auf der Seite von Suez Lyonnaise verantwortlich, mußte ein Jahr ins Gefängnis. Bei der Durchsicht der Konzessionsverträge stellte sich heraus, daß die Bevölkerung während der Versorgung durch COGESE rund 1 Milliarde französische Francs (ca. 152,5 Millionen Euro[70] ) zuviel für Dienstleistungen der COGESE bezahlt hatte.[71]

4.2) Die Katastrophe von Cochabamba

Die Weltbank teilte 1998 der bolivianischen Regierung mit, daß sie einen Kredit von 25 Milliarden US-Dollar für die Refinanzierung der Wasserwerke in Cochabamba (Stadt in Bolivien) nur dann gewähre, wenn die Stadt den Betrieb an ein Privatunternehmen verkaufen und die Kosten an die Verbraucher weitergeben würde. Daraufhin bekam Aguas del Tunari, eine neu gegründete Tochterfirma des US-amerikanischen Bau- und Wasserkonzerns Bechtel, die Konzession für die Wasserwerke von Cochabamba. Als die Wasserpreise um fast 35% in die Höhe schossen, gingen im Januar 2000 die Bewohner von Cochabamba zu zehntausenden auf die Straße und legten die Stadt durch Streiks und Blockaden vier Tage lang lahm.[72]

(Zu dieser Zeit lag der Mindestlohn in Cochabamba bei 100 US-Dollar. Die Wasserrechnungen kletterten nach der Privatisierung auf monatlich 20 US-Dollar – mit diesem Betrag konnte man eine fünfköpfige Familie fast zwei Wochen lang ernähren.[73] ) Die Protestaktionen wurden von der Coordinadora de la Defensa del Agua y de la Vida (Koalition zur Rettung des Wassers und des Lebens) unter der Führung von Oscar Olivera organisiert.[74] Damalige Meinungsumfragen ergaben, daß 90% der Bürger die Rückführung der Wasserbetriebe in die öffentliche Hand herbeisehnten. Es kam zu schwelenden Unruhen, die eine Woche lang anhielten. Daraufhin erklärte Staats­prä­sident Hugo Banzer den Ausnahmezustand über das Land und verkündete den baldigen Rücktritt der Regierung vom Vertrag mit Bechtel. Dies geschah jedoch erst, nachdem ein 17-jähriger Junge bei den Unruhen erschossen worden war.[75] Im Zuge des verhängten Ausnahmezustandes versuchte die Regierung im April 2000, die Protest­bewegung gewaltsam zum Schweigen zu bringen. Viele Aktivisten wurden verhaftet, andere getötet, die Medien zensiert. Am 10. April sah sich die Regierung jedoch dazu gezwungen, das verhaßte Privatisierungsgesetz wieder abzuschaffen.[76] Der Wasserver­sorger SEMAPA wurde samt seiner Schulden in die Hände der Mitarbeiter und der Bevölkerung gelegt.

Somit stellte sich die Bevölkerung der Herausforderung, die Wasserwerke demokratisch zu verwalten. Bechtel hat diesen Prozeß allerdings schnell unterlaufen, indem es Bolivien (bei der WTO) auf Schadensersatz verklagt hat. Seitdem droht die Regierung der „Coordinadora“ mit Repressalien und verfolgt deren Aktivisten.[77] Bechtel konnte Bolivien aufgrund einer bilateralen Investitionsvereinbarung zwischen Bolivien und den Niederlanden im Jahre 1992 verklagen. Bechtel mit seinem Hauptsitz in San Francisco/USA verlegte dazu 1999 seine holländische Holdinggesellschaft für Aguas del Tunari von den Kaimaninseln in die Niederlande, womit es das Recht erwarb, das ärmste Land Lateinamerikas beim International Centre for Settlement of Investment Disputes (Internationales Zentrum zur Schlichtung von Investitionsstreitigkeiten), einer Institution der Weltbank-Gruppe, zu verklagen. Die Klagesumme beläuft sich auf rund 40 Millionen US-Dollar Schadensersatz für „Verluste“ durch den Ausstieg aus dem Privatisierungsvertrag für die Wasserwerke von Cochabamba. Seit dem Bekanntwerden dieser Forderung von Bechtel im November 2000 hat die bolivianische Regierung öffentlich bekundet, daß sie sich gegen diese Klage wehren würde. Allerdings sind einige Regierungsmitglieder der Ansicht, daß es das beste wäre, den Schadensersatz­forderungen nachzukommen.

