Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung - Ist die Einheit von Handels- und Steuerbilanz noch zeitgemäß?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

21 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Das Maßgeblichkeitsprinzip
2.1. Zur Entwicklung des Maßgeblichkeitsprinzips in Deutschland
2.2. Wirkungsweise des Maßgeblichkeitsprinzips
2.3. Maßgeblichkeitsprinzip als deutsches Spezifikum

3. Auswirkungen einer Internationalisierung der Rechnungslegung auf das Maßgeblichkeitsprinzip
3.1. Stand der Internationalisierung
3.2. Positionierung des Maßgeblichkeitsprinzips bei Internationalisierung der Rechnungslegung
3.2.1. Beibehaltung des Maßgeblichkeitsprinzips
3.2.2. Modifikation des Maßgeblichkeitsprinzips
3.2.3. Aufgabe des Maßgeblichkeitsprinzips
3.3. Mögliche Reformstrategie bei Aufgabe des Maßgeblichkeitsprinzips

4. Thesenförmige Zusammenfassung

Anhang

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Problemstellung

Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gehört seit mehr als 125 Jahren zu den zentralen Eckpfeilern des deutschen Bilanzrechts. Die Kritik an dieser Maßgeblichkeit ist jedoch über die Jahre nie ganz verstummt und wird gegenwärtig, angesichts der zunehmenden Kapitalmarktorientierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung, immer lauter.

Eine verstärkte Kapitalmarktorientierung der Rechnungslegung erfordert, dass nicht primär eine Ausrichtung auf die Ermittlung eines ausschütt- und besteuerbaren Gewinns, sondern an einer fairen Information des Kapitalmarktes im Vordergrund steht.[1] Dieser Ausrichtung werden heute insbesondere neben den International Accounting Standards (IAS) auch die US-amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) gerecht.[2] Dagegen stehen beim deutschen HGB-Abschluss Gewinnausschüttung und Steuerbemessung im Vordergrund. Seine Informationsfunktion bleibt weitgehend auf den Anhang beschränkt.[3]

Nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission sollen deshalb ab 2005 die IAS-Normen von börsennotierten Muttergesellschaften im Konzernabschluss verpflichtend angewandt werden. Für nicht börsennotierte Konzernunternehmen und auf der Ebene des Einzelabschlusses wird den nationalen Gesetzgebern ein Wahlrecht eingeräumt. Sie können die internationalen Vorschriften verpflichtend vorschreiben oder den bilanzierenden Unternehmen ein Wahlrecht einräumen.[4]

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob an dem deutschen Konzept der Maßgeblichkeit bei einer zunehmenden Kapitalmarktorientierung des Einzelabschlusses weiterhin festgehalten werden kann.[5] Ein Vordringen der internationalen Rechnungslegung in den deutschen Einzelabschluss wäre nämlich aufgrund der Maßgeblichkeit mit weit reichenden Konsequenzen für das Steuerrecht verbunden, da eine Orientierung an den IAS-Normen geradezu einen Paradigmenwechsel in der handelsrechtlichen Rechnungslegung bedeuten würde.

2. Das Maßgeblichkeitsprinzip

2.1. Zur Entwicklung des Maßgeblichkeitsprinzips in Deutschland

Als im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts eine systematische Besteuerung des unternehmerischen Gewinns eingeführt werden sollte, stellte sich den Verantwortlichen die Frage, an welcher Bemessungsgrundlage die Besteuerung ansetzen sollte. Aus Gründen der Vereinfachung der Steuererhebung und Objektivierung der Bemessungsgrundlage bot sich ein Rückgriff auf die bereits von Kaufleuten entwickelten handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) an. Die GoB galten als objektive und sichere Art der Gewinnermittlung. Die Objektivierung der Gewinnermittlung sollte einerseits sicherstellen, dass nicht der einzelne Steuerpflichtige nach Gutdünken seine Steuerschuld schätzt,[6] andererseits sollte so eine möglichst hohe Akzeptanz der damals noch jungen Einkommensteuer erreicht werden.[7] Mit dem Instrument der Maßgeblichkeit des handelsrechtlichen Gewinns für die Besteuerung hat also das Steuerbilanzrecht gewissermaßen auf dem Handelsbilanzrecht aufgebaut. Die Kaufleute blieben so vom Erstellen einer separaten Bilanz für steuerliche Zwecke verschont.[8]

