Nicht zufällig fällt der Durchbruch des radikalen Rechtspopulismus zusammen mit einer Periode tiefgreifenden sozio-kulturellen Wandels in den meisten westlichen Gesellschaften. Standen am Anfang der achtziger Jahre noch Forderungen nach einer grundlegenden Wende in der Umweltpolitik, einer Neudefinition der Arbeit, der Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd, sozialer und gesetzlicher Besserstellung von sozialen Randgruppen, sowie realer Gleichstellung von Frauen in Beruf und Gesellschaft im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung, so stiegen seit dem Ende der achtziger Jahre Fragen nach den Folgen ungebremster Einwanderung, des >überzüchteten< Wohlfahrtsstaats und damit verbunden der >Anspruchsmentalität< zu Themen auf. Sie sind Ausdruck einer neuen politischen Kultur des Ressentiments, die sich im Zuge weltweiter technologischer Veränderungen grenzüber-schreitend ausbreitet. Die Folgen des gegenwärtigen sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Wandels werden vom unteren Drittel der Gesellschaft und von Teilen der (vermeintlichen) >alten Mitte< als Verschlechterung der Lebenschancen erfahren: Stagnierende Einkommen, eine Ausweitung der Kluft zwischen arm und reich, der drohende soziale Abstieg, sowie das Gefühl ungeschützt tiefgreifenden Entwicklungen ausgesetzt zu sein, gegenüber denen sich sogar nationalstaatliche Ordnungspolitik als ohnmächtig erweist. Andererseits bringt die globale Informationsgesellschaft eine neue Schicht von dynamischen Unternehmern und Selbstunternehmern hervor, eine >neue Mitte<, deren Initiativgeist und Ei-genverantwortungsbereitschaft traditionellen korporatistischen Entscheidungs- und Verteilungsmechanismen grundlegend zuwiderlaufen. Von ihnen werden die globalen Veränderungen durchaus als Chance begriffen, verkrustete Strukturen aufzuweichen und individueller Leistung breiteren Raum zu bieten. [...]
Inhaltsverzeichnis
Gesellschaftlicher Wandel
Neue Politik in der globalisierten Informationsgesellschaft
Rechtspopulistische Programmatik
Wohlstandschauvinismus
Weimarer Erfahrungen
Demokratischer Totalitarismus
Gesellschaftlicher Wandel
Nicht zufällig fällt der Durchbruch des radikalen Rechtspopulismus zusammen mit einer Periode tiefgreifenden sozio-kulturellen Wandels in den meisten westlichen Gesellschaften. Standen am Anfang der achtziger Jahre noch Forderungen nach einer grundlegenden Wende in der Umweltpolitik, einer Neudefinition der Arbeit, der Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd, sozialer und gesetzlicher Besserstellung von sozialen Randgruppen, sowie realer Gleichstellung von Frauen in Beruf und Gesellschaft im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung, so stiegen seit dem Ende der achtziger Jahre Fragen nach den Folgen ungebremster Einwanderung, des >überzüchteten< Wohlfahrtsstaats und damit verbunden der >Anspruchsmentalität< zu Themen auf. Sie sind Ausdruck einer neuen politischen Kultur des Ressentiments, die sich im Zuge weltweiter technologischer Veränderungen grenzüber-schreitend ausbreitet.
Die Folgen des gegenwärtigen sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Wandels werden vom unteren Drittel der Gesellschaft und von Teilen der (vermeintlichen) >alten Mitte< als Verschlechterung der Lebenschancen erfahren: Stagnierende Einkommen, eine Ausweitung der Kluft zwischen arm und reich, der drohende soziale Abstieg, sowie das Gefühl ungeschützt tiefgreifenden Entwicklungen ausgesetzt zu sein, gegenüber denen sich sogar nationalstaatliche Ordnungspolitik als ohnmächtig erweist.
Andererseits bringt die globale Informationsgesellschaft eine neue Schicht von dynamischen Unternehmern und Selbstunternehmern hervor, eine >neue Mitte<, deren Initiativgeist und Eigenverantwortungsbereitschaft traditionellen korporatistischen Entscheidungs- und Verteilungsmechanismen grundlegend zuwiderlaufen. Von ihnen werden die globalen Veränderungen durchaus als Chance begriffen, verkrustete Strukturen aufzuweichen und individueller Leistung breiteren Raum zu bieten.