Damit soll bewiesen werden, daß Bolivien für die Globalisierung bereit und ein geeigneter Mitspieler in der von der WTO diktierten neuen Weltordnung ist. Es ist höchst wahrscheinlich, daß die Politiker hinter geschlossenen Türen bereits darum bemüht sind, den Streit außergerichtlich beizulegen. Mittlerweile ist Bechtel in San Francisco allerdings wegen seiner Klage unter starken öffentlichen Druck geraten.[78]

5) Kritische Stimmen zur Wasserprivatisierung

Die indische Wissenschaftlerin, Aktivistin und Autorin Vandana Shiva verlangt, daß Wasser grundsätzlich Gemeingut bleiben muß:

„Doch mehr als jede andere Ressource muß Wasser Gemeingut bleiben und bedarf der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung“.[79]

Sie verweist darauf, daß das private Eigentum an Wasser in beinahe allen Gesell­schaften verboten war.[80] Laut Shiva ist die Verbreiterung moderner Wassertechnologien dafür verantwortlich, daß der Staat eine stärkere Rolle im Wassermanagement erhalten hat, wodurch die demokratische Bewirtschaftung des Wassers verfallen sei. Die Autorin klagt an, daß im Zuge der Globalisierung und Privatisierung abermals Anstrengungen unter­nommen werden, diese Rechte vollends auszulöschen und den Gemeinschaftsbesitz an Wasser durch Unternehmenskontrolle zu ersetzen.[81] Shiva sieht das Recht auf Wasser als ein traditionelles Naturrecht an, daß nicht im Staat wurzelt, sondern sich aus einem gegebenen ökologischen Kontext menschlichen Daseins heraus entwickelt.[82] Auch die Autoren Maude Barlow und Tony Clarke fordern in ihrem Werk „Blaues Gold“, daß Wasser für alle Zeiten ein Gemeinschaftsgut bleiben muß:

„Das Gegenmittel gegen die Kommerzialisierung und Privatisierung des Wassers besteht darin, ihm den Warencharakter zu nehmen. Wasser muß für alle Zeiten zu einem Gemeinschaftsgut und als solches behandelt werden.“[83]

Frau Shiva beklagt, daß die Welthandelsorganisation (WTO) hart erkämpfte Errungen­schaften wie staatliche Verfassungen mißachtet und unterläuft. Außerdem würde das GATS als Instrument zur Rückgängigmachung demokratischer Dezentralisierung, die durch viele Gesellschaften angestrebt wurde und wird, fungieren[84]:

„Die G ATS-Regeln sind der Privatwirtschaft wie auf den Leib geschneidert und lassen die Anliegen von Nichtregierungsorganisationen, kommunalen Entschei­dungsträgern und nationalen Regierungen völlig außer Acht.“[85]

Barlow/Clarke richten ihre Kritik gegen die Befürworter der Privatisierung, die behaup­ten, daß gewinnorientierte Privatunternehmen transparenter arbeiten würden, als öffentliche:

„Während vielerorts nach der Privatisierung die Wasserpreise gestiegen sind — nicht selten so hoch, daß für die Armen das Wasser unerschwinglich geworden ist —, fahren die multinationalen Wasserunternehmer rund um die Welt satte Gewinne ein. Naturgemäß haben sie ihre Aktionäre im Blickfeld — die Gewinninteressen einiger weniger. Und die Machtfülle, welche die enormen Profite im weltweiten Wassergeschäft mit sich bringen, hat einige Manager dazu verleitet, ihren Einfluß zu mißbrauchen.“[86]

Beide Buchautoren wehren sich auch gegen die Behauptungen von Befürwortern einer Privatisierung, öffentliche Dienstarbeiter würden im allgemeinen ineffizient arbeiten. Zwar bejahen sie diese Behauptung in einigen Fällen – verweisen aber auf Chile. In diesem lateinamerikanischen Land wurden die Mehrzahl der öffentlichen Wasserwerke seit 1998 teilprivatisiert, obwohl sie sich vor der Teilprivatisierung laut einer Weltbankstudie als Muster an Effizienz herausstellten. Barlow/Clarke meinen, daß gerade solche Bewertungen das Profitinteresse der Privatwirtschaft wecken. Angesichts der leeren Staatskassen sei es dann ein Leichtes, sich diese effizienten Betriebe zu eigen zu machen.[87]

