Don Quijote und Sancho Panza als Antipoden


Trabajo, 2005

22 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Gegenüberstellung der Protagonisten
1.1 Die polyphone Darstellungsweise
1.2 Don Quijote
1.2.1 Die Sichtweise des Erzählers
1.2.2 Die Selbsteinschätzung Quijotes
1.2.3 Die Einstellung Sanchos zu seinem Herrn
1.2.4 Quijotes Verhältnis zu Sancho
1.2.5 La grande aventura de la cueva de Montesinos (II, 22-24)
1.3 Sancho Panza
1.3.1 Idee und Name Sanchos
1.3.2 Herkunft und Abstammung
1.3.3 Der Einfluss Sanchos auf den Verlauf der Handlung
1.3.4 El escudero
1.3.5 Selbsteinschätzung Sanchos
1.3.6 Fremdeinschätzung
1.3.7 Die Veränderung Sanchos

2. Sancho Panza als Nachfolger Don Quijotes

3. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

„[…]¿qué tienen que ver los Panzas con los Quijotes?“[1].

Ist Sancho eine Figur, von der ein Großteil der Forschung annimmt, dass sie in der ursprünglichen Fassung gar nicht angedacht war und im Folgenden ergänzt werden musste, um der komplexen Ideenwelt Quijotes einen Klangkörper zu bieten[2] ? Ist Sancho also, wie Hatzfeld meint, lediglich Begleitung zum Quijote-Thema[3] ?

Oder sind Sancho und Quijote doch als „gleichwertig“[4] aufzufassen und von Anfang an im Roman mit angelegt, wie Rauhut betont.

Ist Sancho also Partner, Freund oder Abhängiger, Klanginstrument oder Beiwerk Quijotes?

Auf den ersten Blick ist die Rollenverteilung klar, denn die extremen Gegensätze der beiden liegen auf der Hand und können schnell umrissen werden. Der hagere, fantasievolle, cholerische Quijote scheint dem dicken, bodenständigen, phlegmatischen Sancho sowohl körperlich als auch geistig um Kopflängen überlegen zu sein. Beschäftigt man sich hingegen eingehender mit Sancho, so stellt sich schnell die Frage, ob er neben seiner Einfachheit über Intelligenz – „¿o socarrón?“[5] wie Fernández Álvarez fragt - verfügt.

Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. Ziel ist es, das Verhältnis der beiden Protagonisten zueinander zu interpretieren.

Zuerst werden die Protagonisten gegenübergestellt, um dann eine Gesamteinschätzung zum sich ändernden Verhältnis der beiden zueinander vornehmen zu können.

1. Gegenüberstellung der Protagonisten

„Um die widerspruchsvollen Erscheinungen in den literarischen Produktionen des ‚Siglo de Oro’ zu erfassen, verwendet man in der Hispanistik gern die Begriffe Idealismus und Realismus. […] Don Quijote und Sancho Panza werden als beispielhafte Figuren […] hingestellt, [an] denen man Idealismus und Realismus dingfest zu machen [versucht]. Man wird allerdings […] die beiden Begriffe nicht getrennt voneinander anwenden können; sie verlören ihren Sinn, wenn sie das beziehungslose Nebeneinader zweier Welten bezeichnen sollten“[6].

Don Quijote und Sancho sind zwei Gesellen, die bei oberflächlicher Betrachtungsweise in einem krassen Gegensatz zueinander stehen. Beim genaueren Hinsehen stellt man jedoch fest, dass sie sich gegenseitig bedingen und in ihrer Gegensätzlichkeit eine Einheit darstellen. Separat betrachtet sind die beiden Gestalten gegensätzlicher Natur. Erst im Zusammenspiel erhalten die beiden Figuren Sinn und Bedeutung. „Caballero y escudero forman una pareja complementaria […]“[7], allerdings nicht im Sinne Avellanedas „[como una] simbiosis literaria [que] contrasta con la génesis individual e inalterable de los personajes caballerescos o picarescos[...]”[8], sondern im Sinne einer dialektischen Konzeption[9].

Savj-Lopez[10] verbindet die Figuren mit folgenden Begriffen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Verschiedenartigkeit der Körper der Hauptfiguren scheint den Verschiedenheiten des Charakters und des Geistes zu entsprechen und ist auf Anhieb einleuchtend und leicht für jedermann verständlich. Solche und ähnliche Schemata findet man in den verschiedensten literarischen Abhandlungen.

Aufgrund der Entwicklung und Veränderung der Figuren hält eine wie oben gezeigte schematische Darstellung nicht lange stand.

1.1 Die polyphone Darstellungsweise

Fernando Lázaro weist darauf hin, dass der Quijote „la primera novela polifónica del mundo”[11] ist. Bei der Analyse der Hauptfiguren ist auf Grund der polyphonen Darstellung zu berücksichtigen, aus welcher Perspektive die Person beschrieben wird. „La realidad […] no tiene una sola y excusiva interpretación”[12]. Der Leser hat also die Aufgabe, sich selbst ein Bild zu machen, „y de ese modo, el lector o la lectora del libro genial se convierten en algo más que en pasivos lectores. Se incorporan a la estela del gran escritor, como si pudieran entrar en diálogo permante con él”[13].

„La realidad, pues, se interpreta de diferente manera, según el punto de vista personal de cada uno”[14]. Jede Interpretation lässt gerade bei einer polyphonen Darstellung Rückschlüsse auf den Interpreten zu.

Bei der Interpretation sollte der Interpret jederzeit das Ziel Cervantes’ vor Augen haben, auf das Rey Hazas hinweist, „que la novela se libere [y por eso] hay que empezar por dar libertad al personaje“[15].

Hatzfeld unterscheidet zwischen dem „retrato directo“[16] und dem „retrato indirecto“[17]. „Retrato directo“ ist die Charakterisierung der Figuren durch den Erzähler, „retrato indirecto“ die Charakterisierung durch eine andere Figur des Romans.

Der Begriff der Polyphonie bzw. der Dialogizität ist laut Bachtin eng verbunden mit dem Begriff des Karnevals und des Burlesken[18]. So erstaunt es wenig, dass Gómez Canseco die Wurzeln Quijotes und Sanchos in der commedia dell’arte sieht mit den italienischen Vorbildern „Ganassa y Arlequín“[19].

