Jodo Shinshu. Genese und Lehre einer japanischen Tradition des Mahâyâna sowie ihre Reflexion im Rahmen der Evangelischen Systematik


Mémoire (de fin d'études), 2003

127 Pages, Note: sehr gut


Extrait


Inhaltsverzeichnis

0 Zum Anfang

1 Kurzer Aufriss des vorliegenden Gegenstandes

2 Konstitutive theologische Topoi, kanonisches Schrifttum und Genese einer Tradition
2.1 Essentielle Theologumena des allgemeinen Reinen Land Buddhismus unter Berücksichtigung ihrer philosophischen Verortung
2.1.1 Amida (skt. Amitâbha: Unendliches Licht / skt. Amitâyus: Unendliches Leben) als Fundierung individuellen und kollektiven Heils
2.1.1.1 Exkurs: Die Lehre vom trikâya als Explikation einer Buddha-Ontologie
2.1.2 Sukhâvatî (jap. Jôdo): Das westliche Reine Land Amidas
2.1.3 Das nembutsu als konditionale Methode der Hingeburt ins Reine Land
2.1.3.1 Die Intention des nembutsu
2.1.3.2 Die Frage nach der Realisation und Gründung der Hingeburt
2.1.4 Das Profil von „Glauben“ im näheren Kontext des Reinen Land Buddhismus
2.1.5 Zusammenfassung
2.2 Das Kanonische Schrifttum des Reinen Land Buddhismus
2.2.1 Das sog. Größere Reine Land Sûtra (skt. Sukhâvatîvyûha-Sûtra)
2.2.1.1 Die Gelübde Dharmâkaras (jap. Hôzô bosatsu) als Heilsangebot und soteriologisches Proprium
2.2.2 Das sog. Kleinere Reine Land Sûtra (skt. Amitâbha-Sûtra)
2.2.3 Das Meditations-Sûtra (skt. Amitâyur-dhyâna-Sûtra)
2.3 Das Konstrukt der sog. 7 Patriarchen (jap. shichiso, shichikôsô)
2.3.1 Die Wurzeln im sich ausbildenden indischen Mahâyâna
2.3.1.1 Nâgârjuna (vermutlich 150-250 n. Chr.)
2.3.1.2 Vasubandhu (vermutlich 4. Jh. n. Chr.)
2.3.2 Die Kristallisation des Reinen Land Buddhismus in China
2.3.2.1 T´an-luan (476-542; wahrscheinlich aber 488-554)
2.3.2.2 Tao-ch´o (542-645)
2.3.2.3 Shan-Tao (613-681)
2.3.3 Die Rezeption und schließliche Separation des Amida-Buddhismus aus der bestehenden Mahâyâna-Ökumene Japans
2.3.3.1 Genshin (942-1017)
2.3.3.2 Hônen Shônin (1133-1212)

3. Die Jôdo Shinshû („Wahre Schule vom Reinen Land“) als Anwältin der Totalität von tariki (Andere Kraft)
3.1 Shinran Shônin (1173-1262): Leben und Werk
3.2 Der Paradigmenwechsel in der Theologie Shinrans
3.2.1 „Alles Leben ist Leiden“: Das überlieferte Axiom der „Ersten Edlen Wahrheit“ als Fundament der Mahâyâna-Anthropologie
3.2.2 Die anthropologische Grunddisposition bei Shinran
3.2.3 Mappô als existentiale Destruktion jeder menschlichen Progression sowie als Chiffre des Heilsweges
3.3 Die ontologische Neubewertung Amida-Buddhas
3.3.1 Amida als dichotomer Dharmakâya
3.3.1.1 Zur Interdependenz zwischen Amida und dem historischen Buddha
3.4 Tariki als präveniente Kraft Amidas und die Absolutheit ihres Anspruchs
3.5 Das 18. Gelübde (hongan) als Explikation des intendierten Heils
3.5.1 Shinrans universale Interpretation des senjaku hongan
3.6 Shinjin („wahrer Glaube“, „wahres Vertrauen“) als Donum des Buddha und seine Objektivation im nembutsu
3.6.1 Die Bekehrung des Herzens
3.6.1.1 Die Trichotomie des „Einen Herzens“
3.7 Die oszillatorische Soteriologie als Gipfelpunkt des Bodhisattva-Ideals
3.7.1 Der präsentische Immanenz-Charakter von ôjô
3.7.2 Der futurische Transzendenz-Charakter von ôjô
3.7.3 Die Rückkehr in die phänomenale Welt als Verwirklichung des unüberbietbaren Bodhisattva-Mitleids
3.8 Schlussbetrachtung

4 Notizen aus protestantisch-theologischer Sicht
4.1 Der „protestantische“ Shin und Shinran als „japanischer Luther“: Eine protestantische Projektion?
4.1.1 Kurzes Streiflicht auf eine schwierige Geschichte
4.1.2 Zum Problem der Applikation eines protestantischen Geschichtsbildes
4.2 Zwei exemplarische Antworten aus der evangelischen Systematik
4.2.1 Karl Barth
4.2.2 Katsumi Takizawa
4.3 Ausblick: Auf der Suche nach einer trans-kontingenten Basis der Begegnung

Literaturverzeichnis

0 Zum Anfang

Warum dieses Thema?

Das Aufeinandertreffen des sog. Westens mit der großen missionarischen Religion der indisch-südost-asiatischen Kulturräume – dem Buddhismus – erfolgte seit dem 19. Jh. (teils schon früher) in mehrfachen Wellenbewegungen. Zunächst gezeichnet vom Staunen ob dessen Andersartigkeit, über die Idealisierung im Rahmen eines romantisierenden Orientalismus, bis hin zur bedenklichen Affinität mancher Exponenten des deutschen Nationalismus und gar späteren Nationalsozialismus, reichte die Palette der Annäherungen – oder vielleicht treffender – der diversen Rezeptionsversuche, welche ihrerseits oftmals aufgrund ihrer Fragmentarität den latenten Keim der Missinterpretation geradezu in sich tragen mussten.[1]

Die Wellenbewegungen sind nicht zur Ruhe gekommen, sondern gehen derzeit in verstärktem Maße, angefacht u.a. durch mannigfache Publikationstätigkeit im Rahmen der sog. Esoterik, weiter. Und wiederum manifestieren sich – ob intentional oder aus Ermangelung besseren Wissens – altbekannte quasi Verklärungen des Themas. Der Buddhismus wird beispielsweise immer noch als ein in seiner Geschichte weitestgehend Friedfertiger[2] und ausschließlich Toleranter[3] respektive der inhaltlichen Akkomodation unter jeglichen Umständen Fähiger dargestellt, oder es wird in bestimmten Kreisen der telegene Mythos unentdeckter Königreiche in abgeschiedenen Tälern des Himalaya strapaziert. In meiner persönlichen – selbst in Wellenbewegungen stattgefunden habenden – Auseinandersetzung mit dem Buddhismus erschien mir eine bedeutende Tradition des Mahâyâna immer wieder als der – um etwas salopp die Himalaya-Terminologie zu bemühen – gleichsame „Yeti“ der öffentlichen Buddhismusrezeption: Der Reine Land Buddhismus,welcher gerne auch als typisch „protestantischer Buddhismus“ bezeichnet wird. Dies ist um so unverständlicher, zumal diese Tradition und Denkrichtung innerhalb des Mahâyâna eine durchwegs prominente Stellung einnimmt und eine ganz spezifische japanische Ausprägung des 13. Jh., die Jôdo Shinshû, welche der Gegenstand dieser Diplomarbeit sein soll, traditionell eine der profiliertesten Denominationen innerhalb der japanischen Geschichte wiewohl Gegenwart darstellt. Begleitendes Ziel ist es aber auch, quasi eingeschliffenen „Urteile“ – oftmals von christlicher Seite – über „den“ Buddhismus (er sei eine gott-lose Religion, zumal er die Frage nach einem personalen, transzendenten Gegenüber nicht stelle, oder er vertrete eine Lehre der Selbsterlösung [4] ) zumindest teilweise durch das Aufgezeigte in Frage zu stellen.

Auf die seit einigen Jahren beständig anwachsende Literatur, welche sich bemüht, eine dialogischen Brücke zwischen dem Buddhismus allgemein und dem Christentum zu schlagen (z.B. F. Buhri, M. v. Brück, einzelne Rezipienten der sog. Kyoto-Schule), kann wegen der m.E. zu geringen Relevanz dieser Entwürfe bezüglich des vorliegenden Gegenstandes nicht explizit eingegangen werden. Allerdings werden im Verlauf der Arbeit mitunter am Rande solche (m.E. durchaus inhaltlich problematischen) Versuche berührt, auf einer „speziell eingezogenen hermeneutischen Ebene“ (etwa der „existentialen“, oder „symbolischen“ Neuinterpretation) Buddhismus und Christentum miteinander zu verschränken, oder in Beziehung zu bringen. Auch die Diskussion einer sog. „Pluralistischen Theologie der Religionen“ kann/soll an dieser Stelle nicht geführt werden.

Zu Methodik und Aufbereitung:

Abgesehen vom Umstand, dass ich methodische Reflexionen immer dann, wenn es mir zweckdienlich erschien, an geeigneter Stelle innerhalb der Arbeit reflektiere, sei an dieser Stelle eine kurze Rechenschaft über mein methodisches Vorgehen abgelegt.

In der Auseinandersetzung mit anderen Traditionen religiöser Dimension [5] stößt man unweigerlich auf die Frage nach einer zweckdienlichen, den Darzustellenden möglichst unvoreingenommen reflektieren könnenden Terminologie. Dies ist aber bloß eine Ebene der Auseinandersetzung, zumal immer dann, wenn religiöse Traditionen in Dialog treten wollen, die Frage nach einem gemeinsamen terminologischen Referenzrahmen als Basis einer interreligiösen Hermeneutik aufgeworfen werden muss. Nun ist wohl anzumerken: Wenn ein die christliche Theologie Studierender sich zum Ziel setzt, eine „fremde“ Tradition zu erschließen, so ist - mit H.G. Gadamer –bereits so etwas wie eine Dimension des zumindest implizit Dialogischen zwischen dem theologischen Horizont des Schreibers und dem Horizont des Gegenstandes zu unterstellen. F. Stolz gesteht der Suche nach einer religionswissenschaftlichen Meta-Sprache innerhalb der Religionsphänomenologie einen wichtigen Stellenwert zu.[6] Die Suche nach einer Sprache zweiter Ordnung, vermittels derer ein Phänomen auf einer synchronen Ebene verankert wird, um hernach einen historischen Kontext des Phänomens zu erschließen, verweist auf die größtenteils rekonstruktive Vorgehensweise der Religionswissenschaft selbst. F. Stolz erkennt in der Sprache der Religionen selbst einen Anknüpfungspunkt für die Entwicklung einer Metasprache. Natürlich ist hierbei auch der Blick auf die je eigene terminologische Verortung des Untersuchenden innerhalb seines religiösen Kontextes zu richten.[7]

So ist die Verwendung von „getauften“ Begriffen wie etwa Glaube, Gnade, Soteriologie, Heil, Transzendenz, Immanenz etc. in der vorliegenden Arbeit sicherlich ein zu beachtendes Problem, welches zur vorsichtigen Applikation anhält. Andererseits ist aber die Frage offen, vermittels welcher Terminologie sonst einem im Christentum sozialisierten Leser Kernaussagen einer anderen Tradition verdeutlicht werden sollen; zumal in der mir vorliegenden Literatur jedenfalls keine „Meta-Terminologie“ erkennbar ist, die versuchte, eventuelle inhaltliche Präskriptionen zu minimieren (oftmals ist eher das Gegenteil der Fall!). Vielmehr wird in der Literatur scheinbar relativ unbefangen mit den obigen „getauften“ Termini bei der Deskription buddhistischer Sachverhalte umgegangen. Um vorschnelle Parallelisierungen zwischen dem Christentum und der Jôdo Shinshû aber möglichst zu vermeiden, habe ich Vergleiche mit distinkt christlichen Topoi bei der Darstellung der buddhistischen Inhalte möglichst unterlassen und, wo sinnvoll, mich der fremdsprachigen Termini bedient. Auch wenn in der Literatur für die Systematik der buddhistischen Glaubenslehre/n oftmals (aber nicht durchgängig!) der Begriff „Buddhologie“ in Abgrenzung zu „Theologie“, zumal damit die Vorstellung eines personalen Gottesbildes verbunden wird, Verwendung findet, habe ich mir dennoch erlaubt, „Buddhologie“ durch den ungleich vertrauteren, wenngleich klarerweise nicht völlig adäquaten, Begriff „Theologie“ zu ersetzen. Er umschreibt an dieser Stelle nicht das christlich-konnotierte Reflektieren des biblischen Zeugnisses, sondern vielmehr bezieht er sich – so er im Kontext des Buddhismus Verwendung findet – auf das reflektierende Denken im Rahmen der buddhistischen Systematik/en. Theologie bezeichnet ergo in diesem Zusammenhang einen „Rahmenterminus“ für den je intra-traditionellen Reflexionsvorgang, und nicht „die Lehre von Gott“.

Insofern in der vorliegenden Arbeit allgemein-buddhistische Termini eingeführt werden, beschränke ich mich zumeist auf ihre inhaltlichen Prägung im Zusammenhang des Reinen Land Buddhismus, zumal eine erschöpfende Behandlung aufgrund der zumeist umfangreichen Bedeutungsspektren den Rahmen sprengen würde.

Die hermeneutische Basis der vorliegenden Arbeit ist ein historisch-deskriptiver Ansatz, welcher versucht, teils unter Berücksichtigung der soziologisch-politischen Hintergründe, die grundlegende Herleitung der Jôdo Shinshû in ihrer Genese darzustellen, wiewohl sodann die ihr eigene Systematik vermittels der grundlegenden Topoi zu veranschaulichen. Dabei sollen auch etwaige Problembereiche dieser Systematik, welche in der verwendeten Literatur zumeist wenig bis keine Beachtung finden, angesprochen werden. Gleichzeitig ist es meine Absicht, anhand einiger paradigmatischer Spots die historische und theologische Hermeneutik der Jôdo Shinshû selbst in ihrer inhaltlich-historischen Redlichkeit zu hinterfragen. Die Arbeit eines religionswissenschaftlichen Vergleiches zwischen dieser Schule des Buddhismus und dem evangelischen Christentum und ihren Theologien kann an dieser Stelle nicht erfolgen.

Die Intention ist hingegen die Erschließung und Vorstellung einer „etwas anderen Art“ von Buddhismus, und ihre historische (und anschließend persönliche) Kurzreflexion aus „evangelischer Sicht“.

So stehe zu Beginn eine Einleitung sowie anschließende historische Verortung dieses speziellen Traditionsstranges des Buddhismus, um hernach in größeren Zügen die durch Shinran Shônin im 13. Jh. grundgelegte „Theologie“, welche einen Höhepunkt der Entwicklung des Mahâyâna darstellt – mit einem leichten Fokus auf die Glaubens-Soteriologie – vorzustellen. Die Sonderheit der Jôdo Shinshû („Wahre Schule vom Reinen Land“) innerhalb des ungleich mehrgestaltigeren Reinen Land Buddhismus einerseits, wie die daraus resultierende Bedeutung gerade für die christlich-protestantische Theologie andererseits, sollen aufgezeigt werden. Dabei soll auch die schwierige Geschichte der Begegnung angeschnitten werden, um hernach zwei prominente und exemplarische evangelische Positionen vorzustellen.

Im Anschluss daran wird versucht werden, auf der – sicher nicht ganz unumstrittenen – Ebene der religiösen Grunderfahrung, welche mir als dienlich im Rahmen einer interreligiösen Hermeneutik erscheinen mag, in einer persönlichen Reflexion zu hinterfragen, ob es ein Einigendes in der religiösen Grunderfahrung zwischen den Gläubigen beider Religionen geben kann. Eine Begleiterscheinung dieses Vorgangs ist mitunter, dass durch die versuchte Rekonstruktion des immanenten Anspruchs der buddhistischen Texte, diese eine Herausforderung für die christliche Theologie selbst werden können.[8] Somit erscheinen mir in Anschluss P. Schmidt-Leukel die Evidenz und der Stellenwert der theologischen Fragestellung innerhalb der interreligiösen Hermeneutik als berechtigt.[9] Insofern wird, wie später noch angemerkt sein soll, die Prämisse, man könne eine Religion nur verstehen, insofern man selbst an sie glaube, in ihrem Anspruch auf Gültigkeit zurückzuweisen sein.

Im Ansetzen bei den sog. religiösen Grunderfahrungen kann auf der Ebene einer Theologischen Anthropologie eine Möglichkeit der Begegnung und des gegenseitigen Verstehens eröffnet werden.[10]

Allgemeines:

Besonders im historisch-genetischen Part wird v.a. in den Fußnoten versucht, solche Erklärungen zur Verdichtung des Gebotenen anzumerken, welche als dem Gesamtverständnis dienlich zu erachten sind.

Darüber hinaus habe ich mich bemüht, möglichst schon anfänglich für die reflexionsnotwendigen Termini deren japanische Entsprechungen im laufenden Text zu verwenden bzw. einzelne Termini und Personennamen innerhalb der vorliegenden Arbeit in gleichbleibender Weise (unter evtl. Zusatz anderssprachlicher Äquivalente) zu benennen, um eine Begriffsverwirrung auf Seiten des Lesers möglichst zu vermeiden.

Für die Umschreibung japanischer Begriffe wird das (modifizierte) Hepburn System verwendet, allerdings mit der Erleichterung, dass ich mir erlaubt habe, wie allenthalben auch in der Literatur anzutreffen, das Längungszeichen „ ¯ “ durch ein schlichtes „ ^ “zu ersetzen. Zur Transkription der chinesischen Termini und Namen folgt diese Arbeit – in Anlehnung an die größtenteils verwendete englischsprachige Literatur - dem Wade-Giles System. Die Umschreibung der Sanskrit-Begriffe bedient sich einer vereinfachten Form, welche auf diakritische Zeichen verzichtet.

1 Kurzer Aufriss des vorliegenden Gegenstandes

Der Reine Land Buddhismus als gesonderte Lehrtradition, ist eingebettet in und umrahmt vom Mahâyâna-Buddhismus. Von diesem bezieht er seine evidenten religiösen und philosophischen Termini und die damit korrelierende Systematik – ein Umstand, welcher v.a. in den für ihn autoritativen kanonischen Schriften anschaulich wird. Konstitutiv für den Mahâyâna ist kein „Gründungsjahr“, vielmehr ist er selbst das Ergebnis einer allmählichen, multifaktoriellen, inhaltlichen Absetzungsbewegung von der/n damals vorherrschenden Lehrtradition/en, deren Beginn mit größerer Unschärfe auf das 1. Jh. v. Chr.[11] in Indien zu datieren ist.

Obschon die Verwendung der Selbstbezeichnung Mahâyâna zumindest indirekt dessen inhaltlich-systematische Homogenität zu suggerieren geeignet wäre, ist gerade für diese Tradition des Buddhismus das Gegenteil zu konzedieren.[12] Er ist durchwegs divers konstituiert, wird aber gleichwohl in erklecklichen Teilen getragen von einer einigenden Implikation: der Aufwertung der Laienfrömmigkeit.[13] In einer quasi Erstreckung der „Heilslehre“, wird den Laien eine Fülle von „Erleuchtungswesen“ (skt. Bodhisattva) zur Hand gegeben, welche auf ihr jeweiliges Eingehen ins Nirvâna solange zu verzichten geloben, bis alle anderen Wesen den selben Zustand erlangt haben.

Jeder, ob Laie oder der monastischen Disziplin Unterworfener, kann/soll dem „Bodhisattva-Pfad“ folgen, um auf solche Weise selbst die Progression hin zur eigenen Buddhaschaft voranzutreiben, sodann selbst auf den Eingang ins Nirvâna zu verzichten, um durch die tätige Mithilfe alle anderen Wesen auf ihrem spirituellen Weg dorthin zu unterstützen.[14] Verbunden mit dem hingebungsvollen - von der buddhistischen Tugend des Mitleids geformten - Bodhisattva-Ideal ist im Mahâyâna die Anschauung von der Existenz zahlloser „immanenter“ und „transzendenter“ Buddhas in wiederum zahllosen diesseitigen wie transzendenten Welten eigen. Differenziert wird weiters in Buddhas vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Welten und Zeiten. Den konstituierenden Rahmen dafür bildet eine ausgefeilte Kosmologie als Elaborat einer längeren Synthese einzelner Entwürfe.

Entsprechend der sich darbietenden ideengeschichtlichen Vielgestaltigkeit des Mahâyâna erscheint auch sein über etliche Generationen verfasstes und kompiliertes kanonisches Sûtren-Schrifttum besonders umfangreich und in se mitunter ebenso divergent. Die unterschiedlichen Richtungen innerhalb des Mahâyâna erachten – als Ausformung der intrasubjektiven Pluralität des Mahâyâna – auch teils unterschiedliche Sûtren als für die eigene Lehre besonders verbindlich.

Im Zentrum des gegenständlichen Reinen Land Buddhismus und seiner religiösen Praxis steht der Buddha Amitâbha (skt. „Unendliches Licht“)/ Amitâyus (skt. „Unendliches Leben“) – jap. Amida genannt.[15] Amitâbha - (i.d.F. meist kurz Amida genannt) – verfügt über ein sog. „ Reines Land “ (skt. Sukhâvatî, jap. Jôdo), welchem gleichsam paradiesische Qualitäten zugesprochen werden. Durch Gebet und/oder Meditation in dieses Reine Land Eingang zu finden, ergo auf diese Weise dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten zu entfliehen, um fortan in diesem „Paradies“ fernab der abträglichen Bedingungen in der gegenwärtigen Lebenswelt den Weg zur Erleuchtung zu beschreiten, ist Ziel und zugleich soteriologische Hoffnung dieser Tradition. Die herausragende Eigenschaft Amidas ist die Barmherzigkeit, welche als schier grenzenlos bezeichnet wird[16] - ein Umstand, welcher die Bedeutung Amidas innerhalb der v.a. ost-asiatischen Volksfrömmigkeit zu begründen geeignet erscheint.

2 Konstitutive theologische Topoi, kanonisches Schrifttum und Genese einer Tradition

Die Darstellung der Genese des Reinen Land Buddhismus, wie er sich dann im Besonderen in der japanischen Jôdo Shinshû (sie wird ab nun im Text meist schlicht als Shin Buddhismus oder bloß Shin bezeichnet werden) Tradition Japans formuliert, bedarf einer Klärung vorab: Zunächst soll festgehalten werden, dass der Reine Land Buddhismus in se keineswegs ein homogenes Gebilde darstellt, sondern vielmehr in Japan – wie noch aufgezeigt werden wird – selbst einer Diversifikation in mitunter deutlich unterschiedliche Lehrsysteme unterlag. Die spätere Darstellung muss sich hierbei auf den Shin Buddhismus beschränken, dessen Lehre anhand des Schrifttums ihres herausragendsten, wiewohl originellsten Denkers: Shinran Shônin (1173-1262/63) vorgestellt werden soll.

Mit der Ausdifferenzierung der Reinen Land Tradition in Japan in mehrere konkurrierende Schulen einher ging andererseits auch die unterschiedliche „Instrumentalisierung“ respektive bloß partielle Rezeption der ungleich breiter gefächerten theologischen Überlieferung.

So hat sich der Shin Buddhismus eine bestimmte Reihenfolge ideengeschichtlicher Aszendenten „zurechtgelegt“[17], um sein traditionelles Herkommen zu bekräftigen. Gerade für den Shin Buddhismus ist die Herleitung der eigenen Systematik aus der mannigfachen Überlieferung konstitutiv, zumal immer wieder betont wird, eigentlich keinerlei neue Lehrsätze, geschweige denn Häresien gegenüber dem hergebrachten Buddhismus zu vertreten. J.C. Dobbins stellt dazu fest:

„Nonetheless, it is crucial to understand the content of that view of history if one is to understand the Shinshû itself, for the view constitutes part of the sacred story on which the Shinshû was built. It embodies the Shin vision of religious truth and how it has been conveyed to the world. This vision was one of the products of sectarian[18] evolution, and it became an essential component of the Shinshû´s identity and self-definition.“[19]

2.1 Essentielle Theologumena des allgemeinen Reinen Land Buddhismus unter Berücksichtigung ihrer philosophischen Verortung

An dieser Stelle sollen die grundlegendsten Begriffe der Reinen Land Tradition, quasi ihre Konstanten sowie deren Positionierung und Formulierung innerhalb des Mahâyâna, in kurzen Zügen dargelegt werden.

(Auf die distinkten Shin-Theologumena soll dabei explizit noch nicht eingegangen werden, sondern vielmehr wird der Mainstream des Reinen Land Buddhismus vor Shinran in Augenschein genommen – zumindest jener Teil davon, der für die Herausbildung des Shin maßgeblich werden sollte.)

2.1.1 Amida (skt. Amitâbha: Unendliches Licht / skt. Amitâyus: Unendliches Leben) als Fundierung individuellen und kollektiven Heils

Wie bereits zuvor kurz dargelegt, ist Amida integrales Zentrum nicht nur der Reinen Land Systematik, sondern auch ihrer orthopraktischen Überlegungen. Amida wird, entsprechend der kanonischen Literatur (s. dazu 2.2-2.2.3), als quasi supranaturaler/~transzendenter Buddha vorgestellt, der aber nicht, wie man vermeinen könnte, in weltabgewandter Abgeschiedenheit und letztlicher Unerreichbarkeit lokalisiert wird, sondern der vielmehr proprio motu das Heil der Menschheit beabsichtigt und auch vorantreibt.[20]

Diese gleichsam metaphysisch gekleidete Konzeption von Buddhaschaft zeigt bereits deutlich sichtbare Distanz zu Aufriss und Inhalt der Buddhaschaft im älteren Buddhismus, welcher sich noch weitgehend an der Gestalt des historischen Buddha Siddhârta Gautama orientierte, und kann, zumal Amida-Buddha im Pali-Kanon des Theravâda nicht Erwähnung findet, als reine Leistung des Mahâyâna gewertet werden.[21]

Die Entstehung der Verehrung Amida Buddhas wird gemeinhin im Nordwesten Indiens lokalisiert. Möglicherweise spielte bei der Genese jener eschatologisch gefassten Heilsgestalt der in diesem geographischen Raum zur damaligen Zeit (ca. 1./2. Jh. n.Chr.) deutlich festzustellende iranisch-zoroastrische Einfluss eine Rolle.[22]

Der Gehalt von Amidas konkreter „Heilstat“ erschließt sich durch eine Blick in die kanonischen Schriften, die u.a. die spirituelle Karriere Amidas schildern, bevor er Buddhaschaft erlangte: Er wird als historische Persönlichkeit einer längst vergangenen Epoche geschildert. Damals ein König, verzichtet er auf seinen Thron, um als Mönch Dharmâkara, welcher – selbst zu dieser Zeit noch im Status eines Bodhisattva – gelobt, für den Fall, dass er die Buddhaschaft erlange, ein Buddha-Land (skt. Sukhâvatî) zu erschaffen, in welches jeder geboren werden könne, der an ihn aufrichtigen Herzens „glaube“.[23] Zumal die Schriften tradieren, Dharmâkara habe die Buddhaschaft tatsächlich verwirklicht, wird daraus logisch gefolgert, dieses Land sei nunmehr in die Sphäre der Tatsächlichkeit eingetreten und Amida, als Buddha des unermesslichen Lichts und unermesslichen Lebens, regiere in diesem heil-bereitenden Land.

Es muss festgestellt werden, dass ein dergestalt konzipiertes Buddha-Land innerhalb der Mahâyâna Kosmologie, welche sich in einem längeren Prozess in Konjunktion der disparaten philosophischen Einzelentwürfe konstituierte, keine singuläre Erscheinung darstellt. Vielmehr „wimmelt“ es in ihr förmlich von vergleichbaren Ländern. Amida, welcher gemäß bereits relativ früher Mahâyâna-Texte[24] – ob seines Buddha-Paradieses, das die Tradition in der Himmelsrichtung Westen verortete, selbst als Buddha des Westens ikonographisch definiert wurde - erscheint ursprünglich bloß als ein transzendenter Buddha unter anderen. Es sollte dennoch die Gestalt des Amida sein, dessen universale Heilsbedeutung - erst nach mehreren Jahrhunderten[25] - gegenüber „konkurrierende“ Heilshoffnungen, gründend in der spezifischen Mahâyâna-Soteriologie, sich durchzusetzen vermochte und im Kontext der Volksfrömmigkeit des ost-asiatischen Buddhismus größte Bedeutung gewinnen konnte.[26]

2.1.1.1 Exkurs: Die Lehre vom trikâya als Explikation einer Buddha-Ontologie

Mit dem „Zurücktreten“ der Bedeutung des historischen Buddha im Prozess der fortschreitenden Expansion des Buddhismus in disparate Ansätze, konstituierte sich in einem längeren Prozedere die Lehre vom (skt.) trikâya („drei Leiber“) als die dem Mahâyâna eigene Ontologie zur Definition des Buddhawesens/der Buddhaschaft.

Bereits ein Teil des älteren Buddhismus formulierte eine Lehre von der Dreigliedrigkeit[27] des Buddha-Leibes i.S. eines dreifachen Wirkungshorizontes des (noch in diesem Zusammenhang) historischen Buddha. Das „Wesen“ des Buddha wird hierbei als ein dreistufig gegliedertes, wiewohl in sich zu unterscheidendes gezeichnet:[28]

- der vergängliche Leib: Er ist dem menschlichen Leib in seinem Aussehen vergleichbar – diesem aber in seinen physischen Eigenschaften dennoch Überlegen;
- der durch die magischen Kräfte Buddhas evozierte Leib, vermöge dessen der Buddha in andere Welten zu gelangen vermag;
- der Dharma-Leib (Leib der Lehre) umschreibt als Chiffre jene, der begrifflichen Definition qua der Begrenztheit menschlicher Sprache entzogene, transzendente Wirklichkeit eines Buddha.

Die schematische Dreigliederung der Buddha-Ontologie wird in der Folge im Mahâyâna rezipiert und entsprechend seiner Bereitschaft, die Buddhaschaft von der rein historischen Gestalt des Gründers „abzulösen“, angepasst und philosophisch als „Urgrund des Seins“ konzipiert. Das Movens zur Aneignung und Definition dieser Lehre[29] darf wohl im Diskurs um die dialektische Spannung des Absoluten zum Relativen und des einen (historischen) zu den unendlich vielen Buddhas in unendlich vielen Welten erkannt werden.[30] Die skt. trikâya-Lehre („drei Leiber/Körper-Lehre) löst diese Dialektik in einen größeren Zusammenhang hinein auf. Jedem Buddha wird die Realisation aller drei Leiber/Körper zugeschrieben. Die ontologische Trichotomie wird traditionell folgendermaßen gegliedert:[31]

- Manifestations-/Transformationsleib (skt. Nirmânakâya): Er ist der in der/n phänomenalen/n Welt/en manifeste Leib, dessen sich die Buddhas bedienen, um die Lehre (skt. Dharma) zu predigen.[32] Seine zeitliche Erstreckung ist begrenzt durch Anfang und Ende d.h. nach dem Tod erlischt seine individuelle Qualität. Dieser Leib beschreibt den relativen-weltimmanenten Aspekt der Buddhaschaft.
- Genuss-Leib (skt. Sambhogakâya), vermittels dessen ein Buddha innerhalb der transzendenten Buddhaländer interagiert. Dieser Leib ist die Folge verdienstlicher Taten des Buddha und realisiert sich im Horizont der Erleuchtung. Dieser Leib wird als in Buddha-Ländern verweilend gefasst (bzw. emaniert sich als etwaiger Nirmânakâya in der „herkömmlichen Welt“). Obschon der bloß sinnlichen Sphäre entzogen, ist ihm dennoch transzendent - formhafte Qualität eigen, welche durch meditative Visualisationsübungen eines Bodhisattva „geistig“ erschaut werden kann, um ergo auf diese Weise in seine Sphäre einzutreten - respektive in etwas anderer philosophischer Deutung - als ident mit dem eigenen erleuchteten Geist erkannt zu werden. Der Genuss-Leib besitzt einen zeitlichen Anfang (Erleuchtung) aber kein Ende, und markiert jenen, den menschlichen Seins-Begriff transzendierenden Horizont der Buddhaschaft.
- Dharma-Leib (skt. Dharmakâya), welcher nur ein einziger, absoluter, formloser, allen Buddhas eignende, Grund ist, durch den die beiden anderen Leibe ihre je eigenen Spezifikationen erfahren. Der Dharma-Leib selbst ist ewig, unwandelbar in seinem Wirken. Er ist letztlich mit dem Urgrund des „Seins“ identisch. Insofern ist er das Absolute[33], welches in der großen Erleuchtung realisiert wird. Bezüglich der Mahâyâna-Soteriologie kann das Absolute als Grund und zugleich Agens eines „prozessualen Heils-Vorgehens“ gefasst werden.[34]

Der Amida-Buddhismus, als selbstverständlicher Teil des Mahâyâna, rezipiert diesen Ansatz der Philosophie: Amida-Buddha wird in der Tradition zumeist, qua seiner realisierten Buddhaschaft zwar die Verwirklichung aller drei Leiber zugeschrieben, - der Fokus richtet sich aber klar auf die Ontologie Amidas als transzendenter Sambhogakâya [35], welcher im transzendenten Buddha-Land die Erlösung aller sich ihm Überantwortenden wirkt.[36]

2.1.2 Sukhâvatî (jap. Jôdo): Das westliche Reine Land Amidas

Zunächst sei festgehalten, dass die Vorstellung eines „Buddha-Landes“ keine originäre Schöpfung des Mahâyâna darstellt, sondern vielmehr bereits im älteren Buddhismus eine antizipierende Auffassung existiert, welche vergleichbar der bereits dargestellten Buddha-Ontologie, rezipiert und den neuen Erfordernissen angepasst wurde: So besitzt etwa bereits der Theravâda die Vorstellung, es existierten Bereiche, in welchen die Lehre des historischen Buddha homogen verbreitet sei.[37]

Aufgrund der Verortung der Amida-Theologie im größeren Zusammenhang des Mahâyâna-Lehrgebäudes ist auch dessen These von der „Existenz“ eines Buddha-Landes konstitutiver Bestandteil ihrer Lehre geworden. Obschon die Sûtren vielfach das Bestehen von Milliarden verschiedener Buddha-Länder[38] konstatieren, hat besonders Amidas Land in der Lehre des Mahâyâna die prominenteste Entwicklung erfahren.

Das Reine Land Amidas (skt. Sukhâvatî: größte Wonne/Seligkeit) wird in der kanonischen Literatur als Land der Freude, als Land des Segens und des Überflusses geschildert, das im Westen lokalisiert ist, und in welchem Amida Buddha, flankiert von den beiden Bodhisattvas Avalokiteśvara[39] und Mahâsthâmaprâpta[40], als Verkörperung des letztgültigen und allumfassenden Mitleids und der Güte residiert.[41] Erschaffen – so die Tradition - wurde Sukhâvatî als Ergebnis „unendlicher Verdienste“ (~gutes Karma; s. Anm. 81), die Amida noch als Bodhisattva Dharmâkara (jap. Hôzô bosatsu) durch äonenlange Meditation und religiöse Praxis summierte, wiewohl durch das Ablegen von sog. 48 Gelübden [42], deren Skopus Amidas Postulat darstellt, alle an ihn Glaubenden (s. dazu 2.1.3 –2.1.4) in diesem Land zu empfangen.

Klarerweise tritt dem Gläubigen das Sukhâvatî in dieser Form als höchst wünschenswerte „Alternativwelt“ vor Augen, in die hineingeboren zu werden das Ende der leidvollen Existenzen versinnbildlicht, da in diesem Land alle Möglichkeiten gewährleistet sind, zur Erleuchtung zu gelangen. Vor diesem Hintergrund wird auch die erst im Rahmen des Übersetzungsgeschehens von Sanskrit ins Chinesische[43] erstmals gebräuchliche Umschreibung des Terminus Sukhâvatî mit dem Begriff Reines Land (jap. Jôdo) ersichtlich, muss doch im Unterschied dazu der diesseitige, lebensweltliche Raum geradezu als unrein, trüb und glanzlos erscheinen. Gerade jene schier unüberbrückbar scheinende Dialektik zwischen der Immanenz und Transzendenz, zwischen Lebensvollzug und verheißener Eschatologie, begründeten – auch aufgrund ihrer Verankerung in Kunst und Ritus[44] - wohl den missionarischen Erfolg der Reinen Land Verkündigung in Ostasien.

Auf diese Weise erscheint innerhalb des Mahâyâna in Gestalt des Reinen Landes ein eschatologisch konnotiertes, volksnahes Modell prominent in den Raum gestellt, welches m.E. - obschon durch buddhistische Terminologie und Philosophie abgesichert - sich von der konditionalen Intention des Bodhisattva-Ideals zu entfernen Gefahr läuft: War es im Kontext des Mahâyâna bisher den Gläubigen essentiell – ob monastisch lebend oder im Laienstand befindlich – den Bodhisattva-Pfad des aktiven Mitgefühls zu beschreiten, d.h. auf den Eingang ins endgültige Nirvâna - trotz evtl. bereits realisierter Erleuchtung - zu Gunsten der Hilfe für andere zu verzichten, scheint bei einem solchen Aufriss des Reinen Landes hingegen die Gefahr der Akzentverschiebung in Richtung einer individuell-fokussierten Heilshoffnung gegeben[45] - ein Vorwurf, den der Mahâyâna gerade immer gegenüber dem älteren Buddhismus geltend machte.

Trotzdem es innerhalb des Mahâyâna evidente alternative Wertungen zu diesem eschatologisch-volksreligiösen Konzept des Reinen Landes gab/gibt[46], hat sich gerade das Paradigma des Sukhâvatî als jenseitiges Paradies [47], in welches Eingang zu finden erst nach dem Tode möglich ist (wohl auch aufgrund der unerhörten Simplifizierung des Heilsweges für das gläubige Subjekt im Vergleich zur sonstigen meditativ-monastischen Disziplin und der ihr im Unterschied zum Amida-Buddhismus immanenten Forderung der Askese) für erhebliche (aber nicht alle!) Teile der Amida-Tradition und als integraler Bestandteil des volksnahen chinesischen Buddhismus[48] durchgesetzt, und von daher kommend in Vietnam, Korea und auch v.a. Japan seine Wirkung entfaltet.[49]

2.1.3 Das nembutsu als konditionale Methode der Hingeburt ins Reine Land

Der jap. Terminus nembutsu (skt. buddhânusmriti, chin. nien-fo) umschreibt die religiöse Praxis qua derer der Gläubige in heilsamen Konnex zu Amida und seinem Land treten kann. Das nembutsu wird somit zum Vehikel, den an sich unüberschaubar langen, sich über viele Lebensspannen hinziehenden, buddhistischen Weg ins Nirvâna deutlich (in einem einzigen Leben!) abzukürzen.

In seiner ursprünglichen Ausprägung meint nembutsu das mentale Gedenken des Buddha und seiner Predigten und beinhaltet noch zu seinen Lebzeiten einen konfessorischen Aspekt innerhalb des Initiationsritus in den buddhistischen Orden. Dabei nahm der Aspirant Zuflucht zu den drei Schätzen des Buddhismus (skt. triratna), als Garanten seines Heilsweges: Buddha, die Lehre, die Mönchsgemeinschaft.[50]

Im Mahâyâna hingegen muss die Methodik des nembutsu differenziert betrachtet werden:

a) Meditatives nembutsu: Mit der Erweiterung des buddhistischen Schriftenkanons im Verlauf der folgenden Jahrhunderte erstreckte sich die Bedeutung des Begriffs auf mehrerlei Neuerungen. Die anfangs eher simple Praxis des Gedenkens an Buddha selbst expandierte allmählich zu mehrgestaltigen Methoden zur Visualisation des Buddha und seiner ikonographischen Attribute. Dieses Prozedere betraf alsbald nicht nur den historischen Buddha, sondern vielmehr gerade die vom Mahâyâna zur Verehrung empfohlenen zusätzlichen Buddhas. Auf diese Weise wurde die meditative Praxis des Visualisierens auch auf Amida übertragen, welcher in mehreren Sûtren in seinem Aussehen wiewohl der Ausgestaltung seines paradiesischen Landes geschildert wird.

Die geforderte Dauer und die Frequenz der Konzentration auf Amida bzw. seine Visualisation differieren in den diversen Sûtren, genauso wie die Erfordernisse der jeweiligen Tiefe des meditativen Versenkungszustandes. Eine eminente Systematisierung der Amida-fokussierten Meditations-/Visualisationspraxis erbrachte, der Tradition gemäß, der Philosoph Nâgârjuna (ca. 2./3. Jh. n. Chr.).[51] Im Lauf der Lehrentwicklung wurden weitere Klassifikationen der Meditationsmethoden unternommen – v.a. in direkter Berücksichtigung der unterstellten je unterschiedlichen „spirituellen Kapazität“ der Laienschaft und des Mönchsstandes.[52]

Dennoch verbleibt das meditative nembutsu im Bereich besonderer spiritueller Praxis, die aufgrund ihrer distinkten Erfordernisse dem durchschnittlichen gläubigen Subjekt nicht zugemutet werden wollte, ist es doch bedingt durch das Erreichen eines besonderen mentalen Zustands, welcher durch besondere Konzentration und Ruhe gekennzeichnet ist.[53] Dieser Umstand wurde nicht etwa nur von der exegetisierenden Mahâyâna-Theologie reflektiert, sondern vielmehr in Teilen der kanonischen Schriften selbst konstatiert (s. bes. 2.2.3), und ein einfacherer Weg in ein Reines Land zur Disposition gestellt.

b) Rezitatives nembutsu: Das rezitative nembutsu (entweder vokal oder lautlos gesprochen) selbst repräsentiert eine Neuerung innerhalb der Reinen Land Tradition.[54] In ihm treten der mentale Aspekt der Buddha-Erinnerung (quasi als meditative Implikation) mit dem Aussprechen seines Namens zusammen. Es war, gemäß der Überlieferung, Nâgârjuna, der den buddhistischen Pfad in zwei parallele Wegstrecken differenzierte: – den schwierigen Weg/Pfad, der das gesamte Kompendium spiritueller Praxis implizierte, und - den einfachen Weg/Pfad, der als Methode das vokale Aussprechen des Buddhanamens als größtmögliche Vereinfachung und Kondensation buddhistischer Praxis erachtete (s. dazu 2.3.1.1). Systematische Essenz dieser Praxis war/ist (außer im Shin!) eine möglichst große Zahl täglicher Rezitation zur Akkumulierung der Verdienste (s. Anm. 81) und Vertiefung des eigenen Glaubens, um die Hingeburt zu gewährleisten.

