Gesellschaftskritik in Hölderlins "Hyperion"


Dossier / Travail, 2002

21 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. „Wer bloß an meiner Pflanze riecht...“ – Einleitung

2. „Trefliche Meister standen auf.“ – Hölderlin und Griechenland

3. Rezeption der Französischen Revolution in Deutschland

4. Das „Bild des werdenden Freistaates"

5. „Die Griechen sollen frei sein“ – Kämpfen oder Schreiben?
5.1 „ ... und diesen Platz erobern wir gewiss.“ – Die physische Tat
5.2 „O hätt ich doch nie gehandelt!“ – Die geistige Tat

6. „So kam ich unter die Deutschen..." – Gegenwartskritik Hölderlins

7. „Nächstens mehr“

Anhang: Literaturverzeichnis

1. „Wer bloß an meiner Pflanze riecht...“ – Einleitung

„...der kennt sie nicht."[1] Was Friedrich Hölderlin in seiner Vorrede zum Hyperion andeutet, erhebt er für sein eigenes Leben zum Programm. Dabei stellt sich Hölderlin nicht nur als Dichter vor, sondern er erhebt Anspruch auf eine gewisse Pädagogen- und Politikerrolle.

Die Blüte seines Lebens fällt zusammen mit der Blüte der Menschheitsträume von einem Ende absolutistischer Machtverhältnisse. In dem neunzehnjährigen Stiftbewohner Johann Christian Friedrich Hölderlin lassen die Ereignisse der Französischen Revolution von 1789 Gefühle aufkeimen, die bald konstitutiv für sein Werk werden sollen. Zweieinhalb Monate nach der Erklärung der Menschenrechte muss Hölderlin „strenge Ordnung und Gesetzlichkeit"[2] wahren, was ihn „ewige Rache den Völkerschändern"[3] schwören lässt. Er zeigt sich beigeistert von den freiheitlichen Bestrebungen des französischen Volkes und verfolgt die Anfänge der Revolution mit einem Pathos, der sich später in seinen Tübinger Reimhymnen wiederfindet[4]. Die Revolutionszeit ist der realhistorische Hintergrund für den Beginn Hölderlins politischen Denkens, welches durchaus unterschiedlich interpretiert worden ist.[5]

Später, in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts, findet Hölderlins Politik- und Gesellschaftsbild einen neuen Ausdruck: den „Hyperion". In diesem von 1792 bis 1798 geschriebenen Briefroman bündelt Hölderlin seine politischen, religiösen und poetischen Vorstellungen zu einem Strang, dessen Kern man „Aufbruch zum Ursprung" nennen könnte. 1789 ist es die Hoffnung auf einen Aufbruch aus der Lethargie des Alltags, die Hölderlin beflügelt. Die neue vaterländische Gemeinschaft, die der Dichter auch für sein Volk erhofft, soll eine Symbiose aus alten Idealen und den neuen Ideen der Französischen Revolution sein.[6]

Der politische Aspekt muss bei diesem Thema eine zentrale Rolle spielen. Was aber Hölderlins Werk abhebt von politischen Programmen der Zeit, von bloßen Kritiken, indoktrinären Parolen und Pamphleten, ist die Art der Umsetzung seiner Ideen. Hölderlins „Sanierungskonzept" ist im wesentlichen beeinflusst von der griechischen Gegenwart und Antike (untrennbar verbunden mit der Kunst), der Identität des deutschen Volkes, einer pietistischen Erziehung und natürlich den Ereignissen der Zeit, von denen vor allem die Französische Revolution durch ihren negativen Verlauf ihre Chance verpasste, „der letzte Tag zu sein, also eine quasi-eschatologische Chance".[7]

Anhaltspunkte für den Bezug des „Hyperion" zu Deutschland gibt in erster Linie der vorletzte Brief des Titelhelden, die so genannte „Scheltrede". Was Hölderlin dazu bewegt haben könnte, Griechenland zum Schauplatz des Romans zu machen, wie die Parallele zur Französischen Revolution hergestellt werden kann und welche anderen Einflüsse dem Werk möglicherweise noch ihre Note geben, soll im Folgenden angedeutet werden.

2. „Trefliche Meister standen auf.“ – Hölderlin und Griechenland

Hölderlins Begeisterung und Interesse für alles Griechische beginnen früh, worauf auch seine Schulnoten schließen lassen.[8] Dem klassischen Zeitgeist folgend wendet sich auch Hölderlin dem Altertum zu und entdeckt früh, dass die antike Weisheit aus der Kunst heraus geboren wurde. Diese Erkenntnis wird konstitutiv für sein Schaffen und ist elementarer Bestandteil des „Hyperion".

„Heroisches" ist es, was den jungen Hölderlin dazu bewegt, seiner Heldenverehrung in der „Geschichte der schönen Künste unter den Griechen" Ausdruck zu verleihen.[9] Eine heroische Tat der Helden Harmodius und Aristogiton ist hier Voraussetzung für die Freisetzung des griechischen Kunstpotentials.[10] Die Realisierung dieses Potentials wiederum wird im „Hyperion" als unbedingt notwendig für die individuelle, humanistische Erziehung angesehen.

Schon vorher, nämlich 1790, schreibt Hölderlin die „Hymne an den Genius Griechenland". Was im Titel schon benannt wird, erklärt sich im Text: Der Bezug auf Griechenland ist entscheidend.[11] Auch wenn der allgemeine Freiheitspathos im Mittelpunkt steht, so sind es doch auch hier die Griechen, die der Dichter direkt anspricht: „...Wo der Freiheit Heldenfahne weht, Mutig, bis die müden Arme splittern, Ruhmumstrahlter Sparter Phalanx steht!"[12]

Die griechischen Verhältnisse, die einstigen heroischen ebenso wie die im 18. Jahrhundert dekadenten, werden von Hölderlin vergleichend gebraucht. Antike Größe steht dem moralischen Verfall der Neuzeit gegenüber. Dieser diachrone Vergleich von Zuständen stellt das Modell, an dem die politischen Ereignisse Mittel- und Westeuropas gemessen werden: Für Hölderlin bedeutet der Beginn der Französischen Revolution die Chance, die antiken griechischen Verhältnisse wieder herzustellen.[13] Dass es sich dabei nicht um eine rein politische Idee handelt, dürfte klar sein. Hölderlin beruft sich eher auf ein „sublimes, spirituelles Verständnis der Revolution"[14], wie es übrigens auch in der generellen Rezeption derselben in Deutschland nicht unüblich ist.

