Der Vergleich des pädagogischen Modells Hugo Gaudigs mit dem 'Handlungsorientierten Unterricht' im Sinne Hilbert Meyers

Im Kontext der deutschen Berufsschule


Mémoire (de fin d'études), 2006

66 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Person Hugo Gaudigs

3. Die Pädagogik Hugo Gaudigs
Grundzüge
Die Arbeitsschule
Teilaspekte der Pädagogik Hugo Gaudigs
Schule der Selbsttätigkeit
Schüler als Subjekt
Lernen als planmäßiger und geistiger Arbeitsvorgang
Lehrer als zurückhaltender Anreger und Begleiter
Schule als Heimat
Das Ziel der Persönlichkeitsbildung
Zusammenfassung

4. Die deutsche Berufsschule
Kritik an der Berufsschule
Die Auszubildenden verbringen zu viel Zeit in der Berufsschule
Berufsausbildung an Hochschule statt an Berufsschulen
erhöhte Anforderungen an Auszubildende
fehlende Öffnung für Weiterbildung und Innovationen
fehlende Förderung leistungsschwacher Auszubildender
mangelnde Abstimmung zwischen Schule und Betrieb
fehlende Aus- und Weiterbildung bzw. Praktika der Lehrer
fehlende Verzahnung der Fächer
Kritik der Schüler/Auszubildenden
Zusammenfassung
Reformen in der Berufsschule
Lernfelder
Vermittlung von Kompetenzen
Zusammenfassung

5. Handlungsorientierter Unterricht
Gründe für Handlungsorientierten Unterricht
Erziehung zur Selbständigkeit
Unterstützung der schülereigenen Identitätsbildung
(Wieder-)Herstellung der Wirklichkeit im Lernprozess
Analyse des angeeigneten Wissens
Das Modell von Hilbert Meyer im Überblick
didaktische Kriterien
subjektive Schülerinteressen als Bezugspunkt
Ermunterung zu selbständigem Handeln
Öffnung der Schule
Integration von Kopf- und Handarbeit
Zusammenfassung

6. Handlungsorientierter Unterricht im Vergleich zur „freien geistigen Arbeit“ im Kontext der Berufsschule
Selbständigkeit einüben
Persönlichkeit bilden
Verbindung von Schule uns Außenwelt
Schüler als Subjekt
Rolle des Lehrers
Zeitumfang
Fächer- und Klassenaufteilung
didaktische Methoden
Prüfungen
Fazit

7. Literaturliste

8. Erläuterungen

1. Einleitung

Mit dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden zu erläutern, inwieweit sich Ansätze der geschichtlichen Reformpädagogik, in diesem Fall die Vorstellungen Hugo Gaudigs, auf Teile des Unterrichts bzw. auf die Ausrichtung der deutschen Berufs­schulen anwenden lassen. Die Berufsschulen selbst sind in den letzten Jahren durch verschiedene Reformen gegangen, daher soll ein besonders Augenmerk auf den sog. „Handlungsorientierten Unterricht“ geworfen werden, da dieser gewisse Ähnlichkei­ten mit Gaudigs Modell erkennen lässt. Zwar sind die verschiedensten Richtungen der Reformpädagogik in den allgemein bildenden, in den Grund- wie auch den Vor­schulen immer wieder diskutiert, praktisch angewendet und kritisch gewürdigt wor­den, eine Anwendung im Bereich der beruflichen Schulen fand und findet allerdings kaum statt. Daher stellt sich ebenso die Frage, warum dies so ist, zumal die Würdi­gung der Reformpädagogik in anderen Schularten eine Vielzahl von Publikationen hervorgebracht hat. Die sich verstärkende Bedeutung des beruflichen Schulsektors im deutschsprachigen Raum kann auch als Chance gesehen werden, die bis jetzt als wenig experimentierfreudig eingestuften beruflichen Schulen auch im Hinblick auf neue oder auch alte reformpädagogische Ansätze hin zu sensibilisieren.

Sicherlich sind viele Forderungen, wie sie vor mehr als 100 Jahren von den ersten großen Reformpädagogen aufgestellt wurden, heute in den staatlichen Schulen be­reits Alltag. Auch kann man den beruflichen Schulen insoweit keinen Stillstand nach­sagen, als dass neue Lehr-Lernmethoden durchaus ihren Niederschlag in Lehrplänen und Unterrichtsgestaltungen finden, so z. B. die geforderte Kompetenzvermittlung oder auch die Anwendung von Lernfeldern. Die Aufgabe der Diplomarbeit besteht nun darin, herauszufinden, ob es heute reformpädagogische Ansätze gibt, die sich so auf die beruflichen Schulen anwenden lassen, sodass eine Schule und ihre Schüler einen irgendwie gearteten Nutzen davon haben. Dass dies ergebnisoffen geschehen muss, gilt hier als wichtiges Kriterium, um unbefangen an diese theoretische Unter­suchung herangehen zu können.

Um den Leser an die nicht allzu bekannten Ideen Hugo Gaudigs heranzuführen, wird zunächst ein Abriss über seine Person und seine Vorstellungen gegeben. Daran an­schließend folgt ein Überblick über die Berufsschule inkl. der dort geleisteten Um­stellung in den letzten Jahrzehnten. Dies ist notwendig, um die Besonderheit dieser Schulart herauszuarbeiten und auf Gestaltungschancen bei der Anwendung reform­pädagogischer Konzepte aufmerksam zu machen. Besonderer Augenmerk wird auf das Konzept des „Handlungsorientierten Unterrichts“ gerichtet sein. Da unter diesem Schlagwort inzwischen viele Vertreter mit z. T. anderen Ansätzen vereinigt sind, be­schränkt sich diese Arbeit auf das Modell Hilbert Meyers. Als eigene Leistung steht danach an, die Modelle dieser beiden Pädagogen, Meyer und Gaudig, im Zusammen­hang mit der Berufsschule zu vergleichen und eventuelle Vorschläge zu unterbreiten, wie sich Verbesserungen, die sich aus diesen Modellen ableiten lassen, in der Berufs­schule umgesetzt werden könnten.

2. Die Person Hugo Gaudigs

Im Gegensatz zu vielen anderen Vertretern der reformpädagogischen Bewegung – in diese weit gefächerte Aufbruchstimmung der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahr­hunderts ist er sicherlich einzuordnen – wurde das Leben von Hugo Gaudig bis heute nicht systematisch aufgearbeitet.[1] Um aber überhaupt über sein Werk sprechen zu können, bedarf es eines grundsätzlichen Wissens um seinen Werdegang, der hier kurz dargestellt werden soll.

Hugo Gaudig wurde am 5. Dezember 1860 in Stöckey bei Nordhausen als Sohn eines protestantischen Pfarrers geboren, der gleichzeitig Schulinspektor war.[2] Die ersten sieben Jahre seiner Schülerlaufbahn erhielt er Unterricht in der Dorfschule, bei der ihn u. a. die Lehrer - „die als geschlossene Persönlichkeiten inmitten der Dorfschaft standen“[3] - und das gemeinsame Tun der Mitschüler beim Spiel und Schaffen nachhal­tig beeindruckten. Ganz anders waren seinen Erfahrungen am Gymnasium in Nordhausen, dessen Aufnahmeprüfung er nur knapp bestand. Hier sah er Mängel bei der Aussagekraft von Prüfungen, gleichzeitig kritisierte er die Klassenrangordnungen genauso wie zu großen Schülerehrgeiz.

1879 kam er an die Universität Halle an der Saale. Dort studierte er u. a. Philologie und Theologie, 1883 erfolgte die Promotion in der Theologie. Voraussetzung für eine praktische Ausbildung als Lehrer an höheren Schulen war zu dieser Zeit das Examen „pro facultate docendi“[4], das Gaudig 1886 ablegte.

Die nächste Station in seiner Ausbildung war das Realgymnasium der Franckeschen Stiftungen, ebenfalls in Halle an der Saale. Sein Mentor Otto Paul Frick unterwies ihn in der damals üblichen Methode der Formalstufen im Sinne der Herbartianern[5] HerHund stellte die Lehrerfrage in den Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens. Obwohl sich Gaudig später sehr positiv über die Person Fricks äußerte, so sind es doch u. a. diese beiden Punkte, an der sich Gaudigs Kritik an der Unterrichtsgestaltung festmachen lassen. Gaudig schrieb dazu: „Ich musste bald, nachdem ich bei Frick Probelehrer gewesen war, in der pädagogischen Grundanschauung mit ihm brechen. Ihm stand der Lehrer im Mittelpunkt seines Interesses, und was schlimmer war, der Schule. Der schaffende Pädagoge, der Schulmeister, der Künstler des Unterrichts, der mit weisem Kunstverstand Lektionen aufbaute, mit feinschmeckerischen Entzücken ‚letzte Wöl­bungen’ sich freute. Sobald mir der Schüler im Mittelpunkt der Schule und meines Interesses trat, musste ich absagen. Aber unvergessen blieb mir Fricks großes päda­gogisches Herz, seine Liebe zu ‚unseren Jungens’, die ihn richtigere Wege hätte wei­sen können als sein kühler pädagogischer Kunstverstand.“[6]

An den Abschluss seines Probejahrs schloss sich eine neunjährige Tätigkeit als Ober­lehrer am Realgymnasium in Gera an. Gaudig kehrte 1896 als Direktor der Höheren Mädchenschule und des Lehrerinnenseminars der Frackeschen Stiftungen nach Halle an der Saale zurück.

Im Jahr 1900 ging Gaudig nach Leipzig, um die Leitung der dortigen städtischen Schulen zu übernehmen. Diese bestanden zunächst aus einer Höheren Mädchen­schule, einem Lehrerinnenseminar und einer Übungsschule (Volksschule). Gaudig blieb bis zu seinem Tode in dieser Stellung, er lehnte dafür sowohl eine Arbeitsstelle im sächsischen Unterrichtsministerium wie auch einen Ruf an die Universität Leipzig ab.

Erste größere Veröffentlichungen waren 1904 die „Didaktischen Ketzereien“ und 1909 die „Didaktischen Präludien“. 1917 erschien sein Hauptwerk „Die Schule im Dienste der werdenden Persönlichkeit“. Aufgrund der vielen Besucher und Hospitan­ten entschied sich Gaudig erstmals 1921 eine sog. „Pädagogische Woche“ in Leipzig zu veranstalten.

Als Zusammenfassung dieser Tagung mit mehr als 500 Gästen er­schien 1922 als ein weiteres wichtiges Werk „Freie geistige Schularbeit in Theorie und Praxis“.[7] Zur Verbreitung seiner Gedanken trug auch bei, dass er und seine Mitar­beiter Vorträge und Probeunterricht im gesamten deutschen Reich hielten.[8]

Am 2. August 1923 verstarb Gaudig in Leipzig.

Nach dem Tod Gaudigs verblasste der Ruf der umgehend umbenannten Gaudig­schule. Dies hatte mehrere Ursachen. U. a. hinterlies Gaudig kein geschlossenes Pä­dagogikmodell, das schon alleine dadurch eine Anhängerschaft hätte finden kön­nen. Dazu kam, dass das Lehrerinnenseminar zugunsten der akademischen Ausbil­dung nun auch von Volksschullehrern abgeschafft wurde. Um der verbreiteten Ar­beitslo­sigkeit von Junglehrern zu begegnen, wurden zeitgleich auch etliche Lehrer und Mit­streiter Gaudigs in den Ruhestand versetzt. Zwar wurde mit Unterstützung eines För­dervereins noch ein Schullandheim außerhalb der Stadt gegründet, in dem sich die Klassen mit Aufenthalten abwechselten, trotzdem verschwand 1933 der letzte Rest von Reformpädagogik im Gaudig’schen Sinne an seiner Wirkungsstätte.[9]

Obwohl viele Lehrer seiner Zeit von Gaudig beeinflusst waren, haben sich dennoch nur zwei Personen aus dem Kreise rund um Gaudig um dessen Erbe bemüht und sich bei der Weiterentwicklung seiner Ideen besonders hervorgetan: Lotte Müller (1893 – 1972) und der spätere Pädagogikprofessor Otto Fritz Scheibner (1877 – 1961). Dass diese beiden Pädagogen sich über die Weiterentwicklung der Konzepte Hugo Gaudigs uneinig waren, machte die Weiterverbreitung nicht leichter.[10] Dazu kommt eine kleine Editionslage der Schriften Gaudigs[11] ebenso wie die Tatsache, dass Gaudig keine neue Schulorganisation wie Kerschensteiner mit der Berufsschule oder Lietz mit den Landerziehungsheimen geschaffen hat.[12] Insoweit verwundert es nicht, wenn in der heutigen Diskussion über mögliche Schulreformen sein Name kaum zu verneh­men ist.

3. Die Pädagogik Hugo Gaudigs

Die pädagogischen Ansätze Hugo Gaudigs sind nicht ohne weiteres darzulegen. Dies hat mehrere Gründe: So war Gaudigs schriftlicher Stil essayistisch, er wiederholte sich und blieb trotz mancher Überbetonungen oft unscharf in seinen Formulierungen und Begrifflichkeiten.[13] Trotzdem soll hier der Versuch unternommen werden, die Pädagogik im Sinne Hugo Gaudigs darzustellen. Dies ist in diesem Umfang notwen­dig, um im Folgenden die Frage zu klären, ob diese Ansätze auf die heutige Form der Berufsschule zumindest teilweise übertragbar sind.

3.1 Grundzüge

Gaudigs pädagogisches Konzept ist - wie die meisten anderen reformpädagogischen Ansätze - als Protest gegen den damals herrschenden Unterrichtsstil erwachsen. Auch weil er als Direktor weiterhin unterrichtete und sich in regem Austausch sowohl mit seinen Kollegen an der Schule wie auch mit anderen Pädagogen seiner Zeit be­fand, konnte er seine Überlegungen in der Praxis testen und weiterentwickeln. Die damals vorherrschende Form einer Lernschule, in der der Lehrer Mittelpunkt und treibende Kraft war, missfiel ihm, zumal dadurch der Schüler in eine weitgehende Passivität gezwängt wurde. Es ging ihm nicht in erster Linie um Wissen, die Anwen­dung und das Methodenlernen stellte er in den Vordergrund. Wichtig dabei war ihm z. B. die „Schülerfrage“, die im Gegensatz zur Lehrerfrage eine von Innen kommende Aktivität des Schülers voraussetzt. „Die Kraft und die Fähigkeit, die Technik und die Freude des selbständigen Lernens und Arbeitens sollen beim Heranwachsenden in der Schule und von der Schule sogar zentral beachtet und gefördert werden. Also nicht nur das Was, sondern auch das Wie dieses Lernens in der Schule soll ihm im Leben nach der Schulzeit unmittelbar zugute kommen.“[14] So ist es nicht verwunder­lich, dass, wenn von der Pädagogik Hugo Gaudigs die Rede ist, Schlagwörter wie „freie geistige Arbeit“, Selbsttätigkeit und Persönlichkeitsbildung fallen.

Sein Credo war, dass nur Schüler, die gelernt haben, selbständig Aufgaben zu meistern, in der Schule für das Leben vorbereitet werden und zu eigenständigen Persönlichkeiten reifen können.

