Video - ein spezifisches Medium


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

16 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Einführung in die Videotechnik
Videokamera
Videorecorder/ -player
Videoband (Tape)
Monitor…

3.Warum ist diese Technik kunstgeeignet?
Generelles Technikinteresse
Kostenvorteile gegenüber Film
Vielfältige Manipulationsmöglichkeiten
Gleichzeitigkeit von Aufnahme + Wiedergabe
Räumliche Unabhängigkeit

4. Schlussbemerkungen

5. Quellenangaben

1. Einleitung

Die Entwicklung der Videotechnik resultierte aus dem Wunsch, ein Bildsignal elektrisch speichern zu können. Erste Versuche dazu unternahm im Jahr 1927 der Engländer John Logie Baird, der das Fernsehprogramm, welches damals nur aus 30 Zeilen aufgebaut war, auf gewöhnliche Schallplatten aufnahm. Diese Methode nannte man Phonovision, sie ist aber nur bei nicht komplexen Signalen anwendbar. Ein nächster Ansatz war es, das Prinzip der Tonbandgeräte auf den Film anzuwenden. 1951 war es die Firma Ampex in den USA, der es gelang, den ersten Videorecorder herzustellen. Der VR 1000 war der erste industriell gefertigte Videorecorder (siehe Abbildung 1), er konnte ein Bildsignal in schwarzweiß und zusätzlich zwei Tonspuren aufnehmen. Im November 1956 wurde diese Technik zum erstenmal beim Fernsehen, in den CBS- Studios in New York eingesetzt. In Deutschland brauchte es weitere drei Jahre, bis die neue Technik von den Fernsehanstalten eingesetzt wurde. In den folgenden Jahren wurde das Prinzip der elektrischen Aufzeichnung von bewegten Bildern schnell weiterentwickelt. Die Speicherkapazität der Bänder wurde erhöht, die Geräte wurden kleiner, und 1965 gab es das erste Videosystem für den Privathaushalt, den Portapak von SONY.

Es dauerte nicht lang, bis die Kunst diese neue Technik für sich entdeckte. Das Jahr 1963 gilt als das Geburtsjahr der Videokunst, genauer gesagt auf der Wuppertaler Ausstellung „Exposition of Music- Electronic Television“.

Die folgende Arbeit wird in zwei Teilen erörtern, wie diese neue Technik funktioniert, und warum sie geeignet ist, um von Künstlern eingesetzt zu werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: früher Videorecorder/ Ampex VR 2000

(Quelle: www.wikipedia.org)

2. Einführung in die Videotechnik

Der nun folgende erste Abschnitt der Arbeit wird eine kurze Einführung in die Videotechnik geben, und ihre Differenzen zum Film erklären. Hier werden die Funktionsweisen der Geräte Videokamera, Videorecorder/ -player, Videokassette und Monitor erklärt.

2.1 Videokamera

Die wichtigsten Bausteine einer Videokamera sind das Objektiv, die Kameraröhre und ein Elektronenstrahl. Das Objektiv bei einer Videokamera hat dieselbe Funktion wie bei einer Filmkamera oder einem Fotoapparat, es erfasst optisch den Teil seiner Umwelt, der sich direkt vor ihr befindet. Die einfallenden visuellen Reize werden über das Objektiv in das Innere der Kamera, auf eine lichtempfindliche Speicherschicht projiziert, diese befindet sich an der Vorderseite von einer oder mehreren Röhren. Die Abbildung wird in ein Raster unterteilt, welches in Europa 625 Zeilen hat, wobei jede dieser Zeilen aus ca. 400 Einzelbildpunkten (Pixel) besteht. Auf dieses Raster wird nun aus dem hinteren Teil der Kamera ein Elektronenstrahl geschickt, der die Helligkeits- und Farbunterschiede ablesen kann befindet sich viel Licht an einem Bildpunkt, dann entsteht ein hoher Spannungswert, bei wenig Licht entsteht ein niedrigerer Spannungswert, diese Werte werden nun wieder über den Elektronenstrahl zurück ins Kamerainnere geleitet. In Europa geschieht dies 25 mal pro Sekunde, daraus ergibt sich eine Gesamtdatenmenge von über fünf Millionen Werten pro Sekunde. Hinzu kommen noch die Tonwerte, die über ein an der Kamera angebrachtes Mikrofon eingefangen werden können, sie sind dann synchron zu den Bildern, aber auf einem getrennten Signal, welches auch ins Innere der Kamera weitergeleitet wird*.

