Schwangerschaftskonfliktberatung - Eine Problemanalyse im Zeitraum von 1996-1999


Tesis de Maestría, 2001

132 Páginas, Calificación: 2,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Rechtliche und gesellschaftliche Aspekte der Schwangerschaftskonfliktberatung
1.1 Das Schwangerschaftskonfliktgesetz
1.1.1 Historische und gesetzliche Betrachtung
1.1.2 Die Familienpolitik der DDR
1.1.3 Zur Entwicklung nach der Vereinigung Deutschlands
1.2 Schwangerschaftskonfliktberatung
1.2.1 Allgemeine theoretische Grundlagen von Beratung
1.2.2 Wesen von Beratung – Definition, Funktion und Ziele
1.2.3 Beratungskonzepte
1.2.4 Beratung als nichtdirektive Intervention
1.2.5 Die Beratungsregelung im Schwangerschaftskonflikt
1.2.6 Die Sonderstellung der Schwangerschaftskonfliktberatung
1.2.7 Chancen der Beratung
1.2.8 Verhütungsverhalten als Problem der Schwangerschaftskonfliktberatung

2. Stand der wissenschaft lichen Untersuchungen
2.1 Die Studie von B. Wimmer- Puchinger
2.1.1 Zentrale Fragestellungen der Wimmer-Puchinger Untersuchung
2.1.2 Zu den Ergebnissen der Wimmer-Puchinger Untersuchung
2.1.3 Ergebnisse zum Verhüt ungsverhalten
2.1.4 Schlussfolgerungen

3. Überblick über veröffentlichte Statistiken
3.1 Die statistische Entwicklung der Schwangerschaftsabbrüche im Zeitraum von 1996-1999
3.1.1 Die bundesweite Abbruchstatistik
3.1.2 Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesrepublik nach Altersgruppen
3.1.3 Schwangerschaftsabbrüche in Beziehung zu der Zahl der insgesamt bestehenden Schwangerschaften
3.1.4 Schwangerschaftsabbrüche nach der Anzahl bereits vorhandener Kinder
3.1.5 Auswertung der bundesweiten Abbruchstatistik und Schlussfolgerungen
3.2 Angaben aus dem Gesundheitsbericht der Stadt Leipzig Stand 1998
3.2.1 Angegebene Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch aus dem Gesundheitsbericht Leipzig

4. Überblick über die unveröffentlichte Statistik der ausgewählten Beratungsstelle
4.1 Alter der Klientinnen
4.2 Anzahl der bereits vorhandenen Kinder
4.2.1 Statistische Informationen aus dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland ( Klientinnen mit Kindern ) 1997
4.3. Soziale Lage/Erwerbssituation der Klientinnen
4.4 Gründe der Klientinnen, einen Abbruch in Erwägung zu ziehen
4.5 Angaben zum Verhütungsverhalten der Klientinnen in der Beratung

5. Empirische Untersuchung
5.1 Beschreibung der Vorgehensweise und Zielstellung der Analyse
5.2 Fragestellungen und Hypothesen der Untersuchung
5.3 Methodik
5.3.1 Zur Auswahl der Erhebungsmerkmale
5.3.2 Untersuchungsstichprobe
5.3.3 Methodenkritische Bemerkungen
5.4 Ergebnisse und Schlussfolgerungen
5.4.1 Gründe in Abhängigkeit vom Alter
5.4.2 Gründe in Abhängigkeit von den bereits vorhandenen Kindern
5.4.3 Gründe in Abhängigkeit von der sozialen Lage
5.4.4 Verhütungsverhalten in Abhängigkeit vom Alter
5.5 Zusammenfassende Schlussfolgerungen

6. Literaturverzeichnis

Einleitung

„Schwangerschaftskonflikte und Schwangerschaftsabbrüche zählen in allen Gesellschaften zu den schweren Belastungen für Frauen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Konfliktlagen von Schwangeren sehr komplex sind. Sie reichen von individuellen Problemkonstellationen bis hin zu Konflikten, die durch unzureichende gesellschaftliche Rahmenbedingungen (Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit, Betreuungsproblemen für Kinder, nicht ausreichende materielle Absicherung, Doppelbelastung, Alleinerziehung) ausgelöst werden können“ (DRK Informationsbroschüre 1995, S. 1). Die Bearbeitung oder Lösung des Konfliktes kann immer nur in Anlehnung an die jeweils vorherrschenden gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geschehen. Die Schwangerschaftskonfliktberatung versucht im Rahmen dieser in Deutschland geltenden gesetzlichen Vorschriften zu einer individuell akzeptablen Lösung beizutragen.

In der Schwangerschaftskonfliktberatung gehen Beraterinnen und Berater auf die individuellen Konfliktlagen ungewollt schwangerer Frauen ein. In diesem Zusammenhang werden zu statistischen Zwecken in den Beratungsstellen Protokolle geführt, die nach den Gründen bzw. individuellen Problemkonstellationen für einen in Erwägung gezogenen Schwangerschaftsabbruch fragen. Die Beratungsstellen ermitteln aus den Angaben der Protokolle am Ende jeden Jahres jedoch nur eine prozentuale Hochrechnung dieser Daten.

Anliegen meiner Arbeit ist es, die Gründe für einen in Erwägung gezogenen Schwangerschaftsabbruch anhand dieser Protokolle differenzierter zu untersuchen, als es die ausgewählte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle vornimmt. Konkret heißt das, ich gehe in der vorliegenden Arbeit davon aus, dass sich die Gründe in Abhängigkeit vom Alter, von der Anzahl bereits vorhandener Kinder und von der sozialen Lage der betroffenen Frauen unterscheiden. Ziel der Arbeit ist es, diese Interdependenzen anhand bereits erhobener Daten herauszuarbeiten.

Die vorliegende Untersuchung wurde auf der Grundlage von Protokollen einer nicht konfessionell gebundenen Beratungsstelle aus Leipzig durchgeführt.

„ Die durchgeführten Schwangerschaftskonfliktberatungen sind ein Indikator, aus dem, mit gewissen Einschränkungen, psychosoziale Faktoren bei der Entscheidung für oder gegen ein Kind ablesbar sind“ ( Gesundheitsamt der Stadt Leipzig, Gesundheitsbericht 1998, S. 161).

Die Situation der ungewollten Schwangerschaft könnte in erster Linie durch eine adäquate Verhütung verhindert werden. Einen weiteren Aspekt stellen deshalb die Angaben der Frauen der ausgewählten Beratungsstelle zu ihrem Verhütungsverhalten dar. Ich habe eine Analyse der zur Verfügung stehenden Daten zum Verhütungsverhalten der Frauen in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Altersgruppen vorgenommen, um Aussagen zu alterspezifischen Verhütungsverhalten machen zu können.

1. Rechtliche und gesellschaftliche Aspekte der Schwangerschafts- konfliktberatung

1.1 Das Schwangerschaftskonfliktgesetz

1.1.1 Historische und gesetzliche Betrachtung

Da es in meiner Arbeit um eine Problemanalyse der Jahre 1996 bis 1999 geht, erachte ich eine intensive Auseinandersetzung mit den neuesten Veränderungen des Schwangerschafts- konfliktgesetzes für diese Arbeit als sinnvoller, als eine oberflächliche Betrachtung eines größeren Zeitraums in der Geschichte. Deshalb werde ich gesamtdeutsch lediglich auf die Entwicklung in den letzten 10 Jahren eingehen. Mit der Betrachtung der Entwicklung der Gesetzeslage in der ehemaligen DDR setze ich jedoch bereits ab den siebziger Jahren ein, da ihr weitreichender Einfluss eine erklärende Rolle in meiner Arbeit spielt.

