Fast sollte man glauben, die Zeitenwende von 1989, als die Völker Osteuropas die Freiheit wählten und die alten versteinerten Strukturen des Kalten Krieges und des "real existierenden Sozialismus" begeistert abwarfen, hätte nie stattgefunden. Doch ganz gleich, ob der Sozialismus, der in den letzten drei Jahren in sich zusammenbrach, je "real" war oder stets nur Etikettenschwindel - eines steht fest: Mit ihm verschwand die osteuropäische Zweite Welt, und übrig blieben Erste und Dritte. Damit ist Osteuropa wieder an jenen Platz gerückt, den es seit einem halben Jahrtausend innehatte: an den äußeren Rand des Weltwirtschaftssystems. So jedenfalls sieht es der Soziologe Arno Tausch in seiner vor kurzem erschienen Studie zum Verhältnis von herrschendem Weltwirtschaftssystem, langen ökonomischen Zyklen und neuer Instabilität in Osteuropa. Tausch geht davon aus, daß Osteuropa seit einem halben Jahrtausend zur Semiperipherie des kapitalistischen Weltsystems gehörte, was strukturell eine Blockade gegen Demokratisierung bedeutete. Die Wirkung dieser Zuordnung wird in Abschwungphasen der Weltwirtschaft (wie der gegenwärtigen) verschärft, da die "terms of trade" für Rohstoffexporte aus den Randbereichen der Weltwirtschaft sich eklatant verschlechtern. Reformperioden, so seine These, gingen und gehen in der Geschichte Rußlands stets mit weltwirtschaftlichen Abschwungphasen zusammen und dem folgen in der nächsten Aufschwungphase wieder Modernisierungsdiktaturen. In der nächsten Abschwungphase geht dann der während der Aufschwungphase in den rohstoffnahen Industrien der Semiperiphie erreichte Zuwachs weitgehend wieder verlor [....]
Inhaltsverzeichnis
- Vom schwierigen Umgang mit der Zivilisation
- Die Auflösung der osteuropäischen Zweiten Welt
- Zivilisation und Zivilisationsbruch
- Der Wunsch nach dem Zivilisationsbruch
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert den Umgang mit Gewalt und Zivilisation, insbesondere im Kontext der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien und dem Zusammenbruch des Ostblocks. Er untersucht die historischen und sozioökonomischen Faktoren, die zu den Konflikten beitragen und hinterfragt die Anziehungskraft totalitärer Ideologien.
- Der Zerfall des Ostblocks und seine Folgen
- Die Rolle des Weltwirtschaftssystems
- Der Zivilisationsprozess und sein Bruch
- Nationalismus und Separatismus in Osteuropa
- Die Anziehungskraft totalitärer Ideologien
Zusammenfassung der Kapitel
Der Text beginnt mit einer Beschreibung der Medienberichterstattung über den Krieg im ehemaligen Jugoslawien und der damit verbundenen Desensibilisierung. Er hebt die Bedeutung einer fundierten Analyse der Ereignisse hervor und kritisiert oberflächliche Kriegsberichterstattung. Anschließend wird der Zusammenbruch des Ostblocks und die daraus resultierende ökonomische Instabilität in Osteuropa im Kontext des Weltwirtschaftssystems diskutiert. Der Autor beschreibt den Sozialismus in Osteuropa als eine "Flottille von zwangsweise aneinandergeketteten Fischerbooten" und analysiert die schwierige Situation der osteuropäischen Staaten nach dem Ende des Kalten Krieges. Der Text beleuchtet den Prozess der Zivilisierung und dessen Bruch durch totalitäre Bewegungen, insbesondere im Ersten und Zweiten Weltkrieg, und deren Sehnsucht nach dem "Zivilisationsbruch".
Schlüsselwörter
Zivilisation, Zivilisationsbruch, Osteuropa, Weltwirtschaftssystem, Totalitarismus, Nationalismus, Separatismus, Gewalt, Krieg, Hannah Arendt, Norbert Elias, Modernisierungsdiktatur, Semiperipherie.
- Citation du texte
- Dr. phil. Walter Grode (Auteur), 1992, Wenn Menschen das Verbrechen lieben. Vom schwierigen Umgang mit der Zivilisation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109368