Diese Methode des Umwandelns von Licht- und Schallwellen in ein elektrisches Signal, welches auch in Wellenform dargestellt werden kann, ist einer der Hauptunterschiede zwischen Video und Film.

Dieses Prinzip ist eher aus dem von Edison entwickelten Phonographen (1899), oder dem von Bell entwickelten „Bellschen Telefon“ (1877), welches das erste Medium war, das Schallwellen in ein elektrisches Signal umwandeln konnte, entstanden*.

Die Arbeitsweise einer Filmkamera entspricht eher dem eines Fotoapparates, es ist ein fotooptisches Verfahren, bei dem Einzelbilder auf einem Filmstreifen belichtet werden. Dies geschieht ebenfalls 25 mal pro Sekunde. Das Bildmaterial beim Film muss wie beim Fotografieren nun erst mal entwickelt werden, bevor man das Aufgenommene wieder betrachten kann, außerdem kann ein einmal belichteter Film nicht noch mal für eine Neuaufnahme verwendet werden (Einwegcharakter).

Festzuhalten bleibt, das Ergebnis der beiden Methoden, bewegte Bilder zu konservieren und wiederzugeben ist ähnlich. Welche Auswirkungen diese unterschiedlichen Arbeitsweisen der Medien für den Einsatz in der Kunst haben, wird im zweiten Teil des Aufsatzes erörtert.

2.2 Videorecorder/ -player

Die modulierten elektrischen Wellen werden entweder direkt an einen Monitor, oder an einen Videorecorder weitergeführt.

Der Videorecorder kann ein externes Gerät sein oder schon in der Kamera eingebaut sein, dieses kombinierte Gerät aus Kamera und Recorder wird dann als Camcorder bezeichnet. Das Signal aus der Kamera gelangt nun an die Ton- und Videoköpfe des Recorders, von dort aus wird es auf ein Videoband (Tape) gespeichert, welches das eigentliche Speichermedium ist.**

2.3 Videoband (Tape)

Das frühe Videoband war ein ca. 16mm dickes Kunststoffband, auf dem eine magnetische Schicht aufgetragen ist, in diese Schicht kann das Signal von den Köpfen gespeichert werden. Die großen Vorteile dieser Speichermethode gegenüber dem Film sind die sofortige Wiedergabe des Aufgenommenen, da man das Videoband nicht erst entwickeln muss, außerdem kann das Signal über einen im Recorder eingebauten Löschkopf jeder Zeit wieder vom Band entfernt werden, welches dann, zwar nicht unendlich oft, wiederbespielt werden kann. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, schnell eine oder mehrere Kopien des Bandes gleichzeitig zu erstellen.

Viele Manipulationsmöglichkeiten, die es bereits beim Film gab, wurden durch die neue Speicherform erleichtert. So können Schnitte ohne aufwendiges Schneiden und Kleben erzeugt werden. Auch die Trennung von Ton- und Bildsignal hat die Manipulationsmöglichkeiten erweitert, und den Grad an Exaktheit erhöht. Hierauf werde ich in Kapitel 3.3 noch näher eingehen.

2.3 Monitor

Um das Aufgenommene betrachten zu können, benötigt man einen Monitor beziehungsweise einen Fernseher. In der Anfangsphase der Videotechnik konnte man das Videosignal nicht direkt mit einem Fernseher empfangen, da es zu niederfrequent war, es musste erst durch einen RF Modulator in ein fernsehtaugliches Signal umgewandelt werden. Heutzutage ist dieser Modulator in der Regel in jedem Fernseher oder Videorecorder eingebaut. Das Bild, welches auf dem Monitor zu sehen ist, kommt entweder direkt aus der Kamera oder aus dem Videorecorder, welcher nun als Abspielgerät (Player) arbeitet. Hierbei wird das bespielte Band wieder eingelegt und kann von den Wiedergabeköpfen abgelesen werden. Dieses elektrische Signal wird dann an den Monitor gesendet, der das Verfahren der Aufnahme einfach umkehrt, um das Signal wieder in ein Bild zu verwandeln. Das Signal wird an die Bildröhre geschickt, wo es dann wieder abgelesen wird und über chemische Prozesse

die einzelnen Bildpunkte wieder hergestellt werden können*. Man kann durch diese Methode auch in hellen Räumen arbeiten und ist nicht auf eine dunkle Kammer angewiesen. Außerdem kann man sich direkt vor dem Monitor bewegen, da die Lichtquelle von hinten kommt.