1.2 Don Quijote

1.2.1 Die Sichtweise des Erzählers

Geringschätzig stellt der Erzähler den Protagonisten und Titelhelden des Romans im ersten Kapitel des ersten Teils vor.

Die Dinge, von denen er umgeben ist, sind alt und wertlos. Er besitzt ein altes Schild, einen dürren Klepper, verschlissene Kleidung. Der Leser wird an eine altertümliche Ausstattung eines Ritters erinnert. Sein Essen ist einfach und bescheiden. Er ist etwa fünfzig Jahre alt und cholerisch veranlagt: „era de complexión recia, seco de carnes, enjuto de rostro, gran madrugador y amigo de la caza”[20]. Die Heimat des Protagonisten ist La Mancha, aber an den genauen Ort oder Namen will oder kann sich der Erzähler nicht erinnern.

Auch im zweiten Teil erfährt Quijote keine gute Behandlung durch den Erzähler. Dieser schämt sich für die Torheiten seines Protagonisten und würde das Kapitel 10 am liebsten übergehen[21]. Es zeigt sich, dass der Erzähler seinen Figuren nicht neutral gegenüber eingestellt ist und er den Leser auf seine Weise beeinflusst. Im Vorwort entschuldigt er sich förmlich für die arme Gestalt, die sein ungebildeter Geist geschaffen hat: „hijo seco, avellanado, antojadizo y lleno de pensamientos varios“[22]. Dennoch kann auch der Erzähler seine Zuneigung zu seinem Geschöpf nicht verbergen. Er sieht sich zwar nicht als Vater, der blind vor Liebe die Fehler des Kindes übersieht[23], aber die Tatsache, dass er sich für sein Geschöpf schämt, zeigt, dass er sich verantwortlich und ihm verbunden fühlt.

Quijote ist den Ritterromanen verfallen und verbringt die meiste Zeit des Jahres mit deren Lektüre, was zur Folge hat, dass Haus und Hof langsam verfallen. Quijote ist getrieben von der Idee der fahrenden Ritterschaft, sein immer währendes Ziel ist laut Hatzfeld: „solventar las dificultades, zanjar las injusticias, […] ayudar a las viudas y los huérfanos, proteger a las doncellas, socorrer a los oprimidos, etc.“[24]. Er ist besessen von seiner platonischen Liebe zu Dulcinea, die er, wie Sancho im 9. Kapitel des zweiten Teils entlarvt, nie gesehen hat[25]. Sánchez sieht in ihm einen „representante del idealismo, [en] él alternan los disparates caballerescos y la reflexión sensata”[26]. Alles an ihm scheint lächerlich zu sein und dennoch gelingt es ihm, die Sympathien der Leserschaft zu gewinnen und trotz seiner Verrücktheiten „quedándose hombre bueno“[27]. Hatzfeld nennt dieses „quedándose hombre bueno“ das Hauptthema des Romans[28], welches statisch ist, sich also nicht verändert. Im Gegensatz dazu seien die Themen, die Sancho betreffen, Nebenthemen. Diese zeichnen sich laut Hatzfeld durch ihre Dynamik aus, „son motivos dinámicos, mientras que los motivos quijotescos fueron estáticos“[29].

1.2.2 Die Selbsteinschätzung Quijotes

Quijote selbst sieht sich als edel und tapfer an. Er hat die Aufgabe, der Menschheit das Goldene Zeitalter auszurufen: „[…] yo nací, por querer del cielo, en esta nuestra edad de hierro, para resucitar en ella la de oro […]“[30]. Sich in der Tradition der Ritter der Tafelrunde sehend beteuert er, dass er als Ritter sterben will[31], was am Ende nicht eintreten wird.

Quijotes Handlungen sind meisten verrückt, denn die ‚locura’ scheint ihm den Verstand geraubt haben, allerdings ist dies nicht immer der Fall: „El loco don Quijote se sabe incapaz de imitar a Orlando y elige por eso la tranquila penitencia de Amadís“[32]. Unter den Brief an Dulcinea setzt er den Namen „El Caballero de la Triste Figura“[33] und nicht etwa „Don Quijote“. „La razón es que, por un lado, era consciente de que la firma de don Quijote de la Mancha invalidaba legalmente el documento, aunque, por otro lado, no estaba dispuesto a poner negro sobre blanco que él era un caballero imaginario y que, en realidad, seguía siendo el mismo hidalgo Alonso Quijano, dueño de aquellos pollinos”[34].

Don Quijotes Ideale sind Gleichberechtigung „no es un hombre más que otro, si no hace más que otro“[35] und Toleranz „la virtud vale por sí sola lo que la sangre no vale”[36].

1.2.3 Die Einstellung Sanchos zu seinem Herrn

Damit der Leser den Gedanken und Reflexionen Quijotes folgen und somit in seine Seele vordringen kann, stellt der Erzähler seinem „hijo seco“[37] Sancho Panza an die Seite, mit dem er fortwährend Dialoge über die verschiedensten Themen führt. „Gracias a estos diálogos entraremos a fondo en el alma de don Quichote, y su constante departir con Sancho será eficaz contraste entre el sueño caballeresco y la realidad tangible, la locura idealizadora y la sensatez elemental, la cultura y la rusticidad y también la ingenuidad y la cazurra picardía”[38].

Sanchos Meinung über Quijote ist ambivalent. Er entwickelt viel Verständnis und Zuneigung für seinen Herrn, steht ihm aber auch kritisch gegenüber. Im Kapitel II, 59 nennt er ihn liebevoll „valiente, discreto y enamorado“[39]. In Kapitel II, 67 hingegen erklärt er Quijote für vollkommen verrückt: „No debe nada a nadie: que todo lo paga, y, más, cuando la moneda es de locura”[40]. Auch im 33. Kapitel, II wird diese Einstellung deutlich zum Ausdruck gebracht: „yo tengo a mi señor don Quijote por loco rematado“[41].

Im Laufe der Lektüre zeigt sich überwiegend die Zuneigung und Verbundenheit, die Sancho für seinen Herrn entwickelt.