1.1.2 Die Familienpolitik der DDR

Den ostdeutschen Frauen stand es seit dem Jahr 1972 zu, selbstständig und frei über den Verlauf ihrer Schwangerschaft zu entscheiden. Dies wurde begründet im Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft vom 9. März 1972, indem folgendes dokumentiert ist, dass die Frau selbst über die Schwangerschaft und deren Austragung entscheiden kann, denn die Gleichberechtigung der Frau in Ausbildung und Beruf, Ehe und Familie würde dies erfordern.

Seit Anfang der siebziger Jahre intensivierte die DDR ihre Familienpolitik. Das SED-Regime unterstützte junge Familien in vielfacher Hinsicht. In der DDR gehörte die Erwerbstätigkeit, insbesondere die Vollzeitarbeit, zum allgemeinen Lebenskonzept der Frauen und somit zur Normalität. Staatliche Initiativen stellten anders als die Bundesrepublik eine notwendige Infrastruktur bereit, um ein Nebeneinander von Beruf und Familie zu ermöglichen. Bereits Ende der siebziger Jahre gab es ein dichtes Netz von Kinderkrippen und Ganztageskindergärten - eine

Errungenschaft, die sich in den neuen Bundesländern bis heute erhalten hat. Familienforscher schätzen den vom Staat getragenen Anteil der Kinderkosten auf 85 Prozent. Die Familienpolitik war jedoch nicht ideologiefrei. Konkretes Staatsinteresse steckte hinter dem Leitbild der berufstätigen Mutter, denn die Frauen wurden in der Produktion gebraucht und gleichzeitig konnte man auf stabile Geburtenraten nicht verzichten.

Im Vergleich zu Westdeutschland, wo die berufstätige Mutter, die ihr Kind nach wenigen Monaten in die Krippe gab, als suspekt galt, standen die Frauen in Ostdeutschland unter starkem öffentlichen Druck, sich nicht auf ein Hausfrauendasein zurückzuziehen.

Ab der Wiedervereinigung veränderte sich das Familienverhalten der Ostdeutschen dramatisch. Die weniger familienfreundlichen Rahmenbedingungen der Bundesrepublik, Angst vor der Zukunft und ökonomische Unsicherheit senkten die Geburtenrate in nur drei Jahren um mehr als die Hälfte. 1989 wurden in der DDR und Ost-Berlin 198922 Kinder geboren, 1992 waren es nur noch 88320. Das diese Veränderungen auch einen Einfluss auf das Schwangerschaftsabbruchverhalten der ostdeutschen Frauen hatten und haben, steht außer Zweifel.

Zusammenfassend lässt sich rückblickend sagen, dass die Regierung der DDR den Frauen eine autonome Entscheidungsfreiheit über der Verlauf ihrer Schwangerschaften erlaubte. Sie konnten diese beenden, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Im Verlauf der Jahre ist die Abtreibung für die ostdeutschen Frauen gewissermaßen zur Normalität geworden und viele zählten sie zu einer normalen Methode der Geburtenkontrolle (vgl. Dworkin 1994).

1.1.3 Zur Entwicklung nach der Vereinigung Deutschlands

Den neuen gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch für das gesamte Bundesgebiet ist eine Diskussion in der Öffentlichkeit und in den Fraktionen des Deutschen Bundestages vorausgegangen. Eine Diskussion, die nach der deutschen Wiedervereinigung durch den Einigungsvertrag Artikel 31 Abs.4 Satz 1 ausgelöst wurde. Die Rechtslage in dieser Frage ging in beiden Teilen Deutschlands weit auseinander. Im früheren Bundesgebiet galt die sogenannte

„Indikationsregelung“, in den neuen Ländern und Berlin-Ost die „Fristenregelung“.

Bis 1996 war im früheren Bundesgebiet der künstlich durchgeführte Schwangerschaftsabbruch durch den Arzt nach § 218a StGB im Gegensatz zum strafbaren Schwangerschaftsabbruch

gesetzlich erlaubt, wenn die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch wünschte und der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt war, um eine Gefahr von der Schwangeren abzuwenden. Dieser Tatbestand war insbesondere in folgenden vom Gesetzgeber genannten Fällen (Indikationsregelung) erfüllt:

- kindliche bzw. eugenische Indikation
- medizinische Indikation, einschließlich psychiatrische Indikation
- kriminologische Indikation
- soziale Indikation.

Die Indikation musste von einem Arzt (ohne Beteiligung des den Schwangerschaftsabbruch ausführenden Arztes) gestellt und eine einschlägige Beratung der Schwangeren durch eine autorisierte Person durchgeführt werden. Der Schwangerschaftsabbruch war nur in den ersten 12 bzw. - bei Vorliegen einer kindlichen Indikation - bis zur 22. Schwangerschafts-woche erlaubt.

In den neuen Ländern hatte der den Schwangerschaftsabbruch durchführende Arzt auf der Grundlage der damals geltenden Rechtsvorschriften die Schwangere über die medizinische Bedeutung des Eingriffs aufzuklären. Der Schwangerschaftsabbruch musste innerhalb von 12 Wochen im Krankenhaus erfolgen (Fristenregelung). Ein Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Schwangerschaftswoche war nach dem Gesetz nur zulässig, wenn die Fortdauer der Schwangerschaft das Leben der Frau gefährdete oder andere schwerwiegende Umstände vorlagen.

Die Einigung brachte eine weiterentwickelte Kompromisslösung für beide Teile Deutschlands. Im Einigungsvertrag wurde der gesamtdeutsche Gesetzgeber aufgefordert, „spätestens bis zum 31. Dezember 1992 eine Regelung zu treffen, die den Schutz des vorgeburtlichen Lebens und die verfassungskonforme Bewältigung von Konfliktsituationen schwangerer Frauen vor allem durch rechtlich gesicherte Ansprüche für Frauen, insbesondere auf Beratung und soziale Hilfen besser gewährleistet, als dies in beiden Teilen Deutschlands derzeit der Fall ist“ (Statistisches Bundesamt 1999, S. 2).

Eine gesamtdeutsche, gesetzliche Regelung zum Schwangerschaftsabbruch erschien mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. Mai 1993. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes wurden im Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz

(SFHÄndG) vom 21. August 1995 beachtet. Die Kompromisslösung beinhaltet folgende Grundsätze:

1) Beratungsregelung

Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt straflos, wenn

- die Schwangerschaft innerhalb von 12 Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird,
- die schwangere Frau den Abbruch verlangt und
- sie dem Arzt durch die Bescheinigung einer anerkannten Beratungsstelle eine mindestens drei Tage zurückliegende Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 219 StGB nach- gewiesen hat.

2) Indikationsstellung

Ein Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig im Falle

- einer medizinischen Indikation, wenn der Schwangerschaftsabbruch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse notwendig ist, um Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der schwangeren Frau abzuwenden (in diesen Fällen besteht auch keine zeitliche Begrenzung),
- einer kriminologischen Indikation bis zur 12. Woche nach der Empfängnis, wenn dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt beruht.

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht - neben der Schutzpflicht für das ungeborene Leben

- auch eine Beobachtungspflicht gefordert, um die Wirkungen des Gesetzes zu prüfen und gegebenenfalls Nachbesserungen und Korrekturen vorzunehmen. Die Bundesstatistik soll künftig mit verlässlichen Aussagen Voraussetzungen dafür schaffen.

1.2 Schwangerschaftskonfliktberatung

1.2.1 Allgemeine theoretische Grundlagen von Beratung

Um die Besonderheit der Schwangerschaftskonfliktberatung besser verdeutlichen und herausstellen zu können, möchte ich im folgenden die theoretischen Grundlagen von Beratung, also Wesen und Konzepte von Beratung, vorstellen und erläutern. So ist es mir möglich, anhand der gefundenen allgemeinen Charakteristika, eine Evaluierung der Schwangerschaftskonfliktberatung als spezielle Form der Beratung vorzunehmen.

1.2.2 Wesen von Beratung – Definition, Funktion und Ziele

Zum Begriff Beratung gibt es die verschiedensten Definitionen. Um die Vielfalt besser darzustellen, sollen einige davon zu Beginn genannt werden.

