Über die Einführung von Bier in Japan


Term Paper (Advanced seminar), 2005

32 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhalt

1. Einführung

2. Erste Kontakte
2.1. Kawamoto Kōmin

3. Der Beginn der Braukunst in Japan
3.1.Fälschungen und Eigenproduktionen
3.2. William Copeland und die ‚Spring Valley Brewery’

4. Japanische Brauereien
4.1. Shibutani Beer
4.2. Mitsu Uroko Beer
4.3. Sakurada Beer und zunehmender Wettbewerb
4.4. Sapporo Beer

5. Werbung und Reklame

6. Schlussbetrachtung

Quellenverzeichnis

1. Einführung

Wie viele andere Produkte auch, ist Bier erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Japan gelangt, wo es im Zuge der Mode aller westlichen Erzeugnisse schnelle Verbreitung fand.

Wie sahen die ersten Kontakte von Japanern mit diesem sagenhaft erfolgreichen Getränk aus? Wie verlief der Weg der Verbreitung von Bier in Japan? Diesen Fragen versucht diese Arbeit nachzugehen, wobei besondere Aufmerksamkeit Zitaten und zeitgenössischen Aufzeichnungen geschenkt wird. Es ist nicht vorrangiges Anliegen, eine Industriegeschichte aufzuzeichnen, sondern vielmehr der Perzeption eines fremden Kulturgutes nachzuspüren, das auf den sehr fruchtbaren Boden, der Japan damals war und vielleicht immer noch ist, fiel.

Dem Entstehen japanischer Brauereien wird bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nachgegangen, von wo an sich die Pioniergeschichte in eine Industriegeschichte verwandelt. Außerdem findet zu diesem Zeitpunkt, ironischerweise, auch die Einführung einer Steuer auf Bier statt, und stellt mithin die Assimilierung des Produkts in den eigenen kulturellen und strukturellen Kontext dar.

In westlichen Sprachen liegen derzeit keine umfassenden Arbeiten zu diesem Thema vor. In japanischer Sprache behandeln einige Bücher zur Geschichte westlicher Nahrungsmittel in Japan auch das Thema Bier. Als Monographie ist Inagaki Masamis in dieser Arbeit oft zitiertes Werk „Japans Biere“ (Nihon no biiru) erschienen. Sämtliche Zeitungsartikel und die meisten zeitgenössischen Anzeigen sind der chronologischen Zeitungsartikelsammlung „Meiji Nyūsu Jiten“ entnommen.

Hinweis: sämtliche japanische Namen werden in der japanischen Reihenfolge Familienname, Vorname wiedergegeben.

2. Erste Kontakte

Bier brauchte vor der Landesöffnung Japans 1853 lange Zeit, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Gebraut wurde das erste Bier in Japan erst 1870, von da an jedoch wuchs seine Popularität rapide und begründete bald einen neuen japanischen Industriezweig.

Erwartungsgemäß gibt es über die Tatsache, wer wann und wo zum ersten Mal Bier trank, recht unterschiedliche Ansichten.

Die erste schriftliche Erwähnung von Bier in Japan findet sich in der Briefsammlung „Holland Gespräch“ (Oranda Montō) aus dem Jahre 1724. Der holländische Kapitän Johanes Thedens und der holländische Arzt Willem Keijderaal sprachen auf ihrer Reise zum Hof nach Edo mit ihrem Übersetzer über westliche Speisen und Getränke, wobei sie ihn offenbar etwas Bier trinken ließen:

„Sie sagen, Alkohol werde aus Trauben hergestellt oder auch aus Gerste hergestellt. Dieser Gerstenalkohol ist eine ungewöhnlich schlimme Sache, dessen Geschmack es unter der Sonne nicht noch einmal gibt; man nennt es Biiru (Bier). (…) Man gießt den Alkohol in ein Kopp (Krug) genanntes Wassergefäß; mit diesen Kopps prosten sich drei Leute zusammen zu, dann nehmen sie es alle zu sich.“[1]

Diese erste Begegnung trug nicht zur weiteren Popularisierung von Bier bei. INAGAKI zitiert als nächsten Hinweis auf Bier aus dem Tagebuch ‚Iwamizus Nachtgeschichten’ (Iwamizu Yobanashi) des in der holländischen Medizin unterrichteten Arztes Ōtsuki Kurosawa um 1800:

„(…) Eine weitere [Sorte Alkohol] ist ‚Biiru’, ein aus Gerste gebrauter Alkohol. Man nimmt es nach dem Essen zu sich, denn man sagt, es fördere die Verdauung von Speisen.“[2]

Während der völligen Abschottung des Landes vor 1853 verkehrten als einzige Ausländer holländische Händler im Hafen von Nagasaki. INAGAKI bemerkt, dass es auch Hinweise darauf gäbe, dass diese Holländer Bier zum Eigenbedarf gebraut hätten.

Um 1836, während einer großen Hungersnot, schreibt der Hollandstudiengelehrte Takano Nagae in seinen „Zwei Überlegungen zur Rettung aus der Unordnung“ (Kyūkō Nibutsu Kō) über die Herstellungsweise von Bier:

Holländer, die Buchweizen besitzen, stellen daraus ‚Biiru’ (der Name eines Alkohols, bitter im Geschmack) her. Doch verwendet man dies als einzige Zutat, wird es sehr dünn. Normalerweise nimmt man noch eine andere Hefe [oder auch: Malz] dazu. Man nimmt den Buchweizen, erhitzt ihn durch dämpfen, nimmt ihn raus und tut ihn in ein Gefäß, gießt heißes Wasser hinzu, fügt Hefe sowie Alkohol hinzu, verrührt es, deckt es ab und lässt es an einem warmen Ort ruhen. Man lässt es gären, bis es Alkohol wird und schöpft den Ausfall ab.“[3]

All diese Episoden machen deutlich, dass das heute im Japanischen benutzte Wort ‚biiru’ höchstwahrscheinlich vom holländischen ‚bier’ abstammt, und nicht vom englischen ‚beer’.

