Sexuelle Sozialisation


Presentation (Elaboration), 2007

19 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


1. Die sexuelle Entwicklung des Menschen

Die sexuelle Entwicklung des Menschen ist ein Prozess, der sein ganzes Erwachsenwerden hindurch wirksam ist. Er ist jedoch damit noch nicht abgeschlossen. Das ganze Leben lang lernt ein Mensch hinzu und muss sich auf neue Bedingungen einstellen. Dies trifft auf alle Bereiche zu, so auch auf die Sexualität. Einflussfaktoren können sowohl von außen her auf eine Person einwirken, als auch mit ihrer eigenen Rezeption der Umwelt einhergehen. Gerade in der Sexualität spielt auch die zeitliche Änderung der eigenen biologischen Voraussetzungen eine große Rolle. Gemeint ist der Alterungsprozess, welcher Veränderungen beinhaltet, die gerade in der Anfangsphase des Lebens schneller von statten zu gehen scheinen, und deshalb als einschneidender erlebt werden. Außerdem werden in dieser frühen Phase der Sexualitätsentfaltung Erfahrungen gemacht, die sich oft als prägend für die Entwicklung der Sexualität im weiteren Verlauf des Lebens auswirken.

Sexualität, und insbesondere ihre Entwicklung im Verlauf des menschlichen Lebens, ist ein Phänomen im Spannungsfeld zwischen Biologie und Kultur, Individuum und Gesellschaft und nicht zuletzt von Instinkt und Entscheidung. Dies ist ein weites Feld, auf dem man sich keineswegs immer einig ist, welches die bestimmenden Faktoren sind. Nicht zuletzt aus diesem Grunde kann diese Arbeit die Thematik im besten Falle anreißen, um einen kleinen Einblick zu verschaffen.

2. Sexuelle Sozialisation

Wenn nun das Thema „sexuelle Sozialisation“ behandelt werden soll, gilt es zunächst zu klären, was unter Sozialisation, wie auch Sexualität im Allgemeinen überhaupt verstanden wird.

„Sozialisation ist der Vorgang, bei dem sich Menschen die Verhaltensregeln und die Überzeugungs- und Einstellungssysteme aneignen, die einer Person das Funktionieren als vollwertiges Mitglied einer Gesellschaft erlauben.“ (Stroebe et al. 2003, S. 55)

Diesen Prozess kann man – je nach theoretischer Grundlage – einerseits als Formungs- und Einschränkungsprozess verstehen, in dem der Menschen auf gesellschaftliche Kompabitilität „getrimmt“ wird. Andererseits wird oft auch der Entwicklungsprozess in den Vordergrund gestellt, dem ein Individuum unterliegt und in dem es sich entfaltet.

Dadurch stellt Sozialisation in Wahrheit einen interaktiven Prozess dar. Das Individuum erlernt sowohl Möglichkeiten, als auch Beschränkungen in Interaktion mit seiner sozialen Umwelt.

Auch in der Sozialisation werden bestimmte Phasen/ Instanzen unterschieden, in denen entsprechende gesellschaftliche Bedeutungs- und Anforderungsmuster erlernt werden (primär, sekundär und tertiär). In diesem Kontext wird später noch näher auf die Phasen sexueller Sozialisation, sowie einige Sozialisationsinstanzen eingegangen.

Sexualitätist ein Begriff, der überaus schwierig zu fassen ist. Deshalb wird er auch oft unterschiedlich definiert, oder zumindest mit unterschiedlichen Schwerpunkten versehen. Und nicht selten orientiert sich die Definition von Sexualität am spezifischen Untersuchungsfeld.

Genau genommen versteht ein Menschen unter Sexualität nie exakt das selbe wie ein anderer. An dieser Stelle soll nun eine eigene Definition versucht werden, die – dem Thema angemessen – bewusst sehr allgemein und umfassend gehalten ist:

Sexualität beinhaltet demnach jedes Streben, das auf eine Stimulation der empfindsamen Körperregionen, insbesondere der Geschlechtsteile gerichtet ist. Sie umfasst Wünsche und Sehnsüchte, genauso wie Phantasien, Hoffnungen und Träume, die sich mehr oder weniger deutlich manifestieren. Ebenso umfasst sie konkrete Handlungen, die bewusst oder unbewusst auf Erfüllung eines Grundbedürfnisses zielen, das ähnlich stark ausgeprägt sein kann (aber keineswegs muss), wie etwa Hunger oder Durst. Darin inbegriffen ist auch die Herstellung von Kontakten und Situationen, die eine Befriedigung dieses Bedürfnisses herbeiführen bzw. die Aussicht darauf begünstigen können, sowie schließlich der eigentliche Akt selbst.

In der Sexualität manifestieren sich ebenso gesellschaftliche Vorstellungen wie persönliche Präferenzen. Man ist sich uneinig, inwieweit bestimmte Verhaltensweisen und Präferenzen genetisch induziert sind oder durch Sozialisation gesellschaftlich entwickelt werden.

Für diese Arbeit wird vollständig von der zweiten Annahme ausgegangen, um die Bedeutung des Einflusses der sozialen Umwelt während der sexuellen Sozialisation hervorzuheben.