„Beratung ist in ihrem Kern jene Form einer interventiv und präventiv helfenden Beziehung, in der ein Berater mittels sprachlicher Kommunikation und auf der Grundlage anregender und stützender Methoden innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraumes versucht, bei einem desorientierten inadäquat belasteten oder entlasteten Klienten einen auf kognitiv-emotionale Einsicht fundierten aktiven Lernprozess in Gang zu bringen, in dessen Verlauf seine Selbsthilfebereitschaft, seine Selbststeuerungsfähigkeit und seine Handlungskompetenz verbessert werden können“ (Dietrich 1991, S.2).

„Institutionelle Beratung, wie sie von den Mitgliedsverbänden des Deutschen Arbeitskreises vertreten wird, bezieht sich auf Menschen, die in Fragen der allgemeinen Lebensplanung, der Gestaltung von menschlichen Beziehungen und im Umgang mit Konflikten und Entwicklungsproblemen in Partnerschaft, Ehe und Familie nach Veränderungen und neuen Lösungen suchen.

Beratung hat prozesshaften Charakter und ist darauf angelegt, dass Ratsuchende mit ihren Fragen und Problemen besser umgehen und eigene Lösungswege erarbeiten können ... Weil Beratung auf

diese Weise Selbsthilfekräfte und Verantwortung für sich und andere stärkt, ist institutionelle Beratung ein volkswirtschaftlich günstiges, kräftesparendes und freisetzendes Problemlösungskonzept“ (Beratungsführer 1994, S.8).

„Beratung ist eine professionelle Problembewältigungshilfe, die situativ ansetzt und unmittelbar handlungsbezogene Informationen erteilt und unter Anwendung der klientenzentrierten Methode nach Entwicklungs- und Konfliktlösungsmöglichkeiten sucht. Entscheidungen und Bewältigungswege bleiben aber letztendlich in der Verantwortung der Beratenen“ (Straumann 1992, S. 22).

„Die psychologische Beratung wird vielmehr als umfassende Bezeichnung für einen ganzen Komplex von helfenden Maßnahmen verstanden, die zur Beseitigung persönlicher und sozialer Probleme in verschiedenen Lebensbereichen eingesetzt werden“ (Michel/Novak 1991, S. 47).

Dass Beratung je nach Schwerpunktsetzung sehr unterschiedlich ist, ist klar zu erkennen.

Es gibt jedoch einige wesentliche Punkte, die allen diesen Aussagen zu Grunde liegen, worauf ich des weiteren eingehen möchte:

- In der Beratung treffen immer zwei und mehrere Persönlichkeiten mit ganz eigenen Vorstellungen, Fähigkeiten und Ressourcen, die sich innerhalb eines gesellschaftlichen Kontextes befinden, zusammen.
- Beratung setzt auch immer eine soziale Beziehung voraus, die nicht frei ist von Emotionen und die sich im Verlauf der Gespräche verändert, entwickelt und daher immer wieder reflektiert und verbalisiert werden sollte.
- Beratung ist Kommunikation und somit allen Störungen menschlicher Kommunikation unterlegen. Die kommunikativen Fähigkeiten von Berater und Klient sind nicht selten sehr verschieden. Sprache, Mimik und Gestik sind die Medien der Beratung. Die Art und Weise, sie anzuwenden und zu verstehen, ist die Grundlage der Beratung, die Verlauf und Erfolg bestimmt.
- Beratung ist ebenso eine Arbeitssituation, mit welcher der professionelle Helfer Geld verdient. Sie ist eingebunden in Institutionen mit Weltanschauungen und Konzeptionen.

Professionelle Beratung ist meist einer Abrechnungspflicht und somit immer einer gewissen Kontrolle unterlegen, letztlich durch Staat und Gesellschaft.

- Beratung ist ein Lernprozess, der keinesfalls nur einseitig wirkt und der durch alle bisher genannten Einflussgrößen behindert oder beschleunigt werden kann.

Damit man überhaupt von Beratung sprechen kann, müssen folgende drei Komponenten gegeben sein - Klient, Berater und Problem. Diese drei Komponenten treten jedoch in den verschiedensten Konstellationen auf.

Im Idealfall entspricht der Berater den „Rogersschen Ansprüchen“, ist gut ausgebildet, einfühlsam, erfahren, und an jeden Arbeitstag und in jeder Situation auf jeden Klienten eingestellt. Der Klient ist freiwillig in der Beratung, bereit und fähig zu Veränderungen. Er kann seine Lage genau beschreiben, seine Gefühle verbalisieren und sein Umfeld kann erfolgreich einbezogen werden. Das Problem ist genau diagnostizierbar, mit kommunikativer Intervention zu bewältigen und möglichst sogar in dem Maße, dass der Klient mit weiteren Problemen allein fertig wird.

Wie gesagt, ist dies der Idealfall und allenfalls kann das Ziel der Beratung immer nur eine Annäherung an diesen Idealfall, bestenfalls natürlich ein Erfüllung sein.

Es gibt unterschiedliche Formen von Beratung. Man unterscheidet Einzel- , Partner- und Familienberatung sowie prophylaktische Feld- , Gemeinde- oder Gruppenarbeit.

Je nach Form bzw. Arbeitsweise der Beratungsstelle/ dem institutionellen Rahmen und der Problemlage des Klienten stellt sich Beratung jedoch unterschiedlich dar. Funktion und Ziel der Beratung variieren dementsprechend. So kann Beratung:

- Auskünfte und Informationen geben
- Den Ratsuchenden in schwierigen Situationen und Entscheidungen begleiten und helfen, Schwierigkeiten zu verstehen
- Selbstregulationskräfte stärken
- Helfen, Konfliktpotentiale zu entdecken und zu bearbeiten
- Chancen bieten, mit sich selbst und Bezugspersonen neue Erfahrungen zu machen, neue Wege der Lebensgestaltung zu erproben
- Im Sinne von Nachsorge unterstützen (Beratungsführer 1991, S.9)

Eine weitere wichtige Variable stellt die Qualifikation und fachliche Kompetenz des Beraters dar. Jede Beraterin bringt ein ganz eigenes, subjektives Verständnis von Hilfe in den Beratungsprozess ein. Die persönliche Einstellung und die vorausgegangene Ausbildung stellen einen wichtigen Aspekt für das Gelingen des Beratungsgespräches dar. Deshalb muss, laut KJHG und den Förderrichtlinien der Länder die fachliche Arbeit grundsätzlich durch ein multidisziplinäres Team, welches mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen vertraut ist, geleistet werden. Die fachliche Kompetenz der Beraterinnen und Berater wird kontinuierlich durch Teambesprechungen, Supervision und Fortbildung erweitert.

Je nach Ziel und Funktion der Beratung werden letztendlich unterschiedliche Konzepte als Arbeitsgrundlagen herangezogen.

1.2.3 Beratungskonzepte

Theorien und Konzepte systematisieren und vereinfachen Sachverhalte, um Übersichtlichkeit und Erklärbarkeit zu gewährleisten. Beratungskonzepte sind Modelle, in denen Ziele, Inhalte und Methoden in einen Zusammenhang gebracht werden. Es ist allerdings wichtig, diese Modelle immer in ihrem Entstehungszusammenhang zu sehen und daher ist es notwendig, ihre aktuelle Anwendung den heutigen Gegebenheiten anzupassen. Generell ist es kaum möglich, theoretische Handlungskonzepte in reiner Form anzuwenden, denn in der Praxis ist der Übergang verschiedener Ansätze zu einem situationsangepassten Modell meist fließend und nicht klar voneinander zu trennen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Beratungskonzepte zu unterteilen und einzuordnen. Man kann sie zum Beispiel nach den zugrundeliegenden Theorien, aber auch nach den Interventionsformen einteilen. Im Rahmen des Studiums wurden die Beratungskonzepte im Seminar „Familienberatung“ bei Frau Dr. Hesse nach den Interventionsformen wie folgt unterteilt:

- Beratung als Vermittlung von Information
- Beratung als Hilfe zur Verhaltensänderung
- Beratung als direktive Anweisung
- Beratung als Problemlösehilfe
- Beratung als nicht direktive Intervention.