3. Rezeption der Französischen Revolution in Deutschland

Wie auch Hölderlin, so ist die überwiegende Mehrheit der deutschen Intellektuellen zunächst Befürworter der Ereignisse von Paris. In ihnen sehen sie enthusiastisch die Verwirklichung aufklärerischer Ideen. Dies ändert sich erst etwa 1792, als wegen der beginnenden Radikalisierungsphase die Argumentation deutlich polarisiert und der Diskussionshorizont ausgeweitet wird.[15] Dem Enthusiasmus folgt die Ernüchterung, ausgelöst durch den Beginn der „grande terreur" unter Robespierre.[16] Diese Enttäuschung könnte ein Beleg dafür sein, dass das Verständnis der Deutschen von der Revolution ein anderes ist als das der Franzosen. Im Deutschland der Aufklärungszeit ist es für ein Ereignis dieses Charakters eher wahrscheinlich, philosophische Diskussionen auszulösen, als einen „Wendepunkt in neuzeitlicher Entwicklung" darzustellen.[17]

Auch Hölderlin ist vom späteren Verlauf der Revolution enttäuscht. Ab 1792, also zur gleichen Zeit, in der die Ereignisse in Paris ihren positiven Charakter verlieren, schreibt der Dichter das Scheitern seines Romanhelden Hyperion nieder. Das verbindende Element: Die Protagonisten verlieren im Angesicht neu gewonnener Freiheiten (Frankreich) oder erster siegreicher Schlachten (Griechenland) das eigentliche Ziel aus den Augen und lassen der Gewalt freien Lauf. Mit den Worten Klopstocks könnte man sagen: Der „Freiheitskrieg" übertritt sein „hochheiliges Gesetz".[18] Zum vierten Jahrestag des Bastillesturmes nimmt Hölderlin Anteil am Schicksal der Girondisten-Führer, deren Hinrichtung er „mit Bitterkeit seit Wochen befürchtet" hat.[19] Dass Hölderlin die Französische Revolution als vorerst gescheitert ansieht, geht unter anderem eben aus dem Ergebnis des Freiheitskrieges seines Hyperions hervor, der als Metapher für seinen realhistorischen Hintergrund fungiert.[20]

Dennoch kann Friedrich Hölderlin dem radikalisierten Frankreich vorerst einen wichtigen positiven Aspekt abgewinnen: den des Erscheinens Napoleon Bonapartes. Die Verehrung, die der Dichter dem damaligen General zunächst entgegen bringt, basiert vor allem darauf, dass Napoleon den Krieg verkörpert und so der Langenweile des Alltags ein Ende setzt. Damit sorgt der General dafür, dass die den „dumpfen Schlaf der Knechtschaft" schlummernden Völker „nicht gänzlich einschlafen".[21] Hölderlin ist vom Krieg fasziniert. Er bringt zwar neben der Vermischung gesellschaftlicher Gruppen auch den Tod, jedoch impliziert dieser den Beweis für die „Naturhaftigkeit" des Menschen.[22] Napoleon, der vor allem durch seine militärische Beweglichkeit als erfolgreicher Feldherr in die Geschichte eingehen konnte, ist somit prädestiniert für ein „Halbgott-Dasein" in Hölderlins Augen.[23] Die Selbstdarstellung des französischen Feldherren als Messias ähnliche Lichtgestalt hebt ihn besonders von jenen Franzosen ab, die den Südwesten Deutschlands mit Plünderungen heimsuchen. Als der junge Korse Napoleon Bonaparte 1796 den Oberbefehl über die französische Armee in Oberitalien erhält und die feindlichen Österreicher zurückdrängt, beginnen sich die Hoffnungen auf einen geordneten Ausgang der Revolution auf ihn zu bündeln.[24]

Der Dichter ist besonders beeindruckt von der Art der Kriegsdarstellung durch den Strategen. Dessen Propaganda besteht zum Teil aus der bildhaften Präsentation des Krieges, aus Schlachtenmalerei. Das Sublime daran ist auch bei Hölderlins Darstellung des griechischen Befreiungskampfes im Hyperion zu finden: die Verbindung von Natürlich-Erhabenem mit Kriegerisch-Erhabenem.[25]

Dass der selbe Napoleon für die schlussendliche Liquidierung der Französischen Republik verantwortlich sein und damit auch die demokratischen und republikanischen Strömungen in Deutschland quasi „verraten" werde, ist zu jener Zeit noch nicht absehbar.[26] Erst als sich der General im November 1799 an die Macht putscht, sich zum Ersten Konsul erhebt und die Sprengung der republikanischen Ordnung zum unverschleierten Ziel macht, wird er auch für Hölderlin „eine Art Diktator".[27] In Ablehnung der despotischen Politik unter Napoleon besinnt sich Hölderlin, dem deutschen Zeitgeist folgend, auf das spezifisch deutsche Schicksal. Die zunehmende Distanz zur Politik Frankreichs geht also einher mit der Annäherung an eine patriotische Gesinnung, die sich beispielsweise auch im Entwurf „Deutscher Gesang" äußert.[28]

Der vorher so positive Charakter des Krieges verändert sich, als sich aus dem gerechten Mittel zum Zweck ein Selbstläufer entwickelt. Die militärische Verteidigung zur Selbsterhaltung wird abgelöst durch den Feldzug zum Machtzuwachs. Guglielmo Ferrero vergleicht Bonaparte in diesem Sinne mit einem „âventiure-Ritter"[29]. Dies ist zu unterstützen, sobald man „aventiure" als „Kampf um des Kampfes und um der persönlichen Ehre Willen"[30] definiert. Zudem bezieht die „âventiure" neben der Isolierung des Protagonisten auch den Dienst an der Gesellschaft ein.[31] Bei Napoleon trifft das in der räumlichen Dimension zu. Er verlässt Frankreich, um durch den Kampf in anderen Ländern doch wieder seine Position in seiner Heimat zu stärken. Einen Krieg dieser Art zieht Hyperion nicht als eigene Option in Betracht. Als der Aufstand dann gewissermaßen doch in diese Richtung driftet, zerbricht Hyperion daran. In den eroberten Ländern schreckt Napoleon übrigens nicht davor zurück, die Mittel seiner Vorgänger zur Behandlung der Untertanen anzuwenden und schon für seinen Italienfeldzug von 1796/97 hat Napoleons „bekanntes System, den Krieg durch den Krieg zu nähren", Bestand.[32]

