Der dynamischtransaktionale Ansatz


Term Paper, 2003

24 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhalt

1. Einleitung
1.1. Der dynamisch-transaktionale Ansatz
1.2. Ziel dieser Hausarbeit
1.3. Denkweise dynamische-transaktionaler Theorien
Die Transaktion als zentraler Wirkungszusammenhang
Die molare bzw. ökologische Sichtweise
Dynamik innerhalb der Systembestandteile

2. Hintergründe des Paradigmenwechsels
2.1. Historische Fallstricke
2.2. Computer, Quantenphysik und chaotische Mathematik
Parallelen

3. Anwendung des dynamisch-transaktionalen Ansatzes
3.1. Den Naturwissenschaften in den Mikrokosmos folgen?
Wie erstrebenswert ist dies?
3.2. Einsatz und Vorteile der dynamisch-transaktionalen Postulate
Ökologische Sichtweise
Transaktionale Perspektive
Dynamik der Modelle.

4. Vorsprung durch Transaktion und Dynamik?
4.1. Mehrwert dynamisch-transaktionaler Theorien
Beschreibung
Erklärung
Prognose und Intervention
4.2. Fazit

5. Literatur

1. Einleitung

1.1. Der dynamisch-transaktionale Ansatz

Vor dem Hintergrund neuer theoretischer Ansätze in der Mathematik und Physik der 80er Jahre, Informatik, Chaosforschung und Quantentheorie, veröffentlichten Werner Früh und Klaus Schönbach 1982 den dynamisch-transaktionalen Ansatz der Medienwirkungsforschung – ein Paradigma, mit dessen Hilfe Probleme bestehender Theorien vermieden werden sollen. Diese Probleme formuliert Früh (1991, S. 18) wie folgt:

„Jeder Aspekt [von Medienwirkung] wird theoretisch in gesonderten Hypothesen oder etwas komplexeren Theorien präziser beschrieben, so daß notwendig eine nahezu unüberschaubar heterogene Situation vielfältiger theoretischer Ansätze von jeweils begrenzter Reichweite entstehen muß.“

Der dynamisch-transaktionale Ansatz erhebt zwar nicht den Anspruch einer Universal- theorie, aber immerhin soll die fundamentale Abkehr vom klassischen monokausalen Wirkungskonzept (Ursache-Wirkung) hin zu einem transaktionalen Wirkungsverständnis (gegenseitige Wechselwirkung zwischen Systemgrößen) zeigen, „daß sich nicht nur so mancher bisher verdeckte theoretische Widerspruch klärt, sondern daß auch eine ganze Reihe von Phänomenen, die in den unterschiedlichsten theoretischen Zusammenhängen mit ganz verschiedenartigen Begriffen belegt wurden, mit dem selben Konzept einheitlich beschreibbar sind“ (Früh, 1991, S. 18).

Der Ansatz erhebt ebenfalls nicht den Anspruch, bereits eine Theorie zu sein. Er will lediglich eine „Denkweise“ für zukünftige Theorien vorgeben (Früh, 1991, S. 18). Da eine Denkweise theoretisch jedoch nicht falsifizierbar ist, muss sich die Qualität bzw. Brauchbar- keit des Ansatzes in den Theorien beweisen, die seiner Denkweise folgen.

1.2. Ziel dieser Hausarbeit

Inzwischen ist der dynamisch-transaktionale Ansatz 20 Jahre alt. Seine Forderungen erscheinen gerechtfertigt – doch explizit zur Bildung neuer Theorien verwenden ihn nur wenige, wie Schönbach und Früh (1984) selbst, oder Wirth (1997).

In dieser Arbeit würde ich gerne zeigen, welche Vorteile der Ansatz bringt, welche Probleme er aufwirft, wann es sinnvoll ist, ihn zu verwenden und warum er die Kommunika- tionswissenschaft bislang nicht reformierte. Da dies jedoch den Rahmen sprengen würde, beschränke ich mich auf eine kurze Einordnung in das moderne Wissenschaftsbild und eine Betrachtung seiner Vor- und Nachteile in Bezug auf die basalen Aufgaben von Wissenschaft: Beschreibung, Erklärung, Prognose und Intervention.