3.2 Die Arbeitsschule

Von vielen Autoren wird Gaudig in die Reihe der Anhänger der Arbeitsschulmethode gestellt. Er selbst hat ebenfalls dazu beigetragen, indem er erstmals 1909 in seinem Werk „Didaktische Präludien“ seine pädagogische Richtung als „Arbeitsschule“ titu­lierte. Wenn Gaudig allerdings überhaupt in diese Kategorie verschiedenster Reform­pädagogen[15] einzuordnen ist, so nimmt er sicherlich eine Sonderstellung ein, zumal auch die Einteilung der verschiedenen Richtungen innerhalb der Arbeitsschulbewe­gung umstritten ist. Odenbach spricht von drei (deutschen) Richtungen[16], Hackl hinge­gen beschreibt und analysiert sechs exemplarische und historische Konzepte, die hier wegen ihrer Internationalität aufgeführt werden sollen[17]:

- Kerschensteiners Konzept der Arbeitsschule
- Die Arbeitsschulkonzeption der Persönlichkeitspädagogik (u. a. Gaudig)
- Das Konzept des Handarbeitsunterrichts nach Oskar Seinig
- Die Arbeitsschulkonzeption der österreichischen Schulreform
- Paul Oestreich und der Bund entschiedener Schulreformer
- P. P. Blonskis Modell der polytechnischen Arbeitsschule

Wie groß die Diskussion um die Begriffe Arbeitsschule und Arbeitsunterricht zu der damaligen Zeit war, zeigt exemplarisch Art. 148 der Weimarer Reichsverfassung von 1919. Dort heißt es u. a.: “Staatsbürgerkunde und Arbeitsunterricht sind Lehrfächer der Schulen.“[18] Der geforderte Arbeitsunterricht zielte aber offensichtlich eher auf manuelle Tätigkeiten ab, wie sie z. B. Kerschensteiner verlangte. Obwohl Kerschensteiner wie auch Gaudig nicht aus der Arbeiterbewegung entstammten und diese teilweise sogar hart zurückwiesen[19], unterscheiden sich auch deren Ansätze fundamental. Höhepunkt der Auseinandersetzung dürfte sicherlich das direkte Auf­einandertreffen der beiden Pädagogen auf dem ersten deutschen Kongress für Ju­gendkunde und Jugendbildung gewesen sein, wo beide ihre Überlegungen zur „Ar­beitsschule“ ausführen durften. In einem Vorbericht zu diesem Kongress verurteilt Gaudig die von Kerschensteiner geforderte einseitige Handfertigkeit ebenso wie des­sen Ziel, zum guten Staatsbürger zu erziehen[20]. Weiter heißt es darin wörtlich: „Nicht staatsbürgerliche, sondern Persönlichkeitserziehung! Aus diesem Grundsatz folgt der andere: Die Schule hat für alle Lebensgebiete vorzubereiten, und zwar so, dass alle zu dem ihnen eingeborenen Rechte kommen, nicht so, dass sie von einem einzelnen Gebiet, dem Berufsleben, ihr Recht zu Lehn tragen. So fordert z. B. das Lebensgebiet der Bildung die Lese- und Schreibkunst um seinetwillen und braucht nicht zu warten, bis diese Künste gelegentlich um der manuellen Ausbildung willen als nötig erschei­nen.“[21]

Nachfolgend diesem Kongress spricht Gaudig selbst auch weniger von (geistiger) Arbeitsschule, vielmehr umschreibt er sein Modell mit den schon gefallenen Schlag­wörtern freie geistige Arbeit, Selbsttätigkeit und Persönlichkeitsbildung. Dass Gau­digs Pädagogik bis heute in die Kategorie „Arbeitsschule“ eingeordnet wird, liegt wohl auch daran, dass u. a. Otto Scheibner, einer der Nachfolger Gaudigs, weiter konse­quent von „Arbeitsschule“ sprach.[22]

In einer Tabelle sollen zusammengefasst die entscheidenden Unterschiede zwischen Kerschensteiner und Gaudig herausgestellt werden, auch um Gaudigs Kernaussagen seines Denkens besonders deutlich zu machen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1, Unterscheidung Kerschensteiner - Gaudig[23]

3.3 Teilaspekte der Pädagogik Hugo Gaudigs

Dass Gaudig weder ein Fach „Arbeitskunde“, noch eine auf manuelle Tätigkeit bezo­gene Schulbildung im Sinn hatte, wurde bereits erwähnt. „Man frage auch einmal unsere Industriearbeiter, was sie von der Schule fordern, gewiss nicht manuelle, sondern geistige Bildung, mit der sie die Macht und den Genuss der Bildung erwer­ben können.“[24] Obwohl er handwerkliche Tätigkeiten nicht grundsätzlich ablehnte[25], so hatte er doch ein fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip – ein Formalprinzip – im Auge, das nicht nur der geistigen Bildung den Vorrang gab, sondern vor allem die Selbständigkeit und die eigenständige Persönlichkeit als Endziel der gesamten Schul­arbeit im Blick hatte. „Ziel unserer Arbeit ist nicht die Bewältigung eines großen toten Lernstoffs, sondern der Erwerb einer lebendigen Kraft.“[26] Dieses Ziel bedeutete eine umfassende didaktisch-methodische Umstrukturierung des Unterrichts.

Anhand von einigen zentralen Begriffen soll im Folgenden die Pädagogik Hugo Gaudigs näher bestimmt werden:[27]

- Schule der Selbsttätigkeit
- Schüler als Subjekt
- Lernen als planmäßiger und geistiger Arbeitsvorgang (Lernen des Lernens)
- Arbeitstechnik als Lernmittel des Schülers
- Lehrer als zurückhaltender Anreger und Begleiter
- Die Schule als Heimat
- Das Ziel der Persönlichkeitsbildung

3.3.1 Schule der Selbsttätigkeit

Die Selbsttätigkeit war das Grundprinzip Hugo Gaudigs und sollte die gesamte Schul­arbeit umfassen. Er selbst schrieb dazu: „Die gesamte Disposition, die wir für die sich bildenden Zöglinge jeder Schule (auch der Volksschule) anstreben, kann nur dann verwirklicht werden, wenn die gesamte Bildungsarbeit nach dem Prinzip der Selbst­tätigkeit organisiert ist. Selbsttätigkeit ist das Kennwort der Methodik der von uns geforderten Schule der Zukunft. Durch Selbsttätigkeit wird die Schule zur ‚Arbeits­schule’, d. h. zu der Schule, in der die selbständige Tätigkeit des Schülers die we­sentliche, den Charakter der Schule beherrschenden Tätigkeitsform ist. Selbsttätig­keit fordere ich für alle Phasen der Arbeitsvorgänge; beim Zielsetzen, beim Ordnen des Arbeitsgangs, bei der Fortbewegung zum Ziel, bei den Entscheidungen an kriti­schen Punkten, bei der Kontrolle des Arbeitsganges und des Ergebnisses, bei der Korrektur, bei der Beurteilung soll der Schüler freitätig sein.“[28] An anderer Stelle fasst Gaudig zusammen: „Selbsttätigkeit ist die Grundform der Tätigkeit in der Schule.“[29]

Der ebenfalls mit Gaudig verbundene Leitbegriff „freie geistige Arbeit“ manifestierte sich in seinem Werk „Freie geistige Tätigkeit in Theorie und Praxis“. Die schrittweise Hinführung des Schülers zur eigenständigen Arbeit war für Gaudig zentral, der Lehrer sollte nach und nach in den Hintergrund rücken. „Freie geistige Arbeit ist die Art des Arbeitens, bei der der gesamte Arbeitsvorgang von der Stellung bis zur Lösung der Frage von der Eigenmacht des Schülers getragen wird. Diese Art des Arbeitens be­ruht naturgemäß auf einer allgemeinen geistigen Zuständlichkeit; aber nicht etwa auf einer kalt-intellektuellen, sondern auf einer auch vom Gemüts- und Willensleben her stark beeinflussten Disposition; zuhöchst ist die Zuständlichkeit, aus der sich die freie geistige Tätigkeit entwickelt, eine wesentliche Disposition der werdenden Persönlich­keit; das heißt aber zugleich auch eine vom nationalen und menschheitlichen Kultur­prozess geforderte Geisteslage.“[30] An anderer Stelle: „Soll der Schüler nicht des Ansto­ßes von außen (des Fremdimpulses) fortgesetzt bedürfen, soll er den Anstoß durch die Frage, den Befehl, die Aufforderung entbehren lernen, so muss er sich selbst zu all den Tätigkeiten bestimmen lernen, die der Arbeitsvorgang fordert; er muss lernen, arbeiten zu wollen.“[31]

Hier wird klar, dass Gaudig mehr fordert als von außen bestimmte Selbsttätigkeit. Die Schüler sollten sich auch gefühlsmäßig mit dem Stoff verbunden fühlen, ebenso die Selbsttätigkeit aus eigenem Antrieb heraus befürworten, fordern und umsetzen. So kam es nicht selten vor, dass Probleme oder Anregungen der Schüler als Themenge­biete im Unterricht aufgegriffen wurden.

„Weil die Arbeitsschule auf dem Grundprinzip der selbständigen Arbeit aufgebaut ist, gibt sie unseren an schweren Fragen so überreichen Zeit das, was sie bedarf: Men­schen, die zum Selbstdenken bereit sind.“[32] Auch mit diesem Zitat tritt eine Zielset­zung von Gaudig in den Blickwinkel, der sich zu Kerschensteiners Ideal eines guten Staatsbürgers abgrenzt. Hier wird deutlich, dass Gaudig das Ideal der freien Persön­lichkeit höher als die der staatstragenden Gesinnung ansetzt. Dass Gaudig dabei keine revolutionären Gedanken im Sinn hatte, muss hier allerdings auch erwähnt werden. Eine grundlegende Veränderung der Gesellschaftsform war nicht sein Ziel.[33]

3.3.2 Schüler als Subjekt

Eine Forderung Gaudigs war es, den Schüler vom Objekt zum Subjekt zu machen: „Nicht als Objekt einer fremden Tätigkeit, sondern als selbstwirkendes Subjekt (als ‚Täter seiner Taten’) kommt der Schüler in Frage.“[34] Nicht um die zumindest damals uneingeschränkte Autorität des Lehrers sollte sich der Unterricht drehen, sondern der Schüler wurde in den Mittelpunkt gerückt. Folgerichtig verlangte er von den Lehrern eine Einschätzung der Ausgangslage und die Definition von erreichbaren Erziehungs­zielen für jede Schülerin.[35] Für die Einschätzung von Schülern bediente sich Gaudig u. a. damals aktueller Erkenntnisse der Psychologie.[36]

Die Impulse für die selbsttätige Arbeit sollten von den Schülern kommen. Aus deren Fragen, Gedanken und Anregungen aus allen Lebensbereichen und den Fragen, die sich bei der Auseinandersetzung mit dem Stoff ergaben, sollten Aufgaben formuliert, bearbeitet und gelöst werden. Als zentral sah Gaudig hierbei die Schülerfrage an. An der Kritik der Lehrerfrage sparte er nicht:[37]

- Wenn der Lehrer fragt, so ist es der Lehrer und nicht der Schüler, der das Prob­lem aufstellt.

- Der Antrieb zur Denkarbeit geht bei der Frage vom Lehrer und nicht vom Schüler aus.

- Die Frage zwingt den Schüler in eine bestimmte Denkrichtung und nimmt ihm so die Freiheit der geistigen Bewegung.

- Die Frage ist nach einer bekannten, allerdings nicht eben erfreulichen Begriffsbe­stimmung ein unvollständiges Urteil mit der Forderung, das absichtlich noch un­bestimmt Gelassene zu bestimmen. […]

- Die Frage ist ein zu starker Denkreiz, der gegen die Denkreize, die in dem Unter­richtsstoff selbst liegen, leicht abstumpft.

- Die Frage des Lehrers erstickt den Fragetrieb des Schülers, einen der wertvollsten Triebe des jugendlichen Intellekts […]

- Die Frageform ist eine künstliche Form der Erregung geistiger Energie; eine Schul­form, die das Leben so gut wie gar nicht kennt. […]

Bei dieser Kritik wird deutlich, dass Gaudig die in der damaligen Zeit übliche Lehrer­frage, sei es nun im Rahmen des Frontalunterrichts oder auch im Gespräch, als „Feind der Selbsttätigkeit“[38], also gegen eines seiner pädagogischen Hauptziele, an­sah. Ganz anders verhält es sich laut Gaudig mit der Schülerfrage, die allerdings erst wiederentdeckt und nach und nach von Seiten des Lehrers verbessert werden muss: „Darum gilt es, den Fragetrieb in Zucht zu nehmen und zu veredeln. Es gilt nicht mehr und nicht minder, als dem Schüler nach und nach zu einer Methode des Fra­gens zu verhelfen und so die Frage zu einem wertvollen Mittel der Bildung, und zwar der Selbstbildung, zu machen.“[39] Gaudig hatte hier nicht nur die Frage vom Schüler an den Lehrer im Auge, er sah die Fragen an sich selbst und an die Mitschüler min­des­tens als ebenso wertvoll an. Denn dadurch wechseln ständig die Rollen, Fragende werden zu Antwortenden und umgekehrt. Schlussendlich wird dadurch die Klasse zu einer geistigen Arbeitsgemeinschaft, in die der Lehrer nur noch bedingt einzugreifen hat.[40]

Die im Unterricht zu bearbeitenden Themen sollen mit steigender Reife der Schüler auch immer mehr von diesen kommen. Zusammen mit der Forderung der eigenen Meinungs- und Urteilsbildung der Schüler heißt es hierzu bei Gaudig: „Alle Klassen­genossen müssen sich zur eigenen Meinung berechtigt und verpflichtet fühlen; […] Also: wenn es gilt, ein Arbeitsziel zu stecken, dann werde jeder Klassengenosse sich seines Rechts und seiner Pflicht bewusst, Vorschläge zu machen und der Klasse die Aufgabe zu stellen.“[41] Das oberste Ziel, die Persönlichkeitswerdung, durfte dabei aber nicht außer Acht gelassen werden. Insoweit ist Gaudig nicht zu den Intuitionspäda­gogen zu rechnen, deren Anliegen es ist, nur die von Schülerseite kommenden The­men aufzunehmen.[42]

3.3.3 Lernen als planmäßiger und geistiger Arbeitsvorgang

Die Ideen von Ellen Key, berühmt geworden durch ihre Forderung der Pädagogik vom Kinde aus, waren Gaudig zwar bekannt, dieser radikale individualistische Ansatz war ihm aber fremd. In seinen Augen musste sich Pädagogik nicht nur am Kinde, sondern auch an der Umwelt, Gaudig spricht hier meist von „Kultur“, orientieren.[43] Die Persönlichkeitsbildung ist laut Gaudig nur möglich, wenn der Lehrer behutsam leitet und die Schule eine aktive und günstige Atmosphäre bietet. So schreibt er in einem Aufsatz über Ellen Key: „[Ellen Key] hat nur ein Abstraktum von Kind im Auge: sie kennt nur das mit unwiderstehlicher Kraft sich auslebende, nicht das ängstliche, schüchterne, nicht das in sich zwiespältige und darum im Ausleben gehemmte Kind. Der unselige Nietzschesche ‚Wille zur Macht’ ist die Daseinsformel jenes Abstrak­tums.“[44] Gaudigs Ziel ist es daher, der Erziehung einen kulturellen Rahmen zu geben, den der Lehrer vorgibt und in dessen Schranken sich die Schüler frei entfalten kön­nen.

Um sich dort aber entfalten zu können, braucht der Schüler gewisse Werkzeuge: „Haftete dem Wort ‚lernen’ nicht das Gefühl der Enge an, so könnte man sagen, in der Arbeitsschule lerne der Schüler zu lernen.“[45] An anderer Stelle heißt es: „Wir müs­sen aufhören, so viel am Stoff und so wenig mit dem Stoff zu arbeiten.“[46] U. a. so beschreibt Gaudig seine Forderung, dass weniger das Wissen – das ihm durchaus als wichtig erschien[47] – sondern vielmehr die Möglichkeit des Wirkens oder Arbeitens den Schülern an die Hand gegeben werden sollte. Die Weitergabe vieler Arbeitstech­niken, die dem Schüler dabei helfen können, sich selbst Informationen und Wissen anzueignen, steht daher viel mehr im Vordergrund: „Dieses Vermitteln der Technik bedeutet natürlich nicht ein Eindressieren auf irgendein Verfahren: vielmehr müssen die Schüler, so früh wie möglich, Einsicht in die mit ihnen eingeübte Technik gewin­nen, damit sie die Technik bewusst und planmäßig anwenden und sie an ihre Indivi­dualität, an ihr wachsendes Können und wechselnden Stoff anpassen können. Nichts Schlimmeres, als wenn der Schüler ein stets bereites Schema wahllos anwendet. […] Die Gängelei durch den Lehrer ist ein großes Übel, schablonenhaftes Arbeiten das andere.“[48]

Bei der Ablehnung von schablonenhaftem Denken wundert es nicht, dass Gaudig den Herbartianismus in der damals vorherrschenden Form zurückwies, er selbst hatte mögliche Arbeitsschritte nicht konsequent gegliedert. Scheibner, dem damaligen Mit­streiter und Kollegen Gaudigs, blieb es vorbehalten, eine Grundform des Arbeitsvor­gangs vorzustellen. Man kann davon ausgehen, dass dies mit Einverständnis von Gaudig erfolgte, da diese Aufzählung Scheibners in Gaudigs Sammelschrift zur ers­ten Pädagogischen Woche in Leipzig abgedruckt wurde und Gaudig selbst Ähnliches pub­lizierte:[49]

1. Es wird ein Arbeitsziel gesetzt oder eine gestellt Arbeitsaufgabe in den Willen aufgenommen und erfasst.

2. Es werden die Arbeitsmittel aufgesucht, bereitgestellt, auf ihre Verwendbarkeit geprüft, ausgewählt und geordnet.

3. Es wird ein Arbeitsweg als Plan entworfen und in Arbeitsabschnitte gegliedert.

4. Es werden die einzelnen Arbeitsteile und Arbeitsschritte als in sich selbstän­dige Teile ausgeführt und in Verbindung gehalten.

