Macht als sozialer Erfolgsfaktor in IT-Projekten


Tesis, 2005

184 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Prolog
1.1 Ausgangslage
1.2 Aufgabenstellung
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Literaturanalyse
2.1 Der Begriff Macht
2.2 Dualismus der Macht
2.3 Macht und Organisation
2.3.1 Machtquellen
2.3.1.1 Das Machtmodell von French und Raven
2.3.1.2 Machtquellen nach Lattman
2.3.1.3 Machtquellen nach Crozier und Friedberg
2.3.1.4 Machtquellen nach Mintzberg
2.3.1.5 Zusammenfassender Machtentwurf
2.3.2 Strukturelle Machtquellen
2.3.3 Informationsmacht
2.3.4 Persönliche Machtquellen
2.3.4.1 Gruppenrollen
2.3.5 Netzwerkmacht
2.3.6 Ressourcenmacht
2.3.7 Expertenmacht
2.3.7.1 Führungsverhalten
2.3.8 Zeitliche Veränderung von Machtverhältnissen
2.3.8.1 Gruppenprozesse
2.3.8.2 Verantwortungen im Projektverlauf
2.3.9 Machtspiele
2.3.10 Widerstand in Projekten
2.4 Methoden zum Umgang mit Macht
2.4.1 Umgang mit Machtspielen
2.4.2 Umgang mit struktureller Macht
2.4.3 Umgang mit Informationsmacht
2.4.4 Umgang mit persönlicher Macht
2.4.5 Umgang mit Ressourcenmacht
2.4.6 Umgang mit Netzwerkmacht
2.4.7 Umgang mit Expertenmacht
2.4.8 Umgang mit Widerstand
2.5 Zusammenfassung

3 Grundlegende Begriffe und theoretischer Rahmen
3.1 Systemtheorie nach Niklas Luhmann
3.1.1 Niklas Luhmann
3.1.2 Einführung in die Systemtheorie
3.1.2.1 Historischer Abriss
3.1.2.2 Systeme
3.1.2.3 Soziale Systeme
3.1.3 Macht in der Luhmannschen Systemtheorie
3.1.4 Die Machtquellen
3.1.5 Widerstand
3.2 Soziale Systeme in Informatikprojekten.
3.2.1 Akteure im Informatikprojekt
3.2.2 Unmittelbare Umwelt
3.2.3 Umwelt
3.3 Kommunikation in Informatikprojekten.
3.3.1 Macht im Organisationssystem
3.3.1.1 Reine Projektorganisation
3.3.1.2 Stab-Linien-Projektorganisation
3.3.1.3 Matrix-Projektorganisation
3.3.1.4 Beobachtungen
3.3.2 Macht im Interaktionssystem
3.3.2.1 Persönliche Macht
3.3.2.2 Netzwerkmacht
3.4 Fazit und theoretische Handlungsrelevanz

4 Fragebogen
4.1 Der MIO-Ansatz
4.2 Untersuchungsmethodik
4.2.1 Die Umfrage
4.3 Fragebogen
4.3.1 Fragen
4.3.1.1 Fragebogen Teil 1
4.3.1.2 Fragebogen Teil 2
4.3.1.3 Fragebogen Teil 3
4.4 Fazit

5 Auswertungen.
5.1.1 Fragebogen Teil 1
5.1.2 Fragebogen Teil 2
5.1.3 Fragebogen Teil 3
5.2 Zusammenfassung

6 Methodische Konsequenzen
6.1 Projektführung aus der Perspektive der Machtquellen
6.1.1 Die strategische Phase
6.1.2 Die operative Phase
6.1.3 Methodenkatalog
6.1.4 Ausbildungsmässige Konsequenzen für Projektverantwortliche

7 Epilog
7.1 Persönliche Einschätzung der Arbeit
7.2 Persönlicher Nutzen
7.3 Wie weiter?
7.4 Dank

8 Quellenverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

10 Anhang

1 Prolog

1.1 Ausgangslage

84 Prozent aller Informations- und Informatikprojekte [Haur 2001] werden nicht erfolgreich abgeschlossen. Cox erwähnt in einer Studie von 1985 [nach Welt 1992, Seite 150] sogar, dass 95 Prozent aller untersuchten Softwareprojekte kein brauchbares Ergebnis produziert haben – 47 Prozent wurden dabei bezahlt und nicht geliefert, 19 Prozent wurden aufgegeben, 29 Prozent nicht benutzt.

Warum? Ist es nur, da auf die falsche Technologie gesetzt wurde? Ist es, dass die falsche Organisationsform gewählt wurde?

Es stecken hinter jeder Technologie, hinter jeder Organisation Menschen. Ein wichtiger Bestandteil des Faktors Mensch in einer Organisation ist dabei Macht, wie wir sehen werden.

Macht spielt eine eminente Rolle[1] in jeder Gesellschaft. Macht dient dazu, jemanden zu etwas zu bewegen und ist daher überall dort von Belang, wo auch Interessen sind – und überall wo Menschen aufeinander treffen, existieren Interessen, sowie die Möglichkeit, diese gegenüber einem anderen[2] durchzusetzen zu versuchen. Der MIO-Ansatz [siehe Abbildung 1] sieht dazu das Projekt im Rahmen von Mensch, Informationstechnologie und Organisation und berücksichtigt Macht unter der Dimension Mensch.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 MIO- Ansatz nach Huber

Der Mio- Ansatz versteht das Projekt eingebettet in die d r ei Gebiete Informationstechnologie, Mensch sow ie Organisation [nach Hube ades]

Trotz dieser augenscheinlichen Relevanz für alle menschlichen sozialen Systeme wird das Thema in der Fachliteratur nicht in gebührendem Umfang aufgeführt. Sandner [Sand 1993, Seite 4] erwähnt 1993, dass abgesehen von wenigen Ausnahmen kaum Literatur existiert und die Voraussetzungen und Ursachen von Macht noch weniger thematisiert werden. In organisationstheoretischen Büchern werde der Begriff meistens an Max Weber angelehnt und im gleichen Atemzug die Typologie von French und Raven [Fren 1960] genannt. Das mag sich geändert haben, jedoch ist Machtliteratur tendenziell immer noch untervertreten.

In der meisten von mir durchgesehenen Literatur für Informatikprojektmanagement wird dabei die Komponente Mensch nur am Rande erwähnt. Der Begriff Macht taucht dementsprechend noch seltener auf und mit Vorliebe in Verbindung mit hierarchischen Machtbeziehungen. Eher fündig wurde ich in der Literatur von Projektmanagement im Allgemeinen und Organisationslehre.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Dimensionen der Projektarbeit nach Lomnitz [Hans 2003, Seite 17 ]

Hansel und Lomnitz [Hans 2003, Seite 17 uff.] beispielsweise erwähnen fünf Einflussgrössen auf den Projekterfolg [siehe Abbildung 2]. Sie sehen den Projekterfolg abhängig von fachlichen Aspekten, Abläufen und Methoden, Projektaufbauorganisation, Verhalten und schliesslich Kultur. Hansel und Lomnitz nennen dabei explizit Macht unter des Aspektes des Verhaltens: "Kommunikation, Teamarbeit, Umgang mit Konflikten, Machtprozessen und Widerständen sind entscheidende Einflussgrössen für den Projekterfolg. Das ergibt sich bereits aus dem Grundverständnis von Projektarbeit" [Zitat: Hans 2003, Seite 18]

1.2 Aufgabenstellung

Das am Schwerpunkt "Mensch | Informatik | Organisation" (MIO) der Universität Zürich entwickelte Projektmanagement behandelt Informatikprojekte als soziale Systeme und fokussiert sich auf die Förderung von sozialen Erfolgsfaktoren. Vor diesem Hintergrund soll die Diplomarbeit die Bedeutung von Macht näher beleuchten. Dabei gilt es, Machtstrukturen in Informatikprojekten ausfindig zu machen, um darauf Möglichkeiten zu deren Beeinflussung zu entwickeln.

Zunächst ist ein handlungsrelevanter Machtbegriff zu definieren, um schliesslich auf eindeutigen Definitionen aufbauen zu können. Im Rahmen einer Literaturanalyse werden bereits bestehende Informationen zum Thema gesucht. Die Thematik ist dabei in einen systemischen Kontext zu stellen, um eine theoretische Ausgangslage zu schaffen. Dieser theoretische Teil der Arbeit ist mit geeigneten Fallbeispielen zu vertiefen, damit ein erster Praxisbezug geschaffen werden kann. Die Fallbeispiele werden darauf nach Machtbeziehungen analysiert, um einen konstruktiven Methodenrahmen zu schaffen. Diesen gilt es in den MIO-Integrationszyklus einzubinden, um einen handlungsrelevanten systemischen Kontext zu schaffen.

1.3 Aufbau der Arbeit

Kapitel 2 beinhaltet eine Literaturanalyse. In einem ersten Schritt werden Begrifflichkeiten geklärt und grundlegende Ausdrücke definiert. Darauf aufbauend bietet die Arbeit einen Querschnitt durch die Fachliteratur betreffend der Thematisierung von Macht und Methoden zum Umgang damit.

Kapitel 3 geht von der sozialen Systemtheorie von Niklas Luhmann aus und beschreibt in diesem Rahmen Macht und Machtzusammenhänge unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus Kapitel 2. Macht wird in den Kontext der Luhmannschen Systemtheorie gestellt um von dieser Ausgangslage her das System des Informatikprojektes zu betrachten. Entwickelt wird ein theoretischer Verständnisrahmen, nach dem sich Projektleiter von Informatikprojekten mit ihrem Handeln richten können.

Kapitel 4 analysiert Untersuchungsmethoden zur Ermittlung von Machtstrukturen und dem Umgang mit Macht in Informatikprojekten. Anschliessend wird in diesem Zusammenhang ein Fragebogen erstellt – nachdem die Leitdifferenz der Macht nach dem MIO-Ansatz in bisherige Erkenntnisse aus Kapitel 3 eingegliedert wurde.

Kapitel 5 widmet sich der Auswertung der rückläufigen Antworten auf den Fragebogen. Dieses Kapitel ermittelt den Einfluss verschiedener Machtquellen auf den Projekterfolg und zeigt auf, wie weit diese den Projekterfolg beeinflussen könnten.

Kapitel 6 bildet den Abschluss der Diplomarbeit. Handlungsrelevante bisherige Erkenntnisse werden zusammengezogen, um schliesslich Empfehlungen zum Umgang mit Macht in Informatikprojekten abgeben zu können. Die Arbeit stellt dabei einen Führungsansatz aus der Machtperspektive vor.

Kapitel 7 beinhaltet abschliessende Worte. Das sind eine persönliche Würdigung der Arbeit, eine Einschätzung des persönlichen Nutzens sowie weiterführende Forschungsvorschläge zum Thema Macht in Informatikprojekten.

2 Literaturanalyse

2.1 Der Begriff Macht

Beginnen wir ganz von vorne mit der Frage: „Woher stammt eigentlich der Begriff 'Macht' in der deutschen Sprache?“ Er kommt – so die sprachwissenschaftliche Erklärung des Bibliographischen Institutes Leipzig [nach Best 1995] – vom Alt- und Mittelhochdeutschen 'maht' und ist auf 'mugan' respektive 'mügen' zurückzuführen. Der Ursprung des Wortes findet sich nach Canetti [Cane 1980, S. 313 uff.] im Gotischen 'magan'. Er bedeutet soviel wie können und vermögen. Macht haben bedeutet demnach, über die Möglichkeit zum Handeln zu verfügen und kommt entgegen der offensichtlich scheinenden Verwandtschaft nicht von 'machen'. Das deutsche Wort 'machen' fusst nämlich auf dem althochdeutschen 'mahhon', was die Tätigkeit kneten und formen beschreibt.

Die nach Wikipedia [Wiki mach] wohl bekannteste Definition von 'Macht' kommt von Max Weber: "Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht." [Zitat: Webe 1922]. Bertrand Russell[3] hebt Macht sogar als Fundamentalbegriff der Sozialwissenschaften hervor, da kaum eine soziale Situation ohne Interessen oder Willen und daher kaum ohne virtuelle Machtlagen denkbar ist. Für ihn ist der Begriff von grundlegender Wichtigkeit - er stellt ihn daher dem Ausdruck Energie in der Physik an die Seite.

Robert A. Dahl drückt sich bei der Definition von Macht mathematischer aus. Für ihn bedeutet Macht "die Fähigkeit von Akteur A einen Akteur B zu einer Handlung zu bewegen, etwas zu tun was Akteur A von ihm verlangt, abzüglich der Wahrscheinlichkeit, dass der Akteur B die von Akteur A gewollte Handlung auch ohne den Einfluss von Akteur A getan hätte." [Zitat Dahl 1957, Seite 201-215 nach Wiki mach].