Den Angaben von Karin Raab zufolge, welche in ihrer Magisterarbeit eine Befragung von 5 Schwangerschaftskonfliktberaterinnen vornahm, ist die klientenzentrierte Gesprächsführung bzw. - therapie die am häufigsten angewandte Methode in der Schwangerschafts--konfliktberatung. Die Gesprächspsychotherapie ist die zugrundeliegende Theorie des Beratungskonzeptes „Beratung als nichtdirektive Intervention“.

Ich werde nun das Beratungskonzept der nichtdirektiven Intervention genauer vorstellen, um anschließend anhand des gesetzlich vorgeschriebenen Inhalts der Schwangerschaftskonfliktberatung die verbleibende Sonderform der Beratung im Schwangerschaftskonflikt herausarbeiten zu können.

1.2.4 Beratung als nichtdirektive Intervention

Diesem Konzept von Beratung liegt die Theorie der Gesprächspsychotherapie zugrunde. Die Intervention ist vorrangig auf den Klienten und seine Gefühle und nicht auf das Problem gerichtet. Der Klient äußert seine subjektiven Erfahrungen und anhand dieser Erfahrungen wird ein Gespräch entwickelt, durch das der Klient auf eigene Problemlösemöglichkeiten aufmerksam wird. Dabei werden keine Deutungen und Interpretationen vorgenommen. In erster Linie geht diese Konzeption auf einen Vertreter der humanistischen Psychologie Carl Rogers zurück. Laut seiner Auffassung besitzt jeder Mensch eine Tendenz zur Selbstverwirklichung, das heißt jeder trägt die Fähigkeit zur eigene Konfliktbewältigung in sich. Durch bestimmte Gesprächstechniken und vor allem durch eine einfühlsame, offene und ehrliche Beziehung in der Beratung müsse diese motivierende Kraft entfaltet und gefördert werden. Mittels einer Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte, Spiegelung und Konfrontation durch den Berater gewinnt der Klient Einsicht in sein eigenes Handeln und kann durch seine eigenen, jetzt wiederentdeckten Möglichkeiten aktuelle, als auch zukünftige Konflikte lösen.

Rogers spricht von 3 wichtigen Variablen des Beraterverhaltens, die von besonderer Bedeutung und Voraussetzung für den Aufbau einer vertraulichen Beziehung von Klient und Berater sind: positive Wertschätzung und Wärme / einfühlendes Verstehen und bedingungslose Akzeptanz sowie Empathie und Echtheit (Selbstkongruenz). Diese 3 Variablen sah er als notwendig und

hinreichend an. Im Laufe der Jahre wurde dieses Konzept modifiziert und weiterentwickelt, dazu meint Weinberger: „Das einfühlende Verstehen hat sich dabei auf empirischem Wege als Methode herauskristallisiert, die einhergehend mit positiver Wertschätzung und Kongruenz, dem Klienten im höchsten Maße hilft, sich und sein Problem differenzierter wahrzunehmen und zu einer Lösung seiner Konflikte zu kommen“ (Weinberger 1992, S.61).

Robert Carkhuff fügte später drei weitere Variablen hinzu: Konkretheit, Unmittelbarkeit und Konfrontation. Diese Beratervariablen stellen gleichzeitig die Methode der klientenzentrierten Beratung dar.

Konkretheit ist wichtig für das Verständnis. Der Klient sollte exakt seine Gedanken, Bilder und Gefühle beschreiben, damit sich der Berater ein möglichst klares Bild schaffen kann und nicht mit Vermutungen und Deutungen arbeiten muss.

Unmittelbarkeit bedeutet die Konzentration auf das „Hier und Jetzt“. Da sich die Sicht des Klienten oft auf Fremdbeurteilungen, verfälschte Erinnerungen und Vermutungen stützt, ist es wichtig, dass gegenwärtige Fühlen und Denken des Klienten herauszubekommen. Der Berater sollte auf spontane Selbstmitteilungen genau und möglichst sofort eingehen.

Konfrontation heißt, auf Widersprüche im Denken und Handeln des Klienten aufmerksam machen. Der Berater sollte Real- und Traumwelt, Denken und Tun, sowie das subjektive Selbstbild und ein objektiveres Fremdbild gegenüberstellen, um dem Klienten eine Möglichkeit zu bieten sein Selbstbild zu korrigieren.

Für diese Intervention ist jedoch eine bereits bestehende und stabilisierte Vertrauensbeziehung, verbunden mit einen ruhigen Tonfall, Voraussetzung.

Ungeeignet erscheint diese Beratungsform bei akuten Problemlagen, wenn der Klient ganz auf sich und seine eigene Einsichtfähigkeit gestellt ist, denn dann kann es zu Überforderung und Hilflosigkeit kommen. Das idealistische Menschenbild kann sich demnach auch nachteilig auswirken. Kritisiert wird das Konzept außerdem wegen ungenauer Techniken und der Stützung auf das Selbstregulationsprinzip, welches wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist.

1.2.5 Die Beratungsregelung im Schwangerschaftskonflikt

Der Gesetzgeber schreibt vor:

Die Schwangerschaftskonfliktberatung muss nach § 219 StGB in Verbindung mit § 5 und

§ 6 des SchKG durchgeführt werden.

Die Beratung soll demzufolge dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen. Die Beratung ist aber ergebnisoffen zu führen und geht von der Verantwortung und Letztentscheidung der Frau aus. Des weiteren soll die Beratung ermutigen, Verständnis wecken und der Frau Perspektiven für ein Leben mit dem Kind eröffnen, jedoch nicht belehren oder bevormunden.

Die Beratung umfasst weiterhin, dass die schwangere Frau der Beraterin die Gründe mitteilt, warum sie einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung zieht, die Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft der Ratsuchenden aber nicht erzwungen werden kann. Der Schwangeren wird mit erforderlichen medizinischen, sozialen und juristischen Informationen geholfen, dazu gehört die Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter und Kind und der möglichen praktischen Hilfen, insbesondere solcher, die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage von Mutter und Kind erleichtern. Die Frau erhält nach einer Geburt oder nach einem Schwangerschaftsabbruch das Angebot der Nachbetreuung.

Die Schwangere ist unverzüglich und kostenfrei zu beraten. Auf Wunsch können Fachkräfte hinzugezogen, Angehörige oder Partner eingebunden und die Anonymität gegenüber der beratenden Person gewahrt werden.

Die Ratsuchende erhält nach Abschluss der Beratung eine mit Datum und Namen versehene Beratungsbescheinigung von der Beratungsstelle.

1.2.6 Die Sonderstellung der Schwangerschaftskonfliktberatung

Worin besteht nun die Besonderheit der Schwangerschaftskonfliktberatung?

Im Vergleich zu den allgemeinen Funktionen und Zielen von Beratung gibt es einige Besonderheiten.

Als bedeutendster Aspekt sei zuerst die gesetzliche Pflicht zur Beratung genannt.

Durch die gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Beratung ist eine wichtige Grundlage von Beratung nicht gegeben – die freiwillige Inanspruchnahme. Somit bringt der Gesetzgeber Klientin und Beraterin in die paradoxe Lage, eine erzwungene Beratung durchzuführen. Aufgrund dieser Pflicht wird einer schwangeren Frau schon von vornherein unterstellt, dass sie nicht selbstständig über ihre Zukunft entscheiden kann. Die Motivation der Klientinnen, die Beratung für sich zu nutzen, kann demnach variieren, zumal eine Klientin von seitens der Beraterin nicht zu einer Gesprächs- und Mitwirkbereitschaft gezwungen werden kann. Verweigert sich eine Klientin, so kann überhaupt keine Beratung stattfinden!

