Konvergenz und Strukturwandel in Ostdeutschland


Seminar Paper, 2007

30 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Gleichwertige Lebensverhältnisse – eine Illusion?

2. Konvergenz-Modell für zwei Regionen
2.1. Unternehmen
2.2. Staat
2.3. private Haushalte
2.4. Konvergenzmessung
2.5. Konvergenzpolitik
2.6. Steady-State Analyse
2.7. Interregionale Transfers
2.8. Modellkalibrierung
2.9. Modellerweiterung: Lohnentwicklung und Arbeitslosigkeit

3. Konvergenzbeeinflussende Faktoren
3.1. Wirtschaftssektoren
3.2. Bevölkerungsentwicklung
3.3. öffentliche Haushalte

4. Forderungen des Sachverständigenrates

5. Fazit

Symbolverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Gleichwertige Lebensverhältnisse – eine Illusion?

Im Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes wird von einer „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ gesprochen, woraus sich die Verpflichtung des Bundes ableiten lässt, im gesamten Bundesgebiet für ein vernünftiges Maß an Gleichheit sorgen. Das Raumordnungsgesetz wird konkreter und verlangt: „In den jeweiligen Teilräumen sind ausgeglichene wirtschaftliche, infrastrukturelle, soziale, ökologische und kulturelle Verhältnisse anzustreben“1.

Mit dem Beitritt der neuen Bundesländer in den Wirkungsbereich des Grundgesetzes kommt dem Gleichheitsgebot aus dem Grundgesetz ein größeres Gewicht zu. Die westdeutschen Bundesländer vollzogen über 40 Jahre hinweg eine weitestgehend gleichförmige Entwicklung, weshalb landläufig von zumindest annähernd gleichen Verhältnissen in Westdeutschland gesprochen werden kann. 40 Jahre Sozialismus hatten wirtschaftlich, infrastrukturell und sozial für eine ebenfalls hohe Homogenität der Lebensverhältnisse innerhalb Ostdeutschlands gesorgt, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau.

Die Ausgangssituation nach der Wiedervereinigung hätte nicht viel ungleicher sein können: Ein unbrauchbares DDR-Staatswesen, eine marode öffentliche Infrastruktur und verkommene sozialistische Wirtschaftsstrukturen galt es zu überwinden um mit dem Westen aufschließen zu können. Dass das nicht über Nacht geschehen konnte und zusätzlich unzählige Milliarden Steuermittel verschlingen würde, war spätestens nach einem Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Betriebe klar, auch wenn das berühmte „blühende-Landschaften“-Zitat des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl gegenteilige Hoffnungen schürte.

Heute, 17 Jahre nach der Wiedervereinigung, erscheint es selbstverständlich, dass ein Aufholprozess notwendigerweise langfristig Art sein muss, um eine wirtschaftliche Angleichung des Ostens an den Westen zu erreichen. Doch sind mit einer wirtschaftlichen Konvergenz zugleich „gleichwertige Lebensverhältnisse“ geschaffen? Anhand welcher Kriterien soll der Aufholprozess Ostdeutschlands bewertet werden und welche Faktoren beeinflussen diesen Prozess? Wann kann von „gleichwertigen Lebensverhältnissen“ gesprochen werden?

In dieser Arbeit werde ich zunächst auf theoretischer Ebene anhand eines endogenen Wachstumsmodells für zwei Regionen klären, welche Parameter den Konvergenzprozess beeinflussen und ob Konvergenz erreicht wird. Im zweiten Teil werde ich drei ostdeutsche Problembereiche analysieren und dabei auf die Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eingehen, bevor ich am Ende auf die Frage der „gleichwertigen Lebensverhältnisse zurückkomme.

2. Konvergenz-Modell für zwei Regionen

Das endogene Zwei-Regionen-Wachstumsmodell von Funke/Strulik2 (im Folgenden mit 2R-Modell bezeichnet) basiert auf einem Ramsey-Modell mit Konsumentenverhalten und Staatserweiterung.3 Während das Ramsey-Modell nicht für einen Sonderfall spezifiziert wurde und daher für beliebige Ökonomien Anwendung finden kann, ist das 2R-Modell auf den einmaligen Fall des wiedervereinigten Deutschland mit den Regionen Ost- und Westdeutschland zugeschnitten.

