Theater auf Abruf. Charakteristika, Herausforderungen und Chancen von Theaterinszenierung als Video-on-Demand


Hausarbeit, 2021

18 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Video-on-Demand (VoD)

3. Theaterinszenierungen als VoD

4. Entwicklung von VoD-Theaterinszenierungen in Deutschland

5. Beispielhafte VoD-Theaterangebote
5.1. Plattformen
5.2. Theaterhäuser

6. Herausforderungen und Chancen

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Eine traditionelle Theateraufführung ist grundlegend durch die gleichzeitige physische Anwesenheit von Zuschauern und Darstellern an einem konkreten Ort zu einer festgelegten Zeit gekennzeichnet. Mit dem Aufkommen von neuen digitalen Medien können diese wesentlichen Bedingungen der Orts- und Zeitgebundenheit von Theatervorstellungen hingegen aufgehoben werden (vgl. Fischer-Lichte 1999: 414). Eines dieser Digitalmedien ist das Video-on-Demand (VoD). Diese spezifische Form des Streamings, bei dem Videos online abgerufen werden können, hat in den vergangenen Jahren stetig an Popularität zugenommen. Zusätzlich wurde die wachsende Entwicklung insbesondere durch die COVID-19-Pandemie seit dem Frühjahr 2020 in Deutschland stark beschleunigt (vgl. Büchel, Rusche 2020: 2). Es wird prognostiziert, dass der Trend der steigende Zuschauernachfrage nach VoD-Angeboten auch zukünftig anhält (vgl. ebd.: 18). Das Anbieten von Vorstellungen als Video-on-Demand ist im Hinblick des gegenwärtigen Digitalisierungstrends und der kulturellen Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie auch von besonderer Relevanz für deutsche Theaterhäuser. „Ich streame, also bin ich“ (Wildermann 2020) – dieser Ansatz wurde während des ersten deutschlandweiten Lockdowns zum Leitmotiv vieler Theaterhäuser.

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Phänomen der Theaterinszenierungen als Video-on-Demand in Deutschland auseinander. Unterschiedliche Fragestellungen sollen dabei betrachtet werden:

- Welche Charakteristika ergeben sich für VoD-Theaterinszenierungen und inwiefern unterscheiden sich abrufbare Theatervideos von traditionellen Theateraufführungen?
- Auf welche Art und Weise werden VoD-Theatervorstellungen in Deutschland angeboten?
- Welche Herausforderungen und Chancen werden in Bezug auf Theaterinszenierungen als VoD angebracht?

Bisherige Untersuchungen zu digitalen Theaterformaten beziehen sich überwiegend auf allgemeine videobasierte Aufnahmen von Theatervorstellungen, die unter anderem für Aufführungsanalysen relevant sind (u.a. Fischer-Lichte 1999; Kotte 2012; Weiler, Roselt 2017). Abrufbare digitale Videos von Theatervorstellungen werden dabei nicht explizit behandelt. Auf Grund der Aktualität und Dynamik des zu Grunde liegenden Themas basieren demgemäß die konkreten Überlegungen zu VoD-Theaterinszenierungen in dieser Arbeit überwiegend auf deskriptiven Online-Artikeln aus diesem Bereich sowie digitalen Eigenveröffentlichungen der Theaterhäuser und VoD-Plattformen.

Die Ausarbeit ist in insgesamt sechs Abschnitte unterteilt. Der erste Teil widmet sich der grundlegenden terminologischen Klärung von Video-on-Demand. Daran anknüpfend werden im zweiten Teil Charakteristika von VoD-Theaterinszenierungen aufgezeigt und mit traditionellen analogen Theatervorstellungen in Vergleich gesetzt. Weiterführend wird im dritten Abschnitt ein Überblick über die rezente Entwicklung des VoD-Theaterangebots in Deutschland gegeben. Der Fokus liegt dabei auf der gegenwärtigen Entwicklung unter der COVID-19-Pandemie. Im vierten Teil wird an ausgewählten Praxisbeispielen dargestellt, in welcher Art und Weise digitale Plattformen und einzelne Theaterhäuser VoD-Angebote in Deutschland realisieren. Anknüpfend an die vorherigen Teile werden im fünften Abschnitt der Ausarbeitung gegenwärtig diskutierte Herausforderungen und Chancen der abrufbaren Theatervideos aufgezeigt. Ein Fazit mit weiterführenden und offen gebliebenen Fragestellungen schließt die Arbeit.

2. Video-on-Demand (VoD)

Der Begriff Video-on-Demand (VoD) umfasst „alle Verfahren, digitales Videomaterial auf Anfrage von einem Internetanbieter oder ‑dienst im Download-Verfahren herunterzuladen oder über einen Video‑Stream direkt mit einer geeigneten Software anzusehen“ (Meyer 2016). Wird ein VoD im Stream-Verfahren betrachtet, erfolgt der Download und die Wiedergabe der Videodaten simultan. Bei sogenannten True-Video-on-Demand ist das Abrufvideo jederzeit abspielbar. Beim Near-Video-on-Demand ist ein eine konkrete Zeitspanne vorgegeben, in der die Videowiedergabe beginnt. Wird das VoD hingegen im Download-Abrufverfahren verwendet, kann das Abrufvideo erst abgespielt werden, wenn der Zuschauer die Daten vollständig heruntergeladen hat (vgl. ebd.).