Diese Position vertritt auch Haeberle (1995):

„Die heutige internationale Sexualwissenschaft glaubt an keinen Sexualtrieb mehr. Im Vordergrund der kindlichen Entwicklung stehen nun verschiedene interaktive Lernprozesse, die das Kind, auf einer biologischen Grundlage, in Aneignung oder Verinnerlichung seiner sozialen Umwelt durchläuft.“

Sexuelle Sozialisationheißt demnach das Erlernen gesellschaftlich als „sexuell“ definierter Ausdrucks- und Verhaltensformen, und damit dessen, was als sexuell zu gelten hat. Ebenso wichtig ist aber auch die individuelle Deutungen eigener Körperreaktionen. Dabei steht immer das sexuelle Empfinden im Vordergrund, das im Laufe der Sozialisation an gewisse Bedeutungskontexte gekoppelt wird. Sexualität ist also keineswegs instinktgebunden, sondern wird, wie jegliches Sozialverhalten, von Kindheit an erlernt und eingeübt.

In einem hohen Maße läuft der Prozess der sexuellen Sozialisation in Abhängigkeit von der biologischen Entwicklung ab und ist damit alters- und entwicklungsabhängig.

Zudem ist „sexuelle Sozialisation (…) historisch, kulturell und regional gebunden – und dementsprechend variabel.“ (Stein-Hilbers 2000; S. 10) Dies gilt sowohl für die Art der Praktiken, das spezifische Erleben von Sexualität, als auch die Kontexte, unter denen sie zustande kommt. In jedem Fall sind sie in hohem Maße vom gesellschaftlichen Umfeld gesteuert, das inter- und intrakulturell variiert.

Zu wichtigen Bestandteilen sexueller Sozialisation gehören:

- Der Erwerb von sexuellem Körperwissen im familiären Umfeld.
- Die Entwicklung von Interaktionsstilen und Orientierungen, die sich auf geschlechtsangemessenes Verhalten, Fühlen und entsprechende Modelle des Begehrens beziehen.
- Ein Erlernen von symbolischen oder tatsächlichen Ausdrucksformen entsprechender Objekte und Handlungen.
- Die Verbindung mit körperlichen Erfahrungen, Ausgestaltung von Phantasien und Interaktionen.
- Die Realisierung sexueller Kontakte im Kontext geschlechtsgebundener, kulturell geltender sexueller Szenarios, die die Sozialstruktur und individuelle Erfahrungen beeinflussen.

(vgl. Stein-Hilbers 2000, S. 9)

Es lassen sich also folgende Merkmale sexueller Sozialisation zusammenfassen:

- Sie findet lebenslang statt, aber besonders intensiv im Kindes- und Jugendalter.
- Entscheidend sind vor allem die sozialen Praktiken, die auf Ausbildung von Zweigeschlechtlichkeit zielen. Dadurch kommt es zu einer dominanten Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit, mit besonders Auswirkungen in der Sexualität.
- Sie erfolgt unter dem Einfluss kultureller Szenarios mit Aussagen über die Sexualität, wodurch das Sexualverhalten spezifisch kanalisiert und normiert wird.
- Soziale Praktiken beeinflussen die Ausbildung sexueller Identitäten.

(vgl. Stein-Hilbers 2000, S. 10)

Ein weiterer Aspekt, der eng mit dem Prozess, der sexuellen Sozialisation zusammenhängt, ist diegeschlechtsspezifische Sozialisation. Dieser Begriff legt den Schwerpunkt auf die Tatsache, dass insbesondere in Kontext der sexuellen Sozialisation das Individuum nach dem Kriterium seines Geschlechts definiert wird, und daher entsprechende Bedeutungskontexte vermittelt bekommt. Diese Zuschreibung, die ausschließlich auf der biologisch begründeten Dichotomie männlich – weiblich basiert, ist kulturell äußerst bedeutsam und wird im folgenden unter dem Stichwort „Heteronormativität“ erläutert.

2.1. Aspekte sexueller Sozialisation

Heteronormativität

„Geschlecht ist eine soziale Kategorie und eine Institution: eines der wichtigsten Ordnungsprinzipien für die Entwicklung und Ausgestaltung von Individuen und Sozialitäten.“ (Stein-Hilbers 2000; S. 12)

In westlichen Gesellschaften ist die (biologische) Geschlechtsdifferenz ein dominantes kulturelles Distinktionsprinzip, durch das Geschlechterdifferenzen beständig betont und reproduziert werden.

„Zunächst ist das Geschlecht nur ein biologisches Merkmal, von Geburt an werden aber gesellschaftliche Entwicklungen davon bestimmt, die neue, zusätzliche Geschlechterunterschiede hervorbringen. Die Natur bestimmt, ob wir männlich oder weiblich sind, die Kultur legt fest, was es bedeutet, männlich oder weiblich zu sein.“ (Merz 1979)

So findet insbesondere auch die sexuelle Sozialisation immer unter dem Vorzeichen einer Norm der Heterosexualität statt, die bis heute unser gesamtes Gesellschaftssystem in hohem Maße mitstrukturiert. Diese fordert zum einen die Einordnung in das ans biologische Geschlecht gekoppelte, Geschlechterrollenmodell, zum anderen die Ausrichtung des eigenen sexuellen Verhaltens auf das als komplementär begriffene andere Geschlecht.