3. Warum ist diesen Technik kunstgeeignet?

Im zweiten Teil der Arbeit wird erörtert warum die Videotechnik so schnell von Künstlern aus verschiedenen Kunstrichtungen aufgegriffen wurde. Gründe dafür sind: ein generelles Interesse von Künstlern an neuen Techniken, relativ geringe Anschaffungskosten, vielseitige Manipulationsmöglichkeiten, räumliche Unabhängigkeit und vor allem die Gleichzeitigkeit von Aufnahme und Wiedergabe.

3.1 Generelles Interesse von Künstler an neuer Technik

„Es ist eine alte avantgardistische Forderung, wonach sich die Kunst allen Geräten und technischen Neuerungen zu bemächtigen hat.“ (Karel Teige, 1968)**

Beim Film war es 1921 Walter Ruttmann, der mit „Opus 21“ den ersten künstlerischen Film präsentierte. Eigentlich war Walter Ruttmann Maler, doch er wurde zunehmend unzufrieden mit ihren Begrenzungen, die der Malerei aufgrund ihrer Statik innewohnen. Versuche, Bewegung in seine Bilder zu bringen, führten ihn schließlich zum Film. Für Ruttmann waren die Hauptmerkmale seiner Zeit Tempo und Geschwindigkeit, welche er nun mit den Mitteln der Kinematographie in eine künstlerische Form bringt. Doch er nutzte sie nicht nur, sondern trieb sie auch noch mit einigen später patentierten Erfindungen im Bereich des Trickfilms an***.

Ein starkes Interesse an der Video- und Fernsehtechnik hatte der zwischen 1958 und 1964 in Deutschland lebende Koreaner Nam June Paik. Paiks künstlerischen Wurzeln liegen in der Musik, genauer gesagt, in der Klassik und später im experimentieren mit elektronischer Musik. Berühmte Aktionen von ihm waren die öffentlichen Zerstörungen westlicher Musikinstrumente, wie beispielsweise einem Klavier. Dies war sehr typisch für die Fluxus Aufführungen jener Zeit*.

1963 war es Paik, der als erster, in der Wuppertaler Ausstellung „Exposition of Music- Electronic Television“, Fernseher im Kunstkontext ausstellte. Das war zu einer Zeit, in der die Fernsehtechnik dabei war, sich zum massenbeeinflussenden Medium entwickelte. 1963 verfügten rund sieben Millionen Privathaushalte über einen Fernseher, das Programm war zwar noch sehr beschränkt, die einzigen Sender ARD und ZDF strahlten täglich sieben beziehungsweise fünf Stunden Programm aus**. Das Exponat „Partizipation TV 1“ ermöglichte es dem Besucher bei einem präparierten Fernseher die Bilder zu manipulieren. Man gab als Input ein Audiosignal über ein Mikrophon ein, welches dann einen Output in Form von Bildmustern auf dem Monitor lieferte.

„Bin ich ein Hardware- Junkie?“ war eine Frage, die sich Paik selber stellte und mit „Ja.“ Beantwortete***. Dies wird ersichtlich, wenn man sich Paiks künstlerisches Schaffen in den sechziger Jahren anschaut. Er war der erste, der den Fernseher in einem Kunstkontext präsentierte, er war der erste Künstler, der sich eine 1965 von Sony auf den Markt gebrachte mobile Videoeinheit „Portapak“ kaufte. 1969 entwickelte er zusammen mit dem Techniker Shuya Abe den ersten Synthesizer, ein Gerät mit dem man in der Lage war ein künstliches Ton- und Bildsignal zu erzeugen, außerdem konnte bereits vorhandenes Material manipuliert werden****.

3.2 Kostenvorteile gegenüber dem Film

Die niedrigeren Kosten von Video im Vergleich zum Film machten dieses Medium einfach zugänglich und somit attraktiv für Künstler.