1.2.4 Quijotes Verhältnis zu Sancho

Quijote ist eine äußerst komplexe Gestalt mit vielen Facetten. Weinrich weist auf die Veränderungen hin, die er im Laufe des Romans durchlebt: „Je weiter die Erzählung voranschreitet, umso mehr wird Don Quijote er selber, um so mehr tritt er aus dem Bereich der Ironie heraus“[42]. Dies spiegelt sich vor allen Dingen in der Beziehung zu seinem Diener wider. Auch Sancho verändert sich und damit das Verhältnis zwischen Herr und Diener.

Quijote hofft anfangs, Sancho als sein Geschöpf, ganz nach seinen Vorstellungen formen zu können. So unterweist er ihn als Schildknappe, mit dem Gedanken, ihn eines Tages ebenfalls zum Ritter zu schlagen. In Kapitel I, 44 stellt er fest, dass auch Sancho ein guter Ritter „hombre de pro“[43] sein könnte.

Im 29. Kapitel des II. Teils vergleicht er ihn mit einem „weiße[n] Blatt Papier“[44]. Quijote hebt hervor, dass Sancho über einige „simplicidades [...] agudas” verfügt und gleichzeitig über „unas discreciones que le levantan al cielo”[45].

Er lehrt ihn philosophisches Denken als Grundlage praktischer Handlungsmaximen und vermittelt ihm somit die Einsicht und die Fähigkeit, selbst Verantwortung für das eigene Leben und dessen Verlauf zu übernehmen.

Deutlich wird dies an der von Quijote vertreten Auffassung zu der damals weit verbreiteten Schicksalsergebenheit. Es gelingt ihm, Sancho davon zu befreien und ihn zu seiner Auffassung von Verantwortlichkeit für das eigene Leben zu bekehren: „[…] es que no hay fortuna en el mundo […] que cada uno es artífice de su ventura“[46].

Im Fortschreiten dieses Prozesses gegenseitigen Lernens entwickelt sich ihr Verhältnis vom Herr zum Diener über Lehrmeister und Schüler bis zu Partnern auf gleicher Ebene. Quijote ist bereit, sich von seinem Schüler überflügeln zu lassen und erkennt am Ende die Überlegenheit Sanchos an.

Oft nennt Quijote Sancho „hijo“[47] oder sogar „hijo de mis entrañas“[48] und behandelt ihn auch wie seinen Sohn: einerseits ist er streng, teilweise ungerecht und hartherzig, andererseits kann er seine Zuneigung ihm gegenüber nicht verbergen. In Kapitel II, 11 nennt er ihn „bueno“, „discreto“, „cristiano“ und „sincero“[49]. Manchmal scheint es fast so, als ob Quijote sich von seinem Knecht vernachlässigt fühlt, wenn er ihm zum Beispiel Gefühlskälte vorwirft: „yo imagino que eres hecho de márol, o de duro bronce, en quien no cabe movimiento ni sentimiento alguno“[50]. Ein anderes Mal scheint er auf ihn eifersüchtig zu sein. Als die Herzogin in Kapitel II, 30 Sancho wegen seiner Spaßhaftigkeit und Verständigkeit lobt, verzichtet Quijote nicht darauf, ihn einen „hablador“[51] zu nennen.

Bevor Sancho auszieht, um sein Amt als Statthalter anzutreten[52], gibt ihm Quijote einige Verhaltensratschläge mit auf den Weg. Fernández Álvarez beweist, dass es sich bei diesen Ratschlägen um dieselben handelt, die Carlos V siebzig Jahre vorher seinem Sohn Felipe II mit auf den Weg gegeben hat, bevor dieser sein Amt als König antrat[53]. Quijote fühlt für Sancho wie ein Vater, der seinem Sohn Gottesfurcht und Nächstenliebe lehrt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Verlauf des ersten Teils lernt Quijote Sancho immer besser kennen. Aufgrund der gemeinsamen Abenteuer werden sie zu Freunden und Vertrauten. Die Sympathie geht so weit, dass Quijote in ein Gefühl der Melancholie zurückverfällt, sobald Sancho nicht mehr an seiner Seite ist, so zum Beispiel in Kapitel II, 44: „él se recostó pensativo y pesaroso, así de la falta que Sancho le hacía […]“[54].

1.2.5 La grande aventura de la cueva de Montesinos (II, 22-24)

Entscheidend für die Entwicklung der Figur des Quijote und das Verhältnis der beiden Protagonisten zueinander ist der Abstieg in die Höhle des Montesinos. Anders, als man beispielsweise auf Grund der schematischen Festlegung Savj-López (s.o.) vermuten würde, steigt Quijote nicht in den Himmel auf, sondern er steigt hinunter in die Unterwelt. Nachdem ihn Sancho und der Vetter an einem Seil heruntergelassen haben, verbringt er nach eigenen Aussagen drei Tage dort, nach den Aussagen Sanchos etwas über eine Stunde[55]. Er begegnet mehreren bekannten Gestalten aus den Ritterromanen, sowie den drei Bäuerinnen, die er zusammen mit Sancho gesehen hatte und von der eine die verzauberte Dulcinea gewesen sei. Dieser leiht er sogar Geld, da in der Unterwelt Geldnot herrsche[56].

Diese Geschichte ist aus zwei Gründen sehr wichtig:

1. Die Fantasie Quijotes hat sich geändert. Reale Dinge wie Geldnot spielen von nun an eine Rolle in seiner Traumwelt. Im ersten Teil wäre das noch nicht möglich gewesen und ist also Ausdruck für die Sanchificación Quijotes.
2. Sancho durchschaut die Lügen Quijotes ganz genau, denn schließlich war er es, der die Geschichte der verzauberten Dulcinea erfunden hat. Quijote wird an dieser Stelle das erste Mal für den Leser ersichtlich als Lügner entlarvt. Im darauffolgenden 24. Kapitel gesteht der Erzähler, dass Quijote diese Geschichte in seiner Sterbestunde zurückgenommen haben soll[57]. Die Fassade des Helden beginnt an dieser Stelle zu bröckeln. Sancho versteht es, diese Situation für sich auszunutzen. Er lässt sich auf den Ritt mit Clavileño (s.u.) genau so ein, wie der Leser es eigentlich von Quijote erwartet hatte. Sancho erzählt die wunderlichsten Geschichten über seinen Aufstieg in den Himmel. Seine Fantasie scheint keine Grenzen zu kennen, was als Zeichen für die Quijotización Sanchos verstanden wird.