4. Das „Bild des werdenden Freistaates"

Die Enttäuschung über den Verlauf der Revolution lässt Hölderlin sich nun also verstärkt mit seinem Heimatland beschäftigen. In einer Zeit, in der das unmittelbare Nachbarland „renoviert", öffnen sich seine Augen für die Missstände in der deutschen Gegenwart, unausweichlich aber auch für die positiven Seiten seiner Nation. Dass diese negativen Auswüchse des „Deutschtums" ihn aber nicht davon abhalten, sein Vaterland zu lieben, wird stets deutlich. Überhaupt sind Liebe und Vaterland für den Dichter eng miteinander verwoben. Wie für seinen Romanhelden Hyperion und besonders bei dessen „Gewissen“ Diotima, so ist es auch für den Dichter die Liebe der Menschen zueinander, die reine Menschen und somit die Elementarteilchen für eine reine Gesellschaft und ein wahres Vaterland hervorbringt. Er ist sich dessen bewusst, dass eine gewaltsame Revolution des Volkes nicht zu den Deutschen passen würde, denn diese seien „thatenarm und gedankenvoll".[33] Wo bei den Franzosen politischer Aktionismus die Oberhand habe, sei die Natur seines Vaterlandes eher geistig geprägt.[34]

Das revolutionäre Potential ist zwar sicher auch in Deutschland vorhanden. Besonders das Bildungsbürgertum, aus dem sich zum großen Teil die Beamtenschaft rekrutiert, denkt durchaus kritisch. Jedoch vermögen es die Reformen, die im aufgeklärt-absolutistischen Deutschland durchgeführt werden, die revolutionäre Spannung gering zu halten - ein Vorteil der deutschen Regenten gegenüber den französischen Herrschern.[35] Die Reformen werden in dem entsprechenden Ausmaß allerdings erst im Angesicht der direkten Bedrohung durch die mögliche Ausbreitung der Revolution nach Deutschland angegangen. Auch der hellenische Befreiungskampf ist eng verbunden mit den Pariser Ereignissen: Die Landung der französischen Truppen auf Korfu und das Versprechen des französischen Nationalkonvents, allen Völkern im Ringen um ihre Freiheit beizustehen, haben einen gewaltigen Einfluss auf die griechische Erhebung gegen die osmanischen Besatzer.

Konstitutiv für den Vaterlandsbegriff Hölderlins ist neben der Liebe der Menschen zueinander auch die Kunst. Die „Idee der Schönheit" aus dem „Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus" beeinflusst die politischen Ansichten des Dichters stark.[36] Diese Visionen teilt er mit zwei Männern: Der eine, Zeitgenosse Rhigas Velestinlis, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Griechen aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Der andere ist möglicherweise Rhigas' Entsprechung in Hölderlins Roman: Titelheld Hyperion. Beide sind Lehrer des Volkes, als welcher sich wohl auch Hölderlin gern sähe, denn in der Vorrede verleiht Hölderlin dem Wunsch Ausdruck, seinem Buch nicht die Liebe der Leser, sondern „die Liebe der Deutschen“ zu versprechen. Er gibt zu, das Buch geschrieben zu haben, um „eine Veränderung ... zu versuchen“.[37] Weitere Gemeinsamkeiten finden sich in der Formulierung politischer Programme: In der Verfassung, die Rhigas zuversichtlich für die Zeit nach der Osmanenherrschaft entwirft, ist von einem Reich der Schönheit die Rede.[38] Er erkennt den Wert, den die Kunst für die Erziehung des menschlichen Charakters hat und räumt ihr den entsprechenden Platz in seinem politischen Programm ein. Dementsprechend verfährt auch Hyperion: Er befindet sich nicht in der Situation, eine Verfassung aufsetzen zu müssen, doch seine Vaterlandsvision hat die selben Grundzüge wie die Rhigas‘ oder Hölderlins. Hyperion will mit der „Theokratie des Schönen"[39] eine Heimat definieren, in der Mensch und Natur zu einer Einheit gebunden sind. Die Natur wirkt hier als Schöpferin der Schönheit und nie ist für Hyperion etwas Natürliches nicht schön.

5. „Die Griechen sollen frei sein“ – Kämpfen oder Schreiben?

Nun mag in Friedrich Hölderlin, dem „thatenarmen" Deutschen und gleichzeitig großen Verehrer antiker Heldentaten, die Frage entstanden sein, wie man zum Helden werde und ein Vaterland nach seinen Vorstellungen errichte - durch große Worte oder durch große Taten? Die Antwort muss eher diplomatisch ausfallen: Handeln ist für Hölderlin das Größte und steht am „Anfang einer neuen Weltgeschichte".[40] Aber nicht jeder ist dazu geboren, durch physischen Einsatz die Geschichte zu beeinflussen. Manch anderer hat nicht die Gelegenheit dazu oder, wie Hyperion, scheitert. Als Dichter jedoch befindet sich Hölderlin in einer Zwischenrolle, die einerseits das nur Politische hinter sich lässt und, wie Hölderlin definiert, „geistig und rein" die Politik überschreitet.[41] Andererseits kann sich der „gedankenvolle" Künstler, die musische Verkörperung des heroischen Menschen[42], aber trotzdem an der heroischen Tat beteiligen. Der politische Aspekt ist nämlich bei Hölderlin durchaus nicht zu unterschätzen. Wie wichtig die Verbindung zwischen Natur, Dichtung und Politik ist, lässt er in seinem Roman daran erkennen, dass er ihr die Losung der Französischen Revolution zugrunde legt.[43]