6) Profitware Wasser

Ich komme zu dem Ergebnis, daß sämtliche in dieser Arbeit angeführten, inter­nationalen Organisationen, Privatunternehmen und Institutionen das Wasser als äußerst profitable Wirtschaftsware entdeckt haben und zum Öl des 21. Jahrhunderts machen werden. Da heute beinahe alle anderen Märkte gesättigt, beziehungsweise weitest­gehend ausgeschöpft sind, war die Definition des sich zunehmend verknappenden Wassers zur handelsüblichen Ware aus Sicht der profitorientierten Akteure ein absoluter Genie­streich. Gerade in Anbetracht der Gerüchte, daß die endlichen Reserven an Rohöl allmählich zur Neige gehen, ist das Wassergeschäft für die Wirtschaft ein unerläßlicher

Bereich. Die Unternehmen müssen ihrerseits sehen, in welchen Geschäftsfeldern sie möglichst hohe Profite schlagen können, damit sie ihre kostenintensiven Finanzgerüste aufrecht und die Aktionäre zufrieden halten können. Diese Konzerne sind oftmals hoch verschuldet und stehen mit dem Rücken zur Wand. Die rasend schnell fortschreitende Globalisierung und der rücksichtslose Kampf um Marktanteile und Profite setzen einen enormen finanziellen Kraftakt voraus, so daß unter den Unternehmen ein ständiger Wettstreit um die Erschließung neuer Marktfelder herrscht, wollen sie nicht von anderen geschluckt, beziehungsweise völlig verdrängt werden.

Unterstützt werden diese Multi-Utility-Unternehmen von mächtigen internationalen Institutionen wie beispielsweise dem IWF, der Weltbank und der WTO, sowie anderen internationalen Organisationen. Diese werden größtenteils von den Industrienationen beherrscht, deren Politik entscheidend von den mächtigen Großkonzernen im eigenen Land mitgestaltet wird. Aus diesem Grund versuchen diese Institutionen mit allen Mitteln, möglichst viele Handels- und Marktzugangshindernisse abzubauen, beziehungsweise von vornherein zu unterbinden, um die Globalisierung und Privatisierung in allen Bereichen schnellstmöglich voranzutreiben.

Leidtragende dieser erbarmungslosen Politik sind in den meisten Fällen die armen Menschen, denen – wie beim Beispiel Wasser – selbst die naturgegebenen Ressourcen streitig gemacht werden, für die sie dann auch noch Unsummen bezahlen müssen. Gehen die Regierungen in den armen Ländern nicht auf die Forderungen der Privatisierungs­befürworter ein, werden sie mit diversen Sanktionen belegt, die wiederum die armen Menschen in irgendeiner Art und Weise treffen.

Sollte gerade die Privatisierung im Wasserbereich so schnell und rücksichtslos fortschreiten, wie im Moment, dann besteht die Gefahr für sehr viele arme Menschen, daß sie sich nicht einmal mit dem lebenswichtigsten aller Dinge, dem Wasser versorgen können. Das von mir dargestellte Beispiel von Cochabamba in Bolivien beweist, daß dieses Szenario keine Fiktion darstellt, sondern der absoluten Realität entspricht. Die Ausmaße und Härte des Kampfes der Bolivianer gegen die Privatisierung sowie die verheerenden Folgen bis hin zu Todesfällen belegt, daß es bei der Privatisierung von Wasser um Leben und Tod gehen kann.

Meiner Meinung nach muß der vielen armen Menschen drohende Ausschluß vom sauberen Süßwasser Wasser mit allen Mitteln verhindert werden. Daher sind Proteste wie in den USA, einem der Hauptantriebsländer der Globalisierung, als sehr positiv zu begrüßen. Weltweite Initiativen gegen diese Turbo-Privatisierung zeigen ebenfalls, daß vielen Menschen bewußt ist, welches Unrecht die Kommerzialisierung des Wassers darstellt.

