Factor-Investing. Die Attraktivität von Equity Smart Beta-Produkten aus Anlegersicht


Tesis (Bachelor), 2021

65 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abstract

1.Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Struktur der Arbeit

2. Factor- Investing
2.1 Definitionen Faktor und Faktorprämie
2.2 Ein-Faktor-Modell (CAPM)
2.3 Effizienzmarkthypothese (EMH)
2.4 Fundamentale und technische Faktoren

3. Ausgewählte Faktoren und deren Erklärungsansätze
3.1 Value
3.2 Size
3.3 Quality
3.4 Momentum
3.5 Low Volatility
3.6 High Dividend Yield
3.7 Zusammenfassende Gegenüberstellung

4. Konzeption von Smart-Beta Produkten
4.1 Traditionelle passive Investments
4.2 Smart Beta als aktives oder passives Investment?
4.3 Konstruktionen von Smart Beta-ETFs
4.4 Multifaktorprodukte

5. Analysen ausgewählter Faktoren und Smart Beta-ETFs
5.1 Betrachtung einzelner Faktoren
5.1.1 Analyse des Size-Faktors
5.1.2 Analyse des Momentum-Faktors
5.1.3 Analyse des Value-Faktors
5.1.4 Analyse des Low Volatility-Faktors
5.1.5 Analyse des Quality-Faktors
5.2 Betrachtung von Smart Beta-ETFs

6. Portfoliomanagement mit Smart Beta-Produkten
6.1 Relevanz des Portfoliomanagements mit Smart Beta-Produkten
6.2 Timing von Einzelfaktorstrategien
6.3 Diversifikationspotenzial von Einzelfaktorstrategien

7. Conclusio

Literaturverzeichnis

Gender Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Faktor Investing: Erklärung eines hohen Anteils der aktiven Rendite durch Faktorprämien

Abbildung 2: Schwerpunktmäßige Erklärungsansätze für langfristige Faktorprämien

Abbildung 3: Übersicht über die behandelten Faktoren

Abbildung 4: Kumulierte Performance des Standard Momentum-Faktors in sechs Regionen, November 1990 – Juni 2016

Abbildung 5: Kumulierte Index Performance des MSCI World Value Index – Bruttorendite (USD), Feb 2006 – Feb 2021

Abbildung 6: Kumulierte Index Performance des MSCI World Growth Index – Bruttorendite (USD), Feb 2006 – Feb 2021

Abbildung 7: Rendite zehnjähriger Treasuries und relative Performance des MSCI World Minimum Volatility-Index zum MSCI World, Wochenwerte

Abbildung 8: Faktor-Performance über mehrere Jahrzehnte

Abbildung 9: Korrelationen der monatlichen Überschussrenditen: 2002-2016

Abbildung 10: Korrelationen der monatlichen absoluten Renditen: 2002-2016

Abkürzungsverzeichnis

EMH Effizienzmarkthypothese

ETF Exchange Traded Fund

CAPM Capital Asset Pricing Modell

KBV Kurs-Buchwert- Verhältnis

KGV Kurs-Gewinn- Verhältnis

NYSE New York Stock Exchange

Abstract

Das Hauptziel der vorliegenden Bachelor-Thesis ist es der Frage nachzugehen, ob Smart Beta-Produkte im Aktienbereich einen Mehrwert für den Anleger bieten. Eine wachsende Zahl von Anbietern, sowie stark steigende Anlagevolumina lassen diese Frage in den letzten Jahren vermehrt aufkommen. Zur Unterstützung der Forschungsfrage werden auch die Fragen nach dem Erfolg einzelner Faktorstrategien, sowie der Anwendungsmöglichkeiten im Portfoliomanagement gestellt. Dazu wurden in Rahmen einer Literaturrecherche Studien aus Wissenschaft und Praxis herangezogen. Zum einen wurden die Ergebnisse aus den ursprünglichen Studien kurz vorgestellt, die zur Entdeckung der bekannten Faktoren (Size, Momentum, Low Volatility, Value und Quality) geführt haben. Zum anderen werden aktuelle Studien und deren Ergebnisse betrachtet, die in vielen Fällen abweichende oder neue Resultate zeigen. Weiterhin wurde die Übersetzung der Kapitalmarktforschung in die investierbaren Produkte analysiert und der Mehrwert gegenüber der Benchmark nach Kosten bewertet.