1.3. Denkweise dynamische-transaktionaler Theorien

Um den Ansatz besser fassen zu können, werden im folgenden kurz seine wichtigsten Vorgaben an Theorien erläutert, nach denen sich der Vergleich verschiedener Studien in

Kapitel 3.2 gliedern wird. Dabei sollen insbesondere die Unterschiede zu den „klassischen“ Wirkungsmodellen deutlich werden.

Die Transaktion als zentraler Wirkungszusammenhang

Eine zentrale Innovation des dynamisch-transaktionalen Ansatzes ist die Integration einerseits der rezipientenzentrierten Nutzenansätze und andererseits der kommunikator- bzw. stimuluszentrierten Wirkungsansätze (Burkart, 1995, S. 230). Dabei wird davon ausgegangen, dass die beiden Wirkungsrichtungen (Selektion der Medieninhalte durch den Rezipienten auf der einen und Darbietung von Stimuli auf der anderen Seite) nicht nur zeitlich getrennt wirk- sam werden können, sondern dass sie vielmehr in einer oftmals sehr engen Wechselwirkung stehen und sich somit gegenseitig beeinflussen, was Früh und Schönbach (1982, S. 79) als

„Transaktion“ bezeichnen.

Solche Transaktionen werden im Weiteren nicht nur zwischen den Faktoren Stimulus (Medienbotschaft) und Selektion (Rezipient) beschrieben, sondern ebenso zwischen anderen Faktoren, wie Aktivation und Wissen des Rezipienten (Schönbach & Früh, 1984, S. 41) oder Kommunikator und dessen Aussage (Schönbach & Früh, 1984, S. 62). Die Konsequenzen der transaktionalen Wirkungssicht sieht Früh sehr umfassend:

„Der alte kausalistische Wirkungsbegriff, der Medienwirkung als einseitige transitive Beziehung auffasste, hat zumindest als dominante Denkform ausgedient.“ (Früh, 1991, S. 17)

„Das dynamisch-transaktionale Modell betont ausdrücklich, daß es begrenzte Phasen und Aspekte im Wirkungsprozeß gibt, die wohl angemessener kausal oder funktional im Rahmen einer der beiden bekannten Perspektiven erklärt werden können. Auch kann natürlich aus einem ganz spezifischen Forschungsinteresse heraus eine ausschließlich einseitige Perspektive bewußt eingenommen werden. Dennoch unterstellt das dynamisch-transaktionale Modell, daß auch diese absichtsvoll einseitigen Perspektiven allenfalls bei einigen sehr eng umgrenzten Fragestellungen zu befriedigenden Ergebnissen führen, wenn sie nicht in einen Kontext eingebettet werden, der auch transaktionale Wirkungsbeziehungen enthält.“ (Früh, 1991, S. 17)

Die molare bzw. ökologische Sichtweise

Eng verknüpft mit dieser weitreichenden transaktionalen Sichtweise des Ansatzes ist die Forderung, in der Realität offene Systeme, die mit anderen Systemen in Wechselwirkung stehen, wie z.B. das Fernsehprogramm mit Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft, in der Theoriebildung nicht als geschlossene Systeme zu behandeln (Früh, 1991, S. 44, 67). Diese

„molare (ökologische) Sichtweise betont, daß Medienwirkungen sowie alle Einflussgrößen nie isoliert, sondern immer Teil eines komplexen Beziehungsgeflechts innerhalb eines größeren Kontextes sind“ (Wirth, 1997, S. 90).