Entwicklungsgeschichtlich hat sich Norm der Heterosexualität, wie wir sie heute kennen, über lange Zeitspannen herausgebildet. Die Anpassung an die Bedingungen der (physischen und sozialen) Umwelt hat dieses kulturelle Muster hervorgebracht. Und genetisch hat es ohnehin eine gewisse Berechtigung. So war über lange Phasen der Gesellschaftsentwicklung eine gleichsam symbiotische Beziehung zwischen Mann und Frau gefordert, die ein Überleben garantierte und wiederum genetisch-kulturelle Reproduktion erst ermöglichte. Dass diese Heterosexualität heute hinterfragt und problematisiert wird, ist das sicherste Indiz für einen kulturellen Wandel.

Denn die Norm der Heterosexualität wird heute vor dem Hintergrund einer Auflösung der unmittelbaren Notwendigkeit, einen gegengeschlechtlichen Partner zu wählen, Nachkommen zu haben, etc. immer mehr hinfällig und daher zunehmend als Zwang erfahren.

Wenngleich am häufigsten thematisiert und problematisiert (da am leichtesten zu fassen), sollte man nicht vergessen, dass Heterosexualität bei weitem nicht die einzige Norm ist, der menschliche Sexualität unterworfen ist.

Auch Lautmann (2002) ist der Meinung, dass die gesellschaftliche Organisation der Sexualität nicht allein mit dem Geschlecht geklärt werden dürfe. (S. 365) Außerdem lockert sich „im Handeln des sexuellen Alltags (…) der Kontext zur dualen Geschlechtlichkeit.“ (S. 370)

(Wer sich näher mit Fragen der Diskursgeschichte der Geschlechterdifferenz und ihrer Phänomenologie auseinandersetzen möchte, dem sei hierzu Hoffmann 2007 empfohlen.)

Modelle der Sexualentwicklung

Ein Skript kann man sich im Wesentlichen als eine Art Algorithmus vorstellen, welchen der Mensch im Laufe seines Lebens erlernt. Skripten sind jedoch keineswegs so starr wie mathematische Funktionen. Sie werden zum einen permanent modifiziert, zum anderen befinden sie sich in ständiger Konkurrenz zu alternativen Skripten. Daher sind sie keineswegs deterministisch zu verstehen. Gerade die Kindes- und Jugendphase ist überaus bedeutend für die Ausprägung solcher Skripten:

„… Kinder [besitzen] ein Sexualpotential, das sich in bestimmten Phasen entfaltet, aber je nach Umgebung wird es völlig anders geprägt, und vor allem werden seine Äußerungen völlig anders interpretiert und bewertet. Ja, es hängt sehr von der betreffenden Umgebung ab, ob ein bestimmtes Verhalten überhaupt als sexuell oder nichtsexuell gilt.“ Haeberle (1995) spricht hier vonsexuellen Skriptendurch die ein Mensch sich im Laufe seines Lebens, aber insbesondere während seiner Kindheit, bestimmte Reiz-Reaktionsmuster, sowie Bedeutungsinhalte und –zusammenhänge in Bezug auf Sexualität aneignet.

Als Vermittlungsinstanzen können Eltern, Geschwister, Freunde, Schule, Kirche, Strafrecht, Medien, Bücher, Film, Fernsehen und viele andere Individuen und Kollektive (vgl. Sozialisationsinstanzen) fungieren, die „uns nacheinander oder gleichzeitig sehr verschiedene alte und neue Skripte über richtiges und falsches Sexualverhalten“ anbieten. Diese müssen keineswegs ein homogenes Bild abliefern, so dass das Individuum gezwungen ist, „zu verschiedenen Zeiten zwischen verschiedenen Skripten zu wählen oder (…) aus dem breiten Skriptangebot hier und da Fragmente herauszuklauben, um damit ein eigenes, persönliches Skript zu basteln.“ (Haeberle 1995)

Sexuelle Skripten haben hierbei sowohl eine intrapsychische, sowie eine interpersonelle Komponente. Die interpersonelle Komponente ist insoweit von Bedeutung, als dass ein gemeinsames Wissen und die Sexualität, ihren Kontext und ihre Bedeutung erforderlich ist, um den sexuellen Kontakt zwischen Partnern überhaupt erst zu ermöglichen, sofern er nicht gewaltförmig erfolgt. Auch im Abstimmungsprozess mit anderen Personen wird das sexuelle Skript wiederum modifiziert.