Abrufvideo-Angebote können grundlegend in drei unterschiedliche Modelle unterteilt werden. Neben kostenfreie VoD-Angebote kann dabei vor allem zwischen webefinanzierten und kostenpflichtigen VoD-Modellen unterschieden werden. Bei werbefinanzierten abrufbaren Videos handelt es sich unter anderem um von Privatpersonen veröffentlichte Kurzvideos oder um Videos, die über VoD-Plattformen durch vor- oder zwischengeschaltete Werbung finanziert werden. Das kostenpflichtige VoD-Modell kann ferner in vier Unterkategorien unterschieden werden. Bei dem Subscription-Video-on-Demand (SVoD) erwirbt der Zuschauer ein Abonnement für eine regelmäßige Gebühr, um Zugang zu den abrufbaren Videos zu erhalten. Bei dem Transactional-Video-on-Demand (TVoD) tätigt der Zuschauer eine Einmalzahlung für das Ausleihen eines VoD-Einzelangebotes. Als downloadbare Version erworben wird das abrufbare Video von dem Zuschauer hingegen lediglich beim Electronic-Sell-Through (EST). Eine Sonderform stellen in Deutschland darüber hinaus die VoD-Angebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten dar, die durch Rundfunkbeiträge finanziert sind. Abrufvideos stehen hierbei in den eigenen digitalen Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen zur Verfügung. Es gilt zu betonen, dass VoD-Angebote nicht auf ein Modell begrenzt sein müssen und stets auch Hybridformen zwischen kostenfreien, werbefinanzierten und gebührenpflichtige Finanzierungen möglich sind (vgl. Büchel, Rusche 2020: 5ff).

3. Theaterinszenierungen als VoD

Bei einer VoD-Theaterinszenierung handelt es sich um die digitale Aufzeichnung und videobasierten Wiedergabe einer traditionellen analogen Theaterproduktion (vgl. Kotte 2012: 259). VoD-Theatervorstellung sind dabei indes durch wesentliche Unterschiede zum traditionellen Analogtheater charakterisiert. So ist beim traditionellen Theater die Anwesenheit der Schauspieler sowie deren Interaktion und Körperlichkeit zentral. Im Vergleich dazu können in Videoaufzeichnungen von Theaterinszenierungen ausschließlich digitale Abbilder dieser Körperlichkeit wiedergegeben werden. Entsprechend handelt es sich bei VoD-Theatervorstellungen auch nicht mehr um szenische Abläufe, sondern um mediale Abfolgen (vgl. ebd.). Die physische Ko-Präsenz von Schauspielern und Zuschauern, die das traditionelle Theater grundlegend kennzeichnet (vgl. Weiler, Roselt 2017: 19), ist beim VoD-Theaterstreaming aufgelöst. Als Konsequenz ist eine Interaktion zwischen Publikum und Darstellen bei Aufzeichnungen von Theatervorstellungen nicht möglich. Es können ausschließlich Reaktionen, wie Applaus oder Störungen, von dem VoD-Theaterzuschauern beobachtet werden, die bei zu Grunde liegenden Analogvorstellung aufgetreten sind (vgl. Kotte 2012: 259). Von besonderer Bedeutung im traditionellen Theater ist es, dass Produktion und Wahrnehmung stets simultan stattfinden (vgl. Fischer-Lichte 1999: 415). Eine analoge Theaterinszenierung ist somit ein kontinuierlicher „Prozess einer face-to-face-Interaktion zwischen Darstellern und Zuschauern“ (ebd.). So können auch nur anwesende Zuschauer im traditionellen Theater in das Geschehen eingreifen und dieses verändern. Analoge Theaterinszenierungen sind somit durch eine „Direktheit und Unmittelbarkeit der Interaktion“ (Kotte 2012: 259) charakterisiert, die in abrufbaren Videovorstellungen nicht ermöglicht werden kann.

Die Eigenschaft der traditionellen Theaterinszenierungen, dass durch diese Unmittelbarkeit etwas Unvorhergesehenes und Ungeplantes während einer Vorstellung vorfallen kann, führt zu einer spezifischen Präsenzerfahrung vor Ort, die in medialen Abrufvideos in dieser Art und Weise nicht gegeben ist (vgl. ebd.). Dieses Phänomen von risikobehafteten und unkontrollierbaren theatralen Vorgängen stellt somit ausschließlichen ein zentrales Merkmal von traditionellen Theaterinszenierungen dar (vgl. Weiler, Roselt 2017: 18). Der Zuschauer ist beim VoD-Theater nicht in der Rolle eines partizipatorischen Zuschauers, sondern in der Rolle eines handlungsunfähigen Betrachters (vgl. Kotte 2012: 259).