„Die Welt, in der wir leben und zu der wir gehören, ist überaus komplex“ (Früh, 1991, S. 59). Um sie dennoch soweit zu vereinfachen, dass eine Theorie einen gewissen Gültigkeits- bereich behält, ohne jedoch wichtige Details zu verlieren, schlägt Früh (1991, S. 65-75, 68-70) einen gestaffelten Detailreichtum vor: Während das Innere des Systems sehr detailliert erfasst wird (z.B. anhand Aktivation, Stress, Belastung, Medienverhalten), wird zugelassen, dass die umgebenden und weiter entfernte Systeme weit gröber, z.B auf der Ebene gesellschaftlicher Subsysteme, wie Politik oder Wirtschaft, betrachtet werden. Auf diese Weise werden Mikro- und Makrovorgänge innerhalb eines Modells in Beziehung gebracht. Je nach Fragestellung kann jedes System und Subsystem des Gesamtmodells dabei auf der Mikroebene betrachtet werden, um exaktere Erkenntnisse zu erzielen, oder es wird nur aus der Makroperspektive beobachtet, weil die Einflüsse auf den eigentlichen Forschungs- gegenstand als eher gering oder als relativ konstant erachtet werden. (Früh, 1991, S. 44-45)

Dynamik innerhalb der Systembestandteile

Wiederum angelehnt an das Wirkungsverhältnis der Transaktion ist die Forderung, alle Elemente des betrachteten Systems (Faktoren) als potentiell veränderlich zu sehen. Manche Faktoren sind zwar relativ stabil (z.B. der sozioökonomische Status des Rezipienten), andere jedoch (wie sein Interesse an einem Thema, sein Wissen oder seine Mediennutzung) können sich während des betrachteten Zeitraums merklich verändern (Früh, 1991, S. 50-51). Als Kontrastbeispiel sei hier die Kultivierungshypothese genannt, welche die Mediennutzung eines Rezipienten als konstant betrachtet: Vielseher sind demzufolge immer Vielseher – Wenigseher bleiben Wenigseher. Wohl nicht zuletzt weil es sich hierbei um eine Theorie auf der Makroebene handelt, werden kurzfristige Änderungen, die der Durchschnitt nicht erfassen kann, (ebenso wie qualitative interindividuelle Unterschiede in der Mediennutzung) als unbedeutend für das Gesamtergebnis erachtet. Früh (1991, S. 50) erwägt hingegen, dass möglicherweise genau diese grobe Quantisierung der Realität die eigentlichen Zusammen- hänge überdeckt und „die oft als minimal gemessenen Effekte [anderer Theorien] häufig auf diese – falschen – Annahmen zurückzuführen und damit Artefakte sind.“

2. Hintergründe des Paradigmenwechsels

2.1. Historische Fallstricke

(Mono-)Kausale Erklärungen beobachteter Zusammenhänge sind die Grundlage nahezu aller klassischen naturwissenschaftlichen Ansätze. Dieses Verständnis von Wirkungen wurde mit dem Behaviorismus – wohl nicht zuletzt wegen seiner Einfachheit – auch in die Psycholo- gie und die damit verbundene Kommunikationswissenschaft übernommen.

Das Gesetz der großen Zahlen überdeckte das Dilemma: Wenn ein System nur komplex genug wäre, wenn nur genug Variablen zusammenwirken, so müssten sich die Unterschiede wohl kompensieren und allenfalls in einem Messfehler auftauchen. Also teilte man die Untersuchungsobjekte nach oftmals oberflächlichen Kriterien (wie z.B. der Fernsehdauer) in Kategorien (wie Viel- und Wenigseher) und hoffte, dass dieses eine Kriterium, diese eine Ursache, mit allen anderen Variablen so stark zusammenhing, dass wenigstens schwache mathematische Zusammenhänge zwischen „Ursache“ (z.B. Fernsehkonsum) und „Wirkung“ (z.B. Wissensänderung oder Gewaltbereitschaft) nachgewiesen werden konnten (Kunczik & Zipfel, 2001, S. 400).