An diesen beiden Stellen handelt es sich bei den beiden Protagonisten um Antipoden im eigentlichen und übertragenen Sinn. Quijote weiß, dass er von Sancho abhängig ist, da Sancho in die stärkere Position hineingerutscht ist, unter anderem, weil er freier und unabhängiger ist. Zum ersten Mal nähert Quijote sich Sancho als Bittsteller: „Sancho, pues vos queréis que se os crea lo que habéis visto en el cielo, yo quiero que vos me creáis a mí lo que vi en la cueva de Montesinos. Y no os digo más”[58]. Es wird deutlich, in welchem erheblichen Maß Sancho dazu beiträgt, dass Quijote seine Rolle als ‚caballero andante’ weiterführen kann.

1.3 Sancho Panza

Sancho Panza begegnet uns zum ersten Mal im 7. Kapitel des ersten Teils, also nach dem „<<pequeño Quijote>>“, „un breve cuento“[59]. Der Leser erhält durch den Erzähler einige oberflächliche Informationen. Sancho ist „un labrador […] hombre de bien [...] al que es pobre -, pero de muy poca sal en la mollera”[60]. Er ist eine eigenständige Persönlichkeit, die aus einer anderen Umgebung als der Don Quijotes stammt. „Cervantes se esforzó por dotar al personaje de un entorno y una vida propia”[61].

Sánchez bezeichnet Sancho als den Repräsentanten des Realismus und „antítesis de su señor en lo físico y en lo moral“[62]. Doch dass eine solche Schwarz-Weiß-Zeichnung nicht ohne Weiters möglich ist, zeigt u. a. die „ idée fixe“, nämlich der Besitz „seiner >>Insel<<“[63]. Ein Realist hätte wohl kaum all diese Umstände in Kauf genommen, um mit allen Mitteln zu einem solch absurden Ziel zu gelangen.

Sancho vereinigt positive und negative Eigenschaften in sich. „Este inverosímil escudero se presenta como defensor de la paz y del sosiego, pero también de su propia comodidad y de una cómica aurea mediocritas[64].

1.3.1 Idee und Name Sanchos

Die Idee zur Figur Sanchos könnte Cervantes im zeitgenössischen Theater erhalten haben, „en las comedias y pasos del siglo XVI [...] donde el bodo y el gracioso se repartían las chanzas grotescas y el contraste paródico [...]”[65].

Der zeitgenössische Leser wird bei der ersten Begegnung mit dem Namen eine eigene Assoziation haben, da der Name ‚Sancho’ bereits seit dem Mittelalter sprichwortartig gebräuchlich wird. „Allá va Sancho con su rocino“[66]. Außerdem handelt es sich bei dem Wort ‚Panza’ um einen sprechenden Namen, welcher ‚Bauch’, ‚Wanst’ bedeutet und der auf das Äußere Sanchos rekurriert.

1.3.2 Herkunft und Abstammung

Sancho stammt aus einer christlichen Bauernfamilie mit alter Tradition und ‚linaje’, auf die Sancho sehr stolz ist, wie der Leser im zweiten Teil sechs Mal[67] (II, 7, 40, 45, 50, 53, 58) erfährt und die für seinen Charakter verantwortlich ist: „Los Panza son, en fin, raíz del carácter de Sancho y garantía de fidelidad, honradez y limpieza de sangre“[68]. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, heiratet eine Frau namens Teresa aus der gleichen Schicht, ist Vater zweier Kinder und fühlt sich am wohlsten im Kreise seiner Familie. Schon bald nach dem gemeinsamen Aufbruch zur zweiten Ausfahrt fehlt ihm seine Familie, dennoch folgt er seinem Herrn Quijote bis zu dessen Tod am Ende treu. Die Motive für dieses Verhalten sind vielfältig. So wird auf die materialistische Seite Sanchos hingewiesen[69], auf seinen Traum vom schnellen Wohlstand und finanzieller Unabhängigkeit für sich und seine Familie. Aveleyra nennt neben dieser einfachen Erklärung noch einen weiteren wichtigen Grund für die Dienstbereitschaft Sanchos[70]: Quijotes Einfluss auf den Nachbarn: „[…] el indudable ascendiente que Alonso Quijano el Bueno – y añadiré el sabio – tuvo que haber ejercido sobre su vecino“[71].

1.3.3 Der Einfluss Sanchos auf den Verlauf der Handlung

In Sancho vereinigen sich zwei Motive, die für den Fortgang der Handlung entscheidend sind, „el motivo de gobernador […] y el motivo del retorno“[72], die Hatzfeld als „motivos acompañantes [y] dinámicos“[73] einstuft. Die genannten Motive erhalten im Laufe des Romans immer mehr Bedeutung. Letztendlich sind sie nicht mehr nur begleitend, sondern beeinflussen entschieden die Handlung. Der Handlungsstrang ist ursprünglich auf die Realisierung der Träume Quijotes von der Verwirklichung der wahren Ritterschaft gerichtet. Bald wird klar, dass Cervantes neben diesen unbeweglichen und nicht erfüllbaren Handlungsmotiven aktive und dynamische Motive, die von Sancho Panza, zum Tragen lassen kommen muss, um eine Weiterentwicklung der Handlung zu ermöglichen.

Fernández Álvarez geht in der Einschätzung der Person Sanchos noch weiter und macht ihn zur eigentlichen Hauptfigur der Romans. „Las locuras del hidalgo rural podía haberlas oído relatar, pero la inserción de Sancho Panza era obra de su [Cervantes] propia inspiración. [...] no era Don Quijote el ente de ficción, sino Sancho Panza”[74]. Im Prolog des Romans findet sich eine Bestätigung dieser Einschätzung. So heißt es dort, dass der Erzähler für die Geschichte Quijotes keinen Dank erwartet, „pero quiero que me agradezcas el conocimiento que tendrás del famoso Sancho Panza, su escudero, en quien, a mi parecer, te doy cifradas todas las gracias escuderiles que en la caterva de los libros vanos de caballerías están esparcidas”[75].