Seit Sony sein erstes mobiles Videosystem „ Sony- Portapak“ auf den Markt brachte, war es prinzipiell für jedermann möglich, seine eigenen Filme zu produzieren. Denn im Vergleich zum Film, bei dem man ebenfalls Kamera und Film braucht, muss beim Video das Band nicht erst entwickelt werden. Des weiteren benötigt man beim Film einen Projektor, eine Leinwand und Audiogeräte, wohingegen man beim Videoaufführungen im günstigsten Fall einen Camcorder, ein Videoband und einen Monitor benötigt zudem kann man das Videosignal auch an beliebig viele Monitore senden, beim Film benötigt man für jede Projektion die kompletten Outputgeräte. Die Eigenschaft der Gleichzeitigkeit von Aufnahme und Wiedergabe von Video ist auch ein wesentlicher Faktor beim Kostenaufwand. Hier kann man vor allem beim eigentlichen „Dreh“ sparen, da das Aufgenommene von mehreren Personen gleichzeitig betrachtet, beurteilt werden kann.

Zweitens kann das bespielte Band direkt nach Beendigung der Aufnahme wiedergegeben werden, und direkt auf mehrere Bänder gleichzeitig kopiert werden. Durch diese einfache Handhabung der neuen Technik benötigte man auch nicht mehr so viele Menschen, die an einem Film arbeiten, man spricht hier von der „Einmann- Bedienung“. Auch die nachträglichen Bearbeitungen wie Schnitte oder andere Manipulationen können nun von einer Person ausgeführt werden. Beim Video braucht man folgende Geräte für die Montage: Zwei Recorder (ein Zuspielgerät und einen Aufnahmerecorder) und eine Schnittsteuereinheit zur bildgenauen Markierung und Speicherung der ausgewählten Schnittstellen*. Außerdem bleibt das Originalmaterial beim elektronischen Schnitt erhalten, beim Film wird das Material manuell geschnitten und danach wieder zusammengeklebt.

Um Videokunst zu produzieren, muss man eigentlich nicht einmal selber eine Kamera besitzen, da bereits eine sehr große Anzahl an Bildmaterial existiert, und öffentlich zugänglich ist.

Entweder man besorgte sich die Bänder bei den Rundfunkanstalten, bei Kollegen oder nahm sich Filmmaterial mit einem Videorecorder direkt vom Fernseher auf. Diese Arbeitsmethoden heißen Videocollagen oder „found footage“, Paik bediente sich dieser Methode auch, am berühmtesten ist sein Film „Global Groove“ von 1973, auf den ich später noch genauer eingehen werde.

Der sicher entscheidenste Faktor war der „Mehrwegcharakter“ der Videokassette, sie ist bis zu einem gewissen Grad jederzeit wiederbespielbar. Sie muss nicht einmal explizit vorher gelöscht werden, das machen die Videorecorder automatisch, über einen den Ton- und Videoköpfen vorgeschalteten Löschkopf, der das alte Signal entfernt, sobald der Recorder sich in der Aufnahmeposition befindet.

3.3 Vielfältige Manipulationsmöglichkeiten

Nachträgliche Manipulationsmöglichkeiten gab es auch beim Film sehr viele, Schnitte, Überblenden, nachträgliches Vertonen. All diese Möglichkeiten hat man beim Video auch, man kann sie sogar noch viel exakter ausführen, wie weiter oben im Text schon am Beispiel vom „Schnitt“ beschrieben wurde.

Da es sich beim Video um ein sehr komplexes elektronisches Signal handelt, eröffneten sich den Künstlern viel mehr Möglichkeiten, das ursprünglich Aufgenommene zu verfälschen. Daran war Nam June Paik besonders interessiert. Der aus der Musik kommende Künstler verglich die Manipulationsmöglichkeiten mit der Fähigkeit eines Klaviers aus Einzeltönen eine unendliche Anzahl an komplexen Melodien zu komponieren. Dazu folgendes Zitat:

„Although the Piano has only 88 keys, now we have color TV, 12 million dots per second, which I have somehow to control for my work. It is like composing a piano concerto using a pianao equipped with 12 million keys. Now you cam deal with the vast quantity of possibilities without the painstaking study of your materials and instruments?”*

Paik bezog auch von Anfang an den Betrachter in seine Exponate mit ein, bei “Partizipation TV 1” konnte der Besucher über ein Mikrophon einen Input an einen präparierten Fernseher geben, der dann als Output ein „Punktfeuerwerk“ auf dem Bildschirm erscheinen ließ. So wollte er den „Einwegcharakter“ des Fernsehens aufheben, und die Teilnehmenden auf ihre allzu passive Rolle beim Konsum des alltäglichen Fernsehprogramms hinweisen, und ein Stück weit befreien*.