Aus obigen Definitionen ist eindeutig zu erkennen, dass sich Macht als ein relationales Phänomen zwischen zwei interagierenden Personen oder Gruppen zeigt. "Macht lebt von denen, die sich ihr unterwerfen, mindestens ebenso wie von denen, die sie ausüben. Nur weil die einen mitspielen, haben die anderen Macht" [Zitat: Bern mach]. Berner veranschaulicht das am für das Geschäftsleben ein wenig überspitzten Beispiel des Bankräubers mit der pistolenunterstützten Forderung 'Geld oder Leben'. Der Räuber rechnet mit einer Kooperation statt mit der Antwort "Wenn Sie mich erschiessen, dann habe ich endlich Ruhe – und sie die Mordkommission auf dem Hals. Sie wissen ja: Nach Mördern wird mit allen Mitteln gefahndet. Aber ich mache Ihnen ein Angebot: Lassen Sie mich in Ruhe, dann brauchen Sie nicht lebenslänglich in den Knast!" [Zitat: Bern mach].

Niklas Luhmann[4] ordnet dabei Macht den so genannten Kommunikationsmedien zu. Er grenzt Macht aber explizit von anderen Kommunikationsmedien ab: "Von anderen Kommunikationsmedien unterscheidet Macht sich dadurch, dass ihr Code auf beiden Seiten der Kommunikationsbeziehung Partner voraussetzt, welche Komplexität durch Handeln - und nicht nur durch Erleben - reduzieren." [Zitat: Luhm 2003, S. 19]. Für Luhmann kann sich demnach Macht in einem sozialen System erst aufbauen, wenn die einzelnen Partner bezüglich der Kommunikation "Macht" auch handeln.

2.2 Dualismus der Macht

"Und nun ist die Macht an sich böse, gleichviel wer sie ausübe. Sie ist kein Beharren, sondern eine Gier und eo ipso unerfüllbar, daher in sich unglücklich und muss also andere unglücklich machen." [Zitat: Burc 1905 nach Wiki mach]. Wie hier sich Burckhard im Sinne vieler ausdrückt, wird Macht meist in einem negativen Zusammenhang erwähnt und einseitig eingeordnet. Das hat sicher diverse Gründe:

Von vielen wird Macht erst wahrgenommen, wenn sie das Opfer einer Machtausübung werden und somit zu etwas gezwungen werden, das sie sonst nicht tun würden. Sie sehen Macht als Einschränkung der Freiheit im Sinne Rousseaus, der die These der Minimalisierbarkeit der Ausübung von Macht in der Gesellschaft vertritt. Nach ihm ist Macht ein Indiz für die Deformation sozialer Interaktionen und der Organisation [Enno unma]. "Der natürliche Trieb zur Entropie … und zum Schlaraffenland wird durch Machtansprüche gestört" [Zitat: Gehl matr, Absatz 5].

Tabuisierung kann seinerseits selbst ein machtpolitisches Instrument sein. Indem eine breite Diskussion über Macht vermieden wird, muss man sie auch nicht begründen und rechtfertigen. Der Preis für die Tabuisierung ist jedoch, dass eine gründliche Reflexion über Macht ausbleibt und der Umgang damit entsprechend unprofessionell ausfällt [Bern mach]. Haben die Akteure das Gefühl, es sei nicht angezeigt, sich bezüglich ihren Interessen offen zu bekennen, kommt es zunächst zu verdeckten Handlungen [Bern eint]. Je stärker die Tabuisierung ausgeprägt ist, desto weniger können die Akteure ihre Interessen offen zeigen und desto eher kommt es zu solchen verdeckten Handlungen. Interessanterweise findet Berner eine ausgeprägte Tabuisierung von Eigeninteressen häufig in Organisationen, wo gemeinsame Werte und Ziele sehr hoch geschrieben werden und eine einheitliche Meinung als hohes Gut angesehen wird.

Neid spielt sicher auch eine Rolle. Man hätte lieber selber die gewünschte Macht inne. Um die eigene Ohnmacht zu entwerten und um sich daher besser zu stellen, tabuisiert man die Macht.

Macht ist jedoch nicht nur negativ geprägt, sondern hat durchaus positive Aspekte. Ob Macht destruktiv oder konstruktiv wirkt, hängt nach dem Individualpsychologen Fritz Künkel [nach Bern miss] davon ab, ob sie 'ichhaft' oder 'sachbezogen' ist. Künkels Betrachtungen basieren dabei auf der Gesellschaft. Auf der einen Seite sieht er das destruktive 'ichhafte', das gegen die Gesellschaft gerichtet ist. Auf der anderen Seite hingegen dient das 'sachbezogene' dazu, gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Diese sachbezogene Seite hat einen gemeinschaftsfördernden Charakter – sie wird als konstruktive Komponente oftmals kaum wahrgenommen, oder im Gegensatz zur 'ichhaften' Macht als "wohlwollend ordnende Hand" empfunden.

Der Philosoph Thomas Hobbes sieht in der Macht die Kunst, eine Gesellschaft ohne Lebensgefahr koexistieren lassen zu können. Erst durch Macht wird ein Zusammenleben möglich. Er geht dabei von einem unerziehbaren "homini homo lupus" aus, der quasi übereinander herfällt, wird er nicht diszipliniert. Durch Macht muss der Mensch daher in der Gesellschaft zum Wohle der Allgemeinheit eingeschränkt werden [Enno unma].

Auch Gehlen erwähnt die Macht mitunter als positive Kraft. Eine der von Gehlen als Anthropologeme[5] beschriebenen Machtquellen[6] fusst auf der Arbeitsteilung in der menschlichen Gesellschaft. Da es für das einzelne Individuum zu mühsam ist, alles selbst zu machen, bedeutet Arbeitsteilung einerseits Entlastung, andrerseits wird das Individuum jedoch abhängig vom Organisator der sozialen Kohärenz. Um einen Mehrwert durch Arbeitsteilung und Organisation zu schaffen, ist der Mensch somit auf Machtstrukturen angewiesen. So gesehen ist Macht als Zusammenhalt eines sozialen Gefüges grundsätzlich als positiv zu betrachten. Sie ermöglicht erst die Organisation. Das gilt auch für Projekte: Nicht klar gesetzte Verbindlichkeiten von getroffenen Abmachungen werden dem Projektleiter von den Akteuren nicht offen kommuniziert. So ist zwangsläufig eine steuernde Macht notwendig, die klare Entscheidungen trifft und deutliche Verbindlichkeiten setzt, um gute Voraussetzungen für einen Projekterfolg zu schaffen. Dadurch werden Situationen vermieden, wo vereinbarte Entscheidungen zerredet werden, nach Lomnitz [Lomn mapr] ein grosses Problem in Projekten.

2.3 Macht und Organisation

2.3.1 Machtquellen

Der Einfluss der Manager und Akteure, die Macht ausüben, stützt sich dabei auf bestimmte Machtquellen oder Machtressourcen. Solche sind an Personen oder an Strukturen gebunden. Die personellen Machtquellen fussen dabei auf gewissen Fähigkeiten oder dem Wissen der Akteure. Strukturelle Machtquellen beinhalten das Verfügen über bestimmte Rechte und Legitimationen oder können sich sogar vollständig personenunabhängig zeigen.

Zunächst werden einige bekannte Übersichten über Machtquellen aufgeführt [siehe Abbildung 3], darauf wird das Vorkommen dieser Machtressourcen in Projekten als Organisation näher beleuchtet und analysiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Machtressourcen:

Überblick üb er die besprochenen Aufstellungen von Machtressourcen.

2.3.1.1 Das Machtmodell von French und Raven

Die meistgebräuchliche Beschreibung von Macht liefert das nach den Worten Sandners [Sand 1993] schon ein bisschen betagte Machtmodell von French und Raven [aus Fren 1960] und stammt aus dem Jahr 1960. French und Raven führen ursprünglich folgende Machtgrundlagen[7] auf: Belohnungsmacht, Bestrafungsmacht, Expertenmacht, Referenzmacht und legitimierte Macht. Untenstehende weiterführende Erläuterungen richten sich dabei nach Kraviec [Kraw 2001] und Changingminds [Chan frra].

Belohnungsmacht (reward power) beschreibt folgende Situation: Wer Belohnungen in Aussicht stellen kann, vermag Einfluss zu nehmen und hat Macht. Bleiben Belohnungen auf Zeit aus, schlägt sich das nieder in Demotivation. Bewährte Belohnungsstrategien vor allem im Berufsleben sind Lohnerhöhungen, Karriere und Förderungsmassnahmen. Auch Zuwendung und Liebe können als Belohnung fungieren.

Bestrafungsmacht (coercive power) ist der Gegenpol zur Belohnungsmacht. Dadurch kann eine Person gegen ihren Willen zu etwas gezwungen werden. Durch Massnahmen wie Lohnabzüge und Versetzungen kann Druck auf Mitarbeiter ausgeübt werden. Solche Massnahmen sollten hingegen das letzte Mittel darstellen, auf jemanden Einfluss zu nehmen.

Über Expertenmacht (expert power) verfügt jener, der Wissen und Fähigkeiten besitzt, die jemand anders benötigt. Diese Macht ist sehr gebräuchlich und scheint in der Wirtschaft mit zunehmender (technologischer) Komplexität zusehends wichtiger aufgrund der wachsenden Spezialisierung.

Referenz- oder Identifikationsmacht (referent power) hat derjenige, mit dem sich andere identifizieren. Eine solche Person sprüht Charisma aus – indem sich Menschen in ihre Nähe begeben, hoffen sich diese, dass dieses Charisma auf sie überspringt.

Legitimierte Macht (legimate power) oder Legitimationsmacht fusst auf gegeben Regeln und Gesetzen wie beispielsweise vorgegebenen Hierarchien. Der Gesellschaftszusammenhalt in einem Staat funktioniert mitunter nach diesem Prinzip[8] – Die Judikative sorgt für Ordnung.

2.3.1.2 Machtquellen nach Lattman

Nach Lattmann [Latt 1982, S. 76 uff] basiert die Macht in einer hierarchischen Top-Down Beziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter auf nachstehenden Autoritäten. Folgende Ausführungen lehnen an Thommen an [Thom 1996, Seite 257].

Institutionelle Autorität fusst auf Rechtsgrundlagen, der Unternehmungsorganisation sowie auf sozialen Normen. Diese Form der Autorität ergibt sich aufgrund der Aufgaben und aufgrund der Verantwortung. Rechtsgrundlagen basieren auf gesetzlichen Regelungen[9]. Die Unternehmensorganisation ergibt sich aus unternehmensinternen Regelungen. Soziale Normen beeinflussen die Organisation und sind in der Gesellschaft selbst verankert.

Fachliche Autorität basiert auf Fachwissen und Führungsfähigkeiten. Einerseits kennt sich der Vorgesetzte gut aus in seinem Fachgebiet und kann bei Problemen mit Rat zur Seite stehen. Andrerseits vermag der Vorgesetzte seine Mitarbeiter zu führen, zum Beispiel anhand der Vorgabe von klaren Zielen, Fällen von eindeutigen Entscheidungen sowie angepasster Kontrolle.

Persönliche Autorität beinhaltet Mitarbeiterbehandlung, Integrität und Durchsetzungskraft. Diese Autorität beruht auf Gefühlen in Form von Zuneigung und Abneigung, die in zwischenmenschlichen Beziehungen eine grosse Rolle spielen. Die Mitarbeiterbehandlung beschreibt den Umgang des Vorgesetzten mit seinen Untergebenen. Die Integrität fusst auf der Beispielhaftigkeit und dem Vorbild des Vorgesetzten. Die Durchsetzungskraft äussert sich in der Macht der persönlichen Ausstrahlung des Vorgesetzten.

2.3.1.3 Machtquellen nach Crozier und Friedberg

Crozier und Friedberg nennen folgende Machtquellen [Croz 1979]: Expertenwissen, Beziehungen zur Umwelt, Kontrolle von Informations- und Kommunikationskanälen sowie die Nutzung organisatorischer Regeln. Expertenwissen sowie organisatorische Regeln als Machtquellen wurde bereits bei French und Raven erwähnt. Kontrolle über Informations- und Kommunikationskanäle ist ein Spezialfall oben genannter Informationsmacht.

Zusätzlich zu den schon erwähnten Machtmodellen führen Crozier und Friedberg Beziehungen zur Umwelt separat auf. Sie werden dabei als Spezialfall des Expertenwissens dargestellt und bauen auf diesem auf.

2.3.1.4 Machtquellen nach Mintzberg

Mintzberg [Mint 1983, Seite 24 uff.] beschreibt in seinem Machtmodell folgende allgemeine Grundlagen von Macht: die Kontrolle über Ressourcen (resources), das Verfügen von technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten (technical skills) und die Kontrolle von Wissen (knowledge) sowie das Verfügen über Rechte und Privilegien (legal prerogatives) und das Verfügen über Netzwerken.