DasPhasen-/ Zyklusmodellim Freud’schen Sinne geht eher von der Annahme aus, dass der Mensch – analog zu seiner biologischen Entwicklung, die wiederum durch hormonelle Zyklen determiniert ist – bestimmte Phasen in seiner psychosozialen Entwicklung durchmacht, die erhebliche Auswirkungen auf seine Existenz als sexuelles Wesen haben. Einmal abgeschlossen, sind die vollendeten Entwicklungsschritte weitgehend irreversibel und das Erlernte internalisiert. Damit geht diese Theorie von einem Modell aus, das – obwohl es eine spezifische Abfolge von Phasen kennt – wesentlich statischer als das Skriptierungsmodell ist, welches dem Menschen viel großzügigere Handlungs- und Entscheidungsfähigkeiten einräumt. Die Dynamik lebenslangen Lernens ist im Phasen-/ Zyklusmodell ebenfalls weitgehend ausgeblendet. Allerdings hat dies zumindest partiell eine Berechtigung: In seiner frühkindlich-kindlichen Entwicklung ist die Lernfähigkeit des Menschen bei weitem am größten. Dieses Potential flacht mit zunehmenden Alter immer weiter ab, so dass die Wahrscheinlichkeit, grundlegende Orientierungsänderungen durchzumachen, immer weiter abnimmt.

Obwohl also das Skriptierungsmodell heute allgemeine Anerkennung findet, macht es daher Sinn, für eine genauere Betrachtung der sexuellen Sozialisation bestimmte Phasen auszugliedern, ohne jedoch gleich mit psychosozialem Determinismus zu argumentieren.

2.2. Phasen sexueller Sozialisation

„… Menschen [müssen], wie alle Primaten, ihr Reproduktionsverhalten früh praktisch einüben, da es nicht instinktiv gesteuert ist. Deshalb ist ein sexuelles Ausprobieren bei Kindern und Jugendlichen schon allein um des Überlebens der Gattung willen erforderlich.“ (Haeberle 2005)

Stein-Hilbers (2000, S. 62-79) gliedert in ihrer Darstellung die Phasen der sexuellen Sozialisation grob in Säuglings- und Kindesphase, in die Phase der Pubertät und Adoleszenz und in die Phase des Erwachsenenalters. Hierzu muss angemerkt werden, dass diese Phasen nicht immer trennscharf gegeneinander angegrenzt werden können. Auch in ihrer zeitlichen Dauer können sich auf individueller Ebene mehr oder weniger starke Abweichungen ergeben.

Säuglingsphase

Bei Geburt verfügen alle Menschen über eine neurophysiologische Ausstattung, die ihnen Körperkontakt, Berührung und liebevolle Zuwendung als angenehm erscheinen lässt. Vor allem die Genitalien sind für solche Reize besonders empfänglich. Da sie sich immer mit Interaktionen und Beziehungen zu anderen Menschen verbinden sind sie sehr wichtig für die psychosexuelle Entwicklung.

Bei Säuglingen ist ein zunächst diffuses System der Lustsuche zu beobachten. Sogar vorgeburtlich sind bestimmte Reaktionen zu beobachten, die – fänden sie in einem späteren Lebensalter statt – als sexuell gedeutet werden könnten. Recht früh lässt sich absichtsvolles Greifen nach den Genitalien feststellen und etwa ab Ende des ersten Lebensjahres kommt es zu ersten, mit Masturbationshandlungen vergleichbaren Handlungen. Dabei lassen sich starke individuelle Unterschiede beobachten.

(Stein-Hilbers 2000; S. 63-65)

Kindesphase

Frühe Körpererfahrungen werden in erster Linie durch Handeln und Reaktionen anderer kategorisiert, wodurch Wertorientierungen vermittelt und Neugier und Sinnlichkeit diszipliniert werden.

Insbesondere die verlegenen Reaktionen anderer besetzen bestimmte Körperregionen und –prozesse mit Bedeutung. In diesem Kontext kommt es auch zur Vermittlung vonSchamregeln, die zwar oft nicht direkt angesprochen, jedoch erkannt werden. Etwa ab dem fünften Lebensjahr finden es Kinder z. B. peinlich, nackt vor Fremden zu sein. (Stein-Hilbers 2000; S. 66-68)

Generell hinkt die emotionale und intellektuelle Erfassung der Genitalien der anderer Körperregionen hinterher, da sie durch die Eltern behindert wird. Dies zeigt sich bereits in der sprachlichen Codierung (Stein-Hilbers 2000; S. 65).

Es ist von außerordentlicher Bedeutung für die frühkindliche Entwicklung, welche Bewertungen und Restriktionen Eltern ihren Kindern in Bezug auf ihre Sexualität mit auf den Weg geben, da dies ihr gesamtes Selbstbild mit beeinflusst. (Möller 2005)

Was Sexualität betrifft, erhalten Kinder meist widersprüchliche und zurückhaltende Botschaften von ihren Eltern, welche zudem noch ihre eigene Sexualität verheimlichen. Gerade deshalb scheint Sexualität „als nicht kommunizierbar und geheimnisvoll“, aber andererseits scheint sie „die Welt der Erwachsenen zu beherrschen“ (Stein-Hilbers 2000; S. 67) Aus diesem Grunde versuchen sie Informationen aus allen erdenklichen Quellen zu erhalten. Besonders der Austausch mit Gleichaltrigen ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung.

Dadurch, dass Informationen nur selektiv verfügbar sind können Körperwahrnehmungen und Vorstellungen über das Phänomen Sexualität verzerrt werden. Auch die Ambivalenz zwischen permanenter öffentlicher und privater Thematisierung und gleichzeitiger Tabuisierung schafft einen Kontext von Scham und Schuld, der Sexualität wie eine geheimnisvolle Aura umgibt. Durch die davon ausgehende Faszination kann Sexualität später auch als starke emotionale Erfahrung erlebt werden. (Stein-Hilbers S. 67/68)

Zwischen fünftem und fünfzehnten Lebensjahr steigt das Interesse an Sexualität stark an.