Ob sich der anfänglich bestehende Zustand von Verschlossenheit und Abgegrenztheit zu einem intensiven Gespräch wandeln kann, ist im entscheidenden Maße vom methodischen Können, der Gesprächskompetenz und der Berufserfahrung der Beraterin abhängig.

Der oftmals umstrittenen Besonderheit des Zwanges zur Beratung möchte ich an dieser Stelle ein Zitat von Arndt entgegensetzen, welches durchaus positiv und objektiv einschätzt: „Es ist nicht nur eine allgemeine Erkenntnis der Konfliktpsychologie, sondern auch die spezifische Erfahrung von Schwangerschaftskonfliktberatern, dass auch Konflikte mit Entscheidungszwang im Dienste konstruktiver Selbstverwirklichung stehen können. In diesem Sinne kann auch eine nur pflichtschuldigst aufgesuchte Konfliktberatung für Mutter und Kind zu einer wichtigen Lebenshilfe werden“ (Arndt 1984, S. 138).

Das Besondere der Schwangerschaftskonfliktberatung besteht zudem auch in der in unterschiedlichem Maße eingeschätzten Forderung des Gesetzgebers nach Parteilichkeit für das ungeborene Leben. Nach der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts soll die Beratung darüber hinaus der Frau zu dem Bewusstsein verhelfen, dass sie die Verantwortung, die sie nach dem Beratungskonzept in spezifischer Weise für das ungeborene Leben trägt, übernehmen muss. Die Beraterin unterliegt diesbezüglich dem Zwang, dass sie die Klientin über Wertorientierungen

aufklären muss, die dem Schutz des ungeborenen Kindes dienlich sind. Sie könnte die Forderung des Gesetzgebers aber auch so verstehen, dass das Ziel dahingehen festgesetzt ist, die schwangere Frau entweder zur Austragung zu bewegen oder ihr die Unvereinbarkeit ihres Verhaltens mit dem Grundgesetz deutlich vor Augen führen. In diesem Fall wäre das ebenfalls gesetzlich geforderte offene Beratungsziel nicht gegeben.

Während z.B. die Problemlagen in einer Familienberatung sicherlich oft variieren, geht es in der Schwangerschaftskonfliktberatung immer um den gleichen Sachverhalt – die ungewollte Schwangerschaft. Es gibt nur zwei Entscheidungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten für die Klientin, die Entscheidung für oder gegen das Kind. Die schwangere Frau sucht eine Beratungsstelle erst auf, wenn sie einen Abbruch, also eine Entscheidung gegen das Kind, in Erwägung zieht. Demnach steht die Beraterin einerseits entweder einer, sich ihrer Entscheidung bereits sicheren, Frau oder andererseits einer, sich bezüglich der Entscheidung in Ambivalenz befindlichen, Frau gegenüber. Im ersten Falle könnte die Klientin, sofern sie es möchte, gemeinsam mit der Beraterin die Gründe noch mal erörtern, um zu überprüfen, ob die Entscheidung nicht zu überstürzt und zu wenig durchdacht gefallen ist. Hat sich die Frau andererseits tatsächlich noch nicht entschieden, was sicherlich seltener der Fall ist, so nimmt die Beratung einen anderen Verlauf. Im Falle der Ambivalenz steht sicherlich mi Vordergrund, gemeinsam mit der Klientin alle Für und Wider abzuwägen, und Hilfsangebote vorzustellen.

Eine Gemeinsamkeit der Schwangerschaftskonfliktberatung mit allgemeinen Anforderungen an Beratung besteht also darin, Entscheidungshilfe zu geben und Hilfsangebote zu machen.

Ein weiteres Indiz für die spezielle Situation der Schwangerschaftskonfliktberatung ist der Zeitdruck in mehrfacher Hinsicht. Einmal ist die Beratungszeit meist auf höchstens eine Stunde beschränkt. Eine weitere Zeiteinschränkung besteht durch die gesetzliche Vorgabe der Abbruchmöglichkeit bis zur 12. Woche, in Verbindung damit, dass der Kontakt nicht selten erst gegen Ende der Frist erfolgt. Das hat zur Konsequenz, dass die Entscheidung in kürzester Zeit getroffen werden muss.

Wie schon gesagt, ist nach Angaben von Karin Raab das Konzept der klientenzentrierten Beratung das am meisten angewandten Konzepte in der Schwangerschaftskonfliktberatung. Dies ist ein Ansatz, der von der Fähigkeit zur Selbsthilfe und einem aktiv handelnden und reflektierenden Individuum ausgeht, ein positives Menschenbild voraussetzt und wobei der Klient im Vordergrund steht. Die Auswahl dieses Konzeptes als Basis für die Arbeit in der

Schwangerschaftskonfliktberatung spricht dafür, dass die Beraterinnen die Eigenverantwortlichkeit der Entscheidung der Frauen sehr ernst nehmen und weniger restriktiv vorgehen. Nachteilig könnte sich bei diesem Konzept jedoch die Ungeeignetheit bei akuten Problemlagen auswirken. Wenn die Klientin ganz auf sich und ihre Entscheidungsfähigkeit gestellt ist, kann es zu Überforderung und Hilflosigkeit kommen.

Die eben angestellten Überlegungen verdeutlichen, dass der Schwangerschaftskonflikt-beratung eine Sonderstellung zukommt. Sie ist in einigen empfindlichen Punkten durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt und kann folglich nicht allen Anforderungen an eine Beratung gerecht werden.

1.2.7 Chancen der Beratung

Theoretisch liegen die Chancen für die Klientinnen einerseits in der Möglichkeit zur Vermittlung und Information über finanzielle Hilfsangebote. Von unterschiedlichen Vertretern werden dazu jedoch unterschiedliche Auffassungen in der Effizienz solcher einmaligen finanziellen Hilfen gesehen. Pro Familia z.B. bezweifelt, dass durch die einmalige Vermittlung von Hilfen der Stiftung Mutter und Kind eine Frau tatsächlich zum Austragen der Schwangerschaft bewegt werden könnte. Dies meint auch Wimmer-Puchinger in ihrer Untersuchung bestätigen zu können (vgl. Kap. 2.3).

Andererseits schätzt Arndt (1992) ein, dass bei den Gründen für einen in Erwägung gezogenen Abbruch finanzielle vor den intra- und interpersonalen Konflikten überwiegen. Für ihn ist das Ausmaß der von Beratungsstellen vermittelten Hilfen ein Hinweis für die Dominanz finanzieller Probleme.

Weiterhin haben die Klientinnen die Chance mit Hilfe einer professionell geschulten Beraterin ihre Konfliktsituation objektiv einzuschätzen, um auch für sich das Gefühl der richtigen Entscheidung und Einschätzung der Situation zu bekommen.

Der § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes formuliert außerdem ausdrücklich das Recht jedes Mannes und jeder Frau auf Beratung in Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung, sowie in allen eine Schwangerschaft unmittelbar berührenden Fragen. Die Klientinnen haben demnach die Möglichkeit, mit der Beraterin eventuell über alternative Möglichkeiten der Verhütung zu sprechen.

Für den Gesetzgeber besteht, wie schon erwähnt, aufgrund der gesetzlich verankerten Beobachtungspflicht über die Auswirkungen des Gesetzes, die Chance der Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zum Schutz des ungeborenen Lebens.

1.2.8 Verhütungsverhalten als Problem der Schwangerschaftskonfliktberatung

Konsens fast aller an den Diskussionen um den § 218 beteiligten Interessengruppen ist, dass Schwangerschaftsabbrüche am besten durch Verhütung ungewollter Schwangerschaften verhindert werden können.

Der heutige Markt stellt ein sehr umfangreiches Angebot der verschiedensten Mittel und Methoden zur Kontrazeption bereit, die z.T. eine sehr hohe Sicherheit aufweisen.