2.1. Unternehmen

Die Betriebe agieren auf einem atomistischen, perfekten Markt mit identischer Produktionsfunktion vom Cobb-Douglas-Typ:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten 0 < α < 1 i = W, E (1)

Die Output-Erzeugung erfolgt unter Einsatz der Faktoren Kapital (K) und Arbeit (L), die konstante Skalenerträge aufweisen, in Verbindung mit dem zum Teil durch staatliche Produktion beeinflussten Parameter Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, wobei das darin enthaltene technische Wissen (A) exogen gegeben ist. Der Output kann für privaten Konsum (C) und private Investitionen (I), aber auch für öffentliche Ausgaben verwendet werden, wobei letzteres eine Erweiterung gegenüber dem ursprünglichen Ramsey-Modell darstellt. Das Preisniveau ist auf 1 normalisiert. Es ergibt sich die Kapitalstockakkumulationsgleichung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (2)

Die Firmen kontrollieren den Input an Arbeit (Li) ebenso wie die Investitionen (Ii). Unter Berücksichtigung des Unternehmenssteuersatzes (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten) beabsichtigen sie eine Maximierung des UnternehmenswertesAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, der gleich dem Barwert aller künftigen cash flows ist:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (3)

mit der durchschnittlichen Zinsrate

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (4)

und den Faktorpreisen von Arbeit4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (5)

und Kapital5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (6)

wobei implizit identische Kapitaleinsatz-Arbeitseinsatz-Relationen innerhalb einer Region angenommen werden, Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

2.2. Staat

Der Staat erzielt seine Einnahmen durch Besteuerung von Unternehmen und Individualeinkommen mit einem einheitlichen Steuersatz (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten), der identisch mit dem Staatsanteil am Output ist. Bemessungsgrundlage ist das Einkommen aus beiden Regionen, wobei individuelle Zinseinkünfte zur Vermeidung von Doppelbesteuerung steuerfrei bleiben.

Von den Steuereinnahmen finanziert der Staat die regionale Akkumulation von öffentlichem Produktivkapital (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten) und die auf den öffentlichen Produktivkapitalstock vorgenommenen Abschreibungen (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten). Der verbliebene Teil wird als intraregionale Transfers (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten) und interregionale Transfers von West nach Ost6 verwendet. Kreditaufnahme des Staates ist nicht vorgesehen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (7)

Wird der Steueranteil, der innerhalb einer Region für Kapitalbildung und Abschreibungen ausgegeben wird, mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und der Steueranteil für Transfers von West nach Ost mit x bezeichnet, so ergeben sich folgende das Staatsverhalten beschreibende Gleichungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (8)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (9)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (10)

Der Produktivitätsfaktor Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten aus Gleichung (1) enthält das in beiden Regionen identische technische Wissen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten sowie eine Pro-Kopf-Skalierung des staatlichen Kapitalstocks, welche die Unterschiede in der Bevölkerungszahl und damit verbundene Skaleneffekte bei öffentlicher Infrastruktur eliminiert. Schließlich hat die Pro-Kopf-Infrastruktur einen Einfluss auf die Produktivität, nicht aber die absolute Höhe der Infrastrukturinvestitionen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (11)

Der Faktor Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten spiegelt die Abhängigkeit des Outputs vom öffentlichen Pro-Kopf-Kapitalstock Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten wieder, wobei die absolute Gesamtproduktion mit zunehmender Infrastruktur ebenfalls steigt.

2.3. private Haushalte

Die individuellen Haushalte stellen unelastisch eine Einheit Arbeit auf dem Faktormarkt bereit (j = 1,2,…,Li). Sie maximieren ihren daraus erwachsenen Nutzen mittels einer für alle Haushalte in beiden Regionen identischen intertemporalen Konsumnutzenfunktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (12)

wobei Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten die Zeitpräferenzrate und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten die intertemporale Substitutionselastizität angibt. Die Haushalte berücksichtigen die Budgetbeschränkung, dass nur individuell verfügbares Einkommen in Form von Zinsen auf Vermögen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, Arbeitsentlohnung nach Steuern Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Transfers Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten verkonsumiert Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten oder gespart Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten werden kann

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (13)

Die Haushalte unterscheiden sich in ihren Konsumgewohnheiten ebenso wie in ihren Einkommensquellen. Große Heterogenität in der Einkunftsgröße kann Rechtfertigungsgrund für intraregionale Transfers sein.

2.4. Konvergenzmessung

Mit dem fiskalischen Zusammenschluss von Ost- und Westdeutschland gleichen sich die Zinssätze durch Kapitalzuflüsse in die Region mit zunächst höherem Kapitalgrenzertrag an, so dass dann rW = rE gilt. Dafür ist die Annahme vollständiger Kapitalmobilität ohne Mobilitätskosten notwendig.