Masturbation und Orgasmus sind ab dem Alter von vier bis fünf Jahren bei Kindern beiderlei Geschlechts gut belegt.

Es kommt zum Spielen und Experimentieren mit den Genitalien. Dabei werden auch Erwachsenenrollen und –positionen imitiert und auch geschlechterspezifisch vergeben. Die Trennung zwischen homo- und heterosexueller Betätigung ist zunächst noch wenig bedeutsam, gewinnt jedoch ab der Pubertät zunehmende Beachtung und Anerkennung.

Es kommt sukzessive zu einer zunehmenden Verfestigung symbolischer Bedeutungen und Handlungen, die auch geschlechtsspezifisch gedeutet und eingeordnet werden.

Sexuelle Erregung und Lust werden in der kindlichen Entwicklung immer mehr auf andere Personen (vor allem des anderen Geschlechts) gerichtet imaginiert und als reziprok begriffen.

(Stein-Hilbers 2000; S. 68-70)

Vor allem in Bezug auf diese Phase sprechen zahlreiche Autoren auch von „psychosexueller Entwicklung“, um zu verdeutlichen, dass sexuelle Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung vermutlich aufs engste aneinander gekoppelt sind.

Pubertät und Adoleszens

Während das Jugendalter die Phase der Integration und Manifestierung sexueller Orientierungen bzw. Begehrensstrukturen ist, entwickeln sich in der Adoleszenz schließlich die sexuellen Verhaltensmuster.

Diese Phase gilt als die wichtigste und einschneidendste, insbesondere was die sexuelle Entwicklung betrifft. Vor allem Menarche und erste Ejakulation können als symbolische Einschnitte betrachtet werden, die einen körperlichen Eintritt ins Erwachsenenalter markieren.

Auf Grund der Körperlichen Veränderungen kommt es in der Pubertät zu einer Außenwahrnehmung als sexuelle Wesen, wodurch auch Zwang zu einer entsprechenden Selbstdarstellung ausgeübt wird. Dadurch werden Erotik und Sexualität zum zentralen Aspekt der Selbst- und Fremddarstellung. (Stein-Hilbers 2000; S. 71/72)

Laut Stecklina (2005) gehört es zu den Aufgaben der Pubertät, zum Einen, einen Bezug zum eigenen Körper herzustellen, mit der eigenen Sexualität umzugehen und sich mit der sexuellen Orientierung zu arrangieren. Zum Anderen muss die Fähigkeit erlernt werden, gleichberechtigte Beziehungen aufzubauen zu können. Die Pubertät ist Zeit des Ausprobierens, der Suche nach eigener Identität, der Loslösung von der Herkunftsfamilie, sowie der Orientierungsfindung.

Die Pubertät ist auch Zeit der ersten sexuellen Kontakte, womit auch ein Vertrautwerden mit der eigenen Sexualität und der Sexualität anderer, sowie eine Neuinterpretation kindlicher Erfahrungen einher geht. Es verfestigen sich Bilder und Phantasien über erotisch begehrte Objekte, die schließlich auch zur Grundlage masturbatorischer Handlungen werden. Zudem beginnt eine Selbstidentifizierung als hetero- oder homosexuell, sowie Ausbildung von Vorlieben für Menschen mit bestimmten sozialen Attributen.

Auchdas erste Malist für beiderlei Geschlecht von besonderer Bedeutung. Die Anbahnung heterosexueller Kontakte folgt oft einem spezifischen Muster: Dem demonstrativen Sprechen mit Geschlechtsgenossen über Angehörige des anderen Geschlechts folgen schließlich individuelle Annäherungsversuche, die oft in kurzfristige Beziehungen einmünden, welche Petting und Geschlechtsverkehr beinhalten können. Langfristige Beziehungen werden in der Regel erst später eingegangen. (Stein-Hilbers 2000; S. 73)

Die erste sexuelle Interaktion geht oft mit nicht unerheblichen Anforderungen einher, da junge Menschen sich noch sehr viel mehr über die Gestaltungsdetails ihres sexuellen Kontakte Gedanken machen müssen. Dazu gehören zum einen Selbstreflexion und die Selbstwahrnehmung aus der Perspektive des Gegenübers. Sowohl die Schamgrenze, als auch bestimmte Tabugrenzen, müssen überwunden werden. Dazu gehört z. B. auch die Neubewertung bestimmter Geschmäcke und Gerüche. Empfindungen und Gefühlsäußerungen müssen dem sexuellen Kontakt angemessen sein und ebenso auch Körperzustände psychisch gedeutet und auf etablierte Muster zur Gestaltung sexueller Interaktion bezogen werden. (Stein-Hilbers 2000; S. 73/74)

Erwachsenenalter und Alter

Auch im späteren Lebensverlauf ändern sich sexuelles Empfinden und Verhalten, obgleich Sexualität stärker institutionalisiert ist. Für viele ist eine Paarbeziehung und das Leben mit Kindern ein Ziel. Im Laufe einer langfristigen Paarbeziehung verändert sich vermutlich auch das sexuelle Erleben. Es kann zu abnehmenden Koitus-Raten kommen, wobei andere Lebensziele (Kinder, Karriere etc.) wichtiger werden.