5. Es wird das Arbeitsergebnis erfasst, besehen, geprüft, beurteilt, gesichert, einge­ordnet, ausgewertet.

Solch eine Gliederung in Arbeitsstufen scheint sehr starr, und so macht Scheibner auch deutlich, dass hier Abwandlungen möglich und nötig sind und es sich keines­wegs um ein unveränderbares System handelt.[50] Dass solche Abfolgen trotzdem Kri­tik von außerhalb hervorgerufen haben, ist gerade im Hinblick auf die titulierte Ableh­nung von Formalstufen durchaus verständlich.[51] Die Abkehr von Stufen scheint daher zumindest fraglich, der bedeutende pädagogische Gedanke dabei ist daher ein an­derer: die Überführung dieser Schritte in die Hand der Schüler. Es geht also nicht mehr darum, dass der Lehrer Arbeiten vorgibt, kontrolliert und bewertet, alle diese Schritte können nach und nach in die Hände der Schüler übergeben werden.

Im Gegensatz zu vielen anderen Reformpädagogen tritt Gaudig durchaus für ein Stoff- bzw. Fächerprinzip in seiner Schule ein. Dabei stellt er klar heraus, dass trotz eigenständiger Fächer hier eine enge Verzahnung stattfinden muss.[52] Er fordert die Beibehaltung von Fächern gerade in den höheren Klassen, um einen Anschluss an die Wissenschaft zu finden und den Auf- und Ausbau der Arbeitsvorgänge hinsichtlich des Fortschritts und der Entwicklung der Schüler nicht zu gefährden. Zugleich spricht er sich für neue Fächer aus, von denen er sich eine besondere Gegenwartsbezogen­heit verspricht, u. a. sind dies Fächer wie Psychologie, Volkswirtschaft und moderne Fremdsprachen.[53] Diese Fächer sollen u. a. erreichen, dass seine Schüler auf die wei­teren Lebensgebiete,[54] die Gaudig als zentral ansieht, besser als bisher vorbereitet werden. Wiederum in einem eigenen Fach, dem sog. Kulturfach, sollten die Bildungs­elemente der verschiedenen Fächer zusammengefasst werden. „Es wird eine der Hauptaufgaben des Lehrplans sein, dass durch planmäßiges Zusammenarbeiten ver­schiedener Fächer kulturell wichtige Wirklichkeitszusammenhänge erfasst und durch­gearbeitet werden. […] Durch die ganze Schulzeit muss dieser Gesamtunterricht durchgeführt werden, aber nicht so, dass man den Fachunterricht verdrängt, ohne den heillosen Dilletantismus über die deutsche Schule hereinbricht, sondern so, dass man das Prinzip des konzentrierten Unterrichts mit dem des Fachunterrichts zu planmäßiger Architektur verbindet.“[55]

Neben der Beibehaltung des Fächerprinzips duldet Gaudig auch keine Aufhebung des Klassenverbandes. Folgende Punkte für eine feste Klassengemeinschaft spricht er u. a. an:[56]

- wechselseitige Anregung
- aufgrund der Arbeitsteilung keine Überanstrengung des Einzelnen
- Möglichkeit der Aussprache
- Schätzung des Wertes Anderer
- Förderung der Toleranz
- förderliches Klima zum Debattieren und Diskutieren
- geistige Beweglichkeit
- insgesamt ein hohes Gesamtprodukt geistiger Arbeit
- Selbstregulierung bei Arbeitsanstrengungen zwischen höher und weniger gut be­gabten Schülern, sodass jeder seinen Teil zur Gesamtarbeit beiträgt

- Klasse entwickelt sich zur „sozialethischen Persönlichkeit“

Strafen in der Schule von Gaudig kamen durchaus vor. Dass eine straffreie Schule auch nicht das Anliegen Gaudigs war, kann hieraus gedeutet werden: „Verfehlen die Schülerinnen gegen die für die einzelnen Lebensgebiete geltenden Normen, so ist bei der Gegenwirkung der Schule (durch Tadel, Strafe, usw.) die Eigenart des Lebensge­bietes […] zu berücksichtigen.“[57]

Gaudig war nicht nur ein Verfechter von Klassenstrukturen und Strafe, sondern auch ein Anhänger der Einzelarbeit. Dass Gaudig als Ideal weniger Gruppen- oder Partner­arbeit im Sinn hatte, streicht er immer wieder heraus: „Das Absehen der Arbeitser­ziehung ist auf den einzelnen Schüler gerichtet; auf den einzelnen, das kann nicht stark genug betont werden. Der einzelne Schüler, der in der Schule oder im Hause für sich alleine sich seine Aufgabe stellt, für sich alleine mit Besonnenheit die Wege der Lösung erwägt, für sich alleine wählt, probiert, verwirft, neu wählt, in eigener Kraft die Stimmungsflauten überwindet, selbst sein Werk prüft und nach dem Maß seiner Einsicht, aber eben mit seiner Einsicht, korrigiert; dieser einzelne Schüler ist es, dem letztlich unser Bemühen gilt. Die Zielsetzung ist also durchaus individualis­tisch, nicht kollektivistisch.“[58] Im Unterricht wurden daher große Stoffkomplexe oft­mals auf Einzelthemen herunter gebrochen, die jeder Schüler selbständig bearbei­tete. Diese Einzelergebnisse wurden in der Klasse später z. B. in Form von Foren, Diskussionen, Vorträge oder gesammelten Stoffheften zusammengetragen.

3.3.4 Lehrer als zurückhaltender Anreger und Begleiter

Von dem idealen Lehrer an seiner Schule hat Gaudig eine genaue Vorstellung: „Na­turgemäß wenden sich gegen uns alle, die für den Lehrer das Recht möglichst star­ker Einwirkung auf die Schüler, möglichst starker Auswirkung seiner Kräfte in An­spruch nehmen, die sich im Verkehr mit ihren Zöglingen nicht auf Zurückhaltung ein­stellen können und nicht die Hemmungsenergie besitzen, ohne die bei den Schülern freie geistige Tätigkeit und Entwicklung von innen her in Eigenkraft unmöglich ist. Wir haben keinen Raum für den Fragekünstler, für den Meister der Antriebe, für den geistigen Führer, der die Schüler in seine Geistesbewegungen hineinreißt, der als eigentliche persona agens vor den Schülern, allenfalls mit den Schülern handelt. Der Lehrer, der uns als Leitbild vorschwebt, ist ein Helfer der Selbstentfaltung seiner Zöglinge; er steht im Dienst der werdenden Persönlichkeit. Die bei dieser Zielsetzung des Lehrerberufs erforderliche Arbeit, wie z. B. die starke wissenschaftliche Arbeit, die das Fragerecht des Schülers fordert, oder die planmäßige Anlage der Lehrgänge, ist unscheinbar, weil sie im Verborgenen geschieht. Der Lehrer, den wir fordern, steht nicht dauernd als Mittler zwischen dem Zögling und dem Objekt; er muss im­merfort bemüht sein, sich auszuschalten zugunsten des unmittelbaren Verhältnisses der Schüler zum Objekt.“[59] An anderer Stelle: „Dem Lehrer aber muss die Methode, seinen Zöglingen zur Methode zu führen, eigen sein.“[60] Hier wird ein Lehrerbild ge­zeichnet, dass für die damalige Zeit nicht nur sehr ungewöhnlich war, sondern es verlangte von den Lehrern ein völlig anderes Verhalten, und zwar aus gutem Grund: „Nicht der Lehrer vermag zur Persönlichkeit zu erziehen, dem über seiner Schülerzahl ein abstraktes Allgemeinideal schwebt, sondern nur der, dem sich die gegebenen Individualitäten in seiner schaffenden Phantasie zu idealen Persönlichkeiten verklä­ren, deren Bilder er bei seiner Arbeit als Leitbilder schaut.“[61] Die mit der wachsen­den Reife der Schüler zunehmende Zurückhaltung des Lehrers war die Vorausset­zung, um freie geistige Arbeit und Selbsttätigkeit in der Klasse zu gewährleisten. Als Gaudig mit der Ernennung zum Direktor die Möglichkeit dazu bekam, holte er Leh­rerpersönlichkeiten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, die seinen diesbe­züglichen Anforderungen genügten. Interessant dabei ist, dass Gaudig trotzdem ebenso Lehrer an seiner Schule beschäftigte, die seine Pädagogik ablehnten.[62] Man kann darüber spekulieren, dass Gaudig die Diskussion mit diesen Lehrern suchte, um seine eigenen Vorstellungen mit Kritikern immer wieder erörtern zu können.

„Hat sich die bisherige Didaktik damit beschäftigt, das Sprechen, Lesen, Rezitieren, Erzählen, Beschreiben, Schildern, Erläutern, Entwickeln, Korrigieren, Prüfen und die anderen Tätigkeiten des Lehrer zu normieren, so muss m. E. die neue Didaktik dar­auf denken, wie der Schüler in allen diesen Tätigkeiten geschult wird, und zwar so geschult wird, dass er ihrer mächtig ist, dass er sie freitätig gebrauchen kann, dass er sich zu ihnen kontrollieren, sich nach ihnen, auf sie besinnen kann.“[63]

In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass Gaudig Noten im klassi­schen Sinne ablehnte. Prüfungen indes sollten durchaus nach gewissen Abschnitten erfolgen und nicht nur das „Wissen“, sondern das „Können“ belegen: „Ein Abfrage­examen, bei dem nicht festgestellt werden soll als das eine, ob das Wissen ‚sitzt’, ist für uns natürlich ein Unsinn, ein Schlag in das Gesicht unserer Gesamtanschauung von Geistesbildung. Wir wollen aber durchaus nicht um der Freiheit willen die Besei­tigung der Prüfungen; […]. Wir wollen eine Prüfung, in der die Fähigkeit selbständi­ger Arbeit ermittelt werden kann. Die Prüfung ist uns der Erweis geistiger Kraft; die­ser Erweis aber ist zugleich ein Erweis des Wissens, denn ohne Wissen ist geistige Kraftentfaltung unmöglich.“[64] Dementsprechend wurden die Prüfungen nicht nur in der eigentlichen Schule, sondern auch bei den angehenden Lehrerinnen am ange­gliederten Seminar verändert. Schwerpunkt war dort nicht mehr das Wiederholen von Wissen, sondern es war vielmehr Aufgabe, arbeitendes Wissen so zu verwerten, dass neues Wissen ohne Fremdhilfe gewonnen werden konnte.[65]

3.3.5 Schule als Heimat

Aus eigener Erfahrung wusste Gaudig, dass Schüler durchaus nicht immer die Schule lieben. Genauso war ihm klar, dass viele Schüler klar zwischen anderen Lebensberei­chen und der Schule unterschieden und damit sein Ziel, dass Schule auf alle Le­bens­bereiche vorbereiten soll, so nicht möglich war. Ein besonderes Anliegen Gaudigs war es deshalb, jedem Schüler das Gefühl von Heimat und Geborgenheit in seiner Schule zu bieten.[66] Aktiv gestaltete gemeinsame Schulfeste, Wanderungen, Neugestal­tung der Klassen- und Schulräume, Spiele, Ausflüge inkl. intensiver Vor- und Nachberei­tungen und die Einbindung der Eltern weit über das normale Maß hin­aus waren wei­tere Merkmale, die die Bindung aller Beteiligten (Schüler, Eltern, Leh­rer, sonstiges Personal) an die Schule erhöhten und Berührungspunkte mit möglichst vielen Le­bensbereichen ermöglichen sollte.[67] Die Lehrbücher der damaligen Zeit miss­fielen Gaudig, so wurde nicht nur die Schulbibliothek erheblich erweitert, son­dern auch der Besuch in öffentlichen Bibliotheken und die Arbeit in Museen geför­dert. Des Weiteren verfasste das Lehrerkollegium gemeinsam ein mehrstufiges Lese­buch.[68] Diese Bei­spiele sollen zeigen, wie umfassend nicht nur der eigentliche Unter­richt reformiert, sondern auch eine förderliche Umgebung mit allen Betroffenen zu­sammen gestaltet wurde. Gaudig wollte aus einer „Anstalt“ eine „Kultur-, Arbeits-, Erlebnis- und Ge­meinschaftsschule“ machen.[69] Weiterhin wird sichtbar, dass die gefor­derte Zurückhal­tung der Lehrer im Unterricht einherging mit der Umgestaltung vieler an­derer Aspekte der schulischen Erziehung. Demzufolge bleibt bei Gaudig Er­ziehung aktives Handeln.[70]

Mit dieser Umgestaltung einher ging allerdings nicht die Erweiterung der Mitbestim­mungsrechte der Schüler über die Klasse hinaus. Gaudig wies eine Selbstregulierung z. B. in Form von Schülergerichten und -parlamenten zurück. „Wir fordern aber, dass mit der Idee der wollenden, der sich selbst bestimmenden Klasse Ernst gemacht werde. Wir wollen die Selbstbestimmung also nicht für die gesamte Schülerschaft einer Schule, für die ganze Schulgemeinde, sondern nur für die Klasse.“[71] Und weiter heißt es: „Selbstverständlich handelt es sich hier [bei der Selbstregulierung der Klasse] nicht um eine absolute Selbstbestimmung, denn das Gesetz der Schule und der Wille des Lehrers sind die Schranken des Willens der Klasse bei der geistigen Ar­beit.“[72] Hier zeigt sich eine klare Abgrenzung zu vielen anderen Reformpädagogen, die der Selbstverwaltung und einer Demokratisierung der Schule offen gegenüber­standen. Auch wird gerade im letzten Satz deutlich, dass die letztendliche Entschei­dung des Lehrers – auch im Gegensatz zu anders lautenden Bekundungen Gaudigs – über dem Willen der Klasse steht.[73]

3.3.6 Das Ziel der Persönlichkeitsbildung

Auch wenn in der Zeit des ersten Weltkrieges Gaudigs Ziel einer Erziehung zur Per­sönlichkeit hinter ein starkes Nationalgefühl zurückweichen musste,[74] so verfolgte Gaudig vor und nach dem Krieg sein Ziel der „Persönlichkeitsbildung“ mit aller Über­zeugung. Gaudig schrieb, auch in Abgrenzung zu Kerschensteiner, dazu: „Die Erzie­hung zum Staatsbürger ist nur eins der Ziele der Erziehung: es ist besonders bedeut­sam in unserer Zeit, aber es ist nur ein, neben dem so gewiss andere Ziele als selb­ständige Ziele bestehen, als es neben dem staatsbürgerlichen Lebensgebiet noch andere Lebensgebiete gibt, die zwar zu jenem in Wechselbeziehung stehen, aber doch durchaus autonom sind; ich nenne das Gebiet des Berufslebens, des Familien­lebens, des Bildungslebens, des religiösen Lebens. Das einigende Prinzip […] liegt in keinem Gebiet, sondern in der Persönlichkeit, in dem Menschen, der auf allen diesen Gebieten sich betätigt.“[75] In der Vergangenheit wurde hier ein einseitig individualisti­sches Erziehungsziel von Gaudig hineininterpretiert, dem ist zu widersprechen.[76] Sein Persönlichkeitsbegriff umfasst:[77]

- die stete Auseinandersetzung mit den Lebensbereichen, d.h. mit allen großen Sinn- und Anspruchsbereichen, den drängenden Aufgaben- und Verantwortungs­feldern,

- das bewusste Leben in der Gegenwart, inklusive der Ansprüche und Forderungen an dieses Leben,

- eine aktive und selbständige Existenz mit bewusstem und klarem Verhältnis zu sich selbst, in Selbstbemühung und Selbstgestaltung, in Autonomie an sich arbei­tend und

- bewusst auch die Gemeinschaft, von der sie sich mit in den Dienst genommen fühlt und dort einsetzt, aus einer selbständig-autonomen Haltung heraus.

