Ehrenmorde - Ein Plädoyer gegen Verbrechen im Namen der Ehre


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2007

18 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Das Gesetz der Muslime

2. Exkurs: Genitalverstümmelung

3. Ehrenmorde
3.1 Die Spitze traditionsbedingter Gewalt
3.2 Ehrenmorde in Deutschland
3.3 Ein Beispiel aus Ägypten
3.4 Hintergründe

4. Maßnahmen

5. Prävention

Literaturverzeichnis

Internet

„Der Himmel der Mädchen ist unter den Füßen der Vä- ter.“

Türkisches Sprichwort

„Verbrechen im Namen der Ehre sind kein religiöses Phänomen. Keine Religion legitimiert diese schwere Menschenrechtsverletzungen oder schreibt sie gar vor.“ Terre des Femmes

1. Das Gesetz der Muslime

Der Koran ist das heilige Buch des Islam und gilt den Muslimen als das Wort Gottes und als die Grundlage des Rechts. Er enthält die Offenbarungen, die der Prophet Muhammad [diese inzwischen gebräuchliche Schreibweise folgt der arabischen Aussprache] zwischen 610 und 632 in Mekka und Medina verkündete.

Sie enthalten Belehrungen, Ermahnungen und Predigten, doch auch endzeitli- che Gerichtsdrohungen, die sich gegen jene richten, welche den Belehrungen und Ermahnungen nicht Folge leisten. Der Koran enthält „nur eine geringe Zahl von Rechtsregeln im engeren Sinne und ansonsten eher allgemeine normative Prinzipien“[1]. Gesetzliche Bestimmungen enthält auch die Sunna als die „Samm- lung derjenigen Aussagen und Handlungen des Propheten Muhammad, die für spätere Generationen verbindlich, in Teilen sogar rechtsverbindlich sind“[2], in jedem Falle aber als Richtschnur für persönliches, gesellschaftliches und staat- liches Handeln betrachtet werden. Jedoch stellt die Sunna keineswegs einen Verfassungsentwurf dar; vielmehr kann man ihr „allenfalls bestimmte, auch poli- tisch verwertbare Maximen und konkrete Verhaltensvorschriften entnehmen“[3].

Ihre orthodoxen Anhänger nennen sich Sunniten und machen mehr als neunzig Prozent der Muslime aus. Die als verlässlich geltenden Einzelberichte ihrerseits sind in Hadithe [arab: Berichte] gesammelt und stehen als solche fast gleichbe- rechtigt neben dem Koran und stellen neben diesem eine zweite Hauptquelle islamischer Religion, Gesetze und Dogmatik darstellen. Aus der systematisie- renden Arbeit der islamischen Gesetzesgelehrten des 8. und 9. Jahrhunderts (nach christlicher Zeitrechnung) mit den Texten des Koran ist schließlich die Scharia entstanden.

Das koranische Wort [Scharia] bezeichnet den Weg, der zur Tränke führt, zu dem Was- ser, das Quelle des Lebens ist. Der Ausdruck hat dynamischen Charakter; denn die Scharia ist ein Weg, eine Methode, die befolgt werden will.

Ganz im Gegensatz hierzu bedeutet sie in der Sprache der Islamisten, etwa der Mus- limbrüder, ein erstarrtes Rechtssystem, das zudem häufig mit Explosivstoff geladen ist. In dieser Redeweise sind die wesentlichen koranischen Elemente nicht wiederzuerken- nen.[4]

Die Scharia umfasst die Pflichtenlehre der Muslime, die ethische Norm und die Rechtsgrundsätze für alle Lebensbereiche, darunter nicht nur Erbschaft, Wirt- schaft und Vermögen, sondern besonders auch das gemeinschaftliche Zusam- menleben in der Gemeinschaft und in der Ehe. Die Scharia entspricht dem ka- nonischen göttlichen Gesetz und es findet sich in den Staaten mit islamischer Staatsreligion keine zivil- oder strafrechtliche Vorschrift, die sich nicht letztlich der Scharia unterordnet. Nicht zuletzt macht dieses weltliche Gesetz eo ipso den Mord zum Ehrenmord und das Kapitalverbrechen zur ehrenvollen Hand- lung. Kritiker halten zu Recht die Scharia mit den Menschenrechten für unver- einbar, denn die archaischen Methoden der Vergeltung und Bestrafung von Verfehlungen gegen die göttlichen Gebote haben sich seit Jahrhunderten nicht geändert. Noch immer schreibt die Scharia eine Vielzahl der elementaren Rech- te nur den Männern zu; noch immer empfiehlt sie zur Bestrafung u.a. die Steini- gung und die Folterung bis zum Tode oder für „kleinere“ Vergehen wie den Diebstahl das Abhacken von Gliedmaßen. So dekretiert der lybische Revoluti- onsrat bereits nach dem erfolgreichen Putsch in Lybien am 1. September 1969 und der Regierungsübernahme durch Muammar el-Gaddafi:

Dieben wird die Hand abgehackt; Alkoholgenuß ist nicht erlaubt; kein Mann darf den Beruf des Damenfriseurs ausüben, da dem Gläubigen die Berührung fremder Frauen untersagt ist; keine Frau soll allein Auto fahren – der Prophet hat die freie und ungehin- derte Bewegung der Frau außerhalb der Mauern des Hauses strikt abgelehnt.[5]

Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte vom 5. August 1990, nach welcher auch das elf Jahre ältere Dekret des lybischen Revolutionsrats unberührt bleibt, lehnt sich zwar inhaltlich in den meisten Punkten an die Deklaration der Men- schenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 an, übernimmt u.a. das Recht, in Würde zu leben, das Recht auf Freiheit und das Recht auf Gleichheit[6], relativiert diese Rechte jedoch wieder durch die Einschränkung, alle diese Rechte müssten im „Einklang mit der Scharia“ ausgeübt werden.

Es nimmt nicht Wunder, wenn entsprechend die Religionsfreiheit nicht Bestand- teil der Kairoer Erklärung ist. Artikel 19 verdeutlicht, dass die Kairoer Erklärung vielmehr „Deklaration der Menschenrechte in Anlehnung an die Scharia“ heißen müsste: There shall be no crime or punishment except as provided for in the Scharia. [7] Insbesondere stellt die Erklärung in Anlehnung an die Scharia die Ü-

berlegenheit des Mannes gegenüber der Frau fest. Wenn auch Artikel 6 den Frauen die gleiche Würde garantiert, so darf dies mehr oder weniger als Lip- penbekenntnis eingeschätzt werden, zumal die überwiegende Mehrheit der Frauen in den muslimischen Ländern zeitlebens von der Existenz dieser Be- stimmung nichts erfahren werden. In den islamischen Kulturen archaisch- patriarchalischer Prägung fehlt die Errungenschaft der Gleichstellung der Ge- schlechter im Rahmen einer säkularen Idee der Menschenrechte, zumal in die- sen Ländern eine Säkularisierung im westlichen Sinne niemals auf den Weg gebracht worden ist und gemeinhin die untrennbare Anbindung einer jeglichen staatlichen Gewalt an die Religion als selbstverständlich vorausgesetzt wird.

[...]


[1] Heiner Bielefeldt: Traditionelles Recht und modernes Recht – mögliche Gemeinsamkeiten in der Differenz. In: Johannes Schwartländer (Hg.): Freiheit der Religion. Christentum und Islam unter dem Anspruch der Menschenrechte, Mainz 1993, S. 396.

[2] Gudrun Krämer: Islam, Menschenrechte und Demokratie: Anmerkungen zu einem schwierigen Verhältnis, Ladenburg 2003, S. 19 (Bertha Benz-Vorlesung 20).

[3] Ibid., S. 20.

[4] Ali Merad: Die Scharia – Weg zur Quelle des Lebens. In: Schwartländer 1993, a.a.O., S. 392.

[5] Gerhard Konzelmann: Die Araber und ihr Traum vom Großarabischen Reich, München 1989, S. 16.

[6] Zum Text der Kairoer Deklaration vgl. Bassam Tibi: Im Schatten Allahs. Der Islam und die Menschenrechte, München – Zürich 1996, S. 252-255.

[7] Die Kairoer Deklaration kann im Internet eingesehen unter www.oic- oci.org/english/conf/fm/19/19%20icfm-political-en.htm#RESOLUTION%20NO.%2019/19-P (Stand vom 08.06.2007, 15:30 MESZ).

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Ehrenmorde - Ein Plädoyer gegen Verbrechen im Namen der Ehre
Université
University Karlsruhe (TH)  (Institut für Philosophie)
Cours
Proseminar: Menschenrechte
Note
1,3
Auteur
Année
2007
Pages
18
N° de catalogue
V110920
ISBN (ebook)
9783640090518
ISBN (Livre)
9783656067955
Taille d'un fichier
515 KB
Langue
allemand
Mots clés
Ehrenmorde, Plädoyer, Verbrechen, Namen, Ehre, Proseminar, Menschenrechte
Citation du texte
Matthias Mühlhäuser (Auteur), 2007, Ehrenmorde - Ein Plädoyer gegen Verbrechen im Namen der Ehre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110920

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