Aufgrund der Zinsparität lassen sich die Gleichungen (6) und (11) zu einer Konvergenz-Messgröße Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten umformen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (14)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten spiegeln regionale Unterschiede zwischen Ost und West wieder. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten misst den relativen Rückstand des Pro-Kopf-Outputs der neuen Länder im Vergleich zu den alten Ländern. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ist eine Hilfsvariable zur Skalierung der regional unterschiedlichen Arbeitskräfteanzahl.

Anhand der Gleichung (14) wird deutlich, dass das private Pro-Kopf-Kapital nach Reallokation in beiden Regionen dem öffentlichen Pro-Kopf-Kapital in Form von Infrastruktur entspricht. Aufgrund der Mobilität des privaten Kapitals wird jeder Unterschied in der anfänglichen Ausstattung mit staatlichem und privatem Pro-Kopf-Kapital ausgeglichen, so dass jegliche Veränderungen im Output ausschließlich von dem Umfang der staatlichen Investitionen abhängen.

2.5. Konvergenzpolitik

Vollständige Konvergenz zwischen Ost- und Westdeutschland ist erreicht, wenn Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten wird. Daher ist die Konvergenzgeschwindigkeit gemessen an der Wachstumsrate von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten eine wichtige Größe, die sich durch einsetzen von (11) und (14) in (8) ergibt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (15)

Aus Gleichung (15) ist abzulesen, dass eine simple Adaption des westdeutschen Verhaltens hinsichtlich der Staatsinvestitionen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten zu keiner Konvergenz führt. Mögliche fiskalpolitische Pfade müssen folgende Bedingung erfüllen um ökonomische Konvergenz zu erzeugen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (16)

Folglich muss der Anteil der Infrastrukturausgaben in Ostdeutschland zumindest für die Übergangsphase höher sein als in Westdeutschland um den Abstand zu verringern.

2.6. Steady-State Analyse

Aus der Kapitalstockgleichung für Gesamtdeutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (17)

lässt sich die Wachstumsrate des privaten Kapitalstocks Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten herleiten, in deren Gleichung die Konsum-Kapital-Quote Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und die westdeutsche Infrastruktur pro (privater) Kapitaleinheit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten enthalten sind. Mittels der Wachstumsraten von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten lässt sich die Existenz eines eindeutigen Gleichgewichts nachweisen. Der Konvergenzprozess ist im Steady-State vollständig abgeschlossen, weshalb Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten gelten muss. Ferner wachsen Konsum, Infrastruktur und privates Kapital im Steady-State in beiden Regionen mit jeweils konstanter Rate.7 Die langfristig maximalen Wachstumsraten werden bei dem Steuersatz erreicht, welcher mit der Produktionselastizität der Infrastruktur identisch ist Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

2.7. Interregionale Transfers

In der bisherigen Betrachtung ist der Konsum in einer Region von der regionalen Produktion abhängig. Erst bei gleicher Pro-Kopf-Produktion am Ende des Konvergenzprozesses könnte in beiden Regionen die gleiche Pro-Kopf-Menge konsumiert werden. In der Realität wird das verfügbare Einkommen, und damit auch der Konsum, durch im Solidarpakt vereinbarte Transferzahlungen erhöht. Ziel dieser Transfers von West nach Ost ist eine Nivellierung des Konsumnachteils, der sich aufgrund der schwächeren regionalen Entwicklung nach der Wiedervereinigung ergibt, so dass das ostdeutsche Konsumniveau stärker an das westdeutsche Niveau konvergiert als der Output. Nicht ausgeglichen werden soll der Konsumunterschied, der sich aus der schlechteren Wohlfahrtsentwicklung während des Sozialismus und daraus resultierender geringerer individueller Vermögen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten zum Zeitpunkt der Wende ergibt, was neben der Konsumangleichung einen Anreiz zur Migration in die neuen Länder darstellen würde.

Die Transferpolitik unterstellt also, alle Einwohner in Ost und West hätten zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung eine identische Anfangsausstattung gehabt, und korrigiert anschließend eingetretene Divergenzen im Konsum aufgrund regional unterschiedlicher Entwicklungen. Das Ausmaß der dafür notwendigen Transfers ist folglich abhängig von dem Stand des Konvergenzprozesses und sinkt mit steigendem Konvergenzgrad Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ebenso wie mit sinkender Bevölkerungszahl in Ostdeutschland:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (18)

Ist vollständige Konvergenz Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten erreicht, so enden die Transferzahlungen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Im Falle zunehmender ökonomischer Divergenz erhöhen sich die interregionalen Transfers.