Sein (gewünschter) Persönlichkeitsbegriff bleibt also nicht in einer Individualität ste­cken, sondern ist vielmehr ein Resultat aus Individuum und der aktiven Auseinander­setzung mit der Umwelt. Dazu muss aber ein weiterer Gesichtspunkt kommen: Gaudigs Vorstellung der Erziehung mit Hilfe objektiver Werte. Diese Werte wiederum lassen sich aus dem Ist-Zustand der Lebensbereiche – daher die Forderung nach neuen Unterrichtsfächern – wie auch einem künftigen Idealzustand dieser Gebiete ableiten. Gaudig selbst spricht im Zusammenhang mit dieser idealisierten Zukunft vom Kulturprozess.[78] Eine Stoffauswahl im Unterricht muss sich dementsprechend auch daran orientieren, dass wertvolle Kulturgüter transportiert werden.

Trotz der Betonung der Persönlichkeit - oder gerade deswegen - ist Gaudigs Erzie­hung so auf das Individuum konzentriert, da nur eine starke Persönlichkeit sich in Gruppen behaupten, sich dieser bewusst machen und womöglich stärken kann. Gaudig selbst schreibt dazu: „Persönlichkeit trägt hinaus über den Egoismus, denn das Ideal des Ichs, nicht das Glück des gegebenen Ichs ist das Ziel allen persönlichen Handelns.“[79]

3.3.7 Zusammenfassung

Eine kritische Würdigung des Gesamtwerkes Hugo Gaudigs kann im Rahmen dieser Arbeit naturgemäß nicht erfolgen.[80] Die recht schematische Darstellung vieler Einzelas­pekte dieses Pädagogikmodells macht es insoweit für die die folgenden Ka­pitel einfacher, dass Vergleiche gezogen und herausgearbeitet werden können. Für eine umfassendere Übersicht stehen allerdings wenige Werke der Sekundärliteratur zur Verfügung, ein umfassendes und neutrales Aufarbeiten der Verdienste Hugo Gaudigs steht noch an. Drei Bestimmungsmerkmale lassen sich dennoch definieren:[81]

- Der Mensch ist handelndes Subjekt, nicht Objekt. Daher kann und muss er Verant­wortung übernehmen.

- Da der Mensch Individuum ist, gilt es, seine Würde und Einzigartigkeit anzuerken­nen.

- Als aktives Wesen kann der Mensch sich selbst bilden und erziehen.

Aufgereiht seien auch die pädagogischen Antinomien. Gaudig unternimmt den Ver­such, diese zu verbinden:[82]

- Freiheit und Bindung bezüglich Stoffauswahl und –anordnung, Methodenwahl und Urteilsbildung;

- Individuum und Gemeinschaft, wobei Gaudigs Priorität auf dem Individuum liegt;

- Stoffprinzip und Formprinzip; Gaudigs Betonung auf formale Bildung ist im Kon­text zur damals vorherrschenden materialen Bildung zu sehen.

- Interessenorientierung und Wertorientierung; Diese verschiebt sich mit der Reife der Schüler hin zur Interessensorientierung.

Festzuhalten bleibt, dass Hugo Gaudig – wenn auch nicht immer direkt und nament­lich genannt – einige wichtige Akzente in der historischen Reformpädagogik des ers­ten Drittels des letzten Jahrhunderts gesetzt hat, die bis heute im pädagogischen Verständnis vieler Modelle und Lehrer wieder zu finden sind.[83]

4. Die deutsche Berufsschule

Da diese Arbeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg geschrie­ben wird, soll hier stellvertretend die gesetzliche Definition des Bayerischen Staats­ministeriums für Unterricht und Kultus zitiert werden. In Artikel 11 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG)[84] heißt es in Absatz 1: „Die Berufsschule ist eine Schule mit Teilzeit- und Vollzeitunterricht im Rahmen der beruflichen Ausbildung, die von Berufsschulpflichtigen und Berufsschulberech­tigten besucht wird. Sie hat die Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler in Abstim­mung mit der betrieblichen Berufsausbildung oder unter Berücksichtigung ihrer be­ruflichen Tätigkeit beruflich zu bilden und zu erziehen und die allgemeine Bildung zu fördern.“ Und weiter in Absatz 3: „Die Berufsschulen haben insbesondere die allge­meinen, berufsfeldübergreifenden sowie die für den Ausbildungsberuf oder die beruf­liche Tätigkeit erforderlichen fachtheoretischen Kenntnisse zu vermitteln und die fachpraktischen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vertiefen; […]“.

Aufgaben und Ziele der Berufsschule wurden in einer Rahmenvereinbarung über die Berufsschule von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bun­desrepublik Deutschland (KMK) 1991 so gefasst:[85]

„Die Berufsschule hat zum Ziel,

- eine Berufsfähigkeit zu vermitteln, die Fachkompetenz mit allgemeinen Fähigkei­ten humaner und sozialer Art verbindet;

- berufliche Flexibilität zur Bewältigung der sich wandelnden Anforderungen in Ar­beitswelt und Gesellschaft auch im Hinblick auf das Zusammenwachsen Europas zu entwickeln;

- die Bereitschaft zur beruflichen Fort- und Weiterbildung zu wecken;

- die Fähigkeit und Bereitschaft zu fördern, bei der individuellen Lebensgestaltung und im öffentlichen Leben verantwortungsbewusst zu handeln.

Zur Erreichung dieser Ziele muss die Berufsschule

- den Unterricht an einer für ihre Aufgaben spezifischen Pädagogik ausrichten, die Handlungsorientierung betont;

- unter Berücksichtigung notwendiger beruflicher Spezialisierung berufs- und berufs­feldübergreifende Qualifikationen vermitteln;

- ein differenziertes und flexibles Bildungsangebot gewährleisten, um unterschiedli­chen Fähigkeiten und Begabungen sowie den jeweiligen Erfordernissen der Ar­beitswelt und Gesellschaft gerecht zu werden;

- im Rahmen ihrer Möglichkeiten Behinderte und Benachteiligte umfassend stützen und fördern.“

Als Teil der beruflichen Schule ist die Berufsschule in Deutschland eine der beiden Säulen des Dualen Berufsausbildungssystems, also der parallelen Ausbildung in ei­nem Betrieb und der Berufsschule. Sie gilt damit als einer der Lernorte der Berufsbil­dung.[86] Zwar gibt es in der Berufsschule auch Schüler, die z. B. aufgrund eines Vorbe­reitungsjahrs oder einer noch zu erfüllen Berufsschulpflicht eine Berufsschul­klasse besuchen, allerdings haben die meisten Schüler mit einem Ausbildungsbetrieb einen Ausbildungsvertrag geschlossen, der sie verpflichtet, neben dem Berufsschul­besuch auch im Betrieb den praktischen Teil ihrer Ausbildung zu absolvieren. Damit fällt der Berufsschule aber nicht nur der fachtheoretische Teil zu, sondern, wie oben im Gesetz erläutert, auch eine allgemeine und berufsfeldübergreifende Bildungsver­mittlung. Zudem gibt es oftmals auch an der Berufsschule Praxisunterricht. Allge­meinbildende Fächer und berufsbezogene Fächer bzw. Lernfelder sind damit ebenso Teil des Berufsschulunterrichts.

Nach einer Ausbildungsdauer von normalerweise zwei bis drei Jahren endet die Aus­bildung mit einer Abschlussprüfung. Auf diese wird zwar in der Berufsschule vorbe­reitet, abgehalten wird diese aber von der „zuständigen Stelle“[87], z. B. der zuständige Industrie- und Handelskammer. U. a. aufgrund dieser Vorbereitung nehmen am Be­rufsschulunterricht normalerweise auch Schüler teil, die durch einen vorherigen Be­suchs von weiterführenden Schulen nicht mehr der Schulpflicht unterliegen.

Bezüglich der Inhalte und Rahmenbedingungen muss die Berufsschule eine Vielzahl unterschiedlicher Vorschriften beachten, so z. B. Verfassungen, Bundes- und Landes­gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Kultusministerielle Schreiben, Regierungsschrei­ben, Rahmenlehrpläne und Lehrpläne der Bundesländer. Im Einzelnen sind dies für bayerische Berufsschulen u. a.:

- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
- Berufsbildungsgesetz (BBiG)
- Rahmenlehrpläne der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK)
- Verfassung des Freistaates Bayern (BV)
- Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG)
- Schulordnung für die Berufsschulen in Bayern (BSO)
- Ordnung der Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen (LPO I)
- Ordnung der Zweiten Staatsprüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen (LPO II)
- Zulassungs- und Ausbildungsordnung für das Lehramt an beruflichen Schulen (ZALB)
- Dienstordnung für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern (LDO)

Zudem ist ein ständiger Dialog z. B. mit Kammern, Ausbildungsbetrieben und Ausbil­dern nötig, um eine möglichst reibungslose Ausbildung zu ermöglichen.

Die Unterrichtsinhalte geben die Lehrpläne vor, die von den einzelnen Bundesländern auf Grundlage der Rahmenlehrpläne der KMK erarbeitet werden. Rahmenlehrpläne und die einzelnen Lehrpläne sind aufgrund der sich wandelnden Umwelt und Anfor­derungen regelmäßig zu erneuern, außerdem müssen sie mit den Ausbildungsord­nungen abgestimmt sein, die den betrieblichen Teil einer dualen Ausbildung regeln.

4.1 Kritik an der Berufsschule

Kaum eine andere Schulform musste sich in der Vergangenheit so viel Kritik gefallen lassen wie die klassische Berufsschule, auch weil mit ihr das System der „Dualen Ausbildung“ eng verknüpft ist. Die unterschiedlichen Erwartungen von vielen Interes­sensgruppen, wie z. B. der Schüler, der Kammern, der einzelnen Arbeitgeber, der Eltern, der Ministerien oder der Lehrerverbände machen es schwer, eine Schule zu sein, die zum Einen all diesen Interessensträgern gerecht wird und zum Anderen ei­nen Unterricht bieten kann, der zeitgemäß ist. Die nachfolgende Aufzählung soll nur einen kurzen Abriss an möglichen Kritikpunkten geben.

4.1.1 Die Auszubildenden verbringen zu viel Zeit in der Berufsschule

Dieses Argument kommt vor allem von Seiten der Arbeitgeber bzw. Ausbildungsbe­triebe. In einer Rahmenvereinbarung der KMK ist festgehalten, dass der wöchentliche Besuch der Berufsschule mindestens zwölf Schulstunden betragen soll, dies ent­spricht bei 40 Schulwochen einer Gesamtsumme von 480 Stunden pro Jahr.[88] Von diesen zwölf Stunden sollen acht Wochenstunden fachbezogen unterrichtet werden. Die Rahmenvereinbarung lässt offen, in welcher zeitlichen Abfolge der Berufsschul­unterricht gegeben wird, einige Modelle hat die IHK Frankfurt exemplarisch aufgelis­tet.[89] Diese reichen von verschiedenen Teilzeitformen über Blockunterricht bzw. Misch­formen bis hin zur jahrgangsübergreifender Form unter Berücksichtigung der Unterrichtsstunden in der gesamten Ausbildung. Wie der Berufsschulunterricht im konkreten Fall gegeben wird, hängt von vielen Faktoren ab, u. a. auch von der Eini­gung zwischen Ausbildungsbetrieben bzw. den Kammern und der Berufsschule. So­mit haben die Betriebe ein gewisses Maß an Mitbestimmungsrecht.

Es bleibt aber der Vorwurf, dass insgesamt zuviel Unterricht erteilt wird. Um ein Min­destmaß an fachtheoretischem Wissen zu vermitteln und damit auch auf einen nicht unerheblichen Teil der Abschlussprüfungen vorbereiten zu können, sind die gefor­derten acht Stunden pro Woche vorgesehen. Wenn an diesem Stundenmaß nicht gerüttelt werden soll, bleibt die Diskussion über den allgemeinen Teil der Berufs­schulbildung. Es soll hier keine Diskussion über Sinn und Unsinn von Allgemeinbil­dung an der Berufsschule vom Zaun gebrochen werden, es sei nur angemerkt, dass hier grundlegende Gesetzesreformen und länderübergreifende Einigungen nötig wä­ren, um allgemein bildende Fächer wie Deutsch oder Poli­tik/Gesellschaftskunde/Sozialkunde im Berufsschulunterricht zu streichen. Außerdem bleibt die Frage, inwieweit Berufsschüler von Inhalten aus diesen Fächern auch be­ruflich profitieren.

4.1.2 Berufsausbildung an Hochschule statt an Berufsschulen

Vor allem bezüglich neuerer Berufe ist die Diskussion entbrannt, ob diese überhaupt umfassend in Betrieben und in der Berufsschule erlernt werden können oder ob eine Ausbildung nicht besser in Hochschule aufgehoben wäre.[90] Abstrakte Begriffe, wie sie z. B. in der Ausbildung zu Fachangestellten für Markt- und Sozialforschung oder zu Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste durchaus vorkommen, sind durch eine klassische Berufsausbildung, bei der u. a. durch Nachahmung gelernt wird, nicht vermittelbar, die übergreifenden Zusammenhänge könnten nicht verstan­den werden. Für ein umfangreiches Theoriewissen, dass vor einem praktischen Ein­satz vorhanden sein muss, ist die duale Ausbildung mit dem zeitlich geringen Anteil des Berufsschulunterrichts nicht geeignet - dieses Wissen sei nur in Hochschulen oder Berufsakademien vermittelbar.

4.1.3 erhöhte Anforderungen an Auszubildende

Eine ähnliche Kritik, wie sie gerade beschrieben wurde, äußern auch Pädagogen. Zwar sei es in der Berufsschule grundsätzlich möglich, auch neue und anspruchsvolle Berufe zu integrieren, dazu müssten aber die gestiegenen beruflichen Anforderungen und ein gefordertes hohes Maß an Allgemeinbildung ebenso berücksichtigt werden, wie auch sog. Schlüsselqualifikationen, denen neben der Wissensvermittlung zu we­nig Platz im Berufsschulunterricht eingeräumt wird.[91] Neben der Vermittlung von Wis­sen, das schnell veraltet, müssten den Auszubildenden Kompetenzen an die Hand gegeben werden, die es diesen ermöglichten, den Anforderungen des modernen Berufslebens gewachsen zu sein – und zwar möglichst unabhängig davon, ob die Auszubildenden ein Leben lang den erlernten Beruf ausüben werden oder nicht. Als Beispiel sei hier die in der Berufswelt immer mehr geforderte Teamarbeit genannt, die allerdings im klassischen Berufsschulunterricht kaum Niederschlag findet.

Allgemein steht der Vorwurf im Raum, die Berufsschule beschränke sich auf passive Wissensvermittlung. „Es herrscht ein Kompetenzverständnis vor, bei dem die Beg­riffsbildung dominiert und die Menschbildung vernachlässigt wird. Bildung wird viel­fach verstanden als Anhäufung von Vorratswissen, das vor allem im Frontalunterricht vermittelt wird und eine passive Lernhaltung fördert.“[92]

4.1.4 fehlende Öffnung für Weiterbildung und Innovationen

Diese sehr weitgehende Kritik an der Berufsschule hat die Stoßrichtung, aus einer rein staatlichen gelenkten Schule für die Erstausbildung ein eigenständiges Zentrum für Aus- und Weiterbildung zu machen.[93] Im Rahmen eines regionalen Bildungs­managements sollten flexible Lösungen bezüglich des Niveaus, der Lernplans und der Gestaltung im Unterricht möglich sein. Wahlmöglichkeiten bezüglich der beruflichen Fächer sollten die allgemein bildenden Fächer ersetzen und die Schule sollte so auto­nom sein, gewisse Bildungsangebote an Partner abzugeben und ihre Lehrer ohne rechtliche Anstellungshindernisse, z. B. ein benötigtes Lehramtsstudium, selbst wäh­len können. Die Konkurrenz und die Kooperation mit anderen Bildungspartnern in der Aus- und Weiterbildung ermögliche eine Konzentration auf die Stärken der Berufs­schule.