Die Methode der Rezitation öffnete dem Amida-Buddhismus in der Folge den Zugang zur Volksfrömmigkeit und geriert sich auch heute als dominierende Ausprägung[55], gleichwohl als Erkennungsmerkmal der unterschiedlichen Denominationen innerhalb der Reinen Land Tradition. Die Gebetsformel, die zu diesem Behufe im Mund geführt wird lautet (jap.): Namu Amida Butsu (wörtl. etwa: Verehrung sei dem Amida Buddha), und ist ihrerseits im Korpus der relevanten kanonischen Schriften grundgelegt (s. zur Frage nach der Dominanz der vokalen Rezitation 2.2.1.1 u. 2.2.3). Durch den im Gebet ausgesprochenen Akt der Verehrung mit der Konnotation der Zuflucht zu dem verehrten Buddha, in dessen Sphäre sich der Aspirant begibt, wird einerseits auf die oben geschilderte Zufluchtsintention des eintretenden Mönchs im älteren Buddhismus rekurriert, und gleichzeitig wird der soteriologische Charakter Buddha Amidas als Hort der Sicherheit verbalisiert.

2.1.3.1 Die Intention des nembutsu

Die Praxis des nembutsu beabsichtigt final die Hingeburt in das Reine Land nach dem Tode (oder gemäß Yogâcâra: im „Geist“, „Bewusstsein“). Voraussetzung dafür ist das in gläubigem Vertrauen auf Amidas Heilswillen gerichtete, beständig wiederholte Gebet des Namu Amida Butsu. Verbunden mit dieser finalen soteriologischen Intention ist darüber hinaus eine eher vorläufige Absicht: Bei der Praxis des nembutsu ist das Erreichen des sog. Status des Nicht-Zurückfallens (skt. avaivartikabhûmi) das aller Hingeburt ins Reine Land voraus und zu Grunde liegende Motiv. Dahinter verbirgt sich die Absicht des Praktizierenden, einen spirituellen Zustand zu erreichen, welchem unhintergehbare Stabilität innewohnt. Dies wird im Mahâyâna meist als mit der Realisation des sog. „1. bhûmi“ (gemäß der Systematik der erste von zehn zu erklimmenden spirituellen „Bereichen“ oder Bodhisattva-Stufen) kongruent betrachtet. Vorbedingung für das Erreichen dieses bhûmi ist der Wille des Bodhisattva, die Erleuchtung zu erlangen, gepaart mit dem Gelöbnis, alles Erdenkliche dafür zu verrichten. Mit der Realisation dieser Stufe ist dem Praktizierenden (~dem Bodhisattva) die – obschon noch in weite Ferne gerückte – volle Erleuchtung bereits gewiss.[56]

Im Kontext des Amida-Buddhismus bedeutet dieser Status jene Hoffnung des Gläubigen, durch die verdienstvolle, beständige Vergegenwärtigung (meditativ und rezitativ) des Buddha, eine quasi „perseverantia salutis“ zu erreichen, welche ihn nicht mehr in die Niederungen von Gier, Hass und Verblendung[57] der phänomenalen Welt zurückfallen lassen wird, sondern dem Aspiranten vielmehr die Hingeburt ins Buddha-Land ermöglicht, qua derer er seine Erleuchtung erreichen kann.

2.1.3.2 Die Frage nach der Realisation und Gründung der Hingeburt

Wie bereits in 2.1.1.1 angedeutet, neigt sich das/ der[58] Absolute den Lebewesen in der Absicht der Erlösung zu, und wie in 2.1.2 festgehalten wurde, sind die 48 Gelübde Amidas die Konkretion dieses soteriologischen Gegenübers. An dieser Stelle erhebt sich notwendigerweise die Frage nach einem evtl. reziproken Entgegenkommen seitens des gläubigen Subjekts. Die im Reinen Land Buddhismus[59] sich erweisende Spannung zwischen dem Wollen Amidas und dem Greifen des Gläubigen nach Erlösung wurde herkömmlich mit der Konstatierung eines Synergismus beantwortet. Es wird unterschieden zwischen Andere Kraft (jap. tariki), repräsentiert und verwirklicht in der Schaffung des Reinen Landes aufgrund der Gelübde Amidas als causa prima des individuellen und letztlich kollektiven Heils, und Eigene(Selbst-) Kraft (jap. jiriki), als Ausdruck des eigenverantwortlichen, intentionalen Strebens nach dem Nirvâna.[60] Buddhistische Konzepte, welche die ausschließliche Notwendigkeit der eigenen Anstrengung auf dem Erlösungsweg betonen, gelten (einem erheblichen Teil) der Reinen Land Tradition als letztlich insuffizient, zumal sie durch das akkomodierende Heilshandeln Amidas, welcher - in Ansehen der Unfähigkeit des Einzelnen durch Eigene Kraft zum Heil zu gelangen - einen neuen Heils-Weg schuf, als „überholt“[61] erachtet werden.

Bei aller Betonung von tariki (Andere Kraft) erscheint der Entwurf im Großteil des Amida-Buddhismus gleichwohl ambiguos: Dem Einzelnen verbleibt die selbst-tätige Hinwendung zu Amida als synergetische conditio und Ausdruck des eigenen Heilswollens anheim gestellt, welches in kontinuierlichem, vertauensvollem und nicht zuletzt verdienstvollem Wiederholen des Namu Amida Butsu seine Expression findet. So verstanden, vergrößert die Zahl der gläubigen Rezitationen die Möglichkeit der Hingeburt ins Reine Land, insofern sie den Glauben an Amida vertieft. Jiriki, obzwar aus dem bisher – auf dem sog. Schwierigen Pfad - umfassenden Eigen-Begründungsanspruch des individuellen Heils entlassen, entbehrt hier dennoch nicht konstitutiver Notwendigkeit.

(Anm.: Das soeben Dargestellte verweist bereits auf die evidente Bruchlinie zwischen der Interpretation der „traditionellen“ Soteriologie und der spezifischen Heilsvorstellung im Shin-Buddhismus.)

2.1.4 Das Profil von „Glauben“ im näheren Kontext des Reinen Land Buddhismus

Glaube ist ein zentraler Topos der Reinen Land Tradition, insofern er, wie ersichtlich wurde, conditio sine qua non der Rettung ist. Bedeutsam für die inhaltliche Spezifikation des „Glaubens“ ist hierbei der Sanskrit-Terminus śraddhâ, der allenthalben im relevanten kanonischen Schrifttum Verwendung findet. Der Begriff selbst – wie er bereits in den Veden verwendet wird - sowie die aus ihm abgeleiteten Verba beschreiben „Glauben“ als einen Akt des Zutrauens, das in etwas gelegt wird. Ein anderer Terminus, der im Kontext der das Reine Land betreffenden Sanskrit-Literatur Verwendung findet, ist skt. prasâda, welches u.a. die Beruhigung des Geistes ausdrückt, ergo auf ein Ziel der buddhistischen Praxis, auf die Kultivierung der Weisheit, anspielt. Es fällt auf, dass der Terminus (skt.) bhakti, der am ehesten ein Verständnis innigen, hingebungsvollen Glaubens an ein Gegenüber impliziert, vermieden wird.[62] Auf diese Weise verstanden, erscheint der „Glaubensvorgang“ im Kontext des relevanten Schrifttums indischer Herkunft zwar nicht als ein detailliertes Wissen um spezifische religiöse Glaubensinhalte oder deren distanziertes „Für-Wahr-Halten“, sondern fokussiert auf eine reflektierende, religiöse Stimmung des Gläubigen, mit der dieser sich seiner Praxis und der Richtigkeit der buddhistischen Lehre versichert.

Erst in der chinesischen Interpretation wandelt sich der Glaube an Amida vom leicht distanzierten, reflektierenden Charakter der indischen Wurzeln zu jenem Verständnis, welches mit bhakti umschrieben werden könnte. Dem Glauben wird nunmehr eine, auf die personale Dimension abhebende, integrale Mitte zugesprochen, insofern nun Buddha Amida in den Blickwinkel des Interesses tritt. Der sich einem Gegenüber devotional Zuwendende, sich Hingebende und sein Hoffen in ihm Gründende wird zum Ideal des Amida-Buddhismus. Die Prämisse lautet: Nicht allein reflektierender „Glaube“an etwas (etwa die Lehre), sondern v.a. hingebungsvoller Glaube/Vertrauen in etwas/jemanden.[63]

Es wird hierbei m.E. in Konjunktion mit dem im vorigen Abschnitt Angedeuteten noch einmal die besondere Qualität des Glaubens in seiner Funktion als Ermöglichung der Heilsaneignung vermittels des eigenen Glaubens deutlich - ein Glaube, der seinerseits mit dem in und durch Amida gelegten Fundament verbunden ist.

2.1.5 Zusammenfassung

Die von einem gewichtigen Teil[64] der Tradition vertretenen Kernaussagen der relevanten Topoi seien an dieser Stelle noch einmal zusammengefasst:

- Amida ist die (der Tradition gemäß) historisch gefasste Heilsgestalt des Reinen Land Buddhismus. Er ist als Buddha eine transzendent-konkretisierte Ausdrucksform des Absoluten, wiewohl dessen umfassenden Heilswollens. Aufgrund seiner unendlichen Verdienste – motiviert und erworben durch äonenlange Meditation noch als Bodhisattva – hat er ein Reines Land geschaffen, um die Wesen dort ins Heil zu führen.
- Die definitive und suffiziente „Heilstat“ Amidas sind die von ihm geleisteten Gelübde (s. 2.2.1.1).
- Dem Einzelnen ist die (von Teilen der Tradition) post mortem erwartete Hingeburt ins Jôdo/Reine Land durch das ursächliche Praktizieren des nembutsu im Glauben an Amida möglich. Obschon tariki (Andere Kraft) dabei dem Einzelnen den Weg bereitet, bedarf es dennoch synergetisch der eigenen verdienstlichen Handlungen (hier: selbst evozierter Glaube als Korrelativ zum rezitativen nembutsu) für die Realisation des eigenen Heils.

2.2 Das Kanonische Schrifttum des Reinen Land Buddhismus

Trotzdem im chinesischen Kanon des Mahâyâna in mehr als 290 Sûtren[65] Amida-Buddha Erwähnung findet, haben sich für die Genese der Reinen Land Tradition drei Sûtren als besonders relevant herauskristallisiert. Es sind dies jene Sûtren, deren Inhalt ausschließlich Amida und seinem Reinen Land gewidmet sind.

Vorausgeschickt soll werden, dass alle drei Sûtren (so wie ein großer Teil der anderen Mahâyâna Sûtren) traditionell als Lehrreden dem historischen Buddha zugeschrieben werden, wodurch ihre Autorität anschaulich wird.[66]

2.2.1 Das sog. Größere Reine Land Sûtra (skt. Sukhâvatîvyûha-Sûtra)

Seine Kompilation wird von der Forschung allgemein für das 2. Jh. n. Chr. im indischen Kulturraum angenommen. Eine Skt.-Fassung ist erhalten. Die älteste chinesische Übersetzung – es sind derer fünf erhalten – wird auf das Jahr 252 datiert.[67] Das Größere Reine Land Sûtra gilt als bedeutendste Schrift des Reinen Land Buddhismus,[68] hat es doch im Laufe seines Weges von Indien über China nach Japan die Genese seiner Lehrinhalte am deutlichsten und nachhaltigsten geprägt.

Gegenstand seiner Darlegungen ist die Historie des „spirituellen Werdegangs“ Amidas sowie seine Gelübde: Als Rahmenhandlung dient eine Predigt des historischen Buddha vor 32.000 Schülern, in welcher dieser die Erschaffung des Buddha-Landes vor unendlich langer Zeit durch den (vormaligen König[69] und nunmehrigen) Bodhisattva Dharmâkara (jap. Hôzô bosatsu) schildert, nachdem ihm Buddha Lokeśvararâja die Vor- und Nachteile der unermesslichen Vielzahl der Buddha-Länder vor Augen führte. So gelobt Dharmâkara, für den Fall, dass er dereinst die Buddhaschaft erlange, selbst ein superiores Buddha-Land zu erschaffen. Nach einer unermesslich langen Zeit der spirituellen Übung und des Verrichtens guter Taten erreicht Dharmâkara sein Ziel, wird zu Buddha Amida und evoziert das Reine Land.[70]

Skopus des Sûtra, wiewohl gleichzeitiges Proprium des gesamten Amida Buddhismus, ist das Gelöbnis seitens des Bodhisattva, welches in 48[71] einzelnen Formeln niedergelegt ist, in denen sich das Mitgefühl mit den leidenden Kreaturen verbalisiert.

Hernach schildert das Sûtra die Erfüllung all dieser Gelübde zum Heil der Menschen.[72]

Der historische Buddha konstatiert und bestärkt im Sûtra, dass die anfänglich assertorischen Gelübde nunmehr Faktizität beanspruchten.[73]

Die Hingeburt ins Buddha-Land wird in Kap. 41ff. des Sûtra in zweifacher Qualität geschildert:

- jene die, obschon sie gutes Karma (~verdienstvolle Taten, Gedanken etc.) akkumulieren, dennoch in einem Zustand des Zweifels verbleiben, werden in einem quasi embryonischen Zustand hineingeboren, in welchem sie eine Phase von 500 Jahren (wohl in der Zeitrechnung des Buddha-Landes) verbleiben müssen;[74] bevor sie des Heils teilhaftig werden;
- jene, die den Zweifel überwunden haben, somit gleichsam das höchst-mögliche Niveau des Glaubens erlangt haben und zugleich gutes Karma wirken, werden im Prozess der Transformation in einer Lotusblüte (als Symbol der Reinheit) im Buddha-Land (ohne längere Latenz) geboren und erhalten gleichzeitig höchste Weisheit und körperliche Schönheit wie alle anderen Bodhisattvas im Sukhâvatî.[75]

Festzustellen ist darüber hinaus der Umstand, dass beide Kategorien der erfolgten Hingeburt mit dem sicheren Zustand einer „perseverantia salutis“ identifiziert werden (s. 2.1.3.1), folglich das individuelle Heil den Status der unbedingten Unverlierbarkeit erhält – dies schon aufgrund der Überzeugung, dass im Buddha-Land keinerlei schlechte Regungen mehr vorhanden seien (zumal dies eine contradictio in se für eine gereinigtes Buddha-Land darstellte).

Der Soteriologie des Sukhâvatîvyûha-Sûtra (i.d.F. kurz: Größeres Sûtra) muss ein aus dem Inhalt der essentiellen Gelübde resultierender Synergismus, bestehend aus dem Heilswillen Amidas, wiewohl dem Erfordernis des Glaubens und der guten Taten seitens des Gläubigen konzediert werden.

2.2.1.1 Die Gelübde Dharmâkaras (jap. Hôzô bosatsu) als Heilsangebot und soteriologisches Proprium

Die in diesem Sûtra dargelegten Gelübde markieren den essentiellen Kern der distinkten Heilsbotschaft der Reinen Land Tradition. So haben aber nicht etwa alle 48 Gelöbnisse die gleiche Wirkungsgeschichte erfahren, sondern aus ihrer Gesamtheit sind besonders drei Gelübde für die Lehrentfaltung bestimmend geworden, stellen doch gerade sie die Soteriologie konzis und einprägsam dar. Es handelt sich dabei um das 18., 19. und 20 Gelübde, welche an dieser Stelle widergegeben seien[76]:

- „(18) If, when I attain Buddhahood, sentient beeings[77] in the lands of ten directions[78] who sincerely and joyfully entrust themselves to me, desire to be born in my land, and call my Name[79] even ten times, should not be born in there, may I not attain perfect Enlightenment. Excluded, however, are those who commit the five gravest offences and abuse the right Dharma.
- (19) If, when I attain Buddhahood, sentient beings in the lands of ten directions, who awaken aspiration for Enlightenment, do various meritorious deeds and sincerely desire to be born in my land, should not, at their death, see me appear before them surrounded by multitude of sages, may I not attain perfect Enlightenment.[80]
- (20) If, when I attain Buddhahood, sentient beings in the lands of ten directions, having heard my name, concentrate their thoughts on my land, do various meritorious deeds and sincerely transfer their merits[81] towards my land with desire to be born there, should not eventually fulfil their aspiration, may I not attain perfect Enlightenment.“

Der bereits getroffene Befund über den heilsnotwendigen Synergismus zwischen Amida und den „sentient beings“ verdichtet sich bei Evaluierung des 18.,19. und 20. Gelübdes (im Besonderen das 18. Gelübde kristallisierte sich in der sino-japanischen Lehrentwicklung als das essentiellste heraus): Die Erfordernis der eigenen Aktion zum Heil scheint m.E. sichtbare Betonung zu erfahren, wie dies vor allem nicht nur mit dem 18., sondern gerade mit dem 19. Gelübde indiziert werden kann: Als Beleg für den notwendigen Heils-Synergismus[82] zwischen Amidas Gelübden + menschlichem Glauben + Verdiensten aus Sicht der Kompilatoren des Sûtra sei der Umstand angeführt, dass die älteste erhaltene indische Fassung des Textes die Forderung der zehnmaligen memorativ-meditativen Vergegenwärtigung Amidas zusammen mit den guten Taten in einem einzigen Gelübde als Orthopraxis formuliert.[83] Erst in späteren chinesischen Übersetzungen werden daraus zwei separate Gelübde (18 u. 19), - ergo die Suffizienz der scheinbar anspruchsloseren Praxis der ausschließlichen Vergegenwärtigung (in chinesischer Interpretation: Rezitation) postuliert. Der Befund der Notwendigkeit verdienstlicher Werke wird auch vom 20. Gelübde weidlich unterstützt. Über den Ursprung des individuellen Glaubens handelt das Sûtra nicht. Er scheint in einer aktiven Zuwendung des Einzelnen zu Amida verankert zu sein.[84]

Auffallend ist weiterhin (gerade im Hinblick auf die spätere Lehrentwicklung), dass das 18. Gelübde die aktuale Heilsmöglichkeit aller Menschen ausdrücklich ausschließt: Ausgenommen von der Hingeburt sind jene, welche sich gegen die buddhistische Lehre (skt. Dharma) vergehen (~Lästerer/Verleumder) und jene, die die „fünf unverzeihlichen Sünden“ („gravest offences“) begehen: Muttermord, Vatermord, Erschlagen eines erleuchteten Heiligen, Spaltung des Ordens und böswilliges Zufügen einer blutenden Wund bei einem Buddha.[85]

Die Betonung der mangelnden Erlösungsfähigkeit sei aber auf ihren bloß temporären Charakter gelegt: Dem buddhistischen Begriff der „Sünde“ ist nicht die christliche Konnotation eigen, welche von einem gebrochenen Verhältnis des Menschen zu Gott spricht. Vielmehr erscheint in diesem Zusammenhang der Terminus „Fehlverhalten (in Taten, Gedanken und Worten)“ angebrachter, wie P. Schmidt-Leukel[86] vorschlägt. Dieses Fehlverhalten bedingt grundsätzlich einer entsprechenden karmischen Prädisposition und Kausalität aufgrund vergangenen Fehlverhaltens, welches seine Wirkung bis in die Gegenwart hinein entfaltet und reziprok auf den aktual Fehlenden einwirkt. Insofern dem Einzelnen die Bewährung jederzeit, wiewohl in Hinkunft (in späteren Existenzformen) prinzipiell zugestanden wird, ist die in diesem Sûtra konstatierte „auto-kausale Reprobation“ eine bloß transitorische.

2.2.2 Das sog. Kleinere Reine Land Sûtra (skt. Amitâbha-Sûtra)

Die Skt.-Fassung dieses Sûtra ist erhalten geblieben. Es wird davon ausgegangen, dass es um 402[87] ins Chinesische übertragen wurde. Der Inhalt des Sûtra ist die Beschreibung des Reinen Landes. Der historische Buddha expliziert in einer Predigt in Śrâvastî die paradiesische Pracht des Sukhâvatî.

Der bedeutendste Unterschied zur Lehre des Größeren Sûtra ist, neben dem Fehlen der Gelübde, in der Interpretation der Bedingungen zur Hingeburt ins Reine Land zu sehen: Das Amitâbha-Sûtra (i.d.F. kurz: Kleineres Sûtra) betont die Konzentration auf den Namen Amidas für die Dauer von mindestens einem Tag bis zu sieben Tagen. Zugleich wird die sichere Hingeburt für all jene in Aussicht gestellt, welche dieser Empfehlung folgen. Der damit eintretende - antizipatorische - Status des Heils ist unverlierbar: Wer den ernsthaften Wunsch der Hingeburt hegt, tritt ein in den „ Status des Nicht-Zurückfallens “ (s. etwa Kap. 5 u.12 des Sûtra[88] ; vgl. 2.1.3.1).

Waren im Größeren Sûtra die „ärgsten Sünder“ noch (temporär) von der Hingeburt exkludiert, destruiert dieses Sûtra hingegen die Validität verdienstvoller Taten. Die konstitutive Heils-Notwendigkeit eigener verdienstlicher Handlungen, Gedanken und Worte (wie noch im 19. Gelübde des Größeren Sûtra) wird abgelehnt:[89]

Kap.5: „... one cannot attain birth in that land with few roots of goodness or a small stock of merit. Śâriputra[90], if a good man or woman who hears the name of Amitâyus holds fast to his Name[91] even for one, two, three, four, five, six or even seven days with a concentrated and undistracted mind, then, at the hour of death, Amitâyus will appear with a host of holy ones ...“[92]

Dazu stellt J.C. Huntington fest:

„It is further stipulated that birth is not a reward for merit accumulated in this life (suggesting that merit must be accumulated over many lifetimes or that merit is of no value whatsoever?), but that ultimately rebirth will be a result of hearing the name of Buddha Amitâyus and keeping it in mind for one to seven nights (oder Tage - Anm.).“[93]

Damit ist ein deutlicher Schritt auf dem Weg zur Priorität der „leichten“kontemplativen Memoration Amidas (respektive in späterer chinesischer/japanischer Interpretation im Anschluss an das 18. Gelübde des Größeren Sûtra: der Rezitation) gegenüber der Notwendigkeit einer zusätzlichen Fülle verdienstlicher Akte bereits in der kanonischen Literatur ansatzweise belegt.

Der Synergismus des Größeren Sûtra wird durch die Verneinung der Notwendigkeit verdienstlichen Tuns ein großes Stück weit aufgeweicht, dafür aber der singuläre Fokus auf den notwendigen Glauben selbst transferiert. So ist bei genauerem Hinsehen in diesem Text der Einzelne des konditionalen Charakters des Glaubens nicht entbunden: Allzu deutlich verdichtet doch die Notwendigkeit der zumindest eintägigen Konzentration auf den Namen die Forderung der individuellen Anstrengung für das Erlangen der Erlösung.

2.2.3 Das Meditations-Sûtra (skt. Amitâyur-dhyâna-Sûtra)

Seine Herkunft aus dem indischen Kontext ist nicht eindeutig. Eine Skt.-Fassung ist nicht erhalten, der Skt.-Titel wird als rekonstruiert angesehen. Das Sûtra wurde gemäß der Tradition im 5. Jh. ins Chinesische übersetzt.[94] Die ursprüngliche Kompilation in Zentralasien (oder gar in China selbst) wird als möglich diskutiert.

Der Inhalt des Sûtra ist eine Darlegung des historischen Buddha, vermittels welcher meditativen Praktiken (skt. dhyâna ist im chinesischen Buddhismus ein Sammelbegriff für meditative Übungsformen) spezifische „Visionen“ von Amida und seinem Land erlangt werden können. Ziel der Visualisationen ist die Erlangung der inneren Befriedung, die Aufgabe des Egoismus und die daraus resultierende Hinwendung zu anderen Wesen, wiewohl in letzter – und eigentlicher – Hinsicht, die Hingeburt ins Reine Land.

Alle Menschen, deren Tun von den sog. drei Gesinnungen getragen wird (wahrhafte Aufrichtigkeit; tiefer Glaube; Streben nach der Hingeburt bei zugleich intentionaler Übertragung der Verdienste), werden als der Hingeburt sicher dargestellt. Im Sûtra werden ausführlich neun Stufen der Hingeburt ins Buddha-Land abgehandelt.

Gegenüber dem Größeren Sûtra wird aber die prinzipielle Hingeburts-Möglichkeit[95] auch jener Menschen auf der untersten Stufe unterstrichen, welche sich selbst der fünf unverzeihlichen Vergehen/Sünden oder sonstiger schwerster Verfehlungen schuldig machen.[96] Obschon sie nach dem Tod in einer quasi Hölle[97] Leiden erfahren würden, könne ihnen – so das Sûtra - dennoch am Ende ihres Lebens ein Lehrer das einfache Gebet zu Amida beibringen, zumal sie jeglicher tieferen, visualisierenden Konzentration auf den Buddha unfähig seien. Durch die bloß zehnmalige Repetition des Gebets würden die „Sünden“ getilgt, der nunmehr der „Absolution“ Teilhaftige im Reinen Land in einer Lotus Blüte geboren, welche nach einer vorübergehenden Latenz sich öffnet und den Aspiranten der Predigt zweier Bodhisattvas sowie der daraus resultierenden Erleuchtung anheim gibt.[98] Das assertorische Ergehen derjenigen, die der buddhistischen Lehre lästern - und aus diesem Grund im Größeren Sûtra noch temporär verworfen werden - bleibt im gegenständlichen Sûtra unklar, zumal sie als solche nicht explizit erwähnt werden (evtl. sind solche Lästerungen unter dem eminenten Fehlverhalten einer der niedrigsten Hingeburts-Stufen subsumierbar).

Das Meditations-Sûtra markiert auf diese Weise eine Expansion der Gnadenwirkung des Reinen Landes selbst auf die dem Mahâyâna zuvor verdammenswertesten Menschen. Die in ihm niedergelegte Soteriologie geriert - gerade in direkter Korrelation zu jener des Kleineren Sûtra - einen universaleren Anspruch als jene des Größeren Sûtra: Erreicht doch den Sünder die „Heilsbotschaft“ noch vor dem Fall in die Hölle und wird selbst in diesem (temporären) Zustand der drohenden Verwerfung die Möglichkeit des individuellen, heilsbegründenden Glaubens zuerkannt, ergo das eherne „Gesetz des Karma“ relativiert.

Neben der Expansion der Heilsmöglichkeit ist das Sûtra gerade in seiner instrumentalen Bewertung des (annähernd[99]) rezitativen nembutsu maßgeblich für die Tradition geworden, insofern es diese Form des nembutsu als Weg für die „einfachen Menschen“ aufzeigt: Obschon ein Schwerpunkt des Inhalts in einer Fülle variabler Visualisationsobjekte zu liegen scheint, mithin der Fokus auf die Realisation des Buddha-Landes qua der „inneren Schau“ liegt – ein Umstand, der die idealistische „Positionierung“ des Sukhâvatî (s. Anm. 46) zu unterstreichen scheint - hat die Schrift in der Lehrentwicklung für das Paradigma vom Reinen Land als der „leichte Weg“ dennoch große Wirkung gezeitigt. Vor allem markiert seine Auffassung des nembutsu nunmehr den tendenziellen Übergang vom zuvor stark meditativ/kontemplativ definierten „Festhalten des Buddha-Namens“ hin zur vokalen/lautlosen Repetition – auch wenn das Anklingen meditativer Vergegenwärtigung hierbei nicht gänzlich entfällt. Unterstützt wurde diese Neuevaluierung der Praxis durch weitere eminente Texte des Mahâyâna[100]. Dem Namen Amidas selbst ist so viel Verdienst inne, dass sein Repetieren quasi ex opere operato die Tilgung der „Sünden“ wirkt.

Wenn auch der „Synergismus-Verdacht“ hierbei nicht ausgeräumt werden kann – bedarf es doch der in der Hölle prospektiv zu erfolgenden Hinwendung des Einzelnen zum Gebet – so verschiebt sich der Blickwinkel hier jedoch erstmals in Richtung der erworbenen Verdienste des Buddha, vermittels derer nicht nur das Reine Land evoziert wurde, sondern auch die „Sünden“ des Einzelnen getilgt werden.[101]

2.3 Das Konstrukt der sog. 7 Patriarchen (jap. shichiso, shichikôsô)

Der Shin hat aus der ungleich umfangreicheren Zahl jener buddhistischen Amida-Theologen eine vergleichsweise geringe Zahl von sieben ideengeschichtlichen Aszendenten für seine eigene Entwicklung als maßgeblich postuliert.[102] Die Rezeption deren theologischer Entwürfe erfolgte dessen ungeachtet in einer – man wird sagen müssen oftmals beabsichtigt – reduktionistischen Weise.

Der Legitimationscharakter dieser quasi Sukzessionsreihe für die eigene Tradition, welche mittels der sog. 7 Patriarchen als scheinbar in se völlig konsistent erscheinen soll, ist als problematisch bekannt.[103] Um aber die Shin Topoi in ihrer Distinktion erfassen zu können, ist die Auseinandersetzung mit der für den Shin relevanten Grundlage der 7 Patriarchen[104] unumgänglich. Diese sollen in der Folge kurz skizziert werden.

2.3.1 Die Wurzeln im sich ausbildenden indischen Mahâyâna

2.3.1.1 Nâgârjuna (vermutlich 150-250 n. Chr.)

Die historischen Daten seines Lebens, wiewohl die generelle Historizität dieses „Begründers“[105] des Mahâyâna sind höchst fraglich[106]. Der Mahâyâna erkennt in ihm wohl seinen bedeutendsten Denker und den „Vater“ der philosophischen Mâdhyamika/Mâdhyamaka-Schule, woraus die Zuschreibung eines breiten Spektrums von Werken resultiert, deren Authentizität allerdings heutet zumeist bestritten wird.

Aus dem großen Korpus des ihm zugeschriebenen Schrifttums erachtete Shinran vor allem seinen Kommentar zum Avatamsaka-Sûtra als relevant, in dem Nâgârjuna die zehn Bodhisattva-Stufen (s. 2.1.3.1) referiert.[107] In diesem Kommentar differenziert er zwischen zwei möglichen spirituellen Wegen: dem Schwierigen Pfad, den der Bodhisattva aus eigener Anstrengung bis zur Erleuchtung beschreitet und dem Leichten Pfad, den ein Bodhisattva mit Hilfe eines entgegenkommenden Buddha (z.B. Amida – aber auch andere !) beschreitet. Um in ein Buddha-Land zu gelangen und auf diese Weise den spirituellen Weg abzukürzen, empfiehlt das Werk die Visualisation eines Buddha und (in Kap. 9) das Aussprechen seines Namens.

In dieser Abhandlung werden beide Wege als äquivalent vorgestellt. Obschon der Autor des Werks ausführlich die Bedeutung Amidas und seines Reinen Landes abhandelt, kann eine Bevorzugung des Leichten Pfades nicht konzediert werden. Manche - dem Shin verpflichteten – Autoren hingegen unternehmen den Versuch, den Text als Beweis dafür zu werten, dass Nâgârjuna ein gläubiger Amida-Buddhist gewesen sei – eine Aussage, welche mit C. Wilhelm m.E. zurückzuweisen ist.[108]

Erst im Rahmen des Reinen Land Buddhismus – und hier v.a. in Tao-ch´os, Hônens und Shinrans Wertung – wird der Leichte Pfad popularisiert und eine Aufwertung (man wird sagen können sogar zunehmende Exklusivierung) des Leichten Pfades zu Gunsten des Schwierigen Pfades vorgenommen, ergo wird Nâgârjuna von Shinran zum 1. Patriarchen des Reinen Land Buddhismus stilisiert, folglich durch den Rekurs auf den „Begründer“ des Mahâyâna eine größtmögliche Autorisation des Shin gewährleistet.

2.3.1.2 Vasubandhu (vermutlich 4. Jh. n. Chr.)

Auch Vasubandhu gilt dem Mahâyâna als herausragender Denker, zumal er einer der Begründer der philosophischen Yogâcâra-Schule ist. Die historische Einordnung seines Lebens bereitet vergleichbare Probleme wie bei Nâgârjuna.[109] Abgesehen von der Diskussion um die jeweilige Authentizität, gilt er als Verfasser mannigfacher Sûtra-Kommentare und Traktate.[110]

Seine Relevanz für den Amida-Buddhismus resultiert aus einem ihm zugeschriebenen Kommentar zum Größeren Sûtra („Abhandlung über das Reine Land“[111] ), in welchem er den Buddha Amida lobpreist, dem Leser [112] zunächst seines (Vasubandhus) persönlichen Vertrauens in Amida versichert und ihm das Trachten nach der Hingeburt ins Buddha-Land anempfiehlt. Das Agens dieser - im Rahmen seiner Philosophie idealistisch gefassten[113] - Hingeburt bleibt bei Vasubandhu aber – in Korrelation zur Sûtren-Theologie – die Bemühung proprio motu seitens des Gläubigen, welche in fünffacher Ausformung (sog. „fünf Tore der Vergegenwärtigung“) reflektiert wird:

- körperliche Verehrung Amidas
- vokaler Lobpreis des Namens
- Streben nach dem Reinen Land
- Visualisationen Amidas und des Reinen Landes (auf sie legt der Autor seinen besonderen Fokus)
- Übertragung der eigenen, erworbenen Verdienste zur Befreiung aller Wesen.[114]

Der Synergismus zwischen Amidas Heilstat und menschlichem Streben bleibt in Vasubandhus Systematik der Amida-Devotion fundamentales Axiom.

Dieses Werk, welches - neben den drei kanonischen Sûtren – einen turning point hin zur allmählichen Ausformulierung des Amida-Glaubens darstellt, wird später in China und v.a. in Japan als wesentliche Grundlage zur weiteren Ausdifferenzierung und Autorisation eben dieses dienen.

So erkennt auch Shinran (trotz entscheidender Spannung bezüglich des Synergismus, wie später zu zeigen sein wird) in Vasubandhu und seinem Kommentar einen Wegbereiter und verbürgten Patriarchen seiner eigenen Theologie.

2.3.2 Die Kristallisation des Reinen Land Buddhismus in China

Ist die lupenreine Herleitung des Reinen Land Buddhismus als eigenständige Schule – wie gezeigt wurde – aus dem indischen Kontext nicht möglich, so wird man doch sagen dürfen, dass im China seit dem 5. Jh.[115] die Generierung der Tradition einen wesentlichen Schritt unternimmt. Die Verschiebung der Deutung von „Glaube“ (s. 2.1.4) und die Kristallisation des meditativen Buddhagedenkens in Form der Rezitation (s. 2.2.1-2.2.2 u. 2.2.3) im Prozess der Übersetzungstätigkeit ins Chinesische tragen den entscheidendsten Anteil an dieser Entwicklung. Zumindest Shinran wird sich darüber hinaus zur Absicherung seiner Theologumena speziell dreier chinesischer Aszendenten[116] bedienen.

2.3.2.1 T´an-luan (476-542; wahrscheinlich aber 488-554)

Er verfasst das erste bekannte systematische Werk (gilt als authentisch) zum Gegenstand. Es bietet einen Kommentar zu Vasubandhus „Abhandlung über das Reine Land“.[117] Darüber hinaus ist sein Werk „Hymnen über Amida Buddha“ von Belang für die weitere Entwicklung geworden.[118]

T´an-luan verdichtet das bisherige indo-chinesische Lehrgebäude qua zweier Positionen:

- Das Reine Land „existiert“ in zweifacher Weise: (1.) Es transzendiert den herkömmlichen Seins-Begriff. Es ist, obschon jenseits der phänomenalen Welt, so (2.) dennoch existent in der Formlosigkeit.[119] T´an-luan rekurriert mit diesem Standpunkt auf die dem Mahâyâna - v.a. der Mâdhyamika-Philosophie - essentielle Lehre der skt. śûnyatâ (Leerheit), welche die prinzipielle Eigenschafts-/Substanzlosigkeit jeglichen Seins behauptet. Ein Sein a se/per se wird abgelehnt und Sein nur als in Korrelation zu einem Anderen, als qua, möglich erachtet (vgl. das „Gesetz des bedingten Entstehens“). Insofern sind die Erscheinungen der sinnlichen Welt in se leer/eigenschaftslos. Sein und Nicht-Sein sind letztlich Äquivalente der selben Sache und bloß vorläufig relevante Termini, die nach der Erleuchtung als unbrauchbar durchschaut werden.[120] Mittels des Postulats der Existenz in der Formlosigkeit versucht T´an-luan das Reinen Land gegen das Yogâcâra-Paradigma der idealistischen Existenz (s. dazu Anm. 46) zwar abzusichern, versucht aber mit diesem „mediatorischen“ Standpunkt zwischen reinem Idealismus und Realismus zu vermitteln. Nur ein Buddha-Land, welches die Welt des Samsâra [121] spiegelbildlich transzendiert, welches als „Fülleaspekt“ der Leere[122] „existiert“, kann - nach T´an-luan - die Basis für die Erlösung aus dem Kreislauf des Samsâra sein.
- Er formuliert die Lehre von tariki (Andere Kraft) und jiriki (Eigene Kraft)[123]. Jiriki als Grundlage der intendierten „Selbst-Erlösung“ wird als wenig zureichend erachtet. Der Einzelne soll sich, um die Erleuchtung zu erfahren, auf die Andere Kraft Amidas verlassen. T´an-luan expandiert diese Heilsmöglichkeit, die bei Vasubandhu und Nâgârjuna noch Bodhisattvas vorbehalten war, auf alle Menschen seiner Zeit. Als Übung, die Hingeburt ins Buddha-Land zu erlangen, empfiehlt er neben der Visualisation das auf Amida konzentrierte rezitative nembutsu, welchem er die besondere, heilstiftende Qualität einer quasi „unio mystica“ mit dem Namen des Buddha zuspricht.[124] Durch eine solche verdienstvolle Praxis wird schlechtes Karma wirkungslos. Die Andere Kraft Amidas ermöglicht in Antwort auf diese Mühen nach dem Tode die Geburt im Reinen Land – eine Geburt, welche aufgrund der Formlosigkeit dieser Sphäre letztlich selbst „ Nicht-Geburt “ als Realisation der Extinktion des Ich in der Leerheit wird. Damit ist Nirvâna realisiert.[125]

T´an-luans Bedeutung resultiert aus seiner konzisen Betonung des universal-soteriologischen Anspruchs Amidas für die gesamte Menschheit, den er im Terminus Andere Kraft verdichtet. Dennoch bedarf dieses Geschenk der Anderen Kraft, welche im nembutsu des Gläubigen sich verwirklicht, nach seiner Theologie (vielleicht als kleiner Rest der Betonung der Eigenen Kraft) – im Konsens mit der Tradition - immer noch reziprok eines (synergetischen) Koinzidierens durch das Subjekt, welches sich der Übung der Rezitation hingibt. In Japan fällt sein Theologumenon von der Anderen Kraft v.a. bei Shinran (und Hônen) auf fruchtbaren Boden. Darüber hinaus werden andere Theologumena T´an-luans (Dharmakâya-Ontologie u. Soteriologie) Einfluss auf Shinran ausüben und folglich für die Herausbildung der distinkten Shin-Lehre richtungsweisend sein (s. 3.3.1 u. 3.7.1)

2.3.2.2 Tao-ch´o (542-645)

Er übernimmt T´an-luans exklusiv auf Amida ausgerichtete Systematik, und wird in der Folge zum quasi chinesischen „Vater“ einer distinkt sich gerierenden Amida Frömmigkeit, welche zuvor lediglich in subsidiärer Weise innerhalb des Gesamtkorpus buddhistischer Praxis seinen Platz zugewiesen bekommen hatte.

Kristallisationspunkt seiner Lehre ist das Vertrauen in das Heil, welches aus der unablässigen Rezitation des Buddha-Namens und der Meditation über die Eigenschaften Amidas resultiert. Conditio sine qua non der Hingeburt ist Tao-ch´o ein den Menschen anempfohlenes Vertrauen auf den Buddha-Namen, als das vom Individuum selbst zu Erbringendes.

Höchst relevant für die Legitimation seiner Theologie ist dabei der Umstand, dass Tao-ch´o den Amida-Glauben mit der Überzeugung in Verbindung setzt, es sei nunmehr die Epoche des völligen Verfalls der buddhistischen Lehre angebrochen. Hatte noch T´an-luan den Beginn dieser deterioren Phase[126] nicht behauptet, erachtet Tao-ch´o sie als mit dem Jahr 549[127] eingeläutet und präsentiert dabei den Amida-Weg als der herrschenden Zeit des Niedergangs einzig angemessenes „Mittel“, um den Zustand und die Erkenntnis der Nicht-Dualität (~Formlosigkeit) zu erlangen, ergo die Erleuchtung im Moment der Hingeburt ins formlose Buddha-Land zu realisieren.[128] Trotz dieser hierbei impliziten Betonung der philosophisch stärker idealistisch gefassten Definition vom Reinen Land/Jôdo, gesteht er dennoch andererseits auch dem „volkstümlicheren“ Realismus-Argument (welches das Sukhâvatî als formhaftes, nach-todliches Paradies erachtet) aufgrund der dichotomischen Sichtweise der Wirklichkeit in ihrer Polarität zwischen Form und Leere[129] eine überragende Bedeutung gerade für die Rettung der „einfachen“ Menschen zu.[130] Die scheinbar simple Sicht des Buddha-Landes als reales Paradies wird ihm zum Unterpfand und gleichwohl Anknüpfungspunkt des Volksglaubens, zumal er davon ausgeht, dass „einfache“ Menschen in ein solch „einfaches“, formaffiziertes, vorläufiges Land geboren werden. Auch dort ist ihnen – in Anknüpfung an ihre je eigene Sichtweise – das Heil sicher.[131] Wie kein „Theologe“ des Mahâyâna vor ihm, definiert er den Weg des Reinen Landes als exklusiv relevant, um im herrschenden Zeitalter der im Niedergang begriffenen Lehre – jap. mappô („die letzten Tage des Gesetzes“)[132] die Erleuchtung (~das Reine Land) zu erlangen. Er rezipiert Nâgârjunas Zweiteilung des buddhistischen Weges, radikalisiert diese jedoch: der Heilige (schwere) Pfad der Alten, welcher durch Meditation und Entsagung die Erleuchtung aus eigener Kraft ermöglichte, sei nicht mehr möglich - einzig der Leichte Pfad des Amida-Buddhismus sei relevant. Durch seine nicht unproblematische, generalisierende Ablehnung bisheriger buddhistischer Lehrsysteme als letztlich inadäquat[133], beginnt die „ sectarianlike emphasis of Pure Land devotionalism[134], wie etwa D.W. Chappell formuliert - eine Entwicklung hin zu jener autonomen Tradition, welcher innerhalb des Mahâyâna die wohl stärkste Konnotation einer – anders gesprochen – Gnadenreligion zu konzedieren ist.