Netzwerke beziehen sich auf die ersten vier Machtquellen und ermöglichen den Zugriff auf diese. Durch einen möglichen Rückgriff auf jene Akteure, die über eine oder mehrere der ersten vier Machtquellen verfügen, kann sich Zugang zu diesen Machtgrundlagen verschafft werden. Netzwerke stellen somit eine eigene Machtquelle dar.

Mintzberg erwähnt dabei explizit die Macht, die von der Verfügbarkeit von Ressourcen ausgeht. Ressourcen wie das bekannte Beispiel Erdöl können erheblich Macht ausüben und liessen schon ganze Nationen die Säbel rasseln, wie uns die jüngste Geschichte wieder zeigt.

2.3.1.5 Zusammenfassender Machtentwurf

Oben erwähnte Machtmodelle fasse ich nun in einem weiterführenden Entwurf zusammen, anhand von dem ich die Machtquellen im Hinblick auf das Projekt als Organisation diskutieren werde [siehe Abbildung 4].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 Machtquellen

Aus den oben erw ähnten Machtmodellen zusammengezogener Entwurf.

Strukturelle Macht, Persönliche Macht, Ressourcenmacht, Informationsmacht, Expertenmacht sowie Netzwerkmacht werden folgend separat behandelt. Informationsmacht sehe ich dabei als Spezialfall von Ressourcenmacht und Expertenmacht. Einerseits kann Information eine Ressource sein, andrerseits auch intrinsisches Wissen.

Bestrafungsmacht und Belohnungsmacht bilden ihrerseits den Dualismus, in dem Macht schliesslich umgesetzt wird. Beispielsweise kann mit der materiellen Ressource Geld durch Provisionen und Umsatzbeteiligungen Belohnungsmacht ausgeübt werden, andererseits Bestrafungsmacht durch Bussen bei Verstoss gegen Regeln. Freilich kann man nur dann von Macht sprechen, wenn die Belohnung jemanden zum Handeln[10] (hier im Beispiel den Umsatz zu steigern) motiviert, respektive wenn die Bestrafung jemanden vom Handeln abhält (im Beispiel gesetzliche Normen zu brechen).

Machtentwicklungsgeschichtlich kann man anmerken, dass sich im Grunde genommen sämtliche Machtquellen aus persönlicher Macht und Expertenmacht ableiten lassen.

2.3.2 Strukturelle Machtquellen

Oben aufgeführte Machtmodelle erwähnen strukturelle Machtquellen: Lattmann nennt die institutionelle respektive die formale Macht, French und Raven erwähnen die legitimierte Macht, Crozier und Friedrich führen organisatorische Regeln auf und schliesslich definiert Minzberg Rechte und Privilegien im Rahmen struktureller Machtquellen.

Strukturelle Macht beinhaltet sämtliche Machtquellen, die sich aus der Struktur der Organisation ergeben. Diese Machtquellen sind implizit oder explizit definiert auf Grund von Gesetzen, Normen und Regeln.

Die bürokratische Hierarchie als traditionell gewachsene Organisationsform von Industriebetrieben spielt hier eine grosse Rolle [nach Bahr 1974, Seite 133 uff.]. Die ursprünglichen Betriebe wurden einerseits immer grösser, andrerseits nahm der Grad an Arbeitsteilung und Technologieeinsatz zu. Das Bedürfnis hingegen blieb bestehen, das komplexe soziale Gebilde noch effizienter und rationeller zu führen und den Ertrag im Verhältnis zum Aufwand zu maximieren. Als Organisationsform bildete sich die bürokratische Hierarchie. Sie war primär aus folgenden zwei Gründen effizient:

Sämtliche Erlasse, Abläufe, Verträge etc. der Organisation werden schriftlich festgehalten und passieren die hierarchische Struktur. Somit sind alle Abläufe nachvollziehbar und kontrollierbar. Das Management verfügt nun über Controlling-Mechanismen, die zudem eine Analyse der Vergangenheit und dadurch Zukunftsprognosen erlauben.

Ein zweiter Grund für die Effizienz der neuen Hierarchieform ist "…die Tatsache, dass allein die vertikalen Verbindungslinien institutionalisiert werden. Horizontale gegenseitige Abhängigkeitsverhältnisse gelten als regelwidrig…" [Zitat, Bahr 1974, S. 134]. Kompetenzprobleme bei komplexen aufgeteilten Aufgaben werden somit zumindest theoretisch gelöst, da sie automatisch in den Kompetenzbereich einer höheren Instanz fallen. Mit einem solchen transparenten System vermag das Management auch sehr komplizierte Vorgänge technisch präzise steuern.

Die hierarchische bürokratische Organisationsform stösst jedoch mit wachsender Komplexität der anstehenden Aufgaben an ihre Grenzen. Infolge der technologischen Entwicklung sowie durch die anschwellende Vernetzung und Komplexität des Unternehmensumfeldes mit zunehmender Geschwindigkeit sind neue Organisationsformen gefragt.

Einen Ausweg zur Lösung der neuen Komplexität bietet das Projektmanagement. Projekt definiert Jenny dabei folgendermassen: "Projekte sind in sich geschlossene, komplexe Aufträge, deren Erfüllung eine Organisation bedingt, die für die Umsetzung der Tätigkeiten eine Methode anwendet, mit der alle anfallenden Arbeiten geplant, gesteuert, durchgeführt und kontrolliert werden können" [Zitat: Jenn 2000, Seite 58]. Das Projektmanagement beinhaltet dabei nach der Deutschen Industrie Norm [siehe DIN 69901] "die Gesamtheit der Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und –mittel zur Abwicklung eines Projektes". Nach Hansel [Hans 2003, Seite 104] zeichnet sich das Projektmanagement vor allem durch folgende zwei Faktoren aus. Zum einen fusst es auf einer domänenübergreifenden Vernetzung und Kooperation der beteiligten Personen. Hier sind hierarchieübergreifende Ansätze gefragt. Zum anderen wird vor allem fachliche Qualifikation verlangt. Unabhängig von Hierarchie müssen Entscheide auf eine fachlich sichere Basis gestellt werden. Nach Doppler und Lauterburg [Dopp 2000, Seite 118] bestehen dabei in der Projektgruppenorganisation markante Vorteile bezüglich Effizienz, Kreativität und Entwicklung von Know-how sowie von Flexibilität und Innovationsfähigkeit.

Werden nun Projektorganisationen neben hierarchische Strukturen aufgezogen, entsteht ein strukturell bedingtes Spannungsfeld während der Dauer des Projektes. Das Projekt ist den bisherigen Bereichen und Hierarchien übergestellt und bildet daneben ein weitgehend eigenständiges Konzept. Nach Lauterburg führt die Projektorganisation zu "strukturellen Ungereimtheiten, zu Rollenkonflikten, zur programmierten Verwirrung", da die "neuen Prinzipien mit einer 'sauberen Arbeitsteilung' und mit einer 'klaren Hierarchie' unvereinbar sind" [Zitat: Laut 1978, Seite 121 nach Hans 2003, Seite 104], welche die bisherige Grundstruktur der Organisation bot. Tatsächlich kann daraus eine Vielfalt an Problemen entstehen. "Die Macht liegt in der Linie, die eigentliche Kraft aber im Projekt. Häufige Konsequenz: unnötiger Reibungsverlust" [Zitat: Haur 2001]

Wie wird nun strukturelle Macht in einem Projekt etabliert? Zündorf [Zünd 1986, Seite 33 uff.] führt technische Bürokratie, Arbeitsorganisation und Arbeitstechnik, die Etablierung eines Organisationsvokabulars und die Vorgabe von Handlungs- und Entscheidungsprämissen sowie die Vorgabe von 'Ausführungsprogrammen' als mögliche Mechanismen der Ausübung struktureller Macht auf.

Ein wichtiger Punkt ist dabei die Organisationsform des Projektes. Nach Jenny [Jenn 2000, Seite 105 uff.] existieren drei verschiedene grundsätzliche Projekt-Organisationsformen, die je nach Grösse, Dauer, Kosten und Ressourcengebrauch der anstehenden Aufgabe gewählt werden. Jenny erwähnt die reine Projektorganisation, die Stab-Linien-Projektorganisation und die Matrix-Projektorganisation. In der Praxis existieren selbstverständlich noch weitere situationsbezogene Organisationsformen, die sich jedoch zumeist aus den drei Grundformen ableiten lassen. Nachfolgende Ausführungen richten sich nach Jenny[11]:

Reine Projektorganisation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 Die reine Projektorganisation

[vereinfacht nach Jenn 2000, Seite 107]

Die reine Projektorganisation ist eine eigene Abteilung unter der Leitung des Projektleiters, der die volle fachliche Projekt- wie auch Führungsverantwortung innehat [siehe Abbildung 5]. Er besitzt daher die disziplinarischen Kompetenzen sowie auch die fachlichen Befugnisse über seine Mitarbeiter. Die Projektarbeiter werden zu 100 Prozent für die Projektarbeit eingesetzt.

Mit dieser Projektorganisation steht ein effizientes und flexibles Instrument zur Verfügung. Durch 100 Prozent zur Verfügung stehende Mitarbeiter und dank der konfliktarmen Organisation ist diese Projektorganisation zu erhöhten Leistungen fähig - die Projektdauer kann dadurch verkürzt werden. Auf Basis der klaren Befugnisse einer ganzheitlichen Führung und aufgrund der eindeutigen Verantwortlichkeiten innerhalb des Projektes zeichnet sich diese Projektorganisation durch Konfliktarmut aus.

Problematisch ist das Herauslösen der Mitarbeiter aus der ursprünglichen Firmenhierarchie sowie deren Wiedereingliedern. Wie oben aufgeführt kann es zu Rollenkonflikten kommen, da sich die Machtverhältnisse gegenüber den Vorgesetzten oder Mitarbeitern zwischen der Firma und des Projektes unterscheiden können. Mitunter findet eine Abkapselung der Projektgruppe gegenüber den Linienstellen und anderen Projektgruppen ab.

Stab-Linien-Projektorganisation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6 Die Stab-Linien- Projektorganisation

Die Projektleitung fungiert als Stab und kommuniziert üb er die gegebene Hierarchie (hier Fachabteilungen) [ vereinfacht nach Jenn 2000, Seite 108]

Die Stab-Linien-Projektorganisation [siehe Abbildung 6] unterscheidet sich darin massgeblich von der reinen Projektorganisation, indem dem Projektleiter nur die Führung des Projektes in Form von Koordinationskompetenzen übertragen wird. Die formalen Weisungsrechte bleiben hingegen bei der Geschäftsleitung. Der Projektleiter schlägt dabei seinen Vorgesetzten Massnahmen vor, die von diesen durchgesetzt werden. Der Projektleiter kann somit nur beschränkt verantwortlich gemacht werden bezüglich Projektzielerreichung. Die Hierarchie der Unternehmung bleibt bei der Stab-Linien-Projektorganisation unangetastet, womit die Projektmitarbeiter bei ihren angestammten Organisationseinheiten bleiben können – im Gegensatz zur reinen Projektorganisation kommt es dadurch zu keiner möglichen Verschiebung der strukturell gegebenen Machtverhältnisse während der Projektlaufzeit.

Zwischen Abteilungsleitern und Projektmitarbeitern können jedoch aufgrund unterschiedlicher Interessenslagen Konflikte entstehen (Jenny nennt als Grund den Umstand, dass das Projekt hier über keine eigenen Sachmittel wie Computer und Tools etc. verfügt). Umständlich, vor allem für die Entscheidungsfindung, kann sich der Umstand auswirken, dass die Aufgaben, Kompetenzen sowie Verantwortungen über diverse Stellen verteilt sind – das erhöht den nötigen Informationsaufwand und Informationsfluss und somit die Möglichkeiten zur Ausübung von Informationsmacht, indem dass Informationen zurückbehalten werden können. Ausserdem wird nach Jenny meistens der Projektleiter für ein negatives Resultat verantwortlich gemacht – trotz deren mangelnder Kompetenz und fehlenden Zuständigkeiten.