Ich begrüße Privatisierungen in den Fällen, in denen sie wirklich allen Beteiligten nutzen. Wenn man bei Verhandlungen über die Modalitäten einer etwaigen Privatisierung eine faire Lösung aushandelt, die allen Beteiligten einen Nutzen bringt, den Menschen und Ländern dieser Erde auf jeden Fall nicht schadet, so wäre das doch ein toller Weg, eine angemessene und effiziente Wasserversorgung mit einem immer noch profitablem Geschäft zu verbinden. Das fortgeschrittene und immer schneller fort­­schrei­tende Globalisierungs­stadium läßt solch eine Lösung jedoch eher als Utopie erscheinen.

7) Literaturverzeichnis

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Zusatzaufgabe: Aktuelle Vorgänge auf dem Wassermarkt

Befürworter und Gegner einer Wasserprivatisierung sind sich einig darüber, daß sich Wasser, speziell gutes Trinkwasser, in den nächsten Jahrzehnten weltweit deutlich ver­knappen wird. Während die Freunde einer möglichst raschen und umfassenden Privatisierung in der Verknappung hervorragende Investitionsmöglichkeiten sehen und die Meinung vertreten, daß nur eine effiziente Privatisierung der Wasserversorgung das Verteilungsdilemma lösen kann, bestehen die Kritiker darauf, daß die Wasserver­sorgung in öffentlicher Hand bleiben muß und Wasser nicht zur Handelsware werden darf. Die drohende Verknappung von gutem Trinkwasser verlangt – gerade auch in den Industriestaaten – nach einer Erneuerung der teilweise veralterten Trinkwasserleitungen, insbesondere in den Großstädten. So stehen in Städten wie beispielsweise London oder New Orleans, die bisher sehr wenig in die Modernisierung ihrer Trinkwasserversorgung investierten, gewaltige Investitionsschübe an. So gehen in London derzeit rund 50% des Trinkwassers durch schadhafte Leitungen verloren, während in amerikanischen Großstädten etwa 15 bis 20% Süßwasser wegfallen.

Im August 2004 hat die WTO beschlossen, daß die Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Welthandels alsbald fortgesetzt werden. Somit werden auch die Gespräche über das internationale Dienstleistungsabkommen GATS wieder in Gang kommen. Dadurch könnte die Tür zur (umfassenderen) Öffnung öffentlicher Dienst­leistungen für private Unternehmen weiter aufgestoßen werden.

Während die Lebensmittelmärkte in Europa und Nordamerika weitestgehend gesättigt sind, bietet der Markt für abgefülltes Flaschenwasser weiterhin gute Wachstumschancen für die Zukunft. Grund dafür ist das zunehmende Gesundheitsbewußtsein der Verbraucher und die steigende Nachfrage aus den Entwicklungsländern.

In den vergangenen Jahren ist dieser Markt jeweils um rund ca. 11% gewachsen. Dabei flaut der Konsum­anstieg in Westeuropa allmählich ab, während die Märkte in den Schwellen- und Entwicklungsländern teilweise mit hohen zweistelligen Raten an­wachsen. Das weltweite Volumen dieses Marktes wird auf rund 126 Milliarden Liter mit einem Marktwert von über 40 Milliarden Euro geschätzt. Bis 2010 rechnen Experten mit einer Verdopplung dieses Marktvolumens. Außerdem lassen sich in diesem Segment hohe Margen von 10% und mehr erzielen. Entsprechend hart ist der Markt umkämpft, speziell in Europa.

Dieser Kampf macht es den großen Unternehmen äußerst schwer, neue Wassermarken einzuführen. Rund 40% des Weltmarktes werden derzeit von den vier größten Unternehmen in diesem Bereich abgedeckt. Dabei besitzt derzeit (2004) Nestlé rund 17%, Danone ca. 12%, Coca Cola um die 4,6% und Pepsico etwa 4,1% an Weltmarktanteilen.

Ein gutes Beispiel für die typischen Geschäftspraktiken eines privaten Wasserversorgers bieten die Berliner Wasserbetriebe (BWB). Das noch unter städtischer Regie teilprivatisierte Unternehmen hat die Wasserpreise in Berlin zum Jahresbeginn 2004 schon um 15% erhöht. Im Januar 2005 soll das Wasser noch einmal um 6,5% teurer werden. Eric Schweitzer, der Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Berlin gibt an, daß die Preise bis 2008 sogar um insgesamt 25% gesteigert werden sollen.