4.1.5 fehlende Förderung leistungsschwacher Auszubildender

Eine intensive und individuelle Förderung leistungsschwächerer Auszubildender ist eine Forderung der Ausbildungsbetriebe an die Berufsschule. Laut einer österreichi­schen Umfrage bei Lehrlingsbetrieben scheint hier eine Schwachstelle zu liegen.[94] Diese Studie ist nicht vollständig auf die deutschen Verhältnisse übertragbar, aller­dings scheinen sich die Betriebe bei der Vorbereitung zumindest auf die theoreti­schen Zwischen- und Abschlussprüfungen auf die Berufsschulen zu verlassen und erwarten, dass diese dafür sorgt, dass auch schwächere Schüler Dank der Unterstüt­zung durch die Berufsschule die Prüfungen bestehen können. Gerade kleine Betriebe scheinen die Ressourcen zu fehlen, mögliche Defizite der Auszubildenden selbständig abzubauen.

4.1.6 mangelnde Abstimmung zwischen Schule und Betrieb

Es können verschiedene Stufen von Kooperationserfordernissen zwischen Berufs­schule und Ausbildungsbetrieb unterschieden werden: Information, Abstimmung und Zusammenwirken.[95] Der Nutzen, den eine enge Kooperation bringen kann, wird nicht gesehen, sodass eine Kontaktaufnahme von Seiten der Berufsschule unterbleibt, so­fern nicht konkreter Klärungsbedarf besteht. Entgegen der unterstellten Meinung befürworten die meisten Ausbildungsbetriebe allerdings eine intensive Abstimmung, vor allem, wenn diese zurzeit nicht gegeben ist.[96] Der Blickwinkel in der Schule sollte nach Meinung der Lehrbetriebe also vergrößert werden, hin zu einem Austausch und zu einer Kooperation der Lernorte.

4.1.7 fehlende Aus- und Weiterbildung bzw. Praktika der Lehrer

Mit der mangelnden Abstimmung tut sich ein weiterer Kritikpunkt auf. Berufsschul­lehrer müssen zwar in der Regel im Rahmen ihres Studiums Praktika oder eine Aus­bildung nachweisen, spätere Einblicke in die Arbeitswirklichkeit ihrer Schüler sind aber freiwillig. So kommt es nicht selten vor, dass es einen Wissensvorsprung der Schüler gibt, nicht nur im bekannten Fall der EDV, sondern dass die praktizierten Lehrinhalte an der Situation der Auszubildenden vorbeigehen. Daher besteht die For­derung, Berufsschullehrer sollten regelmäßig Einblick nehmen in die existierende Ar­beitswirklichkeit, um so das Umfeld und die aktuellen Probleme aus erster Hand zu erfahren und so in den Unterricht widerspiegeln zu können.

4.1.8 fehlende Verzahnung der Fächer

Die klassische Aufteilung der Fächer und die daraus resultierende fehlende Abstim­mung stehen ebenfalls in der Kritik. Auszubildende in ihrer täglichen Arbeit müssen über diese Grenzen hinweg ihre Tätigkeiten ausführen, in der klassischen Berufs­schule fehlt allerdings diese Verzahnung. Die wissenschaftliche Aufteilung in einzelne separate Lehrinhalte geht an der Wirklichkeit vorbei und behindert ein vernetztes Denken, wie es allgemein gefordert wird. Selbst da, so sich bereits der Unterricht mehr an Arbeitsabläufen orientiert, bleiben zumindest die allgemein bildenden Fächer weiter außen vor.

4.1.9 Kritik der Schüler/Auszubildenden

Zuletzt soll auch die Kritik der Schüler nicht unerwähnt bleiben. Die Kritik wird oft­mals nicht an einem bestimmten Punkt festgemacht, scheint vielschichtig und ist oft nicht trennscharf bezüglich Ausbildungsbetrieb, Schule und dem allg. Ausbildungs­system. Als Beispiel sei auf einen Blog (engl. Wortkreuzung von „Web“ und „Log“) verwiesen, in dem viele Berufsschüler ihrem Frust freien Lauf lassen.[97] Dort wird u. a. die fachliche Kompetenz der Lehrer angezweifelt, die mangelnde Mitarbeit der Mit­schüler kritisiert, auf die mangelnde Vorbereitung auf Prüfungen hingewiesen oder einfach nur die Langeweile im Unterricht beklagt. Bei der Suche nach wissenschaftli­chen Erkenntnissen bezüglich der Einstellung der Auszubildenden gegenüber ihrer Berufsschule wurde deutlich, wie wenig bisher der bzw. die Schülerin in den Mittel­punkt der wissenschaftlichen Untersuchungen gerückt wurde.

4.1.10 Zusammenfassung

Es gibt noch viele weitere Kritikpunkte, vor allem auch zu Einzelaspekten wie der Lehrer(fort-)bildung, der Ausstattung der Berufsschulen, der Aktualität und Umset­zung der Lehrpläne oder der Schulaufsicht. Zudem geht die Diskussion über die Zu­kunft des gesamten dualen Ausbildungssystems weiter. Insoweit kann die genannte Aufzählung nicht vollständig sein, sie soll vielmehr die verschiedenen und teilweise auch widersprüchlichen Kritik- und Anforderungspunkte an der bzw. an die Berufs­schule illustrieren.

4.2 Reformen in der Berufsschule

Die zuvor kurz erläuterten Kritikpunkte betreffen in großem Maße die Berufsschule, wie sie bis in die 80er oder 90er Jahre bestand. Die Kritik ist insoweit angenommen worden, als seither viele pädagogische Bemühungen unternommen wurden, die Be­rufsschule und den dort geführten Unterricht in vielerlei Hinsicht zu verändern. Lernfelder, Kompetenzvermittlung und Handlungsorientierter Unterricht sind die wohl am häufigsten genannten Schlagwörter. Diese können eigentlich nicht separat abge­handelt werden, bauen sie doch teilweise aufeinander auf oder ergänzen sich. Trotz­dem soll auf die erstgenannten in diesem Kapitel kurz eingegangen werden. Dem Handlungsorientierten Unterricht im Modell von Hilbert Meyer ist ein eigener Ab­schnitt gewidmet, da dieser Ähnlichkeiten mit dem von Gaudig vertretenen Thesen aufweist und am Ende dieser Arbeit ein Vergleich ansteht.

4.2.1 Lernfelder

Gesellschaftliche und berufliche Veränderungen, wie „grundlegende[…] ökonomi­schen Wandlungen, die Tendenzen der Internationalisierung und Globalisierung, den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien und die gesellschaftli­chen Entwicklungen der Individualisierung[…]“[98] gingen auch an der Berufsschule nicht vorbei, und es mussten Antworten gefunden werden, weil sich damit auch neue Anforderungen des Arbeitsmarktes und erhöhte Qualifikationsprofile für Berufsein­steiger ergaben.

Die ersten Lehrpläne mit der Vorgabe, Unterricht in Lernfelder zu halten, wurden 1998/99 eingeführt.[99] Ausschlaggebend war der Beschluss der KMK, den Unterricht in Lernfeldern zu strukturieren, die die Gliederung des Unterrichts nach beruflichen Fä­chern zugunsten von auf Handlungs- bzw. Tätigkeitsfeldern aufbauenden Lernfeldern ablösen sollte.[100] Damit entsteht ein fächerübergreifender Lehrplan, der einer hand­lungslogischen Struktur folgt und ebenso fächerübergreifend und handlungsorientiert umgesetzt werden muss. Ziel ist es, Wissen und Anwendung bzw. Problemlösung zusammenzuführen. Die Lehrpläne geben hier allerdings keine verbindlichen Vorga­ben mehr, wie Lernfelder genau zu unterrichten sind, die – je nach Sichtweise – pä­dagogische Freiheit oder Mühe ist nun auf Seiten der Lehrer oder der Lehrkonferen­zen an den einzelnen Schulen. Diese Offenheit der Lernfelder ermöglicht es außer­dem, Neuerungen, Entwicklungen jedweder Art oder regionale Besonderheiten zu berücksichtigen, ohne dass die Lernfelder ihre Gültigkeit verlieren.[101] Durch Lernfel­der kann die Forderung, den Unterricht der Berufsschule auf die didaktische Grund­lage der Handlungsorientierung auszurichten, besser als zuvor verwirklicht werden.[102]

4.2.2 Vermittlung von Kompetenzen

Ebenso wie die Forderung nach Handlungsorientiertem Unterricht und die Einführung von Lernfeldern wird in der Handreichung der KMK und damit auch in allen Rahmen­lehrplänen auch die Vermittlung verschiedenster Kompetenzen gefordert.[103] Im Einzel­nen sind dies:

- Handlungskompetenz
- Fachkompetenz
- Personalkompetenz
- Sozialkompetenz
- Methoden- und Lernkompetenz

Als allgemeine Definition und als Abgrenzung zu Qualifikationen heißt es weiter: „Kompetenz bezeichnet den Lernerfolg in Bezug auf den einzelnen Lernenden und seine Befähigung zu eigenverantwortlichem Handeln in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen. Demgegenüber wird unter Qualifikation der Lernerfolg in Bezug auf die Verwertbarkeit, d. h. aus der Sicht der Nachfrage in beruflichen, ge­sellschaftlichen und privaten Situationen, verstanden […].“[104] Es wird also klarge­stellt, dass die Berufsschule ihren Auftrag weit über die reine Qualifikationsvermitt­lung hinaussieht. Dem Schüler in seiner Gesamtheit und all den sozialen Anforderun­gen an ihn, wenn auch eingebunden in seinen Ausbildungsberuf, gilt der Unterricht.

4.2.3 Zusammenfassung

Aus dieser wiederum nur kurzen Darstellung der aktuellen Schlagwörter in der Be­rufs- und Wirtschaftspädagogik soll klar werden, dass sich das Berufsschulwesen der vielfältigen Kritik stellt und neue Konzepte für eine umfassende und zeitgemäße Aus­bildung erarbeitet. Die Theorie muss aber jeweils vor Ort umgesetzt werden, nur daran lässt sich schlussendlich die Qualität der Lehre messen. Eine Beschreibung oder gar eine Bewertung der praktischen Seite wird diese Arbeit allerdings nicht beinhalten.

5. Handlungsorientierter Unterricht

Das Schlagwort „Handlungsorientierter Unterricht“ ist nun seit Jahrzehnten ein wich­tiges Thema im weiten Feld der Pädagogik. Dementsprechend ausufernd wird das Für und Wider diskutiert und macht nebenbei eine Abgrenzung und Definition eher schwieriger als leichter. Diese Arbeit will sich daher nur mit dem Modell von Hilbert Meyer beschäftigen, der sich umfassend mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat und dies nach wie vor tut. Auch hier gilt es, zunächst einen Überblick über „Hand­lungsorientierten Unterricht“ im Sinne Hilbert Meyers zu geben, bevor mögliche Übereinstimmungen, Abweichungen oder entgegengesetzte Denkrichtungen zu Gaudigs Modell überhaupt möglich sein können – zumal dies alles im Rahmen der beruflichen Bildung geschehen soll.

5.1 Gründe für Handlungsorientierten Unterricht

Für eine Abwägung, was aus unterrichtspraktischer Sicht für oder gegen Handlungs­orientierter Unterricht spricht, sei auf die Diskussion in Jank & Meyer 1997, S. 368 ff. verwiesen. Auf die für diese theoretische Arbeit wichtigere bildungspolitische Be­gründung soll zumindest kurz eingegangen werden.[105] Die Aufzählung ist zufällig ge­wählt und unterliegt keiner Wertung der Argumente.

5.1.1 Erziehung zur Selbständigkeit

Obwohl dieses Erziehungsziel immer wieder gefordert und auch auf verschiedenen Ebenen festgeschrieben wird, steht es doch im Allgemeinen weiter hinter der Stoff­vermittlung. „Handlungsorientierter Unterricht liefert einen Handlungsrahmen“[106] für die Einübung von Selbständigkeit. Besonderes Augenmerk muss dabei darauf gelegt werden, dass aus Selbsttätigkeit auch Selbständigkeit vermittelt wird – dies ist nicht in jedem Fall gegeben. Durch Handlungsorientierten Unterricht kann es auch gelin­gen, den Schülern selbst ein Stück weit die Verantwortung für das eigene Lernen zurückzugeben, indem nach und nach Vorbereitung, Durchführung und Auswertung in ihre Hände gelegt werden.[107] Insoweit kann hier nicht nur von der Vermittlung von Methodenkompetenz gesprochen werden, sondern geht noch einen Schritt weiter.

5.1.2 Unterstützung der schülereigenen Identitätsbildung

Eine immer größer werdende Zahl an Orientierungsmöglichkeiten in und für die Ge­sellschaft macht es für jugendliche Schüler nicht einfacher, ihren Platz zu finden und auszufüllen. „Handlungsorientierter Unterricht bietet die Gelegenheit, die eigenen Interessen zu artikulieren, Haltungen zu entwickeln und an ihnen zu arbeiten, Le­bens- und Weltbilder probeweise zu übernehmen.“[108] Dazu kommt, dass Handlungsori­entierter Unterrichtrein formales und analytisches Lernen zum Teil durch sinnliche Erfahrungen ersetzt und damit eine Erkenntnis über das eigene Ich verstärkt wird.

5.1.3 (Wieder-)Herstellung der Wirklichkeit im Lernprozess

Das erlernte Wissen in der Schule bleibt oftmals abstrakt und theoretisch. Eine Ver­bindung und praktische Anwendung im Alltagsleben findet nicht statt oder wird im Unterricht nicht angestrebt. Handlungsorientierter Unterricht unternimmt den Ver­such, diese Lücke zu schließen und beide Seiten aufeinander abzustimmen. Damit übernimmt die Schule auch teilweise die Aufgabe, Möglichkeiten zu schaffen, Erfah­rungen sammeln zu können, was außerhalb der Schule immer weniger möglich ist.[109] Anzumerken bleibt allerdings, dass in der Schule „grundsätzlich [nur] eine symboli­sche Vermittlung der Wirklichkeit der Welt“[110] stattfinden kann.

5.1.4 Analyse des angeeigneten Wissens

Hinter der Auswahl und der eigentlichen Wissensvermittlung stehen Interessen, die von Schülern oft nicht durchschaut werden. Handlungsorientierter Unterricht ver­sucht zumindest im kleinen Rahmen, diese transparent zu machen. In Projekten, die aus der Schule herausführen, können Schüler erkennen, dass mit Informationen oft­mals ebenfalls interessensgebunden umgegangen wird.

5.2 Das Modell von Hilbert Meyer im Überblick

Einleitend sei angemerkt, dass Meyer nicht das Ziel hat, den gesamten Unterricht handlungsorientiert umgestalten möchte. Er spricht in diesem Zusammenhang von der Ausweitung auf ein Drittel bis maximal zur Hälfte des gesamten Unterrichts.[111]

Zunächst gilt es, Handlungsorientierten Unterricht in die Reihe verschiedener Theo­rien einzuordnen. Laut Meyer ist Handlungsorientierter Unterricht ein „Unterrichts­konzept [welches] normative Gesamtorientierungen didaktischen Handelns“[112] bietet und damit in die „Ebene wissenschaftlich reflektierte[r] Handlungsorientierungen“ einzuordnen ist. Damit steht diese Theorie zwischen „institutionell und biographisch begründete[m] Erfahrungswissen“ von Praktikern und „systematisch orientierte[n] Gesamtentwürfen“. Diese Einordnung macht klar, dass Handlungsorientierter Unter­richt z. B. praxisnahe Unterrichtsbilder nicht ersetzen kann, auch wenn sich daraus ebendiese ableiten lassen. Auch muss klar sein, dass Handlungsorientierter Unterricht keine Wissenschaftstheorie darstellt. Handlungsorientierter Unterricht steht daher nicht alleine im Raum, sondern „muss durch eine Theorie allgemeiner Bildung er­gänzt werden.“[113]

Hilbert Mayer selbst definiert Handlungsorientierten Unterricht wie folgt:

„Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Organisation des Unterrichtsprozesses leiten, sodass Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden können.“[114]

Mit dieser Definition ist der Begriff allerdings weder mit Inhalten, noch mit Leben gefüllt. Im Kern geht es Meyer darum, dass Schüler und Lehrer im Unterricht Ergeb­nisse erarbeiten, die über reines Wissen weit hinausgehen und bei deren Erarbeitung viele Sinne der Schüler angesprochen werden. Dementsprechend kritisch sieht Meyer in der heutigen Schulwirklichkeit und darüber hinaus eine „Austreibung der Sinnlich­keit“.[115] Durch Handlungsorientierten Unterricht soll es auf beiden Seiten, also dem Lehrer und den Schülern, zu einer erhöhten Identifikation gegenüber dem Unterricht, dem Unterrichtsstoff sowie der Schulgemeinde kommen, schlussendlich also zu einer Motivationssteigerung und einer hohen Lerneffektivität – falls man sich der wiederum beiderseitigen Mehrbelastung bewusst ist und diese annimmt.