Die Analyse der verschiedenen Quellen führte zu dem Ergebnis, dass alle der untersuchten Einzelfaktorstrategien über einen langen Zeitraum einen Mehrwert zur Benchmark zu liefern scheinen. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass es für einen Anleger nicht sinnvoll ist, lediglich eine Faktor-Strategie stetig zu verfolgen. Jeder der untersuchten Faktoren weist Schwächephasen auf, die viele Jahre andauern können, sowie zeitweise hohe Risiken. Die Ergebnisse legen nahe, dass der größte Mehrwert von Faktor-Investing für den Anleger im Portfoliomanagement liegen könnte. Vieles deutet darauf hin, dass ein erfolgreiches Timing von Faktoren schwierig umzusetzen ist und der größere Mehrwert in der Streuung über mehrere Faktoren gleichzeitig liegt. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass Faktoren, ähnlich den Einzelaktien, Trendphasen unterliegen. Da außerdem für fast alle Faktoren Erklärungsansätze aus der Behavioral Finance existieren, scheint es wichtig zu sein, das Trendverhalten von Faktoren bei der Investitionsentscheidung zu berücksichtigen. Die vielen verschiedenen Arten der Indexkonstruktion und damit des Smart Beta-Produkts führen jedoch dazu, dass eindeutige Aussagen über den Mehrwert der Produkte nicht möglich sind. Dem Anleger wird empfohlen sich intensiv mit dem Smart Beta-Produkt und damit auch mit dem zugrundeliegenden Index zu beschäftigen. Die unterschiedlichen Konstruktionen weisen verschiedene Vor- und Nachteile auf und sollten zu den individuellen Anlagezielen passen. Insgesamt stellen Faktor-Strategien in Form von Smart Beta-Produkten jedoch ein interessantes Anlagevehikel dar und haben ihre Berechtigung, insbesondere im Portfoliomanagement.

1.Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Die klassische Portfoliotheorie, die in den 1950er Jahren entstanden ist, befasst sich insbesondere mit dem Verhältnis zwischen dem Risiko und der zu erwartenden Rendite eines oder mehrerer Wertpapiere. Im Laufe der Jahre entstanden viele weitere Theorien, die sich mit verschiedenen Erklärungsansätzen beschäftigten, woher die Rendite, definiert als der effektive Ertrag einer Anlage, resultiert und wie sie sich optimieren lässt. Unter anderem entwickelte Eugene Fama mit seiner Effizienzmarkthypothese (EMH) 1970 ein Modell, welches implizierte, dass der Markt hinsichtlich der zu erwartenden Rendite auf Dauer nicht übertroffen werden kann.1 Demnach würde ein aktives Management, z.B. über einen Investmentfonds, gegenüber einem passiven Investment in den Markt keinen Mehrwert liefern. Aus diesen Überlegungen ging 1970 der erste Exchange Traded Fund (ETF) hervor,2 der es Anlegern erstmals ermöglichte, ohne das Zutun eines Managers von den Entwicklungen des zugrundeliegenden Index, also des Markts, zu profitieren.