Man wird m.E. an dieser Stelle festhalten dürfen dass, obschon Tao-ch´o weniger ein originärer Denker denn ein Rezipient T´an-luans war[135], gleichwohl er es war, dessen Denken die radikale Erlösungsbedürftigkeit des Individuums in einer Zeit des Pessimismus durch ein ihm entgegenkommendes Gegenüber betont und geschürt hat, welches in freier Antwort auf die spirituelle „Bedürftigkeit“ der Menschen, den „simpelsten“ soteriologischen Zugang gewährt. Auf diese Weise hat seine Systematik die Geschenkhaftigkeit von Amidas Heilswillen noch einmal herausstreichend präzisiert.

2.3.2.3 Shan-Tao (613-681)

Neben der Zuspitzung zur zusehends exklusiven Tradition durch Tao-ch´o, markiert Shan-tao einen Höhepunkt des chinesischen Amida-Glaubens, wiewohl er gleichzeitig - aufgrund seiner Rezeption in Japan - als darüber hinaus höchst einflussreich erachtet werden darf. In seinem bedeutendsten Werk, einem vierbändigen Kommentar zum Meditations-Sûtra, handelt er u.a. über die möglichen Ausformungen meditativer Praxis. Obschon er ihr Spektrum in Konvergenz zum Sûtra durchweg breit referiert und der Überlieferung gemäß selbst Visualisations-Meditation praktizierte, betont er dennoch die methodische Suffizienz des rein rezitativen nembutsu und versucht damit, diese zu seiner Zeit doch umstrittene Position zu schärfen. Das Beten des Namu Amida Butsu mit dem auf Amida gerichteten Glauben allein ermögliche allen Menschen die Erleuchtung. So separiert seine Exegese das rezitative nembutsu endgültig von anderen Formen der Praxis und präsentiert den besonderen Stellenwert der Rezitation als bereits im Meditations-Sûtra Grund gelegt.[136]

Bedeutsamer aber ist der Umstand, dass Shan-tao einen anthropologischen Standpunkt einnimmt, der vom Wissen um die tiefe Erlösungsbedürftigkeit des Einzelnen sich motiviert weiß. Als Antwort darauf expliziert er den tiefen Glauben an Amida; - ein Glaube, welcher ihm in dreistufiger Abfolge im Bewusstsein des religiösen Subjekts zur Grundlage des Heils im Reinen Land wird:[137]

- 1. Die Erkenntnis der unüberbrückbaren eigenen „Sündhaftigkeit“ und die daraus resultierende Verhaftung im Kreislauf der Wiedergeburt;
- 2. das tiefe Vertrauen auf die gleichsam „ergreifende“ Kraft von Amidas Gelübden (v.a. des 18. Gelübdes);
- 3. die feste Überzeugung, dass ein solch realisierter Glaube als Folge das Heil konstituiert (womit sich der Kreis m.E. zur ersten Stufe wieder schließt – Anm.).

Shan-tao hat mit dieser Systematisierung einen Beitrag zur Verdichtung der menschlichen Heilsbedürftigkeit geleistet, insofern er diese aus der existentiellen Erfahrung des persönlichen Ungenügens folgern kann. Der Synergismus verbleibt dennoch auch bei Shan-tao innerhalb der traditionellen buddhistischen Parameter, zumal die hier dargelegte Spezifikation des Glaubens eines m.E. erkennbaren Schwerpunkts auf Seiten des Subjekts nicht entbehrt.[138]

2.3.3 Die Rezeption und schließliche Separation des Amida-Buddhismus aus der bestehenden Mahâyâna-Ökumene Japans

2.3.3.1 Genshin (942-1017)

Der Mönch Genshin, obschon bei weitem nicht der erste Vertreter des Amida-Glaubens in Japan, gilt als einflussreicher Systematiker der Amida-Doktrin im Rahmen der Tendai-Schule. Mit seinem Hauptwerk Ôjôyôshû skizziert er seine Sicht: Er kategorisiert das nembutsu in vierfacher Weise, wobei meditative Aspekte der Praxis besonders hervorgehoben werden. Trotz der eigentlich systematischen Inferiorität der vokalen Rezitation plädiert Genshin dennoch in seinem Werk Amidakyô-ryakki aus praktischen Erwägungen für gerade diese Form, welche qua ihrer Simplizität mit dem durchschnittlichen Lebensvollzug in Einklang gebracht werden könne und derart einen Konnex zwischen lebensweltlichem Horizont und spiritueller Erfordernis begründe.[139] In dieser Hinsicht rezipiert er aus dem Werk seiner Vordenker – in Konvergenz mit der Egalisierung des Bodhisattva-Ideals – die soteriologische Breiten- wiewohl Tiefendimensionen des Amida-Glaubens und erschließt sie der japanischen Volksfrömmigkeit. Wenn er auch die Abwertung der Meditation zu Gunsten des einfachen Gebets – wie etwa bei Tao-ch´o erkennbar – nicht teilte[140], sondern beide Formen als möglich in Akkomodation zur jeweiligen Kapazität des Betroffenen zu werten wusste[141], ebnete er doch auf diese Weise der Bedeutung des hingebungsvollen Rezitierens für das religiöse Bewusstsein und Empfinden seiner Zeit den Weg und bestärkte die Amida-Devotion nicht nur im Kontext des damals dominanten Tendai, sondern gleichwohl im täglichen Gebrauch der nicht monastisch Lebenden.

2.3.3.2 Hônen Shônin (1133-1212)

Hônen, zunächst gleichfalls Mönch der Tendai Tradition, wird gerne als ein Wegbereiter der sich im 12. Jh. anbahnenden Reform im japanische Buddhismus erachtet. In dieser Zeit der politischen Instabilität gewann das Theologumenon der anbrechenden mappô, wiewohl die damit verbundene Vorstellung vom vorläufigen Ende der praktizierten buddhistischen Lehre neue Nahrung.[142] Das Volk partizipierte an den zusehends sich verkrustet darstellenden Hierarchien und Liturgien der vorherrschenden buddhistischen Schulen nicht. Auch die klösterliche Ordnung und Disziplin erschien in offenkundiger Dekadenz befangen zu sein, welche sich im Umstand spiegelte, dass die monastischen Zentren zu militärischen Machtfaktoren geworden waren, die einander im Bestreben der Ausweitung je eigener Machtsphären bekriegten. In dieses sozio-politische Umfeld hinein – so konstatiert zumindest ein erheblicher Teil der Forschung (s. dazu aber 4.1.2) - entfaltete Hônens Lehre (und vielerlei andere Glaubensvorstellungen) eine tiefgreifende Wirkung.[143] Aufbauend auf Genshins und v.a. Shan-taos Lehren postulierte Hônen die Unbrauchbarkeit der bis ins Detail gerasterten religiösen Praxis als Ausformung einer gleichsam buddhistischen Scholastik, deren Ergebnis eine wechselseitige Entfremdung zwischen der Bevölkerung und dem Buddhismus nach sich zog. Zum Movens seiner Suche wird das Verlangen nach einer „simplen“ Theologie, welche als kompatibel zu den Bedürfnissen der Bevölkerung gelten konnte. Nach einer zwölfjährigen „Karriere“ am Berg Hiei (dem Zentrum des Tendai) verlässt er diesen und schließt sich Yûrenbô Enshô – einem Exponenten der Amida-Devotion – an. 1198 stellt er seine Lehre in seinem Hauptwerk Senchaku-shû vor:

- Hônen propagiert das unentwegte rezitative nembutsu als suffizienten Weg zum Heil, zumal er es im wichtigsten Gelübde Amidas (Nr. 18) als solches vorgestellt erachtet. Im Grunde jedoch reicht seines Erachtens – gemäß des Gelübdes - bereits das einmalige (bis zehnmalige) Wiederholen aus, um ins Sukhâvatî zu gelangen. Denn nicht akkumulierend-mechanische Repetition, sondern aufrichtig gläubiges Sprechen respektive Denken des Buddha-Namens stellt seine Theologie als unabdingbar heraus.[144] Hônen stellt – in Rekurs auf einen Ansatz Shan-taos - fest, dass Amida im Sûtra selbst die Superiorität dieser Methode lehrt. Mit der Radikalität dieses Anspruchs durchbricht Hônen erstmals die Barriere der mahâyânischen Ökumene in Japan: Von allen Methoden soll nur mehr eine singuläre Gültigkeit besitzen.[145] Die Gültigkeit des nembutsu bezieht sich nach Hônen aber nicht nur auf die Periode von mappô, sondern ist die probate Praxis/Lehre zu allen Zeiten.[146] Die unentwegte Repetition kläre und vertiefe den Geist, eliminiere den Glaubenszweifel und könne zur Erleuchtung (schon in diesem Leben führen) bzw. zum nembutsu-samâdhi (~Erscheinen Amidas vor dem geistigen Auge aufgrund der Repetition) führen.[147] C. Wilhelm betont in diesem Zusammenhang die - aus der Zuspitzung des nembutsu resultierende - Neubewertung der traditionellen Lebensformen: So impliziert dieses „ nembutsu für jedermann “ eine – auch von Hônen expressis verbis vertretene - Obsoleszenz der monastischen Disziplin.[148]
- Der Glaube erschließt sich für Hônen jedoch nicht in der kognitiven Dimension ex post theologischen Diskurses und Forschens, sondern vielmehr nur durch eine quasi „Widmung des Herzens“ an Amida (in Übereinstimmung mit Shan-taos Fokus auf die „Hingabe“ an Amida).
- Das rezitative nembutsu allein wird ihm – in Konvergenz mit Shan-tao - zum affirmativen Quell der eigenen Heilszuversicht und zur konditionalen Praxis, um im Augenblick des Todes ins transzendente Buddha-Land geboren zu werden: Hônens Amida- und Sukhâvatî-Interpretation ist deutlich auf den transzendenten Aspekt ausgerichtet. Rekurrierend auf die Terminologie seiner Aszendenten geriert sich der Amida-Glaube für ihn als Leichter Weg/Weg der Anderen Kraft. Wie zuvor Tao-ch´o legt er den Fokus singulär darauf: Der Schwierige Weg (oder Weg der Heiligen) erscheint bei Hônen nunmehr als die unmögliche – besonders in der mappô-Periode nicht angemessene - Praxis. Obgleich das Augenmerk auf Amida liegt, scheint auch Hônen die synergetische Interdependenz zwischen Eigene/Andere Kraft betont zu haben, wenn er etwa feststellt, dass der aus eigener Kraft Glaubende reziprok Amidas Hilfe erfahre.[149] Hônen formuliert das in seinem berühmten „ Glaubensbekenntnis auf einem Blatt “ (jap. Ichimaikishômon) so: „ Wer im Paradies wiedergeboren werden will, spreche das Namu Amida Butsu und glaube ohne jeden Zweifel an die Wiedergeburt. Weiter ist nichts erforderlich.“[150]

Diese zwar nicht in allen Punkten originäre, der japanischen Öffentlichkeit hingegen präzisiert und zugespitzt vorgetragene Lehre provoziert - ob ihres neuartigen Exklusivitätsanspruchs - unter den besonderen historischen Bedingung des 12. Jh. sowohl eine breit religiös motivierte Gefolgschaft, als auch ablehnende Reaktionen seitens des religiösen Establishments, wie A.A. Andrews anführt:

„Hônen´s following and influence had now become so great as to be seen as a challenge by the established monastic orders. His Pure Land teachings rejected the fundamentals of their faith an his claim of legitimacy for the Pure Land school flew in the face of one of their most cherished persumptions: that only the emperor could establish a legitimate Buddhist institution”.[151]

1205 wird eine Petition[152] gegen Hônens angebliche Häresien und Vergehen[153] vorgelegt und Hônen 1207 mit einer Reihe von Schülern exiliert.[154] Kurz nach seiner Begnadigung 1211 stirbt er.

Hônens Wirken gipfelte noch zu Lebzeiten in der endgültigen Separation und Gründung der ersten Schule des Reinen Land Buddhismus in Japan. Dies, sowie seine egalitäre – in einer Zeit der sozialen Spannungen nicht ungefährliche[155] - nembutsu-Interpretation, die den Amida-Glauben nicht mehr als bloßes „Vehikel“ von spirituell Minderbegabten sah, markieren seine Bedeutung in der japanischen Religionsgeschichte. Ebenso unbestritten ist sein Beitrag zu einer tiefgreifenden Erneuerung und Diversifikation des japanischen Buddhismus. Die von ihm dabei eingeschlagene Richtung zur Separierung des Amida-Buddhismus erscheint im Hinblick auf seine breit gefächerte Rezeption der Gedanken Tao-ch´os und Shan-taos nur folgerichtig und konsequent.

Die Bedeutung Hônens als 7. Patriarch der Shin-Tradition resultiert aus dem Umstand, dass Shinran ein Schüler Hônens war.

3. Die Jôdo Shinshû („Wahre Schule vom Reinen Land“) als Anwältin der Totalität von tariki (Andere Kraft)

Es soll nun im gegenständlichen Kapitel ein grundlegender Aufriss der großen Themen Shinrans Denken gegeben werden. Jeglicher Anspruch auf Vollständigkeit ist in einem solchen Rahmen, schon auf Grund der äußersten Komplexität des Gegenstandes gerade bezüglich seiner Verortung innerhalb der von Shinran teilrezipierten bisherigen Tradition sowie seiner mitunter subtilen Weiterentwicklung, nicht möglich. Die Intention ist der zum Werk Shinrans hinleitende Überblick.

3.1 Shinran Shônin (1173-1262): Leben und Werk

Die Biographie Shinrans weist einige Fragezeichen auf, zumal aus seiner persönlichen Feder kaum authentische Notizen zu seinem Leben erhalten sind.[156] So ist es nötig Wahrscheinliches von Legendenhaftem, welches sich in den biographischen Entwürfen der späteren Jahrhunderte ansammeln sollte, möglichst zu scheiden.[157]

Geboren wurde Shinran wahrscheinlich 1173 in der Nähe von Kyoto in einer Familie, die dem Hofadel zugehörte. Vielleicht zur Sicherung der Lebensumstände des Sohnes in einer intrigenreichen Zeit ließ ihn seine Familie in den Eryaku-ji Tempel auf dem Hiei (wie vor ihm Hônen) eintreten.[158] Dort erhält er eine Ausbildung in der Philosophie und der spezifischen Liturgie der Tendai –Tradition.[159]

Dessen ungeachtet, vielleicht in Korrelation zum Geist dieser für Japan generell politisch und religiös (die mappô-Doktrin verbreitet sich im Volk) krisenhaften Epoche, gerät auch er in eine religiösen Krise der Verunsicherung bezüglich der Gültigkeit und Notwendigkeit des bisherigen buddhistischen Lehrgebäudes. 1201 sucht er den damals bereits im Volk verehrten, wiewohl angefeindeten Hônen auf und wird sein Schüler. Es wird berichtet, dieser habe ihm – vielleicht in Zusammenhang mit einer Vision[160] - zu heiraten empfohlen. So durchbricht er 1204 schließlich die Konvention mönchischer Lebensführung und heiratet - angeblich um die Egalität von Amidas Gnade gegenüber der bisherigen quasi zweistufigen Ethik (Mönchsstand - Laienstand) zu verdeutlichen. Der Prozess der individuellen Ablösung, ja Destruktion, seines bisherigen weltanschaulichen Paradigmas verstärkt sich durch die Annahme von Hônens Lehre über die alleinige Suffizienz des nembutsu-Weges. Im Rahmen von Hônens Verfolgung durch das Establishment des Hiei wird auch Shinran für sieben Jahre in Echigo exiliert. Nach seiner Begnadigung 1211 (Todesjahr Hônens) verlässt er 1213 Echigo und lässt sich in Inada, in der Nähe der Hauptstadt, nieder. In den folgenden zwanzig Jahren, in denen er eine große Zahl von Schülern um sich sammelt, entsteht ein Großteil seiner systematischen und poetischen Werke. Sein Schaffen ist gekennzeichnet von vielfältiger Korrespondenz mit Gemeinden und ihren Mitgliedern sowie vom Bemühen um die authentische Interpretation seiner eigenen Lehre im Widerstreit mit davon divergierenden Rezeptionen oder oppositionellen Standpunkten. Shinran stirbt 1262 in Kyoto.

Bereits zum Zeitpunkt seines Todes formieren sich etliche seiner Schüler, welche sich – nicht als einzige[161] - in Abgrenzung zu Hônens Glaubensdeszendenten Jôdo-Shinshû nannten. Diese wurden zur Keimzelle der späteren Entwicklung und Organisation zur bis heute wahrscheinlich größten und einflussreichsten buddhistischen Schule Japans.

Shinran selbst hat hingegen jeden Versuch der Unterscheidung zwischen seiner Lehre, und jener seines hochverehrten Lehrers Hônen immer vermieden und betonte, nicht immer nachvollziehbar, seinem Lehrer in allem zu folgen.[162] So erscheint es auch folgerichtig, dass er seine einschneidenden Lebensentscheidungen (Austritt aus dem Kloster, Heirat, Ablehnung des Mönchsstandes) immer mit Hônen selbst, der bereits zu Lebzeiten als Buddha verehrt wurde (manchmal wohl auch zur Rechtfertigung des eigenen Tuns), in ursächliche Verbindung setzte, um sich vermittels dessen als aufrichtiger Schüler zu gerieren.

Neben zahlreichen Briefen und kleineren Schriften besteht Shinrans Opus aus folgenden Hauptwerken:[163]

- Kyôgyôshinshô *[164] („Lehre, Werk, Glaube und Verwirklichung“): Es ist dies Shinrans umfassende Systematik seines Reinen Land Buddhismus. Es beinhaltet zahlreiche Quellenzitate aus den Sûtren und den Werken der 7 Patriarchen[165], sowie Shinrans eigene Interpretationen und Kommentierungen. Der apologetische Charakter des Opus liegt deutlich auf der Hand, zumal der Autor zum Beleg der Entwicklung oder seiner Theologie lange Zitate aus buddhistischer Primär- und Sekundärliteratur anführt - ein Umstand, der einen Einblick auf Shinrans mitunter problematische Hermeneutik [166] zulässt. Shinran betont dabei immer wieder, dass v.a. das Größere Sûtra den wahren Kern des Shin-Buddhismus, ja des ganzen Buddhismus darstelle. Das Werk selbst ist in seiner vorliegenden Form das Ergebnis einer langjährigen Genese.
- Shôshin nembutsu ge* („Lehrgedicht über das wahre Vertrauen in das nembutsu“): In ihm kann man die drastisch kondensierte Essenz des vorigen Werkes sehen. Es ist in Form eines Gedichtes in 60 Doppelversen verfasst.[167]
- Jôdo wasan* („Japanische Hymnen über das Reine Land“): 1248 abgefasst in der literarischen Gattung der buddhistischen Lobeshymne. In 118 vierzeiligen Hymnen nimmt Shinran explizierenden Bezug auf mannigfache Aspekte des Reinen Land Buddhismus.
- Kôsô wasan * („Japanische Hymnen über die Patriarchen“): In dieser Lobeshymne erweist Shinran vermittels eigener Kommentare zu interpolierten Zitaten aus historischen Werken den als bahnbrechend erachteten Aszendenten seiner Theologie die Ehre.
- Yuishinshômon´i * („Erläuterungen zu zentralen Sätzen aus dem Yuishinshô “): Darin exegetisiert Shinran das Werk eines Zeitgenossen zur Lehre Hônens. Allerdings entfernt er sich teils weit von den Ausführungen dieser Schrift zumal er stärkeren Bezug auf die darin enthaltenen Perikopen der chinesischen Meister nimmt und vermittelt darüber hinaus das Proprium seiner eigenen Auffassungen. Das relativ kurze Werk ist auf Grund seiner Präzision in der Darlegung besonders bedeutsam für das Erschließen der Shin-Theologie, und wird aus diesem Grund einen breiteren Rahmen in der gegenständlichen Darstellung eingeräumt bekommen.

Zusätzlich: Tannishô * („Klage über die Abweichungen Lehren“): Diese Schrift hat nicht Shinran zum Autor, sondern stammt vermutlich aus der Feder seines Schülers Yuien, der mit diesem „Gedächtnisprotokoll“ von Shinran-Aphorismen intendierte[168], die nach Shinrans Tod ausgebrochenen Querelen zur orthodoxen Interpretation seiner Lehre zu schlichten.[169] Obschon das Werk nicht immer als allen Gläubigen zuträglich erachtet wurde[170], entwickelte es sich zu einer der einflussreichsten und am weitesten rezipierten Schriften innerhalb des Shin (v.a. im letzten Jahrhundert). Seine Bedeutung resultiert aus seiner konzisen Form, wiewohl aus dem Umstand, dass es einzigartiger Textzeuge für einige sonst unbelegte Verba Shinrans ist.

3.2 Der Paradigmenwechsel in der Theologie Shinrans

3.2.1 „Alles Leben ist Leiden“: Das überlieferte Axiom der „Ersten Edlen Wahrheit“ als Fundament der Mahâyâna-Anthropologie

Die kardinale Aussage, dass alles Lebendige letztlich im Bann der Leidhaftigkeit befangen sei, durchzieht als Erste der sog. Vier Edlen Wahrheiten quasi wie ein Kontinuum den gesamten Buddhismus jedweder Herkunft, ist es doch gerade diese Erkenntnis, welche die Enthüllung der Notwendigkeit eines Weges aus dem Leiden erst bedingend notwendig macht.[171] Der Prozess des Leidens selbst ist ursächlich verbunden mit dem „Übel“ des Samsâra (s. dazu Anm. 121), vermittels dessen propulsiver Determinanten – Gier, Hass, Verblendung als Existentialia allen lebendig-formhaften Seins – der Kreislauf der Existenzen perpetuiert wird. Aufgrund dessen kann das Samsâra als letztlich ident mit der phänomenalen Welt erachtete werden. Ziel des Mahâyâna ist die Realisation der prinzipiellen Leere der phänomenalen Welt sowie auch des individuellen Selbst, woraus eine latente Ablehnung jeglicher Substanzmetaphysik (und trotz so manch metaphysisch sich anschickender buddhistischer „Lehre von der letzten Wirklichkeit“) oder jeglicher metaphysischer Verbalisation – zumindest theoretisch[172] - resultiert. Ziel des spirituellen Weges ist die Erkenntnis des eigentlichen Wesens aller Dinge, ist die Erkenntnis des illusorischen Charakters des „individuellen Ich“ [173] als Überwindung der Verblendung (Unwissenheit).[174] P. Schmidt-Leukel stellt dazu fest:

„Ist die Ichlosigkeit in ihrer radikalisierten Gestalt der Substanzlosigkeit erstens Grundlage für das nichtunterscheidende Mitleid[175], so ist sie darüber hinaus zweitens traditionell natürlich auch das Gegenmittel gegen egozentrische, leidverursachende Anhaftung.“[176]

Die Mahâyâna-Philosophie[177] spricht – im Wissen um die Begrenztheit jeglicher Verbalisierung - im Kontext des eigentlichen Wesens gerne auch von der „Soheit“ (skt. Tathatâ) der Dinge/Erscheinungsformen, welche jenseits der Form (in skt. śûnyatâ: ~inhärenter Existenzlosigkeit) begründet sei.[178]

Die – wenn man so will – „letzte Wirklichkeit“ wird sodann als mit dem Dharmakâya (s. 2.1.1.1; es existiert noch eine Reihe anderer Termini für die Umschreibung dieser „letzten Wirklichkeit“) ident gefasst, woraus ein - vermittels der Erleuchtung zu erkennendes - monistisches Koinzidieren der formhaft- relationalen Samsâra Welt mit der Leerheit und mit dem Absoluten resultiert.[179]

Zusammenfassung: Die Verblendung des Menschen (jap. mumyô ~ Unklarheit) über das eigentliche Wesen der Dinge und des eigenen Selbst in ihrer Identität mit dem Absoluten gebiert das Haften an formhafter Existenz = Wiedergeburt = Leid. Mumyô wird aber im Mahâyâna nicht ausschließlich mit der Konnotation des Abträglichen verbunden dargestellt, sondern wird selbst zum Movens der spirituellen Suche des Menschen.[180]

3.2.2 Die anthropologische Grunddisposition bei Shinran

Durch die Rezeption dieser Grunddisposition des menschlichen In-der-Welt-Seins durch Shinran ist die Basis seiner Anthropologie vor Augen gestellt.

Obzwar Shinran mit der gerade skizzierten Verortung des Menschseins in der Unwissenheit/mumyô als Grund des Un-Heiles menschlicher Existenz übereinstimmt, so scheint er sich deren Instrumentalisierung als „Stachel im Fleisch“ zum Beschreiten des buddhistischen Weges nicht angeschlossen zu habe. Das Postulat seiner Anthropologie (vermittels einer zuspitzenden Rezeption des tiefen Pessimismus eines Tao-ch´o und Shan-tao) lautet: Der Mensch dieser Zeit ist proprio motu nicht zur Besserung fähig.[181] Er verbleibt selbst hilflos verstrickt in den Fallstricken des Samsâra, er bleibt ein Dahingetriebener bar der Eigenen Kraft, er ist Bürger des bônno [182]. Nicht nur sind es die Interdependenzen der gesetzten karmischen Akte, die die Ausweglosigkeit der menschlichen Natur kennzeichnen, sondern die generelle Disposition der menschlichen Natur zum „Schlechten“. Auf diese Weise erscheint der Mensch bei Shinran in einer Situation der radikalen Gebrochenheit als – um einen bildhaften Vergleich zu bemühen – „Fähnlein im Sturm seines Lebens“: bewegt, gebeutelt - aber trotz aller sichtbaren Bewegung dennoch gefesselt an einem Ort. Shinran formuliert dies im Kyôgyôshinshô so:

„However, since the beginningless past, the multitudes of beings have been transmigrating in the ocean of ignorance, sinking aimlessly in the cycle of all forms of existence and bound to the cycle of oll forms of pain; accordingly, they lack the entrusting that is pure. In the manner of their existence, they have no entrusting that is true and real ... In all small foolish beings, at all times, thoughts of greed and desire incessantly defile any goodness of heart; thougths of anger and hatred constantly consume the dharma-treasure. Even if one urgently acts and urgently practices as though sweeping fire from one´s head, all these acts must be called ‘poisoned and sundry good’, and ‘false and deceitful practice’. They cannot be called ‘true and real action’.“[183]

Mit dieser – auch im Kontext des Buddhismus - radikalisierten Negativbestimmung menschlicher Existenz und menschlicher Unfähigkeit zur Heilsaneignung legt Shinran den Grundstein für die Entwicklung seiner Sicht des Glaubens.

3.2.3 Mappô als existentiale Destruktion jeder menschlichen Progression sowie als Chiffre des Heilsweges

Shinrans anthropologisches Grundaxiom von der Destruiertheit der menschlichen Heilsaneignung ruht seinerseits in der von ihm selbst als bereits angebrochen erachteten Phase des völligen Niedergangs der vormals dienlichen buddhistischen Praxis. Im Kontext seiner Theologie ist mappô nicht eine Akzidens, sondern vielmehr konditionaler Aspekt jeglicher weiteren Explikation zur Soteriologie.

Die vermutlich erst im China des 6. Jh. entstandene Lehre von den drei (mitunter fünf) einander folgenden Zeitaltern, deren drittes Zeitalter (mappô) das Ende des praktizierten Buddhismus (die „theoretische Lehre“ des Buddhismus bleibt dennoch bestehen!) einläutet, war - wie bereits gezeigt wurde - seit Tao-ch´o zum Bestandteil der Reinen Land Tradition avanciert.[184] Hônen rezipierte diese im Japan seiner krisenhaften Zeit ohnedies verbreitete Anschauung in seiner Systematik, allerdings mit einer wesentlichen Verschiebung bezüglich der Bewertung dieses Zeitalters: Er sah darin nicht sosehr die negativen Implikationen einer generellen Zeit des Niedergangs, sondern vielmehr deutete er mappô als die (historische) Chance des Durchbruchs der Lehre vom Reinen Land, wie etwa T. Unno feststellt.[185] Wichtig war diese Skizzierung seitens Hônens insofern, als er den Pfad zur Erlösung nicht nur für alle Menschen, sondern gerade für die Ausgestoßenen oder „Übeltäter“ geöffnet sah. Insofern instrumentalisierte Hônen seine mappô-Interpretation für den Anspruch auf Egalisierung des Buddhismus durch das nembutsu.

Eine deutlich anders akzentuierte Interpretation bietet dagegen Shinran. Er transponiert dabei den Akzent des Historischen in den herkömmlichen mappô-Definitionen auf die existentiale Ebene. Mappô ist ihm nicht länger bloß buddhistische Endzeit, sondern Synonym menschlichen Grundübels a se. Die negative Disposition des jetzigen Menschen erweist sich nicht als situatives Korrelat der bestehenden Epoche, vielmehr sieht Shinran mappô als generelles Charakteristikum individuellen und kollektiven Daseins. In Expansion dieser Wertung bleibt Mappô nicht mehr wie zuvor singuläre Epoche, sondern geriert sich als das Eigentliche allen Daseins zu allen Zeiten.[186] S. Hara weist darauf hin, dass Shinran das Leben nicht bloß in der Eingrenzung des Geborenwerdens und Sterbens des Individuums erkennt, sondern vielmehr impliziert alles Leben auch die Versagen seiner vorangegangenen Existenzen.[187]

Somit kann festgestellt werden, dass das Versagen nicht bloß aposteriorisch im Sein enthalten ist, sondern vielmehr zum Existential avanciert. Mappô verdichtet sich zum Apriori menschlichen Daseins überhaupt.

Es ist jedoch festzuhalten, dass Shinran das Konstrukt von mappô nicht ausschließlich einer solch existentialen Interpretation unterzieht. Vielmehr benutzt er mappô zur Bewertung des geschichtlichen Ablaufs. Dazu dient der Schlüssel-Terminus (jap.) hôben[188]: Er umschreibt die akkomodierende Vergegenständlichung respektive Konkretion der unendlichen Wahrheit des Buddha-Dharma in der phänomenalen/formhaften Welt. Der Dharma nimmt Gestalt an und tritt in Erscheinung, um die Lehre der Erlösung vom Leid zu predigen. Das Absolute bewegt sich auf die Menschen, welche in ihrer Unfähigkeit zum Guten verstrickt verbleiben, zu, indem es sich in endlicher Gestalt darbietet. R. Okochi spricht in diesem Kontext davon, das Dharma habe seine Absolutheit zu Gunsten der Menschen negiert und K. Otte stellt fest, das Absolute habe in seiner Selbstverneinung eine Mittlerfunktion[189] eingenommen. Das Absolute werde zum konkreten Tathâgata (skt. „Der so Dahingelangte“; „Der so Gekommene“)[190], zur immanenten Transzendenz.

Hôben ist in Shinrans Systematik eine Möglichkeit, um Amidas soteriologischen Impetus zu verbalisieren. So stellt er fest:

„... the sentient beings of corruption and evil, have abandoned the ninety-five wrong paths and entered the various dharma-gates – imperfect or consummate, accomodated or real – those who are authentic [in their practice] are extremely difficult to find, and those who are genuine are exceedingly rare. The false are extremely numerous; the hollow are many. For this reason, Sakyamuni Buddha guides the ocean of beings by disclosing the store of merit [for birth in the Pure Land], and Amida Tathagata, having established the vows, saves the oceanlike multitude of beings everywhere.“[191]

Hierbei wird der Konnex zwischen mappô und kollektivem Heil deutlich. Mappô ist jene Zeitspanne zu deren Bewältigung Amida seine heilsamen Gelübde gestiftete hat. Insofern das negative Proprium dieser Zeit aber schon immer das Dasein des Menschen dominiert, erstreckt sich Amidas Heilsangebot auf alle Zeiten. Im Akt des hôben verdeutlicht sich das, was ich wegen der Vielfalt und Nuancierung der „Mittel“ als Korrelations-Soteriologie bezeichnen möchte.

Auf diese Weise erweist sich die historische Implikation von Shinrans mappô-Interpretation: Der historisch gefasste Amida-Buddha, der seine Bodhisattva-Gelübde qua seiner Erleuchtung erfüllte, tritt ein in die Geschichte des menschlichen Daseins, um sich zur Kenntnis zu bringen. Dazu müsse, wie S. Hara feststellt, er sich dem Zeitlichen unterwerfen, woraus reziprok die historische Genese des Shin als Ausdruck dieser Immanenz gerechtfertigt/erklärt werden kann.[192] Bereits im Vorwort des KGSS rekurriert Shinran auf die erzählerische Rahmenhandlung[193] des Meditations-Sûtra, vermittels deren allegorischer Interpretation in KGSS VI,15 er so etwas wie einen „Masterplan“ von Amidas Heils-Willen entwickelt: Die Geschichte von der Intrige im königlichen Schloss wird zum Plan Buddhas transponiert, um die Heilslehre von Amida-Buddha der Welt zu enthüllen. Amida bedient sich des Bösen in der Welt, um sein (apriorisches) Heilswerk erst deutlich machen zu können.[194] Vermittels einer solchen Wertung kann Shinran von allen drei „historischen Akteuren“ sagen:

„In their selfless love, these incarnated ones – Devadatta, Ajatasatru, Vaidehi – all aspired to save the multitudes of beings from pain and afflication, and in his compassion, Sakyamuni, the great hero, sought indeed to bless those committing the five grave offenses[195], those slendering the dharma, and those lacking the seed of Buddhahood.“[196]

Die Übeltäter werden in Shinrans Exegese des Sûtra folglich zur eingeplanten conditio, zum allegorischen Vehikel zum Transport einer Botschaft.[197] Sie sind nicht länger „Sünder“, sondern Shinran schildert sie als quasi Bodhisattvas, als intentionale Ausdifferenzierungen des hôben.[198] Auf diese Weise sind sie selbst integraler Bestandteil eines buddhistisch-historischen [199] Heilsplans.

Zwei einander korrelierende Topoi zu mappô sind zusammenfassend festzuhalten:

- mappô als Synonym zeitloser Affektion menschlichen Daseins mit Ungenügen und Versagen als existentialer Grund der Notwendigkeit von -
- mappô als Zeit des Heils, in welcher sich Amida als der Schon-Da-Seiende erweist[200] - als der das Heil zu Anfang Begründende, jetzt dieses Heil Offerierende und als der zukünftig mit allen Wesen Vereinte.

(Anm.: Vielleicht kann man auf S. Haras Problem des linearen Ablaufs antworten: Am Ende dieses geschichtlichen Verlaufs, wenn alle Menschen das Heils Amidas erfahren haben, die wahre Heils-Ursächlichkeit Amidas vollzogen ist, schließt sich zumindest symbolisch ein Kreis zum ersten Schritt: das 18. Gelübde vom prospektiven Heil der Wesen wird faktisch).

3.3 Die ontologische Neubewertung Amida-Buddhas

War im früheren Reinen Land Buddhismus der Wirkungshorizont Amidas noch in den Parametern der trikâya-Lehre als Sambhogakâya (s. 2.1.1.1) definiert worden, um auf diese Weise die Transzendenz seiner „Person“ und seines Landes, korrelierend mit der erhofften nach-todlichen Hingeburt, zu bekräftigen, rekurriert Shinran aufgrund seiner Neuberwertung Amidas auf die trikâya-Ontologie nur in sparsamer respektive partieller Weise.

3.3.1 Amida als dichotomer Dharmakâya

Shinran rezipiert den Ansatz des Dharmakâya aus der herrschenden trikâya-Lehre seiner Zeit, setzt diesen aber in Konnex zu einer Aussage T´an-luans, welcher den Dharmakâya als zweifältig fasste.[201] Zusätzlich scheint Shinran für sein ambiguoses Ontologie-Konzept Amidas auf die Philosophie der Mâdhyamika/Nâgârjunas zu rekurrieren, welche die „Wahrheit“ als doppelt beschreiben (skt. satyadvaya):[202]

- Absolute Wahrheit: Sie ist das in seiner „Soheit“ jeglichem diskursiven Denken und daraus resultierender Verbalisation und Definition a se enthobene Absolute, das in der großen Erleuchtung erhellt wird
- Relative Wahrheit: Damit wird der buddhistische Weg beschrieben, welcher vermittels seiner epistemischen Beschränkung nur eine pädagogische Annäherung an die Absolute Wahrheit darstellt. Insofern ist der Akt der Erkenntnis des Absoluten ein nur teils vermittelter/vermittelbarer, letztlich aber selbst zu erbringender. „Das Prinzip der „doppelten Wahrheit“ bringt jene Notwendigkeit zum Ausdruck, die darin besteht, daß das unbeschreibbare Heilsziel nicht vermittelt werden kann, ohne den Durchgang durch die vorläufige Beschreibung der Unheilssituation ...“ [203], merkt P. Schmidt-Leukel an. Letztlich destruiert die Erleuchtung den Inhalt der Relativen Wahrheit. So lässt sich die letztliche Unwahrheit aller transitorisch-relativen Wahrheit konzedieren, insofern sie in das Unsagbare aufgelöst wird.[204]

Shinran verbindet in der Folge die philosophische Aussage von der Relativität buddhistischer Lehre mit hôben (s. 3.2.3) und entfaltet Amida als den Dharmakâya, in zweifacher Weise. Er formuliert:

„Der Wesenskörper hat keine Farbe oder Form. Daher ist sein Sinn unerschöpflich, alle Worte müssen hier enden. Aus der Einheit mit sich heraus erscheint er als Form in seinem zweckmäßigen Wesenskörper und heißt in dieser Gestalt der Fromme Dharmâkara.“[205]

Die beiden Wirkungshorizonte Amidas (in Anlehnung an T´an-luan) sind demnach[206]:

- Amida – der Dharmakâya der Soheit: Er ist der ewige, formlose Buddha als Chiffre des Absoluten. Amida ist in diesem Kontext bei Shinran abstrakte, eigenschaftslose Buddhaheit. Diese Buddhaheit ist eine.[207] In Anschluss an D.T. Suzuki kann gesagt werden: Der Dharmakâya vereint die beiden Grundpfeiler des Buddhismus. Er ist große Weisheit (skt. Mahâprajnâ) und großes Mitleid (skt. Mahâkarunâ).[208]

In dieser Aseität Amidas ist der Impetus zur Erlösung des Menschen Grund gelegt. Dazu bedient sich das formlose Absolute jedoch in akkomodierendem, pädagogischem hôben einer kondensierten, explikativen Form, um das Heil der Menschen in den weltlichen Wirkungshorizont zu tragen – - Amida – der Dharmakâya des geschickten Mittels: Aus der eigenschaftslosen Einheit der Absolutheit Amidas manifestiert respektive emaniert sich Amida proprio motu in die Formhaftigkeit zum Zwecke der Bekanntgabe seines eigenen Heilsweges (als Dharmâkara) mit dem alleinigen Ziel: der Be-Gründung des Heilsweges der Menschen. Die altruistische Kondition des Bodhisattva-Pfades wird hierbei auf die Spitze getrieben: Das Absolute/Dharmakâya geriert sich in der bedingten Formhaftigkeit, konstituiert qua eigenen Mühens - vermittels des 18. Gelübdes - die soteriologische Konvenienz für die Welt des Samsâra.[209] Erst in der Negation seiner Absolutheit, seiner Partizipation als Bodhisattva Dharmâkara/Hôzô am Samsâra, wird dem Menschen reziprok die Ermöglichung zur Erkenntnis der Liebe und Weisheit zu gelangen verleihen.[210]

Amida in seiner Form als der „aus dem Sosein Gekommene“ wird Shinran zur Manifestation des grenzenlosen Mitgefühls für die im Leiden, im bônno verfangene Kreatur. In der intentionalen Negation seiner Absolutheit kristallisiert sich Amidas Heils-Tat in der Welt.

Mit diesem Abriss wird die Neu-Evaluierung des Stellenwerts Amidas in Shinrans Theologie evident: Amida wird nicht mehr als ein transzendenter Buddha unter (gemäß dem Mahâyâna: unendlich vielen) anderen gefasst – wohl deshalb verzichtet Shinran auf die distinkte, zumal „relativierende“ Konzeption des Sambhogakâya.[211] Vielmehr eliminiert er diesen aus der dreigliedrigen Buddha-Ontologie des Mahâyâna, indem er ihn dem Horizont des Dharmakâya zuordnet. Übrig bleibt an dieser Stelle der Dharmakâya in seiner Absolutheit einerseits, wiewohl in seiner soteriologisch bedeutsamen Konkretion andererseits.

Ein Ergebnis wird deutlich: Amida ist Shinran zum ewigen Buddha, zur quasi singulären Chiffre geworden. Damit wird die Explikation des Reinen Land Buddhismus als der einzig Relevante in der Ontologie noch einmal fokussiert respektive begründet.[212] Vermittels der Stilisierung Amidas zu „dem Buddha“, zu „dem Absoluten“ scheint der Anspruch auf den Primat der Reinen Land Tradition innerhalb des Gesamtbuddhismus affirmiert. Shinran verdeutlicht seine Sicht Amidas als Inbegriff der Buddhaschaft in seinem 55. Hymnus der Jôdo wasan so:

„It is thaught that ten kalpas have now passed since Amida attained Buddhahood, but he seems a Buddha more ancient than kalpas countless as particles.“ [213]

Im Yuishinshômon´i schreibt er:

„Als Bodhisattva Dharmâkara hatte er im siebzehnten seiner achtundvierzig großen Gelübde geschworen, daß alle Buddhas in der Unermesslichkeit des Alls seinen Namen rühmen und erklingen lassen sollten.“[214]

Zusammenfassung: T. Oguro verdichtet Shinrans Überlegungen, indem er dessen Termini gebraucht und die beiden „Weisen“ der Amida-Buddhaheit noch einmal verdeutlicht:[215]

- Hosshô-hôshin = der abstrakte, absolute Aspekt Amidas. Er repräsentiert den stärker apersonal konnotierten Charakter der Buddhaschaft und die Totalität des buddhistischen Dharma –
- Hôben-hôshin = der gestalthaft-relative Buddha als Explikations- und Kristallisationspunkt der Amida-Ontologie. In seiner „Gekommenheit“ als formaffizierter Dharmakâya korrespondiert Amida bei Shinran mit dem ontologischen Modell des Nirmânakâya im Mahâyâna. Amida ist im Reinen Land und in der phänomenalen Welt Nirmânakâya.[216]

Dieser Wirkungshorizont repräsentiert den stärker „personal-konnotierten“[217] Aspekt Amidas.

Man kann festhalten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die beiden Horizonte des Dharmakâya bedingen – obzwar verschieden, so dennoch untrennbar verschränkt – einander und charakterisieren in ihrem „ Verkehr“ den prozessualen Charakter der Buddhaheit, welcher die Möglichkeit seiner (Amidas) eigenen Rettung, wiewohl der Rettung der Menschheit begründet.

Shinran fasst dies in seinem dialektischen Konzept so, dass in Amida die Notwendigkeit zur Erscheinung auf Seiten der Menschheit genauso - gleichsam regelhaft[218] - implizit sei, wie es dem Menschen eigen sei, Buddha zu sein/werden[219], zumal ihm die Buddha-Natur[220] in Form des Glaubens inne ist.