Das vielseitige und bei richtiger Verwendung äußerst wirksame kontrazeptive Angebot lässt die theoretische Schlussfolgerung zu, der Eintritt einer ungeplanten Schwangerschaft könne nahezu ausgeschlossen werden und jedes Kind entstehe durch den bewussten Verzicht von empfängnisverhütenden Mitteln. Die Quote der Schwangerschaftsabbrüche lässt jedoch erkennen, dass diese theoretischen Überlegungen mit der Praxis nicht immer übereinstimmen. Die Ursachen für die ungewollten Schwangerschaften sind einerseits in der möglichen Wahrscheinlichkeit des Versagens des spezifischen Verhütungsmittels, eng verbunden mit individuellen Anwendungsfehlern zu suchen. Andererseits können auch psychologische Prozesse an der Entstehung nicht geplanter Schwangerschaften beteiligt sein. Die analytische Psychologie spricht in diesem Zusammenhang z.B. von einer „neurotisch geformten Persönlichkeitsstruktur“ der Frau, deren unbewusste Konfliktlagen immer wieder zu Kontrazeptionsverleugnungen führt. Diese psychologischen Prozesse können sehr vielseitig sein und müssen im individuellen Fall gesondert betrachtet werden. Die Darlegung der ausschlaggebenden psychischen Strukturen kann zwar hilfreich sein, um die Hintergründe des nachlässigen Umgangs mit empfängnisverhütenden Mitteln aufzudecken. Da die Angaben der Protokolle meiner Untersuchung eine derartige Ursachendeutung nicht zulassen, möchte ich hier nicht näher darauf eingehen.

Infolge des globalen Trends zur Rückkehr zu einer „natürlichen Lebensart“ ist ein anderer Aspekt nennenswert - die Nebenwirkungen einiger Kontrazeptiva. Die Nebenwirkungen der Pille sind nicht unumstritten. Gegner dieser Mittel gehen davon aus, dass zusätzliche Hormongaben für den Körper schädlich seien, insbesondere bei jahrelanger Einnahme. Sie bevorzugen deshalb oft

natürliche Verhütungsmethoden, welche nicht in den monatlichen Zyklus eingreifen und damit einen späteren Schwangerschaftswunsch nicht gefährden.

2. Stand der wissenschaftlichen Untersuchungen

Ich möchte vorerst einen Blick auf bisher durchgeführte Untersuchungen zum Thema – Gründe bzw. Motive für einen Schwangerschaftsabbruch - werfen.

Es gibt wenige empirische Untersuchungen zu den Gründen und Motiven für Schwangerschaftsabbrüche. Meines Erachtens liegt dies einerseits daran, dass vor allem die innerseelischen Beweggründe empirisch vielfach nicht erfassbar und belegbar sind und andererseits an der negativen Brisanz der Problematik Schwangerschaftsabbruch. Ein Schwangerschaftsabbruch hat jahrzehntelang als kriminell abweichendes Verhalten gegolten und wurde auch in den alten Bundesländern als solches internalisiert.

Im folgenden soll die, in Österreich durchgeführte, empirische Untersuchung von B. Wimmer- Puchinger vorgestellt werden. Darin wurde die aktuelle Lebenslage von Erstschwangeren, die eine Beratungsstelle wegen eines Schwangerschaftsabbruches aufsuchten, mit einer Gruppe von Frauen, die ihre erste Schwangerschaft austragen wollten, verglichen. Es wurde der Frage nachgegangen, ob in beiden Gruppen dieselben Rahmenbedingungen unterschiedlich bewertet und erlebt werden. Mit diesem Ansatz wollte man herausfiltern, welche Überlegungen konkret ausschlaggebend für den Abbruch waren.

Dieser Vergleich der beiden Gruppen, gekoppelt mit einer Schwerpunktfokussierung (Erstschwangerschaft), wie er in der Untersuchung von B. Wimmer-Puchinger vorgenommen wird, scheint mir eine effektive Methode, um der Vielschichtigkeit der Motive für einem Schwangerschaftsabbruch gerecht zu werden.

2.1 Die Studie von B. Wimmer-Puchinger

1977 wurde in Österreich eine Pilotstudie über die Motive zum Schwangerschaftsabbruch abgeschlossen. Daraus gewonnene Erkenntnisse sind anschließend an einer repräsentativen Gruppe von 785 Frauen überprüft und 1983 publiziert wurden ( vgl. B. Wimmer-Puchinger). Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Frage nach Motiven zum Schwangerschaftsabbruch nur über die Befragung dritter, nicht betroffener Personen oder in Form einer Retrospektiveinschätzung

untersucht. In dieser Studie wählte Wimmer-Puchinger sowohl eine objektivierende Untersuchungstechnik (Fragebogenerhebung) als auch ein Untersuchungsmittel, welches die Vielfältigkeit subjektiven Erlebens berücksichtigt (Tiefeninterviews).

Das Auswahlkriterium Erstschwangerschaft basierte auf den Erkenntnissen aus der 1977 durchgeführten Pilotstudie, in welcher sich die noch kinderlosen Frauen von denjenigen Frauen, die bereits ihre gewünschte Kinderzahl realisiert haben, signifikant sowohl in der Motivationsstruktur als auch in der sozialen Situation unterschieden. Der Pilotstudie zufolge sind Lebenseinstellung, Perspektiven, sowie der Bereich der Partnerschaft in vielen Dimensionen bei Frauen mit Kindern verändert.

2.1.1 Zentrale Fragestellungen der Wimmer-Puchinger Untersuchung

In erster Linie ging es bei dieser Untersuchung darum, die aktuelle Lebenslage von Frauen, die ihre erste Schwangerschaft voraussichtlich abbrechen lassen , mit jenen Frauen zu vergleichen, die ihre erste Schwangerschaft austragen.

„ Darüber hinaus sollte ein Vergleich beider Gruppen eine Aussage darüber ermöglichen, wie dieselben Rahmenbedingungen von Frauen, die sich auf der einen Seite zur vorzeitigen Beendigung und auf der anderen Seite zum Austragen ihrer Schwangerschaft entschieden haben, unterschiedlich erlebt und bewertet werden, d.h. welche Überlegungen für den Abbruch als ausschlaggebend angeführt werden“ ( B. Wimmer-Puchinger, S. 83).

Demnach standen jene psychischen Bedingungen und Einstellungen zur Debatte, die in Wechselbeziehung zur gegebenen Lebenslage, die Realisierung eines Kinderwunsches mehr oder weniger annehmbar erscheinen lassen.

Da in dem Bereich des „generativen Verhaltens“ die verschiedensten höchst persönlichen Erlebnisse sozioökonomischer, soziokultureller und intrapsychischer Art einfließen, welche vielfach nicht erfassbar und belegbar sind, wurde einerseits mit formal objektivierenden, d.h. mit standardisierten Fragebögen und andererseits mit Tiefeninterviews versucht, die persönlichen Einstellungen, Lebensbedingungen und Gefühlsbereiche erhebbar und vergleichbar zu machen.

2.1.2 Zu den Ergebnissen der Wimmer-Puchinger Untersuchung

Es darf auch als gesicherte Tatsache betrachtet werden, dass eine Frau das Eingehen auf die Bedürfnisse des Kindes, das Geben und Verzichten nur dann als Bereicherung erlebt, wenn die emotionalen Bedürfnisse sich selbst und dem Partner gegenüber befriedigt sind. Die Basis einer befriedigenden Mutter-Kind bzw. Eltern-Kind-Beziehung ist dann gegeben, wenn die Frau auch außerhalb ihrer Mutterrolle über ein sicheres Selbstwertgefühl verfügt.

Welche Faktoren waren nun laut dieser österreichischen Untersuchung hauptsächlich dafür verantwortlich, dass die Frauen der Abbruch-Gruppe die Schwangerschaft, nach ihren subjektiven Einschätzungen, nicht mit einem sicheren Selbstwertgefühl und nicht als Bereicherung erlebten?