Zwischen 1969 und 1971 entwickelte Paik zusammen mit dem Techniker Shuya Abe den „Paik/ Abe- Synthesizer“. Dadurch waren sie nun in der Lage Farbe, Form, Bewegung und sogar Raumillusion zu schaffen und zu beeinflussen.

Diese Technik verwendete er dann auch 1969 bei seiner ersten Closed Circuit Videoinstallation „Participation TV 2“. Sie wurde erstmalig in der Howard Wise Gallery in New York im Rahmen der Ausstellung „ TV as a creative Medium“ präsentiert. Sie bestand aus 3 Kameras und einem Monitor. Der Monitor zeigte das Bild vom davor stehenden Betrachter phasenverschoben, in den drei Komplementärfarben rot, grün und blau. Auch sein bekanntestes Videoband „Global Groove“ ist stark durch die Arbeit mit dem Synthesizer geprägt. Dieses Video sollte sowohl die Kunstinteressierten als auch den normalen Fernsehzuschauer ansprechen, es wurde zum ersten mal am 30. Januar 1974 im amerikanischen Fernsehen gezeigt. Es enthält wenig eigenes Bildmaterial von Paik, vielmehr zitiert es Fernsehsendungen und Künstlerfreunde wie John Cage und Allen Ginsberg, außerdem enthält es viel Bildmaterial von Kollegen wie z.B.: Yud Yakult oder Robert Breer.

Das Video ist in Farbe und hat eine Gesamtspieldauer von 30 Minuten, darin zu sehen sind Tänzer, die zu Rock-n-Roll steppen, asiatische Volkstänze, singende und trommelnde Indianer und kämpfende Schwarzafrikaner, unterbrochen wird es von einem Werbespot der Firma Pepsi. Das Bildmaterial wurde nachträglich mit einem Synthesizer manipuliert, was ihm einen „psychedelischen Touch“ verpasst**.

3.4 Gleichzeitigkeit von Aufnahme und Wiedergabe

Nach Slavko Kacunko lassen sich Medieninstallationen den zwei Kategorien Skulptur beziehungsweise Architektur/ Environment zuordnen. Das Hauptkriterium bei dieser Kategorisierung ist die Rolle des Betrachters im Kunstwerk, er spricht von der „physischen Betretbarkeit“. Das Kriterium für Videoskulpturen ist, dass sie nicht betretbar sind*. Ein Beispiel für diese Kategorie ist das Exponat „TV Buddha“ (1974) von Nam June Paik (siehe Abbildung 2). In ihr positioniert Paik eine sitzende Buddha Statue vor einem Monitor, auf dem Monitor befindet sich eine Kamera welche den Buddha aufnimmt, und das Signal an den Fernseher weiterleitet, so dass sich der Buddha selbst betrachten kann.

Ein Beispiel für eine betretbare Installation ist „Video Corridor for San Francisco“ von Bruce Nauman. Die Installation ist wie folgt aufgebaut: In einem Abstand von 15 Metern befindet sich je ein Monitor und je eine Kamera, die auf einer Raumachse liegen. Das Bild der linken Kamera wird auf dem rechten Monitor gezeigt, und die rechte Kamera sendet ihr Signal auf den linken Monitor. Aus dieser Anordnung folgt, dass der Teilnehmer, der sich auf der Achse der Kameras befindet sich immer nur von hinten auf den Monitoren sieht, egal welcher Seite des Korridors er sich zuwendet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Nam June Paik „TV Buddha“, 1974 (Quelle: www.medienkunstnetz.de)

Wenn er sich einem Monitor nähert, wird er auf dem Monitor ein Bild von sich sehen, dass sich immer mehr von ihm entfernt. Um den Betrachter endgültig aus seinen gewohnten Rezeptionsgewohnheiten zu reißen, ist eine Kamera zusätzlich um 90 Grad gekippt*.