„Der Tathâgata erfüllt die gesamte materielle Welt, er ist das Herz des Lebendigen. Weil sich das Herz an dem Gelöbnis Amidas erfreut, ist der Glaube die Buddhanatur.“[221]

M.E ist dem ergänzend hinzuzufügen, dass Shinran seine Buddha-Ontologie von Seiten Amidas her kommend ausdifferenziert, folglich mit dem Postulat des unbedingten Absoluten und seiner Negation als Konkretion sein Auslangen finden kann, während die bisherige trikâya-Lehre den Weg der Erklärung der Buddhaschaft selbst, wiewohl der Vielheit an Buddhas im Mahâyâna, wohl eher ihren Ausgang beim historischen Buddha nimmt und induktiv auf die dahinterliegenden größeren Horizonte schließt.

3.3.1.1 Zur Interdependenz zwischen Amida und dem historischen Buddha

Aus dem oben Dargestellten erhebt sich klarerweise die Frage nach der Funktion bzw. der generellen Stellung des historischen Buddha, jenseits seiner ihm zugeschriebenen Funktion als Gründerfigur des Buddhismus. Konvergierend mit seiner Kondensation Amidas zur Buddhaschaft a se, welche die vormalige Pluralität „gleichwertiger Buddhas“ im Mahâyâna zum Amida-Monismus modifiziert, Amida folglich als Buddha hinter den Buddhas gezeichnet wird, unterzieht Shinran auch die Gestalt des historischen Buddha einer im Ergebnis erneuernden Evaluation. War die reminiszente Stellung Gautamas im bisherigen Amida-Buddhismus insofern abgesichert, als er (wie gezeigt wurde) der Prediger, der „Enthüller“ der Botschaft[222] in den drei kanonischen Sûtren ist, so zweifelt Shinran dies keineswegs an, transponiert jedoch Gautamas Stellung über die des bloßen Predigers hinaus. Nicht mehr die Amida-Lehre als eine in einem großen Orchester divergierender buddhistischer Lehren integrierte, sondern vielmehr als Höhe- und Mittelpunkt von Gautamas genereller historischer Lehrtätigkeit ist Shinrans Postulat. So gerät die Erzählung von Devadatta zu Beginn des Meditations-Sûtra (s. 3.2.3 u. Anm. 193) vollends zum quasi Prologomenon der soteriologischen mappô.

„Daß der Tathâgata[223] in dieser Welt auftrat, geschah nur, um das Meer von Amidas Gelöbnis zu verkünden. Die zahllosen Lebewesen in dieser schlechten, fünfach getrübten und unreinen Zeit[224] sollen die Worte dessen glauben, der eins ist mit seinem Werden und eins mit der Wahrheit ist.“[225]

Darüber hinaus ist Gautama für Shinran nicht nur der, der gekommen ist, um Amidas Gelöbnis zu verkünden, sondern er ist Amida selbst, in seiner Formhaftigkeit als Gautama menschhaft manifest Gewordener, um den Menschen qua der Sûtren von sich selbst zu künden, sodass in diesem Zusammenhang konzediert werden darf, Amida (als Hôben-hôshin) sei in die Welt des Samsâra eingetreten, um sich selbst zu „enthüllen“. Shinran schreibt dazu:

„Amida, who attained Buddhahood in the infinte past, full of compassion for foolish beings of the five defilements, took form of Sakyamuni Buddha and appeared in Gaya.“[226]

Der historische Gautama ist Shinran die Konkretion der Konkretion, der in die Welt und Zeit Gekommene. In diesem Sinne ist er Nirmânakâya, welcher selbst wieder Hôben-hôshin ist.

3.4 Tariki als präveniente Kraft Amidas und die Absolutheit ihres Anspruchs

Mit der Neubewertung der Stellung von tariki innerhalb des soteriologischen Geschehens beschreitet Shinran einen radikal neuen Weg innerhalb des japanischen Buddhismus. War – wie gezeigt wurde – in der Theologie der sog. Patriarchen bis Hônen (s. T´an-luan, welcher das Begriffspaar jiriki/tariki prägte) eine synergetische Interdependenz zwischen dem Gläubigen und Amida im Akt der Hingeburt noch prominent vertreten, welche ein Koinzidieren zwischen dem selbst zu evozierenden Glauben als Ausdruck der Eigenen Kraft mit dem tariki Amidas als unabdingbar erachtete, durchbricht Shinran diese Konzeption, indem er jiriki als der Insuffizienz zugehörig definiert. Jegliche verdienstvollen Werke sind nichtig, wirkunmächtig zum Erlangen der Hingeburt, wie es etwa noch das 19. Gelübde[227] lehrt. Auch jegliche per se Verdienstlichkeit des Aktes der Rezitation, wiewohl ihre Häufigkeit, lehnt Shinran entschieden ab.[228] Ausgehend von seiner deterioren Grundbestimmung des menschlichen Daseins in seiner unlösbaren Affektion mit niederen Trieben und Gefangenschaft in der Ausweglosigkeit des propulsiven karmischen Kreislaufs liegt die grundlegende Ablehnung der Bedeutsamkeit eigener Anstrengungen zum Heil auf der Hand. Insofern wird man sagen können, dass Shinrans Anthropologie die konditionale Basis für die Entwicklung seines tariki -Begriffs ist.

Aus sich heraus schafft der Mensch nichts. Alles gerät zum freien Geschenk - zum Geschenk des tariki.

Man wird diese Neuorientierung als den Paradigmenwechsel innerhalb des Reinen Land Buddhismus wiewohl des Mahâyâna zu fassen haben, zumal Shinran qua solcher Theologie nicht nur eine völlige Abwertung des Bisherigen mitschwingen lässt, sondern vielmehr expressis verbis vertritt:

„Sentient beings, having long followed the Path of Sages – the accomodated and temporary teachings that are provisional means have been transmigrating in various forms of existence; so take refuge in the One Vehicle[229] of the compassionate Vow.“[230]

„Attaining Buddhahood through the nembutsu is the true essence of the Pure Land way; the myriad practices and good acts are the temporary gate. Unless one distinguishes the accomodated and the real, the temporary and the true, one cannot possibly know the Pure Land that is naturalness.“[231]

Damit ist die Grenzlinie zum „anderen“ Buddhismus klar abgesteckt.[232] Shinran scheint in seinen Ausführungen auf die Konzeption der relativen/absoluten Wahrheit von Nâgârjuna zu rekurrieren, welche schon seiner Amida-Ontologie unterlegt war. Wie in der Ontologie, in welcher Amida mit dem Dharmakâya als Ausdruck des Absoluten identifiziert wurde, dient das Konzept auch in der Wertung des Shin-Weges als Argument des eigenen Absolutheitsanspruchs: Wenn Amida das/der Absolute ist, muss auch seine Lehre respektive die Lehre über ihn im Kern diesen Anspruch erheben. Alles andere ist fragmentarisch, vorläufig, relativ, mithin unkwirksam.

Allein die Kraft Amidas wirkt das Heil des Menschen, welcher selber nichts dazu zu tun befähigt ist. Allein Amida durchbricht mit seinem soteriologischen Impetus die existentiale mappô allen Daseins. Einzige Bedingung, um tariki im eigenen Leben zur Wirkung zu bringen ist, es einfach gewähren zu lassen, zuzustimmen dem Geschenk als Reaktion auf die Erkenntnis der eigenen Heilsunfähigkeit.[233] Allein durch ihn, der „Unermessliches Licht“ genannt wird, kann das Dunkel erhellt werden.

„Die Heiligen des Hînayâna und Mahâyâna sowie die guten und schlechten gewöhnlichen Menschen erreichen höchste Weisheit und Vollkommenheit nicht durch ihr aus eigener Kraft realisiertes Wissen. Weil aber die Gestalt des Buddhas ‚Unbeschränktes Licht‘ im leuchtenden Strahl der Weisheit weilt, gehen sie ein in das Meer seines weisen Gelöbnisses. Es ist die Gestalt, die alle Weisheit und alles Wissen sämtlicher Buddhas in sich versammelt.“[234]

Shinran treibt auf diese Weise den Stellenwert von Amidas tariki auf die Spitze, insofern er sie absolute Heteronomie des Heils gegenüber jeglicher Praxis anderer Traditionen zur Prämisse macht. Nicht mehr die Konvenienz von jiriki und tariki ist sein Skopus, sondern die bare Reduktion auf einen Part allein.[235] Scheinbar egal, auf welchem Weg sich der Aspirant auch immer bewegt - allem seinem Fortschreiten kommt tariki zuvor - ist tariki die präveniente Barmherzigkeit des Buddha.[236] Die Erstreckung der Bedeutung Amidas selbst auf den Hînayâna und den ganzen Mahâyâna beschreibt diese Intention und den damit verbundenen Anspruch auf Absolutheit.[237] Nicht mehr die Pluralität buddhistischer Traditionen als akkomodierende Antwort auf die Vielgestaltigkeit menschlicher Konstituiertheit und menschlichen Bedürfnisses nach Heil, sondern die Singularität eines einzigen Weges in der Zeit von mappô, die Singularität und alleinige Autorität einer Kraft, eines Buddha welcher alle anderen de principio überflüssig macht, beschreibt den Endpunkt, an welchem der Reine Land Buddhismus theologisch angekommen ist, ja m.E. letztlich ankommen musste.[238]

Tariki hat bei Shinran noch einen quasi anderen Namen, hat ein Synonym und gleichzeitiges Unterpfand für das soteriologisches Wollen Amidas: das hongan – das 18. Gelübde aus dem Größeren Sûtra.

3.5 Das 18. Gelübde (hongan) als Explikation des intendierten Heils

Ist die Erörterung der Ontologie Amidas im Rahmen von Shinrans Theologie zunächst als philosophische Verortung zu verstehen und ist die Postulierung von Amidas tariki in ihrer inhärenten Heteronomie nichts anderes als die Konsequenz des philosophischen Amida-Monismus, so wird der Wille Amidas hernach im 18. Gelübde des Größeren Sûtra expliziert und gegenständlich.

Für Shinran selbst ist das Größere Sûtra die vollendetet Darlegung der Reinen Land Theologie, während die beiden anderen Sûtren demgegenüber eine untergeordnete, teils zur allegorischen Verdichtung seiner Argumentationen beigeordnete Stellung eingeräumt erhalten. Bereits zu Beginn des KGSS führt er dies gleichsam programmatisch dem Leser vor Augen: „To reveal the true teaching: It is the Larger Sutra of the Buddha of Immeasurable Life.“ [239] Den Kern respektive die Quintessenz dieses Sûtra ortet Shinran im 18. Gelübde[240] des Buddha. Shinran nennt dieses Gelübde hongan [241], was so viel wie „Ursprüngliches Gelübde“ heißt. Zumal Shinran – wie gezeigt wurde – die Verkündung der Amida-Botschaft als eigentlichen Grund der Predigttätigkeit des historischen Buddha erachtet, gerät ihm das hongan zum Inbegriff und zum Mittelpunkt des ganzen Buddhismus[242].

War die Tradition vor Shinran nicht immer univok bei der Bewertung, welche/s der 48 Gelübde zu präferieren sei/en – zumal damit eine Schwerpunktsetzung bezüglich der Praxis und der Systematik[243] verbunden war – so ist Shinrans Intention und Skopus – im Anschluss an seinen Lehrer Hônen – klar: Das rezitative nembutsu als Konsequenz des 18. Gelübdes wird zur Orthopraxis erklärt. Es allein verdichtet sich qua der essentiellen Qualität des hongan zur singulären, zur suffizienten Ausprägung der Frömmigkeit. Shinran nennt das hongan - in Anspielung auf die historische Ausdifferenzierung des Buddhismus in Kleines, Großes und Diamantenes Fahrzeug - das „ Eine Fahrzeug[244], um somit seinen absoluten Geltungsanspruch als unhintergehbare Summa des Buddhismus, als Buddhismus schlechthin zu bekräftigen.[245]

Shinran wertet das hongan als Ausdruck und Verkörperung der unendlichen Liebe und Weisheit Amidas. Es wird ihm zum Signum Amidas. Amida ist das hongan, und das hongan ist Amida.

Das Gelübde ist nichts anderes als die Andere Kraft des Buddha.[246] Das Gelübde beinhaltet nach T. Oguro: „Amida hat für die Menschen die Bedingung der Rettung erfüllt. Das bedeutet, der Mensch wird nur durch den Glauben, genauer, durch fremde Kraft, gerettet.“[247] Indem Shinran das hongan allein als Manifest der „Anderen Kraft“ wertet, durchbricht er in originärer Weise die traditionelle Theologie, die eine synergetische Verfasstheit zwischen Amida und Subjekt des in diesem Gelübde vor Augen gestellten Glaubens immer als gegeben erachtete. Dieser Ansatz ist wohl eine der großen Neuerungen Shinrans, welche er zur japanischen Religionsgeschichte beigetragen hat.[248]

Mit der Bewertung des hongan als Skopus der gesamten Amida-Botschaft wird deutlich, dass Shinran jegliche Bedeutung verdienstvoller Werke, jegliche Bedeutung guten Karmas im Prozess der Erlösung weit von sich weisen muss. Das Trachten nach guten Taten ist nicht nur hinfällig, es gerät ihm darüber hinaus zur Falle der Selbstbezogenheit, zumal es den Weg des tariki zu verlassen verführe, um wiederum auf jiriki zu vertrauen. In Anspielung auf das 19. u. 20. Gelübde wehrt Shinran jegliche Vorstellung von Hingeburt ins Reine Land vermittels der Übertragung der Verdienste deutlich ab:

„ ‚Das vom Karma abhängige Gute‘ sind die vierundachtzigtausend Tore der Lehre, das heißt die verschieden guten Taten, die die Lebewesen verrichten, indem sie ihrem jeweiligen Karma folgen und sich ihrem Sinn überlassen und die sie der Geburt widmen. Da all dies Wurzeln des Guten sind, die aus eigener Kraft gepflanzt wurden, wird man durch sie nicht im wahren Land der Belohnung[249] wiedergeboren“[250]

Ausgehend vom bereits konzedierten Monismus Shinrans bezüglich der Buddha-Ontologie wiewohl der Konzeption der heteronomen tariki, wird auch die Bewertung des hongan als Kernsatz des Buddhismus, und als Basis der einen Orthopraxis verständlich. Keinerlei diesen Monismus durchbrechendes individuelles Trachten nach dem guten Karma, keinerlei intentionale Widmung der erworbenen Verdienste ist von Belang – nur der Glaube an Amida allein, zur Sprache gekommen im Gebet: Namu Amida Butsu.

„In dem Augenblick, wo es in unserem Herzen geschieht, daß wir den Namen Buddhas rufen wollen im Glauben, daß uns zur Wiedergeburt im Reinen Land nur durch die unausdenkliche Kraft von Amidas Gelöbnis verholfen werden kann, hat uns zugleich sein allumfassender, nichts ausschließender Segen erfasst.“[251]

Damit exkludiert Shinran sämtliche früheren methodischen Zugänge der religiösen Praxis innerhalb der Amida-Tradition völlig. Auch die Anschauung, durch das Rezitieren des nembutsu könne ex opere operato (wie etwa im Meditations-Sûtra gelehrt) schlechtes Karma getilgt werden, lehnt er entschieden ab:

„Zu glauben, mit der Rezitation des Nembutsu würden die Sünden ausgelöscht, bedeutet schon wieder ein Bemühen aus eigener Kraft die Schuld loszuwerden und die Hingeburt zu erreichen. Angenommen, dies wäre möglich, so wäre es doch nicht nötig, bis ans Lebensende ohne Unterlaß das Nembutsu zu üben ... Wenn wir uns an das Gelöbnis, alle zu erfassen und keinen zu verwerfen, halten, dann können wir unverzüglich die Wiedergeburt [im Reinen Land. Anm.] erlangen, trotzdem wir unter bestimmten Umständen Übeltaten verrichten oder das Nembutsu nicht sprechen.“[252]

Solcherart betont Shinran noch einmal die Existentialität innermeschlicher mappô. „Nothing goes“ könnte man an dieser Stelle Shinran in den Mund legen. Die vom Menschen sich zurechtgelegten Versicherungen kasuistischer „Verdienst-Theologie“ und instrumentalisierender Gebetspraxis gelten Shinran als Trugbild. Er setzt seine Botschaft dem gegenüber: All dies ist gar nicht nötig. Das hongan Amidas ist das sichere, das ins Buddha-Land befördernde Fahrzeug. M. v. Brück/W. Lai stellen dazu fest:

„Im Buddhismus des Reinen Landes [gemeint ist hier etwas undifferenziert der Shin - Anm.] jedenfalls kann sich der Gläubige auf die Fülle des dharma[253] verlassen, die in der Gnade Amitâbhas zum Ausdruck kommt. Denn diese Gnadenkraft kann das karma des Gläubigen ausgleichen, so daß nun der Mensch in die Gemeinschaft (ôjô) des Reinen Landes aufgenommen wird ...“[254].

Wenn im obigen Zitat aus Tannishô XIV „... das Gelöbnis, alle zu erfassen und keinen zu verwerfen ...“ angesprochen wird, verweist dies bereits auf eine soteriologische Bewertung, die Shinran (nicht als erster!) gegen den ursprünglichen Gehalt des 18. Gelübdes vornimmt.

3.5.1 Shinrans universale Interpretation des senjaku hongan

Wie in 2.2.1.1 dargestellt, reprobiert das 18. Gelübde expressis verbis zumindest temporär jene Menschen, welche sich die Verübung einer oder mehr der „fünf unverzeihlichen Sünden“ zu Schulden kommen lassen, sowie jene, die der buddhistischen Lehre lästern.

Ausgehend von seinem radikalen Amida-Monismus sowie seiner Hermeneutik des „Geschickten Mittels“ erweitert hingegen Shinran das soteriologische Programm des 18. Gelübdes, welches entsprechend seiner Lehre Amida selbst als Primäres auserkoren hat (jap. senjaku hongan)[255] zu einer universalen Heilszusage. Obschon diese universale Dimension des Heils nicht durch das Größere Sûtra abgesichert ist, können Shinran und die Tradition vor ihm zu diesem Behufe auf die soteriologischen Assertionen des Kleineren Sûtra und des Meditations-Sûtra (s. 2.2.2 u. 2.2.3) aufbauen. Shinran rekurriert zur Absicherung seines Theologumenons von der Erlösung aller auf Shan-Taos Kommentar zum Meditations-Sûtra:

„Question: According to the Fourty-eight Vows, only those who commit the five grave offenses and those who slander the rigth dharma are excluded and cannot attain birth. Here, according to the passage on the lowest rank in the Contemplation Sutra, those who slander the dharma are set apart and those who commit the five grave offenses are grasped. What does it mean?

Answer: The intent may be understood as a teaching to make us desist from evil ... The Tathagata, fearing that we would commit these two kinds of faults, seeks to stop us through compassionate means by declaring that we will the not be able to attain birth. This does not mean that we will not be grasped ...“[256]

Indem Shinran diese Passage Shan-Taos herausgreift wird seine eigene Ansicht deutlich: Die Aussagen zur Reprobation im Größeren Sûtra sind nichts anderes als quasi Amidas vorläufige, letztlich akkomodierende Feststellungen in Ausübung seiner „soteriologischen Pädagogik“. Sie werden in den Sûtren präventiv und prohibitiv erwähnt, um die generelle Verderbtheit menschlichen Seins exemplarisch zu zeigen. Der assertorische Charakter verbleibt aber in seiner Assertion, zumal faktisch alle ins Heil geführt werden. Wie anders könnte Shinran diese Lehre sonst fassen? Jedes Konstatieren seinerseits, der Mensch solle sich eines der angeführten Übel selbsttätig, gleichsam synergetisch als Verdienst enthalten, wäre eine contradictio in se zu dem über tariki und mappô Referierten. Jeglicher (theoretische!) Rest eigenen Bemühens oder auch nur Unterlassens muss Shinrans Konzeption unterlaufen.

Diese Lehre ist direkter Ausfluss des Monismus: Ein Buddha für alle - ein Gelöbnis für alle - ein Heil für alle. T. Oguro stellt angesichts einer derartig universalen All-Erlösungslehre[257] die Differenz angesichts christlicher Entwürfe fest:

„Amidas Charakter ist majestätisch, wie Gott Majestät ist. Amida ist kein Schöpfer und hält kein Gericht, d.h. er hat keinen Gedanken, die Sündigkeit des Menschen zu richten. Seine Gnade ist nicht durch das Gericht eingeschränkt. Es gibt keine Möglichkeit, in die Rettung durch Amida den Gedanken der Prädestination einzubeziehen, die für Luther zu einem großen Problem wurde.“[258]

Shinrans Denken kreist jedoch nicht nur um die Frage nach der möglichen Egalisierung des hongan – als quasi Draufgabe einer Gnadenreligion - vielmehr zäumt er das Pferd von hinten auf, indem er die vormals Reprobierten als im besonderen Maße der Gnade bedürftig, ja ergo bevorzugtes Ziel eben dieser, vor Augen führt wenn er insistiert:

„Selbst ein guter Mensch wird im Reinen Land wiedergeboren, um wieviel mehr also ein schlechter Mensch! Man sagt immer: ‚Selbst ein schlechter Mensch wird im Reinen Land wiedergeboren, um wieviel mehr also ein guter Mensch!‘ Das klingt zwar einleuchtend, widerspricht aber dem Sinn des ursprünglichen Gelöbnisses, der Erlösung durch die Andere Kraft; denn dem Menschen der aus eigener Kraft erbrachten guten Werke kommt es gar nicht in den Sinn, nach der Kraft eines Anderen zu verlangen ... Daher die Lehre, daß, wenn schon die Guten im Reinen Land wiedergeboren werden, dies umso mehr für die Schlechten gelte.“[259]

Hieraus lässt sich ableiten: Shinran bricht radikal mit dem vormals geltenden, autonomen Gesetz des Karma: der Wirkkraft des guten/schlechten Impulses. Der Buddha in seinem universalen Wirkungshorizont als Hosshô-hôshin, dessen Elaborate das hongan und damit unlösbar verbunden tariki sind, transzendiert in seinem eigenen Selbsterlösungsprozess als Hôben-hôshin jenes Gesetz, zumal er qua seiner monistischen Verfasstheit bei Shinran genau dies tun muss, um wahrhaft „grenzenlose Liebe“ - als Definitivum des Boddhisattva-Ideals - zu sein. Die Destruktion des Karma führte in der Folge zu der großen Fragestellung nach dem Stellenwert der Ethik.[260]

3.6 Shinjin („wahrer Glaube“, „wahres Vertrauen“) als Donum des Buddha und seine Objektivation im nembutsu

Jap. shinjin lässt sich etwa mit „das wahre, aufrichtige, gläubige Herz“ übertragen.[261] Aus dieser Bezeichnung wird bereits die Intention und Stoßrichtung der Glaubenstheologie Shinrans deutlich. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass der Glaube sich für Shinran gerade nicht vermittels kognitiver Beschäftigung mit dem Gegenstande des Buddhismus ex post realisiert - ja der versuchte Zugang via die Ratio erfährt von Shinran eine explizite Absage. Das Tannishô überliefert hierzu eine Aussage:

„ ‚Bei Leuten die nicht die Sûtren und Kommentare lesen und studieren, ist die Hingeburt ungewiss.‘ - Solche Reden zeugen von völligem Unverständnis. Alle heiligen Schriften, in denen die Wahrheit der Anderen Kraft erklärt wird, besagen, daß zu Buddha wird, wer an das Ursprüngliche Gelöbnis glaubt und Nembutsu spricht.“[262]

An dieser Stelle wird die sich bedingende Korrelation zwischen Glauben und dem Namu Amida Butsu offenkundig. Hatte sich die aszendente Tradition noch vordringlich mit der dem synergetischen Ansatz entspringenden Evozierung des Glaubens vermittels der unentwegten Rezitation auseinandergesetzt, so transponiert Shinran die beiden auf eine neue Ebene. Wie C. Wilhelm darstellt, bestand das Paradigma des früheren Amida-Buddhismus in der beständigen Bemühung, qua eigener Praxis sich der Hingeburt zu vergewissern.[263] Die Verdienstlichkeit der rezitativen oder meditativen Orthopraxis, die Übertragung der Verdienste in das Reine Land zum Zwecke der Hingeburt eben dorthin, ob dieses nun in den Parametern des Realismus oder des buddhistischen Idealismus gefasst wurde, sind deutlicher Ausdruck einer aktiv-intentionalen Propulsion[264] in Richtung des Buddha, dessen Leistung vorderhand in der Generierung des Sukhâvatî/Jôdo bestand. Selbst wenn eine kasuistische Verdiensttheologie abgelehnt wurde (etwa Hônen), verblieb die mindestens einmalige Rezitation des Buddha-Namens - als größtmögliches Kondensat von Verdienstlichkeit – conditio sine qua non jeglicher soteriologischen Aneignung.

Der Bruch Shinrans mit diesem breiten Strom der Überlieferung wird evident, zumal er die Aktion des Menschen in seiner Praxis zur bloßen Reaktion auf den Buddha umdreht, ja umdrehen muss, weil aufgrund totaler Heteronomie des Heils und existentialer Disposition des Menschen zum Übel jegliches agere als (theoretischer) Trugschluss entlarvt werden muss. So schreibt er:

„... der ausschließliche Glaube, besteht im Aufgeben des Strebens nach Erlösung durch die eigene Kraft und im Verlangen nach Errettung durch die von außen kommende Kraft des Ursprünglichen Gelöbnisses ... ‚Ausschließlicher Glaube‘ besagt weiterhin, daß meine Sache nur der Glaube an die Andere Kraft ist, dessen Ursache also in dem Ursprünglichen, Weitausgreifenden Gelöbnis liegt.“[265]

„In dem Augenblick, wo es in unserem Herzen geschieht, daß wir den Namen Buddhas rufen wollen im Glauben, daß uns zur Wiedergeburt im Reinen Land nur durch unausdenkliche Kraft von Amidas Gelöbnis verholfen werden kann, hat uns zugleich sein allumfassender, nichts ausschließender Segen erfaßt.“[266]

„As I reflect, I find that our attainment of shinjin arises from the heart and mind with which Amida Tathagata selected the Vow, and that the clarification of true mind has been taught for us through the skillful works of compassion of the Great Sage, Sakyamuni.“[267]

Die Aussage Shinrans, welche zu seinem theologischen Proprium, zu Gipfel- und gleichzeitig Grunderkenntnis seines Denkens avancierte, wird in diesen drei Passagen sichtbar: Der wahre Glaube, das wahre Vertrauen ist ein Geschenk, welches qua des Gelöbnisses dem Menschen von Amida geschenkt wird. An dieser Stelle bricht Shinran die Brücken zur bisherigen Tradition ab.[268]

Ausgehend vom Monismus muss die Ursache für den Glauben geradezu in Amidas soteriologischem Impetus selbst begründet sein. Alles Glauben und Vertrauen bezieht seinen Ermöglichungsgrund aus dem tariki/hongan, es bleibt kein grundlegender Rest eigenen Tuns.[269] Der Akt des Glaubens selbst freilich ereignet sich im Kontext menschlicher Erfahrung, der Grund ist für Shinran hingegen exklusiv heteronom. Damit ist ein Problemfeld innerhalb Shinrans Systematik eröffnet.[270]

Shinjin ereignet sich im Leben des Gläubigen. Es nimmt Besitz vom Herz des Aspiranten.

T. Oguro zeichnet die beiden Facetten des shinjin bei Shinran nach:[271]

- Der Mensch realisiert (oder besser: ihm wird bewusst gemacht!) die Ausweglosigkeit und Heillosigkeit seines Daseins. Dieses Erkennen (jap. ki) der eigenen Gebrochenheit angesichts der mappô ist die Vorraussetzung für das Geschenk des Glaubens selbst.
- Im Menschen entsteht daraus resultierend ein tiefes Vertrauen in die Andere Kraft. Der Buddha überträgt seinen eigenen Glauben, den er in historischen Zeiten als Bodhisattva in seine eigenen Gelübde legte, auf die Gläubigen.[272] Alles ist Geschenk – von Amida qua persönlichem jiriki erworben, um die Wesen aus der Ausweglosigkeit ihrer jiriki zu erlösen.

In Erweiterung dieses Schemas wird man zur Darstellung des sich ereignenden Glaubens im Menschen einen dritten Punkt hinzufügen dürfen:

- Nembutsu: Das Sprechen/Denken des Namu Amida Butsu ist für Shinran nicht mehre agere, sondern re-agere, zumal der zum Glauben an Amidas hongan „Er-zogene“ als Reflex und Ausdruck seines Glaubens den Namen des Buddha[273], der letztlich – auch hier wird der Monismus ersichtlich - mit dem Buddha selbst, mit dem hongan, mit tariki als Chiffren der einen Heils-Totalität ident zu nennen ist, aussprechen kann - ja muss. „Dieser verehrungswürdige Name des Tathâgata ist unsagbar, unerklärbar und undenkbar. Es ist der Name seines aus großem Mitleid und großer Barmherzigkeit entstandenen Gelöbnisses, das alle Lebewesen zum höchsten Wissen und zur größten Vollkommenheit bringt.“[274] Der Name, weil unsagbar, sagt sich selbst im Gläubigen, ereignet sich „natürlich, spontan“ (jap. jinen)[275], er formuliert sich freudig[276], geradezu von selbst, ohne anfängliche Intention seitens des gläubigen Subjekts – auch dies ein Ausdruck äußerster Heteronomie. Der zuvor noch in mappô Verfangene empfängt die Gnade des Buddha, wird folglich heil und verbleibt doch (noch) in seiner innerweltlichen Situation der Gebrochenheit. [277]

Ein einziges nembutsu als Ausfluss von shinjin wird suffiziente Explikation des realisierten Glaubens, wird zum Signum des „Leichten Weges“. In dieser Wertung wird alles folgende nembutsu – bar jedweder Konnotation der Verdienstlichkeit - eine Antwort des Glaubens - wird zum exercitium gratiae. Shinran nennt das nembutsu in diesem Kontext auch die „große Praxis“ (jap. daigyô).[278]

Das nembutsu entkleidet Shinran, im Bruch mit der bisherigen Tradition, jeglichen Wertes per se. Er nennt dies in Tannishô VIII: Nicht-Gut/Nicht-Tat. Die bloße vokale Rezitation erscheint letztlich höchst zweitrangig, wenn er etwa feststellt: „Man sollte erkennen, daß Gedanke und Stimme eins sind, es kein Rufen ohne Andacht und kein Andenken ohne Anrufen gibt.“[279] Mit der Realisation des aufrichtigen Glaubens ist der „Status des Nicht Zurückfallens“, ergo die Hingeburt ins Buddha-Land gesichert.[280]

3.6.1 Die Bekehrung des Herzens

Alles Nachzeichnen des Vorgangs der Bekehrung begibt sich, so es sich von einer systematischen Prämisse der gratia extera getragen weiß, in die gefährliche Nähe des Selbstwiderspruchs, sofern es ihm nicht gelingt, die Betonung des individuell zu Erbringenden innerhalb der Bekehrung zu marginalisieren. Nichtsdestotrotz hat Shinran versucht, den Akt des „Zum-Glauben-Gekommen-Werdens“ zu definieren. Er stößt dabei angesichts seines absoluten Primats des tariki in ein Paradoxon vor, insofern er konstatiert: „ ‚Das Herz bekehren‘ bedeutet, die auf eigene Kraft vertrauende Gesinnung umzukehren.“[281] Allerdings, so muss eingewendet werden, tritt Shinran mit diesem Standpunkt auf der Stelle. Genau dies ist die oben dargelegte Prämisse des Glaubens überhaupt. Somit erscheinen Glaube und Bekehrung des Herzens ident. Ch. Langer-Kaneko schreibt: „ Der Glaube besteht in der Annahme des namu-amida-butsu und im Sagen des namu-amida-butsu als Zeichen der Annahme. Dieser Akt geschieht im Hören des Namens ... Das Aussprechen geschieht, ohne daß der Gläubige bewußt ist, namu-amida-butsu zu sagen.“[282] Der Glaube manifestiert sich im Moment der Bekehrung. In diesem Punkt fallen das Subjekt des Glaubenden und Amida zusammen. Das relationale Ich transzendiert seine Subjektivation und realisiert seine apriorische Einheit mit Amida: Buddha = tariki = hongan = shinjin = nembutsu. Eine chronologische Progression von Bekehrung Þ Glaube / Glaube Þ Bekehrung wird in seiner Systematik m.E. nicht klar erkennbar.[283] Vielmehr wird eine umfassende Koinzidenz i.S. der Identität festzuhalten sein: Bekehrung = Glaube = Ich = Amida = Reines Land = phänomenale Welt[284]. Der Monismus/die Nicht-Dualität erreichen ihre ausgereifte Explikation.[285]

Es erhebt sich, trotz des Fehlens einer chronologischen Abfolge, m.E. die deutliche Frage nach der Existenz einer synergetischen Position[286] bei Shinran: Die Anfrage zielt auf das ante der Bekehrung. Natürlich wird man sich in den sicheren Hafen einer Formel retten können, etwa nach dem Muster, dass der Glaube sich geschenkhaft im Leben des Menschen ereigne, und dies gleichwohl unhinterfragbar sei. Dennoch erhebt sich der Einwand, gerade von Shinran kommend, der sich der Schwierigkeit seines Glaubens-Theologumenons durchaus bewusst ist, wenn er schreibt:

„Dieser Glaube ist nur sehr schwer zu erreichen. Dies lehrt das Sûtra mit den Worten: ‚das äußerst schwere Lehrgesetz des Glaubens‘. Es heißt auch: ‚Wenn einer dieses Sûtra hört und die Freude des Glaubens erreicht: dies ist unter allen schweren Dingen das Allerschwerste‘. Der Sinn dieses Satzes ist, daß es nichts Härteres gibt, als diese Lehre zu hören und daraufhin zu glauben.“[287]

Zumal Shinran selbst – in Akkordanz mit dem Größeren Sûtra – eine Differenzierung der Hingeburtsqualität - in Korrelation zum Niveau der Erfüllung des Glaubens-Postulats der Aufgabe der jiriki-Zentrierung - vornimmt, wird festzuhalten sein, dass trotz aller Versuche, die totale Heteronomie des Heils gegenüber jeglichem Synergismus zu verteidigen, dies nicht vollends verwirklicht ist. Zuerst erfolgt das Hören des Namens (vermittels z.B. einer Predigt, oder das Vorbild eines besonders gläubigen Menschen[288] ); - der Name des Buddha tritt ein in den Horizont des Individuums. Aus dem folgt die Erkenntnis der existentiellen mappô als konditionales Apriori der Bekehrung. Sie verbleibt, bei aller Destruktion der Theologie intentionaler Verdienste/Verdienstübertagung und bei aller Novität des Ansatzes Shinrans, als m.E. selbst zu leistendes Quäntchen autonomer jiriki[289] dem Menschen dennoch anheim gestellt. Das verdeutlicht auch ein Satz in Tannishô XVI: „Sich von dieser auf Selbsterlösung gerichteten Einstellung abzuwenden und Zuflucht zum Ursprünglichen Gelöbnis zu nehmen, genau das wird als Bekehrung bezeichnet.“[290]

Vielleicht wird man sagen können, dass erst im Moment des Glaubens die Dualität zwischen dem relationalen Ich – Amida / jiriki - tariki sich auflöst, nicht aber schon zuvor im Prozess der mappô-Erkenntnis.[291] Darin liegt letztlich m.E. die Aporie des Ansatzes verborgen: Im prospektiven Prozess des zum Glauben-Kommen-Sollens. Im ante der Bekehrung ist jiriki notwendig enthalten. Erst retrospektiv wird eine solche Bekehrung vielleicht als völlig bar des jiriki, als passives Geschehenlassen, erscheinen. Die angesprochene Problematik wurde im 13. Jh. einer Kritik unterworfen, die nur sehr selten in der Literatur referiert wird.[292]

Indem Shinran Amidas hongan im Prinzip universal fasst, folglich, wie bereits angedeutet, keinerlei final-prädestinatianische Explikationen[293] (i.S. eines „ewigen Ratschlusses zum Heil/Unheil“) auszumachen sind, erhebt sich auch die Frage nach dem Grund des Unglaubens, des „Nicht-So-Glauben-Könnens“ für ihn nicht radikal (wie etwa in der augustinisch geprägten Theologie der Westkirche). Hier weist seine Theologie ein gewisses Vakuum auf.

3.6.1.1 Die Trichotomie des „Einen Herzens“

Shinran greift zur weiteren Verdeutlichung der spezifischen Qualität des gläubigen Herzens auf ein Modell von Shan-tao zurück, der korrelierend zum Text des hongan für das Vorliegen des die Hingeburt begründenden Glaubens die Ausprägung dreier spezifischer Aspekte (jap. sanshin) des gläubigen Herzens[294] differenziert:[295]

- Das Herz der Wahrheit, welches jenseits der Unterscheidung zwischen Wahrheit und Unwahrheit sich verwirklicht. In ihm liegt der Urgrund der Buddha-Natur, des non-dualistischen Seins des Dharmakâya.
- Das Herz des zweifelsfreien Glauben s, dessen Motiv das gläubige Vertrauen auf Amidas Heil ist.
- Das Herz der Hingeburt, welches Sukhâvatî ersehnt.[296]

Diente die Dreigliederung vor Shinran noch dem Erweis der notwendigen Eigenschaften, welche jeder sich gläubig wähnende Aspirant kumulativ zu verwirklichen hatte, so beschreitet Shinran – monistisch – einen anderen Weg. Die drei Herzen werden ihm zu „Drei Glauben im Herzen“.[297]

„Da das gläubige Herz ergriffen und aufgenommen wird [von Amida - Anm.] , wird es zum Diamant-Herz. Es enthält das im großen Sûtra genannte dreifach gläubige Herz bezüglich des Ursprünglichen Gelöbnisses ... Die Freude des Herzens besagt, daß man danach verlangt, zu Buddha zu werden. Das ‚Herz des Buddha, der das Gelöbnis hervorbringt‘ ist die Gesinnung, die die Lebewesen ins höchste Nirvâna kommen lässt ... Wer dies erreicht, wird ein allen Buddhas gleicher Mensch genannt.“[298]

Auf diese Weise werden die explizierten Qualitäten des Glaubens: -1. Streben nach dem eigentlichen Sein, -2. hoffnungsvolles Vertrauen und -3. Sehnsucht nach Erlösung vereinigt und mit dem Akt des „Zum-Glauben-Kommens“ als simultan verwirklicht betrachtet. Alle drei interdependent respektive letztlich ident zu nennenden Facetten des „Einen Herzens“ sind Gabe Amidas.

Mit der Aussage, man werde durch diesen Glauben „ ein allen Buddha gleicher Mensch “, ist das soteriologische Ziel markiert. Das dafür notwendige Herz der Wahrheit ist Geschenk des Buddha, welcher auf diese Weise die menschliche mappô transzendiert.[299]

Da das „Eine Herz“ letztlich mit Amida, dem hongan, shinjin und dem Heil ident ist, muss seine Herkunft und sein Gehalt sich gleichfalls exklusiv auf tariki gründen.

„Durch das Erreichen eines diamantenen Glaubens wird die Andacht an Amida beständig und entfaltet von selbst ihre Wirkung. Und das gläubige Herz selbst wird von Śâkyamunis Barmherzigkeit als seinem Vater und Amidas Mitleid als seiner Mutter durch ihr zweckmäßiges Wirken hervorgebracht. Erkennt also, daß dies der von selbst entstehende Segen[300] ist.“[301]

Die drei Herzen bezeichnet Shinran auch als dreifältige shinjin: Die Manifestation des Glaubens und des Buddha im Herzen und Verstand des Gläubigen.

3.7 Die oszillatorische Soteriologie als Gipfelpunkt des Bodhisattva-Ideals

Entsprechend der zweifältigen Ausrichtung der Amida-Ontologie in ihrer Dialektik zwischen Absolutem und dessen Negation, entwickelt Shinran auch seine Soteriologie in einem dialektischen Prozedere zwischen Immanenz und Transzendenz.

3.7.1 Der präsentische Immanenz-Charakter von ôjô

Shinran betont in seinem soteriologischen Entwurf der Realisation der Hingeburt (jap. ôjô) ins Reine Land zunächst deren immanenten Aspekt. Damit einher geht die partielle Ent-Eschatologisierung der Sukhâvatî Vorstellung bei Shinran. Die Hingeburt ereignet sich im konkreten, präsentischen lebensweltlichen Kontext vermittels der Bekehrung. C. Wilhelm beschreibt dies so: „Wenn der Mensch der Kraft des Ursprünglichen Gelöbnisses begegnet, sein Herz zum Glauben erweckt wird und sich diese innere Bekehrung als nembutsu äußert, ist ihm die Hingeburt zum Reinen Land sicher.”[302]

Im Akt des „Zum-Glauben-Gekommen-Werdens” vollzieht sich eine existentielle Ver-Wandlung der mappô zum Heil. Die phänomenale Welt wird dem Gläubigen zum Reinen Land[303], auch wenn sie in ihrer Gebrochenheit weiterbesteht. Das Herz des Gläubigen hat hingegen bereits Wohnung im Buddha-Land genommen bzw. ist zum „inneren“ Reinen Land geworden. Der Gläubige wird zum Bürger zweier Welten: einer Welt der inneren, heilen Dimension [304] und einer der äußeren, heillosen Dimension.

Allerdings unterscheidet Shinran diese immanente Realisation des Reinen Landes als eine bloß antizipatorische von der wahren Erleuchtung, deren Erlangen in diesem Leben nicht möglich sei.[305]

„Dies alles [Erleuchtung durch Meditation etc. – Anm.] gehört zu den Bemühungen von Menschen mit hoher Begabung ... In der Lehre der Schule vom Reinen Land und der Anderen Kraft kommt Erleuchtung im nächsten Leben durch die Entschlossenheit des gläubigen Herzens.“[306]

Dennoch ist durch die Erweckung von shinjin der „Status des Nicht-Zurückfallens“ (jap. futaiten)[307] gesichert. Shinran stellt dies in Konvergenz zum 11. Gelübde [308] des Größeren Sûtra fest. So wie die Bekehrung „einmalig“[309] ist, ist auch die damit koinzidierende Perseveranz des Heils unverlierbar – alles andere liefe der Suffizienz von tariki zuwider.

„Sobald wir nämlich einmal das vertrauende Andenken an Amida in uns hervorbringen und so ein gläubiges Herz, fest wie ein Diamant erlangen, gehören wir bereits zur Menge der Rechten Bestimmung.“[310]

Trotz der Vermeidung der gänzlichen Projektion des zu erlangenden Heils in eine transzendente Sphäre – wie in gewichtigen Teilen der Tradition vor Shinran – muss aus seinem Postulat der Einheit von shinjin und Erlösung schon in der Immanenz sich eine Wirkung zeitigen. Nicht mehr das Warten/Vertrösten der Hingeburt im Augenblick des Todes, sondern die sich im Leben ereignende Gnade Amidas versichert den Gläubigen seiner Hingeburt im Augenblick des Todes.