1.3.4 El escudero

Don Quijote braucht als Ritter – neben der Rüstung, dem Namen, der Minnedame etc. - natürlich auch einen Knappen, da dieser auch im Amadís de Gaula gefordert wird („el Amadís de Gaula lo exigía“[76] ) und es scheint fast so, als hätte er diesen anfangs vergessen. Im Kapitel I,4 trifft er den Vorsatz, das Versäumte so schnell wie möglich nachzuholen und er hat auch schon eine Vorstellung davon, wer diesen Dienst verrichten soll, „[…] determinó de volver a su casa y acomodarse de todo, y de un escudero, haciendo cuenta de recibir a un labrador vecino suyo que era pobre y con hijos […]“[77]. Mit diesen Eigenschaften wurde man in vorherigen Ritterbüchern allerdings kein Schildknappe. So heißt es im Tesoro de Sebastián de Covarrubias, dass der Knappe jung und adelig sein müsse[78]. Beides ist Sancho nicht. Aber er besitzt einen Esel, dem er, laut Weinrich, seine Existenz verdankt[79].

Sancho hat einige berühmte Vorgänger, so zum Beispiel Ribaldo aus El caballero Cífra, Hipólito aus Tirant lo Blanc oder Mordaqueo aus Florisel de Niquea. Quijote benutzt Gandalín aus Amadís de Gaula, um Sancho zu erklären, wie er sich zu verhalten hat, „[él] siempre hablaba a su señor con la gorra en la mano, inclinada la cabeza y doblado el cuerpo, more turquesco[80]. Sancho weiß von diesen Verhaltensweisen natürlich wenig und ihn interessiert ausschließlich, wie hoch das Gehalt der Schildknappen war („cuánto ganaba un escudero“[81] ), doch will er sich bemühen, sich in Zukunft standesgemäß zu verhalten.

Von Beginn der zweiten Ausfahrt an befindet sich Sancho in seiner Rolle als Schildknappe fast immer in der Nähe seines Herrn Don Quijote. Während der ersten Abenteuer leidet er sehr unter seiner neuen Aufgabe, denn er hat absolut keine Vorstellung von dem Dienst, den er von nun an erfüllen soll, da er nie Ritterbücher gelesen hat bzw. lesen konnte, denn er ist Analphabet: „[…] no sé la primera letra del abecé!“[82]. Da er sein Dorf wahrscheinlich nie verlassen hat, kennt er sich in der Fremde nicht aus, er spricht von Heimweh und denkt darüber nach, wieder nach Hause zurückzukehren.

Er behauptet von sich selbst friedlebend zu sein: „[…] soy pacífico y enemigo de meterme en ruidos ni pendencias“[83]. Diese Einstellung zeigt, dass er sich zu Beginn nicht mit den Aufgaben eines Schildknappen identifiziert. Der einzige Grund, um bei Quijote zu bleiben, ist der, einen lukrativen Gewinn aus der Tätigkeit zu erzielen. Im Laufe der Zeit, in der sich die beiden Protagonisten langsam und stetig besser kennen lernen, verändert sich jedoch die Einstellung Sanchos. Vom treuen Diener über einen ausgezeichneten Schildknappen - „Sancho Panza es uno de los más graciosos escuderos“[84] - entwickelt sich Sancho auch zu einem guten Freund Quijotes. Seine Loyalität und Freundschaft geht so weit, dass er sich mit Quijote sogar zusammen einsperren lassen würde: „a ley de buen y leal escudero de encerrarme juntamente con vuestra merced“[85]. Er ist so zufrieden mit seiner neuen Aufgabe, dass er bei seiner ersten Heimkehr zu seiner Frau sagt: „no hay cosa más gustosa en el mundo que ser un hombre honrado escudero de un caballero andante buscador de aventuras“[86].

1.3.5 Selbsteinschätzung Sanchos

Sancho reflektiert in einer erstaunlichen Art über sich selbst und seine Situation. Er beweist immer wieder, dass er nicht der dumme, ungebildete Bauer ist, für den er oft gehalten wird. Er zeigt im Gegenteil, dass er es versteht, sich den verschiedenen Gegebenheiten anzupassen. Sein Verhalten zeugt von einer hohen emotionalen und sozialen Kompetenz. Er schätzt sich selber als „simple gracioso“ ein. Sein Hauptaugenmerk gilt der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse. Dennoch hat er seinen eigene Ehrauffassung und will weder Säufer noch Fresser genannt werden[87], so wie es in der Fortsetzung von Avellaneda der Fall ist. Er selbst nennt sich an einigen Stellen „tonto“[88], doch erscheint es so, als ob er mit dieser Dummheit kokettieren würde. So liegt in seiner ‚Dummheit’ ein Grund dafür, dass er bei Quijote bleibt: „[…] que si yo fuera discreto, días ha que había de haber dejando a mi amo[89] “ und ihm treu, ihm gegenüber loyal ist: „ […] he comido su pan, quiérole bien, es agradecido, diome sus pollinos y, sobre todo, yo soy fiel“[90].

Sancho erkennt seine Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg und zur gesellschaftlichen Anerkennung, indem er sich an Quijote hält: „<<júntate a los buenos, y serás uno dellos>>“[91]. Sein Ziel ist es, wie ein zweiter Quijote zu werden: „he de ser otro como él“[92].

Er verfügt über eine gute Beobachtungsgabe. Er beweist, anders als Quijote, dass er das falsche Spiel am Hof ganz genau durchschaut hat: „¡Menos cortesía; menos mudas, señora dueña – dijo Sancho - ; que por Dios que traéis las manos oliendo a vinagrillo!“[93].

Sancho weiß um seinen Einfluss auf den Fortbestand der Rolle Quijotes als ‚caballero andante’. Oft wird er vom cholerischen Quijote äußerst schlecht behandelt. Diese Ausbrüche führen Sancho dazu, die Welt Quijotes zu durchschauen und sie letztlich für sich zu nutzen. „En determinados momentos don Quijote se enfada fuertemente con Sancho, gritándole e insultándole sin piedad. Estos enfados se producen siempre que Sancho cuestiona el mundo imaginario de los caballeros en el que vive don Quijote”[94].