Nauman macht sich hier die Möglichkeit der Gleichzeitigkeit von Aufnahme und Wiedergabe zu nutze. Durch diese technische Spezifität des Mediums Video entstanden viele Werke, die man im Allgemeinen als „Closed- Circuit- Installation“ bezeichnet. Das Begleitheft der Nürnberger Ausstellung „70/ 90. Engagierte Kunst“ gibt nun folgende Definition für eine Closed- Circuit Installation:

„Geschlossenes System, das mit der direkten Übertragung aktuell aufgenommener Kamerabilder arbeitet, technisch der Kameraüberwachung entspricht und insbesondere durch Künstler wie Nam June Paik und Dan Graham zur Anwendung kam.“

Dan Graham bricht 1974 mit dieser erwarteten Gleichzeitigkeit in der Installation „Present Continuous Past(s)“,( siehe Abbildung 3). Der Aufbau der Arbeit besteht aus einer vom Rest der Ausstellung abgegrenzten Raum. In diesem Raum befinden sich eine sichtbare Kamera, ein Monitor, die Wand gegenüber von Kamera und Monitor ist komplett verspiegelt, ebenso die Wand gegenüber vom Eingang, die sich im rechte Winkel zu der bereits erwähnten befindet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Dan Graham, Present Continuous Past(s),

(Quelle: www.medienkunstnetz.de )

Betritt der Betrachter nun diesen Raum, sieht er sich erst mal in den Spiegeln, tritt er dann vor die Kamera, wird er sich nicht, wie erwartet, auf dem Monitor sehen. Die Kamera filmt ihn zwar, seit dem er den Raum betreten hat, doch das Signal wird erst mit acht Sekunden Zeitverzögerung auf dem Monitor gezeigt. Die Zeitverzögerung war damals ein sehr großes Problem, da es die Technik des „Instant Replay“, wie es sie mittlerweile in jedem guten Heim- DVD- player gibt noch nicht gab.

Der Betrachter kann sich nun dabei betrachten, wie er selbst betrachtet. So hat er die Möglichkeit, wenn er dann in den Spiegel schaut, so dass der Monitor auch im Spiegel zu sehen ist, sich gleichzeitig in Gegenwart und in der Vergangenheit zu betrachten.

3.5 Räumliche Unabhängigkeit

Räumliche Unabhängigkeit heißt, dass man etwas an einem Ort aufnehmen kann, und es zeitgleich an einem völlig anderen Ort auf beliebig vielen Monitoren betrachten kann, auf dieser Technik basiert das Prinzip der „Live- Übertragung“ in Fernsehen. Auch diese technische Eigenschaft wurde wieder von den Closed- Circuit Künstlern aufgegriffen.

Dan Graham hat mithilfe dieser Technik seine weiter oben beschriebene Installation „Present Continuous Past(s)“ zum „time delay room“ (1974) weiterentwickelt (siehe Abbildung 4). Das Environment besteht aus zwei Räumen (A und B) an einer Wand in jedem Raum befinden sich je zwei Monitore (A1/A2 und B1/B3) zwischen den Räumen ist ein Durchgang, über dem sich zwei Kameras (C und D) befinden. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Dan Graham, Time Delay Room

(Quelle: www.medienkunstnetz.de )

Betritt der Besucher Raum A, sieht er auf Monitor A1 und A2 nichts (solange niemand in Raum B ist), mit acht Sekunden Verzögerung wird dann das, was Kamera C seit seinem Eintreten aufgenommen hat, auf Monitor A2 gezeigt. Geht er nun in Raum B wird er von weitem auf B1 sehen, wie er Raum A verlässt. Auf B2 wird er wieder nach der Verzögerung sein Abbild sehen.

Die Wahl der Zeitverzögerung von acht Sekunden hat einen neurophysiologischen Grund: Da sie die äußere Grenze des Kurzzeitgedächtnis ist, heißt das, dass der Betrachter kaum eine zeitliche Differenz wahrnimmt, sondern versucht, das Bild mit den gegenwärtigen Handlungen zu vergleichen*.

4. Schluss

Bei einer abschließenden Betrachtung bleibt festzuhalten, dass es nicht unbedingt die Technik an sich ist, die die Künstler interessiert, sondern die Fähigkeit, ihre Ideen und Botschaften in einer neuen Form darzustellen. Dieses Bestreben führte schon immer dazu, dass es Künstler waren, die diese Medien oft in Zusammenarbeit mit Technikern vorantrieben. Häufig nutzen auch Künstler die Technik selbst, um auf ihre Gefahren hinzuweisen. Bei Video bzw. Fernsehen war das in den Anfängen der Deutsche Wolf Vostell, der auf die Gefahren der Einseitigkeit des Mediums aufmerksam machen wollte. Er äußerte seine TV- Kritik durch öffentliche Zerstörungen und Begräbnisse von TV- Geräten. Nam June Paik löste die Einseitigkeit auf, in dem er dem Teilnehmer die Möglichkeit schuf aktiv das Fernsehbild zu verändern. Ein Blick in die heutige Zeit macht deutlich, welche Auswirkungen diese Manipulation hat.