Neue Politik in der globalisierten Informationsgesellschaft
Vor diesem Hintergrund haben heute diejenigen Parteien die besten Erfolgsaussichten, denen es gelingt, zwischen zwei im Grunde unvereinbaren Positionen zu lavieren: Sich einerseits als Vertreter eines überfälligen Modernisierungskurses und andererseits als Anwalt der Modernisierungsverlierer zu präsentieren, und somit gleichzeitig die neuen postmodernen Leistungseliten sowie das verunsicherte untere Drittel, konkreter: die untere Mittelschicht der Gesellschaft anzusprechen.
Dies geht jedoch nicht ohne Widersprüche. Denn forcierte Modernisierung unterwandert auch gerade diejenigen traditionellen Werte und Institutionen, als deren Anwalt der radikale Rechtspopulismus sich gerne aufspielt.
Zum zweiten profitieren radikal rechtspopulistische Parteien vom Niedergang traditioneller Parteien in repräsentativen Demokratien im Zuge der Medialisierung und damit verbundenen Personalisierung der Politik (Stichwort: >Videokratie<), sowie der inflationsartigen Steigerung der Umfragedaten.
Beide Entwicklungen erlauben die direkte Kommunikation zwischen Wählern und politischer Klasse bei gleichzeitiger Umgehung traditioneller Institutionen und ebnen damit dem neuen telegenen Populismus den Weg, der nicht zuletzt vom Charisma seiner Interpreten lebt, wobei Umberto Bossi, Filip Dewinter (Vlaams Blok), Jörg Haider oder Christoph Blocher sicherlich die herausragenden Vertreter, aber keineswegs die einzigen Talente sind.
Geht man davon aus, daß es sich sowohl bei der Globalisierung der Wirtschaft und den damit einhergehenden sozialen und kulturellen Spannungen als auch bei der Eröffnung neuer, direkter Kanäle politischer Kommunikation und Repräsentation um dauerhafte Erscheinungen handelt, so ist die langfristige Einnistung des radikalen Rechtspoulismus in den westeuropäischen Demokratien mehr als wahrscheinlich.
Gespiegelt und zugleich vorweggenommen wird diese Entwicklung in den zum Teil spektakulären Ergebnissen der italienischen Lega Nord, des belgischen Vlaams Blok oder der >Freiheitlichen Partei Österreichs<.
Andere der radikal populistischen Parteien stagnieren oder befinden sich derzeit in Umbildungsrozessen: so der französische Front National und die skandinavischen Fortschrittsparteien. Daß es vorschnell wäre, hierin gleich ein Zeichen eines rechtspopulistischen Niedergangs zu sehen, machen eindringlich die Ergebnisse der schweizerischen Nationalratswahlen vom Oktober vergangenen Jahres deutlich. Dem strahlenden Sieger Christoph Blocher gelang es dort die rivalisierenden Gruppierungen und Strömungen rechtsaußen, die zuvor mit den >Freiheitlichen< oder der >Autopartei konkurriert hatten, in der alten, nunmehr neokonservativen Schweizerischen Volkspartei zu bündeln.
Verfolgen einige dieser Parteien durchaus ihre eigenen spezifischen Ziele (z.B. Föderalismus: Lega Nord; Separatismus: Vlaams Blok; Verkehrspolitik: schweizerische Freiheitliche) ist ihnen, so eine Analyse des Politologen Hans Georg Betz, doch der spezifische programmatische Kern gemein.
Rechtspopulistische Programmatik
Die Kritik des radikalen Rechtspopulismus richtet sich in erster Linie gegen das politische Establishment.
So polemisiert der Vlaams Blok gegen die >politische Mafia< der etablierten Parteien und deren >politisches Banditentum<; attackiert Jean-Marie Le Pen die >Viererbande< der französischen Parlamentsparteien. Der >Nomenkalatura < (Bossi) wird vorgeworfen, die Macht an sich gerissen und den Staat als >Beutestück< einverleibt (Haider) zu haben. Im Zuge dieser Entwicklung habe sich eine politische Klasse herausgebildet, die sich mit Hilfe von Kompromissen an der Macht halte und so >konfliktunfähig< geworden sei. Ihr einziges Ziel, so Haider bereits 1994, sei es sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern und ihre >Macht durch Privilegien, Ämterpatronanz, Gelegenheitskorruption und >Günstlingswirtschaft< zu festigen.
Ein zweiter Kernpunkt rechtspopulistischer Programmatik liegt in ihrem Eintreten für einen dezidierten Neoliberalismus.
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- Quote paper
- Dr. phil. Walter Grode (Author), 2000, Extremismus der Mitte. Politische Rechte und Extremismus im reichen Westeuropa, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109445
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