Die beiden Gruppen unterschieden sich grundlegend in ihrer Lebenssituation.

Die Unterschiede manifestierten sich in erster Linie im Familienstand und Partnerschaftsstatus, in der Berufs- / Ausbildungstätigkeit, im Lebensunterhalt, im Einkommen und in der Wohnsituation. Aus den, in diesen Bereichen bestehenden, Defiziten ergaben sich wiederum folgende Konsequenzen, die eine Mutterschaft voraussichtlich mit sich brächte. Die Frauen sahen mehr Belastungen durch finanzielle Schwierigkeiten und Wohnungsprobleme auf sich zukommen. Sie befürchteten, das Kind alleine aufziehen zu müssen und dem Kind zu wenig Sicherheit und Geborgenheit bieten zu können. Das eigene Gefühl der Labilität und zu geringen persönlichen Reife machte sie unsicher in Bezug auf eine Entscheidung für ein Leben mit Kind.

Ohne Zweifel hoben sich die Frauen mit voraussichtlichem Schwangerschaftsabbruch vor allem durch die mangelnde Sicherheit sowohl im Partnerschaftsstatus als auch auf der emotionalen Ebene ab. Eine längere Lebensplanung mit dem betreffenden Partner gab es selten. So war es sehr verständlich, dass hier all jene Beweggründe im Vordergrund standen, die eine mangelnde finanzielle und emotionelle Sicherheit für die Zukunft umschreiben. Eine Mutterschaft bedeutete für sie in diesen Bereichen mehr Belastungen und Einschränkungen als für die Vergleichsgruppe.

Soweit sie dem Bewusstsein zugänglich waren, ließen sich folgende, aus den Konsequenzen zu befürchtende, subjektive Bewertungen der Gründe für den Abbruch ableiten:

Die Motive, das Kind nicht alleine großziehen zu können oder zu wollen, derzeit weder Beruf noch Ausbildung unterbrechen zu können bzw. es auch zu wollen und in der Konsequenz dessen, einem Kind keine wie auch immer geartete Stabilität bieten zu können.

Weiterhin zeigten sich in den beiden Gruppen Unterschiede zwischen den jeweils relevanten Einstellungen und Normen:

Frauen, die voraussichtlich ihre Schwangerschaft abbrechen wollten, zeigten eine sichtbare Tendenz in Richtung auf eine derzeit im Vordergrund stehende Berufsorientierung. Zum Lebenskonzept der betreffenden Persönlichkeiten gehörte im Augenblick der Entscheidung daher auch, auf Flexibilität, Selbstfindung und Erfahrung ausgerichtet zu sein.

Frauen, die ihre Schwangerschaft austragen wollten, waren jedoch auf eine, mit dem Partner ihrer Wahl, gemeinsame Lebensplanung orientiert. Im größeren Maße fand sich hier jene traditionelle Vorstellung über die „Frauenrolle“. Im Kapitel 1.2.4 werden diese Ergebnisse ausführlicher diskutiert.

Interessant ist auch das Untersuchungsergebnis zum Thema „finanzielle Hilfen“. Es zeigte sich, dass zum Zeitpunkt der Befragung die Frauen, welche die Schwangerschaft austragen wollten, ganz gut über finanzielle Hilfen ( Wochengeld, Familienbeihilfe, Wäschepaket usw.) informiert waren, die andere Abbruch-Gruppe jedoch signifikant schlechter informiert war. Nach den Gesetzmäßigkeiten der Informationsverarbeitung in der Psychologie, welche besagen, dass nach einer Entscheidung nur noch Informationen aufgenommen werden, die zur bereits gefassten Entscheidung passen, war dieses Ergebnis zu erwarten. In der Untersuchung wird aber geschlussfolgert: „dass finanzielle Zuwendungen die inneren Weichen der Entscheidungsbildung nicht wesentlich zu verändern imstande sind. Informationen über Sozialleistungen wurden demnach nicht in dem Maß als Möglichkeit eingeschätzt, die Entscheidung rückgängig zu machen. Das Problem der Entscheidung, eine Schwangerschaft nicht auszutragen ... ist durch staatliche Sozialhilfen allein keinesfalls steuerbar“ (B. Wimmer-Puchinger, S. 9). Es wurde kein Gegenbeweis angeführt, wie sich die Frauen der Abbruch-Gruppe entschieden hätten, wenn sie zum Zeitpunkt der Entscheidung für den Abbruch ausführlichere Informationen zu finanziellen Hilfen gehabt hätten. Es gibt demnach keinen eindeutiger Beweis dafür, dass finanzielle Zuwendungen keinen oder kaum Einfluss auf die Entscheidungsbildung haben. Dass staatliche Hilfen gesamtgesellschaftlich (und nicht nur für ungewollt schwangere „Bedürftige“! ), einen nicht

unbedeutenden Einfluss auf die Geburtenrate haben können, beweist die, in dieser Arbeit in Kapitel 1.1.2 ausführlich angeführte, Regelung der Familienpolitik der DDR.

2.1.3 Ergebnisse zum Verhütungsverhalten

Unter den Frauen, die ungeplant schwanger wurden, unterschieden sich jene, die einen Abbruch vornehmen lassen wollten, bezüglich ihres Verhütungsverhaltens nicht von denen, die sich zur Geburt des Kindes entschlossen hatten. Die Abbruchgruppe gab zu 37,3% an, im letzten halben Jahr vor der Empfängnis nie verhütet zu haben, die Geburtengruppe zu 38,0%. Immer verhütet zu haben, gab die Geburtengruppe mit 34,8% und die Abbruchgruppe mit 30,1% an. Demnach verhütete ein Drittel der Frauen vor der ersten Schwangerschaft regelmäßig, rund ein Drittel gelegentlich und das letzte Drittel überhaupt nicht. Man kann also nicht behaupten, dass die Abbruchgruppe inadäquater verhütete, als die Geburtengruppe.

Jedoch der hohe Prozentsatz der Frauen, die zum Zeitpunkt der Empfängnis keine Verhütung betrieben haben, obwohl kein expliziter Kinderwunsch bestand, zeigt eindringlich, wie sehr sich Frauen von einer unrealistischen Konzeptionseinschätzung leiten lassen. Das heißt, es ist hauptsächlich Unkenntnis und Unerfahrenheit über die eigene Fruchtbarkeit, die man für das so häufige Nichtanwenden von adäquaten Verhütungsmethoden anführen muss.

Hinzu kommt, dass die Frauen die Möglichkeiten zur Verhütung immer schwerer akzeptieren. Deutlichen Ausdruck findet dies in der Tendenz, von „sicheren“ zu „natürlichen“ oder weniger eingreifenden Methoden überzugehen. Die Frauen der Geburtengruppe, die diese Schwangerschaft nicht geplant hatten, meinten zu 14%, man solle der Natur ihren Lauf lassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Großteil der jungen, noch kinderlosen Frauen nicht oder nur ab und zu verhüten. Außerdem sind sich viele Frauen, die verhüten offenbar nicht über die Sicherheit und Anwendung der Methode im klaren.

2.1.4 Schlussfolgerungen

Die Forscher der Studie stellten resümierend fest: „Das soziale Netzwerk ist brüchig geworden, die Ehe als Basis einer langen Lebensperspektive hat sich zu einem oft sehr kurzfristigen Arrangement mit hintergründig veränderten Werten und Ansprüchen an Mann und Frau entwickelt. Oft ist es demnach nur mehr die Frau, die letztlich für Pflege, Unterhalt und Erziehung der Kinder aufkommen muss. Umgekehrt sind die gesellschaftlichen Forderungen und Erwartungen an eine tragfähige und gute Mutter-Kind-Beziehung nur noch deutlicher geworden. Trotz der Doppelrolle der Frau sind gesellschaftliche Erwartungen an die „Mutter-Kind- Symbiose“ nie entkoppelt worden“

(B. Wimmer-Puchinger, S.86). Dieser Erklärungsansatz ist auch heute noch aktuell. Wimmer- Puchinger verweist 1992 auf die ökonomisch notwendig gewordene und in Zeiten der Hochkonjunktur als Beitrag zum Sozialprodukt sogar allgemein wirtschaftlich erwünschte Berufstätigkeit der Frau, die häufig eine idealisierte oder geleugnete Doppelbelastung beinhaltet.