2.8. Modellkalibrierung

Funke/Strulik kalibrieren ihr Zwei-Regionen-Modell mit empirischen Werten Westdeutschlands vor der Wiedervereinigung, so dass die Steady-State-Lösung des Modells den empirischen Daten entspricht. Dabei wird die Annahme zugrunde gelegt, dass Westdeutschland sich zumindest in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in seinem Steady-State befand mit konstanter Wachstumsrate von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten = 1,75% pro Jahr.

Die Produktivitäten von Arbeit, privatem Kapital und Infrastruktur sind allesamt abhängig von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Aufgrund der großen Bedeutung der öffentlichen Investitionen im 2R-Modell entschieden sich Funke/Strulik für ein an der empirischen Infrastrukturelastizität orientierten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, was dann zugleich einen nicht näher bezifferten Folgefehler für die Elastizitäten von Arbeit und privatem Kapital verursacht. Im Basisszenario (I) wird mit einer Infrastrukturelastizität von (1-Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten=0,2), im Alternativszenario (II) mit (1-Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten=0,3) gerechnet.

Darüber hinaus wurden die Parameter A, Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten für beide Szenarien so gewählt, dass die Steady-State-Modellwerte für Einkommenswachstum Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Kapital-Output-Quote Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten den empirischen Werten (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten,Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten = 2,7) entsprechen bzw. nahe kommen. Das Alternativszenario unterschätzt Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, ergibt aber für Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ein Ergebnis, das näher an dem realen Steady-State-Wert von 28% liegt als beim Basisszenario. Alle übrigen Parameter sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Modellparameter8

Die Analyse beginnt nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch Ostdeutschlands, also im Jahr 1992 (t0), dem absoluten Minimum des ostdeutschen Outputs, und endet 1999 (t7). Im Jahr 1992 weist Ostdeutschland einen Kapitalstock von 40% in Relation zu Westdeutschland auf (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten = 0,4). Es ergibt sich die fiskalpolitische Regel:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (19)

Der Parameter a ist ein Gewichtungsfaktor für die Infrastrukturinvestitionen des Staates und abhängig von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und der Politik in t0. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten steuert die Reaktion der Politik auf relative Einkommensverbesserungen, d.h. je größer das Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, desto rigider wird die Politik auf steigendes Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten reagieren. Für die Szenarien (I) und (II) wird mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten = 1, für ein weiteres Alternativszenario (III) mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten = 1,5 gerechnet. Anhand beobachteter Daten werden die Staatsinvestitionen in Relation zum ostdeutschen Output gesetzt (qE(0)=0,2) und in Verbindung mit (16) a=2/3 bzw. a=0,5443 errechnet. Es ergeben sich aus Gleichung (19) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Unter Verwendung der Gleichung (18) wird der Anteil der Transfers am westdeutschen Steueraufkommen im Basisszenario (mit 1-Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten=0,2) errechnet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Alternativszenario (mit 1-Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten=0,3) ergibt sich x0≈15,2%.

Funke/Strulik geben eine aus dem 2R-Modell abgeleitete Prognose hinsichtlich möglicher Konvergenzpfade Ostdeutschlands hin zum westdeutschen Wohlstandsniveau. Anhand der Kurve des Konvergenzmaßes Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten im Basisszenario (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten0=0,4) wird deutlich, dass nach zehn Jahren die Hälfte (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten10=0,7), nach 30 Jahren 90% (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten30=0,94) der ursprünglichen Lücke zwischen Ost und West geschlossen sein sollten. Tatsächlich lag der Produktivitätsunterschied nach sieben Jahren, also 1999, mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten7=0,63 nah an der Prognose. Aus dem Prozess der Einkommensaufholung resultiert eine Verringerung des Umfangs der notwendigen interregionalen Transfers gemessen am Anteil des westdeutschen Steueraufkommens (x). Zu Beginn der Analyse im Jahr 1992 lag dieser Anteil bei x0≈14%. Für das Jahr 1999 entspricht die Prognose von x7≈8,5% der realen Größe. Doch auch nach sehr langen Zeiträumen von 15 oder 25 Jahren werden immer noch Transfers in der Größenordnung x15≈5% bzw. x25≈2,7% erforderlich sein. Empirisch ist dieser Rückgang qualitativ, nicht aber quantitativ beobachtbar.