Mit der kognitiven Wende wurde langsam deutlich, dass die Erklärung des Menschen und seiner sozialen Umwelt mit solch einfachen Modellen in einer Sackgasse enden würde, denn während sich die moderne Physik immer kleineren Einheiten widmete, betrachtete die Kommunikationswissenschaft selbst auf der Mikro-Ebene noch hochkomplexe Systeme (z.B. Menschen), deren unzählige Prozesse bis heute weder vollständig gemessen, geschweige denn mathematisch erfasst werden können (Worg, 1993, S. 30-33). In den 60er Jahren begann schließlich ein Prozess, Psychologie und Kommunikationswissenschaft endlich sachgerecht zu behandeln, nämlich als Strukturwissenschaften. Weil jedoch weder eine alte Wissenschaftstradition, noch ein ausgeprägtes Problembewusstsein bei den Wissenschaftlern und am wenigsten wirtschaftliche Interessen in dieser Richtung existieren, gibt es in der Kommunikationswissenschaft auch heute noch viel zu tun.

2.2. Computer, Quantenphysik und chaotische Mathematik

Zum Glück steht das Forschungsfeld „Kommunikation“ mit diesem Problem aber nicht alleine da. Auch die Physik stieß in den 80ern auf Probleme, bei denen ihre althergebrachten Instrumente versagten. So entdeckte man chaotische Systeme, wie das Wetter, die keiner linearen Logik mehr folgen wollten: Kleinste Veränderungen eines Faktors können in solchen Systemen zu extremen Veränderungen des Ergebnisses führen. Und obwohl es sich dabei um einfachst gestrickte Systeme aus zwei Magneten und einer Eisenkugel handeln kann (das „Magnetpendel“), deren Verhaltensursachen (Kräfte) mit wenigen Formeln genau beschrieben werden können, hat man keine Chance, das Verhalten des Gesamtsystems mathematisch exakt vorherzusagen (Worg, 1993, S. 32).

Doch nicht nur bei Makrosystemen stieß man auf solche Probleme – auch im Mikrokos- mos, auf der Ebene von Atomen konnten und können Phänomene (Radioaktivität) zwar

physikalisch erklärt, aber bislang mathematisch nicht genauer erfasst werden als mit Hilfe von Auftretenswahrscheinlichkeiten für Ereignisse (z.B. radioaktiven Zerfall). Auf der Suche nach den kleinsten Einheiten kam die Physik schließlich bei den Quanten an und gelangte auch hier zu Modellen von komplexen Systemen mit simultan wechselwirkenden Teilchen – oder, was wahrscheinlicher ist, wiederum komplexen Subsystemen.

Maßgeblich unterstützt wurde die Erforschung solcher Systeme durch die rasante Entwick- lung der Rechenmaschinen – Computer. Hier konnte man chaotische Systeme und Modelle mit komplexen Wechselwirkungen relativ genau und vor allem im zeitlichen Verlauf simulie- ren. Geeignete Instrumente zur Analyse der Daten entwickelte die Mathematik.

Parallelen

Es zeigen sich deutlich Parallelen zum dynamisch-transaktionalen Ansatz der Medien- wirkungsforschung: Transaktionale Wechselwirkungen, hochkomplexe Systeme, bei denen Systeme mit über- und untergeordneten Systemen transagieren und nicht zuletzt zeitliche Veränderungen des gesamten Systemzustands auf der Quantenebene. Auch die Idee, dass es eine objektiv beobachtbare Wirklichkeit nicht geben kann, weil „der Beobachter immer Teil des Systems ist, das er erforschen will“, was nichts andere bedeutet, „als daß der Forscher durch den Meßakt das Meßobjekt mit konstituiert“ (Wirth, 1997, S. 91-92) ist ein Grundprin- zip und bislang fundamentales Problem der Quantenphysik.