Funktionieren die Installationen auch heute noch? Wahrscheinlich würden viele von ihnen kein Aufsehen mehr erregen, wie z.B.: die Manipulation des Fernsehbildes durch einen Synthesizer.

Aber gerade die Installationen von Graham und Nauman funktionieren meiner Meinung noch heutzutage noch besser, da der Betrachter es gewohnt ist, sein Abbild auf einem Monitor zu sehen, sei es in Heimvideos oder auf den Schirmen von Überwachungskameras in Kaufhäusern. Durch diese Alltäglichkeit löst ein Bruch der Rezeptionsgewohnheiten eine viel stärkere Irritation beim Betrachter aus.

Nun kann man gespannt sein, welche Auswirkungen die Digitaltechnik und die Verbreitung von Computern, mit immer größeren Rechenleistungen auf die Kunst haben wird.

5. Quellenangaben

- Gerda Lampalzer, Videokunst (1992)
- James Monaco, Film verstehen (2002)
- Christa Karpenstein- Essbach, Einführung in die Kulturwissenschaft der Medien(2004)
- Slavko Kacunko, Closed Circuit (2004)
- Buß, Michael/Darschin, Wolfgang: Auf der Suche nach dem Fernsehpublikum.

In: Media Perspektiven 1/2004

- Heike Helfert, Raum Zeit Technikkonstruktionen/ Aspekte der Wahrnehmung, www.medienkunstnetz.de
- Nina Mueller, Nam June Paik, www.kunstunterricht.de/referate/namjunepaik.pdf
- Begleitheft der Ausstellung “70/90. Engagierte Kunst“, 13.10.2004-16.01.2005, Staatl.

Museum für Kunst und Design in Nürnberg

[...]


* vergl.: Gerda Lampalzer, Videokunst (1992), Seite 11

* James Monaco, Film verstehen (2002), Seite 469

** Es gibt verschiedene Formate, die sich in Qualität und Speichermedium unterscheiden, siehe auch: Gerda Lampalzer, Videokunst (1992), Seite 12

* vergl.: Gerda Lampalzer, Videokunst (1992), Seite 12-13

** vergl.: Christa Karpenstein- Essbach, Einführung in die Kulturwissenschaft der Medien(2004), Seite 276

*** vergl.: www.deutsches-filminstitut.de/ dt2tp0051.htm

* vergl.: Slavko Kacunko, Closed Circuit (2004), Seite 184 ff

** vergl.: Buß, Michael/Darschin, Wolfgang: Auf der Suche nach dem Fernsehpublikum. In: Media Perspektiven 1/2004, Seite 15- 16

*** vergl.: Slavko Kacunko, Closed Circuit (2004), Seite 187

**** vergl.: Heike Helfert, Raum Zeit Technikkonstruktionen/ Aspekte der Wahrnehmung, www.medienkunstnetz.de

* vergl.: Gerda Lampalzer, Videokunst (1992), Seite 13

* vergl.: Slavko Kacunko, Closed Circuit (2004), Seite 188

* vergl.: Heike Helfert, Raum Zeit Technikkonstruktionen/ Aspekte der Wahrnehmung, Seite 8

** vergl.: Nina Mueller, Nam June Paik, www.kunstunterricht.de/referate/namjunepaik.pdf

* vergl.: Slavko Kacunko, Closed Circuit (2004), Seite 94 ff

* vergl.: Begleitheft der Ausstellung “70/90. Engagierte Kunst“, 13.10.2004-16.01.2005, Staatl. Museum für Kunst und Design in Nürnberg

* vergl.: www.medienkunstnetz.de

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Video - ein spezifisches Medium
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Being inside a work of art
Note
gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V109791
ISBN (eBook)
9783640079698
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Video, Medium, Being
Arbeit zitieren
Dominik Rzepka (Autor:in), 2005, Video - ein spezifisches Medium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109791

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