Wie oben gezeigt nennt Quijote Sancho oft Sohn und behandelt ihn auch so, Sancho weist dieses Verhalten allerdings zurück und bewahrt sich so seine Unabhängigkeit: „si los escuderos fuéramos hijos de los caballeros a quien servimos, o parientes suyos muy cercanos, no fuera mucho que nos alcanzara la pena de sus culpas hasta la cuarta generación; pero ¿qué tienen que ver los Panzas con los Quijotes?”[95].

1.3.6 Fremdeinschätzung

Im ersten Teil des Romans überwiegen die Attribute „Gefräßigkeit“ und „Furcht“, „Gewitztheit“ und „Treue“. Quijote nennt ihn „cobarde“[96] und tatsächlich fasst Sancho neuen Mut, als er entdeckt, dass sein Mundvorrat gerettet ist[97]. Der Babier bezeichnet ihn als „ladrón“[98], wogegen dieser sich aber heftig zur Wehr setzt und sich auf die Rechte der Ritter beruft. Der Erzähler stuft ihn als „mederoso y de poco ánimo“[99] ein und unterstellt ihm „gran flema y disimulación“[100]. Der Leser erfährt, dass er in der Fortsetzung von Avallaneda als „comedor, y simple, y no nada gracioso“[101] bezeichnet wird. Sancho ist aber großmütig genug, um ihm diese Charakterisierung zu verzeihen, so wie er sicherlich auch Savj-Lopez (s.o.) und anderen Rezensenten ihre häufig zu einfachen Charakterskizzen verzeihen würde.

Auch Quijote rügt ihn häufig wegen seiner Ängstlichkeit und Dummheit, allerdings erkennt er im Verlauf der Handlung, dass vieles von dem, was Sancho tut, auch scharfsinnig ist: „tiene a veces unas simplicidades tan agudas, que el pensar si es simple o agudo causa no pequeño contento“[102]. Im Kapitel II, 43 macht Quijote Sancho ein so großes Kompliment, dass deutlich wird, in welchem Maße Quijote ihn schätzt und seine Fähigkeiten anerkennt: „buen natural tienes, sin el cual no hay ciencia que valga“[103].

1.3.7 Die Veränderung Sanchos

Am Anfang erscheint Sancho als „das plebejische Kontrastbild des Ritters, sein Schatten auf niedrigem Niveau und zugleich seine Parodie“[104]. Besonders im zweiten Band erlebt der Leser einen stark veränderten Sancho. Er rückt viel weiter in den Mittelpunkt und tritt in eine Art Konkurrenz zu Quijote. An den Stellen, an denen Sanchos Konturen deutlicher hervorgehoben werden, treten die von Quijote immer mehr zurück, bis es schließlich so scheint, als ob Sancho die Nachfolgerschaft Quijotes angetreten hat und in ihm aufgeht. „Las apostillas sobre la instrucción y la complejidad de Sancho, que Cervantes va diseminando en la obra, generan en el lector la sensación de una mudanza en el carácter del personaje, que se acrecienta en la segunda parte”[105]. Sanchos Stimme erhält immer mehr Gewicht. „Su voz se oye, al menos, tanto como la de su amo”[106]. Diese Veränderung ist so nachhaltig, dass sich der zu dem Protagonisten kritisch eingestellte Erzähler einschaltet und in Frage stellt, ob bei dem Dargestellten richtig „übersetzt“ worden sei: „[…] porque en él [quinto capítulo] habla Sancho Panza con otro estilo del que se podía prometer de su corto ingenio, y dice cosas tan sutiles, que no tiene por posible que él las supiese”[107].

Die Höhepunkte sowohl in der Entwicklung Sanchos als auch generell des zweiten Teils sind der „Himmelsritt” Sanchos (II, 41) und die Statthalterschaft (II, 44-53). Gleich zu Beginn seiner Amtszeit muss Sancho als Richter in einem Rechtsstreit entscheiden und der Leser ist überrascht, mit welcher Klugheit Sancho zu handeln versteht. „Pero es la hora de la verdad, […] sale a la luz el Sancho honrado [...]”[108], die ‚Flegeljahre’ scheinen beendet zu sein und ein ‚gereifter’ Sancho tritt zum Vorschein. Dieser Entwicklung stellt Cervantes ein wichtiges Ereignis voran, den „Himmelsritt“, der entscheidenden Einfluss auf die nachfolgenden Ereignisse hat.

2. Sancho Panza als Nachfolger Don Quijotes

Im ersten Teil dieser Arbeit wurde gezeigt, welche Bedeutung Sancho in Bezug auf den Fortgang der Handlung besitzt. Fernández Álvarez weist darauf hin, inwieweit Sancho der Stolz des Cervantes ist und inwieweit er für den enormen Erfolg des Buches verantwortlich ist: „La [historia] de Don Quijote era una historia que otro cualquiera (peor o mejor; cierto, más bien peor) podía haber dado, como personaje cierto, que había existado; pero no la de Sancho. [...] Sancho Panza era un puro ente de ficción, era una pura invención de Cervantes. [...] Y ahí radicaba, en parte, el orgullo de Cervantes“[109]. Wie wichtig dem Erzähler Sancho ist, zeigt der Vergleich zwischen ihm -„hijo de mis entrañas“[110] - und Quijote, seinem „hijo seco“[111]. Die Wichtigkeit Sanchos wird auch im folgenden Zitat deutlich: „„La más discreta figura de la comedia es la del bodo, porque no lo ha de ser el que quiere dar a entender que es simple”[112]. Quijote zählt immer mehr auf Sancho: „A ti, Sancho, toca, si quieres tomar la venganza“[113], um seine Angelegenheiten zu regeln. Er wird im Laufe ihrer Beziehung immer abhängiger von seinem ‚Sohn’. Diese Abhängigkeit geht so weit, dass er sich in Sanchos Abwesenheit über Stiefel von ihm freut, die er am nächsten Tag tragen will, um seine Melancholie zu vertreiben und das Gefühl des Verlusts zu verringern: „Pero consolóse con ver que Sancho le había dejado unas botas de camino, que pensó ponerse otro día”[114].

Sancho werden immer mehr Eigenschaften Quijotes übertragen, so wird er zum Beispiel im zweiten Teil oft als zornig und cholerisch beschrieben[115], eine Eigenschaft, die dem gutmütigen Sancho aus dem ersten Teil fast unbekannt war. Dass er seine Schlüsselposition erkannt hat, wird spätestens in Kapitel II, 32 deutlich, dort bekennt Sancho: „y he de ser otro como él”[116].