5.1. „ ... und diesen Platz erobern wir gewiss.“ – Die physische Tat

Für Hyperion stellt sich zu Beginn die Frage nach der Art des Widerstandes nicht. Er glaubt an die geistige Kraft der Menschen und an die Liebe zu Diotima, die ihm lange Zeit das Vertrauen in die Wirksamkeit mentaler Veränderungen gibt.[44] Ebenso wie sein Held Hyperion ist aber auch Hölderlin innerlich zerrissen und will sich nicht mit geistiger Arbeit zufrieden geben. Den einen wie den anderen drängt es zu heroischen Taten. So schreibt Hölderlin an seinen Freund Neuffer: „Wenn uns Pflichten, die uns beeden wahrhaft heilig sind, aufrufen, so bringen wir dann auch der Notwendigkeit ein schönes Opfer, wenn wir die Liebe zu den Musen verläugnen, wenigstens auf eine Zeit lang."[45] Wie um dies zu unterstützen, zieht Hyperion gegen Diotimas Warnungen in den Kampf.[46] Er folgt seinem Freund Alabanda, um bei dem gerechten Unterfangen, das Vaterland von den Besatzern zu befreien, mitzuwirken. Alabandas Umtriebigkeit ist es, die Hyperion aufstachelt: „Alabanda ist fleißig und sucht in er Woge nach Beute; und dir schlafen die Hände im Schoß? ... Aber deine Worte sind, wie Schneeflocken, unnütz, und machen die Luft nur trüber und deine Zaubersprüche sind für die Frommen, aber die Ungläubigen hören dich nicht. - Ja! sanft zu sein, zu rechter Zeit, das ist wohl schön, doch sanft zu sein, zur Unzeit, das ist hässlich, denn es ist feig!"[47] Weder Alabanda noch Hyperion können zu diesem Zeitpunkt wissen, welche negative Energie in den Kämpfern steckt, die nach dem Vorbild der jakobinischen Revolutionsführer das Maß überschreiten und den Befreiungskrieg zu Plünderungen oder wahllosem Morden nutzen. Die hoffnungsvollen Worte des Freundes erwecken zunächst Hyperions Kampfeswillen: „Es regt sich, ... Russland hat der Pforte den Krieg erklärt; ...die Griechen sollen frei sein, wenn sie mit aufstehen, den Sultan an den Euphrat zu treiben. Die Griechen werden das Ihre tun, die Griechen werden frei sein...".[48] Hier ist der Kampf noch als legitime Maßnahme zum Verjagen des Feindes zu sehen, ähnlich wie auch die napoleonischen Kriege zur Verteidigung des revolutionären Frankreichs.

Für die Protagonisten des Romans steht außer Frage, dass zum Erreichen ihres Zieles physische Kräfte von Nöten sein werden. Für den „neuen Geisterbund" muss ein Platz auf der Erde erobert werden.[49] Auch in der angesprochenen Verfassung, die Rhigas Velestinlis für die Zeit nach der Osmanenherrschaft entwirft, kehrt die Waffenschulung wieder: Das „egalité" der französischen Revolutionslosung, die Gleichheit der Menschen, wird auf die Wehrhaftigkeit des Staates angewandt und äußert sich in der Forderung nach der allgemeinen Wehrpflicht. Die entsprechende Haltung des Hyperion, der das griechische Heer vergrößern will, wird von seinen Mitkämpfern jedoch nicht geteilt. Sein Plan wird verworfen und statt eines schnellen Erfolges durch napoleonische Taktik kommt es zum Stillstand der Belagerung. Dieser führt letzten Endes zu der Unzufriedenheit der Soldaten, dem Grund für die gewaltsamen Plünderungen.[50]

Aber auch andere Gründe sprächen für den bewaffneten Kampf: Im Mythos der Revolution ist die physische Realisierung einer militärischen Formation gleich der einer ästhetischen. Bewaffnung steht also synonym für Schönheit und einen Schritt weiter geschaut würde Volksbewaffnung sogar den „Freistaat des Schönen" zur Wirklichkeit werden lassen.[51] Wie sehr Krieg und Kunst zusammenhängen, zeigt sich auch an den Beispielen, die fast jeder Feldzug liefert: Schönheit und Ästhetik werden durch die „Entführung" von Beutekunst vermehrt.

5.2. „O hätt ich doch nie gehandelt!“ – Die geistige Tat

Aber Friedrich Hölderlin lässt sich keineswegs dazu hinreißen, den Krieg generell zu vergöttern. Wie bereits angedeutet, verliert für ihn der Krieg seinen Charakter, sobald er sich von der Gerechtigkeit weg bewegt. Schaut man ganz tief in die griechische Mythologie, kann man einen möglichen Bezug Hölderlins zu der selben konstruieren. Nachdem Kronos seinen Vater Uranos (den Himmel) mit einer Sichel entmannt hat, empfängt Gaia (die Erde) zunächst die Furien. Diese Rachegöttinnen verfolgen all jene gnadenlos, die zu Unrecht Blut vergießen und sind die Geschwister der Titanen, zu denen auch ein gewisser Hyperion gehört. Hölderlin könnte also einen Zusammenhang zwischen einem gerechten Krieg, dem klassischen Griechenland und Hyperion herstellen. Dies ist allerdings reine Spekulation, für die ich keine Belege anführen kann.

Sobald der Krieg den gerechten Zweck nicht mehr verfolgt und seine Auswüchse die der jakobinischen Gewaltherrschaft, der griechischen Plünderungen oder der napoleonischen Eroberungskriege annehmen, sehen sowohl Hölderlin, als auch Hyperion seine Legitimität verschwinden. Ebenso wie die Argumente für einen gewaltsamen Widerstand genannt wurden, können auch Gegenargumente dargelegt werden. So ist noch einmal zu betonen, dass nicht jeder zum Heldendasein im physischen Sinne geboren ist. Diotima selbst ist es, die Verkörperung Griechenlands, die Hyperion nach Erhalt von Alabandas Brief mit den Worten „du bist nicht dazu geboren"[52] von dem folgenschweren Schritt abrät und ihn an seine eigentliche Berufung erinnert. Hyperion oder Hölderlin sind sehr wohl in der Lage, ihre heroischen Ideale zu formulieren - Männer wie Rhigas Velestinlis oder der junge Napoleon Bonaparte dagegen drängen auf eine aktive Teilhabe am Weltenwandel. Diese endet für Hyperion und Rhigas insofern mit dem Scheitern, als eine wichtige Voraussetzung des bewaffneten Widerstandes missachtet wird: Der richtige Zeitpunkt wird nicht abgewartet. Denn nicht die Tat selbst im Hölderlinschen Sinne macht den Helden aus, sondern die Tat in einer Situation, in der sie dem Rechtfertigungszwang genüge tut.[53] Dazu gehört im Fall von organisiertem, bewaffnetem Kampf vor allem, dass die Soldaten im Freudentaumel über gewonnene Schlachten nicht unbesonnen vom Weg zum eigentlichen, größeren Ziel abweichen.