Matrix-Projektorganisation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7 Die Matrix-Projektorganisation

Die Mitarbeiter unterstehen einem doppelten Kompetenzbereich, nämlich einerseits den Projektleitern, andrerseits den angestammten Fachabteilungen. [ vereinfacht nach Jenn 2000, Seite 109 ]

Die zweidimensionale Matrix-Projektorganisation ist ein Mehrliniensystem [siehe Abbildung 7]. Horizontal stehen die Linienverantwortlichen der Fachabteilungen, die fachliche, funktionale und disziplinarische Kompetenzen sowie Verantwortungen tragen. Vertikal sind Projektleiter, welche mit Projekt bezogenen Verantwortlichkeiten ausgestattet sind. Die Mitarbeiter werden dadurch mehreren Führungskräften unterstellt. Einerseits können somit die Mitarbeiter optimal ausgelastet werden, andrerseits fördert die Matrix-Projektorganisation den Transfer von Fachwissen der Abteilungen wie beispielsweise des Informatik-Know- hows. Dazu müssen jedoch die Projektleiter wie auch die Fachbereichsleiter grosszügig ihre Informationen tauschen, um eine effiziente Zusammenarbeit zu gestalten.

Problematisch wirkt sich dabei der Umstand aus, dass die Mitarbeiter im Kompetenzbereich von zwei Führungskräften stehen. Das führt zu einer grösseren Anfälligkeit von Interessenkonflikten zwischen den Vorgesetzten, was auch gewisse soziale Anforderungen an die Mitarbeiter stellt, da die Konflikte schliesslich über sie ausgetragen werden.

Geborgte Macht

Eine strukturelle Eigenheit von Projekten ist, dass, wie oben ausgeführt, die Organisation des Projektes neben derjenigen des Unternehmens aufgebaut wird. Berner [Bern quel] erwähnt dabei die geborgte Macht als Besonderheit von Projektleitern wie auch von Beratern: "Sie haben oftmals sehr viel mehr Macht als es ihrem formalen Status entspricht" [Zitat: Bern quel]. Mit dem Begriff 'geborgte Macht' bezeichnet Berner unausgesprochen an den Projektleiter geliehene Macht von jenem, der an einem Projekterfolg interessiert ist. Der Projektleiter kommt auf diese Weise durch die geliehene Macht schnell zu sehr viel Einfluss. Berner führt in diesem Rahmen drei Problemfelder auf:

Erstens kann es dazu kommen, dass er die Macht nicht erkennt oder sie sonst nicht annimmt. Es entsteht dadurch ein Machtvakuum, welches von anderen Akteuren ausgefüllt wird, was mitunter einen negativen Einfluss auf den Projekterfolg haben kann.

Zweitens besteht das Problem des Machtmissbrauchs, wenn der Projektleiter den plötzlichen Machtzuwachs persönlich nimmt.

Drittens ist die geborgte Macht nur solange wirksam, wie der Auftraggeber hinter dem Projekt steht. Wenden sich der Auftragsgeber und die unterstellten Mitarbeiter gegen das Projekt, schwindet die Macht des Projektleiters. Wird dem nicht entgegengewirkt, droht das Projekt abzubrechen oder zu versanden.

Projektkultur

Zu der strukturellen Macht gehören auch soziale Normen und Regeln, die sich in der Projektkultur widerspiegeln. "In gewisser Hinsicht können wir sagen, dass das Wesen einer Kultur auf seinen gesellschaftlichen Normen und Gepflogenheiten beruht und dass wir uns, sofern wir uns an diese Regeln halten, erfolgreich eine entsprechende soziale Realität konstruieren" [Zitat: Morg 1997, Seite 183]. Die Projekt- oder Organisationskultur basiert dabei auf Werten, alltäglichen Ritualen und Glaubensvorstellungen. Diese Kultur kann nur solange aufrechterhalten werden, wie die Mitglieder sich an die ungeschriebenen Regeln halten. Mit dem entsprechenden Führungsstil und Verhalten kann die Kultur beeinflusst werden [Thom 2000, Seite 33 uff.]. Bleiben dabei die Machtbeziehungen gleich, ändert sich die Kultur auch nicht. Das Führungsverhalten kann sich daher dann ändern, wenn sich die Führungskräften ihrer Machtressourcen bewusst werden [Krau 1986 nach Thom 2000]

2.3.3 Informationsmacht

Informationsmacht wurde bisher in folgenden Machtmodellen angesprochen: Lattmann ordnet Fachwissen der fachlichen Autorität zu, die ein Vorgesetzter innehaben kann, French und Raven erwähnen die Expertenmacht (expert power), Crozier und Friedberg unterscheiden zwischen Expertenwissen und der Kontrolle von Kommunikations- und Informationskanälen und Mintzberg nennt den Besitz von Wissen.

Informationsmacht entsteht, wenn Informationen asymmetrisch verteilt sind, Interesse an diesen Informationen vorhanden ist und die Informationen nicht mit gleichem Aufwand an einem anderen Ort beschafft werden können.

Einerseits können Informationen intrinsisches Wissen sein und somit an Personen gebunden. Andererseits ist Information auch eine handelbare Ressource zum Beispiel in Form einer Nachricht oder Beschreibung. Die Macht entsteht dadurch, dass die Möglichkeit besteht, Information nicht zu übermitteln, falsch zu übermitteln oder eben korrekt zu übermitteln. Empfängerseitig besteht nun das Problem der Prüfung der Information. Vielfach ist es schwierig, falsch oder unvollständig übermittelte oder kommunizierte Information zu erkennen.

Informationsmacht kommt häufig infolge von Konflikten und Widerständen zum Ausdruck. Sie besteht dabei zwischen diversen Stellen:

Auf hierarchisch gleicher Ebene können Mitarbeiter Informationen zurückhalten. Werden beispielsweise neue Mitarbeiter eingestellt kann es dazu kommen, dass die alteingesessenen die neuen als Konkurrenz anschauen und ihnen gezielt Informationen vorenthalten, um "denen zu zeigen, wer der Chef ist". Sie haben so die Möglichkeit, ihre Machtposition bezüglich Erfahrung und Wissen zu demonstrieren. Ein weiteres Beispiel kann mangelnde Kommunikation per se sein, stehen sich die Mitarbeiter nicht allzu nahe.

Auf hierarchisch über- respektive untergeordneten Ebenen besteht Informationsmacht zwischen dem Machthaber und dem Untergebenen. Diese Beziehung hat zwei Dimensionen, nämlich kann der Untergeordnete dem höher Stehenden Informationen nicht kommunizieren, oder der Prozess läuft umgekehrt ab, indem der Vorgesetzte Auskünfte zurückbehält. Nach Ludewig ist in Informatikprojekten vor allem ersteres ein Problem: "Die Mitarbeiter wollen umfassend informiert werden, lassen ihn [den Projektleiter] aber über den Stand ihrer Arbeiten, über Probleme und Verzögerungen im Dunklen" [Zitat: Lude 1999, Seite 12].

Macht aufgrund von Informationsasymmetrien zwischen verschiedenen Abteilungen oder vom Projekt zu projektexternen Stellen hin besteht besonders in Projekten, welche die hierarchische Struktur einer Unternehmung durchbrechen. Die bestehende Hierarchie der Unternehmung wird durch das Projekt zum Teil untergraben [siehe auch Kapitel 2.3.2]. Es kann beispielsweise sein, dass Führungskräfte aus einem bestimmten Fachgebiet unzufrieden sind mit den Auswirkungen des Projektes auf ihren Fachbereich. Sie blockieren Informationen spielen somit ihren Informationsmachtvorteil gegenüber dem Projekt aus [Lomn mapr]. Als weitere projektexterne Stellen, die über Informationsmacht verfügen, sind beispielsweise Zulieferer und Supporter von Informationstechnologie zum Projekt zu nennen. Hier sind als Motiv für die Ausübung von Informationsmacht tendenziell eher wirtschaftliche Gründe als Widerstände aufzuführen.

Schlüsselstellen im Informationsaustausch sind dabei ein kritischer Faktor. In den meisten von Weltz und Ortmann [Welt 1992, Seite 61 uff.] untersuchten Softwareprojekten fanden sich Schlüsselpositionen, die fast durchwegs überfrachtet waren. Das schlägt sich mitunter in der Informationsqualität bei der Übermittlung von Nachrichten nieder. Diese Schlüsselpositionen bestanden meistens aus dem Kernteam mit der Projektleitung und mit Stellvertretern sowie aus erfahrenen Mitarbeitern. Nach einer Studie von Brodbeck [nach Welt 1992, Seite 61] machen dabei Projektleiter im Durchschnitt 6.3 Überstunden pro Woche, ein Drittel ihrer Arbeitszeit sitzen sie in Meetings.

Die Überlastung von Schlüsselpositionen hat massgeblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Projektteams und somit auf den Projektfortschritt. "Als Folgen dieser Defizite wurden Schwächen in der konzeptionellen Gestaltung des Entwicklungsvorhabens […], mangelnde Koordination der Tätigkeiten der am Vorhaben Beteiligten oder mangelnde Abstimmung mit den Forderungen der Anwender" [Zitat: Welt 1992, Seite 61] genannt. Aufgrund von Informationsmangel gestaltet sich die Administration und Projektkoordination aufwändiger. Das Projekt verzögert sich.

2.3.4 Persönliche Machtquellen

Diese Machtquelle wurde oben bereits in folgenden Modellen erwähnt: Lattmann spricht von persönliche Autorität, French und Raven führen in ihrem Machtmodell Referenz oder Identifikationsmacht auf.

Persönliche Macht entwickelt sich aufgrund der individuellen Persönlichkeit, in dem jemand durch Ausstrahlung Einfluss nehmen kann. Zwischenmenschliche Gefühle wie Zuneigung und Abneigung spielen eine grosse Rolle. Der Einfluss solcher Emotionen ist jedoch sehr schwer zu gewichten. Ausserdem werden Gefühle vielfach rationalisiert, das heisst, irrationales emotionales Verhalten wird mit Sachargumenten erklärt [siehe dazu Kapitel 2.3.10].

Die Ursachen für das Entstehen von persönlichen Machtquellen sind diverse: Vor allem bei persönlichen Machtquellen ist neben dem Machthaber auch der Machtempfänger zu betrachten. Hansel greift die Thematik knapp unter dem Titel "Wo bin ich verführbar?" [Zitat: Hans 2003, Seite 112] auf. Er führt diverse Quellen als mögliche Ursache für erhöhte Empfänglichkeit von Macht auf. Hansel nennt stichwortartig als mögliche Faktoren: Konkurrenz, Status, Titel und Prestige, Zeitdruck, Geld, Erotik, "Bei der Ehre packen", "Ich muss immer artig sein", Helfersyndrom, Schuldgefühle und autoritäres Verhalten. Je nach Neigung spricht dabei jemand eher auf Macht an, falls diese mit einem der oben genannten Faktoren zusammen auftritt. Winken beispielsweise Prestige und Geld, oder steht der Akteur unter Zeitdruck oder aber wird konkurrenziert, handelt er je nach Neigung eher nach dem Willen seines Vorgesetzten, als wenn diese Faktoren nicht vorhanden sind. Appelliert der Auftraggeber beispielsweise an die Ehre, an das Helfersyndrom, oder auch an die Schuldgefühle des Mitarbeiters, ist dieser dann unter Umständen zu hervorragenden Leistungen fähig.

Eine massgebliche Rolle spielt es, wie der Machtempfänger für die ausgeübte Macht empfänglich ist und wie er darauf anspricht. Reagiert man gelähmt, verlegen, positiv motiviert, oder zeigt man absichtlich keine Regung? Oder hat die Art der Ausübung von Macht gar keine Wirkung[12] ?

Hansel erklärt diese Reaktionen auf Formen ausgeübter persönlicher Macht anhand des Konzepts von Zuschreibungen: Das sind individuelle Konstrukte oder Vorstellungen der Realität über Macht, Führung, Hierarchie etc. Solche Zuschreibungen entstehen nach Hansel [Hans 2003, Seite 113] aus folgenden Gründen:

Zur Stabilisierung des Selbstkonzepts entwickeln wir unsere Vorstellungen gegenüber Machtunterschieden, vor allem auch bezüglich Führung. Dabei spielt die Persönlichkeitsstruktur eine eminente Rolle. Zum Beispiel werden "eigene Unsicherheiten dadurch kompensiert, dass andere zu Helden, allwissenden Geschäftsführern oder zu Versagern und Tyrannen" gestempelt werden [Zitat: Hans 2003]. Informationen werden zuwenig kritisch gefiltert und vor allem jene aufgenommen, die sich in unser Selbstkonzept einfügen lassen. Zusätzlich werden vor allem beim Eintritt in ein neues soziales Umfeld wie einer Unternehmung einem 'Organisationsmythen' angeboten, die man zunächst kaum kritisch überprüfen und objektiv betrachten kann.

Das Vorkommen von persönlichen Machtquellen wird folgend aufgeteilt nach Hierarchiestufe und intern-extern aufgezeigt:

Auf gleicher Hierarchiestufe finden sich beispielsweise in gewissen Gruppen so genannte Meinungsführer (opinion leaders) als Inhaber von persönlichen Machtquellen [Manh 2004]. Sie verfügen über hohe soziale Intelligenz; dadurch richtet sich ein grosser Teil der Gruppe nach ihnen. Solche Meinungsführer können das Klima nachhaltig beeinflussen – sie können motivieren wie jedoch auch demotivieren.