3.7.2 Der futurische Transzendenz-Charakter von ôjô

Das 22. Gelübde [311] markiert die Quintessenz der Transzendenz des Hingeburts-Geschehens: Im Moment des Todes ereignet sich die große Erleuchtung des Aspiranten. Der „Status des Nicht-Zurückfallens“ wechselt aus seinem assertorischen Stand in die Faktizität des Nirvâna. Dies wird, wie C. Wilhelm darlegt, bereits aus der Übersetzung von ôjô: „gehen und geboren werden“ ersichtlich.[312] Das Reine Land wird zum Synonym des Nirvâna schlechthin. Die Selbst-Bezogenheit des dualistischen Denkens endet, indem seine Relationalität und „Leere“ erkannt wird. Der Gläubige realisiert, respektive tritt ein in die Totalität des absoluten hosshô hôshin, in welchem er Amida gleich wird/ist.[313] Diese Totalität erlöst das Subjekt von seiner eigenen Subjektheit, - ent-bindet es qua Non-Dualität von seinem Drang zur Objektivation in der phänomenalen Welt. Das relationale, individuelle Selbst endet und tritt ein ins „Eigentliche Sein“. Der hosshô hôshin ist einer in allem und alles in einem.[314]

„Wir verlassen das Reich der Befleckung und gelangen in das wahre Land der Belohnung. Hierin ist also die Tatsache der Anderen Kraft ausgedrückt. Weiterhin besagt ‚kommen‘ auch ‚heimkehren‘. Diese Heimkehr besteht darin, daß wir durch das Eintauchen in das Meer des Gelöbnisses notwendig das große Nirvâna erreichen und zur Residenz der Wesensnatur zurückkehren. Das bedeutet, daß wir von selbst jene Erleuchtung des Tathâgata erfahren, die als ‚Wesenskörper‘‛[315] bezeichnet wird.“[316]

Durch die Realisation des Großen Nirvâna (skt. mahâparinirvâna[317]) wird der Mensch seiner Buddha-Natur (s. 3.3.1) gewahr. Er wird eins mit Amida. Die letzte Wirklichkeit, die Absolute Wahrheit transzendiert die Begrifflichkeit und mündet letztlich ins Schweigen. Sie besitzt unzählige Namen, wie Shinran feststellt.

Dennoch ist diese Verwirklichung auf höchster Ebene im Moment des Todes nicht jedem/jeder gewährt. Wie es bereits im Größern Sûtra niedergelegt ist, differenziert auch Shinran die Qualität der Hingeburt in diverse „Lokalitäten“. Wer wahre shinjin, wahre Bekehrung als Prozess der Ent-Werdung vom Ich und des jiriki erlangt hat - wer ergo die Ich-Zentrierung wahrhaft aufgegeben hat, um dem Ereignis Amidas im Herzen Raum zu geben, wird die eben dargestellte höchste Stufe der sog. unmittelbaren Hingeburt nach Shinran erlangen.

Diejenigen, welche sich aufgrund mangelnder Erkenntnis der individuellen und kollektiven mappô nicht zur Kompromisslosigkeit und Unumstößlichkeit dieser Erkenntnis durchringen, welche folglich die Totalität der Bekehrung nicht, weil nur partiell in ihrem Leben sich entfalten lassen, sind - obschon deutlich gemindert in der soteriologischen Dimension ihrer Hingeburt - so dennoch für Shinran keinesfalls auf ewig reprobiert. Dennoch wird hierbei eine Einschränkung offenkundig:

„Wenn jemand also das dreifach gläubige Herz nicht erreicht, dann fehlt ihm auch das Eine Herz, und ohne dies wird er nicht im wahren Reich der Belohnung wiedergeboren ... Ohne die dreifache gläubige Gesinnung erlangt zu haben, ‚wird man nicht unmittelbar wiedergeboren‘, das heißt, man erreicht die Wiedergeburt im Reinen Land nicht sofort, wenn der dreifache Glaube fehlt. Wer sich an die Meditation und die guten Werke ... hält, der kann, weil ihm der Glaube an die Andere Kraft fehlt, erst wiedergeboren werden, wenn er nach einer langen Reihe vielfacher Wiedergeburten zu dem Einen Herzen der Anderen Kraft gekommen ist. Daher heißt es, er wird nicht unmittelbar wiedergeboren. Selbst wenn er in die Mutterschoßwelt[318] am Rande des Reinen Landes gelangt, mag es fünfhundert Jahre dauern; aus einer Menge von zehn Millionen wird ab und zu einer ins wahre Land der Belohnung vordringen. Man sollte daher in seinem Herzen bewußt und inständig nach dem dreifachen Glauben verlangen.“[319]

Sosehr sich Shinran bemüht – in völliger Akkordanz zu seiner Lehre von der Nutzlosigkeit verdienstlicher Handlung und deren Übertragung (jap. eko) – die noch im Text des hongan ausgeschlossenen Sünder in die universale Heilsdimension hineinzunehmen, ja gerade sie zu den bevorzugten Exponenten dieses Heils zu avancieren, so sehr stellt er dennoch – in Übereinstimmung mit der Hierarchie der Hingeburt im Größeren Sûtra - den „Ungläubigen“ und Zweiflern an Amidas Gnade, welche niemals ein nembutsu sprechen[320], oder den im Glauben Unvollkommenen[321] – übrigens m.E. in Kontrast zu seiner den Menschen quasi entmündigenden mappô Lehre – die soteriologische sprichwörtliche „Rute ins Fenster“, die seinen in der Literatur gerne bemühten Universalismus doch deutlich abschwächt.[322] Wenn bei diesem Zitat auch jegliche ewige Exklusion vom Heil nicht intendiert ist, so rückt es ohne notwendige Bekehrung doch in weite Ferne. Allein das 18. Gelübde ist der suffiziente Weg zur unmittelbaren, wahren Hingeburt. Diese Konzentration der Lehre markiert gleichzeitig größtmögliche Vereinfachung, als auch mitunter Einseitigkeit [323]. Alle anderen in den Gelöbnissen enthaltenen Lehren sind letztlich unzureichend/relativ, zumal sie bestenfalls in die Randgebiete führen können. Der leicht in Shinrans Theologie hineinzulegende Universalismus geriert sich nur mehr als quasi systembezogener, i.S. der Notwendigkeit eines - vom Glauben getragenen - nembutsu. „Wenn man Nembutsu sagen kann, ist das schon der Beweis und die Gewissheit, dass man gerettet worden ist, weil Nembutsu das Zeichen des Dankes für die Rettung ist.“[324] Die grundsätzliche soteriologische Bedeutung des hongan aber bleibt universal (!) – jeder ist grundsätzlich angesprochen - wenn nicht jetzt, so in einem späteren Leben (dies muss schon aufgrund des Fehlens eines finalen Gerichts im Buddhismus so sein). Der soteriologische Entwurf Shinrans versucht diese Spannung zu reflektieren.[325]

Die zusätzliche Aporie liegt m.E. an dieser Stelle in Shinrans oben hörbarer Betonung des eigenen Bemühens („Verlangen im Herzen“) um den dreifachen Glauben. Jegliche prospektive Bekehrungsaufforderung muss ins jiriki führen.[326]

3.7.3 Die Rückkehr in die phänomenale Welt als Verwirklichung des unüberbietbaren Bodhisattva-Mitleids

In Fortführung des Postulats der Non-Dualität im Mahâyâna kann festgehalten werden, dass die Große Erleuchtung letztlich im Non-Dualismus des Dualismus zwischen Non-Dualismus und Dualismus gipfelt (als Realisation der Absoluten Wahrheit). So formuliert der Mahâyâna als Konsequenz dieser letzten Destruktion jeglicher Differenzierung die Aussage: Samsâra ist Nirvâna. Nirvâna ist Samsâra.[327]

Dem folgend, wiewohl im Rekurs auf T´an-luan[328], findet Shinrans Denken auch im Nirvâna nicht seinen Endpunkt, sondern muss eine reverse Dimension erreichen: Die Rückkehr des Erleuchteten nach dem Tode in die Welt des Samsâra, um den noch auf dem Weg zur Hingeburt Befindlichen entsprechend des Bodhisattva-Ideals beizustehen. Dem „Vorwärtsschreiten“ (jap. ôsô) folgt die „Rückkehr“ (jap. gensô) – auch dies allein aufgrund der alles umfassenden Kraft des Buddha – eine Kraft, die der der unmittelbaren Hingeburt Teilhaftige nunmehr selbst in sich zur Verwirklichung gebracht hat. Die eschatologische Dimension des Reinen Landes kehrt zurück in die Immanenz – als Ausdruck des Bodhisattva-Ideals[329], wiewohl als Ausdruck der jede Unterscheidung transzendierenden letzten Wahrheit. Der Buddha überträgt seine Verdienste im Moment der Bekehrung auf den zum Glauben Gekommenen (ôsô ekô). Daraus wiederum resultiert die reverse Übertragung seiner (Amidas) Verdienste auf die noch in der phänomenalen Welt Lebenden im Akt der Rückkehr (gensô ekô)[330] der im Reinen Land zu fortgeschrittenen Bodhisattvas Avancierten. Sie kehren nach der Erleuchtung als menschliche Wesen zurück in die Welt, um wie Gautama Buddha den Menschen zu helfen.[331] Auf solche Weise wird der prozessuale Charakter des Heilsgeschehens in völliger Übereinstimmung mit dem Ideal des Mahâyâna ausgedrückt. Gleichzeitig bringt Shinran wiederum die Lehre der Wiederverkörperung ins Spiel, welche durch das Verbleiben des Verstorbenen im transzendenten Reinen Land unterlaufen wäre. Shinran wehrt damit jegliche „Entrückung“ des Heils ab. In diesem Oszillieren von Bodhisattva und Reinem Land zwischen Transzendenz und Immanenz erweist sich die Aktualität und auch Zeitlosigkeit des hongan.

3.8 Schlussbetrachtung

Man wird sagen können: Amida erlöst sich selbst, indem er den Menschen den Glauben schenkt, welcher den Menschen das Heil bringt. Auf der philosophischen Ebene lässt sich also festhalten: Skopus ist die Non-Dualität von Dualität und Non-Dualität - Amida erlöst die Menschen und erlöst sich in den Menschen, die „Teil seiner sind“[332], selbst, indem er den Menschen das Malum des Karma abgenommen hat und abnimmt. Gleichzeitig erlöst der Mensch qua seiner Teilhaftigkeit/Identität an/mit Amida vermittels seines angenommenen Glaubens wiederum den Buddha und sich selbst. Die Schranken des Dualismus zwischen Amida und dem relationalen Ich fallen in der unmittelbaren Hingeburt. Auch der Dualismus zwischen jiriki/tariki wird im Moment des Glaubens und der Erleuchtung als bloß vorläufig realisiert.

Entsprechend Shinrans zweifacher Ausdifferenzierung der Amida-Ontologie in das/der Absolute und seine Negation geriert sich auch der soteriologischen Prozess im Oszillieren zwischen dem Absoluten der unmittelbaren Hingeburt und der Rückkehr in dessen Negation - die phänomenale Welt. Auf diese Weise wird Nirvâna zu Samsâra, wird Samsâra zu Nirvâna, wird die Dualität zwischen Dualismus und Non-Dualismus, zwischen jiriki und tariki überwunden.

Insofern das Größere Sûtra und Shinran die Realisation von Amidas Buddhaschaft als bereits vollzogen erklären, sind die Wesen nach einem diachronen Verständnis bereits erlöst. Zudem sind sie synchron durch/mit Amida befreit. Sie tragen die absolute Buddha-Natur schon in sich. Das konkrete Heils-Geschehen findet in der je lebenszeitlichen Diachronizität im - alles entscheidenden - einen Moment der Synchronizität von Subjekt und shinjin statt: Auch der Verlauf der Zeit entbehrt so des Dualismus der Differenzierung zwischen Vergangenem, Gegenwärtigem respektive Zukünftigem. Der sich jinen, spontan ereignende Glaube ist der Kreuzungspunkt zwischen Diachronizität und Synchronizität, zwischen Amida und Subjekt, zwischen Heil und Perpetuierung des Nicht-Heils. Dieser Kreuzungspunkt liegt in Amida selbst, wiewohl im Menschen - qua seines anfanglosen, monistischen Amida-Seins.

4 Notizen aus protestantisch-theologischer Sicht

Die Rezeption des Buddhismus schreitet im Westen voran, - voran schreiten damit auch einhergehende Fehldeutungen respektive Vermischungen mit dem Hinduismus, welche einen evidenten Einfluss auf die postmoderne Religiosität besitzen, wie etwa kürzlich A. Mette dargestellt hat.[333] Der Reine Land Buddhismus allgemein, wiewohl der Shin speziell, verbleiben hingegen umgeben von einem Schleier des Desinteresses angesichts einer „so wenig spannenden“, so scheinbar aus dem Christentum bekannten Lehre.

So sollen in diesem Kapitel einige (von ungleich mehr) beachtenswerte Aspekte der Interaktion zwischen dem (protestantischen) Christentum und dem Shin angesprochen werden. Zunächst sei der Bereich der historischen Begegnung zwischen beiden beleuchtet, sowie die Frage, ob der Shin wirklich ein buddhistischer Protestantismus sei oder ob dies eher ein zu kurz greifendes Urteil darstellt. Sodann sollen zwei Theologen zu Wort kommen, deren Standpunkte in ihrer Polarität zwischen der Betonung von Divergenz einerseits, wiewohl dem Bemühen um die Gemeinsamkeit jenseits der Kontingenz andererseits als exemplarisch für den bis heute andauernden – mitunter polarisierenden - Dialog der Weltreligionen respektive einer Theologie der Weltreligionen betrachtet werden können.[334]

4.1 Der „protestantische“ Shin und Shinran als „japanischer Luther“: Eine protestantische Projektion?

4.1.1 Kurzes Streiflicht auf eine schwierige Geschichte

Aus dem in Kap. 3 zur Theologie Shinrans Analysierten wird nicht unschwer eine tendenzielle Affinität zwischen dem Shin (Shinran) und dem Protestantismus (Luther) erkennbar. Zu scheinbar ähnlich gerieren sich die Episoden des Ringens mit dem herrschenden religiösen Paradigma ihrer Zeiten, zu nahe erscheinen ihre, einem Erkenntnisvorgang entspringenden Antworten von der Priorität des Glaubens. So groß die Christozentrik[335] in der Theologie Luthers ist, so stark lenkt Shinran die theologische Aufmerksamkeit auf Amidas Totalität.

Genauso stark war der Eindruck der Kongruenz, dass er die erste Begegnung zwischen Christentum und Shin bestimmte: War der „first contact“, welcher wahrscheinlich in Sri Lanka stattfand, noch wenig eindrücklich respektive nachhaltig, so wendete sich die Situation – wie G. Amstutz darstellt – seit dem 16. Jh. in Japan radikal. Die in der Japan-Mission tätigen Jesuiten erkannten - wohl mit einigem Unbehagen - die zunächst auffälligen Similaritäten, welche zwischen dem Shin und dem Protestantismus zu existieren schienen. G. Amstutz sieht darin die Initialzündung für den bis heute andauernden „Informationsnotstand“ bezüglich der Jôdo Shinshû, zumal die Vertreter der jesuitischen Mission tunlichst wenig über diese Tradition in Europa kündeten.[336]

So war der Weg in die theologische Opposition der Missionare gegenüber dem Shin klar markiert.[337] Der Shin, wiewohl der ganze Amida-Buddhismus wurde (wieder einmal, diesmal von christlicher Seite) des Antinomismus[338] geziehen, die Soteriologie als „lutherisch“ diskreditiert. Der italienische Jesuit Allesandro Valignano schreibt etwa in einem Brief:

„[T]he very same doctrine [‚Lutheranism‘] has been bestowed by the devil upon Japanese heathendom. Nothing is changed except the name of the person in whom they believe and trust, and the same effect being created among these heretics as obtains amidst these heathen: for these as much as the others are sunk in total carnality and obscenity, divided in divers sects, and living therefore in great confusion of belief and in continous war.“[339]

Die Interaktion blieb auf lange Sicht getragen von Vor-Urteilen, welche auf Seite der katholischen Missionare so stark waren, dass sogar die Gründung theologischer Ausbildungsstätten aus Angst vor Shin-Unterwanderung der jungen Kirche verzögert wurde. Ab etwa 1620 verlagerte sich das Interesse der Jesuiten-Mission – vielleicht aufgrund des unbrechbaren Einflusses des Amida-Buddhismus in der Volksfrömmigkeit – in ein Land, welches vermeintlich größere Erfolge verhieß: China. Damit wurden weitere Kontakte, wiewohl weiterreichende Kenntnisnahme des Shin seitens des Westens für rund zwei Jahrhunderte unterbrochen.

Die nächsten historisch greifbaren Kontakte setzten erst nach der erzwungenen Öffnung Japans 1853/54 durch Matthew Calbraith Perry ein. Zur damaligen Zeit war das Christentum als Fremdkörper in Japan noch verboten - jedoch wurde dieses Verbot im Bemühen Japans um internationale Anerkennung als fortschrittliche Nation 1873 revidiert.[340]

Wiederum waren es vornehmlich missionarisch Tätige, welche in Beziehung - oder besser in Opposition - zum Shin treten zu müssen vermeinten. Wie G. Amstutz aufzeigt, entbrannte aufgrund der Überzahl protestantischer Denominationen in der Japan-Mission ein neuerlicher „Wettbewerb der Ansätze“, den man als das Ringen um die Frage bezeichnen kann, welche der beiden Seiten denn nun protestantischer sei.[341] Die anfängliche Beschäftigung mit der distinkten Theologie des Shin gipfelte zumeist – trotz der offensichtlich tiefgreifenden Divergenzen - in Respekt vor dem anscheinenden „Religions-Verwandten“.[342] Obschon in den folgenden Jahrzehnten einige Anstrengungen japanischerseits unternommen wurden, Darstellungen des Shin in Englisch (und vereinzelt Deutsch und Französisch) zu publizieren, entfalteten diese Anstrengungen keinerlei nennenswerte Breitenwirkung, wiewohl auch der interreligiöse Dialog keineswegs dadurch stimuliert wurde. Auf der anderen Seite erlahmte auch das anfängliche Interesse protestantischer Missionare am Shin, zumal – wie schon zuvor im 16. Jh. – der Konfuzianismus, als der Mission dienlicher, stärker in den Blickwinkel des Interesses rückte.[343] Aufgrund des Umstands, dass der Buddhismus angesichts der Restauration des Shintô in der Meiji-Periode selbst in die Krise geriet, entbrannte von buddhistischer Seite eine weitgespannte antichristliche Agitation, welche den Buddhismus als überlegen zu erweisen intendierte und in deren Verlauf v.a. der Shin eine prononcierte Stellung einnahm, wie etwa M. Schrimpf aufzeigt.[344] Es sollte einige Jahrzehnte dauern, bis neuerliche zaghafte Versuche des gegenseitigen Gesprächs einsetzten.

4.1.2 Zum Problem der Applikation eines protestantischen Geschichtsbildes

Die Beschäftigung vornehmlich protestantischer Gelehrter mit dem Shin, sowie ihre Rezeption innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion in Japan selbst, führte – trotz manch inhaltlichen Dissenses - allerdings zu einer neuen Evaluierung der japanischen Religionsgeschichte, welches letztlich zur Applikation eines evolutionistisch-protestantischen Geschichtsverständnis auf die eigene Religionsgeschichte seitens der japanischen Wissenschaft führte, wie Ch. Kleine nachweist. Die Identifikation des Shin mit dem „Luthertum“ durch die Jesuiten entfaltete in Japan nachhaltige Wirkung.[345] So wurde in der Folge in wissenschaftlichen Kreisen des Westens seit der Öffnung Japans die Aussage vertreten, der Shin sei eine „extreme form of Protestantism of Buddhism“.[346] Solche Argumente fielen, nicht zuletzt beim liberalen Theologen Nathan Söderblom, der eine universalistische Religionstheologie vertrat, auf fruchtbaren Boden. Die Komparation Shinrans mit Luther, die Stilisierung Shinrans zum „japanischen Luther“, gespeist von mancherlei Ähnlichkeiten der religiösen Genese und des religiösen Empfindens (die an angebrachter Stelle schon vorgestellt wurden: Krise im Kloster, Erkenntnis des hongan als suffizient, Austritt, Heirat, genereller Bruch der religiösen Konventionen seiner Zeit, Kernsatz von der Gebrochenheit des menschlichen Daseins etc.) wurde bis vor relativ kurzer Zeit noch immer nahegelegt.[347] Manches ist daran auch mehr als einsichtig. Dennoch stellt sich bei all dieser scheinbar offenkundigen Übereinstimmungen die Frage nach der ihnen zu Grund liegenden historisch-theologischen Hermeneutik.

Das mit diesen Vergleichen und deren Ergebnissen ursächlich korrelierende hermeneutische Problem liegt für Ch. Kleine in der Anwendung eines distinkt protestantischen Geschichtsbildes auf die japanische Geschichte. Demzufolge erscheint die Entwicklung hin zum Shin als klare, unausweichliche Konsequenz der religiösen Parameter der damaligen Zeit. So wie die mittelalterliche Scholastik zur Reformation führte, ja führen musste, so sei auch die Reformation des dekadenten japanischen Buddhismus in der Kamakura-Epoche die unausweichliche Konsequenz der Weges von der theologischen Inferiorität zur Superiorität.[348] F. Heilers Aussage, der Shin sei „unverfälschtes Luthertum in buddhistischer Hülle“, trug sein übriges dazu bei. Auf diese Weise gerierte sich die westliche Bearbeitung des Gegenstands in den Bahnen eines offensichtlichen Orientalismus.[349]

Ausgehend von der Beschäftigung japanischer Intellektueller mit der westlichen Buddhismusrezeption wurde dieses Paradigma in Japan als gleichsamer Auto-Orientalismus übernommen und in der Folge wiederum – von bis heute omnipräsenten Autoren[350] - nach Europa rücktransportiert.

Das Aufzeigen dieser Vorgänge ist insofern wesentlich, zumal sie dem vorschnellen Urteilen und Vergleichen zwischen beiden „Elaboraten der Religionsgeschichte“ Aufmerksamkeit und Vorsicht gebietet. Wenn Ch. Kleine allerdings kritisiert, Protestanten würden den Shin mit einer quasi „protestantischen Brille“ betrachten, stellt sich m.E. die grundsätzliche Frage, wie dies epistemisch im Grunde denn überhaupt anders sein könnte, zumal evangelische wie auch katholische Autoren unweigerlich dazu tendieren werden, im Shin Ähnlichkeiten zu jenem, die westliche Kirche bis heute prägenden Einschnitt - der Reformation - inklusive ihrer Wirkungsgeschichte zu vermuten, zumal sie sich von eben dieser Wirkungsgeschichte nicht ohne weiteres distanzieren können. Hierbei könnte man mit H.G. Gadamer sagen, verschmelzen die Horizonte im Vorgang des Verstehens.[351] Die authentische Sicht der Historie ist nichts als eine Fiktion als Korrelat einer anderen Fiktion: der reinen Empirie. Im Prozess der Verschmelzung von Gegenwartshorizont und historischem Horizont, welche einander durchdringen und bedingen, findet Verstehen statt.[352]

Dennoch, und in diesem Sinne muss wohl die Kritik Ch. Kleines richtig verstanden werden: Der Anspruch der Redlichkeit in der Auseinandersetzung, das Reflektieren der eigenen hermeneutischen Prämissen und daraus resultierenden Dispositionen sowie das Bemühen, zu mehr unvoreingenommener Tiefenschärfe in der Betrachtung zu gelangen, bleiben allerdings als unabdingbare Postulate der Untersuchung aufrecht.

Wie der Autor anmerkt, hat vor allem K. Barth die Oberflächlichkeit und die unreflektierte Wunschhaftigkeit der damaligen Vergleiche aufgedeckt.[353]

4.2 Zwei exemplarische Antworten aus der evangelischen Systematik

4.2.1 Karl Barth

K. Barth reflektiert in KD I/2 den Amida-Buddhismus, besonders den Shin. Ausgehend von seinen Überlegungen zum Gegenstand der „wahren Religion“, welche K. Barth in direkten Konnex zur Realisation der Gnadenhaftigkeit aller wahren Religion setzt, ihm folglich die Gnadenhaftigkeit der Skopus der Wahrheit des Christentums ist[354], greift er den Amida-Buddhismus (K. Barth spricht von „Jodoismus“) in seiner zunächst erstaunlichen Kongruenz zum Protestantismus auf.

K. Barth enumeriert und würdigt zunächst die offenkundigen Ähnlichkeiten zwischen beiden Konfessionen:[355]

- Aufgabe des verdienstlichen Charakters des Gebets
- Glauben an das Heil, trotz der eigenen Sündhaftigkeit
- Geschenkhaftigkeit des Glaubens
- Ablehnung bisheriger religiöser Praktiken als unnütz
- Betonung der sittlichen Lebensführung im Rahmen von Familie, Beruf und Staatsgebilde
- Völlige Unabhängigkeit vom Staatsapparat.[356]

In seiner Parallelität zum Christentum erachtet K. Barth den Shin als eine „Fügung Gottes“, zumal daran der Unterschied zwischen wahrer Religion und menschlicher Religion offenbar gemacht werden könne. So konzediert er, dass man sich durch solche Übereinstimmungen nicht blenden lassen solle, zumal – in völliger Konsequenz seiner Ausführungen zur Gnadenhaftigkeit des wahren Christentums in seiner Gegründetheit in Jesus Christus – die Diskrepanzen zwischen dem Shin und dem Christentum unüberbrückbar seien. Das Christentum - auch das reformatorische nicht! - in seiner kontingenten Form kann die schlechthinnige Wahrheit für sich nicht reklamieren[357], sondern nur die Wirklichkeit der Gnade Gottes selbst begründet die Wahrheit einer Religion. Zuerst steht die Wirklichkeit der Gnade Gottes, vermittels derer sich der Anspruch der christlichen Religion - in deutlicher dialektischer Distanz – herleitet.[358] Das Christentum ist der Reflex auf die Wahrheit des Namens. Das Christentum ist der Reflex auf das Schlüsselereignis, der Geschichte Jesus Christi.[359] Folglich kann der Shin qua seiner Verortung niemals vera religio sein. Er kennt nicht das Eine der wahren Religion: Den Namen Jesus Christus, als Chiffre der einen Wahrheit Gottes - er ist das „Urfaktum Immanuel“. Er allein ist evident. Er allein entscheidet in der Verhältnisbestimmung des religiösen Dialogs für K. Barth zwischen der wahren und der falschen Religion. Der Shin kann (genauso wie christliche Religion, so sie den Namen Jesus Christus aus dem Auge verliert), nur menschliche, falsche Religion sein.[360] Somit ist der Shin im Befund K. Barths eine „Religion der Lüge“, und seine Gläubigen „gänzlich verlorene Heiden“.

Daneben ortet K. Barth weitere, für ihn fundamentale Unterschiede:

- im historischen Grund der Entwicklung beider Traditionen: War der Shin aus dem Movens der populären Frage nach dem leichtesten Heilsweg (von Hônen kommend) entstanden, so sei dies den Reformatoren in ihrem Bemühen nicht eigen gewesen[361] ;
- weiters merkt er eine grundlegende Divergenz zwischen dem biblischen Gott und Amida an: Amida bewege sich nicht in der Spannung zwischen Gesetz, Heiligkeit, und Erlösung, woraus die Relieflosigkeit seines Heils resultiere;
- der Shin entbehre der Intention, durch die Ablehnung der Werkgerechtigkeit die Ehre Gottes zu betonen, wiewohl der menschlichen Autonomie zu entsagen;
- das Reine Land sei erst eine Vorstufe des Heils, zu welchem Amida selbst erst unterwegs sei.[362] Hinter der Suche nach dem Heil im Shin stehe nichts als ein menschliches Wunschziel, welches sich in der Lehre von Amida und dem Glauben an ihn ausdrücke (der Shin ist quasi Machwerk).

Obschon der Klassifikation zwischen wahrer/falscher, gnadenhafter/menschlicher Religion nicht unbedingt zugestimmt werden muss, so hat doch K. Barth mit seinem Aufriss der grundlegenden Unterschiedlichkeit den „Verdienst“ erworben, die Oberflächlichkeit früherer Vergleiche von protestantischer Seite zu enthüllen. Dies ist umso bemerkenswerter, als er zu diesem Behufe nicht einen religionswissenschaftlichen oder historischen, als vielmehr einen eben zutiefst protestantischen Standpunkt vertritt.[363]

Er stellt mit seiner Position exemplarisch das Trachten nach der unbedingten Unaufgebbarkeit des einen Propriums - gegen jeglichen Universalismus oder „Relativismus“ - dar: Jesus Christus, der Logos. Damit markiert allerdings K. Barth einen schwer zu wirklichem interreligiösen Dialog fähigen Standpunkt, der Gefahr läuft, in der Konsequenz die Kontingenz der eigenen christlichen Tradition und religiösen Position zu immunisieren.[364]

4.2.2 Katsumi Takizawa

Als Schüler u.a. K. Barths versuchte er die Herausbildung einer originär japanischen Theologie. Anders als K. Barth, der den Fokus auf Christus als Ereignis in der Zeit richtet, intendiert K. Takizawa jedoch eine Verankerung der Frage nach der Religion in der menschlichen Existenz selbst. Er zielt ab auf die „Realität der Rettung“, welche in der ausweglosen Situation des Menschen hier und jetzt vorhanden ist.[365] Für ihn existiert die Lösung für die menschliche Situation von Ewigkeit her ganz nah beim Menschen. Ausgehend von der Dialektik zwischen dem Willen des Menschen zur Autonomie einerseits, und der Sehnsucht nach Heteronomie anderseits, stellt K. Takizawa fest, dass dies keinen Widerspruch darstelle, zumal an dem „Punkt“, an welchem ein Mensch entstehe, immer schon ein Nicht-Selbst, ein Anderes bestehe, welches ihn ergreife. In diesem Moment des Ergriffenwerdens, sei jegliche eigene Anstrengung unmöglich. Jegliches Trachten nach Verdiensten vor diesem Anderen ist K. Takizawa unwesentlich, gleichwohl die Aufgabe des Menschen im beständigen Dank für das Ergriffenwerden besteht. Das „Etwas“ (das Andere), welches mit dem Ich-Selbst eins ist, unterscheidet sich gerade in seinem Einssein absolut[366] vom Ich-Selbst des Menschen. Das Etwas wird mit dem biblischen Gott identifiziert. Das Leben Jesu bis zum Kreuzestod ist K. Takizawa der Einheitspunkt zwischen Gott und dem Menschen, an diesem Punkt erweist sich aber auch ihre fundamentale Differenz.[367]

Vermittels dieser gleichsam anthropologischen Bestimmung des menschlichen In-der-Welt-Seins legt K. Takizawa subtil die Brücke zwischen dem Christentum und dem Mahâyâna (v.a. Zen) allgemein bzw. besonders dem Shin. In der Folge ist die Identifikation des Logos mit dem ewigen Dharma klar vorgezeichnet.

„Ich denke nicht im Traum daran, verschiedene Religionen in die ‚dialektische‘ Einheit zu bringen. Nur möchte ich auf die folgende Tatsache aufmerksam machen: Daß jemand einer bestimmten Religion, zum Beispiel dem Christentum oder dem Buddhismus, angehört, kommt, wie heftig der Betreffende auch immer darauf bestehen mag, in Wirklichkeit nicht nur von der absoluten ewig-gegenwärtigen Wahrheit (dem einen Gott) her, sondern ist auch – und eben davon ist die Rede – immer von der Gnade der historischen Zusammenhänge abhängig. Damit ist uns genuggetan. Wir brauchen nicht mehr zu verlangen, um als Christ oder Buddhist recht zu leben. Diese Zusammenhänge zu verabsolutieren, das würde heißen: Die einst geschehene, uns gegebene Geschichte nicht als Geschichte ernst genug zu nehmen und den wahren Grund dieser Geschichte zu verdecken ... die ursprüngliche Religion zur Pseudoreligion zu verwandeln. Wie heftig sich die „fromme“ Leidenschaft der Gläubigen dieser Pseudo-Religion auch immer aufregen mag – in bezug auf die Sache, auf die allein Religion ankommt, zeigt sich nicht selten, daß zwischen A und B unter den Christen größere Unterschiede, Entfernungen und Mißverständnisse bestehen als zwischen demselben A und einem Buddhisten C ...“[368]

Der Skopus der Differenz wird deutlich: Obschon K. Takizawa von K. Barth die Unterscheidung zwischen vera und falsa religio rezipiert, so widerspricht er seinem Lehrer doch deutlich bezüglich des Bezugspunkts der wahren Religion. Wenn K. Barth diesen Bezugspunkt im Namen Jesus Christus ortet, so kritisiert K. Takizawa, fehle das Analysieren der Differenz der beiden Bedeutungshorizonte: zwischen dem Namen als Chiffre der historischen Person (~Urfaktum 2) und der damit beschriebenen dahinter liegenden Wirklichkeit (~Urfaktum 1). Der Name schon sei für K. Barth das „Urfaktum Immanuel“. K. Takizawa moniert nun gegen K. Barth, dass, indem er den historischen Jesus immer noch mit dem „Urfaktum Immanuel“ korrelieren lasse, er der natürlichen Theologie und ihrer „Substanzmetaphysik“ ins Netz gehe, wiewohl dies zum Argument einer erneuerten Orthodoxie zu werden drohe, zumal seine (K. Barths) Kategorisierung anderer Religionen als „falsch“ auf diese Weise instrumentalisierbar sei.[369] Hätte K. Barth sich von dieser theologia naturalis restlos befreit und im historischen Jesus nur ein kontingentes „Urfaktum Immanuel 2“ gesehen, so wäre der Weg frei zu einer Deutung des „Urfaktum 1“ als Beschreibung jeglichen Gott-Mensch-Verhältnisses, und auf diese Weise die Kontingenz (und der Absolutheitsanspruch) der christlichen Religion im Denken transformierbar.[370]

Durch diese Weiterentwicklung eines barth´schen Ansatzes, welche zugleich einen deutlichen Bruch mit K. Barth selbst signalisiert, wird der Dialog mit dem Shin auf der Basis einer universalistischen Prämisse[371] bei K. Takizawa offenkundig und zugleich möglich. Die Frage nach der Religion entscheidet sich nicht mehr am Namen des historischen Jesus Christus, sondern an der Realisation des Verhältnisses vom „Urfaktum“ zum Menschen.

K. Takizawas conclusio lautet: Christentum und Shin, Luther und Shinran sind nicht miteinander zu identifizieren, sondern in ihrer Gewordenheit je ernst zu nehmen. Jeder Mensch, jedes Wort ist geprägt von der kontingenten Faktizität des (Ur-) Faktums, ist folglich einzigartig und unersetzbar. Deshalb müsse diese Kontingenz hervorgehoben werden. Unterschiede sind nicht durch Reduktion auf ein „Prinzip“ zu nivellieren, sondern ernst zu nehmen.

Die Erkenntnis der „einzigartigen“ Kontingenz der jeweiligen Entwürfe helfe aber respektive fordere auf, die Unterschiede in ihrer Relativität und auch Einzigartigkeit angesichts des Urfaktums zu sehen. Das Verhältnis zwischen Christentum und Shin definiert K. Takizawa in Anlehnung an K. Nishida als „Kontinuität der absoluten Diskontinuität“. Der Grund dieser dialektischen Beziehung liegt ihm in der dialektischen Beziehung zwischen Gott und Mensch, zwischen Buddha und dem Menschen und ist letztlich im Entstehungsgrund des Menschen selbst verborgen.[372]

4.3 Ausblick: Auf der Suche nach einer trans-kontingenten Basis der Begegnung

Möchte man einerseits das Christentum als Korrelat des „Urfaktum Immanuel“ mit K. Barth in seinem absoluten Anspruch ernst nehmen, möchte man andererseits den Shin mit seinem – im Buddhismus nicht generell üblichen - Anspruch auf absolute Gültigkeit[373] (als das „Eine Fahrzeug“) gleichfalls ernst nehmen, wird man einen deutlichen Widerstreit der Geltungsansprüche zu konstatieren haben, zumal beide Religionen ihre Gültigkeit nicht nur in ihrem je eigenen Binnenraum entfalten, sondern damit nach außen treten. Sosehr die Terminologie („Religion der Lüge“, „Heiden“ etc.) K. Barths zunächst (heute) erschreckt und auch T. Takizawa zu Widerspruch reizte, sosehr wird man sein Urteil bezüglich des Gegründetseins im Namen Jesus Christus m.E. nicht aus den Augen verlieren dürfen – auch und gerade im Dialog der Religionen, dessen Ergebnis ja völlig offen ist.[374]

Abgesehen von K. Barths fundamentalen – und zugleich nicht unproblematischen - Unterscheiden zwischen wahrer und falscher Religion soll an dieser Stelle der persönliche Versuch unternommen werden, Linien des Gemeinsamen und Trennenden quer zur Kontingenz beider Tradition nachzuzeichnen.

Es sei den Überlegungen vorangestellt: Ein Vergleich ist nicht leicht, stehen doch beide Traditionen auf einem gänzlich anderen theologischen Fundament: Ist im Christentum letztlich das Zeugnis des einen biblischen Gottes und seiner Offenbarung in der Heilsgeschichte Basis und Proprium allen Theologisierens, so trifft auf den Shin, welcher trotz mancher Nuancierungen auf der philosophischen und auch soteriologischen Basis des Mahâyâna ruht, dies in keiner Weise zu.
Die Unterschiede aus Sicht des Christentums sind in der Tat eminent. All jene, für die christlichen Denominationen und besonders den Protestantismus konstitutiven – teils unterschiedlich gewichteten - theologischen Fundamentalartikel (hier sei nur eine auch inhaltlich gestraffte Auswahl getroffen!), sind dem Shin von Grund auf fremd, und seinen an dieser Stelle thetisch angeführt:

- die biblische Lehre von der Schöpfung als Conditio der Begegnung des Schöpfers mit dem Geschöpflichen
- die sog. Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes und die Gerichtetheit der Schöpfung auf ihn hin
- der sich in biblischer Weise dem Menschen offenbarende Gott
- die das menschliche Dasein affizierende Entfremdung des Geschöpfes vom Schöpfer
- die Notwendigkeit der Inkarnation und Versöhnungstat
- eine Wertung des Glaubens als Rechtfertigung i.S. der Nichtanrechnung der Sünde
- finales Gericht und Erneuerung der Welt

Der Shin setzt den christlichen Topoi gegenüber:

- eine monistische Konzeption des Absoluten jenseits einer konkreten Schöpfungslehre (die Welt des Relationalen/Phänomenalen ist eher Emanation respektive Kehrseite des Absoluten, denn geschaffenes Gegenüber Gottes)
- die Wirkung des Absoluten in der Welt entfaltet sich vermittels der Negation/Konkretion des Absoluten (hier: Amida) und durch Emanation in diversen Heils-Gestalten (Buddhas, Bodhisattvas) - die christlichen Topoi der singulären Inkarnation oder des „Sühnetodes“ respektive der „Versöhnung“ sind der buddhistischen Soteriologie gänzlich ferne
- die Affektion des Einzelnen im Karma/ mappô sowie die daraus resultierende Verflechtung im Prozess der Subjektivation als promulgierend, autonom-Seiendes, welches im Prozess der Objektivation sich als ein Gegenüber zur phänomenalen Welt erachtet
- shinjin erschließt präsentisch antizipierend die eine Realität Amidas, welche futurisch (nach dem Tod) in ihrer Totalität realisiert wird
- die „monistische Erkenntnis“ der apriorischen Identität des Einzelnen mit dem Absoluten als finales Ziel der Soteriologie - durch die unmittelbare Hingeburt und die anschließende Rückkehr in die phänomenale Welt, bis am Ende der Oszillation die Totalität des Dharmakâya in, mit und unter allen Wesen realisiert ist.

Umso erstaunlicher ist m.E. der Umstand dass, unbeschadet dieser tiefgreifenden Divergenzen innerhalb der theologischen Entwürfe, im religiösen Erleben, in den Grunderfahrungen[375] der gläubigen Subjekte, eine doch auffallende Konvergenz festzustellen ist.[376] Bei aller aufgezeigten Problematik der primären Verortung religiöser Vergleiche auf der Ebene des individuellen Erfahrens und Erahnens, bei aller Kritik an der „metaphysischen Prämisse“ des Hingeordnetseins des Menschen auf ein Anderes, ist doch gerade bezüglich der Theologie des Shin von der gnadenhaft geschenkten Trichotomie des Einen Herzens, ein Aufgreifen dieser Aspekte – welches ja keinerlei thematische Suffizienz für sich beanspruchen kann – m.E. an dieser Stelle statthaft, begegnen sich doch beide Traditionen am ehesten auf der Basis einer „Theologischen Anthropologie“, die immer noch in ihrem Bemühen, den Menschen als über das präveniente Gegenüber Gottes bestimmt zu erweisen, in der christlichen Theologie Gültigkeit für sich beansprucht[377]:

Sowohl der Christ als auch der Gläubige des Shin „wissen“ auf der Ebene der - in eine solche Theologische Anthropologie [378] eingebetteten - Glaubenserfahrung um die Angefochtenheit ihres Seins als Teil der Welt - qua der Angefochtenheit der Welt selbst. Beide erfahren sich als bedürftig der Annahme, als angewiesen auf ein ihnen Zuvorkommendes, sie Ergreifendes. Beide erfahren sich im Glauben als „freigesprochen“, der Christ von der Sünde qua der Versöhnungstat Christi, der Shin-Buddhist von der Last des Karma durch die „Gelöbnis-Tat“ des hongan. Beide erfahren sich gleichzeitig im Glauben noch als Teil der Welt der Gebrochenheit und doch als bereits erlöst, bereits angenommen – im Akt des gnadenhaft angestoßenen Glaubens wird dieses Gefühl aktual.