Das Schicksal Sanchos hängt unmittelbar mit dem Schicksal Quijotes zusammen; und beide wissen, dass sie voneinander abhängig sind: „pero ésta fue mi suerte, y ésta mi malandanza“[117]. „Y así, es imposible que nos pueda apartar otro suceso que el de la pala y azadón”[118].

Sanchos Anstrengungen, die Nachfolge Quijotes anzutreten, erfüllen sich offensichtlich im Kapitel II, 73, denn dort werden beim Einzug in das heimatliche Dorf die Überlegenheit Sanchos und das Scheitern – oder der langsame Verfall- Quijotes dargestellt. Sancho zieht mt seinem geliebten Esel in das Heimatdorf wie ein Sieger ein: „Venid, mochachos, y veréis el asno de Sancho Panza más galán que Mingo, y la bestia de don Quijote más flaca hoy que el premier día“[119]. Beim gemeinsamen ersten Ausritt verließen sie ihr Dorf, ohne bemerkt zu werden.

Auch Gómez Canseco vertritt die Ansicht, dass Sancho zum Schluss der Überlegene ist, er ist derjenige, der die Nachfolge antritt und somit auch das Erbe übernimmt: „A la postre, terminará triunfando sobre su amo, que, al fin y cabo, muere y desaparece. Los Panza heredan la tierra y siguen su vida [...]”[120].

3. Schlussbetrachtung

In der Forschungsliteratur wird Sancho häufig als Beiwerk oder Nebenprodukt Quijotes bezeichnet. Sancho wird als ungebildete, wilde Person betrachtet, die erst durch die Zuwendung Quijotes zum Menschen wird. „Aún más importante […] es la educación de Sancho Panza, que completa la aureola de la pura humanidad de su amo, y que poco a poco alumbra en el cobarde, egoísta, vulgar y necio aldeano un servidor agradecido y un amigo, quien con conmovido afecto, sincero dolor y completo desprendimiento de sí mismo, aparece junto al lector de muerte de su amo y admira extasiado y compungido [...] la grandeza humana del moribundo”[121]. Andere Autoren erkennen Sancho zwar als Hauptperson an, allerdings als eine, die Quijote fortwährend unterlegen zu sein scheint. Sancho sei zwar neben Don Quijote Hauptperson, aber ohne die gravitas des Ritters[122].

Wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, ist Sancho weder das eine noch das andere. Cervantes hat seinen ‚Herzenssohn’ als die eigentlich treibende Figur des Romans angelegt, ohne die sein Buch nie so erfolgreich geworden wäre. Die enorme Entwicklung Sanchos ist einer der zentralen Punkte des Romans. Sancho verhält sich Quijote gegenüber wie ein Adept, ein Lehrjunge, der im zweiten Teil zum Gesellen wird, bis zu dem Moment, als er die gleiche Größe wie sein Herr erzielt hat, ja vielleicht über ihn hinauswächst und dies vom ‚Meister’ auch anerkennend akzeptiert wird. Sein ‚Himmelsritt’ erscheint wie die Meisterprüfung des Gesellen, der fortan dem Meister ebenbürtig ist, ihn von nun aber auch noch überflügeln kann.

An zwei Stellen des Romans werden Quijote und Sancho zu wahren Antipoden im eigentlichen Sinne des Wortes: der symbolträchtige Abstieg Quijotes in die Höhle des Montesinos[123] und Sanchos triumphaler Aufstieg in den Himmel[124]. Diese beiden Stellen beeinflussen die Beziehung der Protagonisten nachhaltig. Die Ablösung beziehungsweise Nachfolgerschaft wird in diesen Abschnitten der Handlung entschieden.

Mit Hilfe der beiden Protagonisten vermittelt Cervantes seine zentralen Botschaften der Gerechtigkeit, der Freiheit und der Toleranz.

Die voneinander abhängigen Begriffspaare Realismus und Idealismus, das Komische und das Tragische, das Witzige und das Wahre zeigt Cervantes als begrenzende Faktoren der menschlichen Existenz. Auf dem Hintergrund des Siglo de Oro stellt Cervantes seine Ideen mit Hilfe eines sich gegenseitig ergänzenden Paars dar, das voller Kontraste ist. Durch die polyphone Darstellung wird auf den Facettenreichtum des Lebens hingewiesen.

Auf Sancho fokussiert hat Cervantes mit dem Quijote einen Entwicklungsroman geschaffen. Innerhalb der Beziehung zu Quijote wächst Sancho über sich hinaus und kann seine angelegten Fähigkeiten entfalten. Gleichzeitig beeinflusst er damit die Einstellungen Quijotes. Toleranz, Freundschaft und gegenseitiges Aneinanderwachsen sind für Cervantes die treibende Kraft und Notwenigkeit für ein erfülltes Leben. Diese Werte vermittelt er bei der Schilderung der Beziehung des ungleichen Paars Sancho Panza und Don Quijote als Antipoden.

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

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Sekundärliteratur

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Brockmeier, Peter (1972): Lust und Herrschaft. Stuttgart: Metzler.

Dulex, Christine (1980): Begriffspaare als Strukturelemente: <<Carencia>> und <<Abundancia>> im Werk des Cervantes. Zürich: Juris Druck und Verlag Zürich

Fernández Álvarez, Manuel (2005): Cervantes visto por un historiador. Madrid: Espada

Gómez Canseco, Luis (2005): El Quijote, de Miguel de Cervantes. Madrid: Editorial Síntesis

Hartau, Johannes (1987): Don Quijote in der Kunst. Wandlungen einer Symbolfigur. Berlin: Gebr. Mann Verlag.

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Rey Hazas, Antonio (2005): Miguel de Cervantes. Literatura y vida. Madrid: Alianza Editorial.

Riquer, Matín de (2003): Para leer a Cervantes. Barcelona: Acantilado.

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Ergänzende Literatur

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Hatzfeld, Helmut (Hg.) (1968): Don Quijote. Forschung und Kritik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Lindau, Hans Christian (1995): Narraciones picarescas im Spanischunterricht. Bonn: Romanistischer Verlag.

Sainz, Fernando (1951): “Don Quijote educador de Sancho”, in: Hispania, 34, 363-365.

