Humanitäre Intervention am Beispiel des Kosovo-Konfliktes - Gerechter Krieg oder Krieg Für die Gerechtigkeit?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2003

15 Pages, Note: Sehr gut


Extrait


INHALTSVERZEICHNIS

1.Einleitung

2.Der Gerechter Krieg oder die bellum iustum Doktrin

3.Humanitäre Intervention
3.1 Wer wann und durch wenn darf oder soll eine humanitäre Intervention durchgeführt werden?

4.Menschenrechte und Staatenrechte
4.1 NATO-Intervention im Kosovo-Konflikt

5.Schlussbemerkung

6.Literatur-und Quellenangabe

Einleitung

Es wurden in Bezug auf diesen Krieg viele Fragen gestellt und viele politische Diskussionen geführt. Insgesamt erlangte dieser Konflikt sowohl in den Medien als auch in der sozialwissenschaftlichen Diskussion eine sehr große Bedeutung. Seitdem ist der Kosovo kein unbekannter Fleck Europas mehr.

Die Intervention, meine Meinung nach; war es auch ein moralischer Appell an das europäisches Publikum, die die Kriege im ehemaligen Jugoslawien nur aus dem Fernseher folgten? Oder war es eigentlich ein Angst um eigene Sicherheitslage, etwa um Flüchtlingsströmungen vor Ort zu rehabilitieren?

Ich persönlich, als betroffene habe mit Bedauern beobachtet das Gewissen und Humanität mancher „Intellektuellen“ die aufgrund ihrer quasi Prinzipien(oft marxistische) gegen eine Intervention (oder für die Betroffene Rettungsaktion) waren.

NATO Ziele waren moralisch makellos - jedenfalls, wenn man sie für sich betrachtet und hinter den ausdrücklichen Begründungen keine versteckten Absichten vermutet. Faktisch dürften einer Entscheidung zum Kriegseintritt stets gemischte Motive zugrundeliegend. Zum einen aber haben wir keinen Grund, immer die Rolle moralischer Beweggründe von vorneherein herunterzuspielen.

Wer einen anderen der Unaufrichtigkeit bezichtigt, trägt dafür die Beweislast, und im Fall des Kosovo lagen die klassisch machtpolitischen Motive nicht eben auf der Hand.

Das erklärte Ziel des Westens war die Erhaltung eines multiethnischen Kosovo, das gleichwohl weiterhin der jugoslawischen Souveränität unterstehen sollte(siehe UN-Resolution 1244).

Der Vertragsentwurf von Rambouillet sah eine Wiederherstellung der Autonomie des Kosovo vor. Im Gegenzug sollten der serbischen Minderheit großzügige Vertretungsrechte eingeräumt werden.

Dieser Teil des vorgesehenen Abkommens war augenscheinlich fair: Er dokumentierte die Ablehnung 'ethnischer Säuberungen' als Mittel des nation-bildung, ohne deshalb dem albanischen Drängen nach neuen Staatsgrenzen nachzugeben.

Die Präsenz einer robusten internationalen Streitmacht schien nach allen Erfahrungen mit den vielen Vertragsbrüchen und der Brutalität der serbischen Seite unverzichtbar zu sein. Die ethnischen Albaner wären andernfalls der Willkür serbischer 'Sicherheitskräfte' ausgeliefert gewesen. Der OSZE hatte das nicht verhindern können wie das Massaker an Dorf Recak (südöstlich der Hauptstadt Prishtina) am bestens zeigte.

Der militärischen Implementierung eines solchen Schutzes jedoch hat sich die serbische Delegation pauschal widersetzt. Das berüchtigte Annex B, das der NATO eine gewisse Bewegungsfreiheit innerhalb Serbiens zusichern sollte, spielte bei dieser Ablehnung keine besondere Rolle. Vielmehr sah Serbien in der Stationierung fremder Truppen als solcher eine unzumutbare Einschränkung seiner Souveränität. Auf das Recht zur freien Regelung seiner „inneren Angelegenheiten“ konnte es sich dabei allerdings nicht berufen. Wenn ein Staat seine Souveränität dazu missbraucht, eine Minderheit zu drangsalieren, faktisch auszubürgern und mit Völkermord zu bedrohen, darf er sich über die Forderung nach der Stationierung fremder Truppen nicht beschweren!