Laut Meyer geht der Handlungsorientierte Unterricht mit folgendem Wertekanon ein­her, der für die Durchführung entscheidend ist:[116]

1. Handlungsorientierter Unterricht geht davon aus, dass der Mensch zur Ver­nunft und Freiheit, aber auch zur Selbstzerstörung befähigt ist.

2. Handlungsorientierter Unterricht geht davon aus, dass Lernen grundsätzlich ganzheitlich, also mit Kopf, Herz, Händen und allen Sinnen abläuft.

3. Handlungsorientierter Unterricht baut darauf auf, dass Menschen (insbeson­dere junge Menschen) neugierig sind, dass sie fragen und staunen können, dass sie ihre Umwelt erfahren und auf den Prüfstand der Experimentierlust stellen wollen.

4. Handlungsorientierter Unterricht rechnet damit, dass weder die Lehrer noch die Schüler perfekte Wesen sind, sondern Fehler machen und versagen, dass sie aber aus Fehlern lernen können.

5. Handlungsorientierter Unterricht rechnet mit einem gesellschaftlichen Umfeld von Schule, das so strukturiert ist, dass ein nicht-entfremdetes Leben und Lernen in der Schule nur ansatzweise und widersprüchlich möglich ist.

Meyer stellt fest, dass Unterricht im herkömmlichen Sinne, also meist Frontalunter­richt, wenig wirkliche Handlung bietet, daher müssen dort Inszenierungstechniken eingebaut werden, die u. a. folgende Muster enthalten können: Werkstatt, Labor, Expedition, Theater, Gemeinde.[117]

Meyer will mit einem Planungsraster die Möglichkeit der Umsetzung von Handlungs­orientiertem Unterricht ermöglichen, stellt aber fest, dass dieses Raster nicht sche­matisch abgearbeitet werden kann und darf, sondern der Variation bedarf:[118]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1, Planungsraster nach Hilbert Meyer

5.2.1 didaktische Kriterien

Um Handlungsorientierten Unterricht einordnen zu können, schlägt Meyer vier didak­tische Kriterien vor. Diese sollen die Grundlage für Handlungsorientierten Unterricht bilden. Im Einzelnen sind dies:[119]

1. Im Handlungsorientierten Unterricht sollen die subjektiven Schülerinteressen zum Bezugspunkt der Unterrichtsarbeit gemacht werden.

2. Im Handlungsorientierten Unterricht sollen die Schüler zum selbständigen Han­deln ermuntert werden.

3. Durch die Handlungsorientierung des Unterrichts soll die Öffnung der Schule ge­genüber ihrem Umfeld vorangetrieben werden.

4. Kopf und Handarbeit, Denken und Handeln sollen in ein ausgewogenes Verhält­nis zueinander gebracht werden.

Meyer selbst bezeichnet diese Kriterien zunächst als „nicht viel mehr als gängige Schlagworte der didaktischen Diskussion“.[120] Daher gilt es im Folgenden, diese Krite­rien zu erläutern, zu vertiefen und in Verbindung mit Handlungsorientiertem Unter­richt zu setzen.

5.2.1.1 subjektive Schülerinteressen als Bezugspunkt

Meyer stellt die These auf, dass sich Handlungsorientierter Unterricht an den subjek­tiven Schülerinteressen orientieren muss. Daher gilt es zunächst, objektive und sub­jektive Schülerinteressen voneinander abzugrenzen. Meyer selbst gibt dazu zwei De­finitionen vor:

„Subjektive Schülerinteressen sind die situationsspezifischen persönlichen Bedürf­nisse, Vorstellungen und Phantasien zum Unterricht. Sie können bewusstgemacht und als Handlungsziele verfolgt werden, sie bleiben oft unbewusst, wirken dann aber dennoch handlungsleitend.

Objektive Schülerinteressen sind situationsunspezifische, überindividuell gültige Handlungsmotive und Bedürfnisstrukturen. Sie sind historisch gewachsen, klassen- bzw. schichtspezifisch ausgeprägt und an die gegenwärtige und zukünftige Lage der Schüler gebunden.“[121]

Schon die vom Lehrer vorzunehmende Einordnung von objektiven Schülerinteressen mag eine große Herausforderung sein, das Herausfiltern subjektiver Schülerinteres­sen gestaltet sich aber noch schwieriger. Dies hat u. a. mit den sich im Zeitablauf möglicherweise ändernden Interessen zu tun, aber auch mit der kaum möglichen Abgrenzung zu Vorurteilen, Einstellungen, Sympathien und Antipathien der Schüler. Meyer sieht daher die Ermittlung der Schülerinteressen als eine nicht zu unterschät­zenden Aufgabe des Lehrers an, die den Grundstock für die Selbständigkeit der Schüler bietet. Er selbst schreibt dazu: „Weil es unmöglich ist, die Schüler unter Um­gehung oder Unterdrückung ihrer subjektiven Interessen zur Mündigkeit und Selbst­ständigkeit zu führen, müssen die Schüler die Chance haben, sich des Zusammen­hangs ihrer subjektiven und objektiven Interessen im Unterricht bewusst zu wer­den.“[122]

Die bereits angesprochenen Schwierigkeiten, die subjektiven Schülerinteressen zu finden und herauszustellen, sollte kein Hindernis darstellen, dies überhaupt zu versu­chen. Vielmehr geht Meyer davon aus, dass Handlungsorientierter Unterricht diese Suche erst ermöglicht bzw. vereinfacht. So kann bei dem Umgang mit einem Unter­richtsthema Dank der Handlungsorientierung der Schüler sich seiner Interessen be­wusst werden.[123] Dass im Verlauf der Themenbearbeitung die Schülerinteressen auch ändern können, ist ebenfalls zu bedenken.

Festzuhalten bleibt, dass Schülerinteressen, seien sie realisiert oder nicht, zur Gestaltung eines – nicht nur – Handlungsorientierten Unterrichts beitragen sollen. Für den Autor stellt sich allerdings die Frage, ob eine trennscharfe Unterteilung in subjektive und objektive Schülerinteressen heute noch ohne Probleme möglich ist, zumal heute Aufweichungen von Klassen- und Schichtzugehörigkeiten und ein ra­santen Wertewandel stattfinden.

5.2.1.2 Ermunterung zu selbständigem Handeln

Meyer macht u. a. auf Grundproblem der Didaktik aufmerksam: Obwohl Selbständig­keit grundsätzlich in der Schule verlangt wird und gefördert werden soll, engen die Lehrer die Schüler insoweit ein, dass der Missbrauch von Freiräumen oder die Nicht­beschäftigung mit ungeliebten Fächern verhindert wird. So werden schon im Vorfeld Schülerinteressen missachtet und Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Meyer selbst spricht hier vom „dialektischen Grundwiderspruch der Methode“.[124]

Eine Lösungsmöglichkeit sieht Meyer darin, zu einem frühen Zeitpunkt den Schülern Methodenkompetenz zu vermitteln, die es den Schülern ermöglichen soll, neben dem selbständigen Lernen auch eine selbst gewählte Herangehensweise an Probleme zu ermöglichen. Meyer rückt damit eine bis heute zu wenig beachtete Ebene in den Blickwinkel, die neben der Inhaltsfrage gleichberechtigt stehen soll: die Methoden­frage. Prägnant stellt Meyer dazu fest: „Ohne Selbsttätigkeit ist keine Selbständigkeit zu erreichen!“.[125] Handlungsorientierter Unterricht muss also schüleraktiv sein, und je nach Grad der vom Lehrer zu vermittelnden Handlungskompetenz der Schüler immer mehr werden.[126]

Man kann leicht der Versuchung erliegen, hier eine Entlastung des Lehrers zu sehen. Meyer stellt aber klar, dass die Hinführung zur Methodenkompetenz, die zu leistende Rahmensetzung und die zu schaffenden Handlungssituationen großer Kraftanstren­gung bedarf. Hinzu kommen ein erhöhtes Maß an Vorbereitung bezüglich der vielfäl­tigen Themenzusammenhänge und die bewusste Hinführung zur Methodenreflektion der Schüler. Dies kann z. B. so aussehen:[127]

- gemeinsam mit den Schülern vereinbarte Handlungsprodukte
- Erfahrung von Sachzwängen in Verbindung mit diesem Produkt
- verstärkte Einbeziehung von Gruppen- und Partnerarbeit
- öffentliche Vorstellung der Ergebnisse
- Dokumentation der Lernwege
- Denkanstöße bezüglich der zurückliegenden Schwierigkeiten und Erfolge

Erst durch Handlungsorientierten Unterricht können sich Schüler besonders gut selbst disziplinieren. Meyer geht noch einen Schritt weiter und erhofft sich dadurch einen Rückgang an nötigen Disziplinierungsmaßnahmen durch den Lehrer.

5.2.1.3 Öffnung der Schule

Meyer nennt drei Aspekte, die unter der dem Kriterium der „Öffnung der Schule“ zu verstehen sind:[128]

- Öffnung des Unterrichtsprozesses für Selbsttätigkeit und Selbstständigkeit der Schüler (vgl. vorherigen Abschnitt)

- Öffnung des Unterrichts für fächerübergreifendes und projektmäßiges Arbeiten und Lernen

- Öffnung der Schule gegenüber dem Umfeld in beide Richtungen, seien es nun z. B. Vorträge von Fachleuten im Unterricht, die Verlegung von Unterricht aus dem Schulgebäude heraus oder auch Praktika.

Als einen weiteren konsequenten Schritt kann man die Forderung Meyers verstehen, den Schülern beizubringen, „selbst Öffentlichkeit herzustellen“.[129] Jenseits von Parteipo­litik soll die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft geprobt werden, bis hin zu einem politischen Mandat der Schule.

Obwohl diese Wünsche Meyers nicht grundsätzlich abzulehnen sind, muss doch in jedem Einzelfall genau beobachtet werden, welche Meinungen und von wem trans­portiert werden, um nicht nur dem Schüler, sondern der Schule nicht mehr zu scha­den als zu nutzen.

5.2.1.4 Integration von Kopf- und Handarbeit

Zunächst stellt Meyer eine Definition der beiden Begriffe vor, die wie folgt lautet:[130]

„Als Handarbeit sollen im Folgenden alle mit Hilfe des Körpers bzw. durch ihn aus­geführten materiellen Handlungen bezeichnet werden. Als Kopfarbeit können dann alle geistigen, also sprachlich artikulierten oder auch nur in der so genannten ‚inne­ren Sprache’ vorgenommenen Denk-Handlungen bezeichnet werden.“

Wenn man eine eher technische Betrachtungsebene heranzieht, ist die geforderte Integration bei vielen Aufgaben in der Schule bereits gegeben, z. B. bei der Lösung und Niederschrift einer Rechenaufgabe. Meyer meint allerdings etwas anderes:[131]

- Die traditionelle Abwertung der Handarbeit gegenüber der Kopfarbeit, […] soll im Unterricht ein Stück weit zurückgenommen werden.

- Die für die erfolgreiche Kopfarbeit vermeintlich unverzichtbare Stillstellung des Körpers soll ein Stück weit aufgehoben werden.

- Die dem abendländischen Dualismus von Leib und Seele korrespondierende fal­sche Entgegensetzung von Emotionalität und Rationalität soll einer neu zu ent­faltenden Einheit weichen.

Weiter kritisiert Meyer das vorherrschende Lehrverständnis, das davon ausgeht, dass Lernen vor allem darin besteht, eine Verinnerlichung von materiellen Lernhandlungen hin zu Denkhandlungen zu erreichen. Handlungsorientierter Unterricht im Sinne Meyers geht nicht davon aus, dass es nur diese einseitige Hinwendung in Richtung der Kopfarbeit gibt, sondern dass sich beide Komponenten wechselseitig ergänzen und den gesamten Lernprozess begleiten (sollen). Anstatt einer „Einbahnstraße“ geht Meyer von folgendem Modell aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2, Meyer 1987, S. 423

Meyer spricht bei der Berücksichtigung von Kopf- und Handarbeit sowie deren quali­tative Gleichbehandlung im Unterricht von der Sicherung der „Ganzheitlichkeit der Lehr- und Lernformen“,[132] die Theorie und Praxis umschließt. Dazu ist es allerdings nicht genug, den regulären Unterricht ein wenig umzugestalten. Laut Meyer muss es dazu zu einer Neuorientierung des Unterrichts und einer Veränderung des Menschen- und Gesellschaftsbildes kommen.

5.2.2 Zusammenfassung

Eine umfassende Darstellung Handlungsorientierten Unterrichts in der Theorie von Hilbert Meyer kann dieses Kapitel nicht darstellen. Insoweit muss für eine Vertiefung auf die einschlägige Literatur verwiesen werden. Einige wenige Kritikpunkte an die­sem Modell sind bei der Darlegung eingeflossen, bleiben aber unvollständig, da die Zielsetzung dieser Arbeit eine andere ist. Ein grundsätzliches Problem aller pädagogi­schen Theorien sprechen Meyer und seine Mitstreiter selbst an: „Pädagogisches Han­deln ist zu komplex und unterliegt zu vielen, teilweise unbekannten Einflussgrößen, als dass durch eine Theorie wirklich alle Einzelphänomene in eindeutiger Weise ge­setzlich erklärbar wären.“[133]

6. Handlungsorientierter Unterricht im Vergleich zur „freien geistigen Arbeit“ im Kontext der Berufsschule

Bisher wurden relativ unabhängig voneinander drei pädagogische Bereiche ange­sprochen, die es nun gilt, in diesem Kapitel in Beziehungen zu bringen. Es soll um die Frage gehen, was die Konzepte des Handlungsorientierten Unterricht im Sinne von Hilber Meyer zu tun haben mit dem sehr viel älteren Konzept der „freien geistigen Arbeit“ von Hugo Gaudig – und dies alles im Kontext der letzten gravierenden Än­derungen im Berufsschulwesen Deutschlands. Mag man handlungsorientierten Un­terricht noch mit der Berufsschule in Verbindung bringen, so ist die Zuordnung zu Gaudig schon nicht mehr offensichtlich. Ironischerweise gilt Kerschensteiner, der Ri­vale Gaudigs innerhalb der Arbeitsschulbewegung, als Mitbegründer der Berufsschule und Gaudig selbst hat sich in seiner Arbeit auf die gymnasiale Oberstufe und die Lehrerausbildung konzentriert. Schaut man sich die Modelle des Handlungsorientier­ten Unterrichts allerdings genauer an, wird man nicht umhinkommen, Gemeinsam­keiten mit Gaudigs Vorstellungen feststellen zu können. Nicht umsonst greift Meyer mehrmals auf Zitate und Anschauungen Gaudigs zurück.[134] Aber nicht nur die Gemein­samkeiten, sondern auch die Unterschiede gilt es, herauszuarbeiten und da­mit vielleicht weitere Impulse für die Entwicklung der Berufsschule aufzeigen zu kön­nen. Die folgenden Einzelaspekte, unten denen nun ein Vergleich vorgenommen wird, beziehen sich teilweise auf die Gliederungspunkte bei der Beschreibung der Pädagogik Gaudigs, zum Teil aber auch auf die Aspekte des Handlungsorientierten Unterrichts oder werden zusammengefasst.

6.1 Selbständigkeit einüben

Obwohl Selbständigkeit in Lehrplänen als wichtiges Ziel gekennzeichnet ist, wird da­von bis heute nicht viel umgesetzt. Gerade in der Berufsschule sollte dieses Ziel ne­ben der Vermittlung von Faktenwissen umfassend gefördert werden, setzten doch viele Arbeitgeber mit immer flacher werden Hierarchien („lean management“) oder dem sog. „employee empowerment“ – der Verlagerung von Verantwortung an die Mitarbeiter – darauf, dass Angestellte in der täglichen Arbeit mehr Selbständigkeit ausüben und dadurch motivierter werden. Aff spricht in diesem Zusammenhang von „beruflicher Selbständigkeit“[135], im Gegensatz zur „unternehmerischen Selbständig­keit“, die eine eigene Existenzgründung voraussetzt. Auch letztere Selbständigkeit muss insoweit berücksichtigt werden, als die Selbständigenquote in Deutschland im Vergleich mit anderen Industrieländern eher gering ist und der politische Wille er­kennbar ist, dies zu ändern.