Diese Überschneidungen bringen natürlich den Vorteil mit sich, dass die mathematischen Methoden der Physik teilweise direkt auf kommunikationswissenschaftliche Fragestellungen und Modelle übertragen werden können. Allerdings zeigen sich auch sehr deutlich die heuti- gen Grenzen: Chaotische Systeme – und zu diesen darf das hochkomplexe System Mensch gezählt werden – sind derart sensibel, dass selbst ein fast perfektes Modell keine langfristigen Prognosen erlaubt. Zudem ist der Rechenaufwand zur Erfassung aller potentiell relevanten Einflussgrößen (oft wiederum komplexe Systeme) in ihrer notwendigen Genauigkeit auf absehbare Zeit nicht zu realisieren. Was dies für die praktische Anwendung bedeutet, wird gegen Ende des folgenden Kapitels behandelt.

3. Anwendung des dynamisch-transaktionalen Ansatzes

Wissen und dessen Vermittlung durch Medien stellt einen zentralen Ansatzpunkt der Arbeiten von Schönbach und Früh zum dynamisch-transaktionalen Ansatz dar (Früh, 1991,

S. 26-39). Sowohl Früh selbst als auch andere Autoren greifen gerne auf dieses Konzept zurück, welches Früh anhand von „Szenarien“ beschreibt. Sei es, um den Ansatz zu erläutern (Burkart, 2002, S. 240-243; Kunczik & Zipfel, 2001, S. 252-254) oder um das Modell in eigene Arbeiten zu integrieren (Früh, 1994, S. 70-75; Wirth, 1997, S. 88-92).

Aufgrund dieser großen Verbreitung des Themas Wissen in dynamisch-transaktionalen Theorien will ich die Aspekte des Ansatzes am Vergleich dreier Studien mit eben diesem Schwerpunkt zeigen. Zwei Arbeiten behandeln die Hypothese der wachsenden Wissenskluft: Zum einen die überarbeitete Fassung von Tichenor, Donohue und Olien (1980), welche keinen Bezug zu Schönbach und Frühs Ansatz nimmt, und zum anderen die Behandlung des Themas durch Wirth (1997), welche den Ansatz explizit verwendet (Wirth, 1997, S. 352). Als Ergänzung dient eine Arbeit von Früh zur „Realitätsvermittlung durch Massenmedien“ (1994), die unter anderem die Vorteile des dynamisch-transaktionalen Ansatzes nutzen will, um der „analytischen und konzeptionellen Verkürzung des untersuchten Phänomens“ zu begegnen (Früh, 1994, S. 70).

3.1. Den Naturwissenschaften in den Mikrokosmos folgen?

Zunächst will ich deutlich machen, in welcher Form das dynamisch-transaktionale Konzept zur Anwendung kommt. Nach den oben angesprochenen „Parallelen“ zu Physik und Mathematik könnte es nämlich durchaus ein erstrebenswertes Ziel sein, den Menschen in Form einer detaillierten Computersimulation zu erfassen – eine Möglichkeit, die bei einfa- chen chaotischen Systemen interessante Möglichkeiten eröffnet.

Solch ein Modell menschlicher Informationsverarbeitung könnte auf verschiedenen Abstraktionsebenen immer genauer ausgearbeitet werden. Gleichsam der Physik könnte man immer weiter in den Mikrokosmos des Menschen vordringen und sein Verhalten aus dem Zusammenspiel von Neuronen erklären. Das Modell gäbe Systemanalytikern Aufschlüsse über Wechselwirkungen (transaktionale Perspektive), das Zustandekommen komplexerer „Funktionseinheiten“ (molare bzw. in diesem Fall eher modulare Perspektive) und nicht zuletzt die zeitliche Entwicklung verschiedener Prozesse (dynamische Perspektive). Genügend Rechenpower vorausgesetzt, könnte man versuchen, das Modell gar auf gesamte Sozialgebilde auszuweiten und die Funktion sozialer Systeme so auf ihre Elemente zurückführen.

Wie erstrebenswert ist dies?