Als Völkermord gelten alle gegen die Mitglieder einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe gerichteten Handlungen, die in der Absicht begangen werden, die Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

-Tötung von Mitgliedern der Gruppe,

-Verursachung von schweren körperlichen oder seelischen Schäden an Mitgliedern der Gruppe,

-vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen,

-Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhütung innerhalb der Gruppe gerichtet sind,

-gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Bereits das serbische Verhalten vor Beginn der Luftangriffe dürfte zumindest einige dieser Tatbestände erfüllt haben. Die Verbrechen im Kosovo waren keine „innere Angelegenheit“ des jugoslawischen Staates. Der Internationale Gerichtshof hat entschieden, dass durch Völkermord ein Rechtsgut verletzt wird, an dessen Schutz alle Staaten ein rechtliches Interesse haben.

Damit aber war ein guter Teil der serbischen Polemik gegen das angeblich unannehmbare 'Diktat' von Rambouillet von vorneherein hinfällig. Die Aufforderung zur Verhinderung dieses Verbrechens ergeht daher erga omnes, an alle Staaten. Über die zulässigen Zwangsmittel allerdings schweigt sich die herrschende Meinung im Völkerrecht aus. Umstritten ist vor allem, ob sich Androhung und Gebrauch militärischer Gewalt legitimieren lassen.

2.Der gerechter Krieg oder die bellum-iustum-Doktrin.

Gerechter Krieg (lat.bellum iustum), eine auf römische Wurzeln (Cicero) zuruckgehende, von Augustinus und Thomas von Aquin wirkungsmächtig weiterentwickelte und von der spätscholastischen Theologie verfeinerte, in die völkerrechtliche Diskussion ausstrahlende und bis heute maßgebliche ethische Theorie, die Prinzipien für die normative Beurteilung zwischenstaatlicher Gewaltanwendung enthält.

Unterscheiden wird dabei zwischen den recht zum Krieg (ius ad bellum) und dem recht im Kriege(ius in bello) Im ius ad bellum sind vor allem drei Prinzipien entscheidend:

- die Anordnung des Krieges
- das Bestehen eines gerechten Grundes
- die Führung des Krieges mit der rechten, auf die Friedensordnung geführten Absichten.

Wichtigste Prinzipien im ius in bello sind die Verhältnismäßigkeit der Mittel und die Immunität der Nichtkombattanten.[1]

Um Walzer zu paraphrasieren, der Hauptproblem der moralischen Wirklichkeit des Krieges ist eben diese Dualismus des „Jus ad bellum“ und des „ Jus in bello“.

Sieht man genauer auf die Inhalte, dann wird ein distanzierteres Urteil der bellum-iustum Doktrin, vielleicht eher eine fundamentale Ambivalenz bescheinigen. Wie der Professor Bader schon angedeutet hatte, der Begriff gerechter Krieg ist irreführend. Und der Krieg in sich selbst als solche ist moralisch ambivalente Kategorie.

Völkerrechtlich hat das allgemeine Gewaltverbot der UN-Charta das ius ad bellum souveräner Staaten aufgehoben und „ein überpositives Selbstverteidigungsrecht zwar eingeräumt, aber auf ein befristetes subsidiäres Notrecht unter der Prärogative des Sicherheitsrates zurückgedrängt (Art. 51 UN-Charta).“[2]

Die »gerechten Gründe« etwa ließen sich jetzt begrenzen auf das unverschuldete Attackiert werden eines Einzelstaates sowie auf massive und andauernde Menschenrechtsverletzungen.

Die »rechte Absicht« bestünde, dem Hauptzweck des UN-Systems gemäß, in der Wiederherstellung friedlicher Verkehrsverhältnisse und gesicherten Menschenrechts etc.

Der Krieg sei nach Augustinus „eine beklagenswerte Notwendigkeit, der die tiefe Rastlosigkeit und ursprüngliche Sehnsucht der Menschen nach Frieden widerspiegelt“[3].