Relevant ist darüber hinaus, dass der Zuschauer bei traditionellen analogen Theateraufführungen seine Perspektive und Verweildauer auf einem bestimmten Blickpunkt eigenständig wählen kann (vgl. Fischer-Lichte 1999: 415). Folglich führt dieser selektive Blick auch dazu, dass immer nur bestimmte Perspektiven gesehen und anderen wiederum ausgelassen werden (vgl. ebd.: 418). Bedeutsam für das traditionelle Theater ist es also, dass „in diesem Sinn jeder Zuschauer immer schon seine eigene Aufführung her[stellt]“ (ebd.). Diese Möglichkeit ist in VoD-Theaterinszenierungen nicht gegeben, da die Perspektive oder Verweildauer durch filmische Aufbereitung nicht eigenständig wählbar sind.

Digital aufgezeichnete Theatervorstellungen können folglich immer nur eine digitale Reproduktion einer traditionellen Theaterinszenierung darstellen. Eine Kommunikation findet bei gefilmten Vorstellungen demgemäß auch nur linear vom Produzenten zum Rezipienten statt. Eine wechselseitige Kommunikation und Interaktion zwischen Schauspielern und Zuschauern, wie sie in analogen Präsenzvorstellungen vorliegt, ist hingegen unmöglich (vgl. ebd.: 415).

Die wesentliche Besonderheit von traditionellen Theaterinszenierungen liegt ferner in der Einmaligkeit des Erlebnisses durch die individuellen Interaktionen und Interpretationen. Jedes analoge Theaterstück ist durch diese Tatsache einzigartig, temporär begrenzt und nicht wiederholbar (vgl. Kotte 2012: 259). Diese Einmaligkeit des analogen Theatererlebnisses bedeutet also, dass „eine Aufführung […] nur für eine bestimmte Zeit [existiert], dann gibt es sie nicht mehr. Sie existiert nur, während sie sich ereignet“ (Weiler, Roselt 2017: 17). Dieser Unwiederbringlichkeit einer Theateraufführung wird ein zentraler Wert zugeschrieben. Die Theaterproduktion und Rezeption des Zuschauers laufen im traditionellen Theater stets zeitlich simultan ab. Mit der Einmaligkeit traditioneller Theaterinszenierungen geht gleichzeitig auch eine Raumgebundenheit einher. Diese konkrete räumliche Gebundenheit und der zeitliche simultane Verlauf werden bei videobasierten Aufzeichnungen von Theatervorstellungen aufgehoben. Aufführungen können infolgedessen erneut und ortsungebunden wiedergegeben werden. Die Einmaligkeit des Erlebnisses wird entsprechend bei VoD-Theateraufführungen durch eine Wiederholbarkeit ersetzt (vgl. Kotte 2012: 259).

Überdies verändert sich bei digitalen VoD-Vorstellungen das analog vorherrschende Raumerlebnis von Theaterstücken. So spielt beim Erfahren des Theaterraumes in traditionellen Vorstellungen nicht nur die visuelle Wahrnehmung eine Rolle, sondern insbesondere auch kommunikative und partizipatorische Prozesse (vgl. Balme 2014: 151). In abrufbaren Theatervideos ist das Erlebnis hingegen auf die visuelle und akustische Wahrnehmung begrenzt. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Raumkategorien, können VoD-Theatervorstellungen somit nur eingeschränkte dokumentierende Abbilder des theatralen und szenischen Raums wiedergeben (vgl. ebd.: 152). Dementgegen verändert und erweitert sich durch abrufbare digitale Theaterinszenierung der ortsspezifische Raum der Vorstellung. Diese Raumkategorie ist gekennzeichnet durch „die Einbettung des Theaterraums in den umgebenden kulturellen Lebensraum der Zuschauer“ (Balme 2014: 152). In VoD-Theaterstücken ist der Aufführungsort von einem konkreten physischen Ort losgelöst und der Zuschauer kann unabhängig von einem vorgegebenen ortsspezifischen Raum die Vorstellung wahrnehmen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Theater auf Abruf. Charakteristika, Herausforderungen und Chancen von Theaterinszenierung als Video-on-Demand
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,0
Jahr
2021
Seiten
18
Katalognummer
V1118920
ISBN (eBook)
9783346480583
ISBN (Buch)
9783346480590
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theater, digitales Theater, VoD, Streaming, Theater-Streaming, Theaterwissenschaft, Stream, Video-on-Demand, Live-Streaming, COVID-19, Digitalisierung, videobasiertes Theater, Video, Plattform, Abrufvideo, SVoD, TVoD, Subscription-Video-on-Demand, Transactional-Video-on-Demand, Electronic-Sell-Through, Theatervorstellung, Theaterinszenierung, digitale Aufzeichnung
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Theater auf Abruf. Charakteristika, Herausforderungen und Chancen von Theaterinszenierung als Video-on-Demand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1118920

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