Von 1990 bis 2004 ist der Preis für die Wasserver- und Entsorgung in Berlin um 132% gestiegen, bilanziert Herr Schweitzer weiterhin. Die Ursache der neuerlichen Preis­steigerungen sieht er persönlich in der mißglückten Teilprivatisierung der Wasser­betriebe und in den gestiegenen Energiekosten. Die Wasserpreise müßten in diesem Ausmaß steigen, weil den privaten Investoren vertraglich eine bestimmte Verzinsung des eingesetzten Kapitals garantiert worden sei und es laut Vertrag 15 Jahre lang keine betriebsbedingten Kündigungen geben dürfe.

Die Berliner Wasserbetriebe gehören zur privaten Berlinwasser Holding, an der die britische RWE-Tochter Thames Water und der französische Weltmarktführer Veolia Environnement zusammen zu 49,9% beteiligt sind. Die Herren Bruckmann (RWE) und Simon (Veolia) führen den Konzern. Am 06. Oktober 2004 muß der Aufsichtsrat der Berlinwasser Holding entscheiden, ob Berlinwasser International (BWI), verantwortlich für die internationalen Aktivitäten der Berlinwasser Holding, in der chinesischen 4-Millionen-Einwohner-Stadt Hefei ein Klärwerk übernimmt und betreibt. Es geht um eine zu investierende Summe von 13,6 Millionen Euro, wobei das Land Berlin mit der Hälfte davon ins Risiko gehen müßte. Bisher ist Berlinwasser mit zwei Projekten in China vertreten. In Xian baute sie ein Wasserwerk, dessen Anteile der Konzern 2003 verkauft hat. In Nanchang wurde kürzlich eine Kläranlage fertiggestellt, die garantiert für 20 Jahre betrieben werden soll. Diese wird Ende Oktober 2004 eröffnet. Was das Hefei-Projekt angeht, so sind sich RWE und Veolia aufgrund von verschiedenen Markteinschätzungen nicht einig. RWE ist aus dem chinesischen Wassersektor aus­gestiegen, während sich Veolia mit 300 Millionen Euro dort einkaufte. Aller­dings verspricht das Hefei-Projekt nicht die Renditeerwartung von 15%, die Veolia vorgibt.

Bei diesem Streifzug durch die aktuellen Printmedien wurde mir klar, daß sich die Ergebnisse meiner vorausgegangenen Ausarbeitung in den aktuellen Geschehnissen am gesamten globalen Wassermarkt exakt widerspiegeln.

Zunächst einmal wird in der derzeitigen öffentlichen Debatte über die Wasserprivatisierung von allen Seiten besagt, daß sich das Wasser in den kommenden Jahrzehnten verknappen wird und das man aus dieser Verknappung enorme Profite schlagen kann.

Auch das Streben und der Kampf nach Marktanteilen auf neuen Gütermärkten, wie zum Beispiel dem enorm gewinnbringenden Markt für Flaschen­wasser, wird in der Realität deutlich. Damit verbunden ist die Abkehr von mittlerweile eher gesättigten Märkten, wie dem westeuropäischen und dem nordamerikanischen Lebensmittelmarkt. Angesichts der hohen Profitchancen, besonders in ärmeren Entwicklungs- und Schwellenländern, tritt die WTO als wichtiger Akteur für die Erweiterung der Handels- und Dienstleistungsliberalisierung auf und stellt aktuell die Aufnahme neuer Verhandlungen diesbezüglich in Aussicht.