Ein gerechter Krieg ist also nur als solcher zu identifizieren, wenn:

- Es sich um einen Defensivenkrieg handelt,
- Das Ziel des Krieges der Frieden ist,
- Wenn der Frieden nur mit Waffengewalt zu schaffen oder zu erhalten ist,
- Er darf sich nur gegen Unrecht richten,
- Er muss mit Mildegeführt werden,
- Gewalt hat sich nur gegen feindliche Soldaten zu richten,
- Er darf nur von einer „maßgeblichen Autorität“ angeordnet werden[4]

Wenn der Krieg ein Zustand wobei zwei oder mehrere Gruppen mit bewaffneter Mittel und Gewalt Handeln, allgemein zu definieren is. Was wird mit der Kategorien wie Selbstverteidigung oder Aggression. So der Walzer aus seiner realpolitischen Hinsicht meint, daß Ausschließlich die Aggression kann der Krieg rechtfertigen. Und in diesem Zusammenhang bringt er einen Zitat :

„Der einzige und allein feststehende gerechte Grund, einen Krieg zu führen, ist das erlittene Unrecht“[5]

3. Humanitäre Intervention.

Was ist eine humanitäre Intervention? Oder was ist Intervention und/oder was ist humanitär dabei?

„Kein Staat kann zugeben, dass er einen aggressiven Krieg führt, und dann seine Handlungsweise verteidigen. Den begriff >Intervention < verstehen wir jedoch anders; er wird nicht als kriminelle Handlung definiert, und obwohl die Praxis der Unabhängigkeit der Staaten, die das Opfer einer Invasion sind, bedroht, ist es manchmal möglich, sie zu rechtfertigen. Wichtiger ist aber, gleich zu Anfang zu betonen, dass eine Rechtfertigung immer erforderlich ist“[6]

Eine Intervention im allerweitesten Sinne ist nichts anderes als Handlung oder Handlungen, mit denen der Akteur oder die Akteuren in den Lauf der Dinge, Situationen eingreifen will, um in diesem Lauf Änderungen herbeizuführen oder zu verhindern.

Eine Intervention im engeren Sinne des Wortes ist ein Eingriff in die Belange eines anderen Staates gegen den Willen wenigstens eines erheblichen Teils der Bevölkerung oder der Regierung dieses Staates. Mit der Humanitären Intervention versteht man militärische Eingreifen von Staaten oder Internationale Organisationen in einen bewaffneten Konflikt in einem anderen Staat zur Durchsetzung des Schutzes von Menschenleben.[7]

Humanitäre Interventionen im weitesten und einfachsten Sinne des Wortes, sind Aktionen mit Humanitären Zielen. Sicherlich kann man die Frage stellen; was sind die Humanitären Ziele überhaupt?

Humanitär ist die Intervention, wenn ihr Zweck die Verhütung schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen ist und die Verbrechen vom angegriffenen Staat oder von Gruppen innerhalb dieses Staates an Bürgern oder Machtunterworfenen desselben Staates verübt werden. Oder wie es Philosophie Professor Meggle formulierte:

„Jede moralische Beurteilung von Humanitären Interventionen hängt wesentlich daran, ob mindestens diese generellen Nothilfe-Auflagen beachtet sind. Damit eine Humanitäre Intervention rechtfertigbar ist, muss nicht nur das Kriterium des ius ad bellum erfüllt, bei dieser Art von Krieg also die entsprechende Notlage als Interventionsgrund tatsächlich gegeben sein; es müssen auch die Kriterien für die Rechtfertigbarkeit der speziellen Ausführung der Nothilfe erfüllt sein.“[8]

Sie wendet sich gegen die völlige Entrechtung, Vertreibung, Misshandlung, Demütigung oder Ermordung einer erheblichen Zahl von Menschen unter dem Vorwand der Ausübung oder im Schatten des Versagens staatlicher Autorität.