Die Suche nach sexueller Erfahrung verliert an Bedeutung. Es können jedoch auch neue Erfahrungen, Praktiken und Phantasien in das Leben integriert werden und sexuelle Erfahrungen verändern. Abnehmende körperliche Attraktivität und Aktivität können sich hemmend auswirken. Auch Trennungen oder Erfahrungen neuer Liebe sind von Bedeutung.

Im Laufe des Lebens kommt es zu einer Variation des Sexualverhaltens. Diese Variabilität ist durch zahlreiche Studien (z. B. Kinsey) gut belegt. Oft bestimmen sozioökonomische Variablen (z. B. Ausbildung, Beruf, Einkommen) bei beiden Geschlechtern Art und Häufigkeit sexueller Praktiken. Trotzdem kann der heterosexueller Vaginalverkehr als Normalmodell von Sexualität gelten.

Sexualität im Alter zählt zu den weitgehend vernachlässigten Gebieten der Sexualitätsforschung. Ältere Menschen werden oft für asexuell gehalten und ihre sexuellen Aktivitäten tabuisiert. In diesem Kontext ist zu beobachten , dass das tatsächliche Sexualverhalten älterer Menschen in hohem Maße diskursiv geprägt ist.

Heute wird Sexualität auch im fortgeschrittenen Lebensalter als normal, gesund und Beweis für eine gute Beziehung angesehen. Dementsprechend setzen auch ältere Paare zusehends den Verkehr fort.

Die Fähigkeit und Bereitschaft sexuelle Lust zu empfinden sind in hohem Maße durch mentale Prozesse bestimmt. Die mit dem Alter verbundenen physiologischen, psychosomatischen und sozioökonomischen Problemlagen wirken sich auf die Erregbarkeit und das Sexualverhalten aus. (Stein-Hilbers 2000; S. 77-81)

2.3. Die wichtigsten Unterschiede in der männlichen und weiblichen Sexualitätssozialisation

An dieser Stelle sollen noch einmal einige wichtige Unterschiede im Laufe der männlichen und weiblichen Sozialisation rekapituliert werden.

Bei Jungen lässt sich frühkindliche Selbststimulation – möglicherweise auf Grund der physischen Lage der Geschlechtsteile – generell etwas früher als bei Mädchen beobachten. Die physische Disposition mag auch der Grund sein, weshalb eine Stimulation zwischen den Geschlechtern auf unterschiedliche Art und Weise erfolgt.

Bei Jungen bleibt die sexuelle Erregung zeitlebens stärker an die Berührung des Penis gebunden, welcher auch früher benannt wird, als die weiblichen Geschlechtsorgane, insbesondere die Klitoris als Zentrum der Weiblichen Lust. (vgl. Stein-Hilbers 2000; S. 63-70)

Bei Jungen spielt Masturbation insgesamt früher eine größere Rolle als bei Mädchen und sie animieren sich auch gegenseitig dazu. Auch sind Jungen früher bereit, sich als homo- oder heterosexuell zu definieren.

Die pubertären Veränderungen lenken eigene und fremde Aufmerksamkeit in besonderer Weise auf den Körper und sind bei Mädchen und Jungen durch unterschiedliche subjektive Wahrnehmungen begleitet. BesondersEjakularcheundMenarchesind hierbei von Bedeutung. Die Menarche erfolgt etwa 8 bis 10 Monate nach Beginn des Wachstums der Brüste und der Schambehaarung, und ist geprägt von widersprüchlichen Erfahrungen. Scham und Stolz, Notwendigkeit verstärkter Körperhygiene, die Entscheidung über Schweigen oder Sprechen und der Beginn des ‚Gefahrenmoments’ der Schwangerschaft, und damit Reglementierung des Verhaltens, sind nur einige Aspekte, die Stein-Hilbers (2000) nennt. Möller (2005) weist darauf hin, dass die Menarche für Mädchen ein potentiell traumatisches Erlebnis darstellt, welches sich auf seinen weiteren Umgang mit seiner Sexualität auswirkt. Auch spätere Menstruationsbeschwerden können hier grundgelegt sein.

Aber bereits zuvor nimmt ein Mädchen die Veränderung seines Körpers verstärkt durch die Augen seiner Umwelt war. Insbesondere das Wachstum der Brüste, die in unserer Kultur das Symbol für weibliche Sexualität schlechthin sind, verändert die Wahrnehmung und Reaktionen der sozialen Umwelt. (Möller 2005)

Gänzlich andere Implikationen bringt die erste Ejakulation des Jungen mit sich. Sie ist bereits der erlebnismäßige Beginn der Sexualität, und geht in der Regel der eigentlichen Verwandlung des Körpers voraus. Die neu gewonnene Zeugungsfähigkeit wird als ein Zuwachs an Männlichkeit interpretiert und hat oft Prahlereien zur Folge. Parallel werden heranwachsenden Männern oft mehr Handlungsmöglichkeiten zugestanden, als den gleichaltrigen Mädchen. Dadurch sehen sich Jungen gefordert Ausdrucksformen jugendspezifischer Männlichkeit zu entwickeln. Dazu gehören gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen und Risikofreude. (Stein-Hilbers 2000; S. 71)