Es gilt also, Selbständigkeit zu fördern, da sind sich Meyer und Gaudig auch sehr nahe. Während Gaudig in der Förderung der Selbständigkeit das Ziel erreichen will, Persönlichkeiten zu bilden, sieht Meyer in der Selbständigkeit schon einen Wert an sich. Wichtig ist beiden, dass eine reine Selbsttätigkeit noch keine Selbständigkeit garantiert, diese aber eine Voraussetzung darstellt.[136]

Entscheiden dafür ist bei beiden Pädagogen, dass für die geforderte Selbständigkeit der Schüler, und damit auch ein Stück zurückgegebener Verantwortung für den Lernprozess, diese das nötige Werkzeug in die Hand bekommen. Der Lehrer muss dabei seine Rolle als Vermittler von Wissen überdenken, in seine Zuständigkeit fällt auch die Vermittlung von Methodenkompetenz – was ja auch im Rahmen der Lehr­pläne als Lern- und Methodenkompetenz gefordert wird.[137] Während Meyer hier die nötige Ausgewogenheit zwischen Fakten- und Methodenwissen betont, stellt Gaudig je nach Lesart die Arbeitstechniken völlig oder zumindest teilweise vor den zu ver­mittelnden Stoff. Unabhängig von der Frage, wie diese einseitige Betonung zu be­werten ist, wird im Zusammenhang mit der Berufsschule ein Dilemma ersichtlich: Die Berufsschule mit dem Ziel, auf einen recht speziellen Beruf überwiegend mit Fach­unterricht vorzubereiten, kann die Stofffrage nicht einfach ausklammern. So sehr auch Kompetenzen gefordert werden, kann der Berufsschulunterricht doch nicht un­abhängig von der Frage beurteilt werden, wie eine gute und ausgewogene Vorbe­reitung vordergründig auf den Beruf sinnvoll möglich ist. Insoweit scheint zumindest für die Berufsschule das Modell der Handlungsorientierten Unterrichts mit der gefor­derten Ausgewogenheit eher zu helfen, die Ziele der Berufsschule zu verwirklichen. Gaudigs Einseitigkeit lässt sich zumindest teilweise auch durch die zu seiner Zeit übli­che Konzentration auf Faktenwissen erklären, sollte aber heute so nicht umgesetzt werden. Meyer selbst kritisiert in diesem Zusammenhang die Unterordnung der In­halte bei Gaudig.[138]

6.2 Persönlichkeit bilden

Ziel beider Pädagogen ist es, zur eigenständigen Persönlichkeit zu erziehen. Gaudig spricht in diesem Zusammenhang von Persönlichkeitsbildung, Meyer von Identitäts­bildung. Bezugsrahmen bei dieser Persönlichkeitsbildung sind bei Gaudig u. a. objek­tive Werte, die sich aus dem Ist- und Sollzustand verschiedener Lebensbereiche her­ausarbeiten lassen. Selbst, wenn man es für möglich hält, objektive Werte zu finden, z. B. in Zusammenhang mit den Bildungszielen von Artikel 1 des BayEUG, so ist es in der heutigen Zeit mit all dem Pluralismus an Werten und Einstellungen sicherlich sehr viel schwieriger, diese so angemessen zu lehren, dass sich damit eine allgemein ak­zeptierte Persönlichkeitsbildung vollzieht. Meyer ist in dieser Hinsicht offener. Er geht nicht unbedingt von Werten aus, sondern macht nur deutlich, dass „Handlungsorien­tierter Unterricht […] die Gelegenheit [bietet], die eigenen Interessen zu artikulieren, Haltungen zu entwickeln und an ihnen zu arbeiten, Lebens- und Weltbilder probe­weise zu übernehmen.“[139] Somit ändert sich in Bezug auf Gaudig insoweit die Perspek­tive, dass nicht allgemein gültige Werte als Grundlage für die Persönlichkeits­bildung im Unterricht herangezogen werden, sondern vielmehr der Unterricht u. a. dazu dient, sich der eigenen Wertvorstellungen bewusst zu machen und diese zu entwickeln. Für die Berufsschule ergibt sich daraus die Konsequenz, nicht ausschließ­lich daran zu arbeiten, künftige Arbeitnehmer, die sich in den Arbeitsprozess integ­rieren, auszubilden, sondern den Schülern eine möglichst weiten Horizont ihrer per­sönlichen und der gesellschaftlichen Situation zu ermöglichen. Insoweit muss Gaudig auch ein wenig in Schutz genommen werden, weil seine pädagogischen Absichten nicht auf das einzige Erziehungsziel des guten Staatsbürgers gerichtet waren, son­dern durch Pluralität eine Persönlichkeitsbildung bezweckte.

Je nach dem, wer die von Gaudig beschriebenen objektiven Werte vorzugeben hat – Gaudig beantwortet diese Frage nicht – kann aber davon ausgegangen werden, dass diese Pluralität en­ger als bei Meyer ausfällt.

6.3 Verbindung von Schule uns Außenwelt

Gaudig betont immer wieder, dass die „Lebensbereiche“, die in der klassischen Schule gar nicht oder nur unzureichend Eingang finden, in diese integriert werden müssen. Ähnlich äußert sich auch Meyer. Er beklagt ein Verschwinden der Wirklich­keit aus dem Lernprozess, das es aufzuhalten gilt. Gaudig geht allerdings davon aus­geht, dass diese Lebensbereich ohne Probleme auch in der Schule abzubilden sind. Ausgang für den Unterricht bzw. der Fragestellung und Stoffbeurteilung sollen diese Lebensbereiche sein. So kann auch den Problemen und der Wirklichkeit z. B. der Berufswelt ein Unterrichtsgeschehen aufgebaut werden, dass wieder in diese hinein­wirkt – so lässt sich die Kluft zwischen Schule und der Außenwelt bzw. Lebensrealität der Schüler schließen. Mit der Aufnahme neuer und innovativer Fächer in die Schule sollte ebenfalls eine Brücke in die Welt jenseits der Schulmauern gebaut werden.

Meyer geht nicht so weit, obwohl die Öffnung der Schule ein großes Anliegen ist.[140] Ihm ist bewusst, dass auch die aktive Auseinandersetzung mit der Lebenswirklichkeit im Rahmen der Schule nicht gleichzusetzen ist mit der „originalen Begegnung“[141]. Laut Meyer darf Schule zwar nicht nur formale und abstrakte Theorie und Struktur vermitteln, aber ein Unterricht, der nicht zumindest auch auf Kernprobleme oder Zu­sammenhänge aufmerksam macht, bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Insze­nierungstechniken und die damit verbundene bzw. erzwungene Handlung der Schü­ler machen es ihnen nicht nur einfacher, Lebensbereiche zu erfahren, sondern über­winden das theoretische Wissen hin zum praktischen Erleben.

Für die Berufsschule bedeutet das u. a., dass die strikte Trennung zwischen theoreti­schem Fachunterricht und Allgemeinbildung in der Berufsschule auf der einen Seite und der praktischen Ausbildung im Betrieb oder überbetrieblich auf der anderen so nicht weiter bestehen darf. Die erhoffte Verbindung zwischen Theorie und Praxis, die der Auszubildende im Berufsleben vollziehen soll, muss durch die Berufsschule geför­dert werden. In gewerblichen Berufsschulklassen wird dies bereits mit Werkstätten in der Schule teilweise vollbracht. Allerdings scheint es z. B. wenige Klassen für Bank­kaufleute zu geben, die in der Schule Verkaufsgespräche vorbereiten, durchführen und analysieren. Zumindest bis zur externen Abschlussprüfung gehen solche Verbin­dungen von Theorie und Praxis auch nicht in die Bewertung der Schüler ein.

6.4 Schüler als Subjekt

Die Schüler als Objekte des vom Lehrer ausgehenden Unterrichts, so wurde der Un­terricht zu Zeiten Gaudigs gesehen. Viel scheint sich seither nicht getan zu haben, kritisiert diese Einordnung und die damit verbundene Passivität doch auch Meyer. So ist es beiden Pädagogen auch ein Hauptziel, den Schüler aus dieser Objektstellung herauszuheben. Bei beiden Modellen werden daher verschiedene Abschnitte des Un­terrichts von der Lehrer- in die Schülerhand übergeben. Damit übernimmt der Schü­ler auch direkt oder indirekt wesentlichen Einfluss auf den Unterricht. Gaudig ver­langte je nach Entwicklungsstand, dass das zu behandelnde Thema von den Schülern kommen sollte. Meyer sieht den Ansatzpunkt bei den subjektiven Schülerinteressen. Diese herauszufinden bleibt aber bei Meyer Aufgabe des Lehrers, insoweit bleibt die­ser mehr in der tragenden Rolle als bei Gaudig. Damit wird bereits das nächste Krite­rium angesprochen.

6.5 Rolle des Lehrers

Beide, sowohl Meyer wie auch Gaudig machen deutlich, dass die Rücknahme des Lehrers beim Unterrichtsgeschehen nicht gleichbedeutend mit weniger Aufwand von Lehrerseite ist. Zunächst gilt es in beiden Modellen, den Schülern Methoden an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglicht, sich ein Stück weit aus der Passivität des Unterrichts zu befreien und es ihnen damit erst die Möglichkeit eröffnet, selbst ins Unterrichtsgeschehen konstruktiv eingreifen zu können. Gaudig sieht den nächsten Schritt relativ klar, der Lehrer muss sich mehr und mehr zurücknehmen, damit sich die Schüler entfalten können. Endeffekt soll dabei sein, dass der Lehrer nur noch ei­nen gewissen Rahmen vorgibt, eine völlige und kompromisslose Freigabe des Unter­richts will allerdings auch Gaudig nicht.

Meyer sieht die Person des Lehrers im Umgang mit methodenkompetenten Schülern etwas anders. Er weißt darauf hin, dass der Lehrer weiterhin immer wieder eingrei­fen muss und soll, weil z. B. Freiräume missbraucht werden oder sich Defizite auftun. Die Komplexität Handlungsorientierten Unterrichts ist weitaus höher, was u. a. dazu führt, dass der Lehrer die Konzentration und Bündelung verschiedenster Ebenen und Denkrichtungen nicht nur im Auge behalten muss, sondern gegebenenfalls auch wie­der zusammenzuführen hat. Auch gilt es, Überforderungen der Schüler oder zeitliche Überschreitungen frühzeitig zu erkennen und dementsprechend einzugreifen. Im Ge­gensatz zu Gaudig mach Meyer außerdem klar, dass Lehrer eigene Interessen haben – und das auch dürfen – und auch ihre ganz eigene Persönlichkeit nicht vor dem Klassenraum aufgeben sollen. Es gilt, die lehrereigenen Lehrziele mit den Handlungs­zielen der Schüler zu verbinden.[142] Insoweit konzentriert sich Gaudig ausschließlich auf die Handlungsziele der Schüler.

In Bezug auf die Berufsschule sind wohl beide Lehrerrollen – wenn überhaupt – nur mit äußerster Mühe durchsetzbar. Solange die Berufsschule mehr oder weniger dazu dient, auf eine noch dazu externe und zentrale Prüfung vorzubereiten, sind den Handlungszielen der Schüler, aber auch den Lehrzielen der einzelnen Lehrer nicht nur zeitlich enge Grenzen gesetzt.

6.6 Zeitumfang

Hier unterscheiden sich die Konzepte stark. Während Gaudig mit seinem Konzept den gesamten Unterricht umstellen will, mach Meyer klar, dass Handlungsorientierter Unterricht nur einen Teil des gesamten Lehrens ausmachen soll. Damit sind die bei­den Modelle eigentlich in verschiedene Theorien einzuordnen, denn Meyer selbst sieht seinen Handlungsorientierten Unterricht als ein Unterrichtskonzept, während man Gaudig in dieser Einteilung als Allgemeine Didaktik einstufen müsste.[143] Dies fällt aber insoweit schwer, weil Gaudig für einen umfassenden Gesamtentwurf viel zu ungenau bleibt und eine vollständige Systematik nicht bieten kann. Daher sollte, wenn eine Einteilung bei Gaudig überhaupt Sinn macht, auch bei seinen pädagogi­schen Vorstellungen von einem Unterrichtskonzept ausgegangen werden. So bleibt also die Unterscheidung des Zeitumfangs, die diese beiden Konzepte im Unterrichts­geschehen einnehmen sollen.

Folgerichtig seiner zeitlichen Einteilung des Unterrichts gibt Meyer vor, den Unterricht grundsätzlich in vier Bereiche zu teilen: Freiarbeit (individualisierter Unterricht), Lehrgänge (lehrgangsförmiger Unterricht), Projektarbeit (kooperativer Unterricht) und gemeinsamer Unterricht (nicht differenzierter Lernverband).[144] Obwohl dieses Modell noch keine Methodenvielfalt oder allgemein guten Unterricht garantiert, kön­nen sich die Schüler und die Lehrer aufgrund dieser Einteilung ihre Arbeit strukturie­ren und sind sich im Klaren darüber, was nun an- oder bevorsteht. Da Gaudig nun sein gesamtes Unterrichtswesen auf „freie geistige Arbeit“ umgestellt hat, fehlt diese Struktur. Durch die Betonung der Methoden gegenüber dem Unterrichtsstoff scheint es aber folgerichtig, z. B. lehrgangsförmigen Unterricht nicht mehr explizit zu fordern oder einzuführen.

Für die Berufsschule mag die Einteilung von Meyer allerdings mehr Sinn ergeben. Diese Einteilung garantiert nicht nur die Weitergabe des nach wie vor großen Stoff­anteils oder der von den Lernfeldern ausgenommenen allg. Fächern in gesonderten Lehrgängen, sondern ermöglicht es außerdem, den integrativen Charakter der Lern­felder gut umzusetzen.

6.7 Fächer- und Klassenaufteilung

Nach o. g. Ausführungen mag es etwas verwundern, dass Gaudig sich gegen einen die Fächergrenzen überschreitenden Gesamtunterricht ausspricht. Während Meyer zumindest in gewissen Phasen, z. B. der Projektarbeit, nicht nur fächer-, sondern auch klassenübergreifenden Unterricht befürwortet, sieht Gaudig keinen Anlass, dies im Kontrast zur klassischen Schule seiner Zeit zu ändern oder zu fördern. Wie im Ka­pitel über Gaudigs Pädagogik beschrieben, ist sieht er die Klasse im Verband als Hauptquelle für Selbstregulierung, soziale Kompetenzbildung und effektive Arbeits­teilung. Für die Fächeraufteilung spricht er sich u. a. deshalb aus, weil die wissen­schaftlichen Bezugsgrößen ebenfalls so geordnet sind. Damit steht sein Modell in Wi­derspruch zu den Lernfeldern der Berufsschule, wie sie nun eingerichtet sind – sieht man von den allgemeinen Fächern ab. Handlungsorientierter Unterricht, der seinen Bezugspunkt weniger in nach Fächern geordnetem Wissen als vielmehr in der Me­thodenanwendung hat, tut sich mit Lernfeldern nicht nur weniger schwer, er braucht vielmehr eine möglichst breite Wissensbasis, die Grenzen überschreitet. Soweit Meyer darauf Bezug nimmt, sind Klassenverbände zwar vorgesehen, können sich aber je nach Aufgabenstellungen auch jahrgangsübergreifend aufheben. Dieses Mo­dell, das bisher in der Berufsschule nicht umgesetzt wurde, wäre z. B. für sog. „Splitterberufe“ interessant, bei der eine jahrgangsgeführte Klassenstärke oft nur schwer erreicht wird. Es bleibt festzuhalten, dass der Handlungsorientierte Unterricht für Berufsschulen mit Lernfeldlehrplänen oder kleinen Klassen besser geeignet scheint, auch wenn sich durch tages- oder blockweisen Unterricht zumindest bezüg­lich der Überwindung von Klassengrenzen organisatorische Hindernisse auftun könnten.