Auf unterschiedlichen Hierarchiestufen schlägt sich persönliche Autorität nach Lattmann [Latt 1982, Seite 78] vor allem in der Mitarbeiterbehandlung, in der Beispielhaftigkeit und der Durchsetzungskraft eines Vorgesetzten nieder. Eine gerechte Mitarbeiterbehandlung zeigt sich anhand der Anwendung von gleichen Regeln für alle, mit Beispielhaftigkeit geht der Vorgesetzte mit seiner Grundhaltung voran, mit Durchsetzungskraft gewinnt der Vorgesetzte durch sein Charisma die Mitarbeiter. Diese Eigenschaften ermöglichen es ihm, die Mitarbeiter zu motivieren und sich Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Der Vorgesetzte kann dadurch ein Vertrauensverhältnis aufbauen und somit verhindern, dass es beispielsweise zu der Situation kommt, wo sich die Mitarbeiter kaum getrauen, sich in Sitzungen kritisch in Anwesenheit der Vorgesetzten zu äussern [Lomn mapr, Praxisfall 5]. Dies kann beidseitig zu Unverständnis führen. Eine grosse Rolle spielen hier auch die 'inneren Zuschreibungen' der Mitarbeiter gegenüber dem Vorgesetzten (und umgekehrt).

Ein interessanter Aspekt ist zudem die strukturell bedingte geborgte Macht in Projekten und wie damit umgegangen wird [siehe dazu Kapitel 2.3.2, geborgte Macht]

Es ist denkbar, dass durch den einmaligen und zeitlich beschränkten Charakter eines Projekts persönliche Machtquellen im Gegensatz zu einer Unternehmung eine bedeutende Rolle spielen. Hervorzuheben ist hier die Bedeutung der Gruppenprozesse in einem Projekt, massgeblich die 'Storming'- Phase [siehe Kapitel 2.3.8.1].

2.3.4.1 Gruppenrollen

In einer Gruppe nimmt jeder Akteur Rollen an. Einerseits richtet er sich nach Sozialnormen der Gruppe, andererseits erreicht er Wertschätzung, indem er einen gewissen Status einnimmt.

Es existieren diverse Gruppenrollen [siehe Abbildung 8], welche sich auf die Effizienz einer Gruppe auswirken. Daher sollte der Projektleiter versuchen, allen Mitgliedern der Gruppe eine positive Rolle zuzuweisen, indem er die Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie persönliche Eigenschaften der Person berücksichtigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8 Gruppenrollen

[nach Jenn 2000, Seite 443] Der Projektleiter soll vermeiden, dass Gruppenmitglieder negative Rollen annehmen.

2.3.5 Netzwerkmacht

Macht auf Grund der Machtquelle Netzwerk wurde bisher von Crozier und Friedberg sowie von Mintzberg angesprochen. Erstere nennen Beziehungen zur Umwelt als Machtquelle, letztere führen die Beziehung zu Besitzern von weiteren Machtquellen auf.

Netzwerkmacht liegt bei jenem, der Zugang zu einem Träger von weiteren Machtquellen ist. Dies kann auch wiederum Netzwerkmacht sein. Seine sozialen Verbindungen ermöglichenes ihm, von den Machtquellen anderer profitieren. Bei der Entstehung von Netzwerken spielen daher Gruppenprozesse und persönliche Macht eine grosse Rolle.

Durch Netzwerkmacht kann einerseits die Organisation, andrerseits das Individuum von der Macht Dritter profitieren. Macht aufgrund von Netzwerken hat diverse Facetten: Netzwerke können zum Beispiel der Wissenseinbringung in das Projekt durch ein Netzwerk zu Trägern von Expertenmacht oder Informationsmacht, jedoch auch der persönlichen Absicherung dienen. Häufig werden externe Berater hinzugezogen, um den eigenen Standpunkt zu verteidigen: "Betriebliche Akteure zogen externe Expertisen heran, um die eigene Position zu stärken, um mögliche Widerstände zu umgehen oder auszuhebeln" [Zitat: Welt 1992, Seite 69]. Netzwerkmacht ist aber auch dienlich, um Widerstand in einer Fachabteilung zu erkennen, die Informationen zurückhält [siehe dazu Kapitel 2.3.3]

2.3.6 Ressourcenmacht

Ressourcenmacht wurde oben einzig von Mintzberg explizit aufgeführt.

Sind Ressourcen einseitig verteilt, verfügt der Besitzer mit der knappen Ressource über denjenigen Macht, welcher Interesse an dieser Ressource hat. Macht aufgrund von Ressourcen hat somit ihre Ursache in der ungleichen Verteilung von Ressourcen und am Interesse der Akteure an dieser.

Einesteils existieren materielle Ressourcen wie zum Beispiel Geld, Erdöl etc., demgegenüber haben wir immaterielle Ressourcen wie beispielshalber Informationen. Macht aufgrund von Informationen wird hier unter Informationsmacht [siehe Kapitel 2.3.3] abgehandelt, kann jedoch als Spezialfall von Ressourcenmacht betrachtet werden.

Als materielle Ressource spielen in Informatikprojekten einerseits Geld sowie der Projektoutput eine grosse Rolle, andererseits kann auch Arbeitsleistung als materielle Ressource betrachtet werden. Ein interessanter Aspekt ist dabei, dass auf strukturelle Macht, denen beide Parteien ausgesetzt sind, zurückgegriffen wird, um sich vertraglich abzusichern. Es wird üblicherweise das Gesetz hinzugezogen, um sicherzustellen, dass die Abhängigkeit, die durch den Projektauftrag entsteht, vom Vertragspartner nicht oder nur vermindert ausgenutzt werden kann. Die Beziehung wird sozusagen durch einen Rückgriff auf die strukturelle Macht des Gesetzgebers abgesichert.

2.3.7 Expertenmacht

Expertenmacht wurde in den folgenden bisherigen Machtmodellen angesprochen: Lattmann nennt die fachliche Autorität, French und Raven führen Expertenmacht (expert power) auf, Crozier und Friedberg sprechen von Expertenwissen und Minzberg erwähnen technische Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Wissen.

Expertenmacht entsteht aufgrund von bestimmten fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Fachkenntnissen, die gefragt sind. Diese Fähigkeiten, Fertigkeiten und Fachkenntnisse entstehen dabei aufgrund von Bildung und Erfahrung sowie dem persönlichen Werdegang.

Nachfolgend betrachte ich das Vorkommen von Expertenmacht anhand der hierarchischen Beziehung zwischen den Akteuren.

Auf unterschiedlichen Hierarchiestufen manifestiert sich Expertenmacht zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie zwischen Projektleiter respektive dem Projekt und dem Auftraggeber. Zur Autorität von Vorgesetzten nennt Lattmann [Latt 1982, Seite 76 uff] einerseits Fachwissen, andererseits Führungsfähigkeit. Das Fachwissen in seinem Gebiet ermöglicht dem Projektleiter, die Mitarbeiter zu unterstützen, durch Führungsfähigkeiten kann er das Projekt führen. Im Projektalltag wird jedoch der Schwerpunkt meistens zu sehr auf technische Fähigkeiten gesetzt. Mandl-Striegnitz und Lichter untersuchten dazu acht Projekte – in keinem von diesen hatte der Projektleiter jemals an einer Projektmanagement- Schulung teilgenommen [Mand 1999, Seite 6]. Führungsqualifikationen kommen hier eindeutig zu kurz – nach Jenny sind allerdings für die Projektleitung Persönlichkeit und Führungseigenschaften sowie Methodik eindeutig wichtigere Eigenschaften als Fach- und Branchenwissen [Jenn 2000, Seite 122].

Macht in die entgegengesetzte Richtung von den Mitarbeitern zum Vorgesetzten hin entsteht insbesondere bei so genannten Spezialisten, Mitarbeitern mit besonderen Kenntnissen oder bei Stäben. Krüger [Krüg 1976] untersuchte in diesem Kontext Unternehmungen auf die Unterschiede zwischen formeller und faktischer Machtverteilung. Er kam zum Ergebnis, dass die faktische Macht vor allem bei den Stäben liegt, obwohl formell die Geschäftleitung und die Linieninstanzen weit mehr Macht innehaben [siehe Abbildung 9]. Ausserdem ist die Geschäftsleitung stark auf funktionale Spezialisten wie EDV-Abteilung und Controlling sowie Leiter wichtiger Produktbereiche angewiesen. Das Informatikprojekt als Gesamtheit gesehen verfügt zudem über Expertenmacht gegenüber dem Auftraggeber, da es über spezifische Fähigkeiten und Fachkenntnisse verfügt.

In der Beziehung vom Projekt zum unmittelbar vom Projekt miteinbezogenen Fachbereich spielt die Expertenmacht eine grosse Rolle. Für ein erfolgreiches Abschliessen ist das Projekt auf Kooperation angewiesen. Beispielsweise ist dazu der Mitarbeiter eines Fachbereichs aufzuführen, der Widerstand ausübt, indem er sich nicht kooperativ verhält und möglicherweise sein intrinsisches Wissen nicht kommuniziert und damit Erfahrungswerte zurückbehält [Siehe dazu Kapitel 2.3.10 und 2.3.3]. Eine weitere mögliche Abhängigkeitsquelle vieler Projekte sind zweifelsohne externe Outsourcingaufträge[13]. Schützt man sich nicht mit geeigneten Mitteln, ist man der Macht des Geschäftspartners ausgesetzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9 Machtverteilung nach Krüger

Krüger untersuchte Unternehmungen auf die Unterschiede zw ischen formeller und faktischer Machtverteilung. Er kam zum Ergebnis, dass die faktische Macht vor allem bei den Stäben liegt, obw ohl formell die Geschäftleitung und die Linieninstanzen w eit mehr Macht innehaben [Krüg 1976].

2.3.7.1 Führungsverhalten

Lattmann [nach Thom 1996] setzt die Führungsfähigkeit unter fachlicher Autorität an. Das Verhalten von Führungskräften hat dabei einen massgeblichen Einfluss auf die Projektkultur. Hauptsächlich kann zwischen den Gegensätzen des autoritären und des kooperativen Führungsstil unterschieden werden [siehe Abbildung 10]. Ich gehe zur Vereinfachung nur auf diese zwei ein. Folgende Ausführungen lehnen dabei an Krausz an [Krau 1986].

Beim autoritären Führungsstil trifft der Projektleiter alle Entscheidungen alleine. Zur Führung stützt er sich hauptsächlich auf Bestrafungsmacht und strukturelle Macht in Form von Hierarchie. Persönliche Macht ist dabei nicht gefragt. Die Organisationskultur wird geprägt durch unterdrückende Normen und Regelungen. Da die persönliche Entfaltung dadurch verhindert wird, dominiert Passivität das Projektklima.

Auf der anderen Seite finden wir den kooperativen Führungsstil. Wie der Name sagt, gestaltet der Projektleiter die Projektarbeit zur Aufgabe des gesamten Teams. Die vorwiegend verwendeten Machtquellen sind dabei Belohnungsmacht, Expertenmacht in Form von Unterstützung sowie persönliche Macht. Die eingesetzten Machtquellen fördern die Eigenverantwortung, Kreativität und Leistung. Die Projektkultur ist daher geprägt durch Vertrauen, persönliche Wertschätzung und Respekt.

Zwischen oben erwähnten Formen sind diverse Nuancierungen denkbar. Ausserdem ist der Laisser-faire Führungsstil zu erwähnen, wo der Projektleiter nur die benötigten Mittel zur Verfügung stellt – sonst hat die Gruppe völlige Freiheit. Beim situativen Führungsverhalten wird der Führungsstil entsprechend der jeweiligen Situation angepasst [Jenn 2000, Seite 414].

Das Führungsverhalten beeinflusst, wie oben dargestellt, die Leistungsbereitschaft und die Effizienz der Leistungserbringung. Bei der Wahl des Führungsstils sollte daher der Einfluss auf die Projekt- respektive Organisationskultur berücksichtigt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10 Einfluss des Führungsstils auf die Organisationskultur.

2.3.8 Zeitliche Veränderung von Machtverhältnissen

Machtstrukturen bleiben bekanntlich nicht immer gleich, das Machtgefüge kann sich ändern und ändert sich. Ich möchte daher die Diskussion um den zeitlichen Faktor erweitern und analysieren, wie weit Macht bei der Entwicklung einer Gruppe zum Tragen kommt und welche Machtstrukturen sich wann zeigen. Dabei gehe ich einerseits auf die Gruppenprozesse nach Tuckmann ein, andererseits betrachte ich kurz die Verantwortungen im Projekt bezogen auf den zeitlichen Verlauf.