Der Glaube ist und bleibt der Schlüssel zur Realisation dieses Fühlens. Beide wissen um die Hingabe an das nach - K. Takizawa – „Etwas“, welches eine Annahme der Gnade durch eine Emanzipation vom Eigenbegründungsanspruches impliziert. Nach dem Erwachen des Glaubens erahnen beide angesichts der Welt die Spannung zwischen einem Schon und dem Noch-Nicht ihrer Erlösung, wissen sich beide durch den Glauben als Partizipienten eines „heils-historischen“ Geschehens, auch wenn im prospektiven Noch-Nicht die Modi respektive Parameter der Verheißungen weit auseinander triften.[379]

Mit W. Pannenberg lässt sich das Verdienst von F.D.E. Schleiermachers Religionstheologie so beschreiben:

„Religiöse Erfahrung war für Schleiermacher seit seinen ‚Reden über die Religion‘ nicht Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit in ihrer von aller endlichen Realität, in welcher sie manifest wird, unterschiedenen, eigenen Gestalt, sondern Anschauung des Unendlichen im und am Endlichen, indem dieses in seiner Unselbständigkeit und in seiner Abhängigkeit vom Kontext des ‚Universums‘ bewußt wird. Obwohl damit religiöse Erfahrung als Erfahrung der Gottheit des in einer positiven Religion verehrten Gottes eigentlich noch gar nicht thematisiert ist, weil der Gottesgedanke nur indirekt ins Spiel kommt, hat Schleiermachers Religionstheologie dennoch das eingangs behauptete Verdienst, in bleibend gültiger Weise die Erweckung zu religiöser Bewußtheit beschrieben zu haben. Erweckung zu religiöser Bewusstheit im Innewerden der Bedingtheit alles Endlichen durch die Gegenwart des Unendlichen in ihm ist nicht identisch mit konkreter Gotteserfahrung im Sinne einer Erfahrung der von allem Endlichen unterschiedenen Eigenart der göttlichen Wirklichkeit. Dennoch steht das eine mit dem andern in Zusammenhang.“[380]

Die Grunderfahrung des religiösen Bewusstseins von der Gegenwart des Unendlichen im Endlichen, der Nexus zwischen dem Absoluten und seiner Negation im Relativen, welchen eine solche Religionstheologie postuliert, kann demnach ein Ansatzpunkt sich begegnenden Austauschens sein. Ich möchte ergo das religiöse Erleben von Christen und Shin-Buddhisten, welches das Zum-Glauben-Kommen zur Bedingung hat, in Abwandlung des berühmten Diktums F.D.E. Schleiermachers, thesenhaft zusammenfassen und kondensieren in einem Satz, welcher mir geeignet scheint, einen kleinsten gemeinsamen Nenner als Basis der Begegnung beider Traditionen - jenseits der eigenen Kontingenz, jenseits des je eigenen Anspruchs auf absolute Geltung – zu formulieren:

Sowohl der Christ, als auch der Shin-Buddhist erfahren im Moment des Glaubens ein „Gefühl des schlechthinnigen Angenommenseins“, welches die bestehenden Grenzen der eigenen Subjektheit überschreitet.

Das daraus Resultierende gilt es hernach trotz aller individuellen, weiterbestehenden Schwäche im Lebensvollzug zu verdichten – für den Christen wie auch für den Shin-Buddhisten gilt dies gleichermaßen. Im Erfahren des Angenommenseins liegt m.E. der entscheidende Kreuzungspunkt, an welchem beide, das „christliche Fahrzeug“ und das „Shin-Fahrzeug“, einander – obschon aus gänzlich anderen Richtungen kommend, begegnen. Es ist dies aber auch der Kreuzungspunkt, an dem sich ihre Wege wieder trennen.

Eine fruchttragende Begegnung zwischen dem Shin und dem Christentum kann auf dieser - mitunter schmal erscheinenden Basis – m.E. möglich sein. Abgesehen von jeglicher Frage nach der Gültigkeit der distinkten Ansprüche bleibt dennoch offen, wie die anderen - oben aufgezeigten - bis an die Wurzel reichenden theologischen Differenzen überwunden werden sollten.

Den Shin als „protestantischen Buddhismus“ zu beschreiben, entbehrt angesichts dessen der Berechtigung, läuft doch eine solches „Label“ ernsthafte Gefahr, beiden Seiten Gewalt anzutun – sowohl dem Shin als auch dem Protestantismus. Vermutlich ist es deshalb im Interesse der wissenschaftlichen Redlichkeit – in Anlehnung an K. Takizawa – dienlicher, die systematischen Divergenzen in ihrer je eigenen Historizität und Kontingenz stehen zu lassen.

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E. Zürcher, Amitâbha, in: EncRel(E), Vol. 1, 235ff.

[...]


[1] Für eine detailliertere Darstellung der Rezeptionsgeschichte s. u.a.: V. Zotz, Auf den glückseligen Inseln. Buddhismus in der deutschen Kultur, Berlin 2000.

[2] Zur unglücklichen Verflechtung von buddhistischer Geistlichkeit und rassistischem Nationalismus im Japan des 2. Weltkrieges s. B. Victoria, Zen, Nationalismus und Krieg. Eine unheimliche Allianz, Berlin 1999.

[3] Ein vertiefter Blick in die Religions- und Profangeschichte z.B. Tibets oder Japans muss hingegen eines Bessern belehren.

[4] Gerade angesichts des Umstands, dass in den Mahâyâna-Schulrichtungen die Aussage getroffen wird, das „individuelle Selbst“ sei bloß ein Konstrukt (skt. anâtman ~ Nicht-Selbst) und in sich leer und bar jeglicher Eigenschaft (skt. śûnyatâ), es sei folglich ein situativ-relationales Korrelat verschiedener Faktoren (übrigens wird dies auch im sog. Theravâda-Buddhismus auf ähnliche Weise vertreten), wird man eine solche Aussage aufgrund des Versagens der Begrifflichkeit nicht einschränkungslos perpetuieren dürfen. S. dazu z.B . P. Schmidt-Leukel, śûnyatâ, in: Das Lexikon des Buddhismus. Grundbegriffe, Traditionen, Praxis, hrsg. von K.-J. Notz, Bd. 2, Freiburg i. Brsg. u.a. 1998, 441ff.; K.-J. Notz, anâtman, in: A.a.O., Bd. 1, 46ff.

[5] Die Frage, was denn Religion konstituiere, ist seit Jahrzehnten innerhalb der Religionswissenschaft umstritten – s. zu einzelnen Modellen F. Stolz, Grundzüge der Religionswissenschaft, Göttingen 21997, 11-34.

[6] Vgl. a.a.O., 224f.

[7] Vgl. a.a.O., 227.

[8] Vgl. P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“. Zur Hermeneutik eines christlichen Verständnisses der buddhistischen Heilsbotschaft, Beiträge zur ökumenischen Theologie, begr. von H. Fries, hrsg. von H. Döring, Bd. 23, Paderborn u.a. 1992, 676.

[9] Vgl. ebd.

[10] Vgl. a.a.O., 677f.

[11] Vgl. P. Schmidt-Leukel, Mahâyâna, in: Das Lexikon des Buddhismus, Bd. 1, 285.

[12] Vgl. H. Bechert, Buddhismus, in: TRE, Bd. 7, Berlin u.a. 1981, 328f.

[13] Eine nähere Darstellung der den verschiedenen Strömungen des Mahâyâna gemeinsamen Grundaussagen bietet E. Conze, Buddhistisches Denken, Drei Phasen buddhistischer Philosophie in Indien, Frankfurt a. M. 1990, 277-342.

[14] S. ausführlicher zur Definition und Praxis des Bodhisattva-Postualts im Mahâyâna: H. Dumoulin, Spiritualität des Buddhismus. Einheit in lebendiger Vielfalt, Mainz 1995, 179-189.

[15] Aus diesem Grund wird in der Literatur der Reinen Land Buddhismus auch durchwegs als Amida-Buddhismus bezeichnet.

[16] Vgl. Ch. Steineck, Quellentexte des japanischen Amida-Buddhismus, Studies in Oriental Religions, edit. by W. Heissig and H.-J. Klimkeit, Vol. 39, Wiesbaden 1997, [14]f.

[17] Ein Wort, welches hier nicht abwertend verwendet ist, zumal diese Praxis innerhalb des Mahâyâna durchaus üblich war und ist. Nach genau demselben Muster haben andere Lehrtraditionen Japans (und Chinas) wie etwa Tendai, Shingon, Sôtô und Rinzai je spezifische, die Verbindlichkeit der eigenen Lehren nach außen wie nach innen abzusichern beabsichtigende, Reihen von „Patriarchen“ postuliert.

[18] An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass „sectarian“ im vorliegenden Fall keineswegs die - unserem alltäglichen Sprachgebrauch innewohnende - abwertende Konnotation besitzt, sondern in der englischsprachigen Literatur häufig begegnet, um die Ergebnisse religiöser Verselbständigungsprozesse zu umschreiben. So ist gerade die Kamakura-Periode (1192-1333) Japans geprägt von einer regen Ausbildung und Abspaltung einzelner Lehrtraditionen vom vorherrschenden Tendai-Buddhismus, welcher – aus China stammend - zuvor in einer großflächigen Synopse die verschiedenartigen Überlieferungsstränge des Mahâyâna in sich zu vereinen trachtete. Diese Synthese, in deren Kontext auch die Reine Land Spiritualität eingebettet war, brach, wie an späterer Stelle noch aufzuzeigen sein wird, nicht ohne deutliche Friktionen innerhalb des japanischen Buddhismus auseinander. S. zur Bedeutung und Lehre der Tendai Schule z.B. Y. Tamura, Tendaishû, in: The Encyclopedia of Religion [EncRel(E)], M. Eliade edit. in chief, New York u.a. 1987, Vol. 14, 396-401, bes. 397f.

[19] J.C. Dobbins, Jôdo Shinshû. Shin Buddhism in Medieval Japan, (Religion in Asia and Africa series), Bloomington u.a. 1989, 2.

[20] Vgl. E. Zürcher, Amitâbha, in: EncRel(E), Vol. 1, 235.

[21] Vgl. ebd.; - allerdings soll Erwähnung finden, dass selbst der ältere Buddhismus bereits eine Pluralität von Buddhas kannte, zumal von einem Buddha der Vergangenheit, der Gegenwart (damals: der historische Buddha) und der Zukunft ausgegangen wurde – vgl. dazu Ch. Steineck, a.a.O., [14].

[22] Vgl. ebd.; s. dazu auch I. Astley, Amitâbha – I. Religionswissenschaftlich, in: RGG4, Bd. 1, Tübingen 1998, Sp. 411.

[23] Neben diesem Gelübde, welches als das zentrale gewertet werden wird, legte Dharmâkara noch weitere 47 Gelübde ab (s. dazu 2.2.1.1).

[24] Vgl. E. Zürcher, a.a.O., 235.

[25] Es ist im vergangenen Jh. wiederholt über den Zusammenhang zwischen dieser Entwicklung und dem Manichäismus bzw. dem nestorianischen Christentum, welche sich im Zentralasien des 7.-14. Jh. belegen lassen, spekuliert worden, ohne aber bis jetzt einen evidenten Erweis einer Beeinflussung der Amida-Frömmigkeit seitens der erwähnten religiösen Traditionen erbringen zu können. Vgl. dazu etwa J. May, Amitâbha - II. Missionswissenschaftlich, in: RGG4, Bd. 1, Tübingen 1998, Sp. 411f.

[26] So erwuchs z.B. in Nordchina der T´ang Dynastie (618-907) dem Glauben an das Reine Land Amidas ein ernsthafter Konkurrent in der Verehrung des Buddha Maitreya. Dieser gilt als in der Zukunft erscheinender Buddha, der die ungetrübte Lehre des Buddha restaurieren wird, indem er den Buddhismus von seinen historisch bedingten Degenerations- und Ermüdungserscheinungen befreit (s. dazu auch Anm. 132). Die Mahâyâna-Tradition bezeichnet als Maitreyas jetzigen „Aufenthaltsort“ den Tusita-Himmel (Himmel der Seligen/Befriedigten), in welchem der zukünftige Buddha Maitreya jetzt noch als Bodhisattva verweilt. In diesen Bereich hineingeboren zu werden, verhieß den Gläubigen Wohlergehen und Frieden - s. dazu K.K. Tanaka, Where is the Pure Land?: Controversy in Chinese Buddhism on the Nature of Pure Land, in: The Pacific World, N.S. 3 [Jg. 1987], 37f.

[27] Bei den sog. Sarvâstivâdins, welche vermutlich um 244 v. Chr. aufgrund einer theologisch motivierten Spaltung in Indien entstanden – s. etwa K.-J. Notz, Sarvâstivâda, Sarvâstivâdins, in: Das Lexikon des Buddhismus, Bd. 2, 405ff.; auch bei den Mahâsânghika ist eine antizipierende Dreiteilung der Buddha-Ontologie belegt – s. K.-H. Everding, trikâya, in: Das Lexikon des Buddhismus, Bd. 2, 475f.

[28] Vgl. E. Conze, a.a.O., 244f.

[29] Sie erfolgte u.a. durch Asanga im 4. Jh. n. Chr.

[30] Wie etwa G. Parrinder, Triads, in: EncRel(E), Vol. 15, 41 konstatiert.

[31] Vgl. ebd.; s. auch zur näheren Definition u.v.a. Herleitung des trikâya: E. Conze, a.a.O., 334-337 und J.P. Keenan, Pure Land Systematics in India: The Buddhabhûmisûtra and the Trikâya Doctrine, in: The Pacific World, N.S. 3 [Jg. 1987], 39-35, bes. 32-34.

[32] So kann entsprechend dieses Verständnisses die Gestalt des historischen Buddha als ein solcher Manifestationsleib angesehen werden.

[33] Natürlich ist die Applikation eines solchen - durch westliche Philosophie/Theologie vorgeprägten – Begriffs auf die buddhistische Philosophie nicht gänzlich unproblematisch. So wird man den Terminus dennoch gebrauchen dürfen, transzendiert doch der Dharmakâya nach diesem Verständnis das „Gesetz“ des konditionalen Entstehens (skt. pratîtyasamutpâda), welches das bedingende und bedingte Entstehen aller Dinge, Daseinsformen und Regungen in der Welt postuliert, und ist folglich alleine ontologisch nicht relational. S. dazu K.-J. Notz, pratîtyasamutpâda, in: Das Lexikon des Buddhismus, Bd. 2, 371ff.

[34] S. dazu K.-H. Everding, a.a.O., 475.

[35] Diese Positionierung Amidas innerhalb der trikâya-Ontologie wird Shinran einer deutlichen Evaluierung unterziehen (s. 3.3-3.3.1.1).

[36] Vgl. H. Inagaki, The Three Pure Land Sutras. A Study and Translation from Chinese, in collaboration with H. Stewart, Kyoto 1994, 25.

[37] Vgl. K. Fujita, Pure and Impure Lands, in: EncRel(E), Vol. 12, 90.

[38] Vgl. ebd.: Der Autor weist wohl treffend darauf hin, dass derartige Bezifferungen letztlich nur die unendlichen Entfernungen zur gegenständlichen Welt herausstreichen sollen.

[39] Ist die Verkörperung des erbarmenden Aspekts der Buddhaschaft (skt. karunâ). Der vielleicht bedeutendste Bodhisattva des Mahâyâna.

[40] Dieser Bodhisattva lässt gemäß der Tradition in den Wesen das Erkennen reifen, dass Erlösung notwendig sei.

[41] Wie schon bei der Erörterung Amidas gelten auch bezüglich des Sukhâvatî in der neueren Forschung die in der Vergangenheit unterstellten Einflüsse aus dem vorderorientalischen Raum als zumindest höchst unbelegt – s. dazu etwa K. Fujita, Pure Land Buddhism in India, Beitr. in: The Pure Land Tradition: History and Development, edit. by J. Foard u.a., Berkley Buddhist Studies Series, Number 3, Berkley 1996, 23f.

[42] S. dazu 2.2.1.1

[43] Vgl. K. Fujita, Pure Land Buddhism in India, 20; s. auch K.K. Tanaka, a.a.O., 42: Grundlegung für diese Übersetzung ist die innerhalb des Mahâyâna in vielen Sûtren bezeugte Vorstellung, dass ein Bodhisattva das Land, in welchem er Buddha werden wird, zuvor erst „reinigen“ muss von allem schlechten Karma. Die Reinigung wird als vollendet betrachtet, wenn der Bodhisattva versichert, er führe alle Wesen in seinem Land zur Erleuchtung.

[44] Spätere religiöse, v.a. in der Devotionalkunst beheimatete Motive bedienen – ausgehend von konkreten Glaubenshoffnungen – die Vorstellung, Amida komme mit seinen beiden Bodhisattvas im Augenblick des Todes, um den Sterbenden in das Reine Land im Westen zu geleiten. S. dazu H. Inagaki, Pure Land Sutras, 44ff.: Vor allem in China und Japan genossen vielfältige Totenbettrituale weite Verbreitung und Beliebtheit. Motiv dieser Rituale war die Absicht, Amida und sein Gefolge am Bett des Sterbenden willkommen zu heißen, den Sterbenden bei seinem Hinübergang ins Reine Land „genossenschaftlich“ zu begleiten, wiewohl den Sterbenden selbst zum Gebet und zur Konzentration auf den Buddha zu ermutigen. In Verbindung damit wurden die Sterbenden mitunter zur Reue ihrer schlechten Taten angehalten. Besonders aus dem mittelalterlichen Japan ist der Brauch belegt, dem Sterbenden ein speziell gefertigtes Band in die Hand zu geben, dessen anderes Ende von einer Amidastatue gehalten wurde, um auf diese Weise die innige Verbindung des Buddha der unendlichen Gnade mit dem Betreffenden auszudrücken.

[45] Diese deutliche Spannung zwischen dem geforderten Bodhisattva-Ideal und dem ihm impliziten vorläufigen Verzicht auf das Nirvâna einerseits, und der Hoffnung andererseits, durch den Eingang ins Reine Land die Erleuchtung zu erfahren und folglich ins endgültige Nirvâna (=ohne Rückkehr in die Welt) einzugehen, wird bei Shinran Shônin eine beachtenswerte Beantwortung erfahren (s. 3.7.3).

[46] An dieser Stelle muss der Diskurs über die „Lokalisation“ des Sukhâvatî innerhalb der Mahâyâna-Traditionen thematisiert werden: Unterzieht man die für Teile des Reinen Land Buddhismus maßgeblich gewordene kanonische Literatur einer Hermeneutik, deren Prämisse der Primat einer literalen Interpretation ist, so wird man zu Gunsten jener geschilderten Position argumentieren dürfen, welche Sukhâvatî tatsächlich als außerhalb dieser Welt existenten Horizont nach-todlicher Existenz wertet. Gegen diese Prämisse eines ontologischen Realismus wurde gleichwohl – gerade hinsichtlich etlicher, dem Reinen Land Buddhismus nicht zu Grunde liegender Sûtren – der Einwand eines Nominalismus / epistemischen Idealismus erhoben. Auf diese Weise argumentierten z.B. Exponenten des chin. Ch´an (jap. Zen), das Sukhâvatî sei nichts anderes als eine Metapher für den Zustand des erleuchteten Geistes und somit Sinnbild des Nirvâna schlechthin, dem aber darüber hinaus keinerlei Existenz außerhalb des Geistes zukomme (gestützt wurde/wird dieser Standpunkt im vorliegenden Kontext u.a. von einem Vers im Meditations-Sûtra [Kap. 7], welcher besagt, das Reine Land sei ganz nahe. H. Inagaki, Pure Land Sutras , 321 übersetzt: „Do you know that Amitâyus ist not far away? Fix your thougts upon and contemplate that Buddha-land ...“); - eine Position, die v.a. von der sog. Yogâcâra - Schule vertreten wird, welche postuliert, das Bewusstsein sei das einzig (situativ!) Existente. Entsprechend dieser Position existiert die Mannigfaltigkeit der phänomenalen Welt nur innerhalb des unsteten Bewusstseins (allerdings muss erwähnt werden, dass die Ansätze in der Yogâcâra-Schule selbst zwischen absolutem und relativem Idealismus schwanken) - s. zur mahâyânischen Diskussion um die Verortung des Sukhâvatî etwa K.K. Tanaka, a.a.O., 36ff. und K. Fujita, Pure and Impure Lands, 91 sowie M. Hattori, Yogâcâra, in: EncRel(E), Vol. 15, 523. Einen weiteren Beleg für die systematische Evidenz der idealistischen Deutung aller Buddha-Länder liefert z.B. das Kap. 1 des prominenten Vimalakirti-Sûtra (s. dazu B. Watson [Transl.], The Vimalakirti Sutra, transl. by B. Watson from the Chinese version by Kumarajiva, New York 1997, 17-31).

Man wird den idealistischen Ansatz als Korrelat dessen, was zum Sambhogakâya in 2.1.1.1 bezüglich der Visualisation ausgeführt wurde, werten dürfen. Im Grunde sind beide Varianten einer Ontologie des Reinen Landes bis heute aktuell, und die Antworten darauf wurden historisch oftmals in exklusiver Betonung je einer Position oder aber in Synthese beider Standpunkte respektive zumindest deren Vermittlung gegeben (s. dazu die Sichtweisen T´an-luans: 2.3.2.1 u. Tao-ch´os: 2.3.2.2).

Die Position des idealistisch gefassten Reinen Landes sollte im Hinblick auf den Shin nicht gänzlich aus den Augen verloren werden (s. 3.7.1 u. Anm. 304).

[47] Es erscheint dennoch nicht gänzlich angebracht, Sukhâvatî als Jenseits, etwa i.S. gängiger Vorstellungen „nachtodlicher Existenz im Himmel“ zu fassen. Vielmehr kann es nach der obigen Sicht als der „Sphäre“ des Sambhogakâya zugehörig bestimmt werden, und mit der Formel einer die herkömmliche Existenz transzendierenden „Form“ als real erachtet werden.

[48] Vgl. E. Zürcher, a.a.O., 236: Der Autor konzediert als essentiellen Faktor für die erfolgreiche Ausbreitung dieser transzendenten Heilshoffnung das damalige Vorliegen ähnlicher auf ein Paradies im Westen (im sog. K´un-lun Gebirge) gerichteter taoistischer Glaubensinhalte.

[49] Auch der Tibetische Buddhismus kennt Formen der Amida-bezogenen Devotion und Meditation. Ihre Herkunft leitet sich hingegen weniger stark aus dem chinesischen, denn vielmehr aus dem (teils tantrischen) Buddhismus Indiens her, welcher seinerseits auf den chinesischen einwirkte.

[50] Vgl. Ch. Kleine, Hônens Buddhismus des Reinen Landes: Reform, Reformation oder Häresie? Religionswissenschaft, hrsg. von H. Bürkle u. H.-J. Klimkeit, Bd. 9, Frankfurt a. M. u.a. 1996, 238.

[51] Vgl. dazu H. Inagaki, The Easy Method of Entering the Stage of Non-Retrogression, in: The Pacific World, N.S. 3 [Jg. 1987], 25f. (s. dazu 2.3.1.1).

[52] Ch. Kleine, Hônens Buddhismus, 94.

[53] Der erwünschte Zustand wird u.a. auch als skt. samâdhi bezeichnet, in welchem der Meditierende in einem Blickwinkel der Nicht-Dualität mit Amida, dem Objekt der Betrachtung, eins geworden ist. Insofern kann die Mahâyâna-Tradition – in Anlehnung an den Yogâcâra-Idealismus - auch davon sprechen, der Geist des Meditierenden sei ihm zum Reinen Land geworden. S. dazu H. Inagaki, Pure Land Sutras, 30ff.

[54] Ein Ursprung dieser Praxis mag darin gesehen werden, dass die Rezitation einzelner Worte/Sätze ursprünglich zur Einstimmung/Vorbereitung auf die Meditation praktiziert worden sein könnte – vgl. dazu R. Fujiwara, Nien-fo, in: EncRel(E), Vol. 10, 436.

[55] Allerdings werden in manchen Ausprägungen des ostasiatischen Buddhismus bis heute beiderlei methodischen Zugänge praktiziert – nicht einander ausschließend, sondern ergänzend. S. zur historischen Entwicklung z.B. A.A. Andrews, Lay and Monastic Forms of Pure Land Devotionalsimus: Typology and History, in: NUMEN. International Review for the History of Religions, Vol. XL, Fasc. 1, 16-37.

[56] S. dazu H. Inagaki, Stage of Non-Retrogression, 24.

[57] Diese gelten als die drei Grundübel menschlichen Daseins.

[58] Das Absolute kann im mahâyânischen Kontext, insofern es als ein bestimmter Buddha „benannt“ wird, durchwegs auch personal als der Absolute gefasst sein. H. Tauscher hat aber darauf hingewiesen, dass die Identifikation des Dharmakâya mit Gott eine Missinterpretation ist, die im Mahâyâna kein Fundament besitzt, aber immer noch in der Literatur anzutreffen ist – vgl. H. Tauscher, Die Buddha-Wirklichkeit in den späteren Formen des mahâyânistischen Buddhismus, Beitr. in: Wer ist der Buddha? Eine Gestalt und ihre Bedeutung für die Menschen, Schriftenreihe der Gesellschaft für europäisch-asiatische Kulturbeziehungen (GEAK), München 1998, 97.

[59]... und wohl in jeder Religion, die von einer Heilskonzeption ausgeht, die in einem Gegenüber gründet ... (Anm.).

[60] Die dichotome Einteilung jiriki/tariki wurde im 6. Jh. n. Chr. durch T´an-luan vorgeschlagen (s. 2.3.2.1).

[61] Allerdings muss vermerkt werden, dass dessen unbeschadet die Amida-Devotion im Buddhismus Chinas, Koreas und teilweise auch Japans als eine mögliche Form des Buddhismus unter mehreren im Rahmen der Mahâyâna-Schulen durchaus praktiziert wurde/wird, dem Amida Buddhismus folglich nicht generell der exklusive Anspruch der schlechthinnigen Suffizienz zukam/zukommt bzw. von ihm auch nicht beansprucht wurde/wird. Nur in Japan konnte er sich dauerhaft als disparate Lehrtradition (in deutlicher Abgrenzung zu anderen Schulen) etablieren, während er anderswo in den quasi scholastisch organisierten Reigen buddhistischer Lehrmodelle re-/integriert wurde – so z.B. in Korea, wo ab dem 13. Jh. durch den Mönch Chinul der Versuch der Reintegration der diversifizierten Traditionen erfolgreich in Angriff genommen wurde – s. hierzu R.E. Buswell, Buddhism: Buddhism in Korea, in: EncRel(E), Vol. 2, 421 – 426, bes. 424f.

[62] Vgl. K. Fujita, Pure Land Buddhism in India, 29ff.

[63] Vgl. H. Nakamura, Buddhism, Schools of: Mahâyâna Buddhism, in: EncRel(E), Vol. 2, 465.

[64] Wie bereits angedeutet, ist es hier nicht möglich, die vielgestaltigen und mitunter widersprüchlichen Facetten des ganzen Amida-Buddhismus auch nur annähernd zu umfassen. Wesentlich ist an dieser Stelle die Darstellung der Proto - Shin-Tradition. Dies ist deshalb nötig, um die besondere Stellung des Shin innerhalb der buddhistischen Gesamtüberlieferungen besser ermessen zu können.

[65] Vgl. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 3.

[66] Vgl. H. Nakamura, a.a.O., 464f.

[67] Vgl. C. Wilhelm, Shinrans Vorstellung von der Rettung der Menschheit. Eine Untersuchung seiner Hauptwerke, Studies in Oriental Religions, edit. by W. Heissig and H.-J. Klimkeit, Vol. 40, Wiesbaden 1996, 9.

[68] Vgl. a.a.O., 11.

[69] Der König verzichtet aus religiösen Motiven auf seinen Thron, um Buddha zu werden. Hierin wird eine gewisse Parallele zur überlieferten Vita des historischen Buddha ersichtlich – Anm.

[70] Vgl. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 4f.

[71] Im Rahmen der Textüberlieferung und ihrer wichtigsten chinesischen Zeugen ist auch eine divergierende Zählung der Gelübde belegt (teils nur 24 oder 36). Der Zählung bis 48, welche sich in der späteren buddhistischen Literatur Chinas und Japans behaupten konnte, wird in der vorliegenden Arbeit gefolgt. Einige dieser Gelübde haben im Verlauf der Lehrentwicklung eine besondere Bedeutung entfaltet, sodass die Frage nach der Zählung, respektive Einteilung der Gelübde, nicht unwesentlich ist (s. 2.2.1.1) – vgl. H. Inagaki, Pure Land Sutras; 17 u. 204 [-in Anm. 11]; s. eine Synopse zu den Gelübden: A.a.O., 373ff.

[72] Man wird wohl m.E. in diesem Zusammenhang von einer „ Heilstat “ sprechen dürfen. Dies ist umso bemerkenswerter, weil dies oft gängige Vorstellungen von „dem Buddhismus“ relativieren hilft, welche den ganzen Buddhismus vom unpersönlichen Konzept des Karma determiniert erachten. Das hier vorliegende Postulat einer persönlich gewirkten Zuwendung durchbricht diese wenig differenzierten Standpunkte in jeglicher Hinsicht, nimmt doch Dharmâkara/Hôzô bosatsu das Gesetz des Karma auf sich, sammelt vermittels verdienstvoller Taten gutes Karma und gelangt durch lange Meditation zur Buddhaschaft, um dies hernach zum Wohle und zur Errettung den Menschen – im Konnex zum Mahâyâna-Ideal – zu „schenken“. So hat auch H.W. Schumann darauf hingewiesen, dass Amida unter den sog. Transzendenten Buddhas des Mahâyâna in diesem Sûtra singulär als jener geschildert wird, welcher sich seinen „Status“ quasi erarbeitet respektive durch Leistung errungen hat – vgl. H.W. Schumann, Buddhismus. Ein Leitfaden durch seine Lehren und Schulen, Darmstadt 1973, 93.

[73] In KKap. 27ff. d. Sûtra.

[74] Vgl. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 6 u. 51f. Dieser Zustand wird in Kap. 43 des Größeren Sûtra geschildert (a.a.O. 307f.). M.L. Blum spricht in diesem Zusammenhang von einer “second-class Birth in the Pure Land”M.L. Blum, The Origins and Development of Pure Land Buddhism. A Study and Translation of Gyônen´s Jodô Hômon Genrushô, Oxford u.a. 2002, (Glossar: “Borderland [of the Pure Land]”), 444.

[75] Vgl. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 52f.: Der Autor behandelt zusätzlich die „Hierarchie“ innerhalb der beiden Hingeburtsstufen.

[76] A.a.O., [Übers. des Größeren Sûtra, Kap. 7], 243f.

[77] Bezeichnet die Wesen, welche in den sechs Daseinsbereichen (s. Anm. 97) leben. Vgl. M.L. Blum, a.a.O., (Glossar: „sentient beings“), 449.

[78] Norden, Nordwesten, Westen, Südwesten, Süden, Südosten, Osten, Nordosten, Oben, Unten.

[79] Die hierbei mitschwingende „Kanonisierung“ des rezitativen nembutsu („... call my Name...“) ist bereits eine deutliche Akzentverschiebung in den chinesischen Übersetzungen des Sûtra (welche H. Inagaki heranzieht). Der Skt.-Text spricht an dieser Stelle von einer anderen Praxis, welche doch deutlicher im Kontext der meditativen Methoden zu betrachten ist. Für die Passage des Skt.-Textes ist als Übertragung vorgeschlagen worden: „... even with ten arisings of thought ...“. Es wird an dieser Stelle evident, dass die beinahe ausschließliche Betonung des rezitativen nembutsu (bes. in der jap. Amida-Tradition) erst als Ergebnis einer durchwegs lavierenden Um-/Neuinterpretation der kanonischen Literatur - und ganz besonders des 18. Gelübdes als deren Brennpunkt – aufgrund der Übersetzung aus dem Sanskrit ins Chinesische möglich wurde – s. dazu auch C. Wilhelm, a.a.O. 14. Zu den vorgeschlagenen Übersetzungsvarianten s. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 362.

[80] In diesem Gelübde gründen die bereits angemerkten Totenbett-Rituale.

[81] Solche merits/Verdienste resultieren aus dem eigenen sittlichen Handeln, Reden und Denken. Innerhalb des Mahâyâna sind die Verdienste integraler Bestandteil auf dem Weg des Bodhisattva-Ideals. Diesem wird durch die Vorstellung, der Bonus (~die positiven karmischen Folgen) der Verdienste könne auf andere Menschen (v.a. Verstorbene) übertragen werden, Rechnung getragen. Aus der Übertragung resultiert für die Empfänger nach dieser Auffassung ein Gewinn auf dem eigenen Bodhisattva-Pfad (evtl. die Hingeburt ins Reine Land). Mit dem Transfer der eigenen Verdienste in Amidas Land verleiht der Aspirant seiner gläubigen Hingabe an den Buddha und die in seinem Land Wohnung genommen habenden Bodhisattvas Ausdruck und erhöht gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit seiner Hingeburt. Gleichzeitig können Amidas Verdienste auf die Menschen übertragen werden, wodurch deren heilstiftender Charakter aufgezeigt wird – s. dazu K.-J. Notz, Verdienst/ Verdienstübertragung, in: Das Lexikon des Buddhismus, Bd. 2, 499 u. Ch. Steineck, a.a.O., (Glossar: „Verdienst“), 213f. und C. Wilhelm, a.a.O., 118.

[82] So sieht etwa auch C. Wilhelm das Sûtra noch in einer tendenziellen Nähe zum Postulat der „Selbst“-Erlösung, insofern es die Heils-Notwendigkeit der eigenen Bemühungen hervorhebt – C. Wilhelm, a.a.O., 16.

[83] Vgl. dazu Ch. Steineck, a.a.O. 16 u. C. Wilhelm, a.a.O., 13; - s. zusätzlich die „Synopse der Gelübde“ zweier Skt.-Editionen bei H. Inagaki, Pure Land Sutras, a.a.O., 373ff. bes. 374.

[84] Einen etwas anderen Standpunkt zum Grund des Glaubens vertritt H. Inagaki. Er erkennt eine Antwort auf die Frage nach dem eigentlichen Grund des Glaubens - welcher im 18. Gelübde als conditio der Rezitation mitschwingt - im 20. Gelübde. Er meint, allein durch das Hören des Buddha-Namens werde der Glaube an Amida erweckt – s. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 40. Hierbei verlagert sich der Schwerpunkt m.E. zu einem quasi Ruf zum Glauben, der ohne das Zutun des Einzelnen seine Wirkung entfaltet. Damit unterlegt der Autor aber in seiner Hermeneutik (unausgesprochen) die Shin-Theologie, welche einen Paradigmenwechsel zur Frage nach dem Grund des Glaubens darstellt.

[85] Skt. panca-ânantarya-karmâni; vgl. H.-J. Klimkeit, Der Buddha. Leben und Lehre, Stuttgart u.a. 1990, 223 u. Ch. Steineck, a.a.O., (Glossar: „fünf unverzeihliche Sünden“), 205.

[86] Vgl. P. Schmidt-Leukel, Schuld, in: Das Lexikon des Buddhismus, Bd. 2, 412.

[87] Vgl. P. Schmidt-Leukel, Amida-Sûtra, in: Das Lexikon des Buddhismus, Bd. 1, 43.

[88] S. H. Inagaki, Pure Land Sutras, [Übers. des Kleineren Sûtra], 356 u. 359.

[89] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 18f.

[90] Einer der beiden Hauptschüler des Buddha, an den dieser sich in seiner Predigt richtet.

[91] Auch in diesem Zusammenhang bedeutet das „Festhalten“ des Namens (wie beim 18. Gelübde des Größeren Sûtra) ursprünglich meditative Konzentration. Erst die spätere Interpretation in China „verengt“, oder vereinfacht diese Praxis zum Primat der vokalen/lautlosen Rezitation.

[92] H. Inagaki, [Übers. des Kleineren Sûtra, Kap. 5], Pure Land Sutras, 356.

[93] J.C. Huntington, Rebirth in Amitâbha´s Sukhâvatî, Beitr. in: The Pure Land Tradition; History and Development, 71.

[94] Vgl. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 56 u. C. Wilhelm, a.a.O., 10.

[95] S. dazu H. Inagaki, [Übers. des Meditations-Sûtra, Kap. 28], Pure Land Sutras, 348.

[96] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 22.

[97] Dies ist bloß ein möglicher Existenzbereich - es gibt derer in der buddhistischen Systematik sechs (teils nur fünf): Götter, Titanen, Geister, Menschen, Höllenwesen, Tierwelt - in welchem die Wiedergeburt stattfinden kann. Wie weiter oben bereits angemerkt, ist der Hölle (und allen anderen Bereichen) nicht die temporale Qualität/Quantität von Ewigkeit inne.

[98] Vgl. H. Inagaki, [Übers. des Meditations-Sûtra, Kap. 30], Pure Land Sutras, 348.

[99] Ch. Kleine bietet eine Übersetzung der Passage (Rezitation als Weg zur Hingeburt für die ärgsten Sünder), welche – anders als die Übertragung von H. Inagaki, Pure Land Sutras, 348 - deutlich macht, dass auch im Kontext dieses Sûtra (unbesehen der Differenzen unterschiedlicher Texteditionen) die Rezitation („this person says ‚Namu Amida Butsu‘ manifesting ten moments of thought“) verbunden ist mit einer Aktivität des Geistes, ergo die Konnotation der meditativen Vergegenwärtigung erhalten bleibt – vgl. Ch. Kleine, Hônens Buddhismus, 241 – s. auch die vergleichbare Übersetzung bei C. Wilhelm, a.a.O., 22.

[100] Ch. Kleine weist darauf hin, dass nicht nur die drei behandelten Sûtren, sondern u.a. auch das Pratyutpanna-samâdhi-Sûtra einen gewichtigen Einfluss auf die verbale Wiederholung als volksverbundene Tradition ausübte: In einer singulären chinesischen Übersetzung wird der Name Amidas als dezidiertes Andachtsobjekt empfohlen und seine unablässige Repetition empfohlen, um ins Reine Land zu gelangen – s. hierzu Ch. Kleine, Hônens Buddhismus, 239f.; D.W. Chappell, Ching-T´u, in EncRel(E), Vol. 3, 329. In weiterer Ergänzung zum hier vorgestellten kanonischen Schrifttum wird in der Forschung teilweise der Ansatz vertreten, das Buddhabhûmisûtra sei ein essentieller früher Text der Reinen Land Tradition Indiens und der eigentliche Ursprung der trikâya -Lehre (s. 2.1.1.1) – s. zur Diskussion darüber J.P. Keenan, a.a.O., 29-35.

[101] S. C. Wilhelm, a.a.O., 22f.

[102] Eine detailliertere Reflexion anderer Denker des Reinen Land Buddhismus bietet H. Inagaki, Pure Land Sutras, 58-199 (H. Inagaki vertritt allerdings einen mitunter etwas orthodoxen Standpunkt, sodass historisch-kritische Fragestellungen zu Personen und Werken wenig Raum in seiner Darstellung einnehmen. Als komprimierter Überblick sind seine Ausführungen dennoch wertvoll.).

[103] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 24f.

[104] Shinran hat zu Ehren der 7 Patriarchen 119 Hymnen (jap. Kôsô wasan) verfasst und somit deren besonderen Stellenwert herausgestrichen – s. dazu C. Wilhelm, a.a.O., 83f.

[105] Natürlich entbehrt eine solche Vorstellung – gerade hinsichtlich des langsamen Reifens des Mahâyâna über einen langen Zeitraum – der Legitimität.

[106] So meint etwa F.J. Streng: „These sources [div. historische Biographien – Anm.] present often conflicting accounts of his life. Many contemporary scholars affirm that this variety of assertions indicates that there are at least two, and perhaps several, Nâgârjunas whose careers formed the basis for the Nâgârjuna legend.“F.J. Streng, Nâgârjuna, in: EncRel(E), Vol. 10, 291.

[107] Die Urheberschaft dieses Werkes – skt. Daśabhûmikavibhâsa-Śâstra - ist umstritten. Es liegt lediglich in einer chinesischen Fassung vor – s. F.J. Streng, a.a.O., 292 u. Ch. Steineck, a.a.O., 18.

[108] Vgl. zu dieser Meinung C. Wilhelm, a.a.O., 27. Gegenteiliger Meinung sind: H. Inagaki hingegen vertritt die Ansicht, der Text vermittle eine Bevorzugung des Leichten Pfades (vgl. H. Inagaki, Stage of Non-Retrogression, 24 u. ders., Pure Land Sutras, 63ff.), ebenso Ch. Langer-Kaneko, Das Reine Land. Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum, Beihefte der Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, in Verb. mit F.W. Katzenbach u.a., XXIX, Leiden 1986, 9; auch R. Fujiwara, The Way to Nirvana. The Concept of the Nembutsu in Shan-tao´s Pure Land Buddhism, Tokyo 1974, 30f. Nach näherer Prüfung des Nâgârjuna zugeschriebenen Textes (Kap. 9 des Kommentars) möchte ich mich hingegen der Meinung C. Wilhelms anschließen, bietet der Text (in der Übersetzung durch H. Inagaki) keinen stichhaltigen Beweis dafür, dass der Autor gerade die Verehrung Amidas als den einzigen oder wichtigsten Weg vor Augen stellen wollte, zumal er 107 Buddhas auflistet, deren Verehrung anempfohlen wird – s. Nâgârjuna, Path of Easy Practice. The Ninth Chapter of the Discourse on the Ten Stages by Nâgârjuna, transl. from Chinese by. H. Inagaki, in: www.ne.jp/asahi/pureland-buddhism/amida-net/igyohon.htm, 24.09.2002 – in dieser Diskrepanz wird der „Konflikt“ bezüglich der Interpretation und der zweckdienlichen Hermeneutik zwischen der Shin-Theologie (bzw. der ihr teilweise folgenden Autoren) und der allgemeinen Forschung noch einmal deutlich.

[109] Auch zu seiner Person wird mitunter die These vertreten, es handle sich um mehrere Persönlichkeiten, welche erst durch den Prozess der Tradierung zu einer historischen „Figur“ verschmolzen worden seinen – vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 28.

[110] Die Tradition schreibt ihm 1000 Werke zu, deren aber bloß 47 teils in Sanskrit, teils in Chinesisch oder Tibetisch erhalten sind – vgl. G. Nagao, Vasubandhu, in: EncRel(E), Vol. 15, 192.

[111] Skt. Sukhâvatîvyûhopadeśa - vgl. a.a.O., 193.

[112] S. C. Wilhelm, a.a.O., 30: Die Autorin verweist darauf, dass Vasubandhus Ausführungen sich eigentlich nur an Bodhisattvas – jene auf dem Erleuchtungsweg weit fortgeschrittenen Wesen, die ihrerseits Teil der religiösen Verehrung waren – richtet. Die Erstreckung der Orthopraxis auf alle Menschen sei erst in China erfolgt. M.E. scheint dem Amida-Buddhismus jene Ausweitung des Heilshorizonts auf prinzipiell alle (oder je nach Sûtra auch nur fast alle) Menschen aber geradezu implizit zu sein. So differenziert bereits das Größere Sûtra die „Habitanten“ des Buddha-Landes in Menschen, Wesen der göttlichen Sphären und Bodhisattvas, woraus mir eine kollektivierende Erweiterung der Heilsmöglichkeit als in sich folgerichtig und konsequent erscheint.