Die Einsicht, dass für seinen Einsatz die Zeit nicht reif war, teilt Hyperion seinem Freund Bellarmin im ersten Brief mit, also nach komplett erfolgter Handlung: „O hätt ich doch nie gehandelt! um wie manche Hoffnung wär ich reicher"[54], schreibt er im Angesicht der Plünderungen und der Feigheit seiner griechischen Mitkämpfer. Diese sind nicht einmal Fiktion, Hölderlin verarbeitet realhistorische Fakten aus dem russisch-türkischen Krieg von 1768 bis 1774. Die geistige Erneuerung der Griechen erhält von da an den Vorrang im Dasein des Hyperion. Auch der späte Hölderlin zieht nach dem Verlauf der Französischen Revolution die selbe Option und versucht mit seinen Werken, der Konstruktion einer mental reinen und starken deutschen Nation auf die Sprünge zu helfen.

Ferner ist bei der Frage nach der Art des Widerstandes noch der Aspekt zu betrachten, dass Hölderlin aufklärerischen Ideen positiv gegenüber steht. Aufklärungshistorikern zufolge wird ein dauerhafter politischer Zustand nicht durch Kriege oder Bürgerkriege erreicht. Vielmehr ist die historische Staatsentwicklung die „langdauernde Geschichte der Staatsverwaltung, der Finanzen und der materiellen Machtstrukturen eines Staates".[55] Politischer Wandel und sozialer Fortschritt sollen demnach immer ein Ergebnis des inneren Wandels der Menschen sein, der wiederum durch aufgeklärte Politik hervorgerufen werden soll. So gesehen erscheint die Haltung der deutschen Aufklärer zur Französischen Revolution verständlich: Sie ist der „philosophisch wertvolle Vollzug der Aufklärung"[56], stellt jedoch hinsichtlich ihrer Mittel und Wege keine eigene Handlungsoption dar.[57] Also kehrt auch Hyperion nach und nach zu der von Diotima vertretenen Idee des „Lehrers am Volke" zurück. Allmähliche Erziehung soll dabei auf einen geistigen Zustand hin arbeiten, der das Verfehlungspotential möglichst gering hält. Da dies in einem despotisch regierten Staat wie dem von den Osmanen besetzten Griechenland wegen offensichtlicher Zensur nicht so ohne weiteres möglich ist, bindet Hyperion die Erziehungsinhalte an seine Gottheit, an die Natur:[58] „Aber du wirst richten, heilige Natur! Wenn ... diese Menschen zum Gesetze nicht sich machten für die Bessern unter ihnen! ... Wenn sie nur das Göttliche nicht höhnten!"[59]

Friedrich Hölderlin stellt in seinem Roman verschiedene Wege des Widerstandes gegen Despotie dar. Dem Naturell des Dichters entsprechend entpuppt sich der Weg der Gewalt als der in den Untergang führende, während der Weg geistiger Erneuerung, Öffnung zur Natur hin und praktizierter Menschenliebe die Tür zum Elysium weit öffnet. Diese Haltung ist das Ergebnis einer pietistischen Erziehung, die Hölderlin schon als Knaben die Natur erschließen und „nicht das schimmernde Getümmel der eitlen Welt, nein! nur die Tugend"[60] suchen lässt. Das verbindende Element zwischen dem Pietismus und der Aufklärung findet sich vor allem in der Betonung auf der Existenz des unorthodoxen Menschen. Dieser wird - entgegen auch den Dogmen etablierter Kirchen - jeweils von seinem persönlichen Leben her beurteilt, und mit dem Ziel einer innerlich erneuerten Gesellschaft gehen beide Philosophien einen humanitären und wohltätigen Weg.[61]

Die protestantisch-rationalistische Religionsrichtung des Pietismus lehnt bloßes intellektuelles Wissen ebenso ab wie eine rein emotionale Herzensreligion.[62] Auch hier passt Hölderlins Warnung vor einer bloßen intellektuellen oder ästhetischen Deutung seines Buches. Besonders den Deutschen legt er mit den Worten Hyperions zur Last, sie würden die Dissonanz zwischen „tiefem Nachdenken" auf der einen Seite und „leerer Lust" auf der anderen nicht auflösen.[63] Wie Hölderlins Kritik an den Deutschen konkret aussieht, soll nun dargelegt werden.

6. „So kam ich unter die Deutschen..." – Gegenwartskritik Hölderlins

Deutschland ist für Hölderlin zunächst einmal eines: nicht das antike Griechenland.[64] „Fragmentation and Division, Egoism and slavish Disposition"[65] lassen die deutsche Heimat als Antipol zum altertümlichen Balkanstaat erscheinen. In der von Hölderlin angestrebten Reaktivierung alten Geistes spielt die Symbiose aus Kunst und Wissenschaft eine entscheidende Rolle. Erstere kann sich in Deutschland aber nicht in gebührender Weise entfalten, weil soziale Normierungen und Zwänge die Geistesfreiheit und somit individuelles Denken einengen.[66] In der Endkonsequenz wird damit verhindert, dass die Deutschen die Barbarei abschütteln und zu „Bellarminen", also „schönen Deutschen" werden. Ein gleichzeitiges intellektuelles und ästhetisches Verständnis des Romans wäre die Erlösung aus dem deutschen Gefängnis der reinen Wissenschaften, denn „the lesson is aesthetic, Beauty is redemptive".[67]

Dennoch ist auch hier Hölderlin weit davon entfernt, die Deutschen ihrer Fehler wegen zu hassen. Gerade das Engagement, das Hyperion beim Verteufeln des Deutschtums an den Tag legt, zeigt das „emotional commitment" des Dichters.[68] So hegt dieser zeit seines Lebens die Hoffnung, „dass der Egoismus in allen seinen Gestalten sich beugen wird unter die heilige Herrschaft der Liebe und Güte, dass Gemeingeist über alles in allem gehen und dass das deutsche Herz in solchem Klima, unter dem Segen dieses neuen Friedens erst recht aufgehn, und geräuschlos, wie die wachsende Natur, seine geheimen weitreichenden Kräfte entfalten wird...".[69]