Die Japan Brewer’s Association macht noch auf eine weitere historische Bierverkostung aufmerksam, vorgenommen von Tamamushi Satao, einem Mitglied der ersten Gesandtschaft des Shogunats zu den Amerikanern, 1860:

Ist es auch bitter im Geschmack, genügt es zum befeuchten des Mundes.[4]

Auch der Mitarbeiter des englischen Konsulats und Japanologe Ernest Satow führte auf seinen Reisen durchs Land ab 1863 eine Auswahl an westlichen Spirituosen mit sich. Bei Empfängen durch lokale Fürsten tischte er diese als Gastgeschenke auf. Dabei kosteten etliche Samurai auch Bier und fanden, laut Satows Aufzeichnungen, Gefallen daran. Abgesehen davon waren sie auch sehr trinkfest und leerten jede Flasche Whiskey, Gin und Champagner mit großem Interesse und ohne spürbare Wirkung.[5]

2.1. Kawamoto Kōmin

Tiefer setzte sich der Hollandstudiengelehrte Kawamoto Kōmin mit dem Brauen von Bier auseinander. Sowohl INAGAKI als auch UEDA zitieren eine Geschichte, wonach Kawamoto in seiner Funktion als Übersetzer 1853 Kommodore Perrys Schiff betreten hätte und dort Bier getrunken hätte. INAGAKI macht jedoch darauf aufmerksam, dass Kawamoto im Jahre 1853 zwar ausgezeichnetes Holländisch sprach, mit seinen Studien zum Englischen jedoch noch kaum vorangeschritten war. So ist es wohl nur eine Legende, dass er als Übersetzer auf Perrys Schiff gewesen wäre.

Wahr ist jedoch wohl die Geschichte, dass Kawamoto selbst ausprobierte, Bier zu brauen. Er war an eine holländische Übersetzung des deutschen Werkes ‚Schule der Chemie’ gelangt und übersetzte diese ins Japanische. Vermutlich motivierte ihn das dort beschriebene Verfahren zum Bierbrauen zu einem Selbstversuch. INAGAKI schreibt weiter, dass einer weiteren Geschichte zufolge Kawamoto das selbstgebraute Bier am Tempel Sōgen-ji, dem Ort des Grabes seines Vaters, im Tokioter Viertel Asakusa probeweise ausgeschenkt hätte. Leider gibt es dafür keinerlei Beweise, der Sōgen-ji fiel mitsamt seinem Archiv einem Bombenangriff während des Zweiten Weltkrieges zum Opfer und andere Quellen zitieren widersprüchliche Fakten. UEDA schreibt, Kawamoto hätte von einer anderen Person, welche Perrys Schiff besucht hätte, vom Bier gehört und wäre so zum Selbstversuch motiviert worden.

Dass der Selbstversuch jedoch statt gefunden haben könnte, mag man allein aus der Tatsache schließen, dass Kawamoto Kōmin folgenden Abschnitt aus dem holländischen Manuskript von ‚Schule der Chemie’ übersetzte:

„Im Versuch 1 Shu[6] zerkleinerte Getreidesamen mit 3 Shu kaltem Wasser und 4 Shu kochendem Wasser mischen und diese Sache [in einen Behälter] gießen. Zwölf Stunden an einen warmen Ort stellen; zwischen 65 und 70 Grad Celsius lösen sich die der Flüssigkeit ihren süßen Geschmack verleihenden Dextrine und der Zucker, sowie das in den Samen enthaltene Gluten und bilden die so genannte Alkoholbasis. Dies mit einem Tuch abseihen, zwölf Stunden lang kochen, bis es klar und durchsichtig wird. Abkühlen lassen bis auf 30 Grad, einen Teelöffel Hefe dazu geben, woraufhin es Blasen wirft. Nach etwa ein bis zwei Tagen ist es wieder klar. Diese klare, gegorene Flüssigkeit wird nämlich das Bier. Stellt man es nach dieser Methode her, wird es nicht bitteres [Bier], oder auch Weißbier [genannt].

Wenn man diese Flüssigkeit kocht und etwas Hopfen dazu gibt, werden die Bitterstoffe (Lupuline) gelöst und stärken nicht nur den Geist des Bieres und geben ihm einen schönen Geschmack, sondern verhindern, dass das Bier nach langer Zeit Schaden nimmt.“[7]

3. Der Beginn der Braukunst in Japan

Zu Beginn der Meijizeit (1868), war Yokohama der Ort, an dem die meisten Europäer lebten. In der Nähe des Hafens existierte ein Ausländerwohnviertel, eine Art Kolonie. Die Vereinigten Staaten hatten ein Konsulat eingerichtet und auch aus vielen anderen westlichen Ländern sind Händler, Unternehmer und Geistliche nach Japan gekommen. Nicht zuletzt heuerte Japan selbst westliche Techniker und Ingenieure an, um seine beschlossene industrielle Revolution umzusetzen.

Es war in diesem Viertel, wo die Geschichte des Bierbrauens in Japan begann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Ausländerviertel am Hafen von Yokohama

3.1. Fälschungen und Eigenproduktionen

Etwa um 1868 kam der amerikanische Braumeister William Copeland (1832-1902) nach Japan. Bis zu diesem Zeitpunkt importierten die in Japan lebenden Ausländer ihr unverzichtbares Bier aus Europa. Vor allem das britische ‚Bass Pale Ale’ war in Yokohama bereits sehr verbreitet und sein Markenzeichen, ein rotes Dreieck, war lange der Inbegriff von Bier und wurde von späteren Marken in einigen Abwandlungen kopiert. Seit 1865 existierte in Yamanote bereits eine „Beer & Concert Hall“ in der ‚Bass’ ausgeschenkt wurde.[8] Und schon 1861 erschien eine Anzeige der in Yokohama ansässigen ‚O.H. Baker Handelsgesellschaft’, die den Verkauf von Fässern ‚Bass’ anpries.[9]

Bier, und überhaupt westliche Alkoholika, waren zu diesem Zeitpunkt ein sehr teures Vergnügen. So war es nur nahe liegend, westliche Marken zu fälschen und damit viel Geld zu verdienen.

1876 reiste der französische Kunstsammler Emile Guimet durch Japan. Zu seinem Besuch in Nikkō notierte er über einen Bier und Champagner verkaufenden Mönch:

„Es befiel mich ein Gefühl des Misstrauens beim Gedanken daran, diesen Champagner zu trinken. Der Grund dafür war, dass das französischsprachige Etikett auf dem Kopf stehend darauf geklebt war. Es kann also nicht von der Hand eines Europäers raufgeklebt worden sein.“[10]

Bereits 1871 untersagte die Regierung der Region Tokyo per Dekret das Fälschen des ‚Bass Pale Ale’ Etiketts, jedoch mit geringem Effekt.

Ebenfalls im Jahre 1876 schrieb die Zeitschrift ‚Haushaltsbibliothek’ (Katei Sōsho):

„Derzeit gibt es auch viele japanische Abfüllungen des regelmäßig in Mode kommenden Bieres. Jedoch sind die Flaschen natürlich, bis hin zum Etikett, importiert und ihr Verkauf ist nicht richtig.“[11]

Tatsächlich gab es nicht nur Abfüllungen mit gefälschten Etiketten, sondern es wurden auch leere Originalflaschen zu hohen Preisen gekauft, mit nachgemachtem Bier gefüllt, und zu noch höheren Preisen wiederverkauft.

