Gedichtinterpretation zu Ovids „Das Goldene Zeitalter“
Dem antiken Dichter Publius Ovidus Naso, kurz Ovid verdanken wir einen Großteil der bedeutendsten Schriften des Altertums. Zu diesen gehören auch die „Metamorphosen“, welche in 15 überlieferten Büchern Verwandlungssagen aus der antiken Sagenwelt beschreiben. Diese Bücher sind im Hexameter verfasst und entstanden ca. 1-8 n. Chr. Im ersten Buch beschreibt Ovid die „Vier Weltalter“. Am Anfang dieses Kapitels in den Versen 89 – 112 stellt er das „Goldene Zeitalter“ dar, in dem die paradiesischen Zustände unter der Herrschaft des Saturns beschrieben werden. Einen kleinen Einblick in dieses Gedicht und in die Hintergründe von Ovids Denken möchte ich Ihnen nun mit dieser Interpretation gewähren.
Das Gedicht lässt sich insgesamt in fünf Abschnitte gliedern. Im Ersten werden in den Versen 89 - 93 die rechtliche Situation und die Gesetzgebung geschildert. Im „Goldenen Zeitalter“ gibt es weder Richter („vindice nullo“, „sine vindice“, „nec turba timebat ora iudicis“), noch sind Gesetze nötig („nec verba minantia aere fixo“). Das Wort des Richters hebt Ovid besonders hervor, indem er den Abschnitt mit „vindice“ beginnen und enden lässt. Des Weiteren gibt es keine Bestrafung und keine Furcht („poena metusque aberant“), denn es herrschst ohne Zwang („sponte sua“) Friede und Gerechtigkeit („fidem rectumque colebat“). Alles in allem lässt sich sagen, dass im „Goldenen Zeitalter“ ohne Zwänge und Gesetze ein friedliches Zusammenleben herrscht, in dem alle ohne einen Richter auskommen.
Der nächste Abschnitt reicht vom Vers 94 bis zum 96. Vers. Hier sagt er dass es noch keine Schiffe („pinus caesa“) gab und betont das noch nicht („nondum“) besonders durch zwei Längen im Vers. Außerdem haben die Sterblichen („mortales“) noch kein anderes Land gesehen („nulla praeter sua litora norant“). In diesem Abschnitt will Ovid sagen, dass es noch keinen Handel in jenem Zeitalter gibt, da er wie sich im vierten Abschnitt noch herausstellen wird nicht nötig ist.
Den dritten Abschnitt von 97 – 100 beginnt Ovid wieder mit „nondum“ und betont dieses „noch nicht“ also durch eine Anapher. Dadurch wird klar, dass es in späteren Zeitaltern nicht mehr diese paradiesischen Zustände geben wird. Im Absatz selbst sag Ovid, dass es keine befestigten Kriegsburgen („fossae praecipites oppida cingebant“), keine Kriegshörner („non tuba directi, non aeris cornua flexi“) oder jegliche andere Kriegsgegenstände („non galeae, non ensis“) gibt. Er sag, dass die Menschen ohne Verwendung des Krieges („sine militis usu“) eine sanfte Friedenszeit („mollia otia“) durchlebten. Dieser Abschnitt wird also geprägt von der Unnütze des Krieges im „Goldenen Zeitalter“ und bekräftigt noch mal den ersten Teil des Gedichtes, denn es sind keine Richter nötig, wenn alle friedlich leben.
Damit Ovid seine Behauptung aus dem zweiten Teil noch mal verbal unterstreichen kann, schildert er nun von 101 bis 106 die Situation, wie die Menschen hier überleben. Denn ohne Handel und ohne dass man die Erde verletzen oder bearbeiten muss gab sie von sich aus alles zum überleben nötige (vgl. 102f.). Die Menschen sind glücklich („contenti“) mit den Speisen, die niemand erzwang („nullo cogente“) und sammeln ihre Nahrung („arbuteos fetus“, „montana fraga“, „corna“, „mora“, „glades“). Zu dieser paradiesischen Zeit muss nämlich nichts erarbeitet oder angebaut werden, denn die Welt in der sie leben sorgt von sich aus wie eine Mutter für ihre Kinder.