Die Charta der Vereinten Nationen schützt die Souveränität und territoriale Integrität der Staaten im Namen des Friedens. Sie kennt nur zwei Ausnahmen vom Verbot der Kriegführung: das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung nach Artikel 51 und Gewaltmaßnahmen nach Kapitel VII: Stellt der Sicherheitsrat einen Bruch oder eine Bedrohung des Weltfriedens fest, so kann er den Einsatz von Gewalt autorisieren. Auch das Recht eines Staates auf Selbsthilfe besteht nur solange, wie der Sicherheitsrat einer zwischenstaatlichen Aggression nicht selbst entgegentritt.

Mögliche Friedensprobleme wurden zunächst allein in den Beziehungen zwischen den Staaten vermutet; innergesellschaftliche Gewalt fiel nicht in den Zuständigkeitsbereich von Kapitel VII. Das sicherte den Staaten eine fast unbeschränkte Handlungsfreiheit im Inneren und schien die von der UNO-Charta und vielen nachfolgenden Konventionen gleichfalls geforderte Durchsetzung der Menschenrechte von vorneherein zu vereiteln. Der einzelne blieb auf Gedeih und Verderb der Gewalt 'seines' Staates ausgeliefert oder konnte er zu fliehen versuchen(wie ich persönlich das getan habe)

Als Beginn einer möglichen Ära humanitärer Interventionen gilt gemeinhin die Resolution 688 vom 5. April 1991 zum Schutz der verfolgten Kurden im Norden des Irak. Diese Resolution argumentierte allerdings noch mit der internationalen Dimension eines Flüchtlingsproblems, das sich zur Bedrohung benachbarter Staaten auswachsen könne. Erst die Resolution 794 zu Somalia vom 3. Dezember 1992 identifizierte die schwerwiegende Verletzung von Menschenrechten direkt als "Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit". Dieser Interpretation ist der Sicherheitsrat auch in nachfolgenden Resolutionen zu Haiti, Ruanda und Bosnien gefolgt.

Wer, wann und durch Wenn darf oder soll eine humanitäre Intervention durchgeführt werden ?

Das ist zunächst eine sehr komplexe Frage, die wir auf moralisch-ethischen Ebene nicht ganz und nicht immer beantworten können. So wird eine Volks-, ethnische- oder Religiösengruppe von „ihrem“ Staat regelrecht diskriminiert bis umgebracht, werden ihre Angehörigen zu rechtslosen Fremden erklärt und zu Misshandlungen aller Art freigegeben, so spricht man rechtlich von interner Ausgrenzen, oder wie es im Falle Jugoslawiens schön geheißen hatte, von „innerer Angelegenheit“.

Wenn demnach die Staaten ein Recht zur kollektiven Selbstverteidigung haben, dann warum nicht diese Gruppen innerhalb von Staatsgrenzen. Bislang sieht die Charta der Vereinten Nationen eine solche Möglichkeit nur für den Fall einer internationalen Aggression vor:

Wird ein Staat von einem anderen Staat angegriffen, so dürfen ihm dritte Parteien militärisch zu Hilfe kommen. Eine Nothilfe im Namen der Verhütung von Völkermord oder anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit kennt das geschriebene Völkerrecht nicht. Daher ist verständlich wieso der NATO-Intervention gegen geschriebenes Völkerrecht verstoßen hat. Im allgemeinen wird es davon ausgehen, dass eine bewaffnete humanitäre Intervention nur im äußersten Notfall nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten des Einwirkens vorgenommen werden darf.

Im Sinne des Kapitels VII der Charta der Vereinten Nationen ist alleine der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen befugt, die entsprechenden Entscheidungen zu treffen. Der Sicherheitsrat sollte sich nach dem Willen der Charta zur Durchführung solcher Maßnahmen auf einen Generalstabsausschuss sowie auf Streitkräfte stützen können, die den Vereinten Nationen von den Mitgliedsländern zur Verfügung gestellt werden.