[113] Vgl. J.P. Keenan, a.a.O., 29.

[114] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 29 u. R.K. Payne, The Five Contemplative Gates of Vasubandhu´s Rebirth Treatise as Ritualized Visualization Practice, Beitr. in: The Pure Land Tradition: History and Development, 243ff.

[115] Es ist überliefert, dass Hui-yüan 402 die erste bekannte organisierte Form der Amida-Verehrung gründete: die „Gesellschaft des Weißen Lotus“ – vgl. Ch. Kleine, Hônens Buddhismus, 239 [-in Anm. 78].

[116] Einen Überblick über die pluriformere Entwicklung der Amida-Theologie innerhalb der diversen chinesischen Lehrsysteme bietet z.B. S. Mochizuki, Pure Land Buddhism in China: A Doctrinal History, transl. by L.M. Pruden, in: The Pacific World, Third Series, Number 1/1999, 91-103.

[117] Chin. Ching-t´u lun chu, oder auch Wang sheng lun chu, jap. Jôdo-ron-chû.

[118] Beide Werke gelten gemeinhin als authentisch – vgl. R.J. Corless, T´an-Luan, in: EncRel(E), Vol. 14, 270.

[119] Vgl. K.K. Tanaka, a.a.O., 40 u. C. Wilhelm, a.a.O., 31.

[120] S. dazu P. Schmidt-Leukel, , śûnyatâ, in: Das Lexikon des Buddhismus. Bd. 2, 441ff.

[121] Samsâra umschreibt den Prozess der Verhaftung im Kreislauf der Wiedergeburt. Insofern dieser Vorgang durch den „Hunger“ nach Formhaftigkeit und Sein verursacht ist, welche ihrerseits der Bedingung des Leides unterworfen sind, wird der Einzelne davon abgehalten, die Leerheit der Welt zu realisieren. Insofern also Samsâra der „Motor“ der Formhaftigkeit ist, wird es im Mahâyâna mit der phänomenalen Welt generell identifiziert. S. dazu auch H. Inagaki, Pure Land Sutras, 85f.

[122] Vgl. V. Zotz, Geschichte der buddhistischen Philosophie, Reinbeck 1996, 193 (s. auch 2.1.1.1).

[123] Vgl. die Kategorien von Leichtem/Schwierigen Pfad bei Nâgârjuna.

[124] Vgl. D.W. Chappell, Tao-Ch´o, in: EncRel(E), Vol. 14, 286 u. C. Wilhelm, a.a.O., 32.

[125] Vgl. R.J. Corless, T´an-Luan, in: EncRel(E), Vol. 14, 271.

[126] S. dazu R.J. Corless, T´an-Luan: The first Systematizer of Pure Land Buddhism, Beitr. in: The Pure Land Tradition: History and Development, 124.

[127] Er erachtete dieses Datum als das eintausendfünfhundertste Jahr nach Buddhas Tod.

[128] Vgl. D.W. Chappell, Tao-Ch´o, 287.

[129] Die Tradition verdichtet dies gern auf die Formel: Form ist Leere und Leere ist Form, die an prominenter Stelle – im sog. Herz-Sûtra (skt. Prajnâpâramitâ-Hridaya-Sûtra) – vertreten wird.

[130] Vgl. D.W. Chappell, Tao-Ch´o, 287.

[131] S. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 93.

[132] Diese spezifische Geschichtsauffassung des chinesischen Mahâyâna (vgl. dazu 3.2.3) spricht von einer progressiven Dekadenz der phänomenalen Welt, konvergierend mit dem Verfall der buddhistischen Lehre, innerhalb von drei (oder mehr) Zeitaltern. Mappô gilt in dieser Sicht als das Zeitalter des generellen Verfalls der Lehre - folglich sei dem hohen spirituellen Anspruch des Buddhismus nicht mehr gerecht zu werden – vgl. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 10 u. C. Wilhelm, a.a.O., 34f.; s. auch M.L. Blum, a.a.O., 77-87. Ein Movens für diese seine pessimistische Bewertung der Epoche und des Lebens in ihr dürften Seuchen, kriegerische Auseinandersetzungen, Hungerkatastrophen und Buddhistenverfolgungen gewesen sein. Vor diesem Hintergrund könnte der Pessimismus bei gleichzeitiger Ausrichtung auf das von anderswo erwartete Heil verständlich werden - s. dazu D.W. Chappell, The Formation of the Pure Land Movement in China: Tao-Ch´o and Shan-Tao, Beitr. in: The Pure Land Tradition: History and Development, 146ff.

[133] Dieses Postulat hinterfragt das gängige Vor-Urteil des Buddhismus als gänzlich irenische Religion, hat doch gerade dieser Exklusiv-Anspruch viel Konfliktpotential (v.a. in Japan) entfaltet.

[134] D.W. Chappell, Formation of Pure Land Movement, 146: Dennoch sind Ansätze der Reine Land Theologie (trotz manch gegenteiliger Bestrebungen im Verlauf der Geschichte) bis heute ein Bestandteil der beiden großen Traditionen des chinesischen/japanischen Buddhismus geblieben (chin. Ch´an u. T´ien-t´ai / jap. Zen u. Tendai), s. D.W. Chappell, Ching-T´u, in: EncRel(E), Vol. 3, 333.

[135] S. dazu D.W. Chappell, Formation of Pure Land Movement, 154f.

[136] Vgl. R. Fujiwara, Way to Nirvana, 103ff. C. Wilhelm weist darauf hin, dass die Auffassung, Shan-tao habe ein deutliche Bevorzugung des rezitativen nembutsu vertreten – wie gerne im Gefolge des Shin behauptet werde – eine bedenkliche Vereinfachung seiner Lehre darstellt – vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 37.

[137] Vgl. R. Fujiwara, Shan-Tao, EncRel(E), Vol. 13, 225 u. ders., Way to Nirvana, 56f.

[138] Vgl. Ch. Steineck, a.a.O., 21f.

[139] Vgl. A. Shigematsu, An Overview of Early Japanese Pure Land, Beitr. in: The Pure Land Tradition: History and Development, 290ff. Der Autor gibt in diesem Artikel - neben der Berücksichtigung Genshins - einen Überblick über die Vielgestaltigkeit der frühen japanischen Amida-Theologie.

[140] R. Fujiwara, Way to Nirvana, 41 weist im Gegenteil darauf hin, dass Genshin das meditative nembutsu als deutlich höherwertigere Praxis erachtete.

[141] S. C. Wilhelm, a.a.O., 41.

[142] Vgl. A.A. Andrews, Hônen, in: EncRel(E), Vol. 6, 453.

[143] S. dazu C. Wilhelm, a.a.O., 47f.

[144] Vgl. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 43.

[145] Vgl. Hônen Shônin, Senchakushû (Hônen´s Senchakushû). Passages on the Selection of the Nembutsu in the Original Vow, (transl. and edit. with an introduction by Senchakushû English Translation Project), Honolulu u.a. 1998, 37.

[146] Vgl. Senchakushû, Kap. 6, a.a.O., 95.

[147] Vgl. J. Fujiyoshi, Jôdoshû, in: EncRel(E), Vol. 8, 105 u. M.L. Blum, a.a.O., (Glossar: „nenbutsu [ sic! ] samâdhi“), 447.

[148] Vgl. Senchchakushû, Kap. 3., a.a.O, 77f. Vgl. auch C. Wilhelm, a.a.O., 50f. Hônen sprengt damit in „reformatorischer“ Attitüde den Rahmen des bisher Gültigen, indem er den Amida-Glauben aus dem bislang monastisch fokussierten Kontext herauslöst. Dennoch bleibt anzumerken, dass die auf Hônen sich gründende Schule bis heute den monastischen Lebensstil pflegt.

[149] Vgl. Senchakushû, a.a.O., (Glossar: „Other Power“), 193. Den gleichen Standpunkt macht Ch. Steineck, a.a.O., 52 in seiner Übersetzung von Hônens Sanbukyôtaii („Der Wesentliche Sinn der drei grundlegenden Sûtren“) deutlich: „ Es wird wohl deutlich, daß man die Erlösung aus eigener Kraft anstrebt, aber sich von der Anderen Kraft tragen lässt.“

[150] Ch. Steineck, a.a.O., [Übers.: Ichimaikishômon], [39].

[151] A.A. Andrews, Hônen, in: EncRel(E), Vol. 6, 454.

[152] Eine nähere Auseinandersetzung mit der Petition bietet Ch. Kleine, Hônens Buddhismus, 209-256.

[153] So wird ihm etwa vorgeworfen, er habe eine eigene Schule begründet, ohne vorher die Genehmigung und Anerkennung durch den Kaiser einzuholen.

[154] Dieser Konflikt, in dessen Verlauf auch zwei Schüler Hônens hingerichtet wurden, relativieren einmal mehr das Vor-Urteil von der friedensdurchwogten „ostasiatischen Frömmigkeit“. Selbst nach dem Tode schien Hônen der Friede versagt zu sein: So stürmten 1227 militante Priester des Tendai sein Grab und zerstörten es, wie J.C. Dobbins, a.a.O., 20 ausführt. Die Verfolgungen seiner Anhänger sollten auch nach seinem Tod anhalten.

[155] S. J.C. Dobbins, a.a.O., 19f.

[156] Shinran wird vom Shin gemeinhin als Gründer erachtet. Obschon dies nicht wirklich falsch ist, ist dennoch anzumerken, dass er persönlich keine eigene Schule gründen wollte. Der traditionsverbundenen Auffassung bleibt hinzuzufügen, dass die endgültige Verdichtung des Shin zu einer in der Lehre wiewohl der Organisationsstruktur autonomen Tradition erst Jahrzehnte später durch Rennyo Shônin vollendet wurde, der die vormals noch zum Tendai bestehenden Verbindungen endgültig durchtrennte und die Homogenisierung des Shin vorantrieb (wiewohl eine „Ekklesiologie“ der Schule konstituierte), - wie etwa dargestellt wird von P.O. Ingram, The teachings of Rennyo Shônin, in: NUMEN. International Review for the History of Religions, Vol. XXIII, Fasc. 1, 3ff. Die Neuerungen und Akzentuierungen in der Lehre zwischen Shinran und Rennyo können hier nicht thematisiert werden. Es soll der Hinweis genügen, dass der Shin nach Shinrans Tod keineswegs eine völlig homogene Tradition darstellte, sondern gegen „Häretiker“ vorgegangen wurde - (s. zur weiteren Bedeutung Rennyos: M. Salomon, Honganji under Rennyo: The Development of Shinshû in Medieval Japan, Beitr. in: The Pure Land Tradition: History and Development, 399-428 u. J.C. Dobbins, a.a.O., [132]-156. Der Shin nimmt erst später die bis heute währende Gestalt an. Auch die Theologie Rennyos sollte die Schule prägen. Dessen ungeachtet wird man Shinran aber als den, in seiner Wirkung herausragenden Begründer, der für den Shin-Buddhismus charakteristischen Theologie, bezeichnen dürfen. Gerade im kontemporären Shin (zumindest auf einschlägigen Seiten des Internet) scheint der Ruf ad fontes – zurück zur Theologie Shinrans! im vollen Gange zu sein.

[157] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., [60]f.

[158] Das eigentliche Motiv des Eintritts bleibt im Dunkel. S. zur Diskussion der Mutmaßungen A. Bloom, The Life of Shinran Shonin: The Journey to Self-Acceptance, in: NUMEN, Vol. XV, 3-ff.

[159] Vgl. Ch. Steineck, a.a.O., 32.

[160] Die Tradition berichtet (in mehreren Versionen und zeitlichen Verortungen innerhalb Shinrans Vita – vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 65) in diesem Kontext davon, Shinran sei zuvor nach einer rund dreimonatigen Klausur im Tempel Rokkakudô der Bodhisattva Avalokiteśvara erschienen und habe ihm für den Fall seiner Heirat in Aussicht gestellt, sich als seine zukünftige Frau zu inkarnieren. Des Weiteren entfaltete die Theologie Shinrans etliche Implikationen bezüglich der Frage nach dem Berufsstand, die Wertigkeit des Laienstandes etc., welche in tendenzieller Nähe zu den Auswirkungen des Paradigmenwechsels der Reformation gesehen werden können – s. dazu T. Oguro, Der Rettungsgedanke bei Shinran und Luther. Eine religionswissenschaftliche Untersuchung, Hildesheim u.a. 1985, 103-118.

[161] Vgl. Ch. Steineck, a.a.O., 35. Diese Bezeichnung beanspruchten gleich mehrere „Flügel“ des Amida-Buddhismus für sich.

[162] Shinran hat gern die Orthodoxie seiner eigenen Theologumena betont, indem er sie auf Hônen selbst zurückführte. Er erachtete sich dabei als wahrer Rezipient von Hônens Lehre – vgl. dazu etwa A. Bloom, Life of Shinran, 11f. (Allerdings wird sich zeigen, dass Shinrans Denken in de facto allen wesentlichen Punkten: Amida-Ontologie, shinjin, Sukhâvatî, Soteriologie von dem Hônens meist radikal abweicht – Anm.).

[163] S. nähere Ausführungen zu den Werken und ihrem Inhalt bei C. Wilhelm, a.a.O., 75-88. Eine komplette Bibliographie Shinrans (ausgenommen der Briefe) bieten auch R. Okochi / K. Otte, Tan-ni-sho, Die Gunst des Reinen Landes. Begegnung zwischen Buddhismus und Christentum, Lebendige Bausteine, Bd. 22, Bern 1979, 174.

[164] Die folgende überblickhafte Darstellung der Lehre Shinrans wird sich größtenteils auf die Übersetzungen der mit „*“ gekennzeichneten Werke stützen.

[165] Obzwar Shinran bei diesem Aufbau dem Usus der Zeit folgt, hat er sich dennoch nicht gescheut, zur Harmonisierung seiner Theologie mit den Passagen aus den zitierten Werken, eben diese nach Zweckdienlichkeit grammatikalisch „anzupassen“ – vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 77.

[166] Man wird mit Ch. Steineck allerdings monieren müssen, dass Shinran sich nicht scheute, die Belegstellen an essentiellen Punkten immer wieder so zu verändern, dass sie seinen Darlegungen konvenierten – s. Ch. Steineck, a.a.O., 118 (ein drastisches Beispiel für eine solche „Anpassung“).

[167] Eigentlich ist dieses Werk ursprünglich ein Teil des Kyôgyôshinshô. Es wird aber schon lange im Shin als selbstständiges Werk angesehen – vgl. Ch. Steineck, [67].

[168] Obschon diese Autorschaft nicht eindeutig geklärt ist, stellt J.C. Dobbins fest, dass diese These weitläufig rezipiert wurde – vgl. J.C. Dobbins, a.a.O., 193 [-in Anm. 32].

[169] Innerhalb des Shin entbrannte eine Debatte über die Frage, ob der Glaube an Amida überhaupt noch der zusätzlichen Praxis des nembutsu bedürfe. Das Tannishô vertritt in diesem Punkt fraglos Shinrans Meinung, wenn es beide Aspekte als koinzident erachtet, zumal es argumentiert, das nembutsu sei durch Amidas 18. Gelübde quasi als Orthopraxis eingesetzt und resultiere als die zwingende Konsequenz des 18. Gelübdes. Darüber hinaus wurden in der Fragen der evtl. Verlierbarkeit des Heils oder der „Häufigkeit“ einer Bekehrung zu Amida unterschiedliche Standpunkte vertreten – s. dazu J.C. Dobbins, a.a.O., 70-78.

[170] So meinte etwa noch Rennyô in seinem Nachwort zu diesem Werk, das Tannishô solle nur den fortgeschrittenen/verdienten Gläubigen zur Hand gegeben werden.

[171] S. auch C. Wilhelm, a.a.O., [89].

[172] S. zur historischen Diskussion der beiden großen philosophischen Traditionen (Mâdhyamika und Yogâcâra) P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“, 559-662: Es ging/geht dabei um die Frage nach der Möglichkeit absoluter Erkenntnis innerhalb eines Systems, welches auf dem Paradigma des Relationalen/Relativen gründet, wiewohl darum, ob das, was als Absolute Wirklichkeit philosophisch postuliert wurde, mehr als lediglich argumentative Funktion innerhalb einer negativen Dialektik inne hat, vermittels derer die Relative Wahrheit einer Kritik unterzogen werden soll. Konkret wurde von den Vertretern der Mâdhyamika-Philosophie an der Yogâcâra-Schule moniert, dass sie - gegen die Erkenntnis der Leere allen Seins - vermittels des Axioms, der/das Geist/Bewusstsein sei das einzig absolut Wirkliche, daher jedwede Wahrnehmung der phänomenalen Welt nur idealistisch zu werten, einen kontradiktorischen Impuls der „Substanzmetaphysik“ gesetzt hätten respektive war die Frage evident, welchen Stellenwert (absolut/relativ) das Axiom der „Leere allen Seins“ angesichts seiner eigenen Aussage selbst einnimmt – kann ein Satz von der bloß relationalen Existenz aller Dinge a se Bestand haben?

[173] Das Ich als Konstante einer sich promulgierenden Identität ist dem Mahâyâna (und dem Theravâda) deshalb illusorisch, zumal es selbst nur – im Prozess der Verblendung - in Kohärenz zu etwas zum „Ich“ wird.

[174] Vgl. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., [21].

[175] Die Prämisse des radikal altruistischen Bodhisattva-Ideals.

[176] P. Schmidt-Leukel, a.a.O., 564 [Hervorhebungen vom Autor selbst].

[177] Etwa die Yogâcâra -Schule.

[178] S. zum gerade Ausgeführte auch E. Conze, a.a.O., 363f.; teilweise Ch. Langer-Kaneko, 22f.

[179] Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass der Mahâyâna mehrere philosophische Traditionen hervorgebracht hat, die teils divergierende Akzentuierungen oder Wertungen zu dem Obigen anzubieten haben, die hier zu schildern nicht genügend Platz ist. Das Obige ist ein Versuch zur möglichst kondensierten Umschreibung des m.E. kontextuell Wesentlichen.

[180] Vgl. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 22.

[181] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., [89]ff.

[182] Skt. kleśa: Ursache des Leides, Verderbtheit.

[183] Kyôgyôshinshô [Abk.: KGSS], III,28: The Collected Works of Shinran, transl. by D. Hirota u.a., in: www.shinranworks.com, 16.08.02.

[184] Die mappô-Vorstellung einer sukzessiven Abfolge von Zeitaltern ist dem indischen Mahâyâna fremd, obschon der „endzeitliche“ Gedanke eines Zeitalters der völligen Degeneration der buddhistischen Lehre durchaus Bestandteil diverser indischer Sûtren ist. M.L. Blum weist darauf hin, dass das mappô-Paradigma dennoch nicht unwidersprochen in China und Japan blieb. „The optimistic model rejects the mo-fa [= mappô, Anm.] argument; it may accept that the known world does not work like the idealized world of Indian scripture, but nontheless it asserts the viability of the traditional approach to belife and practice embodied in the monastic lifestyle as genuine and not threatened by any particular historical circumstance.“M.L. Blum, a.a.O., 80.

[185] Vgl. T. Unno, Mappô, in: EncRel(E), Vol. 9, 184.

[186] Vgl. a.a.O., 185.

[187] Vgl. S. Hara, „Mappô“-Gedanke bei Shinran. Ein japanischer buddhistischer Endzeitgedanke, in: Eschatologie. Bibeltheologische und philosophische Studien zum Verhältnis von Erlösungswelt und Wirklichkeitsbewältigung, Festschrift für E. Neunhäusler, hrsg. von R. Kilian u.a., St. Ottilien 1981, 161.

[188] Skt. upâya („Plan“; „Strategie“) – meint im Mahâyâna u.a. die schon mehrfach angesprochene Akkomodation der Mittel zum Heil in Korrelation zur Fähigkeit der Menschen. Auf diese Weise wird verdeutlicht, dass es nicht etwa einen Weg für alle gibt, sondern vielmehr eine große Diversizität von Möglichkeiten, das Nirvâna zu erlangen (besonders prominent wird dieser Ansatz u.a. in KKap. II u. III des Lotos-Sûtra expliziert – s. Anm. 244) – s. dazu M. Pye, Upâya, in: EncRel(E), Vol. 15, 152ff. Der Begriff impliziert aber nicht nur die Relativität einzelner Ansätze, sondern auch deren mitunter kontingenten Charakter: Nicht alle Wege sind allzeit unverrückbar gültig - vgl. Upâya-kauśalya, in: John Bowker (Hrsg.), Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen, für die deutschsprachige Ausg. übers. u. bearb. von K.-H. Golzio, Düsseldorf 1999, 1041. Zumal die Kontingenz der Heilswege in diesem Terminus mitangelegt scheint, geriert sich der Amida-Buddhismus, insofern er sich als exklusiver Weg des Heils definiert, in krassem Bruch mit der Tradition (was z.B. schon Hônen vorgeworfen wurde).

[189] An diesem Beispiel wird die Problematik deutlich, christlich konnotierte Termini auf divergierende Traditionen zu applizieren, schwingt doch hierbei ungefragt der trinitätstheologische Topos der Schöpfungsmittlerschaft auf Seiten theologisch gebildeter Leser mit. Dass die Problematik der Darstellung von Shinrans Theologie eine vornehmlich terminologische ist, stellt auch T. Oguro, a.a.O., 4 fest.

[190] Häufiger Ehren-Titel für einen Buddha.

[191] KGSS VI,2.

[192] Vgl. S. Hara, a.a.O., 182f.

[193] Devadatta (ein buddhistischer „bad boy“, zumal ihm nachgesagt wird, er habe die Spaltung des Ordens verursacht), so wird in diesem Sûtra vom historischen Buddha geschildert, stiftet seinen Freund Prinz Ajâtaśatru an, den eigenen Vater, König Bimbisâra, gefangen zu nehmen und zu töten. Vaidehî, die Gemahlin des Königs, aber versucht dies zu vereiteln und wird dafür ebenfalls von ihrem Sohn der Freiheit beraubt. In der Gefangenschaft wendet sie sich im Gebet an Buddha, der daraufhin erscheint, und ihr auf die Frage, welches frühere Vergehen ihrerseits einen solch missratenen Sohn zur Folge habe, keine Antwort gibt (Kap. 4). Da bittet sie ihn, ihr eine Land ohne Übel zu zeigen. Von all den Ländern, welche ihr Buddha daraufhin vor Augen führt, wählt sie Amidas Land, welches zu visualisieren ihr Buddha lehrt - vgl. H. Inagaki, Pure Land Sutras, [Übers. des Meditations-Sûtra, Kap. 2ff.], 317-320. Bedeutsam erscheint m.E. angesichts der vorliegenden Erzählung v.a., dass Buddha auf die Frage nach dem früheren Vergehen, welches gemäß des Karma einen derartigen Sohn nach sich zöge, (auf Wunsch Vaidehîs) mit der Amida-Botschaft antwortet. Das Gesetz des Karma scheint in diesem Kontext gänzlich hinfällig geworden - angesichts der Botschaft von Amidas Gnade.

[194] Vgl. S. Hara, a.a.O., 182.

[195] S. 2.2.1.1

[196] KGSS, Preface.

[197] Vgl. P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“, 649.

[198] Shinran differenziert in seinen Exegesen der drei Sûtren oftmals zwischen einem zweifachen Schriftsinn: 1. offenkundige Bedeutung, 2. verborgene Bedeutung: Die gegenständliche Wertung der Devadatta-Erzählung ist ein Beispiel für die verborgene Bedeutung.

[199] S. Hara, a.a.O., 188 spricht von einer „Heilsgeschichte“, welcher linearer Charakter zugesprochen werden kann: Sie bewegt sich von der Vergangenheit (Darlegung des Heilswillens Amidas) in die Zukunft (Amida ist ein Wartender: Er wartet, aufgrund des 18. Gelübdes auf das Buddha-Werden aller Menschen, um hernach selbst die Buddhaschaft zu realisieren). Dieser Ansatz, den der Autor als in der Spannung zwischen „Schon“ und „Noch nicht“ seiend beschreibt, ist insofern interessant, zumal in der Tradition meist davon ausgegangen wird, dass Amida schon die Buddhaschaft realisiert hat, um auf diese Weise die Relevanz und Autorität seiner Gelübde sowie die Faktizität seines Landes zu bekräftigen. Andererseits wird diese Spannung zwischen „Schon“ und „Noch-nicht“ wohl nur in einem - unterlegten - völlig linearen Zeitverständnis (etwa der abrahamitischen Religionen) deutlich. Ob dies aber auf eine buddhistische Tradition anwendbar ist, bleibt auch S. Hara fraglich (schließlich spricht auch der Shinran immer wieder vom Kreislauf der Existenzen, woraus ein zyklisches oder auch wellenförmiges Zeitverständnis ersichtlich werden könnte - Anm.). Zur Frage um die Existenz einer „zielgerichteten Zeit“ im Buddhismus stellen M. v. Brück/W. Lai fest, dass sowohl die abrahamitischen Religionen, als auch große Teile des Mahâyâna von einer Hoffnung auf zukünftige Mehrung des Wirkens Gottes/des Dharma geprägt sind (so etwa in der „messianischen“ Gestalt des erwarteten Buddha Maitreya, oder in der soteriologischen Konkretion als Amida-Buddha, dessen Land einst alle Wesen bergen werde). S. dazu M. v. Brück/W. Lai, Buddhismus und Christentum. Geschichte, Konfrontation, Dialog, mit einem Vorw. von H. Küng, München 22000, 326-348. Diese Feststellung der Autoren allerdings kann nur einen Aspekt mahâyânischen Zeit-Begreifens beschreiben (so ist für den Shin als Spross des Mahâyâna die Verschränkung verschiedener zeitlicher Ebenen charakteristisch ist (s. 3.7.4).

[200] Insofern wird man sagen dürfen, Shinran konvergiere vermittels dieser positiven Bewertung mit der These Hônens, der ebenfalls in mappô - entgegen der pessimistischen Lehre - die Zeit des Heils für alle Menschen angebrochen sah.

[201] S. V. Zotz, Geschichte d. buddhist. Philo., 193.

[202] Vgl. zum Folgenden: P. Schmidt-Leukel, Gautama und Amida-Buddha. Das Buddha-Bild bei Shinran Shônin, Beitr. in: Wer ist Buddha? Eine Gestalt und ihre Bedeutung für die Menschheit, Schriftenreihe der Gesellschaft für europäisch-asiatische Kulturbeziehungen (GEAK), München 1998, 133f.

[203] P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“, 547.

[204] S. zum Modell der „doppelten Wahrheit“ bei Nâgârjuna: T. Vetter, Zum Problem der Person in Nâgârjunas Mûla-Madhyamaka-Kârikâs, Beitr. in: Offenbarung als Heilserfahrung im Christentum, Hinduismus und Buddhismus, hrsg. von W. Strolz und S. Ueda, Veröffentlichung der Stiftung Oratio Dominica – Weltgespräche der Religionen – Schriftenreihe zur großen Ökumene, Freiburg i. Brsg. 1982, 167-185, bes. 170f. u. V. Zotz, Geschichte d. buddhist. Philo., 126f.

[205] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 85.

[206] Vgl. zum Folgenden A. Bloom, Shinran, in: EncRel(E), Vol. 13, 279; Ch. Langer-Kaneko, a.a.O. [88]-93 u. R. Okochi/K. Otte, a.a.O., 101f. Zur Fassung der Lehre bei T´an-luan: S. V. Zotz, Geschichte d. buddhist. Philo., 193 u. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 88.

[207] Vgl. T. Oguro, a.a.O., 70.

[208] Vgl. D.T. Suzuki, Wesen und Sinn des Buddhismus. Ur-Erfahrung und Ur-Wissen, Freiburg i. Brsg. u.a. 1993, 77.

[209] Shinran spricht in diesem Zusammenhang in Anlehnung an Shan-tao gern von der „Hervorbringungszeit“ des Buddha – s. Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 80f.

[210] Vgl. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 29.

[211] Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 91 spricht dennoch von Amida als Sambhogakâya, zumal ihn Shinran selbst als „Körper der Freude“ bezeichnet. Obschon dies richtig ist, bleibt dennoch – in Anlehnung an T. Oguro – festzuhalten, dass diesem deshalb noch keine eigenständige Position innerhalb Shinrans Konzeption zukomme, wie dies noch im trikâya der Fall war.

[212] Diese Entwicklung, die P. Schmidt-Leukel als vorläufigen Endpunkt und Höhepunkt in der Entwicklung des Buddha-Bildes beschreibt, impliziert trotz aller hervorzuhebender Eindrücklichkeit und Originarität dennoch einen auffälligen Bruch oder zumindest eine Teil-Absenz der bisherigen Mahâyâna-Lehrtradition. Die Änderung des trikâya wird somit ein weiterer Schritt auf dem Weg zur definitiven Autonomie des Shin-Buddhismus. Wenn sich Shinran dabei immerhin auf T´an-luan beruft, muss m.E. doch konzediert werden, dass er sich mit seinem zweifältigen Amida-Dharmakâya Monismus doch ein Stück jenseits der Intention und des Inhalts der kanonischen Sûtren stellt, zumal diese, wie bereits dargestellt, Amida (trotz aller Partizipation der „drei Leiber“ qua der erlangten Buddhaschaft) im Kontext des Reinen Landes den vornehmlichen Wirkungshorizont eines transzendenten Sambhogakâya zuweisen. Es wird noch zu zeigen sein, dass Shinrans Verzicht auf diese Kategorie hingegen aus seinem zweifältigen Verständnis des Reinen Landes und der Hingeburt resultiert, mithin also in seiner Theologie folgerichtig ist.

[213] Hymns of the Pure Land [Jôdo wasan], Hymn 55, in: www.shinranworks.com.

[214] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 79.

[215] Hatte noch Hônen die absolute Transzendenz Amidas betont, so intendierte Shinran auf diese Weise, sein eigenes Amida-Verständnis (wohl gegen die ursprüngliche Intention seines Lehrers) in den Kontext des mahâyânischen Mainstream zu re-integrieren – vgl. Ch. Kleine, Hônens Buddhismus, 229ff. Darin erweist sich eine große Differenz zwischen den beiden.

[216] Es wird noch einmal deutlich, dass Shinran dem Sambhogakâya keine besondere Eigenständigkeit zugesteht, sondern innerhalb von Hôben-hôshin verbleibt. Auf diese Weise erübrigt sich, wie T. Oguro klar stellt, jegliche weiterführende Komparation zwischen der Amida-Ontologie Shinrans und der christlichen Trinitätslehre – vgl. T. Oguro, a.a.O. 78f. Gleichwohl halten M. v. Brück/W. Lai bei der Erörterung der historischen Relevanz Amidas im Konnex zum historischen Gautama daran fest, dass Amida Sambhogakâya sei. In dieser Hinsicht bemühen sie zur Verdeutlichung den Vergleich zwischen dem historischen Jesus und der darüber hinauswachsenden „Christuswirklichkeit“. Daraus folgern die Autoren, dass Amida zum „Deutehorizont“ des historischen Buddha werde – vgl. M. v. Brück/W: Lai, a.a.O., 344f. Was auch immer von solchen Vergleichen, vermittels derer ein genuin christologischer Topos maßstabgetreu – und etwas präskriptiv - in den buddhistischen Kontext eingebracht wird, zu halten sein soll, so trifft die Wertung der Autoren, Amida sei vornehmlicher Sambhogakâya, wohl nur auf den Reinen Land Buddhismus jenseits des Shin zu, sicher aber nicht auf den Shin selbst zu. Vielleicht steht aber dahinter die Absicht, den trikâya in seiner Ganzheit zu „retten“, um ihn in Beziehung zur Trinitätslehre setzen zu können: Damit wird ein hermeneutisches Problem erster Ordnung geschaffen, wenn, wie etwa von M. v. Brück versucht , „buddhistische und christliche Ganzheitssymbole [Trinität, trikâya, śûnyatâ – Anm.] , auf dem Hintergrund der Diskussion in den modernen Naturwissenschaften, miteinander in Resonanz treten zu lassen.“ Das (erstaunliche) Ergebnis lautet dann wie folgt: „Trikâya entspricht also funktional eher dem, was christlich ‚ökonomische Trinität‘ genannt wird ...“M. v. Brück/W. Lai, a.a.O., 464f. Ähnliche Versuche einer interreligiösen Synthese unternimmt, wer etwa den historischen Jesus mit dem Nirmânakâya, den erhöhten Christus mit dem Sambhogakâya und den Logos mit dem Dharmakâya in Beziehung treten lässt, wie dies H. Küng/H. Bechert, Christentum und Weltreligion. III: Buddhismus, München 11988, 209 schildern. Wie H. Küng anmerkt, ist es wenig dienlich, bloß strukturelle Konvergenzen zwischen zwei geistesgeschichtlichen Konstrukten, welche ihrerseits das Elaborat langwieriger Entwicklung waren, als Grundlage eines inhaltlichen Dialogs zu rezipieren. Wenn also strukturelle Konvergenzen zur Basis interreligiöser Hermeneutik gemacht werden sollen, so bleibt m.E. fraglich, welche Bedeutung den divergenten theologischen Inhalten in ihrem je eigenen intra-religiösen Deutungshorizont im Rahmen eines interreligiösen Dialogs dann noch zukommen kann/soll. Ob - wie etwa M. v. Brück/W. Lai, a.a.O., 637 meinen – diese kontingenten Unterschiede für die „neue Entdeckung des Menschlichen in der gegenwärtigen Zeit der Begegnung“ fruchtbar gemacht werden können, ist offen bzw. bleiben die Autoren m.E. eine Erklärung schuldig, was denn darunter genau zu verstehen sei.

[217] Ch. Langer-Kaneko weist darauf hin, man dürfe in Amida nicht ein personales Gegenüber erkennen. Nur die volkstümliche Tradition sehe in ihm den personifizierten „ganz Anderen“ – s. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 28f. Demgegenüber stellt sich mir allerdings die Frage nach der generellen Notwendigkeit des manifesten Amida: Es ist dies ja wohl die Explikation des Unpersönlichen in einer dem Menschen gegenüber tretenden, namhaft gewordenen Gestalt. Sicherlich ist ihre Überlegung insofern richtig, als im Sinne der „Unbedingten Wahrheit“ alles (auch die buddhistische Philosophie) „leer“ ist, also auch Amida selbst rein personales Sein transzendiert (genau dafür steht der Hosshô-hôshin). Dem Hôben-hôshin hingegen die implizite Gestalthaftigkeit eines Gegenüber völlig abzusprechen, würde zu weit gehen (s. etwa auch: V. Zotz, Geschichte d. buddhist. Philo., 138) und erschiene mir als Leugnung der eigentlichen Intention innerhalb der Konzeption Shinrans. T. Oguro, a.a.O., 61 schlägt zur Verdeutlichung vor (um sie auch von der geschichtlichen Inkarnation Gottes in Christus zu unterscheiden), Amida in der Weise der „Engelgestaltlichkeit“ im AT zu betrachten. Auf diese Weise ist vielleicht ein „transistierendes“, „greifbares“ Sein Amidas jenseits der empirisch-personalen Dimension des Seins zu konzedieren. Amida hingegen ausschließlich als Mythos mit existentialer Bedeutung zu erachten, wie dies etwa G. Widengren, Religionsphänomenologie, Berlin 1969, 207 tut, ist ein klarer Deutungsversuch des 20. Jh. - der „orthodoxe Standpunkt“, dem es bei einer Analyse der theologischen Inhalte zunächst gerecht zu werden gilt, wird in Amida m.E. die „historisch verortete Gestalt“ des Dharmâkara erkennen – s. zur generellen Frage der Entmythologisierung (des Beginns) des Mahâyâna M. v. Brück/W. Lai, a.a.O., 306-311.

[218] Vgl. T. Oguro, a.a.O., 73

[219] Vgl. a.a.O., 72.

[220] Skt. Buddhatâ: Bezeichnet im Mahâyâna jene, allen lebendigen Wesen (manche Schulen postulieren: auch allen unbelebten Dingen) immer schon immanente Partizipation/Identität am/mit Dharmakâya/Absoluten. Sie umschreibt das eigentliche, undifferenzierte Wesen allen Seins. Vermittels der Erleuchtung wird diese latente Buddha-Natur realisiert. Dieser Ansatz konstituiert einen radikalen Monismus insofern, als alle Wesen und Erscheinungsformen qua ihrer Identität mit dem Dharmakâya einander wechselseitig durchdringen respektive an einander Teil haben und letztlich dem Einem entspringen bzw. Eines sind (v.a. die chin. Hua-Yen Schule vertritt den Ansatz der völligen Durchdringung – s. dazu V. Zotz, Geschichte d. buddh. Philo., 187-190) – s. dazu weiters auch P. Schmidt-Leukel, Buddhanatur, in: Lexikon des Buddhismus, Bd. 1, 95 u. J. Bowker (Hrsg.), Oxford Lexikon der Weltreligionen, Buddhatâ, 168. Für den Shin bedeutet dieser Monismus die letztliche Identität des Gläubigen mit Amida selbst.

[221] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 85.

[222] Dem Theologen liegt jetzt vielleicht der Terminus „Offenbarung“ auf der Zunge.

[223] Gemeint ist hier der historische Buddha.

[224] Ch. Steineck definiert dies als Umschreibung einer allgemein sich verschlechternden äußeren Welt: Katastrophen, Hunger u.a., wie auch generelle Deterioration der moralisch-ethischen, wiewohl generell mentalen Fähigkeiten der Menschheit. In diesem Sinne sind sie Symptom von mappô – vgl. Ch. Steineck, a.a.O., [-in Anm. 10], 68.

[225] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 68f.

[226] Jôdo wasan, Hymn 88.

[227] (19) If, when I attain Buddhahood, sentient beings in the lands of ten directions, who awaken aspiration for Enlightenment, do various meritorious deeds and sincerely desire to be born in my land, should not, at their death, see me appear before them surrounded by multitude of sages, may I not attain perfect Enlightenment.

[228] Vgl. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 34f.

[229] S. Anm. 244.

[230] Jôdo wasan, Hymn 72.

[231] Jôdo wasan, Hymn 71.

[232] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 95f.

[233] Vgl. a.a.O., 98.

[234] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 76f.

[235] Für Protestanten hätte Shinran [mit einem Augenzwinkern] vielleicht ein „sola“ geschrieben.

[236] Auf der Ebene der buddhistischen Philosophie ist sicher M. v. Brück/W. Lai recht zu geben, wenn sie ausgehend vom Postulat des Nicht-Dualismus die Differenzierung zwischen jiriki/tariki als bloß auf der relativen Ebene gültig erachten – vgl. M. v. Brück/W. Lai, a.a.O., 342. Aus der Theologie Shinrans heraus müsste aber wohl darauf geantwortet werden, dass das Heil des Menschen aber gerade auf der mappô-Ebene namhaft wird, mithin die Unterscheidung hier und jetzt essentiell ist. Erst im Akt der Erlösung, in der „Ent-Werdung“ des relationalen - sich aber statisch promulgierenden - Ego, wird der Dualismus überwunden. Vorher ist er konstitutiv.

[237] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 98.

[238] Diese Entwicklung ist m.E. die klare Konsequenz der sich steigernden „systematischen Karriere“ Amidas vom zuvor transzendenten Buddha hin zur Chiffre für die Buddhaheit und das Absolute schlechthin bei Shinran. Vermittels eines solchen Postulats musste der Shin letztlich das Gefüge des theologischen Nebeneinanders buddhistischer Frömmigkeitsstile in Japan für sich aus den Angeln heben. Damit wurde die Theologie Shinrans zu einer Reformkraft im größeren Gefüge des Kamakura-Buddhismus, welcher von ähnlich exklusivistisch theologisierenden Persönlichkeiten (etwa Nichiren) geprägt und teilweise umgestaltet wurde, indem deren gemeinsames Proprium die Selektion einzelner Sûtren oder „Methoden“ aus dem Gesamt des Buddhismus - bei gleichzeitiger Fokussierung auf eben nur mehr diese - war.

[239] KGSS I,2.

[240] (18) If, when I attain Buddhahood, sentient beings [240] in the lands of ten directions [240] who sincerely and joyfully entrust themselves to me, desire to be born in my land, and call my Name [240] even ten times, should not be born in there, may I not attain perfect Enlightenment. Excluded, however, are those who commit the five gravest offences and abuse the right Dharma.

[241] Der Begriff leitet sich von skt. pûrva-pranidhâna ab, was in etwa „vor aller Zeit versprechen, flehen“ übertragen werden kann. Ch. Langer-Kaneko schlägt vor, das Gelübde etwa besser mit „Ur-Gelöbnis“ zu übersetzen, als mit dem sich durchgesetzt habenden Terminus „Ursprüngliches Gelübde/Gelöbnis“ – s. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 29f. Im weiteren Verlauf des Textes wird nur mehr der Begriff hongan Verwendung finden.

[242] Auch wenn diese Wertung natürlich zu weit greift, ist es doch bemerkenswert, dass Shinran den ganzen Buddhismus unter das Signum einer Gnadenreligion stellt.

[243] S. 2.2.1.1 zur Frage, ob 18. und 19. Gelübde ursprünglich eine Einheit bildeten.

[244] KGSS II,84. Der Terminus das „Eine Fahrzeug“ (jap. ekayâna; s. auch Anm. 229 zu Jôdo wasan, Hymn 72) wird v.a. in KKap. II u. III des Lotos(Lotus)-Sûtra (welchem im Amida-Buddhismus keine evidente Bedeutung zukommt – dennoch rezipiert Shinran den Terminus) verwendet, um die Relativität (upâya/hôben) der drei buddhistischen Fahrzeuge gegenüber dem Weg (~Fahrzeug) der vollkommenen Erkenntnis zu beschreiben – vgl. P. Schmidt-Leukel, Lotus-Sûtra, in: Das Lexikon des Buddhismus, Bd. 1, 272 u. M. v. Borsig (Übers.), Lotos-Sûtra. Sûtra der Lotosblume des wunderbaren Gesetzes, nach dem chinesischen Text von Kumârajîva übersetzt und eingeleitet von M. v. Borsig, Gerlingen 1992, 57-83.

[245] Vgl. P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“, 607.

[246] KGSS II,81.

[247] T. Oguro, a.a.O., 18. Der Autor weist weiters darauf hin, dass diese Erkenntnis Shinrans jedoch erst in Auseinandersetzung mit dem 19. Gelübde (Heil durch Verdienste) gewonnen wurde. Nachdem er diesen Weg als unmöglich erachtete, wandte er sich dem 20 Gelübde zu, dessen Skopus ein synergetischer war, um schließlich zum 18. Gelübde zu gelangen (Vergleiche zwischen Shinran auf dem Hiei und Luthers Zeit in Kloster zu Erfurt drängen sich auf – s. T. Oguro, a.a.O., 22-30 u. C. Wilhelm, a.a.O., 125-130). Die in den Gelübden enthalten Widersprüche sind für Shinran aber nicht etwa final i.S. ihrer Unauflöslichkeit, sondern dienen allein dem Zweck, dem Menschen vermittels seines Scheiterns die Unmöglichkeit zur Rettung mit jiriki zu veranschaulichen - s. T. Oguro, a.a.O., 19-22. u. C. Wilhelm, a.a.O., 125-130.