Die Schilderung all dieser Zustände rundet Ovid in seinem letzten Teil des Gedichts (108 – 112) durch eine allgemeine Landschaftsbeschreibung bzw. Zusammenfassung durch die Extreme. Zuerst beschreibt er die Umgebung und das Klima. Es herrscht ein ewiger Frühling („ver aeternum“) und sanfte Winde wehen umher (vgl. 108f.). Ovid beschreibt des Weiteren, dass die Erde von selbst Getreide vorzeigen kann („fruges tellus inatara ferebat“) und dass sie das Land ist, wo Milch und Honig fließt (vgl. 111f.). Durch diesen Abschnitt will Ovid vermutlich die paradiesischen Zustände im „Goldenen Zeitalter“ noch mal bekräftigen, indem er die äußerste Übertreibung, das sog. Schlaraffenland beschreibt.
Häufig gestellte Fragen zu Ovids „Das Goldene Zeitalter“
Was ist der Inhalt von Ovids „Das Goldene Zeitalter“?
Ovids „Das Goldene Zeitalter“ ist ein Abschnitt aus seinen „Metamorphosen“, in dem er die idealen Zustände unter der Herrschaft des Saturns beschreibt. Es herrscht Frieden, Gerechtigkeit und es gibt keine Notwendigkeit für Gesetze, Richter oder Bestrafung.
Wie ist das Gedicht „Das Goldene Zeitalter“ gegliedert?
Das Gedicht lässt sich in fünf Abschnitte gliedern: (1) Rechtliche Situation und Gesetzgebung (Verse 89-93), (2) Keine Schiffe und kein Handel (Verse 94-96), (3) Keine Kriegsmittel (Verse 97-100), (4) Selbstversorgung der Natur (Verse 101-106), (5) Landschaftsbeschreibung und Zusammenfassung (Verse 108-112).
Welche Merkmale kennzeichnen das „Goldene Zeitalter“ in Ovids Gedicht?
Im „Goldenen Zeitalter“ gibt es keinen Zwang, keine Gesetze und keine Richter. Die Menschen leben friedlich und gerecht zusammen. Es gibt keinen Handel und keinen Krieg. Die Erde gibt von selbst alles zum Überleben Nötige.
Warum betont Ovid das Wort „nondum“ (noch nicht) so stark?
Ovid betont das Wort „nondum“ durch eine Anapher, um zu verdeutlichen, dass diese paradiesischen Zustände in späteren Zeitaltern nicht mehr existieren werden.
Welche Rolle spielt die Natur im „Goldenen Zeitalter“?
Die Natur spielt eine zentrale Rolle. Sie ist selbstversorgend und gibt den Menschen alles, was sie zum Überleben brauchen, ohne dass sie die Erde bearbeiten oder verletzen müssen. Es herrscht ewiger Frühling und die Erde bringt Getreide von selbst hervor.
Welche Parallelen gibt es zwischen dem „Goldenen Zeitalter“ und anderen Kulturen?
Das „Goldene Zeitalter“ ähnelt dem Paradies aus der Bibel und anderen Kulturen. Es beschreibt einen idealen Zustand, ein perfektes Land, in dem Frieden, Überfluss und Harmonie herrschen.
Was ist die Bedeutung des letzten Teils des Gedichts (Verse 108-112)?
Der letzte Teil des Gedichts beschreibt durch extreme Übertreibung (Schlaraffenland) nochmals die paradiesischen Zustände im "Goldenen Zeitalter" und unterstreicht somit die Fülle und den Überfluss in dieser Epoche.
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- André Roßbach (Autor:in), 2005, Gedichtinterpretation zu Ovids "Das Goldene Zeitalter", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109943