Dieses bereits 1986 erschienene, jedoch noch immer sehr lesenswerte Buch ist Ergebnis eines dreijährigen Forschungsprojekts von Lehrenden und Lernenden an der Fachhochschule Frankfurt, aus dem u.a. auch mehr als ein halbes Dutzend Diplomarbeiten hervorgingen. Neben der medizinhistorischen Perspektive, am Beispiel der " T4"-Tötungsanstalt Hadamar grundlegende Einsichten über die Rolle der Psychiatrie im NS und das Wesen faschistischen Umgangs mit psychisch Kranken und geistig behinderten Menschen vermitteln zu können, ist es vor allem der Anspruch der Herausgeber dieser Studie " einen Schlüssel ... zum besseren Verständnis der immer schwieriger und widersprüchlicher sich entwickelnden psychosozialen Versorgung hier und heute" liefern zu wollen, durch den dieser umfangreiche Sammelband auch weiterhin Aufmerksamkeit verdient. Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden und gleichzeitig eine Orientierungsgrundlage für die Einordnung der spezifischen Gegenstände zu schaffen, die in den folgenden acht Detailstudien untersucht werden, stellen Dorothee ROER und Dieter HENKEL, als Leiter des Projekts, eine theoretische Abhandlung zur " Funktion bürgerlicher Psychiatrie und ihre besondere Form im Faschismus" an den Beginn des Bandes.
Inhaltsverzeichnis
- Theoretische Abhandlung zur Funktion bürgerlicher Psychiatrie und ihre besondere Form im Faschismus
- Die Geschichte der Anstalt Hadamar von 1933-1945
- Zwangssterilisation an Hadamarer Anstaltsinsassen
- Kinder in Hadamar
- Arbeit und Zwang im Leben der Hadamarer Patienten
- Das Schicksal polnischer und sowjetischer Zwangsarbeiter in Hadamar
- Die Opfergruppe des "Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher" von 1933
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Studie "Psychiatrie im Faschismus" untersucht die Rolle der Psychiatrie im Nationalsozialismus und analysiert die spezifischen Mechanismen der faschistischen Psychiatrie. Sie beleuchtet die Geschichte der Tötungsanstalt Hadamar und die verschiedenen Formen der Lebensvernichtung, die dort praktiziert wurden. Die Studie zielt darauf ab, ein besseres Verständnis der psychosozialen Versorgung in der Vergangenheit und Gegenwart zu ermöglichen.
- Die Rolle der Psychiatrie im Nationalsozialismus
- Die spezifischen Mechanismen der faschistischen Psychiatrie
- Die Geschichte der Tötungsanstalt Hadamar
- Die verschiedenen Formen der Lebensvernichtung im NS
- Die Kontinuitäten zwischen der psychiatrischen Praxis im NS und der heutigen psychosozialen Versorgung
Zusammenfassung der Kapitel
Das Buch beginnt mit einer theoretischen Abhandlung, die die Funktion bürgerlicher Psychiatrie und ihre besondere Form im Faschismus beleuchtet. Die Autoren argumentieren, dass die faschistische Psychiatrie durch die totale Reduktion des Menschen auf seinen Wert als Arbeitskraft und die drastische Senkung der Kosten im Anstaltsbereich gekennzeichnet war. Arbeitsunfähige wurden zu Niedrigstkosten verwahrt, während die Psychiatrie durch ihre Beteiligung am Programm der Zwangssterilisation eine gesellschaftliche Aufwertung erfuhr.
Die folgenden Kapitel befassen sich mit der Geschichte der Anstalt Hadamar und den verschiedenen Formen der Lebensvernichtung, die dort praktiziert wurden. So wird die Geschichte der Anstalt von 1933 bis 1945 beleuchtet, die Zwangssterilisation an Hadamarer Anstaltsinsassen untersucht und die Situation von Kindern in Hadamar analysiert. Die Studie zeigt, dass es zwei Formen der Morde an geistig behinderten und psychisch kranken Kindern und Jugendlichen gab: in den sogenannten "Kinderfachabteilungen" und im Rahmen des T4-Mordprogramms.
Ein weiteres Kapitel befasst sich mit dem Schicksal polnischer und sowjetischer Zwangsarbeiter in Hadamar. Die Studie zeigt, dass die ökonomische Dimension der Vernichtung in diesem Kontext besonders deutlich wird. Schließlich wird die Opfergruppe des "Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher" von 1933 untersucht. Die Studie zeigt, dass die Verurteilung nach diesem Gesetz faktisch das Todesurteil für die Delinquenten bedeutete, da sie in die Mordanstalt Hadamar verschleppt wurden.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Psychiatrie im Nationalsozialismus, die Tötungsanstalt Hadamar, die Zwangssterilisation, die Lebensvernichtung, die "Euthanasie", die "Kinderfachabteilungen", die "Arbeit und Zwang", die "gefährlichen Gewohnheitsverbrecher" und die Kontinuitäten zwischen der psychiatrischen Praxis im NS und der heutigen psychosozialen Versorgung.
- Arbeit zitieren
- Dr. phil. Walter Grode (Autor:in), 1992, Psychiatrie im Faschismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110614