Damit begann die Entwicklung des ETF-Markts, dessen Volumen von Jahr zu Jahr stieg und im Jahr 2019 ein weltweit verwaltetes Vermögen von 6.181 Mrd. USD erreichte.3 Es entstanden jedoch in den 1990er Jahren neue Theorien und Methoden (insbesondere das Dreifaktormodell, welches im weiteren Verlauf noch dargestellt wird), um die zu erwartenden Renditen weiter zu optimieren. Die Suche nach sogenannten Faktoren begann, die eine höhere Rendite oder ein geringeres Risiko liefern sollen und damit eine Outperformance gegenüber dem Markt. Auf der Grundlage vieler wissenschaftlicher Untersuchungen und Abhandlungen entstanden neue Finanzprodukte, in der Regel in Form von ETFs, die diese Faktoren abbilden und für einen Anleger systematisch investierbar machen sollen. Diese Finanzprodukte erscheinen heutzutage häufig unter dem Namen Smart Beta-Produkte.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit den bekanntesten Faktoren und Produkten am Aktienmarkt, in die Anleger ihr Geld investieren können. Auf der einen Seite soll diese Arbeit dem Anleger einen Überblick über die bekanntesten Faktoren am Aktienmarkt geben und voneinander abzugrenzen. Die erste Forschungsfrage lautet also: Welche Arten von Faktoren wurden am Aktienmarkt entdeckt beziehungsweise untersucht und wie können diese voneinander abgegrenzt werden? Auf der anderen Seite sollen diese Strategien aber auch hinsichtlich ihres Mehrwertes für den Anleger hinterfragt werden. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl an Produkten in diesem Segment gewachsen. Deshalb beschäftigt sich diese Arbeit auch mit der Forschungsfrage: Können Anleger grundsätzlich einen Mehrwert aus den bekanntesten Faktoren am Aktienmarkt durch Investitionen in Smart Beta-Strategien erwarten? Dazu muss auch die Frage nach den zugrundeliegenden Risiken und Chancen der einzelnen Faktoren und Smart Beta-Produkte beantwortet werden: Welche Produkte und/oder Faktoren schneiden im Vergleich besonders gut oder schlecht ab? Neben der Betrachtung einzelner Produkte und Faktoren ist dabei aber auch das Portfoliomanagement zu berücksichtigen. Deswegen wird sich diese Arbeit außerdem mit der Frage beschäftigen: Wie gut lassen sich mehrere Strategien in Bezug auf das Timing und/oder die Risikostreuung miteinander kombinieren? Ziel dieser Arbeit ist es, den aktuellen Stand aus Wissenschaft und Praxis zu den vier gestellten Forschungsfragen darzustellen, eine eigene Bewertung daraus abzuleiten und die Attraktivität dieser Produkte für den Anleger zu herauszuarbeiten.

1.2 Struktur der Arbeit

Zur Beantwortung der gestellten Forschungsfragen folgt der Aufbau dieser Arbeit folgender Logik. Zunächst werden in den Kapiteln 2 und 3 die theoretischen Grundlagen des Faktor- Investings vermittelt. Neben einer Definition des Begriffs Faktor wird außerdem beschrieben, welche Anforderungen an einen erfolgreichen Faktor gestellt werden sollten. Zum besseren Verständnis wird die historische Entwicklung der Idee des Faktor-Investings dargestellt. Dazu werden die wichtigsten zugrundeliegenden Modelle kurz erläutert und die daraus entstandenen Faktoren klassifiziert. Darauf folgt eine Erläuterung der relevantesten Faktoren am Aktienmarkt, sowie eine zusammenfassende Gegenüberstellung, um dem Anleger einen Überblick über den sogenannten Faktor-Zoo zu geben. Dieser Begriff beschreibt die mittlerweile große Anzahl der am Kapitalmarkt entdeckten Faktoren und wurde durch Rob Arnott geprägt.4 In dieser Untersuchung werden diejenigen Faktoren behandelt, welche in der Literatur prominent behandelt worden sind, am Markt als etabliert gelten und damit einen starken Bezug zur Praxis aufweisen.

Als Nächstes wird in Kapitel 4 der Bezug zur Praxis hergestellt, indem eine Übersicht über die konkreten Produktlösungen gegeben wird. Es wird erklärt, wie die Finanzindustrie die theoretischen Ansätze in Produkte für den Anleger umsetzt. Hier sollen bereits Aspekte aufgezeigt werden, die ein Anleger bei der Produktauswahl berücksichtigen sollte. Damit wird ein Übergang hin zu Kapitel 5 geschaffen, wo ausgewählte Faktoren und auf ihnen basierende Produkte hinsichtlich ihres Mehrwertes für den Anleger diskutiert werden. Dazu gehört ebenfalls eine Berücksichtigung der Kosten. Insgesamt soll dabei der aktuelle Stand der Kapitalmarktforschung und praktischen Umsetzung herangezogen werden. Nach dieser Betrachtung einzelner Anlagen erfolgt im Kapitel 6 eine Berücksichtigung dieser Faktoren im Portfoliomanagement. Dabei geht es vornehmlich um die Frage nach dem Erfolg von Timing-Strategien und den möglichen Mehrwert einer der Diversifikation über mehrere Einzelfaktorstrategien.

Abschließend erfolgt eine Schlussfolgerung auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse, sowie die Beantwortung der oben gestellten Forschungsfragen.