Zur Zeit seiner Kritik an den Deutschen befindet sich Hyperion schon auf einer sehr hohen Entwicklungsstufe, was seine Fähigkeiten hinsichtlich politischer Reflexion betrifft.[70] Die von ihm gescholtenen Deutschen sind dieselben, die auch das potentielle Publikum Hölderlins ausmachen. Verallgemeinernd ist in beider Männer Sicht die „Negativität des privaten wie gesellschaftlich-öffentlichen Lebens"[71] ein Ergebnis des geschilderten Mangels an ästhetischem Verständnis. So bringt es Hyperion auf den Vergleich des deutschen Dichters in seiner Heimat mit dem Schicksal des „Ulyß, da er in Bettlersgestalt an seiner Türe saß, indes die unverschämten Freier im Saale lärmten und fragten, wer hat uns den Landläufer gebracht?"[72] Der Dichter fungiert hier als Personifikation der Künste, deren Ausdruck im menschlichen Charakter dem der „unverschämten Freier" gegenüber steht. Die Erneuerung des Geistes mit Hilfe der Kunst steht hier im Prinzip synonym für den Befreiungskampf gegen eine Fremdherrschaft, da selbst das Okkupieren menschlicher Naturen durch ästhetikfeindliches Gedankengut als Fremdherrschaft gelten kann.

Nebenbei könnte das Gleichnis auch eine Selbstaussage Hölderlins sein, der somit seine eigene Situation in Deutschland kommentiert.[73] Hyperions Erkenntnis, dass in Deutschland keine „ganzen" Menschen existierten, sondern nur spezialisierte und beschränkte „Handwerker..., aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen..."[74] findet in Hölderlins Leben eine Parallele. So wie Hyperion den Weg aus Griechenland in das (bis zum Frühling) kalte Deutschland bestreitet, tauscht Hölderlin seine schwäbische Heimat mit der vergleichsweisen Metropole Frankfurt/Main. Von seiner Zeit dort ist überliefert, dass Hölderlin „wenig echte Menschen ausgenommen, lauter ungeheure Kreaturen" sieht, „läppisch, schwindlich, grob und übermütig". Hyperions Erlebnisse in Mitteleuropa entsprechen demzufolge realhistorischen Fakten aus dem Leben Friedrich Hölderlins.

Und doch - wie gesagt - verliert Hölderlin nicht die Hoffnung. Er will alles tun, um seinem Volk den Weg in das Licht zu zeigen. Das Licht ist überhaupt eine sehr oft gebrauchte Metapher im „Hyperion". Besonders der Titelheld und Diotima, aber auch der Lehrer Adamas sprechen vom Tag, von der Sonne und vom Licht in den höchsten Tönen. Wiederum rein spekulativ ist hier ein erneuter Ausflug in die griechische Mythologie: Die Titanen Theia und Hyperion sind es, die die beflügelte Göttin der Morgenröte Eos und den Sonnengott Helios zeugen. Somit steht der Hyperion des Romans hier für die Hoffnung auf den Aufbruch in das Licht. Das unterstreicht er im ersten Brief des zweiten Bandes im zweiten Buch: Er fordert Bellarmin und damit die Deutschen auf, ihm zu folgen, „hinab bis in die tiefste Tiefe meiner Leiden, und dann, du letzter meiner Lieben! komm mit mir hinaus zur Stelle, wo ein neuer Tag uns anglänzt."[75] Das helle Morgenlicht als Synonym für eine helle Zukunft. Die Deutschen müssten nun nur noch Hölderlins Botschaft erkennen und über den schweren Weg der kritischen Selbsterkenntnis die „tiefste Tiefe" überwinden. Dann, nachdem sie da Buch gelesen und verstanden hätten, wären ein jeder gewandelt zu dem jeweilig „letzten meiner Lieben", zu Bellarmin.

7. „Nächstens mehr“

Hyperion verarbeitet in seinen Briefen an Bellarmin keine Erlebnisse in Echtzeit. Alles, was er seinen Freund wissen lässt, ist schon passiert, als er den ersten Brief beginnt. Aufgrund dessen ist Hyperion in der Lage, die Ereignisse der vergangenen drei Jahre[76] kritisch zu betrachten. Er ist in der Lage zu reflektieren, dass es die Liebe zu Diotima und deren Zuneigung und Klugheit waren, die ihm nach dem Bruch mit Alabanda neuen Lebensmut gaben. Hyperion kritisiert an sich selbst, dass er der Ansicht war, die Größe der Vergangenheit (durch Adamas verkörpert) könne mit den Mitteln der Gegenwart (Gewalt der Nemesis und damit des Alabanda) erreicht werden. Die Gewalt, zunächst als gerecht empfunden, entwickelte sich im Laufe der Zeit eben zu jenem Selbstläufer, den Hyperion nicht mehr kontrollieren konnte. Aus dieser Selbstkritik heraus wendet sich Hyperion zurück zu der Rolle des Volkslehrers, die ihm von Diotima zugeschrieben wurde.

Hölderlin, der in seinem Roman deutliche Kritik am Charakter der Deutschen übt, stellt Hyperions Weg vor als vom geistig geprägten Menschen über den unüberlegt Handelnden zurück zum Verfechter der mentalen Stärkung als Nationen konstituierendes Element. Zurück zum Ursprung geht also Hyperions Weg, zurück zum Ursprung sollen die Menschen in ihrem Denken und Handeln gehen und zurück zum Ursprung soll auch die Marschroute für die Deutschen sein, die nach der Französischen Revolution zwar mit neuen Handlungsoptionen und neuen Freiheiten ausgestattet sind, diese aber an die „alten, natürlichen“ Ideale binden sollen.

Anhang - Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Hölderlin, Friedrich: Hyperion oder der Eremit in Griechenland. Philipp Reclam jun.; Stuttgart: 1998

Hölderlin, Friedrich: Sämtliche Werke. Dritter Band W. Kohlhammer Verlag; Stuttgart 1957

Sekundärliteratur

von Albrecht, Christoph: Geopolitik und Geschichtsphilosophie 1748 – 1798 Akademie-Verlag; Berlin: 1998

Beck, Adolf und Rabe, Paul (Hg.): Hölderlin. Eine Chronik in Text und Bild. Schriften der Hölderlin-Gesellschaft Bde. 6/7 Insel Verlag; Frankfurt / Main:1970

Becker, Ernst Wolfgang: Zeit der Revolution! - Revolution der Zeit? Zeiterfahrungen in Deutschland in der Ära der Revolutionen 1789 - 1848/49 Vandenhoeck und Ruprecht; Göttingen: 1999

Bertaux, Pierre: Friedrich Hölderlin. Suhrkamp; Frankfurt / Main: 1978

Gaskill, Howard: Hölderlin's Hyperion University of Durham: 1984

Guardini, Romano: Hölderlin. Weltbild und Frömmigkeit. Kösel-Verlag; München: 1955

Prignitz, Christoph (1): Hölderlins "Empedokles". Die Vision einer erneuerten Gesellschaft und ihre zeitgeschichtlichen Hintergründe. Helmut Buske Verlag; Hamburg: 1985

Prignitz, Christoph (2): Vaterlandsliebe und Freiheit: deutscher Patriotismus von 1750 -1850.