Bei Mädchen kommt es im Laufe der Pubertät zu einer Zurücknahme ihrer sachbezogenen Fähigkeiten und Leistungen, dafür zu einer Betonung sozialer Kompetenzen und Empathiefähigkeit, insbesondere im Verhältnis zu Jungen. Bei Jungen kommt es zu einer starken Betonung von Dominanz- und Konkurrenzverhalten. (Stein-Hilbers 2000; S. 72)

In der Tat hat die Pubertät für beiderlei Geschlechter ihre Tücken: Während Mädchen tendenziell unter ihrer Sexualisierung leiden, da sie mit Restriktionen und (scheinbarer) Erniedrigung einhergeht, werden Jungen oftmals einem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt, durch den sie mit ihren Unsicherheiten oft gänzlich allein gelassen werden. (vgl. z. B. Möller und auch Stecklina 2005)

In Bezug auf das andere Geschlecht sind in der Pubertät vor allem die Jungen dazu aufgefordert, auf die Mädchen zuzugehen und sexuelle Kontakte zu initiieren. Dabei spielen körperliche Attribute und ein Habitus von Männlichkeit eine wichtige Rolle. Auch später gelten sexuelles Interesse und sexuelles ‚Können’ bzw. Potenz als Determinanten des Mannseins. Und für die meisten Jungen stellt der Koitus den Höhepunkt des sexuellen Kontakts dar. Auch später ist er für Männer ungleich wichtiger als für Frauen. In der eigenen Gruppe ist für Männer das Aussehen des Mädchens und ihre sexuelle ‚Inbesitznahme’ in der eigenen Gruppe statusbildend. Dies gilt insbesondere für den sexuellen ‚Erstkontakt’ mit einer Gleichaltrigen (Stecklina 2005)

Mädchen sind in der Pubertät dazu aufgefordert, sich herzurichten und dem sexuellen Kontakt bereitwillig entgegenzusehen. Sie machen in diesem Alter auch die Erfahrung, das ihnen sexuelle Attraktivität Macht verleiht (über ältere Jugendliche, Erwachsene Männer), die sie nutzen können. Außerdem werden sie bei der Initiierung sexueller Kontakte allmählich aktiver. Den ‚Erstkontakt’ erleben sie jedoch meist als tendenziell unbefriedigend.

Mädchen wird ein Balanceakt zwischen ‚Sinnlichkeit’ und ‚Sittlichkeit’ abgefordert (nicht ‚leicht’ zu haben, aber auch nicht ‚prüde’). Sie müssen mit dem Widerspruch fertig werden, durch ihre Attraktivität Macht ausüben zu können, aber erst durch ihre Unterwerfungsbereitschaft erotisch reizvoll zu sein. (Stein-Hilbers 2000; S. 74)

Jungen:

- Sexualität wird früher und intensiver in das Leben von männlichen Jugendlichen integriert.
- In der Gleichaltrigen-Gruppe wird sie dazu benutzt, Männlichkeit herzustellen.
- Schon früh wird eine auf Penisgebrauch und Orgasmus hin ausgerichtete sexuelle Betätigung von Jungen (z. T. mit anderen Jungen zusammen) eingeübt.

Mädchen:

- Sie haben es schwerer (oder wird erschwert) den eigenen oder fremden Körper als Quelle der Lust zu erfahren.
- Die Endeckung des eigenen Körpers ist zu oft auf das andere Geschlecht bezogen, bevor das eigene vertraut geworden ist.
- Aktives Begehren und wechselseitiges Entdecken eigener Vorlieben und Wünsche ist nur selten.

(Stein-Hilbers 2000; S. 76/77)

Die pubertär sozialisierten geschlechtsspezifischen Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster in Bezug auf Sexualität sind oft bis ins Erwachsenenalter hinein persistent, können jedoch auch verblassen.

Im Alter lässt das sexuelle Vermögen bei Männern generell mehr oder weniger stark nach, während Frauen in ihrer Orgasmusfähigkeit mit dem Alter kaum biologische Grenzen gesetzt sind.

2.4. Einflussfaktoren auf die sexuelle Sozialisation

Familie

Man kann davon ausgehen, dass die Familie die einflussreichste und wichtigste Sozialisationsinstanz generell, aber auch in Bezug auf die Sexualität ist. So schreibt auch Lautmann (2002): „Die Familie fungiert bei uns auch bezüglich der sexuellen Handlungskompetenz als die primäre Sozialisationsinstanz.“ Sie „erbringt für das Kind eine tatsächlich natur-, da überlebensnotwendige Leistung.“ Ihr Einfluss auf die sexuelle Sozialisation könne gar nicht überschätzt werden, wenn man nicht davon ausgehe, dass sich ein Mensch von selbst entwickle. (S. 314)