2. Factor- Investing

Ang, Goetzmann und Schaefer bekamen den Auftrag eine quantitative und qualitative Beurteilung des norwegischen Pensionsfonds zu erstellen und präsentierten ihre Ergebnisse im Dezember 2009.5 Der norwegische Staatsfonds ist weltweit der größte Staatsfonds mit einem verwalteten Vermögen von 1.122,11 Milliarden USD per Januar 20206 und hat seit 1998 eine höhere durchschnittliche Rendite erzielt als der DAX 30: 6,1 % p.a. im Vergleich zu 5,6 % p.a. bei gleichzeitig niedrigerer Volatilität7. Ang, Goetzmann und Schaefer fanden bei ihrer Untersuchung heraus, dass der größte Teil der Performance daraus resultierte, dass systematisch sogenannte Faktorrisiken eingegangen worden sind und sie empfahlen dem Staatsfonds sich auch in Zukunft auf die Vereinnahmung von Prämien für solche Risiken zu konzentrieren.8 Mittlerweile wurden hunderte Faktoren identifiziert, die angeblich die Rendite einer Aktienanlage beeinflussen sollen. In ihrer Studie „A Census oft the Factor Zoo“ haben Harvey und Liu (2019) eine Zählung vorgenommen und kamen auf über 400 verschiedene Faktoren.9

Insbesondere die oben genannte Arbeit von Ang, Goetzmann und Schaefer hat dem Markt für Faktor-Investing zu einem Durchbruch verholfen. Die Schätzungen bezüglich des Anlagevolumens in sogenannten Faktorstrategien unterscheiden sich je nach Quelle, bewegen sich aber Stand 2018 zwischen ein und zwei Billionen USD weltweit.10 Diese Größen zeigen, dass dem Thema mittlerweile eine große Bedeutung zukommt und die wissenschaftlichen Überlegungen, welche später behandelt werden, längst in der Praxis angekommen sind.

Im Folgenden Abschnitt beschäftigt sich diese Arbeit mit der Frage mit der Definition eines Faktors und es wird erklärt woraus seine renditeoptimierende Wirkung resultieren soll.

2.1 Definitionen Faktor und Faktorprämie

In der Mathematik ist ein Faktor eine Größe, mit der andere Größen multipliziert werden.11 Im Kontext der Finanzwissenschaften werden unter Faktoren allgemein alle Werttreiber für Wertpapiere verstanden.12 In dieser Arbeit werden ausschließlich die Werttreiber für die Entwicklung von Aktien betrachtet. Die Arbeit beschäftigt sich insbesondere mit den fünf Stilfaktoren, die vor allem als langfristige Werttreiber für Aktien identifiziert und in den letzten Jahren in vielen Untersuchungen behandelt worden sind13: Minimum Volatility oder Low Beta (geringe Schwankungsbreite der Aktien), Momentum (positive Kursdynamik), Quality (hohe Unternehmensqualität), Size (geringe Unternehmensgröße) und Value (niedrige Unternehmensbewertung). Zu allen diesen Faktoren existieren Erklärungen und Untersuchungen, die eine Outperformance gegenüber dem Markt zeigen und begründen sollen. Der Markt wird hier als eine nach Marktkapitalisierung gewichtete Benchmark definiert. Für Untersuchungen in Deutschland wäre das beispielsweise der DAX 30, bestehend aus den 30 größten deutschen Unternehmen, gemessen und gewichtet anhand ihrer Marktkapitalisierung14. Eine Faktor-Strategie entstünde, wenn dieser Index nach einer neuen Methodik anhand eines spezifischen Faktors neu zusammengesetzt werden würde, z.B. durch eine höhere Gewichtung der als günstig bewerteten Unternehmen (Value-Faktor) oder der kleineren Unternehmen (Size-Faktor). Diese Strategien wurden ursprünglich als alternative Beta-Strategien bezeichnet, woraus dann über die Zeit der Begriff Smart- Beta Strategie entstanden ist.15 Diese Formulierung soll deutlich machen, dass es sich um einen intelligenteren und fortschrittlicheren Ansatz handelt. Der Begriff Beta entstand mit der modernen Portfoliotheorie und wird im nächsten Kapitel erläutert.

Eine aus diesen Strategien resultierende Outperformance gegenüber einer Benchmark wird als Faktorprämie bezeichnet. Die Faktorprämie beschreibt also den Teil der Rendite, der ausschließlich durch die neue Zusammensetzung beziehungsweise neue Gewichtung der einzelnen Aktien entstanden ist. Die Idee dahinter ist, dass der Anleger über die Faktorprämie entweder für ein besonderes eingegangenes Risiko (Faktorrisiko) entschädigt wird oder die Überrendite durch eine Verhaltensanomalie am Kapitalmarkt entsteht (Behavioral Finance oder Verhaltensökonomie).16

Welche Anforderungen an einen erfolgreichen Faktor gestellt werden sollten, wurde in der Literatur bereits häufig diskutiert. Nachfolgend werden Definitionen aus drei Ansätzen aufgezeigt, die in Kombination die Definition für diese Arbeit ergeben.