Franz Steiner Verlag GmbH; Wiesbaden: 1981

Prill, Meinhard: Bürgerliche Alltagswelt und pietistisches Denken im Werk Hölderlins. Zur Kritik des Hölderlin-Bildes von Georg Lukacs. Niemeyer Verlag; Tübingen: 1983

Ryan, Lawrence: "So kam ich unter die Deutschen." Hyperions Weg in die Heimat. in: Hölderlin-Jahrbuch 1997 -1999 Edition Isele; Eggingen 2000

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[1] Vgl. Vorrede zum Hyperion, Reclam S. 5

[2] Vgl. Chronik S.21, aus einem Erlass des Herzogs nach einem Besuch im Tübinger Stift

[3] Vgl. Chronik S.22

[4] Vgl. Chronik S. viii, außerdem: Prignitz (2) S. 81: Prignitz stellt besonders "Der Tod fürs Vaterland" heraus, in dem Hölderlin klar stellt, dass vaterländische Gesinnung nur dann realpolitischen Charakter erlangen kann, wenn die Despotie überwunden wird.

[5] Vgl. Prignitz (2) S.78: Während Pierre Bertaux Hölderlin die radikale Rolle eines Jakobiners zuschreibt, lehnen D. Lüders und Christoph Prignitz eine Politisierung des Dichters ab, bestehen jedoch darauf, dass tatsächlich vorhandene politische Momente im Werk Hölderlins wesentlich sind.

[6] Vgl. Prignitz (2) S.78f.: Hölderlins Tübinger Hymnendichtung (bes. „Hymne an die Freiheit") wird zum Ausdruck seiner durch die revolutionäre Zeit geprägten patriotischen Gesinnung, womit er dem Ideal vieler seiner Zeitgenossen entspricht: Erneuerung im „Geiste der Freiheit".

[7] Vgl. Albrecht S.125; genauso wie die Französische Revolution diese Chance verpasst, scheitern auch Hölderlins Held Hyperion und sein mögliches reales Vorbild Rhigas Velestinlis beim Reformieren der griechischen Gesellschaft

[8] Vgl. Chronik S.11ff: 1783 ist Griechisch Hölderlins bestes Fach (Note „sehr gut"), 1785 bekommt er wie auch in anderen Fächern „gut", 1787 „recht gut".

[9] Vgl. Bertaux S.301

[10] ebd.: „Zwei junge Helden ... warens, die zuerst das große Werk der Freiheit begannen. Alles war durch die kühne That begeistert. ... Nun erst fühlte der Athener seine Kraft ganz. Die beständige Gefährtin der griechischen Größe, die Kunst, that gewaltige Fortschritte. Trefliche Meister standen auf."

[11] Vgl. Chronik S. viii f.

[12] ebd.

[13] Vgl. Chronik S. ix

[14] ebd.

[15] Vgl. Becker S.48

[16] Vgl. Becker S.60

[17] Vgl. Becker S.49f: zitiert wird der Konservative Friedrich Genz im Dezember 1789: „Das Scheitern der Revolution würde ich für einen der härtesten Unfälle halten, die je das menschliche Geschlecht getroffen haben. Sie ist der erste praktische Triumph der Philosophie, das erste Beispiel einer Regierungsform, die auf Prinzipien ... gegründet wird."

[18] Der Umschwung der Revolution wurde von Klopstock 1793 als negativ eingestuft (in „Der Eroberungskrieg"); zur selben Zeit, im Juli 1793, verfolgen die Stiftsbewohner um Hölderlin gespannt die politischen und militärischen Vorgänge in Frankreich: „Es hängt an einer Haarspitze, ob Frankreich zu Grunde gehen soll, oder ein großer Staat werden." Vgl. Chronik S.32

[19] Chronik S.33f. Die Hinrichtung Brissots und anderer Girondisten fand am 31. Oktober statt.

[20] Vgl. Albrecht S.183: Besonders militärische Details, wie die Beweglichkeit Napoleons, die Hyperions „Panacee" gleich kommt, lassen den Schluss auf die Metaphorik zu.

[21] Vgl. Albrecht S.180

[22] Vgl. Albrecht S.181: In Hölderlins „Bounaparte" ist der erstbeste Krieg der „existenzielle Ausbruch" aus dem Alltag und eine „große Arbeit", welche genau die Kraft wieder hervor bringt, die der Mensch seit Anbeginn hat. Vgl. auch Reclam S.120, Dialog zwischen Alabanda und Hyperion: „O, rief Alabanda, darum ist der Krieg auch so gut - Recht, Alabanda, rief ich, so wie alle große Arbeit, wo des Menschen Kraft und Geist und keine Krücke und kein wächsender Flügel hilft."

[23] Vgl. Albrecht S.184

[24] Vgl. auch: Albrecht S.180

[25] Vgl. Albrecht S.445, zitiert wird Napoleons Aquarellist Giuseppe-Pietro Bagetti: „...durch den Menschen aufgerichtete Hindernisse mit denjenigen der Natur vereinigt..."

[26] Prignitz S.73

[27] Vg. Chronik S.55

[28] Vgl. Prignitz (2) S.82

[29] Vgl. Albrecht S.28: „...als einen politischen Abenteurer mit geopolitischem Zwangscharakter."

[30] Vgl. Weddige S. 201

[31] Vgl. Weddige S.196

[32] Zitat von Fr. Chr. Schlosser in: Prignitz (2) S.73

[33] Vgl. Prignitz (2) S.78

[34] ebd.

