Parlamente und kommunale Vertretungen zählen in einer repräsentativen Demokratie wie in der Bundesrepublik Deutschland mit zu den Grundpfeilern unseres Staatswesens.
Die gewählten Abgeordneten in den Parlamenten von Bund und Ländern vertreten im Wortsinne die Bevölkerung bei der Ausübung der Staatsgewalt .
In den Gemeinden wird die Bürgerschaft nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GO durch den Rat vertreten.
Wenn somit die Abgeordneten und Ratsmitglieder die Bevölkerung politisch repräsentieren, stellt sich die Frage, ob die personelle Zusammensetzung einer Vertretung auch in sozialer Hinsicht in Bezug auf z.B. Altersstruktur, Geschlecht, Religion und Erwerbsleben die Pluralität der gesellschaftlichen Kräfte wiederspiegelt oder zumindest eine gleichmäßige oder angemessene Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Gruppen in den Räten und Parlamenten festgestellt werden kann.
Immer wieder wird mit Blick auf Parlamente und Gemeinderäte von 'Beamtenparlamenten' oder dem Übergewicht des Öffentlichen Dienstes gesprochen. Die vorliegende Studie untersucht erstmals wissenschaftlich die Zusammensetzung von Vertretungen im Zeitablauf bei unterschiedlichen Kommunen und stellt diese in den Kontext der Erwartungen und den Anteilen der Berufsgruppen der Bevölkerung.
Dieser Text ist eine Zusammenfassung der vollständigen Buchfassung (s. Online-Buchhandel).
Struktur und Entwicklung der Berufe von Gemeinderatsmitgliedern
Eine empirische Untersuchung im Zeitraum 1946 bis 1999
Von Udo Rosowski
Summery der
Diplom-Arbeit im Fach Statistik;
Eingereicht bei der
Fachhochschule Dortmund
Schon das Paulskirchenparlament von 1848
wurde als Beamten- und Juristenparlament[i] kritisiert. Solche Vorurteile gegenüber Parlamenten oder kommunalen Vertretungen wiederholen sich bis heute regelmäßig.
Diese Vorwürfe, die implizit eine repräsentative Abbildung der Bevölkerung in den Parlamenten oder kommunalen Vetretungen erwarten, waren jedoch meistens nicht statistisch belegt und spiegelten, wenn ihnen überhaupt konkrete Daten zugrunde lagen, immer nur die Zusammensetzung eines einzelnen Rates oder Parlaments wieder.
Die in diesem Aufsatz behandelte Untersuchung stellt eine erstmals durchgeführte empirische Breitenstudie in Form einer Längsschnittunter-suchung zum Zeitpunkt der jeweiligen Kommunalwahlen von 1946 bis 1999 vor.
Grundlage der Studie waren die Wahlergebnisse der Städte Düsseldorf, Gelsenkirchen, Viersen und Willich, der Gemeinde Brüggen und des Kreises Viersen.
Am Anfang der Untersuchung hätte die Klassifi-zierung des Erhebungsmerkmals Berufe stehen sollen. Bereits erste Materialien über Berufe und Berufsbezeichnungen[ii] sowie Einsichten in Kandidatenverzeichnisse machten deutlich, dass eine Klassifizierung erst nach der erfolgten Vollerhebung und Kenntnis der tatsächlichen Berufsangaben möglich sein wird. So kennt allein die Bundesstatistik[iii] 1.689 Berufsklassen. Auch eine rechtliche Bewertung[iv] des Begriffs ‘Beruf’ lieferte keine Indizien für eine sinnvolle Gruppierung. Der Berufsbegriff ist quasi dem Einfallsreichtum des Benutzers anheim gegeben.
Dies belegte auch die spätere Auswertung der Archivdaten. Berufsangaben wie Pächter, Innungs-Obermeister oder Betriebsrat waren keine Seltenheit. Aber auch tatsächliche Berufs- oder Tätigkeitsangaben waren ungeheuer vielfältig. Schließlich erfolgte die Klassifizierung analog zur Wirtschafts- bzw. Arbeits- und Sozialstatistik[v] im Wesentlichen nach der Stellung im Beruf, ergänzt durch Zusatzmerkmale wie Rentner, Hausfrauen und Arbeitslos.
Jeweils eine Klasse bildeten schliesslich: Beamte, unterteilt in Verwaltungsbeamte, Richter, Lehrer(auch als Angestellte) usw., Angestellte im öff. Dienst, Pfarrer bzw. Mitarbeiter im kirchlichem Dienst, Angestellte in gewerkschaftlichen, sozialen od. sonst. Organisationen, Angestellte in der Wirtschaft, Selbständige/Handwerker, Freiberufler, Arbeiter, Hausfrauen, Rentner und Ratsmitglieder ohne Beruf.
Ausserordentlich aufwendig gestaltete sich die eigentliche Datenerhebung. Nur zwei Gemeinden hatten eigene Zusammenstellungen ihrer Ratsmitglieder, in einem Fall (Brüggen) sogar chronologisch nach den Wahlterminen.
In allen anderen Fällen mussten die Daten in den Archiven aus den Amtsblättern erhoben werden. Da hieraus nach den Archivvorschriften nicht kopiert werden konnte, mussten sämtliche Daten vor Ort manuell mittels Lap-Top in eine Excel-Tabelle übertragen werden.
Dies war doppelt aufwendig, da in den Bekanntmachungen der Wahlergebnisse keine Berufsangaben mehr veröffentlicht werden. Diese finden sich nur in den vorhergehenden Bekanntmachungen der Kandidatenlisten. Somit musste in einem ersten Schritt zunächst der/die gewählte Kandidat/in festgestellt und diesem in einem zweiten Schritt aus den vorher veröffentlichten Kandidatenlisten der dort angegebene Beruf zugeordnet werden.
Danach erst konnten die Berufe, getrennt nach Parteizugehörigkeit, den Berufsklassen zugeordnet werden.
[...]
[i] Eyck, Frank: Es waren vor allem Beamte und Juristen, In: Frankfurter Rundschau, 29.Jg. Nr. 89/1973
[ii] Bundesanstalt für Arbeit, Berufe aktuell, Ausgabe 1998/99
[iii] Bundesanstalt für Arbeit, Klassifizierung der Berufe, Systematisches und alphabetisches Verzeichnis der Berufsbenennungen, 1988
[iv] z.B. Alfert/Kühlkamp/Stegemann, Staats- und Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Verlag Joh. Burlage, 1983
[v] Bundesministerium für Arbeits- und Sozialordnung, Statistische Taschenbücher bzw. Bundesministerium für Wirtschaft, Wirtschaft in Zahlen
- Quote paper
- Dipl.-Betriebswirt(FH), Dipl.-Verwaltungswirt Udo Rosowski (Author), 2000, Struktur und Entwicklung der Berufe von Gemeinderatsmitgliedern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110274