Zunächst empfehlen Ang, Goetzmann und Schaefer folgende Eigenschaften für Faktoren:17

- Der Faktor ist legitimiert und begründet durch die akademische Forschung.
- Der Faktor weist in der Vergangenheit signifikante Prämien auf, von denen erwartet wird, dass sie auch in Zukunft beibehalten werden.
- In den analysierten Zeitreihen sollten Krisen am Kapitalmarkt beinhaltet sein.
- Der Faktor muss mit liquiden und handelbaren Instrumenten implementierbar sein.

Neben der bereits genannten theoretischen Begründbarkeit von Faktoren fordert Guy Miller eine möglichst starke zeitliche Stabilität der Faktoren, sowie eine Anwendbarkeit auf mehrere Teilmärkte.18 Die zeitliche Stabilität ist dabei besonders wichtig, um die Ergebnisse mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die Zukunft extrapolieren zu können. Die Betrachtung mehrerer Teilmärkte bezieht sich hier insbesondere auf die global wichtigsten Teilmärkte: USA, Europa und Emerging Markets (Schwellenländer). Ein erfolgreicher und fundierter Faktor sollte nicht nur in einem dieser Märkte beobachtbar sein.

Die Investmentgesellschaft Robeco fasst mit ihren Anforderungen an einen relevanten Faktor die oben angeführten Anforderungen nochmal zusammen. Faktoren sollten:19

1. Lukrativ sein (ausgeprägte und überlegene risikobereinigte Renditen)
2. Nachgewiesen sein (Versuchen der Falsifikation durch die Forschung widerstanden haben)
3. Stabil sein (stabil im Zeitablauf und auf unterschiedlichen Märkten beobachtbar)
4. Erklärbar sein (eine plausible ökonomische Erklärung der Faktorprämie liegt vor)
5. Umsetzbar sein (in liquiden Finanzinstrumenten für den Anleger erwerbbar)

Diese fünf Anforderungen an einen Faktor sollen im weiteren Verlauf dieser Arbeit, insbesondere bei der Bewertung der einzelnen Faktoren berücksichtigt werden. Unter dem Aspekt der zeitlichen Stabilität ist jedoch noch auf das bei Ang, Goetzmann und Schaefer angesprochene Verhalten in einer Krise hinzuweisen. Dieser Punkt wird bei Robeco nicht genannt, ist aber im Kontext der Finanzkrise 2008/2009 und im Kontext des sogenannten Corona-Crashs20 sehr wichtig geworden. Einige der etablierten Faktorstrategien haben in dieser Zeit ungewöhnlich schwache und unerwartete Entwicklungen gezeigt.21

2.2 Ein-Faktor-Modell (CAPM)

Auf den Grundüberlegungen von Harry Markowitz (1952) aufbauend, haben William Sharpe, John Lintner und Jan Mossin in den 1960er Jahren unabhängig voneinander das CAPM entwickelt.22 Nachdem Markowitz bereits den Zusammenhang von Risiko und Rendite beschrieben und die Notwendigkeit der Diversifikation für ein Portfolio erkannt hatte, blieb eine Frage jedoch offen. Nämlich die Frage, welcher Teil des Risikos nicht durch Diversifikation zu beseitigen ist und deswegen von besonderer Relevanz für den Investor ist.23 Das diversifizierbare Risiko, auch unsystematisches Risiko genannt, besitzt laut CAPM für den Investor keine Relevanz. Hierunter fallen solche Risiken, die dem einzelnen Unternehmen zu eigen sind (Umsatzeinbrüche, Reputationsschäden, Gewinnwarnungen, u.v.m.). Wenn der Investor sein Geld auf eine entsprechend große Anzahl von Aktien aufteilt, sinkt das unsystematische Risiko für das gesamte Portfolio gegen Null. Daher wird das unsystematische Risiko nicht mit einer Risikoprämie vom Markt vergütet.24

Das Modell setzt die Prämissen, dass keine Transaktionskosten existieren, alle Anleger ein risikoaverses Verhalten aufweisen (höhere Risiken werden nur für höhere Renditen akzeptiert), ein risikoloser Zinssatz existiert und alle Anleger homogene Erwartungen hinsichtlich Rendite und Risiko aller Wertpapiere haben.