2.3.8.1 Gruppenprozesse

In der Fachliteratur wird meistens an die Theorie von Tuckmann [Tuck 1965, Seiten 419-427] angelehnt, welche die Gruppengestaltung in vier Phasen aufteilt. Die ersten drei Phasen (Forming, Storming, Norming) bewirken eine Veränderung der Gruppenstruktur, die vierte Phase (Performing) beinhaltet den stabilen operativen Teil. Die Intensität der ersten drei Phasen hängt massgeblich davon ab, ob eine Gruppe neu gebildet wird – die Gruppenstruktur erstellt wird -, oder ob neue Mitglieder hinzutreten und dadurch die Gruppenstruktur modifiziert wird. Die 4 Phasen werden in Anlehnung an Jenny unten aufgeführt [Jenn 2000, Seiten 446 uff.]

In der Orientierungsphase (Forming) orientieren und formieren sich die Teilnehmer einer Gruppe. Frühere Verhaltensmuster werden herangezogen und ausprobiert. Diese erste Phase ist gekennzeichnet durch Unsicherheit der Gruppenmitglieder, die bei einem anderen Gruppenmitglied "Schutz suchen". Man lernt sich vorsichtig kennen und tastet sich mit Fragen ab. Die Mitglieder suchen nach Regeln und Normen. Grundsätzlich zeigt man sich dabei von der freundlichen Seite, um nichts anbrennen zu lassen. Machtstrukturen gelten dabei die gegebenen und definierten – es entwickeln sich keine neuen.

In der Zweiten Phase (Storming) positionieren sich die Gruppenteilnehmer und es bilden sich Konflikte. Sind die sozialen Normen und Regeln in der Gruppe nach der Orientierungsphase festgelegt, kennen sich die Teilnehmer näher und sind sich sicherer, können die Mitglieder mit ihrem Verhalten experimentieren. Kennzeichnend sind ausbrechende Machtkämpfe: Kritik wird laut und es bildet sich Widerstand, mitunter auch an der Führungsart des Vorgesetzten. Die Mitglieder suchen ihre eigene Identifikation in der Gruppe und schliessen sich zu Untergruppen zusammen. Diese Konfliktphase ist daher die schwierigste für Führungspersonen, die sich jetzt konsequent durchsetzen müssen. Kennzeichnend für diese Phase ist die Bildung von neuen Machtbeziehungen parallel zu der gegebenen Machtstruktur.

Die dritte Phase wird Organisationsphase (Norming) genannt. Sind die sozialen Normen innerhalb einer Gruppe festgelegt, kann die Normierungsphase respektive Organisationsphase beginnen. Die Gruppe schafft sich eine Identität und hält soziale Normen und Spielregeln ein, was zu einem Gruppenzusammenhalt führt. Das Klima ist geprägt von Konsensbewusstsein, zuvorkommender Stimmung, deutlich werdenden Zielsetzungen, so dass alle an einem Strick ziehen.

Die vierte Phase wird als Produktivitätsphase (Performing) bezeichnet. Die Gruppenrollen sind nun verteilt - die Gruppenprobleme gelöst. Die Gruppe ist nun fähig, konfliktfrei zu arbeiten und kann sich jetzt vollumfänglich der gegebenen Aufgabe widmen. Die Machtstruktur innerhalb der Gruppe hat sich eingespielt und wird in dieser Phase nicht mehr stark verändert.

Zunächst wirken primär die zu Beginn definierten strukturellen Machtbedingungen. Im zeitlichen Verlauf kristallisieren sich hauptsächlich in der Storming-Phase neue Machtstrukturen heraus, die sich danach etablieren.

2.3.8.2 Verantwortungen im Projektverlauf

Die Verantwortungsbereiche ändern sich im Laufe des Projektfortschritts [Jenn 2000, Seite 115], was die Definition von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für die einzelnen Hierarchiestufen kompliziert [siehe dazu Abbildung 11].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11 Die Verantw ortungskurve nach Jenny

Die Kurve stellt stark vereinfacht die w echselnden Verantw ortungsträger im Verlauf des Projektes dar [nach Jenn 2000, Seite 115].

2.3.9 Machtspiele

Einen interessanten Aspekt gibt uns die psychologische Spieltheorie auf die Thematik. Psychologische Spiele bauen auf erlernten Verhaltensweisen und Reaktionsmustern[14] auf, und stellen keine bewusste Vorgehensweise dar [nach Thom 2000, Seite 22].

In einem Psychologischen Spiel entwickeln die Beteiligten hauptsächlich drei Rollen, um die Kommunikationsmuster auszuleben, nämlich die Opferrolle, die Retterrolle und die Verfolgerrolle. In der Opferrolle zeigt die Person dabei ein Verhalten, dass es ihr immer schlecht geht. Der Person in der Retterrolle hingegen geht es gut, wenn sie anderen Personen helfen kann. Sie stellt dabei ihre eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund. Die Person in der Verfolgerrolle schliesslich handelt überlegen, um sich nicht unterlegen fühlen zu müssen.

Machtspiele, so genannte Power Plays, sind nun eine Art, ein psychologisches Spiel zu spielen. Nach Steiner [Stein 1998] liegt dann ein Machtspiel vor, wenn einer einem anderen nicht durch direktes Fragen, sondern auf irgendeine andere Weise etwas zu entlocken versucht. Machtspiele werden angewendet, wenn jemand an einer Sache interessiert ist und davon ausgeht, dass das Gewünschte nicht einfach zu erlangen ist oder nicht freiwillig weggegeben wird. Steiner unterscheidet vier verschiedene Power Plays [nach Thom 2000, Seite 19 uff.]: Das 'Alles oder Nichts' – Machtspiel, Power Plays, die auf Einschüchterung im Gespräch beruhen, Machtspiele die auf Lügen basieren und solche, die über Passivität gestützt werden.

Das 'Alles oder Nichts' - Machtspiel ist abhängig von der Verfügbarkeit einer Ressource. Wenn etwas knapp ist, kann damit persönlich Gewinn erzielt werden.

Die Machtspiele, die auf Einschüchterung im Gespräch basieren, stehen in Verbindung mit Kontrolle. Um diese ausüben zu können um beispielsweise ein Gespräch zu beeinflussen, stellt man sich ungläubig, wendet Logik scheinbar korrekt an, um den anderen zu täuschen, man lenkt ab mit Themenwechseln oder 'schneidet dem Gegenüber den Faden ab'.

Mit Lügen kann man sich der Leichtgläubigkeit anderer bedienen und diese missbrauchen. Lügen können dabei differenziert angewendet werden: Die bewusste 'kaltschnäuzige' Lüge, die Lüge durch ausgelassene Wahrheiten, um jemanden irrezuführen, die Lüge als Lockvogel, um mit einer Scheinwahrheit Interesse an einem Nichtbegehrten zu wecken, sowie Klatsch und Gerüchte.

Durch Passivität kann der Power Player die Erwartungen von anderen Personen abblocken und diese ignorieren. Er setzt dabei entweder auf Ahnungslosigkeit oder Nicht-Zuhören, oder appelliert an das Schuldbewusstsein des Gegenübers.

Machtspiele spielen eine grosse Rolle bei der nicht bewussten Kommunikation und Machtausübung. Das Kapitel Umgang mit Machtspielen geht dabei näher auf adäquate Massnahmen ein.

2.3.10 Widerstand in Projekten

Nach Berner [Bern team] bildet das Projekt das wichtigste Instrument, um in Organisationen Veränderungen zu bewirken. Er sucht im Beitrag "Teamarbeit: oder woran scheitern Projekte" nach dem Grund, warum dass viele Projekte im Sand verlaufen oder sonst in Schwierigkeiten geraten, unabhängig von Zeit- und Ressourcenplanungsfehlern. Berner führt das Scheitern auf das Phänomen Widerstand zurück. Macht wird schliesslich benötigt, diesen Widerstand zu eliminieren. Widerstand an sich bietet jedoch auch das Potential der konstruktiven Kritik. Häufig werden praxisnahe und akzeptierte Lösungen erst dadurch erarbeitet, indem betroffene Mitarbeiter mit der ursprünglich geplanten Lösung nicht zufrieden waren.

Doppler und Lauterburg [Dopp 2000, Seite 302] nennen vier Grundsätze zum Widerstand.

Der erste Grundsatz: "Es gibt keine Veränderungen ohne Widerstand."

Da durch Veränderungen das innerbetriebliche Interessensgefüge bedroht werden könnte, liegt Widerstand auf der Hand. "Die Kräfte, die … zur Stabilität, zur Beibehaltung eines

Zustandes bei Personen, Gruppen und bei Unternehmungen beitragen, können wir als Widerstandskräfte verstehen" [Zitat: Hans 2003, Seite 123]. Der Mensch wehrt sich gegen die Veränderung, da die bisherige Stabilität und die damit bekannte und quasi garantierte Sicherheit möglicherweise bedroht sind. Widerstand ist zunächst eine innere psychische Auseinandersetzung und wird verarbeitet. Dieser psychische Vorgang ist Voraussetzung für die Akzeptanz und für eine Identifikation mit dem Neuen. Produktiv wird Widerstand dann, "wenn neben der inneren auch die äussere Auseinandersetzung möglich wird, wenn also Pro- und Contra-Kräfte um gemeinsame Lösungen ringen. Dann wird aus dem Widerstand eine produktive, kreative … Kraft…" [Zitat: Hans 2003, Seite 125] die sich positiv auf den Projektverlauf auswirkt.

Treten bei einer Veränderung keine Widerstände auf, bedeutet dies, dass niemand an die Realisierung glaubt. Es ist also vielmehr Anlass zur Beunruhigung, wenn durch ein Projekt keine Widerstände hervorgerufen werden als wenn sich solche entwickeln.

Der zweite Grundsatz: "Widerstand enthält immer eine 'verschlüsselte Botschaft'" Widerstände haben Motive, die durch die Veränderung hervorgerufen werden. Nach Steiger und Lippmann [Stei 1999, Seite 271] entsteht Widerstand, wenn Eigeninteressen bedroht sind, wenn Informationsmangel besteht oder wenn jemand persönlich bedrängt wird.

Wenn Eigeninteressen bedroht werden, führt der Widerstand darauf zurück, dass die Akteure ihre Eigeninteressen zu bewahren versuchen. Beispielsweise betrifft das Ressourcen wie Geld und soziale Stellenwerte wie Macht und Einfluss, Rang und Status oder Prestige. Da die Projektorganisation starre herkömmliche Hierarchien aufweicht, spüren viele betroffene Führungskräfte, denen ein Projekt unterstellt ist, "den drohenden oder tatsächlichen Machtverlust: Sie können nicht mehr allein über den Einsatz bestimmter Mitarbeiter entscheiden, sondern müssen sich eigentlich mit dem Projektleiter absprechen" [Zitat: Hans 2003, Seite 126]

Besteht Informationsmangel, kann daraus Widerstand resultieren. Der Widerstand kann dabei seine Ursachen im Unwissen und in der Unkenntnis der Situation haben. Das Informationsmanko kann sich zum einen auf die Ist-Situation beziehen, zum anderen auf die Soll-Situation wie Ziele und erwartete Ergebnisse, zum dritten auf die Umwelt und auf die Rahmenbedingungen. Sieht der Akteur den Änderungsbedarf und den resultierenden Gewinn nicht, lohnt es sich für ihn nicht, Veränderungen zu unterstützen. Häufig sogar scheint den Mitarbeitern nicht klar zu sein, warum überhaupt ein Projekt gebildet wurde [Hans 2003, Seite 126].

Unter persönlicher Bedrängung verstehen sich Einengungen aufgrund von Identitätsverlust und mangelndem Selbstvertrauen.

Die Schwierigkeit bei der Diagnose der Gründe von Widerständen besteht nach Berner [Bern wide] darin, dass diese meist in Form von Sachargumenten verkleidet formuliert werden, da über Emotionen im Geschäftsleben in aller Regel nicht diskutiert wird.

Der Dritte Grundsatz: "Nichtbeachtung von Widerstand führt zu Blockaden"

Steter Widerstand deutet darauf hin, dass die 'verschlüsselte Botschaft' des Widerstandes nicht verstanden und die Ursache nicht aus dem Weg geräumt wurde. Wird der Widerstand mit Druck behandelt, reagiert dieser mit Gegendruck. Blockaden entstehen, aus denen sich Machtkämpfe entwickeln können.