6.8 didaktische Methoden

Neben dem grundsätzlichen Unterschied, dass Gaudig seine „freie geistige Arbeit“ auf den gesamten Unterricht erstrecken will, Meyer seinen Handlungsorientierten Unter­richt aber nur als Teil des Gesamtunterrichts sieht, fällt besonders die Betonung der einzelnen Unterrichtsmethoden auf. Während Meyer als Befürworter der Methoden­vielfalt auftritt[145], betont Gaudig die Einzelarbeit als zentrale Arbeitsmethode. Wie bereits beschrieben, schreibt Gaudig der Einzelarbeit u. a. den Vorteil zu, den einzel­nen Schüler in seinen Fähigkeiten optimal zu fördern. Meyer weiß um die Bedeutung der Methodenvielfalt und betont, durchaus auch selbstkritisch[146], dass nur Methoden­vielfalt der „Heterogenität der Lernvoraussetzungen und der Interessen der Schü­lerinnen und Schüler“[147] gerecht wird.

Gaudigs Einengung auf die Einzelarbeit scheint im Zeitalter der oftmals im Berufsle­ben geforderten Teamarbeit und Erweiterung der Arbeitsweisen (Vernetzung, Telear­beit etc.) nicht die geeignete Methode zu sein. Zwar betont auch Gaudig, dass die Schüler möglichst viele Methoden beherrschen sollen und diese je nach Problem in­novativ und nicht schemenhaft anzuwenden haben, doch bleibt die Konzentration auf die Einzelarbeit ein Manko. Gerade auch die Berufsschule muss sich heute damit auseinandersetzen, dass Arbeitsleistung in verstärktem Maße nicht mehr nur am Ein­zelnen hängt.

6.9 Prüfungen

Eine Reform der Schulprüfungen wird sowohl von Meyer wie auch von Gaudig gefor­dert. Die Hinwendung zu handlungsorientierten Prüfungen ist eine Konsequenz aus der Umgestaltung des Unterrichts. Je nach Bewertung der Methodenkompetenz, folgt entweder eine Konzentration auf die selbständige Aneignung neuen Wissens (Gaudig) oder die sinnstiftenden Verknüpfung von Wissen und Methode (Meyer). Beides macht sinn, gilt doch heute allgemein Faktenwissen als schnell veraltet. Von Arbeitnehmern wird daher im verstärkten Maß gefordert, für Neues aufgeschlossen zu sein, Stichwort „lebenslanges Lernen“. Insoweit geht auch die Einführung von Lernfeldern in die richtige Richtung, da diese relativ offen gestaltet sind, sodass Neu­erungen in den Berufen oftmals ohne eine Neuauflage der Lehrpläne aufgenommen werden können. Der Theorie wird aber die Realität kaum gerecht. Zentrale Prüfun­gen im Multiple-Choise-Verfahren, die von den externen Kammern bzw. zuständigen Stellen herausgegeben werden, machen einer Loslösung von Faktenwissen und z. B. der durch die Lernfelder mögliche Einbeziehung von regionalen Besonderheiten einen Strich durch die Rechnung. Gewerbliche Berufe haben in dieser Hinsicht sogar eine Vorbildfunktion, kennzeichnen die sog. „Gesellenstücke“ doch die Verbindung von Theorie und Praxis. Insoweit wäre es auch bei den kaufmännischen Berufen sinnvoll, der praktischen Anwendung einen höheren Stellenwert in der Abschlussprüfung ein­zuräumen. Der Berufsschule käme damit auch die Aufgabe zu, nicht nur das Fakten­wissen für die Prüfung „bereitzustellen“, sondern neben dem Ausbildungsbetrieb ebenfalls die Verbindung von Wissen und Können zu üben, z. B. in Form des Hand­lungsorientierten Unterrichts.

6.10 Fazit

Der Vergleich der pädagogischen Modelle von Gaudig und Meyer im Kontext der Be­rufsschule hätte sicherlich auch mit anderen oder weiteren Kritikpunkten geführt werden können, insoweit ist die Auswahl keinesfalls erschöpfend. Die heimliche Hoff­nung des Autors, dass Gaudig wegweisend für die berufliche Bildung sein könnte, musste aufgrund dieses Vergleichs leider aufgegeben werden. Das hat u. a. damit zu tun, dass viele wichtige Gedanken von neueren Konzepten übernommen wurden, so bezieht sich Meyer in seinem Modell des „Handlungsorientierten Unterrichts“ auch auf Gaudig. Wenn bei Gaudig überhaupt von einem durchdachten Konzept ausge­gangen werden kann, so scheint das in der heutigen Zeit sehr eng und lässt in den von Gaudig aufgezeigten Grenzen kaum Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass sich – nicht immer wissentlich - viele sinnvolle Aspekte Hugo Gaudigs in neuen Formen von Unterrichtskonzepten wieder finden, eben auch im Handlungsorientierten Unterricht im Modell von Hilbert Meyer. Somit bleiben ei­nige Ideen Gaudigs, der in der pädagogischen Entwicklung und Zeitgeschichte einen großen Stellenwert besitzt oder besitzen sollte, zumindest teilweise erhalten.

Für die Entwicklung der Berufsschule, inzwischen so etwas wie die Speerspitze Handlungsorientierten Unterrichts, bleibt zu wünschen, dass dieser Weg weiterge­gangen wird und es somit – und das ist wohl entscheidend – nicht nur eine gefor­derte Theorie bleibt, sondern praxisnah und effizient umgesetzt wird.

7. Literaturverzeichnis

Aff, Josef (2004): Unterlagen zur Vorlesung „Integrative Prüfung C – Wissenschaftstheorie und Allgemeine Wirtschaftspädagogik“ im WS 04/05. Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung an der Universität Erlangen-Nürnberg

Büttner, Viola und Ribbschlaeger, Andrea (1994): Sekundärliteratur zur Reformpädagogik – ein thematisches Bestandsverzeichnis. Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main

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Gaudig, Hugo (1923): Didaktische Präludien. 3. Auflage, B. G. Teubner, Berlin und Leipzig

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Stuhlfath, Walter (1922): Vom Werden der Arbeitsschule – Stimmen ihrer Vorkämpfer aus vier Jahrhunderten. A. W. Zickfeldt, Osterwieck am Harz

8. Erläuterungen

- Die Bezeichnung weiblicher und männlicher Personen durch die jeweils maskuline Form in dieser Arbeit soll keinesfalls als Diskriminierung verstanden werden. Auf die Verwendung von Doppelformen oder andere Kennzeichnungen für weibliche und männliche Personen wird jedoch verzichtet, um die Lesbarkeit und Übersichtlichkeit zu wahren. Mit allen im Text verwendeten Personenbezeichnungen sind, soweit sinnvoll, stets beide Geschlechter gemeint.

- Direkte Zitate wurden in die derzeitig gültige Rechtschreibung umgewandelt, soweit dies den Sinn dadurch nicht entstellt. Dies dient der besseren Lesbarkeit.

[...]


[1] vgl. Kratochwil 1992, S. 240

[2] vgl. Stuhlfath 1922, S. 134 und Müller 1963, S. 84

[3] Gaudig, zitiert in Müller 1963, S. 84, alle nicht weiter gekennzeichneten biographischen Hinweise stammen ebenfalls von Müller 1963, S. 84 ff.

[4] vgl. Friedrich 2005, S. 12

[5] vgl. Odenbach 1963, S. 20 ff.

[6] Gaudig, zitiert in Kratochwil, S. 20

[7] vgl. Potthoff 2003, S. 65

[8] vgl. Günther 1957, S. 4 f.

[9] vgl. Müller 1963, S. 88

[10] vgl. Günther 1957, S. 95

[11] vgl. Kratochwil, S. 25

[12] vgl. Reble 1989, S. 3

[13] vgl. Kratochwil 1992, S. 29 und S. 239

[14] Reble 1989, S. 8

[15] Gaudig selbst sprach in Bezug auf seine Pädagogik von einer „allmählichen Reform“, keinem „revolutionäre[m] Prinzip“; in Gaudig 1911, S. 25

[16] vgl. Odenbach 1963, S. 37

[17] vgl. Hackl 1990, S. VIII, eine weitere andere Unterscheidung – u. a. zwischen Gaudig und Kerschensteiner – findet sich in Röhrs 1986, S. 59

[18] zitiert in Reble 1989, S. 9, vgl. auch Odenbach 1963, S. 37

[19] vgl. u. a. Hackl 1990, S. 9

[20] vgl. Gaudig 1912, S. 27 f.

[21] Gaudig, ebenda S. 28

[22] vgl. z. B. Scheibner 1928, Titel „Zwanzig Jahre Arbeitsschule in Idee und Gestaltung“

[23] Kratochwil 1992, S. 26; leicht verändert

[24] Gaudig, zitiert in Skiera 2003, S. 121

[25] vgl. Odenbach 1963, S. 41 und Reble 1989, S. 14

[26] Gaudig, zitiert in Günther 1957, S. 75

[27] angelehnt an Skiera 2003, S. 122 f.; eigene Ergänzungen und Veränderungen

[28] Gaudig, zitiert in Odenbach 1963, S. 37 f.

[29] Gaudig 1912, S. 30

[30] Gaudig, zitiert in Odenbach 1963, S. 38 f.

[31] Gaudig 1911, S. 12

[32] Gaudig 1911, S. 25

[33] vgl. Günther 1957, S. 52; wobei die Arbeit Günthers stark politisch geprägt ist

[34] Gaudig, zitiert in Skiera 2003, S. 122

[35] vgl. dazu ein „Individualbild“ in Günther 1957, S. 128 ff.

[36] vgl. Kratochwil 1992, S. 37

[37] Gaudig 1907, S. 46

[38] Gaudig ebenda, S. 46

[39] Gaudig ebenda, S. 47

[40] vgl. Röhrs 1998, S. 222

[41] Gaudig, zitiert in Röhrs 1998, S. 225

[42] vgl. Günther 1957, S. 95

[43] vgl. Reble 1989, S. 15

[44] Gaudig, zitiert in Günther 1957, S. 17

[45] Gaudig 1911, S. 11

[46] Gaudig 1904, S. 45

[47] vgl. Günther 1957, S. 82

[48] Gaudig, zitiert in Skiera 2003, S. 122

[49] Scheibner 1921, S. 40; vgl. dazu auch die Aufzählung Gaudigs in Gaudig 1911, S. 11

[50] vgl. Scheibner 1921, S. 40 und Hackl 1990, S. 79

[51] vgl. Odenbach 1963, S. 38

[52] vgl. Gaudig 1922b, S. 34 f.; Gaudig 1922a, S. 64 und Kratochwil 1992, S. 50 f.

[53] vgl. Reble 1989, S. 14 und Müller 1963, S. 88

[54] vgl. Aufzählung S. 21 dieser Arbeit

[55] Gaudig 1905, S. 88

[56] vgl. Gaudig 1905, S. 58 und Gaudig 1922a, S. 65

[57] Gaudig, zitiert in Günther 1957, S. 50

[58] Gaudig 1911, S. 13

[59] Gaudig 1922a, S. 66

[60] Gaudig, zitiert in Odenbach 1963, S.43

[61] Gaudig, zitiert in Kratochwil 1992, S.31 f.

[62] vgl. Müller 1963, S. 87 und S. 94

[63] Gaudig, zitiert in Günther 1957, S. 105

[64] Gaudig 1922a, S. 65

[65] vgl. Müller 1963, S. 86

[66] vgl. Reble 1989, S.14

[67] vgl. Reble 1989, S. 16 und Kratochwil 1992, S. 48 f.

[68] vgl. Müller 1963, S. 86

[69] Gaudig, zitiert in Kratochwil 1992, S. 24

[70] vgl. Kratochwil 1992, S. 35

[71] Gaudig 1917, S. 70

[72] ebenda, S. 71

[73] siehe Kritik in Kratochwil 1992, S. 79 f.

[74] vgl. Müller 1963, S. 87 und Kratochwil 1992, S. 29

[75] Gaudig, zitiert in Reble 1989, S. 9

[76] für Kritik vgl. Kratochwil 1992, S. 76 ff.

[77] vgl. Reble 1989, S. 10

[78] vgl. Günther 1957, S. 47

[79] Gaudig, zitiert in Röhrs 1998, S. 225

[80] für eine zusammengefasste Kritik siehe Kratochwil 1992, S. 86 f.

[81] vgl. Kratochwil 1992, S. 31

[82] vgl. ebd., S. 36

[83] vgl. Röhrs 1998, S. 224; dort heißt es: „Ergänzend sei erwähnt, dass ich anlässlich zahlreicher Hospitationen mit Studierenden während der letzten drei Jahrzehnte wiederholt Lehrer im Unterricht kennen lernte, die sich noch als Gaudig-Schüler bezeichnen konnten. Diese Stunden gehören zu den gehaltsvollsten Erfahrungen, die ich in Schulen gemacht habe.“

[84] BayEUG in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000

[85] KMK 1991, S. 2 f.

[86] vgl. Berufsbildungsgesetz (BBiG), § 2 (1)

[87] Definition in § 71 BBiG

[88] KMK 1991, S.5

[89] siehe IHK Frankfurt am Main

[90] vgl. Ilg 2003

[91] vgl. Seyd 2001, S. 414 ff.

[92] Dörig 2003, S. 33

[93] vgl. Kutscha 1999, S. 130 ff.

[94] vgl. Österreichisches Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur 2006, S. 28

[95] vgl. Euler, zitiert in Seyd 2001, S. 417

[96] vgl. Österreichisches Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur 2006, S. 37

[97] vgl. http://www.sozial-inkompetent.de/index.php?/archives/6-Mein-erster-Block-an-der-Berufsschule.html

[98] GEW 2001, S. 5

[99] vgl. ebenda, S. 1

[100] vgl. KMK 2000

[101] vgl. GEW 2001, S. 9

[102] siehe KMK 2000, S. 10

[103] vgl. ebenda, S. 9

[104] ebenda, S. 9

[105] vgl. Jank & Meyer 1997, S. 371 ff.

[106] ebenda, S. 372

[107] vgl. ebenda, S. 339 ff.

[108] ebenda, S. 372

[109] ebenda, S. 345 f.

[110] Meyer & Paradies 1998, S. 8

[111] vgl. ebenda, S. 68

[112] Jank & Meyer 1997, S. 287, ebenso die anderen Zitate

[113] ebenda, S. 373

[114] Meyer 1987, S. 402

[115] vgl. ebenda, S. 391 ff.

[116] ebenda, S. 403

[117] vgl. ebenda, S. 403

[118] vgl. ebenda, S. 404 f.

[119] ebenda, S. 412

[120] ebenda, S. 412

[121] ebenda, S. 413

[122] ebenda, S. 414

[123] vgl. ebenda, S. 415

[124] ebenda, S. 416

[125] ebenda, S. 418

[126] vgl. Jank & Meyer 1997, S. 356

[127] vgl. Meyer 1987, S. 419

[128] vgl. ebenda, S. 420

[129] ebenda, S. 420

[130] ebenda, S. 421

[131] ebenda, S. 421

[132] ebenda, S. 423

[133] Jank & Meyer 1997, S. 21

[134] vgl. Jank & Meyer 1997, S. 348 oder Meyer 1987, S. 417 f.

[135] Aff 2004

[136] vgl. Meyer 1987, S. 418

[137] vgl. KMK 2000, S. 9

[138] vgl. Meyer 1987, S. 418

[139] Jank & Meyer, S. 372

[140] vgl. letztes Kapitel

[141] Jank & Meyer 1997, S. 147 f. und S. 372

[142] vgl. Abb. 1 letztes Kapitel

[143] vgl. Jank & Meyer 1997, S. 287

[144] vgl. Meyer 2005, S. 79

[145] vgl. Meyer 2005, S. 74 ff.

[146] vgl. ebenda, S. 80 f.

[147] ebenda, S. 74

Fin de l'extrait de 66 pages

Résumé des informations

Titre
Der Vergleich des pädagogischen Modells Hugo Gaudigs mit dem 'Handlungsorientierten Unterricht' im Sinne Hilbert Meyers
Sous-titre
Im Kontext der deutschen Berufsschule
Université
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Betriebswirtschaftliches Institut)
Note
2,3
Auteur
Année
2006
Pages
66
N° de catalogue
V110556
ISBN (ebook)
9783640087235
ISBN (Livre)
9783640115815
Taille d'un fichier
705 KB
Langue
allemand
Mots clés
Vergleich, Modells, Hugo, Gaudigs, Handlungsorientierten, Unterricht, Sinne, Hilbert, Meyers, Kontext, Berufsschule
Citation du texte
Heiko Meserle (Auteur), 2006, Der Vergleich des pädagogischen Modells Hugo Gaudigs mit dem 'Handlungsorientierten Unterricht' im Sinne Hilbert Meyers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110556

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