Die zentrale Aussage des CAPM findet sich in der folgenden Gleichung wieder, die die für ein Wertpapier zu erwartende Rendite in drei Bestandteile aufteilt:25

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei stellt den risikolosen Zins26 dar und die risikobehaftete Differenz zwischen der zu erwartenden Gesamtmarktrendite und dem risikolosen Zins. Der Multiplikator in dieser Formel und damit der Faktor ist das Beta . Dieser Beta-Faktor beschreibt wie groß das systematische Risiko eines Wertpapiers ist. Ein Beta von 1 bedeutet, dass sich das einzelne Wertpapier in derselben Intensität entwickelt wie der Markt. Ein Wert von kleiner 1 zeigt an, dass das systematische Risiko geringer ist und das Wertpapier die Bewegungen des Marktes weniger stark nachvollzieht. Entsprechend bedeutet ein Wert von größer 1, dass die Bewegung um den entsprechenden Faktor stärker ist als die des Marktes. Mit dem Beta existiert in dieser Gleichung also lediglich ein einzelner Faktor, der Risikofaktor, weshalb das CAPM auch als Ein-Faktor-Modell bezeichnet wird.27 Sharpe postulierte in seinem Modell einen linearen Zusammenhang zwischen dem Risikofaktor und der Rendite eines Wertpapiers. Demzufolge wäre die zu erwartende Rendite umso höher, je größer das eingegangene systematische Risiko, also je größer das Beta ist.

Das CAPM unterteilt die aktive Rendite28 jedoch insgesamt in zwei Komponenten. Neben dem Beta gibt es auch noch das Alpha. Diese zweite Komponente beschreibt die Überrendite, die durch aktives Investieren in Form von Wertpapierauswahl und Markttiming erzielt wird.29 Das Alpha bezeichnet also den Teil der Überrendite, der dem Management zuzuschreiben ist. Hätte z.B. der Markt eine Rendite von 0 % erzielt und ein aktives Investment eine Rendite von 1 % erwirtschaftet, dann wäre dieses Ergebnis allein dem Alpha zuzuschreiben.

Anhand des CAPM lässt sich nun die Grundidee des Faktor-Investings besser verstehen. Es geht im Kern darum, das Alpha des Managers zu erklären, indem neben der Prämie für den Risikofaktor, in Form des Betas, weitere Risikofaktoren identifiziert werden. Dadurch wird das Alpha immer kleiner und es entstehen neben dem Beta weitere Faktoren (siehe nachfolgende Abbildung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Faktor-Investing: Erklärung eines hohen Anteils der aktiven Rendite durch Faktorprämien30

2.3 Effizienzmarkthypothese (EMH)

Die EMH wurde 1970 von Eugene Fama entwickelt und besagt im Kern, dass der Kapitalmarkt ein effizienter Markt ist. Ein zentraler Aspekt ist dabei die sogenannte Informationseffizienz des Kapitalmarkts. Ein Wertpapiermarkt wird dann als informationseffizient angesehen, wenn die Wertpapierkurse sämtliche verfügbaren Informationen bereits vollständig widerspiegeln.31 Die Idee beruht auf der Überlegung, dass am Kapitalmarkt Erwartungen gehandelt werden. Demnach würde kein Anleger würde einen hohen Preis für eine Aktie zahlen, wenn er nicht eine gewisse Gewinn- / Erfolgserwartung an das Unternehmen hätte. Diese Erwartung ist es, die den heutigen Preis beeinflusst. Eine Effizienz liegt dann vor, wenn neue Informationen sofort in Erwartungen umgesetzt und im Preis des Wertpapiers verarbeitet werden. Sollte sich z.B. abzeichnen, dass ein Unternehmen seine Gewinnprognosen für das nächste Jahr anheben wird, dann wandelt sich diese neue Information durch vermehrte Käufe in eine Preissteigerung der entsprechenden Aktie um.

Die Hypothese nennt jedoch drei wichtige Bedingungen für ihr Modell eines effizienten Kapitalmarktes: Erstens existieren keine Transaktionskosten für den Handel von Wertpapieren. Zweitens stehen sämtliche Informationen allen Marktteilnehmern kostenlos und sofort zur Verfügung. Und drittens sind sich alle Marktteilnehmer über die Auswirkung einer Information auf den Wertpapierkurs einig. Es existieren also keine unterschiedlichen Interpretationen.32 Nur unter diesen Annahmen kann ein Markt vollständig Informationseffizient sein.