[248] In Erinnerung an das zu Hônen Referierte ist zu sagen, dass auch dieser das 18. Gelübde als wichtig erachtete, es aber mit dem 20. Gelübde (u.a. Transfer der guten Werke für die eigene Hingeburt) verband. Er meinte, ein einziges, wahrhaft gläubig gesprochenes Namu Amida Butsu trage als „gute Tat“ den Verdienst zur Hingeburt in sich. Die Zahl der Rezitationen vermehre somit auch die Verdienste – s. Hônen Shônin, a.a.O., 90f., Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 35 u. T. Oguro, a.a.O. 31. Der Bruch an dieser entscheidenden Stelle mit der Theologie seines Lehrers wird evident: So blieb es Shinrans „Leistung“, die darin ausgesprochene absolute Bedingungslosigkeit der Gnade Amidas zu erkennen.

[249] Das Land der Belohnung ist sozusagen das „Herz“ des Reinen Landes, in welches nur die geboren werden können, die völlig von ihrer jiriki -affizierten Selbstbezogenheit ablassen. Diese Form ist die höchste Stufe der Hingeburt (s. 2.2.1: Das Größer Sûtra lehrt eine Hierarchie der Hingeburtsqualitäten).

[250] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 85f.

[251] A.a.O., [Übers.: Tannishô I], 165. (Der hier bereits formulierte Neuansatz bezüglich des Grundes des Glaubens wird weiter unten dargestellt werden.)

[252] A.a.O., [Übers.: Tannishô XIV],177f.

[253] Der an sich unscharfe Terminus Dharma/dharma besitzt in diesem Kontext wohl die Konnotation der Lehre Amidas, oder des „kosmischen Gesetzes“, welches mit tariki identifiziert werden kann. Im Konzept des exklusiven tariki liegt für Shinran der Kern des ganzen Buddhismus – vgl. T. Oguro, a.a.O. 46.

[254] M. v. Brück/W. Lai, a.a.O., 343.

[255] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 103.

[256] KGSS III, 121.

[257] Es wird noch zu zeigen sein, dass Shinran dennoch eine Differenzierung des Faktums wiewohl der Qualität der Hingeburt ins Reine Land als Rest der Konsequenz des eigenen Tuns lehrt, somit bei ihm keine völlige soteriologische Nivellierung konzediert werden kann.

[258] T. Oguro, a.a.O., 61 (s. zur Frage nach einer „impliziten“ Prädestination Anm. 289).

[259] Ch. Steineck, a.a.O., [Übers.: Tannishô III], 166f.

[260] Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass dieser Standpunkt Shinrans als klares Produkt seiner Lehre von der definitiven Wertlosigkeit der guten Tat und der Destruktion der karmischen Verdienstlichkeit schon zu seinen Lebzeiten eine Debatte über den Wert jeglicher Ethik nach sich zog (eine Parallele etwa zum reformationszeitlichen Antinomistenstreit, der sich sicher zum Teil aus den vergleichbaren Komponenten der Ansätze Shinrans/der Reformatoren begründen lässt. Im Übrigen war Antinomismus schon Hônen vorgeworfen worden – s. Ch. Kleine, Hônens Buddhismus, 333.). Wie Ch. Langer-Kaneko anführt, wurde der Vorwurf der Destruktion des Wertsystems schon gegen Hônen erhoben – vgl . Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 53. Shinran hatte mit seiner Auffassung, das hongan sei gerade für die schlechten Menschen geschaffen, die wohl größten Schwierigkeiten die Aufrechterhaltung ethischer Grundnormen im gesellschaftlichen Interagieren zu rechtfertigen. Manche schienen in Rezeption seines Ansatzes einer reversen Logik zu erliegen, insofern sie den Regelverstoß geradezu als geboten praktizierten, um sich als bevorzugte Subjekte für Amidas Gnade zu gerieren respektive den Glauben zu evozieren, wie etwa J.C. Dobbins ausführt. Shinran antwortete darauf, dass diejenigen, welche durch das Verüben schlechter Taten sich als Amidas Gläubige zu promulgieren trachteten, ihre tiefe Affektion mit mappô nicht realisiert hätten - folglich auch keinen wahren und heilsbegründenden Zugang zu Amidas Gelübde besäßen – s. dazu J.C. Dobbins, a.a.O., 53-56. C. Wilhelm, a.a.O., 122ff. weist treffend auf den Grund des Problems hin: Das Postulat von tariki war das Ergebnis eines langen Ringens Shinrans mit dem religiösen Paradigma seiner Zeit. Er lebte zuvor ein entbehrungsreiches, zweifelbehaftetes Leben im Kloster, ehe er die ihn befreiende Entdeckung der Heteronomie der Wirkung des hongan machte. Aus dem Kontext seiner religiösen Sozialisation ist das Denken jener reversen Logik unvorstellbar – erlöste ihn doch seine Erkenntnis aus der vergeblichen Suche nach der Eigenbegründung und Vergewisserung des Heils. Die Erkenntnis der existentiellen mappô ist so zentral wie auch die befreiende Einsicht, durch sie nicht mehr gefesselt zu sein, dass es Shinran wohl undenkbar scheint, sie zur eigenen Heilsvergewisserung zu instrumentalisieren (nebenbei bemerkt, wäre dies ein Akt von jiriki !) Einen Spruch Shinrans überliefert das Tannishô III: „Man sollte sich nicht an einem Gift erfreuen, nur weil es ein Heilmittel dafür gibt.“). S. zur Frage nach einem eventuellen Determinismus in Shinrans Anthropologie P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“, 642-647.

[261] Vgl. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 50.

[262] Ch. Steineck, a.a.O., [Übers.: Tannishô XII], 172.

[263] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 105.

[264] T´an-luan fasste den Glauben als Zufluchtnahme zu Amida, verbalisiert im unentwegten nembutsu. Shan-tao postulierte die Notwendigkeit der Rezitation mit aufrichtigem Herzen, tiefem Glauben und dem Wunsch zur Hingeburt (abgeleitet aus dem 18. Gelübde). All dies sind die Determinanten der alten Tradition – vgl. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O. 51.

[265] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], [75].

[266] A.a.O. [Übers.: Tannishô I], 165.

[267] KGSS III, Preface: The True Shinjin of the Pure Land Way.

[268] Shinran hätte dem widersprochen, und seine „Entdeckung“ als mit dem wahren Buddhismus akkordiert bezeichnet.

[269] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 125.

[270] Auch wenn in einer Passagen wie „Alle gewöhnlichen Menschen, ob gut oder böse, die Amidas Gelöbnis hören und auf es vertrauen nennt Buddha Menschen von umfassendem Verständnis...“ (Ch. Steineck, a.a.O., [Übers.: Shôshin nembutsu ge], 69) sich Anklänge finden, welche eher für einen Rest der eigenen Anstrengung zu zeugen scheinen, lässt sich dafür in Shinrans Systematik expressis verbis keinerlei Anhaltspunkt finden. Glaube ist immer Geschenk. Allerdings gerät er mit seinem Standpunkt der völligen Heteronomie der Heilszueignung bezüglich der religiösen Praxis des Einzelnen in einen unauflöslichen Konflikt, zumal die pastoralen Fragen nach der Qualität und Quantität der persönlichen Heilsaneignung (Bekehrung) und des sich anschließenden Lebensvollzugs in neuer Vehemenz evident werden. Dass schon die Zeitgenossen, respektive Shinrans Anhänger, nach seinem Tod darüber in Konflikt gerieten, dafür zeugt die Abfassung des Tannishô. Man wird H. Dumoulin (SJ) nicht sofort „jesuitische Theologie“ und katholischen „Ruf nach Synergismus“ unterstellen dürfen, wenn er m.E. richtig einen impliziten Widerspruch ortet zwischen der radikalen tariki-Haltung einerseits und Shinrans beständigen Ermahnungen zum Glauben andererseits – vgl. H. Dumoulin, a.a.O., 49f. (s. zur Problematik unten 3.6.1 u. Anm. 289 u. 292).

[271] Vgl. T. Oguro, a.a.O., 33f.: Shinran rezipiert diese Zweiteilung ursprünglich von Shan-tao, revidiert sie jedoch bezüglich seines tariki-Postulats.

[272] Vgl. a.a.O., 41.

[273] S. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 195f.: Shinran erachtet die Praxis des nembutsu als Grund gelegt im 17. Gelübde des Größeren Sûtra: „If, when I attain Buddhahood, innumerable Buddhas in the lands of ten directions should not all praise and glorify my Name, may I not attain perfect Enlightenment.“ [Übers. d. Gelöbnisses: a.a.O. 243].

[274] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 76.

[275] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 115.

[276] Allerdings räumt Shinran ein, dass die späteren dankbaren Wiederholungen des nembutsu auch von Zweifel angefochten werden können. Dies ist ihm allerdings kein Grund zum Zweifel am geschenkten Glauben, zumal das einmal geschenkte shinjin unverlierbar ist. Jegliches spätere Zaudern auf diesem Weg sei nichts anderes als der Einfluss der Begierden, wiewohl der Beweis dafür, wie nötig der Mensch der Gnade Amidas bedürfe - ja sogar: das freudige Tanzen und Springen würde den Eindruck erwecken, der Mensch könne frei von Begierden sein (womit wieder jiriki im Spiel wäre) – s. Tannishô IX.

[277] Man mag darin eine Analogie zu „ Schon und Noch-Nicht “ sehen. S. auch Tannishô VII: Dort stellt Shinran fest, obschon die Sünde übermächtig sei, fühle sich der Glaubende doch durch sie qua des Glaubens nicht überwältigt.

[278] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 114.

[279] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 92.

[280] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 79; (s. auch 2.1.3.1).

[281] A.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 83.

[282] Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 47.

[283] Gleicher Meinung ist C. Wilhelm, a.a.O., 131.

[284] D.T. Suzuki erkennt in diesem Vorgang eine Parallele zur „Geburt Christi in der Seele“ (er rekurriert hier scheinbar auf die deutsche Mystik) – s. D.T. Suzuki, Der Buddha der Liebe. Herzensgüte im Zen-Buddhismus und christlicher Glaube, mit e. Einf. von M. v. Brück, Freiburg i. Brsg. u.a. 1997, 52-56. So überzeugend derartige Vergleich auch klingen mögen, sosehr verwischen sie doch m.E. die eminente Problematik der terminologischen Komparabilität: Was soll im Buddhismus die Seele sein? Mit den Rezepten solch „mystischen Amalgams“ der Weltreligionen ist wenig gewonnen, außer schwer nachvollziehbare Phrasen wie: „Im Prinzip sind alle Religionen gleich“.

[285] Demgegenüber scheint H. Inagaki innerhalb der Bekehrung ein Prozedere zu erkennen, wenn er in Anlehnung an Shinrans eigene „Bekehrung“ (s. Anm. 247), den Weg in drei Stufen (19. Þ 20. Þ 18. Gelübde) als exemplarisch ansieht – s. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 197.

[286] Diese Frage wird in der mir vorliegenden Literatur erstaunlicherweise nicht beachtet.

[287] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 87f. (Mitunter hat das Paradigma des früheren Amida-Buddhismus, welcher dem Gläubigen die unentwegte Rezitation verbunden mit der Hoffnung der Hingeburt im Moment des Todes anempfahl, einen weniger hohen, weniger totalen Anspruch gestellt als die Lehre des Shin – das Diktum vom Leichten Weg erscheint hierbei fraglich – Anm.).

[288] Die Bedeutung eines spirituellen Meisters, der durch seine Vorbildfunktion und Predigt den Anstoß zur Bekehrung geben soll (vgl. die Bedeutung des Lehrers in 2.2.3), wird besonders im Vorwort des Tannishô unterstrichen. Im Shin hat sich in der Folge eine literarische Gattung von Erzählungen über solche vorbildlich Glaubenden und ihr Leben entwickelt.

[289] Rein systematisch kann wohl auch dieses „Quäntchen“ (s. auch Anm. 270 u. 292) als Korrelat des tariki (welches man als causa prima erachten kann) reflektiert werden. Die Vehemenz des Problems erweist sich allerdings erst in der Verkündigung als evident. Der Mensch wird gläubig – „von selbst“, „natürlich“ (jap. jinen hôni) - s. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 52 u. 64f. (Die Übersetzung „von selbst “, welche die Autorin vorträgt ist allerdings gut geeignet, das „Dilemma“ noch einmal sprachlich vor Augen zu führen.). Ein wesentlicher Aspekt aber sei noch angesprochen: Wenn der letzte Rest von (impliziter) jiriki bei Shinran geleugnet werden soll – was m.E. schwierig sein sollte - wird man konsequenterweise (auch gegen T. Oguro – s. 3.5.1) vom Vorliegen einer (impliziten) Prädestination in Shinrans Theologie ausgehen müssen, zumal die Frage sich dann zuspitzen ließe: Warum bekommen manche shinjin geschenkt, andere hingegen nicht? Dies würde dem Dafürhalten in 3.6.1 widersprechen, ist aber letztlich angesichts des Umstands, dass die Bedeutung von jiriki im ante der Bekehrung eine persönliche - in der mir zugänglichen Literatur nicht vertretene - Schlussfolgerung darstellt, ein klarerweise gleichfalls zu untersuchender Schluss.

[290] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Tannishô XVI], 181.

[291] Auch in H. Inagakis „Stufenprozess“ der Bekehrung wird dies kaum zu leugnen sein: Auch wenn der Weg der Hinwendung vom 19. Þ 20. Þ 18. Gelübde durch die graduelle Aufgabe von jiriki markiert ist, kann die Auflösung der Differenz zwischen Autonomie und Heteronomie m.E. erst im Augenblick der Bekehrung stattfinden. Zuvor erscheint die Hinwendung zu Amida dem Aspiranten als selbst zu Leistendes.

[292] Das Problem der impliziten jiriki-Autonomie (s. Anm. 270 u. 289) im Geschehen der Bekehrung erkannte schon der Wandermönch Ippen (1239-1289), welcher aus diesem Grund die Heilsnotwendigkeit des Glaubens bestritt. Jeder der das nembutsu spricht wird erlöst, gleich ob er im Status des Glaubens ist, oder nicht. In einer radikalen Zuspitzung der Non-Dualität schreibt er in seinem Brief „Antwort an den Fürsten Tô no Ben...“: „Da die Substanz der Erleuchtung im Namen Amida Buddha erscheint, braucht der Mensch, der diese wilde und schmutzigen Welt verlassen will und nach dem Reinen Land verlangt, nicht erst Glauben und Unglauben, Reinheit und Unreinheit oder Sündhaftigkeit und Sündlosigkeit von uns Lebewesen zu erwägen; er freue sich nur daran, dass er diesen so unermeßlich wunderbaren Namen vernehmen konnte und spreche das Namu Amida Butsu.“Ch. Steineck, a.a.O., 189; s. zur Mendikanten-Tradition, die Ippen begründete: J.H. Foard, Ippen and the Pure Land Buddhist Wayfarers in medieval Japan, Beitr. in: The Pure Land Tradition: History and Development, [357]-397.

[293] Wenn im Yuishinshômon´i und im KGSS im Konnex zur unmittelbaren Hingeburt der Terminus „Menge der Rechten Bestimmung“ Verwendung findet, ist dies nicht im Sinne einer „ewigen Reprobation“ der nicht zu dieser Menge Gehörenden zu deuten.

[294] Die englischsprachige Literatur übersetzt statt „Herz“ zumeist „mind“.

[295] S. dazu Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 54f. u. T. Oguro, a.a.O., 37-42.

[296] Zu diesen drei Herzensaspekten in Beziehung zu setzen sind jene drei Aspekte des gläubigen Herzens, welche das Meditations-Sûtra lehrt: Aufrichtigkeit, tiefe Gesinnung und Verlangen nach Amidas Gnade unter zusätzlicher Widmung der eigenen Verdienste – vgl. Ch. Steineck, a.a.O., [-in Anm. 3], 40.

[297] Vgl. T. Oguro, a.a.O., 37.

[298] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 87.

[299] Vgl. T. Oguro, a.a.O., 41.

[300] Segen bedeutet in diesem Kontext: Jene den unermesslichen Verdiensten Amidas entspringenden Heils-Wirkungen, durch die sich der Glaube im Leben ereignen kann.

[301] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 77f.

[302] C. Wilhelm, a.a.O., 132.

[303] Vgl. P. Schmidt-Leukel, Gautama und Amida-Buddha, 129f.

[304] Vgl. T. Unno, Shinran: A New Path to Buddhahood, Beitr. in: The Pure Land Tradition: History and Development, 343. (Vielleicht wird man in dieser immanenten Sichtweise des antizipierten Reinen Landes eine Annäherung Shinrans an die idealistische Definition des Sukhâvatî sehen können, welche in 2.1.2 Gegenstand der Betrachtung war – Anm.). Die letztlich heilvolle, weltimmanente Dialektik zwischen Glauben und Verstrickung beschreibt Shinran in Kôsô wasan , Hymn 40 so: „The more the obstructions, the more the virtues.“, in: www.shinranworks.com

[305] Eine Absage an all jene Traditionen des Mahâyâna, die solches postulieren (etwa der Zen).

[306] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Tannishô XV], 179.

[307] S. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 67-69.

[308] „(11) If, when I attain Buddhahood, humans and devas in my land should not dwell in the Definitely Assured State and unfailingly reach Nirvana, may I not attain perfect Enlightenment.“ - H. Inagaki, [Übers. des Größeren Sûtra], Pure Land Sutras, 242.

[309] Tannishô XVI. Shinran nennt dies manchmal auch: kreuzweise hinüberspringen (jap. ôchô) – s. u.a. KGSS II,102 (Ch. Steineck übersetzt meist: „seitwärts herausspringen“) – „kreuzweise; seitwärts“ dient als Metapher der Plötzlichkeit (jinen), „hinüberspringen; herausspringen“ deutet das transzendieren des Dualismus von Geburt und Tod an – vgl. Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 62. Das Gegenstück dazu wäre „ längsweise springen “ – als Umschreibung der Bewegung entlang der Bahn des Samsâra – Vgl. P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“, 629.

[310] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Tannishô XIV], 177.

[311] „(22) If, when I attain Buddhahood, bodhisattvas in the Buddha-lands of the other directions who visit my land should not ultimately and unfailingly reach the Stage of becoming a Buddha after One More Life, may I not attain perfect Enlightenment...“H. Inagaki, [Übers. des Größern Sûtra], Pure Land Sutras, 244.

[312] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 134.

[313] Vgl. T. Oguro, a.a.O, 97.

[314] S. dazu Ch. Langer-Kaneko, a.a.O., 88ff.

[315] ~Dharmakâya/hosshô hôshin

[316] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 78.

[317] Tritt im Moment des Todes eines erleuchteten Wesens ein. Es löst die empirische Person, welche vor dem Tod trotz der bereits erreichten Erleuchtung sich noch perpetuierte, auf – s. K.-J. Notz, mahâparinirvâna, in: Lexikon des Buddhismus, Bd. 1, 279.

[318] Dies ist einer der „Randbereiche“ des Reinen Landes: Hier verdeutlicht sich jene Sukhâvatî-Sicht (vgl. etwa das Größere Sûtra), welche den vorwiegend „postmortalen Charakter“ des Buddha-Landes betont (während die Identifikation des Reinen Landes mit dem Großen Nirvâna bei der unmittelbaren Hingeburt sich von dieser Vorstellung doch evident abhebt – Anm.). In den in se noch weiter hierarchisierten „Paradies-Randgebieten“ werden die Hingeborenen zum Glauben erweckt (darum nennt Shinran diesen Bereich auch „Land der Verwandlung“; s. auch Tannishô XI; XVII), woraus dann die eigentliche, unmittelbare Hingeburt resultieren kann – s. C. Wilhelm, a.a.O., 136ff.

[319] Ch. Steineck, a.a.O. [Übers.: Yuishinshômon´i], 89.

[320] Shinran nennt sie die „ Menge der falschen Bestimmung “ – sie folgt dem Weg der eigenen Verdienste und ihrer Übertragung (ausgebreitet im 19. Gelübde).

[321] Sie heißen „Menge ohne Bestimmung “ – sie rezitieren zwar den Namen, aber mit der falschen Intention der Verdienst-Kumulation um die Hingeburt zu erreichen – sie folgen für Shinran dem Weg des Kleineren Sûtra und dem 20. Gelübde.

[322] Es offenbart sich an dieser Stelle die Schärfe des shinjin-Topos bei Shinran: Wer kein nembutsu spricht/sprechen kann, wer nicht vollends sich hingeben kann, sondern dem alten Pfad folgt, dem ist die unmittelbare Hingeburt verwehrt. Die Schärfe der obigen Aussage liegt begründet in der Androhung der vielen notwendigen Wiedergeburten in den Randbereichen, welche ja im Kontext des Buddhismus die Dimension der Leidhaftigkeit geradezu in sich tragen müssen. Man sollte diese deutlich drohende Seite von Shinrans Soteriologie nicht übersehen.

[323] Es ist an dieser Stelle festzustellen, dass Shinran den ursprünglichen Pluralismus der Möglichkeiten zur Hingeburt innerhalb des Größeren Sûtra doch immens verkürzt. Dies ist umso pikanter, wenn zutreffen sollte, dass das 18. und das 19. Gelübde in der „Urfassung“ dieses Sûtra wahrscheinlich eine Einheit bildeten, wie in 2.2.1.1 ausgeführt wurde.

[324] T. Oguro, a.a.O., 98. Shinran entwickelte darüber hinaus eine Lehre von den 10 Vorteilen des Glaubens (etwa Tugendhaftigkeit, Wirken von gnädigen Werken, Errettungsgewissheit, Wohlergehen etc.), welche die Gnade Amidas im Leben deutlich macht – s. T. Oguro, a.a.O., 77. Ob diese Lehre zu einer Ausbildung eines „ Shin-Syllogismus-Practicus“ führte, wäre ein interessanter Gegenstand der Behandlung.

[325] Man könnte m.E. an dieser Stelle allerdings sich einem gedanklichen Spiel hingeben und anmerken, dass, zumal Shinran die sog. „Lästerer/Verleumder der buddhistischen Lehre“ neben den gravierenden Sündern ebenso als vom hongan angesprochen erachtet, ja sogar meint, gerade für solche „Übeltäter“ sei das hongan gemacht worden (s. Tannishô III), dies eine Chance böte, seine Soteriologie radikal zu Ende zu denken, schiene doch im Nicht-Glauben der „Tatbestand“ der Lästerung/Verleumdung als höchst erfüllt und somit auch den Zweiflern/Ungläubigen die unmittelbare Hingeburt sicher. Shinran selbst aber hat diesen Schritt der Ablösung vom Inhalt des Größeren Sûtra – vielleicht aus „pädagogischen Gründen“, um nicht den Unglauben zu rechtfertigen - nicht getan (s. dazu Anm. 292).

[326] Beide Aspekte – sowohl die latente Einschränkung der Universalität, als auch das implizite Mitschwingen von jiriki - werden in der von mir eingesehenen Literatur so gut wie nicht beachtet. Deshalb sei noch einmal die grundlegende Frage gestellt: Wie kann – Shinrans Monismus vorausgesetzt! - ein Mensch denn nicht zum Glauben kommen? Ist etwa die „Möglichkeit“, sich (wenn auch passiv) dem geschenkten Einen Herzen Amidas zu entziehen, ein Indiz für die doch letztliche Gleichwertigkeit/Gleichheit von Autonomie und Heteronomie oder für die implizite Prädestination?

[327] Vgl. P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“, 620; ders., Gautama und Amida-Buddha, 131.

[328] Vgl. H. Inagaki, Pure Land Sutras, 87f.

[329] Vgl. C. Wilhelm, a.a.O., 140f.

[330] A.a.O., 121.

[331] Jôdo wasan, Hymn 20.

[332] Vgl. P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen brüllen hören“, 624: Der Autor spricht in diesem Kontext von „absoluter Gleichheit“, vgl. auch D.T. Suzuki, Wesen und Sinn des Buddhismus, 104.

[333] S. A. Mette, Affinität postmoderner Religiosität zur hinduistisch-buddhistischen Spiritualität, in: Religionen unterwegs, Zeitschrift der Kontaktstelle für Weltreligionen (KWR) in Österreich, 7. Jg./Nr. 3 – Sept. 2001, 4-10.

[334] Der Diskurs bezüglich einer pluralistischen Theologie der Religionen, bzw. die spezifische Stellung des Buddhismus in diesem Diskurs können an dieser Stelle aus Platzgründen nicht fruchttragend angeschnitten werden.

[335] S. dazu etwa B. Lohse, Luthers Theologie in ihrer historischen Entwicklung und ihrem systematischen Zusammenhang, Göttingen 1995, 207;235-256.

[336] Vgl. G. Amstutz, Interpreting Amida. History in the Study of Pure Land Buddhism, New York 1997.

[337] Die Opposition jesuitischer Missionare gegen jegliche Ausformung des „Heidentums“ war hingegen nicht die ungebrochene Regel. Gerade die China-Mission versuchte durch die Beschäftigung mit dem damals herrschenden Staats-(Neo-)Konfuzianismus einen Anknüpfungspunkt zur chinesischen Kulturtradition zu finden.

[338] Vgl. G. Amstutz, a.a.O., 46.

[339] Zit. nach G. Amstutz, ebd. (A. Valignano, Historia, p. 161; transl. in Elison, 43f.).

[340] Vgl. M. Schrimpf, Zur Begegnung des japanischen Buddhismus mit dem Christentum in der Meiji-Zeit (1868-1912), Studies in Oriental Religion, founded by H.-J. Klimkeit, edit by W. Heissig u.a., Vol. 48, Wiesbaden 2000, 42.

[341] Allerdings wurde von protestantischer Seite vereinzelt gegenüber dem Shin der Vorwurf erhoben, nicht authentisch buddhistisch zu sein. Er sei vermittels des Zeitverlaufs zum genauen Gegenteil „des“ Buddhismus geworden – s. G. Amstutz, a.a.O., 59. Solche Positionen verkannten hingegen, dass es Shinran gelungen war, seine Lehre – trotz mancher Differenz - auf eine tragfähige Basis der mahâyânischen Philosophie zu stellen – ja, man wird sagen können, dass wahrscheinlich Shinran in dieser Hinsicht ein orthodoxerer Standpunkt zuzusprechen ist als noch Hônen – s. dazu [in Druck]: Ch. Kleine, Der „protestantische Blick“ auf Amida: Japanische Religionsgeschichte als orientalistische Fiktion?, Beitr. in: P. Schalk/M. Deeg/O. Freiberger/Ch. Kleine (Hrsg.), Religion im Spiegelkabinett – Asiatische Religionsgeschichte im Spannungsfeld zwischen Orientalismus und Okzidentalismus, Acta Universitatis Upsaliensis - Historia Religionum, Uppsala 2003, 10 [Seitenangaben richten sich nach dem vorliegenden Manuskript].

[342] G. Amstutz führt dies teils auf die schwierige Lage des Christentums zurück, welches im 19. Jh. generellen Argumentationsbedarf in Konfrontation mit der sog. Moderne verspürte, sodass in dieser Situation derartige Parallelen zunächst willkommen waren.

[343] Ein Grund dafür könnte der dem Konfuzianismus immanente Humanismus sein, welcher relativ wenig Raum für eine geordnete Metaphysik bot (obschon im Neokonfuzianismus eine solche adaptiert wurde, um gegenüber dem Buddhismus/Taoismus „konkurrenzfähig“ zu werden). Auf jeden Fall entbehrte der Konfuzianismus einer ausgearbeiteten alternativen Soteriologie - erschien folglich „zweckdienlicher“.

[344] M. Schrimpf stellt heraus, dass gerade der Shin maßgeblich bei den Versuchen der sozialen Ächtung des Christentums beteiligt war, insofern er in ländlichen Gegenden „antichristliche Allianzen“ bildete, deren Ziel die Eindämmung der Ausbreitung des Christentums war – s. dazu M. Schrimpf, a.a.O., 44-49.

[345] Vgl. Ch. Kleine, Der „protestantische Blick“, 5f.

[346] Wie Ch. Kleine zeigt, wurde dieses Diktum von W.E. Griffis geprägt, und mit dem Austritt aus dem Kloster und der Heirat einer Nonne durch Shinran in Beziehung zu Luther gesetzt. Des Weiteren, so W.E. Griffis, vertrete der Shin die Autonomie des Denkens und Handelns, die Unabhängigkeit vom Staat sowie die Absage an jegliche Klerikalismus – vgl. Ch. Kleine, a.a.O., 7.

[347] So z.B.: T. Ashizu, Shinran als „japanischer Luther“. Über das Nembutsu, in: Luther und Shinran – Eckhart und Zen, hrsg. von M. Kraatz, Joachim Wach-Vorlesungen der Philipps-Universität Marburg III, Beihefte der Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, XXXI; Köln 1989, 16f.

[348] Ch. Kleine verdeutlicht diesen „Automatismus“ einer notwendigen (hegelianisch inspirierten - Anm.) Progression mit dem, wie er schreibt, „Dogma“ in der Shin-bezogenen Literatur, Shinran habe die Lehren Hônens bloß zu Ende gedacht – vgl. Ch. Kleine, Der „protestantische Blick“, 10. Ich möchte dem insofern zustimmen, als tatsächlich dieser Ansatz allenthalben anzutreffen ist, z.B. wenn V. Zotz zwar feststellt, Shinran habe keine eigene Tradition gründen wollen, hingegen habe sich aber seine Hônen-Interpretation von jener anderer Schüler Hônens unterschieden – s. V. Zotz, Der Buddha im Reinen Land. Shin-Buddhismus in Japan, München 1991, 123. Ch. Steineck, a.a.O., 31 spricht von Vollendung der Lehre durch Shinran. Auf solche Weise werden die durchaus fundamentalen systematischen Unterschied zwischen Hônen und Shinran (Buddha-Ontologie, Transzendenz des Reinen Landes, jiriki/tariki, Praxis des nembutsu), die in der vorliegenden Arbeit ein Stück weit an gegebener Stelle aufgezeigt wurden, bedenklich nivelliert.

[349] Ch. Kleine, Der „protestantische Blick“, 48.

[350] Ch. Kleine weist darauf hin, dass gerade der im Westen noch immer „verehrte“D.T. Suzuki (zu dessen oft einseitigen Darstellungen des Zen einiges zu sagen wäre – Anm.), sowie die Vertreter der Kyoto-Schule et al. gerade diese Perspektive transportieren.

[351] Vgl. H.G. Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 31972, 289.

[352] Vgl. ebd.

[353] Vgl. Ch. Kleine, Der „protestantische Blick“, 18.

[354] Vgl. K. Barth, Die Kirchliche Dogmatik. Erster Band: Die Lehre vom Wort Gottes – Prolegomena zur Kirchlichen Dogmatik, Zweiter Halbband, Zollikon-Zürich 51960, 371f.

[355] Vgl. a.a.O., 373f.

[356] Inwieweit v.a. dem Letzteren unreflektiert zuzustimmen ist, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. K. Barth führt als Belegstellen seiner Darlegung an: K. Florenz, Die Japaner, in: Lehrbuch d. Religionsgeschichte Bd. 1, 382ff. 1925 u. Tiele-Söderblom, Kompendium d. Religionsgeschichte, 197ff.

[357] Vgl. K. Barth, a.a.O., 375.

[358] Vgl. a.a.O., 371.

[359] Vgl. Ch. Frey, Die Theologie Karl Barths. Eine Einführung, Waltrop 21994, 234.

[360] Vgl. K. Barth, a.a.O., 376.

[361] Mit dieser Feststellung destruiert K. Barth jede vorschnelle Erklärung der historischen Notwendigkeit der Genese hin zum Shin vermittels des oben diskutierten evolutionistisch-protestantischen Geschichts-Topos.

[362] Man wird K. Barth an dieser Stelle mitunter Unverständnis für das Konzept der präsentischen und futurischen Soteriologie Shinrans unterstellen müssen. Die Wertung des Reinen Landes als bloßen „Vorhof“ der Erlösung, wird gerade dem Shin nicht gerecht. Genauso problematisch ist m.E. die Feststellung, Amida sei selbst dorthin noch unterwegs, zumal dies, obschon nicht gänzlich unzutreffend, so doch nur einen Teil des prozessualen Verständnisses trifft: Amida ist schon immer Buddha – ergo sind auch die Menschen bereits qua Erfüllung seines hongan im Heilshorizont der Buddhaschaft eingeschlossen, tragen sie bereits von Anfang an die Buddha-Natur in sich. Dies kann man als den zeitlosen, absoluten Aspekt von Amidas Heil werten. Allerdings muss das menschliche Dasein diesen Satus qua shinjin realisieren. Darin liegt der präsentische Aspekt des Heils (s. dazu 3.7.4).

[363] Vgl. Ch. Kleine, Der „protestantische Blick“, 18.

[364] In Anschluss an F. Stolz, a.a.O., 37f. wird man dies eine klassische „Missionstheologie“ nennen können, welche nur in Dialog tritt, um zu überzeugen.

[365] Vgl. K. Takizawa, Reflexionen über die universale Grundlage von Buddhismus und Christentum, Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums, hrsg. von R. Fridelli u.a., Bd. 24, Frankfurt a. M. u.a. 1980, 9.

[366] Vgl. a.a.O., 10f. Die grundlegende Differenz zwischen Gott und dem Menschen wird bei K. Takizawa, wohl in Erwägung der christlichen Anthropologie, beibehalten. Obschon Amida im Shin der Andere genannt werden kann, erweist sich – wie gezeigt wurde – die Differenz zwischen dem Subjekt und dem Buddha im Moment der unmittelbaren Hingeburt als gänzlich aufgehoben. Die ursprünglich schon bestehende Identität zwischen Amida und dem Gläubigen wird zur Geltung gebracht. Dies übersteigt jegliche unio mystica. Eben diesen Schritt wollte K. Takizawa als christlicher Theologe nicht tun. S. Hisamatsu hat das Christentum wegen seines theistischen Hiatus zwischen Gott und Mensch kritisiert – s. S. Hisamatsu, Philosophie des Erwachens. Satori und Atheismus, Zürich u.a. 1990, 79-85.

[367] Vgl. K. Takizawa, a.a.O., 32f.

[368] A.a.O., 34f.

[369] Vgl. a.a.O., 86.

[370] Vgl. a.a.O., 87 (Die Auswirkungen eines solchen Ansatzes auf den Topos der Inkarnation wären fraglos enorm – Anm.).

[371] Obschon K. Takizawa feststellt, er wolle die verschiedenen Religionen nicht in eine dialektische Einheit bringen, so wird, ausgehend von seiner Prämisse des Urfaktums Immanuel 1 als Chiffre jeder aufrichtigen Gottesbeziehung, der implizite Touch der Nivellierung dennoch nicht zu leugnen sein. Dass daraus ein Problem bezüglich der Ernstnahme des jeweiligen Wahrheitsanspruches resultiert, wiewohl die Gefahr des sich in diesem Anspruch gegenseitigen Nicht-Ernst-Nehmens das implizite Problem jeglichen pluralistischen Inklusivismus ist, darauf hat z.B. U. Körtner deutlich hingewiesen – s. U. Körtner, Reformiert und ökumenisch. Brennpunkte reformierter Theologie in Geschichte und Gegenwart, Salzburger Theologischen Studien, in Verb. mit Prof. d. Theol. Fak. hrsg. von A.A. Bucher u.a., Bd. 7, Innsbruck u.a. 1998, 153-159.

[372] Vgl. K. Takizawa, a.a.O., 103f.

[373] Vgl. zur Parallelität der absoluten Ansprüche zwischen Christentum (namentlich Paulus und Luther) und Shinran: F. Buhri, Der Begriff der Gnade bei Paulus, Shinran und Luther, in: ThZ (Jg. 31), Heft 5: September/Oktober 1975, 283.

[374] Das Ergebnis eines „Weltethos der Religionen“ erscheint m.E. angesichts des enormen Konfliktpotentials der widerstrebenden Wahrheitsansprüche nicht nur in weiter Ferne, sondern auch bezüglich dieses Umstands mitunter mager. Auf die Basis der Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Wahrheit kann sich vielleicht ein Teil der buddhistischen Tradition zurückziehen und auf diese Weise den eigenen Anspruch „relativieren“. Anderen Traditionen – nicht nur den sog. abrahamitischen Religionen – würde dies nur unter der nicht anzuratenden Aufgabe eines weiten Teiles ihrer gewachsenen Tradition und ihres sozio-kulturell verankerten Selbstverständnisses möglich sein.

[375] Ch. Kleine übt in Anschluss an B. Gladigow und R. Flasche Kritik an der Verankerung religionswissenschaftlicher Komparationen im Bereich des religiösen Erlebens. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem „Irrationalismus protestantisch-romatischer Prägung“, welcher sich von F.D.E. Schleiermacher über R. Otto et al. zieht und die Diskussion bis heute beeinflusst – vgl. Ch. Kleine, Der „protestantische Blick“, 13. Allerdings stellt sich mir im vorliegenden Kontext die Frage: Zumal sowohl „der“ Protestantismus als auch „der“ Shin ihren Fokus deutlich auf den Glauben i.S. der Dimension des Erlebens, als Aktives, in den Horizont des Gläubigen Tretendes, werten, ist ein Vergleich auf der Basis religiöser Grunderfahrungen m.E. zumindest bezüglich dieser beiden Traditionen nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Dies umso mehr, als der Skopus dieser Ausführungen ja gerade nicht in einem analytischen Vergleich der zu Grund liegenden theologischen Topoi im Rahmen einer religionswissenschaftlichen Auseinandersetzung liegt, sondern den Versuch unternimmt, jenseits dieser theologischen Differenzen ein Einigendes zu suchen. Es stellt sich hierbei mit P. Schmidt-Leukel die Frage nach dem Referenzrahmen einer interreligiösen Hermeneutik: Natürlich ist die hermeneutische Fragestellung berechtigt, ob man überhaupt z.B. als Christ eine andere Religion verstehen kann, ohne sich zu ihr bekehrt zu haben. Wenn dies tatsächlich vertreten wird, bleibt m.E. die Nützlichkeit respektive die Möglichkeit jeglichen interreligiösen Dialogs etc. höchst fraglich. Natürlich wird man eingestehen müssen, dass die Verwendung einer „objektiven“ Hermeneutik niemandem möglich ist. Wenn allerdings die Bekehrung zu einer Religion als der konditionale Akt des Verstehens gewertet wird, ist dieser Ruf zur reinen Subjektivität doch das Ende jeglichen interreligiösen Diskurses über Fragen der Theologie. Jede Religion wäre auf ihre Binnenperspektive beschränkt. Allein die Verwendung von sog. „getauften“ Begriffen wie Glaube, Gnade, Soteriologie bezüglich der Shin-„Theologie“ verdeutlicht diese eminente Problematik der Vermittlung und Benennung sachlicher Inhalte zwischen einzelnen Traditionen. Dessen bewusst, habe ich – wie zu Beginn der Arbeit reflektiert - versucht, mich bei der Darstellung der Theologie Shinrans nach Möglichkeit der Vergleiche zum Christentum zu enthalten. Die „getauften“ Begriffe dennoch einzuführen (wie dies auch in der auch Literatur getan wird) entspringt der Suche nach einer „Referenz-Terminologie“, vermittels derer die Aussagen des jeweils anderen verständlich, vor allem aber die Inhalte dem im christlichen Kontext sich bewegenden Leser deutlich gemacht werden können – s. zur Diskussion des „Referenzrahmens“P. Schmidt-Leukel, „Den Löwen Brüllen hören“, 398-404.

[376] So erachtet auch W. Pannenberg aufgrund der großen Unterschiedlichkeit von Buddhismus und Christentum die Anthropologie als Basis eines Dialoges für tragfähig.– vgl. W. Pannenberg, Auf der Suche nach dem wahren Selbst. Anthropologie als Ort der Begegnung zwischen christlichem und buddhistischen Denken, Beitr. in: A. Bsteh (Hrsg.), Erlösung in Christentum und Buddhismus, Beiträge zur Religionstheologie, hrsg. von d. Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Gabriel, Bd. 3, Mödling 1982, 131.

[377] S. z.B. E. Busch, Der Freiheit zugetan. Christlicher Glaube heute – im Gespräch mit dem Heidelberger Katechismus, Neukirchen-Vluyn 1998, 39ff.

[378] Die Neu-Verankerung der Religion - und mit ihr auch die Ebene der sog. religiösen Grunderfahrungen – im Rahmen der Allgemeinen Anthropologie, ist sicherlich nicht unproblematisch. So hat F. Wagner aufgezeigt, dass die allgemeine Anthropologie kein geeignetes Mittel ist, den Anspruch der Religion neu zu begründen. Schließlich – so F. Wagner – könne nachgewiesen werden, dass die Prämisse der Wirklichkeit Gottes als tragendes Ganzes schon deshalb nicht in die allgemeine Anthropologie eingeführt werden dürfe, zumal sie selbst einer metaphysischen Theorienbildung entspringe. Das Postulat von Gott, dem Anderen, ist ein Korrelat des religiösen Bewusstseins, nicht umgekehrt (diese Perspektive muss auch gegen K. Takizawa eingeräumt werden) – s. F. Wagner, Was ist Religion? Studien zu ihrem Begriff und Thema in Geschichte und Gegenwart, Gütersloh 1986, 498-522 bes. 522.

[379] S. F. Buhri, a.a.O., 288.

[380] W. Pannenberg, Religiöse Erfahrung und christlicher Glaube, Beitr. in: A. Kreiner u.a. (Hrsg.), Religiöse Erfahrung und theologische Reflexion. Festschrift für Heinrich Döring, Paderborn 1993, 119.

Fin de l'extrait de 127 pages

Résumé des informations

Titre
Jodo Shinshu. Genese und Lehre einer japanischen Tradition des Mahâyâna sowie ihre Reflexion im Rahmen der Evangelischen Systematik
Université
University of Vienna  (Institut für Systematische Theologie)
Note
sehr gut
Auteur
Année
2003
Pages
127
N° de catalogue
V110463
ISBN (ebook)
9783640086320
ISBN (Livre)
9783640117345
Taille d'un fichier
1231 KB
Langue
allemand
Mots clés
Jodo, Shinshu, Genese, Lehre, Tradition, Mahâyâna, Reflexion, Rahmen, Evangelischen, Systematik
Citation du texte
Herbert Rolle (Auteur), 2003, Jodo Shinshu. Genese und Lehre einer japanischen Tradition des Mahâyâna sowie ihre Reflexion im Rahmen der Evangelischen Systematik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110463

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