Diese Konzeption hat sich jedoch in der Praxis bisher als nicht durchführbar erwiesen, und der Sicherheitsrat ist in vielen Fällen, insbesondere aufgrund von Macht- oder Interessenkonflikten seiner ständigen Mitglieder, in seiner Entscheidungsfindung gelähmt gewesen. Wie etwa im Ruanda wobei die grauenhaften Ermordungen von Hunderttausender von Hutus und Tutsis hätte verhindern können. So ist die Entscheidung über humanitäre Interventionen und ihre Durchführung in den vielen Fällen nicht vom UN-Sicherheitsrat ausgegangen, sondern von einzelnen Mitgliedsstaaten bzw. von regionalen Organisationen. Auch wenn sie im strengen Sinne völkerrechtlich nicht gedeckt waren, so sind doch z.B. die humanitäre Interventionen von Indien in Ost-Pakistan(zur Beendigung des Völkermordes an den Bengalis), von Tansania in Uganda im Jahre 1979 (die den Schlächterein von Idi Amin ein Ende setzten) oder der westafrikanischen Staatengemeinschaft in Liberia als legitime humanitäre Interventionen angesehen worden. In vielen anderen Fällen, wie etwa im Golfkrieg, dem alliierten Eingreifen im Nordirak oder der NATO-Intervention im Kosovo-Konflikt, ist die Diskussion nach wie vor strittig.

Unstrittig ist, dass der NATO-Einsatz gegen geschriebenes Völkerrecht verstoßen hat und auch gewohnheitsrechtlich nicht unzweideutig gedeckt war. Man mag es als zusätzlichen schweren Rechtsverstoß ansehen, dass das Bündnis die Zustimmung des Sicherheitsrates nicht einmal gesucht hat. Allerdings musste man damit rechnen, dass Russland und China ihre Vetomacht dazu missbrauchen würden, einen Klientenstaat zu decken (Russland) bzw. eine humanitäre Beschränkung der Souveränität grundsätzlich zu verhindern (China).

In diesem Sinne formulierte auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan im kritischen Rückblick auf das Versagen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen im Ruanda Fall: "Denken Sie an Ruanda und stellen Sie sich für einen Augenblick vor, dass es in jenen dunklen Tagen und Stunden, die dem Genozid vorausgegangen sind, eine Koalition von Staaten gegeben hätte, die bereit und willens gewesen wären, zum Schutz der Tutsi-Bevölkerung zu handeln, während der Sicherheitsrat nicht bereit war oder zögerte, das grüne Licht zu geben. Hätte eine solche Koalition dann untätig zusehen sollen, während sich der Schrecken entfaltete?"

Es ist leider noch nicht, nicht nur völkerrechtlich bzw. politisch sondern auch moralisch klar wer befugt ist, darüber zu entscheiden, dass eine humanitäre Intervention mit militärischen Mitteln unumgänglich geworden ist, und wer wann oder wie die Verantwortung zur Durchführung übernehmen sollte.

In jedem Falle zeigen die genannten Beispiele, dass die Frage der legitimen Autorität zur Entscheidung und Durchführung einer bewaffneten humanitären Intervention dringend der weiteren Klärung bedarf.

4. Menschenrechte und Staatenrecht

Menschenrechte bezeichnen den Begriff vor- und überstaatlich geltende Rechte, die dem Menschen von Natur aus zustehen, unveräußerlich und untastbar sind.[9]

Das Prinzip der Menschenrechte durchstößt schon als solches den Souveränitätspanzer der Staaten. Nachdem der Sicherheitsrat zunächst zwei ad hoc -Tribunale für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien (in Den Haag) eingerichtet hatte, wurde im vergangenen Jahr in Rom die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes beschlossen. Im Lichte dieser Entwicklungen ist es nur folgerichtig, wenn der internationale Schutz der Menschenrechte mit schlagkräftigen Instrumenten versehen wird. Schon 1946 Rene Cassin, einer der Verfasser der Menschenrechtskonvention sagte:

„Wenn wiederholte oder systematische Verletzungen der Menschenrechte durch einen Staat auf seinem Gebiet zu einer Bedrohung des Weltfriedens führen(was nach 1933 beim Dritten Reich der Fall war), hat der Sicherheitsrat das Recht, zu intervenieren, und die Pflicht zu handeln“[10]

Das Konzept der Menschenrechte hat im Grunde genommen einen Interventionistischen Charakter: so gelten Menschenrechte auch innerhalb einer Familie, muss der Staat zum Beispiel gegen Vergewaltigung in der Ehe oder gegen die Misshandlung von Kindern durch ihre Eltern vorgehen.