1877 erschien in der Zeitung ‚Yokohama Mainichi Shimbun’ folgender Artikel:

„London – Das von der Firma ‚Bass’ hergestellte Bier ist ein Produkt hoher Qualität, das ist allgemein bekannt. Doch durch die schlimme Eigenschaft unseres Volkes, anderer Leute Produkte nachzumachen, ohne sich etwas dabei zu denken, und da oben genanntes Bier von Tag zu Tag in größeren gefälschten Mengen in Umlauf gebracht wird, nimmt der Wert des Namens ‚Bass’ großen Schaden.“[12]

3.2. William Copeland und die ‚Spring Valley Brewery’

1870 schließlich (evtl. schon 1869) gründete William Copeland die ‚Spring Valley Brewery’ in Yokahama Yamanote, Block 123 (später wurde das Gelände ein Teil der Kirin Brauerei, heute steht an seiner Stelle die Hokuhō-Grundschule). Die Stadt Yokohama ließ gar die angrenzende Straße in „Biazake-dōri“ (Bierstraße) umbenennen. Copeland wählte den Namen und den Standort, da an dieser Stelle im sonst wasserarmen Yokohama eine Quelle Mineralwasser entsprang, eine entscheidende Voraussetzung für eine Brauerei.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

William Copeland

Copeland wird in den meisten Bierhistorien als der Gründer der ersten Brauerei in Japan genannt, doch KUSAMA nennt noch mindestens zwei weitere.

Demzufolge gründete laut Stadtregister 1869 in Yokohama Yamanote, Block 4-6, ein G. Rosenfeld(t) die ‚Japan Brewery’. Als Braumeister engagierte er den Deutschen Emil Wiegand, der eine entscheidende Rolle in der Gründungsgeschichte des japanischen Bieres spielen sollte. Kurz nach ihrer Eröffnung wurde die Brauerei an einen L. Klein transferiert. 1872 erschien die wohl erste Bieranzeige in einer japanischen Tageszeitung, in der ‚Yokohama Mainichi Shimbun’, welche lediglich die Preise für verschiedene Mengen Bier angibt und unter einem Brauerstern[13] die Adresse ‚Yamanote 4-6’ abdruckt.

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Erste Zeitungsanzeige für Bier in Japan, von ‚Yamanote 4-6’

Ebenfalls 1870 eröffnete der Holländer J.B.N. Hegt in Yamanote 6-8 die ‚Hegt Brewery’, ebenfalls mit Hilfe von Emil Wiegand, welche ihre Kunden hauptsächlich unter holländischen Kapitänen fand. Fünf Jahre später schloss diese Brauerei jedoch wieder.

Der Engländer J.L.O. Eyton schrieb zu jener Zeit über Japans erste Brauereien:

„ Die erste Brauerei in Yokohama, und überraschenderweise ist sie wohl die erste in ganz Japan zu nennen, steht in Yamanote 4-6. Doch diese Brauerei ging schnell zu Grunde und Copelands ‚Spring Valley Brewery’ führte sein Geschäft fort. Die dritte Brauerei wäre dann die von Herrn Hegt eröffnete in Yamanote 6-8, wo er zu dem Zwecke Lagerbier zu brauen einen Deutschen namens Wiegand einstellte. Doch auch diese Brauerei scheiterte, wohl hauptsächlich wegen dem Fehlen von ausreichend Kühlraum und geeigneter Kühlausrüstung, und so bleibt die ‚Spring Valley Brewery’ als einzige übrig.“[14]

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Zeichnung der „ersten Brauerei Japans“, vermutlich der ‚Spring Valley Brewery’. Auch der im Vordergrund zu erkennende Europäer würde äußerlich auf Copeland passen.

Der Grund für Copelands Erfolg mag in seiner Entscheidung gelegen haben, Lagerbier, Bayerisches Bier und Bockbier zu brauen, womit er sich dem bis dahin dominierenden englischen Biersorten entgegen stellte. Jahrzehnte später sollte der Kampf zu Gunsten des deutschen Bieres entschieden werden und englische Sorten fast verdrängen. Deutsches Bier erwarb größere Popularität und auch das Reinheitsgebot[15] wurde in Japan stets gewissenhaft beachtet. Ab den 1880er Jahren erwarb auch ein aus Deutschland importiertes Bier großen Zuspruch: nämlich jenes der Tivoli-Brauerei in Berlin, wo der spätere Gründer der ‚Sapporo Brauerei’ ausgebildet wurde.

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Vier der Flaschenetiketten unter den Namen ‚Copeland’ und ‚Wiegand’

Schon früh fand eine Kooperation zwischen Copeland und Wiegand statt, wenn sich auch nicht genau feststellen lässt, ab wann. Es existieren jedoch Etiketten von ‚Bavarian Beer’ aus der frühen Meijizeit, die im gleichen Design mal den Namen Copeland, mal Wiegand tragen. Auf einem Lagerbieretikett schließlich, sind sogar beide Namen abgedruckt. KUSAMA zitiert als Startpunkt der Kooperation 1876. Jahre später habe man sich jedoch über die Investitionspolitik der Brauerei überworfen und wieder getrennt.

INAGAKI führt an, dass Wiegand und Copeland, sowie ihre jeweiligen Ehefrauen, alle ihren Wohnsitz an der gleichen Adresse registrierten, nämlich auf dem Nachbargelände von Copelands Brauerei, wo Copeland in seinen Privaträumen einen Biergarten eingerichtet hat. Auch der Name ‚Wiegand & Copeland Brewery’ tauche unter dieser Adresse auf.

4. Japanische Brauereien

4.1. Shibutani Beer

1872 wurde die erste von einem Japaner gegründete Brauerei eröffnet. Shibutani Saburō eröffnete in Osaka die ‚Shibutani Brewery’. Zuvor wurden bereits Pläne für eine Brauerei in Osaka von einer öffentlichen Entwicklungsinstitution vorangetrieben und auch ein amerikanischer Braumeister wurde angeheuert. Jedoch wurde aus diesen Plänen niemals Realität. Der bis dato mit Textilien handelnde Shibutani bedauerte dies sehr und entschloss sich, mit eigenem Kapital die Brauerei zu gründen, wofür er wiederum den Amerikaner namens Ignatz Fullst (?) anheuerte, welchem er die Leitung der Brauerei überließ. Doch Shibutani war eine kleine Brauerei und es stand weder ausreichend Platz noch die nötige Technologie zur Verfügung, was Fullst zwang, unter den in seinen Erinnerungen aufgezeichneten Bedingungen zu produzieren:

„1. Wegen dem Nichtvorhandensein von Kältespeichern wurde nach einer sehr einfachen Methode das nur kurz gegärte Bier sofort in Fässer oder Flaschen gefüllt.
2. An Grundzutaten wurden der vor Ort wachsende Weizen und der importierte Hopfen verwendet. Hefe wurde heimlich von einem für Ausländer arbeitenden Bäcker erworben.
3. Flaschen waren sämtlich aufgekaufte, leere Flaschen importierter Biere. Flaschenbier wurde in Fässer für Zement gefüllt, damit es im Laufe der Zeit nicht mit Asche von verbranntem Stroh oder sonstigem verschmutzt wird. Auch gab es alte europäische Fässer für Alkohol, doch die wurden nur an die Münzprägerei oder an Ausländer geliefert.
4. Zum Schließen der Flaschen wurde Kork verwendet.“[16]

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Etikett von ‚Shibutani Beer’,

Auf diese Weise operierten viele japanische Brauereien im 19. Jahrhundert. Der Import von Hefe und Hopfen wirkte sich noch lange auf die Herstellungskosten aus. Selbst 15 Jahre später ist man mit Plänen zum Anbau von Hopfen noch nicht viel weiter gekommen, wie aus dem folgenden Zeitungsartikel aus dem Jahre 1887 ersichtlich wird:

30. Januar 1887, Osaka Nippō „Auch in unseren Breiten nimmt der Genuss von Bier stetig zu und zum Grandeur des Brauens gehört die Zutat Hopfen, welche aus dem Ausland zu importieren man vermeiden möchte und stattdessen im Inland anbauen sollte. Laut der Abteilung für Landwirtschaft und Handel unserer Bezirksregierung werden nun die entsprechenden Setzlinge aus Deutschland erworben.“

4.2. Mitsu Uroko Beer

Etwa zur gleichen Zeit gründete sich eine zweite japanische Brauerei: ‚Mitsu Uroko Beer’ in der heutigen Präfektur Yamanashi. Ihr Gründer Noguchi Masaaki entwickelte bereits früh ein Interesse an Bier und Wein und erfüllte sich so seinen Wunsch unter erheblichem Aufwenden seines Privatkapitals. Da die Brauerei abseits der Metropolen lag mussten Ausrüstung und gebrauchte Flaschen aufwendig herangeschafft werden. Noguchi ließ sogar die Straße von Yokohama aus ausbessern, was ihr zeitweilig den Namen „Bia-zake-dō“ (Bierstraße) einbrachte. Noguchi warb Copeland sowie dessen japanischen Schwager an und produzierte ab 1874 sein Bier. Als Absatzmarkt visierte er Yokohama und Tokyo an, doch dort herrschten die Exportbiere vor, allen voran ‚Bass’, und so erzielte ‚Mitsu Uroko’ nie große Profite.

Das Etikett war stark an das Design von ‚Bass’ angelehnt und zeigte drei rote Dreiecke. Nichtsdestotrotz handelt es sich dabei um Noguchis Familienwappen.

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Anzeige für ‚Mitsu Uroko Beer’, 1875

Nachdem Copeland für sein ‚Spring Valley Beer’ bereits 1872 eine Zeitungsanzeige schaltete, handelt es sich bei ‚Mitsu Uroko’ vielleicht um die erste Anzeige für ein japanisches Bier. 1875 erscheint eine kleine Anzeige in der ‚Tokyo Hibi Shimbun’, die eine Grafik einer Flasche ‚Mitsu Uroko’ zeigt und daneben den Text:

Tōkyō Hibi Shimbun, 8.März 1875 „Verkaufseröffnung Bier 10. März – Privat gebrautes Bier wird am links genannten Ort verkauft. Auf dass Sie es viel und unbegrenzt genießen und Schaden abgewendet werde.“

Gefolgt von der Adresse in Yamanashi und Tokyo.

Copeland braute vermutlich zumindest außerhalb der Wintermonate ein an ‚Bass’ angelehntes englisches Pale Ale, da auch hier Kühlanlagen fehlten und diese für ein Ale nicht notwendig sind. Doch zur selben Zeit wie Shibutani, 1881, ging auch Mitsu Uroko wieder zu Grunde.

Nach dem Zerwürfnis von Copeland und Wiegand waren diese nun mit neuen Konkurrenten, sogar aus ihrer unmittelbaren Nachbarschaft konfrontiert. 1878 gründet sich ‚Sakurada Beer’ in Tokyo, welches schnell einen großen Markt eroberte. Ab 1881 überlässt Copeland den Vertrieb seines eigenen Bieres Sakurada, doch 1884 gibt er die Brauerei auf. Wie der folgende Zeitungsartikel meldet, ließ er sich 1887 von einer japanischen Brauerei einstellen:

13. Mai 1887, Mainichi Shimbun „ Yūjima Brauerei – An diesem Ort in Mikumi-machi befindet sich bereits eine Brauerei, doch als diese zu schließen drohte, wurde sie von Herrn Yakigai Kazusuke (?) erworben. Er stellte den Amerikaner William Copeland als Braumeister ein. Dieser ist bereits im Begriff, ein Bier nach deutscher Art zu brauen, doch der Verkauf beginnt erst Ende nächsten Monats.“

Auf diese Weise wurden Copeland und Wiegand, sowie ihre Mitarbeiter, noch von etlichen Brauereiprojekten geworben. Auch die Standorte geschlossener Brauereien wurden Heimstätten neuer Marken und die meist aus Deutschland importierte Ausrüstung wurde von Konkurrenten aufgekauft.

4.3. Sakurada Beer und zunehmender Wettbewerb

Sakurada Beer war eine groß angelegte Marke, die mit viel PR und moderner Technik ein qualitativ hochwertiges Bier, vielleicht das erste solche Bier in Japan, braute und auch großen Absatz fand. 1884 gründete sich ebenfalls in Tokyo der erklärte Konkurrent ‚Asada Beer’ und der Kampf um den japanischen Biermarkt begann. Asada schaltete große Werbeanzeigen in denen es auch die Auszeichnung mit einem Industriepreis betonte, nämlich auf eine Weise die nahe legte, Asada sei das einzige derart ausgezeichnete japanische Bier. Asada führte einen aggressiven Konkurrenzkampf gegen die anderen expandierenden Brauerein, darunter später auch Kirin und Ebisu.[17]

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Bierlokal, 1875

Die Brauereien traten zunehmend in einen PR-Krieg, und so nahmen auch Meldungen wie die folgende zu:

12. Januar 1883, Tōkyō Hibi Shimbun. „Der Beginn von Sakurada Bier der Gärungsgesellschaft, unter der Reinwassertal Handelsgesellschaft [Kiyomizuya Shōkai], jährt sich am kommenden vierzehnten im Graslaubfärbung-Haus. Eröffnet wird die Gala zur Vollendung des fünften Jahres seit der Gründung. Die Gentlemen aller Zeitungen von Asano wurden zahlreich eingeladen und es wird ein rauschendes Fest erwartet.“[18]

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Sakurada von einer der drei bis dahin stark gewachsenen Brauereien aufgekauft, von der Großjapanischen Biergesellschaft (Dai-Nippon Biiru).