Im Alternativszenario (II) mit niedrigerem Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ändert sich der Konvergenzpfad (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten) gegenüber dem Basisszenario nicht, weil sich beide Regionen in exakt dem gleichen Verhältnis zueinander schlechter Entwickeln. In beiden Regionen wird mehr konsumiert und weniger investiert als im Basisszenario. Im Alternativszenario (III) mit höherem Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten reduziert die Regierung ihre Infrastrukturinvestitionen im Zeitablauf stärker, wodurch sich der Konvergenzprozess gegenüber dem Basisszenario verlangsamt (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten(III)30=Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten(I)20=0,8) und die Transferzahlungen in höherem Umfang (x(III)20≈2•x(I)20) und über einen deutlich längeren Zeitraum geleistet werden müssen.

Erwähnenswert ist der Prozess der privaten Kapitalakkumulation von Ost- und Westdeutschen in Ostdeutschland. Zu Beginn des Prozesses wächst der Kapitalbestand in Ostdeutschland mit Raten von ca. 10% pro Jahr, die sich nach zehn Jahren auf 5% pro Jahr reduzieren. In Westdeutschland führt der Kapitalabfluss nach Osten in den ersten Jahren zu geringen Wachstumsraten des Kapitalstocks von unter einem Prozent pro Jahr und damit verbunden zu langsamerem Outputwachstum.9

2.9. Modellerweiterung: Lohnentwicklung und Arbeitslosigkeit

Um ein realitätsnäheres Modell zu erhalten erweitern Funke/Strulik das 2R-Modell um Lohnsteigerungen und Arbeitslosigkeit. Die Produktivität der ostdeutschen Arbeitskräfte lag zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung aus verschiedenen Gründen deutlich unter der westdeutschen Produktivität. In der Erwartung kräftiger Produktivitätssteigerungen wurden die Löhne in den folgenden Jahren über das Produktivitätsniveau hinaus gesteigert. Die hohen Löhne verstärkten die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland zusätzlich und machten weitere Transfers aus dem Westen notwendig.

Im Modell wird nun von dem Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt abgewichen. Die Menge an beschäftigten Arbeitskräften (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten) ist nicht mehr identisch mit der Bevölkerungszahl (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten).Die relative Bevölkerungsgröße wird definiert als (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten) und die relative Beschäftigtenzahl als (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten), jeweils in Relation zu Westdeutschland, wo wir weiterhin einen gleichgewichtigen Arbeitsmarkt annehmen. Das relative Einkommen pro Arbeiter als Maßstab für den Abstand zu Westdeutschland wird weiterhin mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten bezeichnet. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten2, das relative Pro-Kopf-Einkommen in Ostdeutschland, ist die zweite Messgröße für Disparität und entspricht der Produktivität multipliziert mit der relativen Beschäftigungsrate:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (20)

Die Lohnentwicklung wird mittels einer Verhaltensgleichung dargestellt, die einen variablen und einen fixen Teil enthält. Die fixe Komponente des Lohnwachstums sorgt dafür, dass das Lohnniveau im Osten (wE) über dem Produktivitätsniveau liegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (21)

Die Mobilität des privaten Kapitals gewährleistet, dass die gemessen an ihrer Produktivität überteuerten ostdeutschen Arbeitskräfte zu dem Lohnniveau wE nicht nachgefragt werden. Weil aber einige Arbeitskräfte auch niedriger bezahlte Jobs akzeptieren (z.B. bei Betrieben, für die der Flächentarifvertrag nicht gilt) wird die Gleichung (21) um eine variable Komponente erweitert, mit der Lohnabschläge berücksichtigt werden und deren Höhe in Abhängigkeit von der Arbeitslosenquote (u) variiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (22)

Mit erreichen der vollständigen Konvergenz wird Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten=1 und u=0, so dass die Löhne im Osten auf Westniveau angelangt sind und erstmalig ihrer Produktivität entsprechen. Dann wird das gleiche langfristige Marktgleichgewicht erreicht wie im Modell ohne Arbeitslosigkeit.10 Die folgende Gleichung verdeutlicht, dass das Beschäftigungsniveau (1-u) von der regionalen Produktivität abhängig ist:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (23)

Die staatlichen Transfers nach Ostdeutschland sind zum Teil Ausgleichszahlungen für höhere Arbeitslosigkeit infolge von Tarifabschlüssen über Produktivitätsniveau. Die Gleichung für den Transferanteil an den Staatsausgaben (18) ändert sich dadurch wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (24)