Für die internationalen Beziehungen gilt analog, dass die Positivierung der Menschenrechte die möglichen Anlässe für Eingriffe in die inneren Belange von Staaten (die dann nicht mehr ohne weiteres deren innere Angelegenheiten sind) erheblich vermehrt.

Staaten sind moralisch gerechtfertigt nur insofern, als sie den vereinigten Willen ihrer Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck bringen. Diese Reihenfolge der Rechtfertigung verweist direkt auf den Grundsatz der Volkssouveränität. Alle Staaten, die die Charta der Vereinten Nationen anerkennen, erkennen zugleich die Menschenrechte in ihrer interkulturellen Gültigkeit an. Und sie bekräftigen diese Selbstverpflichtung mit der Ratifizierung der genannten Menschenrechtspakte. Die Schlussakte von Helsinki sagt ausdrücklich, dass für keinen Staat die Menschenrechte eine rein innere Angelegenheit sind. Spätestens seitdem ist für Menschenrechtsverletzungen das Argument der inneren Angelegenheiten außer Kraft gesetzt.

5. Nato-Intervention im Kosovo Konflikt

Der Konflikt zwischen Serben und Albanern im Kosovo geht ursächlich auf eine seit Ende der 1980er Jahre verfolgte, systematische serbische Diskriminierungspolitik gegenüber den Kosovo-Albanern zurück. Diese Volksgruppe stellt zu 90 Prozent der Bevölkerung der autonomen Provinz.

Im Zuge des Zerfalls jugoslawischen Bundesstaates verschärfte das von Slobodan Milosevic beherrschte Regierung die staatliche Diskriminierung der Kosovo-Albanern stetig, in bestimmten Gesellschaftsbereichen wurde sie geradezu in der Form eines Apartheidsystems institutionalisiert.

Die NATO-Mitgliedstaaten begründeten ihr Eingreifen mit dem moralisch unabweisbaren Hinweis auf das schwere Verbrechen der serbischen 'Sicherheitskräfte'. Weniger sicher schienen sie sich auf völkerrechtlichem Terrain zu sein daher sprachen sie weniger von einem Völkerrechtlichen bzw. rechtmäßigen als von einem "gerechten Krieg".

War diese Moralisierung unvermeidlich? Hat die NATO einen völkerrechtswidrigen (Angriffs) Krieg geführt, der allein noch den legitimatorischen Ausweg einer Berufung auf 'höhere' moralische Einsichten zuließ?

Die NATO-Staaten hatten ihre Intervention im wesentlichen als humanitäre Intervention begründet. Doch der kanadische Historiker und Philosoph Michael Ignatieff sieht weiter Gründe dafür, nämlich neben das Kriterium der Menschenverletzungen es müßte auch eine Bedrohung für den Weltfrieden und die Sicherheit der benachbarten Regionen darstellen und, daß die militärische Intervention eine gute Chance hat, diese Rechtsverletzungen tatsächlich zu beenden.„Die Intervention im Kosovo wurde mit diesen Gründen für eine gerechtfertigt: Einerseits wurden die Menschenrechtsverletzungen, anderseits nationale Interessen ins Feld geführt. Die von Kosovaren erlittenen Menschenrechtsverletzungen drohten Albanien, Mazedonien, Montenegro zu destabilisieren und stellten zugleich eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der Region dar“[11]

Der Gewaltgebrauch muss dem humanitären Auftrag des Militärs tatsächlich gerecht werden, und das bedeutet viererlei: Die Kriegführung muss erstens so direkt wie möglich den bedrohten und gequälten Menschen zugute kommen.