Der vierte Grundsatz: "Mit dem Widerstand gehen, nicht gegen ihn"

Die Ursachen für den Widerstand müssen verstanden werden. Um die im Grundsatz drei angesprochenen Blockaden zu vermeiden, ist es förderlich, das Widerstandsmotiv aus dem Weg zu räumen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12 Allgemeine Symptome für Widerstand nach Doppler [Dopp 2000 , Seite 296]

Widerstand kann durch verschiedenste Formen zum Ausdruck kommen[15]. Doppler und Lauterburg [Dopp 2000, Seite 296] klassifizieren die allgemeinen Symptome für Widerstand einerseits in aktive Symptome, die auf eine Konfrontation hinauslaufen, und in passive, welche sich in Rückzug und Desinteresse bemerkbar machen. Andrerseits gliedern Sie die Symptome in verbale sowie nonverbale Anzeichen, welche sich im Verhalten zeigen [siehe Abbildung 12].

Aktiv-verbaler Widerstand äussert sich in 'Widerspruch': Das kann sich in sachlichen Gegenargumentationen oder uneinsichtigen Debatten äussern, wie auch in Vorwürfen und Drohungen, oder in sturem Formalismus zum Vorschein kommen.

Aktiv-nonverbaler Widerstand zeigt sich in 'aufgeregtem' Verhalten. Die Akteure können sich unruhig verhalten, suchen Streit, verwickeln sich in Machenschaften und streuen Gerüchte.

Passiv-verbaler Widerstand manifestiert sich in ausweichendem Verhalten. Mögliche Aspekte sind Schweigen, Verharmlosen oder die Konzentration auf Irrelevantes. Auch Blödeln und Sachverhalte ins Lächerliche ziehen kann Ausdruck für Widerstand sein.

Passiv-nonverbales Verhalten zeigt sich in Unlust und Lustlosigkeit. Das äussert sich beispielsweise in Unaufmerksamkeit und Ermattung einerseits, in Abwesenheit andrerseits. Der Akteur ist nicht bei der Sache, oder aber bleibt gänzlich fern. Widerstand kann sich schliesslich im Extremfall auch in Krankheit zeigen.

Welche Handlungsstrategie schliesslich gewählt wird, hängt nach Hansel [Hans 2003, Seite 124] von zwei Komponenten ab, nämlich von der persönlichen Komponente und von der organisationskulturellen Komponente.

Die persönliche Komponente wird bestimmt durch das individuelle Reaktionsverhalten. Jeder Mensch hat sich in seinem Leben eine Überlebensstrategie angeeignet, mit der er mit Veränderungen und möglichen Bedrohungen umgeht.

Die organisationskulturelle Komponente ist geprägt durch die unternehmensspezifische Veränderungskultur. Wegweisend sind insbesondere die Verhaltensmuster der Führungskräfte auf Erneuerungen und wie sie mit alternativ denkenden Mitarbeitern sowie mit Meinungsvielfalt umgehen. Herrscht eine intolerante Unternehmenskultur vor, die keine kritischen Bemerkungen und Querdenker duldet, vermeiden die Kritiker Konfrontationen. Der Widerstand tritt in einer solchen Umgebung in den Hintergrund und zeigt sich anhand von passiven Verhaltensweisen.

2.4 Methoden zum Umgang mit Macht

2.4.1 Umgang mit Machtspielen

Im Umgang mit Machtspielen zählt Kraviec [Kraw 2001] folgende mögliche Antworten auf: Entweder "man neutralisiert das Machtspiel", "man spielt besser" und eskaliert damit das Power Play oder aber "man gibt nach".

Zum ersten Fall der Neutralisation des Machtspiels und Kooperation schreibt Steiner [Stein 1998], dass zu jedem eröffneten Powerplay als Antwort eine Antithese möglich sei. Durch die Antithese wird das Machtspiel neutralisiert. Kraviec nennt dazu als mögliche Massnahmen eine Argumentation auf der Sachebene oder ein Aufschieben der Diskussion, um Distanz zu gewinnen. Jedenfalls lässt sich ein Powerplay nur stoppen, wenn auf die Kraft des Powerplayers mit so genannter 'Power Parity', also mit Gegenmacht reagiert wird.

Spielt man im zweiten Fall besser und überbietet ein Powerplay mit einem anderen, eskaliert das Machtspiel. Dieses Spiel führt zu einer 'win-loose-Situation'. Damit man nicht auf der Verliererseite steht, muss versucht werden, dieses Machtspiel zu gewinnen.

Im dritten Fall kann es Sinn machen, nachzugeben, je nach dem wie stark die andere Partei ist. Im eingangs erwähnten Beispiel des Bankräubers ist es möglichenfalls vorteilhaft, den Forderungen nachzukommen [siehe dazu Kapitel 2.1].

2.4.2 Umgang mit struktureller Macht

Um zu verhindern, dass Personen zwar verantwortlich sind, jedoch keine Macht ausüben können, muss zunächst strukturelle Macht etabliert werden. "Definierte Handlungsspielräume bilden [dabei] eine gute Grundlage für erfolgreiche Projektarbeit…" [Zitat: Hans 2003, Seite 100]. Es sind klare strukturelle Grundlagen zu erarbeiten. Zündorf zeigt dafür eine Aufstellung zur Etablierung von struktureller Macht [siehe Kapitel 2.3.2].

Um die Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Projekt positiv zu gestalten, soll das Projekt und seine Anbindung an den Kunden auf eine vertragliche Grundlage gestellt werden. Es sind nach Jenny Ziele zu definieren und Verantwortlichkeiten festzulegen [Jenn 2000, Seite 469 uff.]. Jenny geht auf die Ziele unter den Aspekten 'Was soll erreicht werden' und 'wie soll etwas erreicht werden' näher ein. Zudem gilt es zu definieren, welche Akteure wo und wann Entscheidungen treffen, für die sie auch verantwortlich sind: Diese Akteure sind nach Jenny der Auftraggeber, die Auftragnehmer, diverse Gremien, allfällige Projektmitarbeiter sowie Fachbeteiligte. Somit sind vertraglich Projektumfang, Zuständigkeiten und Verantwortungen, Ressourcen, Zeitumfang zwischen Auftraggeber und Projektleitung zu definieren.

In der Projektorganisation selber sind klare Definitionen der Verantwortlichkeiten und Entscheidungsspielräume der Beteiligten sowie Kontrollmechanismen festzulegen. Für jede Stelle gilt es Aufgaben, Kompetenzen sowie Verantwortungen festzuhalten. Der Verantwortlichkeitsbereich darf dabei den Kompetenzbereich nicht überschreiten [Jenn 2000, Seite 115], was jedoch in der Praxis problematisch sein kann, da sich die Verantwortlichkeiten mit dem Projektverlauf ändern [siehe dazu Abbildung 11].

Ein wichtiger Punkt zum Etablieren von impliziten Normen und Regeln ist die Unternehmens- respektive Projektkultur. Diese gilt es nachhaltig zu beeinflussen. Nach Hauri [Hau2 2001] sind dabei ein gemeinsames Grundverständnis und eine ähnliche Denkweise zu fördern sowie eine gemeinsame Terminologie zu etablieren. Hauri schlägt zunächst eine Analyse der kulturellen Situation sowie der Rollen der Mitarbeiter im und um das Projekt vor. Gegebenenfalls können hier externe Berater hinzugezogen werden, die eine unbefangene Perspektive haben und daher eine objektive Situationsanalyse ermöglichen. In der Folge kann eine Kommunikation etabliert werden, die gezielt auf Rollen und Kulturdifferenzen eingeht. Die Verständnisförderung durch Kommunikation von Arbeitsformen und unterschiedlichen Erfolgs- sowie Misserfolgsfaktoren unter den Beteiligten ist dabei zu begünstigen.

2.4.3 Umgang mit Informationsmacht

Informationsmacht kann sich dadurch negativ auf den Projekterfolg auswirken, indem einerseits Informationen falsch übermittelt oder weitergegeben oder andererseits Informationen zurückgehalten werden.

Beispielsweise sind Führungskräfte aus einem Fachbereich mit dem Projekt nicht zufrieden, da sie befürchten, das Projekt werde ihre Situation verschlechtern. Sie halten daher Informationen zurück, um das Projekt zu blockieren [Lomn mapr, Kapitel negative Machtprozesse, Praxisfall 1]. Es werden Informationen von extern zurückgehalten.

Zunächst muss überhaupt erkannt werden, dass Informationen zurückbehalten oder verfälscht übermittelt werden, was in der Praxis ein echtes Problem darstellen kann. Hier ist nach Lomnitz ein gutes persönliches Netzwerk zu den Stellen mit Informationsmacht oder deren Umgebung - hier vor allem zu dem betroffenen Unternehmen - hilfreich. Hilfsmittel dazu sind häufige Gespräche und ein Prüfen des Informationsflusses.

Als nächstes gilt es die Ursachen des Informationsproblems zu analysieren. Basiert es auf Widerstand, auf unzureichender Kompetenz oder auf Überbelastung? Es ist ein konstruktives Gespräch zu suchen, um den Grund des Problems zu eruieren.

Beruht das Informationsproblem auf Widerstand, so ist dieser mit geeigneten Massnahmen zu behandeln [siehe dazu Kapitel 2.4.8]. Überbelastete Schlüsselpositionen hingegen sind wenn möglich durch Änderungen im Informationsfluss oder in der Informationskultur zu entlasten. Es gilt jedoch, ein Optimum zu finden zwischen zu starker Aufsplitterung[16] und Zentralisierung der Schlüsselfunktion, vor allem bei grösseren Projekten [Welt 1992, Seite 64]. Ausserdem sind das Informationsverhalten und die Informationskultur der Mitarbeiter zu fördern. "Sie sollen strikt nach Vorgabe arbeiten, Unklarheiten systematisch klären und ihren Arbeitsfortschritt sauber dokumentieren" [Zitat: Lude 1999, Seite 13]. Die Projektleitung darf sich die Informationen nicht holen müssen, sondern diese soll gebracht werden.

2.4.4 Umgang mit persönlicher Macht

Der Führungsstil sowie die Projektkultur werden massgeblich beeinflusst von der Führungspersönlichkeit.

Die einzelnen Akteure von Gruppen nehmen Gruppenrollen an. Dabei ist zu beachten, dass nur positive Gruppenrollen besetzt werden [siehe auch Abbildung 8]. Vorhin wurden zum Beispiel Meinungsführer erwähnt, welche die Mitarbeiter nachhaltig beeinflussen [siehe dazu Kapitel 2.4.8]. Werden diese Meinungsführer speziell miteinbezogen und damit motiviert, kann so die Gruppendynamik positiv beeinflusst werden.

2.4.5 Umgang mit Ressourcenmacht

Ressourcenmacht kann als Führungsinstrument eingesetzt werden. Geld beispielsweise eignet sich für Belohnungsmassnahmen sowie Bestrafungsmassnahmen. Bei der Projektarbeit kann ein Belohnungssystem als Instrument genutzt werden, wenn zum Beispiel Projektziele termingerecht erreicht werden sollen. Dieses beinhaltet jedoch automatisch ein Bestrafungssystem, da der nicht belohnte Mitarbeiter nicht den Zuschlag bekommt. Das Resultat von Belohnungsstrategien sind daher oft Neid, Intrigen und Demotivation. Die Projektleitung muss daher im Voraus wissen, was sie damit erreichen möchte. Erfolgreich ist die Strategie in der Praxis nur, wenn allen Betroffenen sämtliche Bedingungen von Anfang an bekannt sind.

Ein möglicher Einsatz eines Belohnungs- respektive Bestrafungssystem liegt zwischen Projektleiter und Mitarbeiter einerseits, jedoch auch zwischen Projekt und Auftrageber andererseits. Die Konsequenzen sollten jedoch durchdacht werden, ein Belohnungs- und Bestrafungssystem kann das gegenseitige Vertrauen, den gegenseitigen Respekt und die gegenseitige Toleranz empfindlich stören [nach Jenn 2000, Seite 275].

2.4.6 Umgang mit Netzwerkmacht

"Nur wenige Menschen sind in einer so mächtigen Position, dass sie es sich leisten können, die Machtquellen Persönlichkeit und Beziehungsnetz [Netzwerk] zu ignorieren" [Zitat: Bern quel]. Netzwerke sind grundsätzlich wichtig, um Machtquellen gemeinsam nutzen und quasi auf 'Skaleneffekte der Macht' setzen zu können. Ein Beziehungsnetzwerk erleichtert beispielsweise Führungsaufgaben, dient durch indirekte oder direkte Kontrolle von Mitarbeitern [siehe dazu Kapitel 2.4.8], vereinfacht den Zugang zu Ressourcen wie Informationen etc.

Solange Netzwerke nicht missbraucht werden, um zum Beispiel die eigene Position zu stärken durch beeinflusste und damit pseudounabhängige Expertisen, zieht die Organisation Vorteil aus Netzwerken. Um allen möglichen Missbräuchen vorzubeugen, müssten die Netzwerke der einzelnen Mitarbeiter kontrolliert werden. Jedoch: Um die Netzwerkmacht einzelner Akteure auszumachen, wäre es notwendig, einerseits sämtliche Beziehungen des Akteurs zu untersuchen, andererseits aber auch die Machtquellen der Akteure zu ermitteln, die mit Ersterem in Verbindung stehen. In der Annahme, dass diese Machtquellen wiederum Netzwerkmacht sein könnten, führt das zu einer unüberschaubaren Komplexität.