Die EMH unterscheidet hinsichtlich des Grades an Informationseffizienz drei Abstufungen: Die schwache, die semistarke und die starke Informationseffizienz.33 Die schwache Informationseffizienz sagt aus, dass sämtliche historische Kursentwicklungen und getätigte Umsätze als Informationen bereits in dem heutigen Wertpapierkurs enthalten sind. Ein wichtiger Begriff ist hierbei der Random Walk34. Dieser beschreibt, dass der nächste Kurs eines Wertpapiers immer ein zufälliger Kurs ist35 und keine serielle Korrelation36 mit den historischen Kursen aufweist, also vollkommen unabhängig davon ist.37 In der semistarken Informationseffizienz wird davon ausgegangen, dass auch alle öffentlich zugänglichen Informationen (z.B. Geschäftsberichte von Unternehmen, Zeitungsberichte, Wirtschaftsdaten, u.v.m.) im aktuellen Kurs enthalten sind. Ein streng informationseffizienter Markt liegt vor, wenn historische Kurse, öffentliche Informationen, sowie Insiderinformationen sofort und vollumfänglich im Kurs verarbeitet werden. Demnach könnten keinerlei Informationen einem Marktteilnehmer dabei helfen, mit seinen Wertpapieranlagen eine Überrendite zum Markt zu erzielen. Nur ein passives Management von Kapitalanlagen wäre bei dieser Form der Informationseffizienz sinnvoll.38 Aus diesen Überlegungen der langfristigen Überlegenheit von passiven Strategien entwickelte sich die zunehmende Popularität der ETFs.

2.4 Fundamentale und technische Faktoren

Die beschriebene EMH liefert für diese Arbeit eine Hilfestellung hinsichtlich der Klassifizierung von Faktoren. Die EMH hilft dabei, die Faktoren dahingehend zu unterscheiden, ob sie mit ihr vereinbar sind oder nicht.

Diejenigen Faktoren, die mit der EMH in ihrer schwachen Form vereinbar sind, wurden insbesondere durch das Drei-Faktor-Modell von Eugene Fama und Kenneth French bekannt. In Ihrer Arbeit analysierten die Autoren die Renditen von Aktien an der New Yorker Börse für den Zeitraum 1963 bis 1990.39 Aufgrund ihrer Ergebnisse erweiterten sie das CAPM mit seinem Beta-Faktor um die Faktoren Size (Unternehmensgröße) und Value (Unternehmensbewertung).40 Fama und French beschreiben, dass Investoren, die ihre Anlagen nach einem dieser drei Faktoren ausrichten, ein höheres Risiko eingehen als durch eine Investition in den nach Marktkapitalisierung gewichteten Index. Gemäß dem linearen Zusammenhang im CAPM können Anleger, die ein höheres Risiko eingehen, erwarten, dass sie dieses Risiko mit einer Risikoprämie vergütet bekommen. Die EMH baut auf dieser Idee auf.41 Denn bei den Faktoren handelt es sich gemäß der EMH nicht um Anomalien am Kapitalmarkt, die es auf einem effizienten Markt nicht geben sollte. Vielmehr wurde der Risikobegriff hier differenziert. Fama und French erweiterten dieses Modell 2015 um zwei weitere Faktoren,42 die zusammengenommen heute unter dem Quality-Faktor (Unternehmensqualität) bekannt sind. Diese Faktoren werden in dieser Arbeit als fundamentale Faktoren bezeichnet. Denn die fundamentale Aktienanalyse befasst sich mit Unternehmenskennzahlen, die für diese Faktoren herangezogen werden. Weshalb der Quality-Faktor aber trotzdem von den fundamentalen Faktoren Value und Size abgegrenzt werden kann, wird im nächsten Kapitel erläutert.