In der Tat gibt es zahllose unterschiedliche Bedeutungsnuancen, die einem Kind in Bezug auf Sexualität vermittelt werden können, dazu gehören nicht nur gesprochene Worte, sondern auch Handlungen und Reaktionen, sowie Tabus, die ein Kind allesamt mit der Zeit zu decodieren lernt. Lautmann nennt sie „ein weites Feld, auf dem eine sozialisatorische Interaktion innerhalb der Familie stattfindet, bevor andere Kommunikationspartner und Instanzen ihre Botschaften absenden können.“ (Lautmann 2000; S. 319)

Mit dem Heranwachsen werden in einem immer höheren Maße andere Sozialisationsinstanzen wirksam. Und ab Beginn der Pubertät ist die Beziehung der Heranwachsenden zum Elternhaus in der Regel von mehr oder weniger starken Spannungen geprägt, die einen vertrauensvollen Austausch behindern. Fortan findet eine immer stärkere Orientierung nach außen statt (die natürlich auch mit den zunehmenden gesellschaftlichen Anforderungen einher geht), was zu Folge hat, dass andere Sozialisationsinstanzen an Bedeutung gewinnen.

Peers

Da von den Eltern oftmals ein großes Informationsdefizit bei den Kindern hinterlassen wird, und auch in der Schule meist zu spät oder zu verhalten und zögerlich Aufklärung betrieben wird, ist es meist die Gruppe der Gleichaltrigen, welche alle verfügbaren Informationen zusammentragen und gewissermaßen einen kollektiven Lernprozess vorantreiben. Diesen darf man sich jedoch keineswegs demokratisch und linear, sondern selektiv, partiell und verzerrt vorstellen.

In Gesellschaft Gleichaltriger entwickeln Mädchen oftmals vertrauensvolle Freundschaften zueinander, die ihnen laut Möller (2005) helfen können, „ein positives Gefühl im Hinblick auf die weibliche Körperlichkeit zu bekommen. Dies hilft auch bei der Bewältigung der körperlichen Veränderungen. Neben Bestätigung, Entlastung und Solidarität kann es jedoch auch zu Rivalität und Konkurrenz kommen.“

Diese Rivalität und Konkurrenz ist jedoch bei Jungen in weitaus stärkerem Maße ausgeprägt. Dies hat zur Folge, dass bei ihnen oftmals Prahlereien und Auseinandersetzungen im Vordergrund stehen, die nicht selten auch auf dem Rücken des anderen Geschlechts ausgetragen werden. „Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ermöglicht auch Vergleiche mit anderen, was jedoch zur Folge hat, dass Früh- oder Spätentwickler eine negative Körpereinstellung bekommen.“ (Möller 2005)

Neben Familie und Peers existiert noch eine ganze Reihe weiterer Sozialisationsinstanzen, wie Schule, Medien, etc., die einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die sexuelle Entwicklung entfalten. Nicht immer wirken sie konstruktiv, sondern können auch Wahrnehmungen verzerren, oder sonstige Probleme verursachen. Ein Beispiel hierfür wäre das weibliche Schönheitsideal.

3. Schlussbemerkung

Gerade was das Thema der sexuellen Sozialisation betrifft, wird deutlich, dass sich westliche Gesellschaften aktuell auch an diesem Punkt gerade mitten in einem Wandel befinden, dessen Konsequenzen noch nicht abzusehen sind: Einer früheren körperlichen Reife steht eine immer längere andauernde „Infantilisierung“ und Entmündigung der Jugend gegenüber, welche von Unselbständigkeit durch längere Bildungswege, Abhängigkeiten vom Elternhaus, und nicht zuletzt durch einen Missbrauch der Heranwachsenden als Konsumentengruppe, geprägt sind. Frühe und ungewollte Schwangerschaften sind die Folge, die Eltern der Verantwortung oft nicht gewachsen, die Erziehung in den Händen der Großeltern oder gar in den Händen dritter.

Was die Entwicklung der Kinder anbetrifft, so sieht auch Haeberle (1995), dass der Beginn der Pubertät in westlichen Industrieländern oft eine lange und quälerische Periode der Adoleszenz einleitet.

Oder aber es kommt gänzlich zum Verzicht auf Nachkommen, weil dieses Lebensziel mit anderen, wie Beruf und Selbstverwirklichung konfligieren. Dieses Problem existiert vor allem in der BRD, so dass man in keinster Weise von einer gesunden Reproduktion der Bevölkerung sprechen kann. Die Folgen derartiger Entwicklungen sind natürlich noch nicht abzusehen, da sie vermutlich äußerst weit reichende kulturelle Implikationen hat.

Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass es der Politik endlich gelingen möge, zum Wohle künftiger Generationen Familieninteressen endlich vor ausufernden ökonomischen Interessen zu schützen.

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Details

Title
Sexuelle Sozialisation
College
Catholic University Eichstätt-Ingolstadt
Course
Geschlechteridentitäten und sexuelle Präferenzen
Grade
1,7
Author
Year
2007
Pages
19
Catalog Number
V110741
ISBN (eBook)
9783640089024
File size
460 KB
Language
German
Notes
Inhaltlich sehr gut, aber einige kleinere formale Mängel.
Keywords
Sexuelle, Sozialisation, Geschlechteridentitäten, Präferenzen
Quote paper
Martin Drischmann (Author), 2007, Sexuelle Sozialisation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110741

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