Sakurada setzte sich im neuerdings hart umkämpften Biermarkt auch gegen andere Konkurrenten zur Wehr. So ist in zeitgenössischen Zeitungsartikeln durchweg ein Ton der Angst vor ausländischen Marken zu spüren. So erschien 1886 folgender Artikel in der Chūgai Bukka Nippō (In- und Auslandspreisnachrichten):

4. August 1886. „In Japan ist es in jüngster Zeit beliebt, deutsches Bier zu trinken. Den Trend, mehr und mehr Bier zu importieren beobachtete der Hamburger Karl Roth und plant, baldmöglichst eine Brauerei in Yokohama zu eröffnen, mit der nötigen Technik zu bestücken und eifrig deutsches Bier zu brauen. Dieses wird zu einem niedrigen Preis verkauft und setzt natürlich die Importbiere, aber auch im Inland gebraute Biere aller Sorten unter Druck. Er bat auch Japaner um ihren Rat und verfügt auch über Bürgen und Fürsprecher. (…) Sollte der Einfluss auf unsere bedrängten Brauereigesellschaften (Sakurada, andere Hersteller qualitativ guter Biere) nicht gering sein, werden unsere Unternehmer stärker als jetzt ihre Linie verfolgen und durchsetzen.“

Daraufhin ist von folgender Reaktion von Seiten der Sakurada Brauerei zu lesen:

13. August 1886, Tōkyō Hibi Shimbun. „In unserem Land ist jüngst die Zahl derer, die Bier trinken, groß, weshalb die Zahl der Importe kräftig steigt und der Deutsche Karl Roth ankündigte in Yokohama eine Brauerei zu errichten, recht viel deutsches Bier zu brauen und billig zu verkaufen. (…) Sakurada Biergesellschaft, auch: Gärungsgesellschaft, kündigte die Verbesserung ihrer Braumethode an und, sollte die Errichtung dieser Brauerei zustande kommen, werde man in einen unermüdlichen Wettkampf treten und Erneuerungen an der Brauerei usw. vornehmen.“

Man kann nun wohl sagen, dass ab den 1880er Jahren Bier zu einem begehrten, weitestgehend lokal hergestellten Produkt, im Vergleich zum importierten Luxusgut der ersten Jahre, geworden ist. INAGAKI listet mindestens siebenundachtzig so genannte „Schaumblasenbiere“ (da sie ebenso schnell wieder verschwanden) auf, welche in jener Zeit existierten, davon allein siebenundzwanzig in der Region Tokyo.[19]

Was folgte war die Formierung monopolisierter Brauereigesellschaften und ihre regionale Verteilung untereinander.

4.4. Sapporo Beer

Bereits zu Beginn der 1870er Jahre entstand in der Hokkaidō Entwicklungsabteilung der Plan, auf Hokkaidō eine Brauerei zu errichten. Anlass dazu war unter anderem der Besuch einer Delegation der Entwicklungsabteilung in Amerika, wo man sich über Agrarfragen beriet. Den Herren wurde nahe gelegt, auf Hokkaidō Hopfen zu ziehen und Bier zu brauen, da das dortige Klima ideal dafür sei.[20] In der Tat war es schwierig, auf Hokkaidō Reis anzubauen, und somit den japanischen Sake zu brauen, und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass Hokkaidō schon bald für das Bierbrauen berühmt werden sollte.[21]

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Eröffnung der Brauerei in Sapporo, 1876

1875 wurde Nakagawa Seibei als Braumeister eingestellt. Nakagawa lernte Bierbrauen in Berlin-Fürstenwalde bei der Tivoli-Brauerei und erwarb dort auch seinen Meisterbrief.[22] Nach langem Hin und Her wurde 1876 die „Brauerei der Entwicklungsabteilung“ in Sapporo eröffnet. Auf dem Foto, aufgenommen aus Anlass der Eröffnung, posieren alle vierundzwanzig Mitarbeiter vor dem heute noch existierenden Gebäude im Stil deutscher Backsteinbrauereien neben einem Stapel von Bierfässern, jedes mit einem Schriftzeichen beschrieben: „Verarbeitet man Weizen und Hopfen, wird daraus der ‚Bier’ genannte Schnaps.“[23] Sicherlich eine Idee Nakagawas, beeinflusst von den Bräuchen in deutschen Brauereien.

UEDA weist darauf hin, dass Nakagawa mit der Einführung seiner deutschen Bierbrautechniken den Standard für das Brauen in Japan setzte. Einerseits sollten sich deutsche Biere (untergärige) im Laufe der Zeit als beliebter gegenüber den englischen (obergärigen) erweisen, aber auch die Architektur der Brauereien wurde, bis hin zu den klosterartigen Bleiglasfenstern, aus Deutschland übernommen. Und auch die Wertschätzung für ein reines Bier, das nicht mit anderen Flüssigkeiten gemischt werden sollte, hat sich in Japan ausgeprägt, zusammen mit dem Leitspruch, der Stolz und Tradition der Brauer zusammenfasst: Mein Bier ist das einzig gute Bier![24]

Das Bier aus Sapporo bekam umgehend hervorragende Kritik und konnte seine Produktion schnell steigern. So äußerte sich auch Nakagawas ehemaliger Lehrmeister, Johann Zimmermann, von der Tivoli-Brauerei:

„Sapporo Bier ist ein wahrhaft exzellentes Bier. Für ein japanisches Bier ist es sehr klar, es hat keinen Ausfall und die enthaltene Kohlensäure ist ausreichend. Es gibt keinerlei Mankos.“[25]

1881 besucht auch der Meiji-Kaiser auf einer Hokkaidōrundreise die Brauerei in Sapporo. Er verkostete ein Bier, befand es für gut und angeblich soll er noch am selben Abend ein Fas in sein Hotel geordert haben.

1886 entschließt sich die Entwicklungsabteilung die Brauerei in private Hände zu übergeben. Sie wurde von der Ōkuragumi Handelsgesellschaft erworben und zur heutigen Sapporo-Brauerei ausgebaut.

Inzwischen ist die Brauerei selbst zu einer Attraktion geworden und so findet sich im selben Jahr folgender Abschnitt in einem Hokkaidō Reisetagebuch in der ‚Tōkyō Hibi Shimbun’:

11. September 1886. „(…)Am berühmtesten ist hier in Hokkaidō die Brauerei und auch wir freuen uns darauf. Letztes Jahr wurde noch viel nach Tokyo geliefert und man stand im Wettstreit mit Sakurada Bier, doch heute sieht man in Tokyo keine einzige Flasche mehr. Was mag wohl der Grund dafür sein?