Sie muss zweitens das neue Leid, das jeder Krieg unweigerlich mit sich bringt, so weit wie möglich minimieren. Sie muss sich drittens durch eine 'positive' Gesamtbilanz auch rückwirkend legitimieren lassen: Im Lichte dieser Kriterien sind die intervenierenden Mächte viertens zu einer klugen Folgenkalkulation und zu einer jederzeitigen Überprüfung (der Auswirkungen) ihres Handelns verpflichtet. Widersinnig und moralisch verwerflich wäre eine humanitäre Intervention, die den potentiellen Opfern nicht diente, die eklatant gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht verstieße, die grausamer ausfiele als die Gewalt, gegen die sie sich wendete, und die auf einem folgenblinden Willen zur Tat oder auf vermeidbaren Fehleinschätzungen beruhte.

An der Erfüllung dieser Kriterien bemisst sich, ob eine 'humanitäre Intervention' ihren Namen wirklich verdient, ob sie nicht nur subjektiv, der Absicht nach, sondern objektiv eine humanitäre Intervention ist.

Man mag bezweifeln, ob ein High-Tech-Krieg aus der Luft das geeignete Mittel ist, um ein Massaker am Boden zu verhindern. Der direkteste Schutz der Kosovo-Albaner wäre offensichtlich durch einen Bodenkrieg viel besser erreichbar gewesen.

Wer aber hätte die damit verbundene Gefahr und das Risiko eines jahrelangen Kleinkrieges mit großen Verlusten auf sich nehmen wollen? Wer, vor allem, hätte den Menschen in den westlichen Gesellschaften den Kriegstod vielleicht tausender Soldaten bzw. Söhne zumuten mögen? Dieser Wunsch aber, eigene Opfer zu vermeiden, indem die NATO-Flugzeuge stets aus großen Höhen angriffen, haben sie eigene Verluste vermeiden können. Den Preis aber zahlten die Menschen, die von den fehlgesteuerten oder mit geringer Genauigkeit eingesetzten Waffen getroffen wurden.

Die gewiss nicht gewollten, aber doch billigend in Kauf genommenen "Kollateralschäden" summieren sich zu womöglich mehr als Hunderte Toten unter der Zivilbevölkerung. Walzer hat dieses Argument nicht auf humanitäre Interventionen beschränkt, aber offensichtlich erhält es durch die menschenrechtliche Rechtfertigung des Krieges ein zusätzliches Gewicht:

Wer behauptet, der Humanität zu dienen, darf nicht grundsätzlich das Leben der eigenen Soldaten über das der möglichen Angriffsopfer stellen. Die vielleicht komplizierteste Frage wird durch das dritte Kriterium, die Gesamtbilanz der Übel, aufgeworfen. Nachweislich hat die NATO ihr erklärtes Kriegsziel, die Vertreibungen, Morde und übrigen Gräueltaten zu stoppen, für die Dauer des Krieges verfehlt. Allerdings kann sie die Aktion rückwirkend rechtfertigen, indem sie auf die möglich gewordene Rückkehr der Vertriebenen hinweist. Wären die Flüchtlinge dauerhaft an der Heimkehr ins Kosovo gehindert worden, so hätten sie womöglich die gesamte Region destabilisiert. Vor allem aber ist das Recht der Albaner auf Rückkehr in ihre Heimat moralisch und juristisch unabweisbar.

Schlussbemerkung

Krieg für Menschenrechte - ist das nicht paradox? Beruhen nicht alle bisherigen Abwägungen auf einem fundamentalen Missverständnis?

Menschenrechte sind unveräußerliche Rechte, die Personen kraft ihres Menschseins zukommen. In ihrer unbedingten Beachtung liegt eine Minimalbedingung staatlicher Legitimität.

Eben dieser Logik aber scheint die NATO vielfach gefolgt zu sein. Eine solche einfache Gleichstellung bedeutete keine Rückkehr zur Doktrin eines "Gerechten Krieges". Das setzt allerdings voraus, dass die NATO ihren immerhin fragwürdigen Sieg nicht als Rechtfertigung für immer neue Selbstmandateierungen im Kampf um das Gute mißversteht.