Das aktuelle Beispiel der Berlinwasser Holding zeigt, aus wie vielen globalen Großunternehmen sich ein privates Unternehmen zusammensetzen kann. Außerdem wird klar, daß dieser Betrieb auf Kosten des Landes Berlin sein Investitionsrisiko minimiert. Die ausländischen Investoren handelten ihrerseits für sich günstige Konditionen beim Einstieg in Berlinwasser aus. Geschickt rechtfertigt der Konzern seine langfristigen und stetigen Preiserhöhungen mit einem eigenen Mehraufwand in anderen Bereichen und schiebt die Verantwortung unter anderem der Politik zu. Die Uneinigkeit und die Risikobereitschaft der Großkonzerne Veolia und RWE müssen der Rest des Betriebes sowie das Land Berlin gegebenenfalls ausbaden und mitfinanzieren. Bei einem Nichtgelingen des Berlinprojekts ist davon auszugehen, daß sich die großen Investoren so schnell wie möglich zurückziehen werden und den dann sicherlich hoch verschuldeten Restkonzern seinem Schicksal überlassen.

Alle hier dargestellten Gesichtspunkte sind typische Charakteristika und Folgen einer raschen Globalisierung, die mit einer schnellen Liberalisierung der Waren- und Dienstleistungsbereiche einhergeht. Diese Merkmale und Wirkungen lassen sich in anderen Sektoren ähnlich beobachten, bzw. haben sich in der Vergangenheit ähnlich oder sogar gleich entwickelt oder dargestellt.

[...]


[1] vgl. Stadler/Hoering (2003:19).

[2] vgl. Trittin (Dezember 2001): http://www.bmu.de/de/txt/reden/rede_trittin011203/, 25.09.04

[3] vgl. Stadler/Hoering (2003:19).

[4] vgl. Lee (1999) in Stadler/Hoering (2003:20).

[5] vgl. Leslie (2001) in Stadler/Hoering 2003:20).

[6] vgl. Gleick (2000) in Stadler/Hoering (2003:20).

[7] vgl. Stadler/Hoering (2003:21).

[8] vgl. ebd. (2003:22).

[9] vgl. Postel (1997) in Stadler/Hoering (2003:22).

[10] vgl. Stadler/Hoering (2003:22).

[11] vgl. Gleick (2000) in Stadler/Hoering (2003:23).

[12] vgl. Petrella (2000) in Stadler/Hoering (2003:23).

[13] vgl. Stadler/Hoering (2003:23).

[14] vgl. ebd. (2003:24).

[15] vgl. BMU&BMZ (2001:4): http://www.water-2001.de/outcome/reports/Brief_report_en.pdf, 26.09.04

[16] vgl. Weltbank (2000:13): http://www.worldbank.org/wbi/qualityofgrowth/complete.pdf, 26.09.04

[17] vgl. United Nations (2000): http://www.un.org/Depts/german/gv-55/band1/a5549_wr.pdf, 26.09.04

[18] vgl. BMU&BMZ (2001:6,8): http://www.water-2001.de/outcome/reports/Brief_report_en.pdf, 26.09.04).

[19] vgl. BMU&BMZ (2001:8): http://www.water-2001.de/outcome/reports/Brief_report_en.pdf, 26.09.04).

[20] Hoering (2001:35).

[21] vgl. Schiffler (2001:7) in Deutscher Bundestag (2002: 366).

[22] vgl. Hall (1999:11) in Deutscher Bundestag (2002:366).

[23] vgl. Deutscher Bundestag (2002:366).

[24] vgl. Barlow/Clarke (2003:138).

[25] Mindfully: http://www.mindfully.org/Water/Water-Everywhere15may02.htm, 28.09.04

[26] vgl. Barlow/Clarke (2003:138).

[27] Mindfully: http://www.mindfully.org/Water/Water-Everywhere15may02.htm, 28.09.04

[28] vgl. Barlow/Clarke (2003:138).

[29] vgl. Hall (1999:11) in Deutscher Bundestag (2002:366).

[30] vgl. Petrella (2000:113).

[31] vgl. Hall (1999:11) in Deutscher Bundestag (2002:366).

[32] vgl. Deutscher Bundestag (2002:366).

[33] vgl. Stadler/Hoering (2003:72).

[34] vgl. Stadler/Hoering (2003:72) nach www.transnationale.org, 10.03.03. Kein genauer Link angegeben.

[35] vgl. ebd. (2003:72/73) nach Recherche auf www.vivendienvironnement.com, www.transnationale.org, ohne Datum, ohne genaueren Link.

[36] vgl. Stadler/Hoering (2003:78) nach www.suez.com, ohne Datum, ohne genaueren Link.

[37] vgl. Stadler/Hoering (2003:78) nach www.transnationale.org, 20.03.03, ohne genaueren Link.