Wirft man einen Blick in die Brauerei, fällt einem gleich die Reinlichkeit und Weitläufigkeit auf. Im ersten Raum wird das Getreide gekeimt, danach kommt ein Trockenraum. Ein zwei Räume weiter entsteht in verschiedenen Maschinen und durch chemische Prozesse, nach und nach das Bier, welches in Fässer gefüllt und im Kühlraum verstaut wird. Betritt man den Kühlraum oder Lagerkeller, nimmt jeder eine Kerze und man fühlt sich, als führe man herab in ein Erzbergwerk. In diesem Raum lagert es einige Monate und wird dann verkauft. Gegenwärtig produziert man 1000 Koku[26], der Preis für ein Dutzend liegt einem Yen und sechzig Sen. Wir trinken an Ort und Stelle und bewundern die Schönheit des Geschmacks im Lagerkeller. Doch, unglücklicherweise, transportiert man dieses Bier auf den Markt und einige Monate vergehen, bildet sich, durch chemische Veränderungen hervorgerufen, auf dem Boden der Flasche ein Kranz, ähnlich wie Gelee. Deshalb wird es nicht in entfernte Gegenden geliefert, sondern überwiegend in Sapporo, Otaru, Hakodate und anderen Orten der Gegend bis hin zum südlichen Tsugaru hin verkauft, sagt man uns. ( … )“

Es war zu dieser Zeit noch nicht gelungen, mit der vorhandenen Technik, ein lange haltbares Bier zu brauen, welches nicht ausflockt. Aus diesem Grund war es auch ganz natürlich, dass sich hauptsächlich drei große Brauereigesellschaften herausbildeten, mit den Einflusssphären Hokkaidō, Kantō und Kansai.

5. Werbung und Reklame

Die ersten Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften der frühen Meijizeit waren Anzeigen von ausländischen Handelshäusern, die, meist nur vorübergehend oder unter anderem, Bier importierten. Unter den importierten Bieren erfreute sich, wie bereits erwähnt, das englische ‚Bass Pale Ale’ besonders großer Beliebtheit.

Schon 1861 erschien eine Anzeige der in Yokohama ansässigen ‚O.H. Baker Handelsgesellschaft’, die den Verkauf von Fässern ‚Bass’ anpries. 1869 findet sich in der in Yokohama verlegten ‚Mangoku Shimbun’ eine Anzeige des Handelshauses „Edward’s“, ansässig im Ausländerviertel Yokohamas, das in Japanisch „Bakushu“ (Bier) feilbietet.[27]

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Bierhalle, 1887

Der deutsche Händler M. Raspe war lange der Alleinimporteur deutscher Lagerbiere. Eigentlich handelte er mit Medizin, Erdöl und kleineren Gebrauchsgegenständen und exportierte Reis, Getreide, Metalle und Tuche. Bier bot er nur als kleineres Geschäft an, da der Absatz unter den Ausländern Yokohamas gewiss nicht überwältigend war. So bewarb er 1886 in der ‚Tōkyō Yokahama Mainichi Shimbun’ den Import von ‚Flensburg Stock Beer’ (mit englischsprachigem Etikett) als das „weltweit erstbeste Lagerbier“ und preist den Geschmack und die Qualität im anschließenden Werbetext. Er warnt auch vor Leuten, die „in jüngster Zeit irreführende Produkte anbieten“[28], also gefälschte Biere lokaler Provenienz. Ergänzend ist eine Flensburger Bierflasche abgebildet.

Bierwerbung in der Meijizeit war zunächst sehr knapp gehalten und enthielt meist eine Abbildung der Bierflasche, den Markennamen, Preise für kleine und große Flaschen und die Anschrift des Händlers oder der Geschäfte, wo man dieses Bier kaufen konnte. Mit zunehmender Konkurrenz wurden längere Werbetexte hinzugefügt, die ebenfalls unterschiedliche Stadien durchliefen.

Die ersten Werbetexte enthalten meist zwei Dinge: 1. die Verknüpfung mit dem westlichen Ausland und 2. die positive Wirkung auf die Gesundheit.

Ein Beispiel dafür ist eine Anzeige vom 25.11.1884 in der ‚Jiji Shimbun’ für ein Bier der Wilhelm Remmer Brauerei, Bremen, beworben als ‚Kriegsschiff Bier’ (gunkan biiru):

In Deutschland gebraut – Werbung für Kriegsschiff Bier – Dieses Kriegsschiff Bier stammt aus Deutschland von der in Bremen ansässigen Herrn Wilhelm Remmer Brauerei und hat den süßen Geschmack eines echten deutschen Bieres. Wegen seines geringen Alkoholgehalts schadet es nicht dem Körper. Andererseits fördert es die Verdauung und regt den Blutkreislauf an. Aufgrund dieser Wirkung ist es mit anderen Worten unter den Bieren in Japan wie kein anderes. (…) Yokohama 180 Grosser Handelsgesellschaft. (…)“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anzeige für ‚Wilhelm Remmer - Kriegsschiff Bier’, 1884

Die Anzeigen waren stets in Japanisch und griffen offenbar schnell die japanische Obsession mit natürlichen Gesundheitsmitteln und Medikamenten auf. Auch war „gebraut in Deutschland“ bereits ein Gütesiegel, auf das bei deutschen Bieren stets hingewiesen wurde.

Auch das japanische ‚Table Beer’ weist auf seine gesundheitliche Wirkung hin, schlägt aber noch einen anderen Ton an, nämlich ausländischen Produkten die Stirn bieten zu wollen:

„Die Nachfrage des nach Japan eingeführten Bieres steigt mit Tag und Monat, doch es entspricht nicht dem Geschmack der Menschen unseres Landes. Häufig hat es eine gesundheitliche Wirkung auf den Körper, natürlich auf den Magen, aber auch regt es den Kreislauf an und belebt den Geist. Jedoch, wer wünscht, dass die Produkte unseres Landes die ausländischen überwältigen, findet kein Produkt vergleichbarer Qualität. Die Inhaltsstoffe sind den westlichen in keinem Punkt unterlegen, schließlich beruht das Brauverfahren auf wissenschaftlicher Forschung und man kann sagen, das Ergebnis ist eine vollkommene Braumethode. Nach langen Jahren nicht zufrieden stellender Qualität in den Geschäften, stellten wir als Meister einen erfahrenen Europäer[29] ein zur Verbesserung des Brauens. (…)“[30]

Dieser Ton, die Verdrängung ausländischer Marken noch vor der der inländischen Konkurrenz zu stellen, hält sich lange in sämtlichen Anzeigen japanischer Biere. Dennoch wird nicht auf die prestigeträchtige Mitwirkung von Ausländern verzichtet, wie auch der Titel einer Werbung für ‚Tōyō Beer’:

„Von einem Deutschen gebraut – Oberste Weltklasse – Tōyō Bier Verkaufsbeginn“[31]

Nach wie vor warben japanische Brauereien deutsche oder amerikanische Braumeister an, bzw. entsandten Japaner zur Lehre nach Europa. Auch trachtete man danach, die eigenen Produkte am geübten Gaumen der Europäer zu messen. Wie schon in der oben aufgeführten Kritik der Tivoli-Brauerei an Sapporo Bier, so auch in diesem Zeitungsartikel:

Ebisu Bier – auch gutes Urteil von Ausländern – Das mit der Japan Bierbraugesellschaft in Verbindung stehende Ebisu Bier wird nach wie vor auch von vielen Ausländern gemocht. Umgestiegen auf Lagerbier, wurde der Verkaufweg bemerkenswert erweitert. Auch Ausländer, die sich im ‚Imperial Hotel’ aufhielten, kauften es alle. Lagerbier übt einen enormen Einfluss [auf den Markt] aus.“[32]

Den Siegeszug japanischen Bieres kündigt ‚Kirin Beer’, hervorgegangen aus Copelands Brauerei und als ‚Japan Beer Limited’ gegründet von dem Engländer J. Dodds mit Geschäftssitz in Hongkong, in einer Anzeige von 1890:

„(…)Ausländische Biere werden allerorten importiert, doch nun sinkt die Kraft und der Absatz ausländischer Biere (…) Kirin Bier senkt den Import ausländischer Biere und öffnet umgekehrt Vertriebswege für Bier von Japan nach Korea, Wladiwostok, Shanghai, Hongkong, Tianjin, Shandong, (…), Xiamen, Manila, Saigon, Singapur, Batavia[33], sowie ins indische Colombo und Kalkutta (…)“[34]

Die Aufzählung der Importdestinationen wird nun ein wichtiger Bestandteil der japanischen Brauereien, die in den 1890er Jahren ungleich größer sind als ihre Vorgänger in den Jahren zuvor. Auch weist man nun gern auf technischen Fortschritt und die besondere Hygiene der eigenen Brauerei hin. Diese Tatsache lässt auch Rückschlüsse darauf zu, unter welchen Bedingungen Bier zuvor gebraut wurde, wie wir bereits aus den Erinnerungen des Amerikaners Fullst ersehen konnten.

Die wachsenden japanischen Brauereien führen auch eher grafiklastige Werbeanzeigen ein. So erscheint 1889 eine Anzeige von Sakurada Beer in einer Jugendstilgestaltung, die dafür sehr wenig Text enthält.[35] Zu einer neuen Größenordnung treibt es Ebisu mit unten stehender Anzeige, erschienen am 10.09.1891:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Ebisu-Bier ist in der Hygiene richtungweisend. Zutaten werden sorgfältig ausgewählt, veredeln dieses Gebräu und stellen den herrlichen Geschmack her. Insbesondere die Vielzahl der enthaltenen Nährstoffe stellen es fast auf die gleiche Stufe wie Kuhmilch und dergleichen mehr. Es trifft den Geschmack aller Herrschaften in nah und fern und gewann als erstes fernöstliches [Bier] einen Preis[36]. Nun nehmen mit jedem Tag des Verkaufs die Verbraucher zu und ehrfürchtig bemerken wir, dass uns das

Innere Hofamt die Ehre zuteil werden lässt, unser Produkt zu nutzen. Durch unser expandierendes Vertriebsnetz erreichen wir natürlich auch Regionen im fernen China. Guangdong, Hongkong, Shanghai und andere wichtige Regionen werden von uns beliefert und wir fügen jeden Tag mehr hinzu. Die höchsten täglichen Verkaufszahlen erreichen tausende Dutzend Stück und mehr und gereichen unserer Mutterfirma zur Ehre. Deshalb möchten wir zur kleinen Belohnung unserer geliebten Kunden in nah und fern noch mehr Achtung und Übung dem Brauen eines vollkommenen und schönen Produktes widmen. Wir zielen auf die größtmögliche Annehmlichkeit unserer geliebten Kunden ab und liefern bis in jeden Laden für westliche Spirituosen auf dem Land. In diesem Sinne, möchten wir uns weiter verbessern und Ihrer wie sehr auch immer wachsenden Nachfrage gerecht werden. Ergebenst“

Besondere Großverkaufsorte in Tokyo:

[es folgen Adressen und Namen der Händler]

Damit sind wir am Ende der Pionierzeit des japanischen Bieres angekommen, bevor die Produktion sich zu einer ausgewachsenen Industrie steigert. Und, ironischerweise, ist der Beginn dieser Zeit auch durch die Einführung der Biersteuer gekennzeichnet, die bis heute die höchste ihrer Art in der Welt ist. Lange stritt die japanische Bierindustrie ab, einen Alkohol im eigentlichen Sinne zu brauen und somit eine Steuer entrichten zu müssen. Doch die Kosten des Sino-Japanischen Krieges 1894/95, sowie die Vorbereitungen auf den Russisch-Japanischen Krieg zehn Jahre später (1904/05) bewog die japanische Regierung zur Durchsetzung der Steuer, die zunächst mit damals sieben Yen festgelegt wurde, wie aus der folgenden Verkündung der ‚Behördennachrichten’ (Kanpō) am 30.März 1901 zu ersehen ist:

„WIR (der Kaiser) haben durch die Absegnung des kaiserlichen Parlaments das Gesetz zur Biersteuer beschlossen und geben es hier bekannt. (…) >Der Premierminister des Kabinetts Markgraf Itō Hirobumi Der Finanzminister Vizegraf Watanabe Kunitake[37]

Gesetz Nr. 12

Gesetz zur Biersteuer

§1 Auf Bier wird, gemäß des Grundgesetzes, eine Steuer erhoben.

§2 Bier herstellende Personen haben, für jeweils eine Produktionsstätte, von der Regierung eine Erlaubnis einzuholen. Bei Einstellen der Produktion haben sie das Erlöschen der Erlaubnis zu ersuchen.

§3 Die Biersteuer beträgt sieben Yen pro ein Koku[38] ; je nach Anzahl der produzierten Koku wird dies von den herstellenden Personen eingezogen. (…)

6. Schlussbetrachtung

Ich denke, Bier hat als ein Beispiel eines eingeführten westlichen Produktes deutlich gemacht, wie in der Meijizeit neue Dinge aufgegriffen, nachgeahmt wurden und als japanisches Produkt schließlich das Original verdrängt haben. Es erübrigt sich zu bemerken, dass Bier heute ein selbstverständliches Getränk mit hohem Produktionsvolumen in Japan ist. In Getränkekarten japanischer Restaurants, die die Trennung zwischen „japanischem Alkohol“ und „westlichem Alkohol“ führen, wird Bier nicht mehr zu den „westlichen“ Getränken gerechnet, sondern hat seine eigene Kategorie: „Bier“ eben.