Sckommodau, Hans (1964): “Insula: zu einem Abenteuer Sancho Panzas”, in: Die Neueren Sprachen, 13, S. 512-525.

Strosetzki, Christoph (21996): „Der Roman im Siglo de Oro“, in: Strosetzki, Christoph: Geschichte der spanischen Literatur. Tübingen: Niemeyer, S.84-118.

[...]


[1] II, 68, S. 554. Alle Zitate der Primärliteratur beziehen sich auf die Ausgabe von clásicos castalia.

[2] Vergleiche hierzu auch: Rey Hazas (2005:138).

[3] Hatzfeld (1966:4).

[4] Rauhut (1971:207).

[5] Fernández Álvarez (2005:364).

[6] Brockmeier (1972:84, 85).

[7] Gómez Canseco (2005:88).

[8] Gómez Canseco (2005:95).

[9] Gómez Canseco (2005:95).

[10] zitiert nach Dulex (1980:11).

[11] Rey Hazas (2005:152).

[12] Rey Hazas (2005:147).

[13] Fernández Álvarez (2005:370).

[14] Rey Hazas (2005:146).

[15] Rey Hazas (2005:146).

[16] Hatzfeld (1966:82).

[17] Hatzfeld (1966:83).

[18] Vergleiche die Werke Michail Bachtins, zum Beispiel „Literatur und Karneval“ (München, 1969) oder „Untersuchungen zur Poetik und Theorie des Romans“ (Berlin, 1989).

[19] Gómez Canseco (2005:95).

[20] I, 1, S. 71.

[21] II, 10, S. 103-104.

[22] Prólogo, S. 50.

[23] Prólogo, S. 50.

[24] Hatzfeld (1966:8).

[25] II, 9, S. 101.

[26] Sánchez (2003:85).

[27] Hatzfeld (1966:19).

[28] Hatzfeld (1966:19).

[29] Hatzfeld (1966:20).

[30] I, 20, S. 238.

[31] II, 32, S. 283.

[32] Gómez Canseco (2005:84).

[33] I, 25, S. 315.

[34] Gómez Canseco (2005:84).

[35] I, 18, S. 225.

[36] II, 42, S. 358.

[37] Prólogo, S. 50.

[38] Riquer, Martín de (2003:318).

[39] II, 59, S.489.

[40] II, 66, S. 546.

[41] II, 33, S. 297.

[42] Weinrich (1956:10).

[43] I, 44, S. 539.

[44] II, 29, S. 265.

[45] II, 32, S. 293.

[46] II, 66, S. 541.

[47] Zum Beispiel: I, 44, S. 539, II, 69, S. 561.

[48] II, 69, S. 561.

[49] II, 11, S. 120.

[50] II, 68, S. 552.

[51] II, 30, S. 272.

[52] II, 42-44, S. 355-375.

[53] Fernández Álvarez (2005:505).

[54] II, 44, S. 371.

[55] II, 23, S. 219.

[56] II, 23, S.221.

[57] II, 24, S. 223, 224.

[58] II, 41, S. 355.

[59] Fernández Álvarez (2005:339).

[60] I, 7, S. 125.

[61] Gómez Canseco (2005:90).

[62] Sánchez (2003:85).

[63] Brockmeier (1972:85).

[64] Gómez Canseco (2005:91).

[65] Gómez Canseco (2005:89).

[66] Murillo in Cervantes (1978:125).

[67] Gómez Canseco (2005:90).

[68] Gómez Canseco (2005:91).

[69] Vgl.: Oelschläger (1952:20). Brantley (1970:38). Tharpe (1961:248).

[70] Aveleyra (1973:3).

[71] Aveleyra (1973:3).

[72] Hatzfeld (1966:19).

[73] Hatzfeld (1966:20).

[74] Fernández Álvarez (2005:359).

[75] Prólogo, S. 58.

[76] Gómez Canseco (2005:88).

[77] I,4, S. 94.

[78] vergleiche Gómez Canseco (2005:88).

[79] Weinrich (1956:41).

[80] I, 20, S. 250.

[81] I, 20, S. 251.

[82] I, 26 S.325.

[83] I, 8 S. 133.

[84] II, 32, S. 293.

[85] I, 49, S.576.

[86] I, 52, S. 603.

[87] II, 59, S. 489.

[88] II, 73, S. 582.

[89] II, 33, S. 298.

[90] II, 33, S. 298.

[91] II, 32, S. 284.

[92] II, 32, S. 284.

[93] II, 69, S. 561.

[94] Abilleira (2004: 93).

[95] II, 68, S. 554.

[96] I, 23, S. 277.

[97] I, 23, S. 278.

[98] I, 44, S. 538.

[99] I, 20, S. 237.

[100] II, 17, S. 159.

[101] II, 59, S. 487.

[102] II, 32, S. 293.

[103] II, 43, S. 365.

[104] Rüegg (1949:220).

[105] Gómez Canseco (2005:93).

[106] Gómez Canseco (2005:93).

[107] II, 5, S. 73.

[108] Gómez Canseco (2005:92).

[109] Fernández Álvarez (2005:381).

[110] II, 69, S. 561.

[111] Prólogo, S. 50.

[112] II, 3, S. 64.

[113] II, 11, S. 119, 120.

[114] II, 44, S. 371.

[115] Zum Beispiel: II, 32, II, 69.

[116] II, 32, S. 284.

[117] II, 33, S. 298.

[118] II, 33, S. 298.

[119] II, 73, S. 582.

[120] Gómez Canseco (2005:94).

[121] Hatzfeld (1966:3,4).

[122] Weinrich (1956:107).

[123] II, 22, 23.

[124] II, 41.

Final del extracto de 22 páginas

Detalles

Título
Don Quijote und Sancho Panza als Antipoden
Universidad
University of Duisburg-Essen
Curso
Miguel de Cervantes: Don Quijote
Calificación
1,7
Autor
Año
2005
Páginas
22
No. de catálogo
V109725
ISBN (Ebook)
9783640079032
Tamaño de fichero
401 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Quijote, Sancho, Panza, Antipoden, Miguel, Cervantes, Quijote
Citar trabajo
Susanne Rimat (Autor), 2005, Don Quijote und Sancho Panza als Antipoden, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109725

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