Die Berufstätigkeit der Frau ist gleichzusetzen mit einer gewissen Unabhängigkeit aufgrund des eigenen finanziellen Einkommens. Jüngere berufstätige Frauen und Frauen, die sich noch in ihrer Ausbildung befinden, begründen die Beendigung der ungewollten Schwangerschaft mit dem Blick auf eine Zukunft, in der sie ihre beruflichen Ziele sowie andere Pläne verwirklichen wollen und ein Kind zu dem jetzigen Zeitpunkt als störend betrachten. Die bewusste Realisierung der Familienplanung kommt für sie erst dann in Betracht, wenn sie ihre Zielvorstellungen erreicht haben und ihre Identität auch außerhalb der Mutterrolle aufbauen konnten. Diesen wirtschaftlichen Faktoren als Motiv der Frauen zur Beendigung ihrer Schwangerschaft spricht auch Arndt (1983) eine große Bedeutung zu. In seiner Aussage stützt er sich auf eine Untersuchung an 63 Beratungsstellen unterschiedlicher Träger, deren Befund ein größeres Gewicht an finanziell genannten Problemen ergab. Seines Erachtens ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass die wirtschaftlichen Gründe weitaus vorrangiger sind als intra- und interpersonelle Konflikte.

3 .Überblick über veröffentlichte Statistiken

Ebenfalls von großer Bedeutung für die Evaluierung der vorliegenden Untersuchung war eine Analyse der Daten der bundesweiten Abbruchstatistik für den Zeitraum von 1996 bis 1999. Diese erhobenen Daten weisen Entwicklungstendenzen auf, welche für die Auswertung und Einordnung der Ergebnisse meiner Untersuchung hilfreich sind und zu einem besserem Verständnis beitragen können.

Mittels dieser Art der deduktiven Herangehensweise ist es mir möglich, die Besonderheit meiner Untersuchungsstichprobe aus den globalen Trends abzuleiten bzw. zu vergleichen.

Die Statistik der Schwangerschaftskonfliktberatung macht keine Angaben zu den tatsächlich durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen nach erfolgter Beratung, denn es besteht keine Rückmeldepflicht der Klientinnen. Somit bleibt offen, ob sich eine Klientin nach dem Abwägen aller individuellen Umstände mit der Beraterin in der Schwangerschafts-konfliktberatung eventuell doch für das Kind entscheidet.

Um tendenzielle Aussagen zu tatsächlich durchgeführten Abbrüchen in der Bundesrepublik Deutschland machen zu können, möchte ich vorab eine, in einem größeren Rahmen erhobene Statistik, einbeziehen. In diesem Zusammenhang sind die statistischen Daten der tatsächlich durchgeführten Abbrüche in der Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum von 1996-1999 von besonderem Interesse.

3.1 Die statistische Entwicklung der Schwangerschaftsabbrüche im Zeitraum von 1996-1999

3.1.1 Die bundesweite Abbruchstatistik

Das Statistische Bundesamt in Bonn erhebt seit 1996 Daten zu den in den einzelnen Bundesländern durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen. Mit dem SFHÄndG (Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz) vom 21. August 1995 wurden Erhebungsmerkmale verändert und eine namentliche Auskunfts- und Meldepflicht eingeführt. „Die Auskunftspflichtigen, die Inhaber der Arztpraxen und die Leiter der Krankenhäuser, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, haben die Pflicht, eine Meldung oder Fehlmeldung an das Statistische Bundesamt zu übermitteln“ (Wirtschaft und Statistik 1999, Heft 11). Durch die gesetzliche Neuregelung konnte die bis dahin in größerem Maß anzunehmende Untererfassung erheblich verringert werden, weil seitdem die Auskunftspflichtigen ihre Anschrift als Hilfsmerkmal zur Statistik angeben müssen. Demnach liegen seit 1996 verlässlichere Aussagen über die zahlenmäßige Entwicklung der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland vor.

Im folgenden soll nun die bundesdeutsche Schwangerschaftsabbruchstatistik im Zeitraum von 1996 bis 1999 genauer betrachtet werden. Die Anzahl der Abbrüche werden hierin generell nach dem Bundesland des jeweiligen Wohnsitzes der Frauen festgehalten.

3.1.2 Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesrepublik nach Altersgruppen

Die Grafiken 1-4 zeigen die Verteilungen der Abbrüche in den verschiedenen Altersgruppen bezogen auf die einzelnen Bundesländer im Zeitraum von 1996-1999.

In den alten Bundesländern ist in den Jahren 1996 und 1997 generell eine Häufung der Abbrüche bei den 18-25, 25-30 und 30-35 jährigen zu erkennen, wobei die Höchstzahlen fast einheitlich bei den 18-25 jährigen liegen, dicht gefolgt von den 25-30 jährigen.

Sehr auffällig ist, dass 1996 in den neuen Bundesländern (siehe Legende:12-16) die meisten Abbrüche durchgehend von Frauen der Altersgruppe 30-35 vorgenommen wurden. Den zweiten Platz nimmt die Altersgruppe der 25-30 jährigen Frauen ein. Dagegen lagen in den alten Bundesländern (siehe Legende: 1-11) die Höchstzahlen der Abbrüche in den Altersgruppen 18- 25 und 25-30. Die verbleibenden Altersgruppen weisen in allen Bundesländern eine gleiche Verteilung auf.

Betrachtet man die Entwicklung der Daten in den Grafiken 1-4 insgesamt, so fällt auf, dass bundesweit eine signifikante Zunahme der Abbrüche in der Altersstufe 18-25 zu verzeichnen ist, gleichzeitig sinkt der prozentuale Anteil der 30-35jährigen sowie der 25-30jährigen. Die Unterschiede in der Verteilung der Abbrüche in allen Altersgruppen gleichen sich im gesamten Bundesgebiet im Zeitraum von 1996-1999 immer mehr an.

Legende zur Grafik

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 1: Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesrepublik Deutschland nach Altersgruppen 1996

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 2: Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesrepublik Deutschland nach Altersgruppen 1997

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 3: Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesrepublik nach Altersgruppen 1998

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]

Final del extracto de 132 páginas

Detalles

Título
Schwangerschaftskonfliktberatung - Eine Problemanalyse im Zeitraum von 1996-1999
Universidad
University of Leipzig  (Erziehungswissenschaftliche Fakultät)
Calificación
2,7
Autor
Año
2001
Páginas
132
No. de catálogo
V1111
ISBN (Ebook)
9783638106948
ISBN (Libro)
9783638945011
Tamaño de fichero
949 KB
Idioma
Alemán
Notas
Die Arbeit beinhaltet eine statistische Zweiterhebung von Protokollen, die anhand von Informationen/ Aussagen der betroffenen Frauen zu Gründen für ihren Entschluß zu einem Schwangerschaftsabbruch ausgefüllt worden sind. Die Arbeit beschäftigt sich aber auch zeitkritisch mit sozialen Vernetzungen und der problematischen Situation des Beraters/in, nicht frei von konfesszionellen Bindungen Entscheidungen zu treffen sowie mit den Vor- und Nachteilen subjektiver Gesprächsführungen.
Palabras clave
Schwangerschaftskonfliktberatung, Eine, Problemanalyse, Zeitraum
Citar trabajo
Katja Rieger (Autor), 2001, Schwangerschaftskonfliktberatung - Eine Problemanalyse im Zeitraum von 1996-1999, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1111

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