UEDA stellt einige Überlegungen an, welche Gründe es haben könnte, dass Bier ein populäres Getränk in Japan wurde. Zunächst einmal, so UEDA, wurde Japan, trotz üppigen Wachstums allerlei Früchte, nie eine Weintrinkende Nation. Alkohol wurde stets aus einem einzigen Getreide gewonnen: Reis. Und der japanische Reisschnaps, Sake, ist fürwahr kein Softdrink. Bier, mit seinen seit nach dem Krieg festgelegten vier Volumenprozent Alkohol, ist also ein geeigneteres Getränk für schwache Trinker.

Es ist interessant zu bemerken, dass Bier auch in den japanischen 17-silbigen Gedichten, den Haiku, ihren Platz haben. Im Haiku sind stets bestimmte Jahreszeitenwörter enthalten, die für jeden Japaner unmissverständlich auf eine bestimmte Jahreszeit hindeuten. Wird „Bier“ erwähnt, so handelt es sich stets um den Sommer. Natürlich wird Bier in Japan auch im Winter konsumiert, doch der Absatz im Sommer ist um einiges höher.[39]

Höchstwahrscheinlich trug auch der schiere Umstand, dass es sich um ein westliches Getränk handelte, zum schnellen Wachsen seiner Popularität bei. Bier zu trinken war für Japaner noch lange ein Symbol der Moderne und Weltaufgeschlossenheit.

Quellenverzeichnis

Brewers Association of Japan Homepage: http://www.brewers.or.jp

INAGAKI, Masami 稲垣眞美 : Nihon no biiru 日本のビール, Tokyo: Chūōkōronsha, 1978.

JACKSON, Michael: Das große Buch vom Bier, Bern: Hallwag Verlag, 1988.

KUSAMA, Shunrō 草間俊郎 : Yokohama yōshoku bunka koto hajime 横浜洋食文化事始め, Tokyo: Yūzangaku shuppan kabushiki kaisha, 1999.

Meiji Nyūsu Jiten 明治ニュース辞典, Tokyo: Mainichi Communications, 1986.

Sapporo Beer Homepage: http://www.sapporobeer.co.jp

UEDA, Toshirō: The Beer-Brewing Industry, in: Japan Quarterly, 1959 Oct-Dec.

Abbildungen

Alle Photographien in: INAGAKI, Masami 稲垣眞美 : Nihon no biiru 日本のビール, Tokyo: Chūōkōronsha, 1978.

Alle Werbeanzeigen in: Meiji Nyūsu Jiten 明治ニュース辞典, Tokyo: Mainichi Communications, 1986.

[...]


[1] Übersetzt aus INAGAKI, p.4; vgl. UEDA, p. 502

[2] ebenda, p.5

[3] ebenda, p.5

[4] http://www.brewers.co.jp/100ka/history/hensen.htm

[5] KUSAMA, pp. 62-63

[6] mittelalterliche Gewichtseinheit

[7] übersetzt aus: INAGAKI, p.11

[8] KUSAMA, p.60

[9] ebenda, p. 73

[10] ebenda, p.70

[11] ebenda, p.71

[12] KUSAMA, pp. 71-72

[13] Der Brauerstern ist ein aus zwei verschränkten Dreiecken bestehender, sechseckiger Stern. Er rührt aus der Klostertradition des Bierbrauens her, als der Vorgang des Brauens noch mystisch war und Zauberei glich. Das nach oben gerichtete Dreieck steht für das Feuer, das nach unten gerichtete für Wasser, die beiden Elemente für das Brauen.

[14] INAGAKI, p.18

[15] Was heute als „Deutsches Reinheitsgebot“ bekannt ist, besaß lange Zeit nur in Bayern Geltung, und auch nicht unter diesem Namen. Die uns heute bekannte Wortschöpfung ist ein Produkt frühestens der 1930er Jahre. Gemeint ist jedoch die Beschränkung auf bestimmte Zutaten und die Erhaltung eines Mindestanteils an Stammwürze, auch wenn dieser je nach Versorgungslage variierte.

[16] übersetzt aus: INAGAKI, p. 33

[17] INAGAKI, p. 121 ff

[18] vgl. INAGAKI ; p. 120

[19] INAGAKI, pp. 118-133

[20] ebenda, p. 40

[21] UEDA, p. 503

[22] Dieser hängt heute im Sapporo Brauereimuseum. Auch viele der ersten technischen Ausrüstungsgegenstände dort tragen Plaketten mit den Namen brandenburgischer Städte.

[23] INAGAKI, p. 46

[24] UEDA, p. 503

[25] übersetzt aus: INAGAKI, p. 47

[26] alte japanische Maßeinheit: 1 Koku = ca. 180 Liter

[27] KUSAMA, p. 96

[28] ebenda, p. 100

[29] vermutlich Copeland

[30] Jiji Shimbun, 29.08.1887

[31] Asano Shimbun, 24.01.1887

[32] Kokumin Shimbun, 01.03.1891

[33] heute: Jakarta

[34] Asano Shimbun, 15.06. 1890

[35] Jiji Shimbun, 29.01.1889

[36] Das entspricht nicht der Wahrheit, doch jedes japanische Bier behauptete dies von sich.

[37] Übersetzung der Adelstitel aus dem Japanischen: goo辞典 (dictionary.goo.ne.jp) und: Hadamitzky: Langenscheidts Handbuch und Lexikon der japanischen Schrift – Kanji und Kana I, 1995. Aus dem Englischen nach: Wikipedia (de.wikipedia.org)

[38] Ca. 180 Liter

[39] UEDA, p. 504

Excerpt out of 32 pages

Details

Title
Über die Einführung von Bier in Japan
College
Humboldt-University of Berlin
Course
Japanische Eßkultur. Ein historischer Überblick mit Textlektüre
Grade
1,3
Author
Year
2005
Pages
32
Catalog Number
V110045
ISBN (eBook)
9783640082223
File size
2311 KB
Language
German
Notes
Eine historische Einführung über die Etablierung von Bier in Japan, die nie lückenlos aufgezeichnet wurde, vom ersten Vertrieb über die ersten Einheimischen Brauereien bis hin zur ersten japanischen Großbrauerei, Sapporo Beer. Außerdem werden zeitgenössische Werbeanzeigen abgebildet und übersetzt.
Keywords
Einführung, Bier, Japan, Japanische, Eßkultur, Textlektüre
Quote paper
Morten Pritzkow (Author), 2005, Über die Einführung von Bier in Japan, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110045

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