Die ersten beiden Länder, die nach Inkrafttreten des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches (ADHGB) im Jahre 1861 bezüglich der Gewinnermittlung in ihren Einkommensteuergesetzen auf die handelsrechtliche Gewinnermittlung verwiesen, waren im Jahre 1874 Sachsen und Bremen, es folgte unter anderem Preußen 1891. Über die Einkommensteuergesetze des deutschen Reiches, in die das Maßgeblichkeitsprinzip 1920 übernommen wurde,[9] gelangte es in den derzeit geltenden § 5 Abs. 1 EStG.[10]

2.2. Wirkungsweise des Maßgeblichkeitsprinzips

Wenn vom Maßgeblichkeitsprinzip die Rede ist, begründet dies häufig die Vorstellung einer vollkommenen Übereinstimmung von Handels- und Steuerbilanz. Diese Vorstellung geht jedoch an der tatsächlichen Wirkungsweise des Maßgeblichkeitsprinzips vorbei.[11] In vielen Fällen enthält das heutige Steuerrecht Sondervorschriften, die für die Steuerbilanz den handelsrechtlichen Bestimmungen vorgehen, auch wenn diese nicht den GoB entsprechen.[12] Dadurch soll einerseits eine bilanzpolitische Beeinflussung der Steuerzahlungen vermieden werden, andererseits haben solche Sondervorschriften auch häufig wirtschaftspolitische Ziele. Ein Beispiel für eine solche Sondervorschrift ist das in § 5 Abs. 4 a EStG enthaltene steuerliche Verbot des Ansatzes der nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgeschriebenen Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften. Durch derartige Sondervorschriften kommt es zu zahlreichen Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips, gefestigte handelsrechtliche GoB werden steuerlich wirkungslos.

Steuerrechtliche Bestimmungen und Wertansätze können aber auch Eingang in die Handelsbilanz finden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Ansätze in der Steuerbilanz nur dann zulässig, wenn sie auch in der Handelsbilanz erscheinen. Dieser Einfluß des Steuerrechts auf die Handelsbilanz wird als umgekehrte Maßgeblichkeit bezeichnet. Die umgekehrte Maßgeblichkeit gründete sich zunächst primär auf Rechtsprechung, Verwaltungsanweisungen und gesetzliche Vorschriften zu einzelnen steuerlichen Sonderbewertungen, erfuhr 1989 jedoch durch das WoBauFG ihre generelle gesetzliche Verankerung. Durch die umgekehrte Maßgeblichkeit besteht insbesondere die Gefahr, dass Bilanzansätze, die den Zielen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses widersprechen, Eingang in die Handelsbilanz finden und diese verfälschen.[13] Viele bilanzierende Unternehmen geraten beispielsweise in ein Dilemma, wenn ihnen vom Steuergesetzgeber die Möglichkeit gewinnmindernder und damit steuergünstiger Bilanzansätze eingeräumt wird. Diese können nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie auch in der Handelsbilanz erscheinen. Anhand der Handelsbilanz unterrichtet sich jedoch auch die breite Öffentlichkeit über die Geschäftsentwicklung des Unternehmens. Die Geschäftsleitung strebt daher eine möglichst positive Darstellung der Ertrags- und Vermögenslage an, was in vielen Fällen dazu führt, dass die Steuervergünstigungen vom Unternehmen nicht genutzt werden können.[14] Die umgekehrte Maßgeblichkeit steht folglich in besonderem Maße der Kapitalmarktorientierung der deutschen Rechnungslegung im Wege.[15]

2.3. Maßgeblichkeitsprinzip als deutsches Spezifikum

Auch in anderen Ländern der Welt wird zum Zwecke der Besteuerung teilweise auf die handelsrechtliche Gewinnermittlung zurückgegriffen, „in ihrer Intensität, ihrer Rolle und der generellen Interdependenz zwischen Handels- und Steuerrecht stellt das Maßgeblichkeitsprinzip jedoch ein Spezifikum der deutschen Rechnungslegung dar.“[16] Das deutsche Maßgeblichkeitsprinzip steht somit in einer langen Tradition, hat sich aber heute völlig anderen Herausforderungen als zu Zeiten seiner Einführung zu stellen. So konnten Objektivierung und Vereinfachung durchaus befriedigend die Koppelung von Handels- und Steuerbilanz begründen, solange das Einkommen nur mäßig besteuert wurde. Bei der heute erheblichen Ertragssteuerbelastung der Unternehmen können alleine Objektivierung und Vereinfachung nicht als ausreichende Fundamente der Maßgeblichkeit angesehen werden.[17] Hier wird dann meist die historisch gewachsenen Funktion der externen Rechnungslegung in Deutschland angeführt, die im Gegensatz zu anderen Ländern (noch) stark durch den „Gläubigerschutz“-Gedanken geprägt ist, welcher sich im die Bilanzierung dominierenden Vorsichtsprinzip niederschlägt.[18] Aber auch dieser Argumentation wird zunehmend die Grundlage entzogen, wenn die IAS-Normen, bei denen die Informationsfunktion im Vordergrund steht, in Deutschland eine immer größere Bedeutung erlangen.