2.4.7 Umgang mit Expertenmacht

Mit der Stärkung des eigenen Expertenwissens in einem Projekt erschafft man sich Unabhängigkeit von externem Expertenwissen und Outsourcing: Einerseits kann internes Expertenwissen Outsourcing überflüssig machen, andererseits ist durch internes Know-how eine Kontrolle des Outsourcers möglich.

Unumgänglich ist die Stellung des Projektleiters als interner Träger von Know-how und Expertenwissen – sein Schwerpunkt sollte jedoch in Führungsfähigkeiten und nicht in informatikspezifischem Wissen liegen. Projektleiter müssen vermehrt als Führungsexperten wie als Informationstechnologieexperten ausgebildet werden [Lude 1999, Seite 12 uff.]. Ludewig stellt dabei gravierende Mankos in der Managementausbildung der Projektleiter fest [siehe auch Kapitel 2.3.7] und fordert daher eine spezifische praxisnahe Förderung der Führungskräfte.

Expertenmacht zeigt sich durch das Projekt gegen aussen, wie auch innerhalb des Projektes, wo die einzelnen Akteure Expertenmacht innehaben können. Gegen aussen tritt das Projekt gegenüber dem Auftraggeber hauptsächlich mit Expertenmacht in Erscheinung. Innerhalb ist Expertenwissen vor allem an Individuen und Gruppen geknüpft. Diese gilt es zu motivieren, damit diese ihr Expertenwissen zugunsten des Projektes einsetzen. Um die Expertenmacht einzelner Mitglieder zu entkräften, ist einerseits die Kommunikation von Wissen und Erfahrungswerten zu fördern, andererseits deren Wissen zu speichern, damit Expertenwissen von einzelnen Akteuren unabhängig wird.

2.4.8 Umgang mit Widerstand

Bei Veränderungen tritt Widerstand immer auf und bietet positives Potential bezüglich des Projekterfolges. Er soll möglichst rechtzeitig erkannt werden, damit der Widerstand nicht zu Blockaden führt und schliesslich in Machtkämpfen ausartet. Ausserdem können bei einer frühzeitigen Erkennung konstruktive Impulse des Widerstandes möglichst früh aufgenommen und eingebracht werden.

Zunächst muss Widerstand überhaupt erkannt werden, um reagieren zu können. Er wird sichtbar auf der kommunikativen wie auch auf der Beziehungs- und der Arbeitsebene. Problematischerweise werden Eigeninteressen meist in Form von Sachargumenten verkleidet. Solche Sachargumente sachlich-logisch zu entkräften, schlägt daher fehl und führt zu unnötigen Diskussionen, die, falls der Grund des Widerstands nicht aufgedeckt wird, immer neu aufflammen [Bern wide]. Nach Berner gibt es folgende Möglichkeit, Sachargumente von Widerständen zu unterscheiden. Echte Sachargumente reagieren auf logische Argumentation, denn bei einer sachlichen Argumentation geht es um inhaltliche Klärung. Vorgeschobene Argumente bei Widerständen verhalten sich hingegen konträr: Sie suchen nicht nach Klärung, sondern möchten behindern. Berner bezeichnet das Wesen von solchen Argumenten als polymorph, das heisst sie wechseln ihre Gestalt bei gleichem Motiv. "Wenn ausdiskutierte Themen bei nächster Gelegenheit mit geringfügigen Veränderungen wieder kommen" und "immer neue Grundsatzdiskussionen vom Zaun gebrochen" werden, handelt es sich um Widerstand [Zitate: Bern wide]. Wie unterscheidet man jedoch nun Eigeninteressen von Ängsten und persönlicher Bedrängung? Berner fordert, jeden Widerstand zunächst so behandeln, als wäre er auf persönliche Bedrängung zurückzuführen. "Das hat zwei Vorteile: Erstens werden Sie damit in den meisten Fällen richtig liegen, denn in der Praxis geht mehr als die Hälfte, wahrscheinlich 90 Prozent der Widerstände gegen Veränderung auf Angst zurück. Und zweitens richten Sie damit, wenn Sie doch falsch liegen sollten, keinen Schaden an. Denn interessengeleiteter Widerstand reagiert weder positiv noch negativ auf Zuwendung…" [Zitat: Bern wide]

Steiger und Lippmann [Stei 1999] schlagen sehen drei Hauptmotive des Widerstandes und nennen dazu je angebrachte Massnahmen und Vorgehensstrategien.

Beruht der Widerstand auf Eigeninteressenverteidigung, sind ein übergeordnetes Aufgabenverständnis zu fördern und Identifikationsmöglichkeiten zu schaffen.

Liegt der Grund für den Widerstand in fehlenden Informationen, sind diese nachzuholen. Hansel und Lomnitz nennen Projektforen als hilfreiches Instrument zur Klärung von Sachfragen, vor allem in der Anfangsphase eines Projektes. Möglichst frühe Information kann den Widerstand vermindern oder sogar erübrigen. Hansel [Hans 2003, Seite 134] setzt hier vor allem Informationsschwerpunkte[17] auf Transparenz was den Sinn des Projektes anbelangt, betreffend Sachfragen und im Hinblick auf Vorgehensweisen: Alle Betroffenen sollten sich bezüglich des Sinnes und des Projekthintergrundes im Klaren sein und alle Betroffenen sollten vollständig bei Sachfragen und über Vorgehensweisen informiert werden.

Wird der Widerstand durch 'persönliche Bedrängung' und Ängste veranlasst, soll die Person und deren Umfeld mit Respekt behandelt werden. Ihr sind Verständnis entgegenzubringen wie auch Sicherheit zu vermitteln. Nach Berner darf hier die Gesprächführung nicht bezwecken, die Ängste mit Sachargumenten aus dem Weg zu räumen, sondern das Ziel muss sein, die Ängste zu verstehen. Erweisen sich die Ängste jedoch als berechtigt, dann muss man nach einer Lösung suchen. Um Ängste zunächst zu verstehen, schlägt Berner folgende Grundregeln[18] vor:

- Nicht erklären, sondern verstehen
- Nicht argumentieren und überzeugen, sondern zuhören
- Nachfragen, um genauer zu verstehen
- Die Aussagen des anderen zutreffend mit eigenen Worten wiedergeben

Berner schlägt folgende Präventionsmassnahmen vor, um dem Widerstand, der bei der ersten Krise kommen wird, zu begegnen [nach Bern miss]: Einerseits ist Überzeugungsarbeit zu leisten wie zum Beispiel in Gesprächen, Diskussionen und Vorträgen, um einen Zielkonsens zu fördern. Andererseits ist möglichst früh für greifbare Resultate zu sorgen, und deutlich zu machen, dass das Projekt die volle Unterstützung des Top Managements geniesst.

Saeco [nach Manh 2004] wählte einen interessanten praktischen Ansatz bei der Einführung eines neuen CRM -Systems, um Misstrauensstimmung und Widerstand unter den Mitarbeitern abzufangen. Sie integrierte die Meinungsführer (Opinion Leaders) aus der vom neuen EDV-System betroffenen Abteilung ins Entscheidungsteam. Sie wurden in der Definitionsphase vor der Ausschreibung des Projektes miteinbezogen und so möglichst früh ins Projekt eingegliedert. "Die Meinungsführer waren keine Super EDV-Verwender, sondern bei ihren Kollegen gut angesehen… mit hoher sozialen Intelligenz" [Zitat Eberle[19] in Manh 2004]. Diese Meinungsführer wurden nun mit verstärktem emotionalem Einsatz dazu motiviert, die CRM-Lösung als Vorteil wahrzunehmen und dementsprechend gegenüber von Kollegen so zu vertreten. Die Akzeptanz des neuen Systems konnte auf diese Weise erfolgreich gesteigert werden.

2.5 Zusammenfassung

Macht bedeutet, jemanden zu einer Handlung zu bewegen. Für Macht oder für ein Machtverhältnis sind immer zwei Akteure notwendig: der Machthaber, welcher die Macht ausübt, und der Machtempfänger, der die Macht 'empfängt'. Abbildung 13 zeigt, welche Machtarten in diesem Kapitel untersucht und welche Aspekte dazu erwähnt wurden. Macht kann sich dabei negativ oder positiv auf den Projekterfolg ausprägen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13 Aspekte der Macht

Um Macht gewinnbringend und nachhaltig einsetzen zu können, sind dabei die positiven Aspekte der Macht zu fördern [siehe Abbildung 14].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14 Umgang mit Macht

[...]


[1] Bertrand Russell geht sogar so weit und stellt Macht in soziologischen Systemen dem Ausdruck Energie in der Physik an die Seite

[2] Wie weiter unten aufgeführt, sind für Macht zwei Parteien notwendig, damit diese überhaupt entstehen kann [siehe genauere Ausführungen Kapitel 3].

[3] Bertrand Russel lebte von 1872 bis 1970. Er war ein britischer Mathematiker, Schriftsteller und Philosoph – als solcher veröffentlichte er viele gesellschaftskritische Studien

[4] Auf Niklas Luhmann und die soziologische Systemtheorie wird in Kapitel 3 detaillierter eingegangen.

[5] Anthropologeme sind Grundeigenschaften des Menschen

[6] Gehlen führt zudem weitere zwei Machtquellen auf: Jeder Mensch hat eine 'Verfügungssphäre' und dadurch Interessen. Wer somit Interessen befriedigen kann und Bedürfnisse belohnen, der hat Macht. Als zweite Machtquelle erwähnt Gehlen Anstrengung und Demoralisation. Machtsituationen haben daher die Funktion, die Energie und 'Risikowachheit' des Menschen aufrecht zu erhalten und wirken so dem 'Abspulen des Spannungspotientials' entgegen [aus Enno phil]

[7] Mintzberg bezeichnet die hier genannten Machtgrundlagen von French und Raven als "Machtkategorien" [Mint 1983, Seite 25]

[8] Dies wirft durchaus philosophische Fragen auf: braucht man nur Macht, um den Menschen zum Zusammenleben zu erziehen (Rousseau), oder ist dauernd Macht vonnöten, da sich sonst der unerziehbare 'homo homini lupus' gegenseitig den Kopf einschlägt (Hobbes)?

[9] zum Beispiel Arbeitsvertrag in Art. 319uff OR

[10] Nach der Definition Luhmanns sprechen wir von dann Macht, wenn ein Partner das Handeln seines Gegenübers beeinflusst [siehe insbesondere Kapitel 3.1.3]

[11] Hier werden die Projektorganisationsformen vor allem aus der Perspektive der Machtverhältnisse aufgeführt. Vollständige Aufführungen der Vorteile und Nachteile der jeweiligen Projektorganisationen sind gegebenenfalls unter Jenny [Jenn 2000, Seite 105 uff.] nachzulesen.

[12] Hat die Form zur Ausübung von Macht keine Wirkung, so kann eigentlich per definitionem keine Macht entstehen bezüglich dieser Form.

[13] In den von Weltz [Welt 1992, Seite 65 uff.] untersuchten Projekten wurden in 57 Prozent der Projekte externe Leistungen beansprucht.

[14] Nach English [Engl 1998] werden die Grundlagen für psychologische Spiele während der Kindheit gesetzt. Spiele basieren auf stereotypen Ersatzgefühlen, mit denen in der Kindheit angemessene Emotionen abgewehrt oder substituiert wurden.

[15] Hansel [Hans 2003, S. 121] nennt dazu diverse Symptome von Widerstand

[16] Eine starke Aufsplitterung verlangt tendenziell einen höheren Organisationsaufwand

[17] Sinn macht eine vorgängige Analyse, wer wie zu informieren ist [Hans 2003, Seite 134]

[18] Weiterführend findet sich bei Hansel und Lomnitz [Hans 2003, Seite 137] eine Liste im Kapitel "Wie gehe ich als Projektleiter persönlich mit Widerstand um".

[19] Peter Eberle ist der IT-Chef der Saeco Austria AG, 2001

Final del extracto de 184 páginas

Detalles

Título
Macht als sozialer Erfolgsfaktor in IT-Projekten
Universidad
University of Zurich
Autor
Año
2005
Páginas
184
No. de catálogo
V109682
ISBN (Ebook)
9783640078608
ISBN (Libro)
9783640861880
Tamaño de fichero
2993 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Macht, Erfolgsfaktor, IT-Projekten
Citar trabajo
Lukas Keller (Autor), 2005, Macht als sozialer Erfolgsfaktor in IT-Projekten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109682

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