Die neue Transferquote übersteigt die bisherige und nimmt mit steigender Arbeitslosigkeit zu. Wird das um Arbeitslosigkeit erweiterte Modell mit b=1,5 und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten kalibriert, was einer anfänglichen Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland von 21% entspricht, so ergeben sich bei sonst gleichen Parametern teils deutliche Abweichungen vom Basisszenario.11

Auffällig ist, dass der Konvergenzparameter Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten2 beim Szenario mit Arbeitslosigkeit einen deutlich niedrigeren theoretischen Ausgangswert im Jahre 1992 aufweist als im Basisszenario. Bei der Kapitalwachstumsrate (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten) verhält es sich umgekehrt, was darauf zurück zu führen ist, dass das geringe Anfangskapital mit einer höheren Grenzproduktivität einhergeht und somit verstärkt Kapital anzieht. Zudem bleibt festzuhalten, dass eine Verschlechterung der Investitionsbedingungen im Osten nicht Verschiebungen der Investitionen in den Westen führt, sondern zu höherem Konsum. Wie schon bei der Transfergleichung erwähnt erhöht sich das Transfervolumen arbeitslosigkeitsbedingt gegenüber dem Basisszenario erheblich.

Beschäftigte in Ostdeutschland profitieren eindeutig von der Lohnentwicklung im Modell: Das anfängliche Lohnniveau sowie die Wachstumsraten des Lohnes sind höher als im Basisszenario. Offen bleibt die Frage, ob auch die westdeutschen Beschäftigten profitieren, da zwar ihr anfängliches Lohnniveau leicht höher ist, aber dafür die Wachstumsraten der Löhne leicht niedriger ausfallen. Zusätzlich finanzieren sie mit ihren Steuern und Sozialbeiträgen die Transfers für die ostdeutschen Arbeitslosen.

In einem Szenario mit Arbeitslosigkeit und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten=1,5 wird die Konvergenzgeschwindigkeit gegenüber dem Basisszenario noch weiter gebremst, Transferzahlungen und Arbeitslosigkeit sinken weniger schnell.

[...]


1 Siehe § 2 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Raumordnungsgesetz (ROG)

2 Vgl. für die Ausführungen zum 2R-Modell auf den nächsten Seiten: Funke/Strulik (2000), S. 363 – 384.

3 Vgl. Barro (2004), S. 85ff und 143ff.

4 Der Faktorpreis der Arbeit entspricht dem Grenzprodukt der Arbeit und wird auch mit Lohnsatz bezeichnet.

5 Der Faktorpreis des Kapitals entspricht dem Kapitalgrenzprodukt, ist also gleich dem Zinssatz.

6 Die interregionalen Transfers von West nach Ost heben sich über das Gesamtbudget auf und sind daher nicht explizit in der Budgetgleichung aufgeführt.

7 Im Steady-State gilt also: und .

8 Entnommen aus Funke/Strulik (2000), S. 373.

9 Für die grafischen Auswertungen vgl. Funke/Strulik (2000), S. 375. Die Grafiken erfüllten nicht die Qualitätsanforderungen zum Übernehmen in die Hausarbeit.

10 Die Arbeitslosigkeit ist bei vollständiger Konvergenz zwar bundesweit identisch, aber natürlich nicht gleich 0. Vielmehr ist u als „Über-Arbeitslosigkeit“ verglichen mit Westdeutschland zu verstehen.

11 Für die grafischen Auswertungen vgl. Funke/Strulik (2000), S. 380. Die Grafiken erfüllten nicht die Qualitätsanforderungen zum Übernehmen in die Hausarbeit.

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Details

Title
Konvergenz und Strukturwandel in Ostdeutschland
College
University of Hamburg  (Institut für Wirtschaftssysteme, Wirtschafts- und Theoriegeschichte)
Course
Seminar zum Thema "Das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung"
Grade
1,3
Author
Year
2007
Pages
30
Catalog Number
V111526
ISBN (eBook)
9783640095773
ISBN (Book)
9783640118519
File size
866 KB
Language
German
Keywords
Konvergenz, Strukturwandel, Ostdeutschland, Jahresgutachten, Sachverständigenrat;, Arbeitslosigkeit;, Arbeitsmarkt;, Zwei-Regionen-Modell;, Solow;, Solidarpakt;, Migration;, Aufholprozess;, Wachstum;
Quote paper
Achim Biesenbach (Author), 2007, Konvergenz und Strukturwandel in Ostdeutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111526

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