[...]


[1] Vgl. Busse von Colbe, Walther: Das Rechnungswesen im Dienste einer kapitalmarktorientierten Unternehmensführung, in: WPg, 48. Jg. (1995), S. 713-720, hier S. 714.

[2] Vgl. Busse von Colbe, Walther: Die deutsche Rechnungslegung vor einem Paradigmawechsel, in: ZfbF, 54. Jg. (2002), S. 159-172, hier S. 160.

[3] Vgl. Peemöller, Volker H./Spanier, Günter/Weller, Heino: Internationalisierung der externen Rechnungslegung: Auswirkungen auf nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, in: BB, 57. Jg. (2002), S. 1799-1803, hier S. 1801-1802.

[4] Vgl. Buchholz, Rainer/Weis, Regina: Maßgeblichkeitsprinzip ade? Zur inhaltlichen Vereinbarkeit der Gewinnermittlung nach IAS und EStG (Teil I), in: DStR, 40. Jg. (2002), S. 512-517, hier S. 512.

[5] Vgl. Herzig, Norbert: Notwendigkeit und Umsetzungsmöglichkeiten eines gespaltenen Rechnungslegungsrechts (Handels- und Steuerbilanz), in: KoR, 1. Jg. (2001), S. 154-159, hier S. 154.

[6] Vgl. Selchert, Wilhelm Friedrich: Internationalisierung der Rechnungslegung und Maßgeblichkeitsprinzip, in: Unternehmenspolitik und internationale Besteuerung, Festschrift für Lutz Fischer zum 60. Geburtstag, herausgegeben von Kleinedam 1999, S. 913-933, hier S. 917-919.

[7] Vgl . Weber-Grellet, Heinrich: Der Maßgeblichkeitsgrundsatz im Lichte aktueller Entwicklungen, in: BB, 54. Jg. (1999), S. 2659-2666, hier S. 2659.

[8] Vgl. Selchert, Wilhelm Friedrich: Internationalisierung, a.a.O., S. 917-919.

[9] Vgl. Haller, Axel: Das Maßgeblichkeitsprinzip und seine Effekte (I und II), in: WISU (1992), S. 46-49 und S. 112-116, hier S. 46.

[10] Vgl. hierzu den Gesetzestext Anhang 1.

[11] Vgl. Selchert, Wilhelm Friedrich: Internationalisierung, a.a.O., S. 920-921.

[12] Vgl. Henscheid, Matthias: Die Umkehrung des Maßgeblichkeitsprinzips, in: BB 47. Jg. (1992), S. 98-105, hier S. 100.

[13] Vgl. ebd., S. 101.

[14] Vgl. Merkert, Hubert/Koths, Daniel: Verfassungsrechtlich gebotene Entkoppelung von Handels- und Steuerbilanz, in: BB 40. Jg. (1985), S. 1765-1768, hier S. 1765.

[15] Eine zusammenfassende Übersicht über die Wirkungsweise des Maßgeblichkeitsprinzips befindet sich im Anhang 2.

[16] Haller, Axel: Das Maßgeblichkeitsprinzip, a.a.O., S. 46.

[17] Vgl. Euler, Roland: Steuerbilanzielle Konsequenzen der internationalisierten Rechnungslegung, in: StuW, 75. (28.) Jg. (1998), S. 15-24, hier S. 15.

[18] Vgl. Haller, Axel: Das Maßgeblichkeitsprinzip, a.a.O., S. 48.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung - Ist die Einheit von Handels- und Steuerbilanz noch zeitgemäß?
Université
Johannes Gutenberg University Mainz  (Lehrstuhl für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung)
Cours
Seminar Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung
Note
1,0
Auteur
Année
2002
Pages
21
N° de catalogue
V11179
ISBN (ebook)
9783638174077
Taille d'un fichier
571 KB
Langue
allemand
Mots clés
Kapitalmarktorientierte, Rechnungslegung, Einheit, Handels-, Steuerbilanz, Seminar, Rechnungslegung, Wirtschaftsprüfung
Citation du texte
Christoph Maaß (Auteur), 2002, Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung - Ist die Einheit von Handels- und Steuerbilanz noch zeitgemäß?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11179

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