[35] Vgl. Becker S.51

[36] Vgl. Albrecht S.117

[37] Vgl. Reclam S.5

[38] Artikel 4: „Ein fremder Philosoph oder ein europäischer Künstler, welcher sein Vaterland verlässt und nach Griechenland kommt, um darin zu leben, mit der Absicht, seine Weisheit oder seine Kunst mitzuteilen, wird nicht nur als ein gemeiner Bürger betrachtet, sondern auf öffentliche Kosten soll ihm eine marmorne Statue mit dem Kennzeichen seiner Wissenschaft oder Kunst errichtet werden, und die geschickteste griechische Feder soll die Geschichte seines Lebens schreiben"

[39] Vgl. Reclam S.107

[40] Vgl. StA 3, S.63

[41] Vgl. Prignitz (2) S.78ff

[42] Vgl. Bertaux S.314

[43] Vgl. Prill S.38; „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" kehren mehrfach als Motiv wieder, z.B. in „O Sonne, o ihr Lüfte, rief ich dann, bei euch allein noch lebt mein Herz, wie unter Brüdern" (Reclam S.177) oder in „Ihr Quellen der Erd! Ihr Blumen! und ihr Wälder und ihr Adler und du brüderliches Licht! wie alt und neu ist unsere Liebe! - Frei sind wir, gleichen uns nicht ängstig von außen; ... innigst im Innersten gleichen wir uns." (ebd.)

[44] Vgl. Guardini S.121: Diotima personifiziert Griechenland und gibt Hyperion die Hoffnung, dass mit den Kräften der Natur und der Vergangenheit das von Fremden beherrschte und innerlich verwahrloste griechische Volk in eine neue Zukunft streben könnte.

[45] Vgl. Bertaux S.310

[46] Vgl. Guardini S.121: Diotima will neue Einheit von Griechen und Natur durch Erziehungsarbeit am Volk erreichen, aber Hyperion wird durch die Ereignisse und möglicherweise durch eigene Unüberlegtheit in den Krieg gerissen.

[47] Vgl. Reclam S.106

[48] Vgl. Reclam S.105

[49] Vgl. Reclam S.107: Hyperion meint zu Diotima: „Der neue Geisterbund kann in der Luft nicht leben, die heilige Theokratie des Schönen muss in einem Freistaat wohnen, und der will Platz auf Erden haben und diesen Platz erobern wir gewiss."

[50] Vgl. Albrecht S.236; Vgl. auch Reclam S.127 „... auch nehmen wir ihm [dem Gegner] mit Schnelle die Fassung und das ist meine Panacee. Doch halten die erfahrneren Ärzte nichts auf solche allesheilende Mittel." und Reclam S.130: „Im Lager ists mir, wie in gewitterhafter Luft. Ich bin ungeduldig, auch meine Leute gefallen mir nicht. Es ist ein furchbarer Mutwill unter ihnen."

[51] Vgl. Albrecht S.236

[52] Vgl. Reclam S.107

[53] Vgl. Bertaux S.312

[54] Vgl. Reclam S.8

[55] Vgl. Albrecht S.110

[56] Vgl. Becker S.50

[57] ebd.; vgl. auch Prignitz (1) S.49: Der gesellschaftlich-politische Aspekt der Aufklärung überwiegt zum Teil gegenüber dem der Religion, auch wenn Kant den „Hauptpunkt der Aufklärung ... vorzüglich in Religionssachen gesetzt" hat. Dabei wird die „neue christliche Sozialethik" durch Reformen und geistige Reifung angestrebt, eine Radikalisierung bis hin zu physischer Gewalt dagegen im Prinzip ausgeschlossen.

[58] Vgl. Prill S.38

[59] Vgl. Reclam S.173

[60] Vgl. Chronik S. xvii; auch Prignitz Emp. S.47: „...es ist so gut, als ob man in der Kirche gewesen wäre, wenn man so mit reinem Herzen und offenem Auge Licht und Luft und die schöne Erde gefühlt hat"

[61] Vgl. Prignitz (1) S.53; auch Reclam S.18f.: Adamas lehrt seinem Schüler Hyperion, dass „ein Gott in uns" wäre, „der lenkt, wie Wasserbäche, das Schicksal, und alle Dinge sind sein Element." Damit wird der immanente Gott, den ein jeder für sich selbst finden muss, klar über den landläufigen „Kirchengott" gestellt.

[62] Vgl. Prignitz (2) S.51; Reclam S.171: ein pietistischer Hyperion beklagt sich darüber, dass die Deutschen „durch Fleiß und Wissenschaft und selbst durch Religion barbarischer geworden" seien, „tiefunfähig jedes göttlichen Gefühls".

[63] Vgl. Gaskill S.30

[64] Vgl. Ryan S.100

[65] Vgl. Gaskill S.27

[66] Vgl. Prill S.35; auch: Reclam S.171: Hyperion beklagt, dass die „Deutschen tiefunfähig jedes göttlichen Gefühls" seien.

[67] Vgl. Gaskill S.28

[68] ebd.

[69] Vg. Chronik S. xxvii

[70] Vgl. Prill S.21: Die Gegenwartskritik trifft nicht nur die Deutschen im Allgemeinen, sondern je nach Hyperions Entwicklungsstufe auch die „Städter" und das ländliche „Bergvolk".

[71] Vgl. Prill S.17

[72] Vgl. Reclam S.174

[73] Vgl. Prill S.37

[74] Vgl. Reclam S.171

[75] Vgl. Reclam S.138, Bezug auf Deutsche in: Ryan S.100

[76] Vgl. Reclam S.184f.: Michael Knaupp rekonstruiert anhand der dem Roman zugrunde liegenden realhistorischen Fakten die Erlebnisse Hyperions und ordnet sie in einen zeitlichen Rahmen ein. Demnach bricht Hyperion im Jahr 1768 nach Smyrna auf, wo er im Spätsommer des selben Jahres auf Alabanda trifft, und beginnt im Frühjahr des Jahres 1771 den Briefwechsel mit Bellarmin.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Gesellschaftskritik in Hölderlins "Hyperion"
Université
Dresden Technical University
Note
2
Auteur
Année
2002
Pages
21
N° de catalogue
V109377
ISBN (ebook)
9783640075584
Taille d'un fichier
385 KB
Langue
allemand
Mots clés
Gesellschaftskritik, Hölderlins, Hyperion
Citation du texte
Robert Zech (Auteur), 2002, Gesellschaftskritik in Hölderlins "Hyperion", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109377

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