„Aufgrund der transaktionalen Prozesse sind viele Einflußgrößen im Medienwirkungsprozeß so stark miteinander verwoben oder verschmolzen, daß eine Auftrennung nur dann sinnvoll (und notwendig) wäre, wenn diese Transaktionen Forschungsgegenstand sind Für andere Forschungsfragen kann es im Gegensatz dazu sehr aufschlußreich sein, die transaktional verschmolzenen Elemente als Komponenten eines größeren Ganzen zu betrachten ...“ (Wirth, 1997, S. 91)

Die Gedächtnispsychologie hat nicht zuletzt mit dem Modell neuronaler Netze wertvolle Ergebnisse aus diesem Mikrokosmos erlangt, doch ist bislang nicht zu erwarten, dass auch der Weg zurück zum Gesamtsystem „Mensch“ wieder gelingt: Viel zu komplex ist dieses System, um es vollständig als Einheit in all seinen Details zu erfassen – viel zu beschränkt sind heutige mathematische und technische Instrumente.

Die Realität der Kommunikationswissenschaft sieht nicht so aus, als dass der Mensch in Echtzeit auf neuronaler Ebene erfasst werden könnte, sondern eher derart, dass man sich auf Befragungen und beobachtetes Verhalten stützen muss. Der Abstand zwischen den Messun- gen liegt dabei bestenfalls im Rahmen von Stunden, viel öfter handelt es sich um Zeiträume von Tagen oder Wochen. Auch die Anzahl der Messungen ist mehr als dürftig. So stammen die Daten für die Längsschnittstudie der Gruppe Tichenor, Donohue und Olien aus zwei Befragungen von 1970 und 1972 (Tichenor et al., 1980, S. 196), die Ergebnisse von Wirth basieren auf einer Vorher- und einer Nachhermessung, die in etwa 10 bis 15 Minuten Abstand erfolgt sein dürften (Wirth, 1997, S. 352). Früh ließ seine Versuchspersonen ebenfalls zweimal antreten – in diesem Fall im Abstand einer Woche zur Reproduktion verschiedener

„natürlich“ rezipierter Medienbeiträge (Früh, 1994, S. 113, S. 124).

3.2. Einsatz und Vorteile der dynamisch-transaktionalen Postulate

Ökologische Sichtweise

Obwohl Tichenor et al. (1980, S. 178, 185) zunächst vom Verhalten verschiedener Subsys- teme sprechen ist die Untersuchungseinheit der betrachteten Arbeiten durchweg der einzelne Menschen. Die Untersuchungen richten ihre Perspektive damit alle am für sie Messbaren aus, was im Folgenden die Mesoebene darstellen soll. Der dynamisch-transaktionale Ansatz fordert nun eine molare bzw. ökologische Sichtweise, welche „betont, daß Medienwirkungen sowie alle Einflußgrößen nie isoliert, sondern immer Teil eines komplexen Beziehungs- geflechts innerhalb eines größeren Kontextes sind. Dieser Kontext ist zudem hierarchisch gegliedert, etwa von organismisch-physiologischen über psychologische und sozial- psychologische bis hin zu gesamtgesellschaftlichen Einflußbedingungen“ (Wirth, 1997, S. 90- 91; vgl. auch Früh 1991, S. 38). Konkret bedeutet dies, dass Theorien neben Einflüssen aus der Mikro- und Makroebene auch die Beziehungen zwischen diesen Variablen klären müssen.

Excerpt out of 24 pages

Details

Title
Der dynamischtransaktionale Ansatz
College
LMU Munich
Course
Theorien der Kommunikationswissenschaft
Grade
1,7
Author
Year
2003
Pages
24
Catalog Number
V110548
ISBN (eBook)
9783640087150
File size
656 KB
Language
German
Keywords
Ansatz, Theorien, Kommunikationswissenschaft
Quote paper
Dominik Leiner (Author), 2003, Der dynamischtransaktionale Ansatz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110548

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