[38] vgl. ebd. (2003:79) aus Suez stramm auf Wachstumskurs, Neue Zürcher Zeitung, 08.März 2002.

[39] vgl. ebd. (2003:79) aus Verlust von Suez unter den Erwartungen, Neue Zürcher Zeitung, 07.März 2003.

[40] vgl. Stadler/Hoering (2003:45).

[41] vgl. Ziegler (2003) in Stadler/Hoering (2003:46).

[42] vgl. Helvetas: http://www.helvetas.ch/deutsch/pdf/wasserkonferenzen.PDF,27.09.04

[43] vgl. PriceWaterhouseCoopers (2001) in Stadler/Hoering (2003:46).

[44] vgl. Stadler/Hoering (2003:46/47).

[45] vgl. Stadler/Hoering (2003:47).

[46] vgl. Stadler/Hoering (2003:48/49).

[47] Ismail Serageldin: www.serageldin.com, 27.09.04

[48] vgl. Stadler/Hoering (2003:49).

[49] Ismail Serageldin (1994): Water Supply, Sanitation, and Environmental Sustainability, The Financing Challenge, Directions in Development, The World Bank, Washington D. C.

[50] vgl. Stadler/Hoering (2003:49).

[51] vgl. ebd. (2003:49/50).

[52] vgl. Stadler/Hoering (2003:50).

[53] vgl. ebd. (2003:51).

[54] World Water Council: http://www.worldwatercouncil.org/Vision/Documents/TableOfContents.pdf, Seite VI des online-Dokumentes, 27.09.04

[55] vgl. Stadler/Hoering (2003:53).

[56] vgl. Stadler/Hoering (2003:53/54).

[57] vgl. ebd. (2003:54).

[58] vgl. ebd. (2003:55).

[59] Dieser Sachverhalt wird in Punkt 3.1) auf Seite sechs der Ausarbeitung numerisch dargestellt.

[60] vgl. Barlow/Clarke (2003:201).

[61] vgl. ebd. (2003:202).

[62] vgl. CNES (2001:22): http://www.servicesforall.org/html/news_notices/spring2001/spring2001_05.pdf, 27.09.04

[63] vgl. Barlow/Clarke (2003:207).

[64] vgl. ebd. (2003:209).

[65] vgl. ebd. (2003:210).

[66] vgl. Barlow/Clarke (2003:211).

[67] vgl. ebd. (2003:212).

[68] vgl. Stadler/Hoering (2003:95).

[69] vgl. ebd. (2003:95/96).

[70] Berechnungen von http://www.ihr-euro.de/umrechnung_eurorechner.htm, 28.09.04

[71] vgl. ebd. (2003:96).

[72] vgl. Barlow/Clarke (2003:194).

[73] vgl. Shiva (2003:152).

[74] vgl. Barlow/Clarke (2003:194/195).

[75] vgl. ebd. (2003:195).

[76] vgl. Shiva (2003:153).

[77] vgl. Oscar Olivera/Marcela Olivera: Reclaiming the Water, unveröffentlichtes Manuskript in Shiva (2003:153).

[78] vgl. Barlow/Clarke (2003:221).

[79] Shiva (2003:45).

[80] vgl. ebd. (2003:45).

[81] vgl. ebd. (2003:46).

[82] vgl. ebd. (2003:47).

[83] Barlow/Clarke (2003:256).

[84] vgl. Shiva (2003:139).

[85] Shiva (2003:140).

[86] Barlow/Clarke (2003:165).

[87] vgl. Barlow/Clarke (2003:165/166).

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Details

Title
Wasser. Die Privatisierung eines Elements
Subtitle
Eine kritische Analyse des globalen Wassermarktes
College
University of Frankfurt (Main)
Course
Globalisierung: interdisziplinär SS 2004
Grade
2,0
Author
Year
2004
Pages
31
Catalog Number
V109029
ISBN (eBook)
9783640072156
ISBN (Book)
9783668085862
File size
630 KB
Language
German
Keywords
Wasser, Privatisierung, Elements, Analyse, Wassermarktes, Globalisierung
Quote paper
Sasa Mitrovic (Author), 2004, Wasser. Die Privatisierung eines Elements, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109029

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