Der gerade zu Darin kann man immerhin auch eine positive Lehre sehen. Mögen auch die Vereinten Nationen zunächst missachtet worden sein; mag auch die NATO sich zunächst die alleinige Kompetenz des Handelns und Entscheidens angemaßt haben: Am Ende kam auch sie um einen förmlichen Rückgriff aufs Recht nicht herum. Dieses Recht aber bedarf der menschenrechtlichen Verbesserung, so wie die NATO der Selbstbindung an seine Prinzipien bedarf.

Oder wie es Michael Walzer feststellte:

„Die Tatsache, dass die Humanitäre Intervention selbst im Idealfall nur teilweise humanitär ist, braucht nicht unbedingt ein Argument gegen diese Intervention zu sein, ist aber ein Grund, skeptisch zu sein und die andere Motive sehr genau zu prüfen“[12]

Wie immer man zur NATO-Intervention gegen BR-Jugoslawien stehen mag, eines hat sie bewirkt: Die vertriebenen Menschen, die vorwiegend Kosovo-Albaner, es waren fast eine Million, konnten in ihrer Heimat zurückkehren.

Literaturangabe

Dieter Nohlen (Hrsg.):Lexikon der Politik, Band 7-Politische Begriffe

Mihael Walzer; Gibt es den gerchten Krieg? Klett-Cotta, Stuttgart 1982

Michael Ignatieff: Die Politik der Menschenrechte. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2002

F.Solms, R.Mutz und G.Krell.(Hg.)Friedensgutachten. Münster/Hamburg 1995

Internetangabe

Htpp://www.mentis.de/meggletext2.html

[...]


[1] Vgl. Nohlen, Dieter(Hrsg.):Lexikon der Politik, Band 7-Politische Begriffe. s.213-214

[2] Reuter, Hans-Richard: Frieden mit aller Gewalt? In: Friedensgutachten ,1994. Hg. F.Solms, R.Mutz und G.Krell. Münster/Hamburg 1994. S.82

[3] Zitiert nach Augustinus-Referat gehalten von Manfred Fede in der PS: Krieg und Frieden. SoSe-2003

[4] ebd.

[5] Zitiert nach Walzer et.al.; Francisco de Vitoria, >De Indis et de De Jura Belli Relatione<, Hrsg Ernest Nys, Washington D.C 1917: „On the Law of War“ S.170

[6] Michael Walzer; Gibt es den gerechten Krieg? Klett-Cotta, Stuttgart 1982 s.136

[7] Vgl. Nohlen, Dieter(Hrsg.):Lexikon der Politik, Band 7-Politische Begriffe. s.255

[8] Dr. Georg Meggle: NATO-Moral &Kosovo-Krieg. Ein ethischer Kommentar ein Jahr danach. In;Htpp://www.mentis.de/meggletext2.html Zugriff am 14.05.2003.

[9] Vgl. Nohlen, Dieter(Hrsg.):Lexikon der Politik, Band 7-Politische Begriffe s.378

[10] in M.G. Johnson und Janusz Symonides, The Universal Declaration of Human Rights: A History of Its Creation and Implementation, 1948-1998, Paris:Unesco, 1998. S.32 zitiert nach Michael Ignatieff: Die Politik der Menschenrechte. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2002.S.63

[11] Michael Ignatieff: Die Politik der Menschenrechte. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2002 s.65

[12] Michael Walzer; Gibt es den gerchten Krieg? Klett-Cotta, Stuttgart 1982 s.157

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Humanitäre Intervention am Beispiel des Kosovo-Konfliktes - Gerechter Krieg oder Krieg Für die Gerechtigkeit?
Université
University of Vienna
Cours
Proseminar
Note
Sehr gut
Auteur
Année
2003
Pages
15
N° de catalogue
V109788
ISBN (ebook)
9783640079667
Taille d'un fichier
370 KB
Langue
allemand
Mots clés
Humanitäre, Intervention, Beispiel, Kosovo-Konfliktes, Gerechter, Krieg, Gerechtigkeit, Proseminar
Citation du texte
Bekim Baliqi (Auteur), 2003, Humanitäre Intervention am Beispiel des Kosovo-Konfliktes - Gerechter Krieg oder Krieg Für die Gerechtigkeit?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109788

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