Auf der anderen Seite gibt es diejenigen Faktoren, die den Theorien des CAPM und der EMH widersprechen. Die Bekanntesten unter ihnen sind die Faktoren Momentum (positive Kursdynamik) und Low Volatility (geringe Schwankungsintensität, bzw. geringes Risiko).43

Bei diesen lässt sich eine Prämie nicht über ein zusätzlich eingegangenes Risiko erklären. Insbesondere beim Low Volatility-Faktor, welcher sich durch ein geringeres Risiko als das des Marktes auszeichnet, fällt eine Erklärung anhand der obigen Modelle schwer. Stattdessen finden sich in der Literatur vermehrt Erklärungen aus der Theorie des Verhaltens der Anleger44, auch bekannt als Behavioral Finance. Diese Theorie erkennt, entgegen der semistarken und starken Informationseffizienz der EMH, Anomalien am Kapitalmarkt, die durch das Verhalten der Anleger ausgelöst werden.45 Solche Faktoren werden in dieser Arbeit als technische Faktoren bezeichnet, da die technische Analyse (auch als Chartanalyse bezeichnet) sich mit diesen Verhaltensanomalien an den Kapitalmärkten befasst.

3. Ausgewählte Faktoren und deren Erklärungsansätze

Im Folgenden werden insgesamt sechs Faktoren einzeln vorgestellt, die in der Kapitalmarktforschung intensiv diskutiert worden sind. Dabei handelt es sich um die oben erwähnten fundamentalen und technischen Faktoren. In diesem Kapitel wird noch keine Wertung bezüglich des Mehrwerts für den Anleger vorgenommen. Eine kritische Betrachtung wird im Kapitel 5 vorgenommen.

3.1 Value

Der Value-Faktor wurde bereits in zahlreichen Studien untersucht.46 Der Begriff Value (engl. = Wert) bezieht sich darauf, wie ein Unternehmen am Kapitalmarkt bewertet ist. Value- Unternehmen sind solche, die am Kapitalmarkt als günstig bewertet angesehen werden. Diese Unternehmen weisen, gemessen an ihrem Buchwert, d.h. dem inneren Wert des Unternehmens in Gestalt seines Eigenkapitals, eine zu niedrige Bewertung am Kapitalmarkt auf.47 Anleger haben die Erwartung, dass ein Unternehmen langfristig zu seinem inneren Wert zurückfindet und damit der Kurs der Aktie steigt. Deshalb werden höhere Renditen erwartet. Die entsprechende Kennzahl für die Bewertung ist das Kurs- Buchwert-Verhältnis (KBV). Dabei wird der Kurs einer Aktie durch den Buchwert des bilanziellen Eigenkapitals pro Aktie geteilt. Ist das KBV größer als 1, gilt das Unternehmen tendenziell als überbewertet. Andersherum gilt das Unternehmen als tendenziell unterbewertet und als Value-Unternehmen, wenn das KBV kleiner als 1 ist. Je höher das KBV, desto teurer und unattraktiver ist also die entsprechende Aktie.48 Anhand dieser Kennzahl, beziehungsweise ihres Kehrwerts (Book to Market Value) erfolgte die Gewichtung der Aktien in den Untersuchungen von Fama und French49. Ein weiteres Werkzeug zur Selektion von günstigen Aktien neben dem KBV ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).50 Dabei wird ein Unternehmen anhand seiner erwirtschafteten Gewinne bewertet. Das KGV ergibt sich, indem der Kurs einer Aktie durch den Gewinn je Aktie geteilt wird. Einfach gesprochen zeigt das KGV wie viele Jahre das Unternehmen diesen Gewinn weiterhin erwirtschaften müsste, bis der Anleger seinen Kaufpreis wieder verdient hat. Ein niedriges KGV weist somit auf eine Unterbewertung hin und sollte gekauft werde, et vice versa.51

Aus welchem Grund sollten Value-Aktien jedoch eine Faktorprämie aufweisen? Der Anleger geht bei Value-Aktien ein besonderes Risiko ein. Es besteht nämlich die Gefahr, dass ein Unternehmen aus sehr gutem Grund niedrig bewertet ist. Der Anleger setzt sich dem Risiko aus, dass der Wert des Unternehmens tatsächlich dem Marktwert entspricht, beziehungsweise ein erwartetes Gewinnwachstum sehr unsicher ist.52 Eben dieses Risiko wird durch eine Faktorprämie kompensiert. Es handelt sich gemäß der obigen Definition um einen fundamentalen Faktor. Jedoch existieren auch Erklärungsansätze aus der Behavioral Finance für eine Outperformance von Value-Aktien. Als ein Ansatz wird dabei die Neigung von Investoren benannt, sogenannte High-Flyer-Aktien zu bevorzugen. Wegen historisch hoher Wachstumsraten werden solche Aktien von den Anlegern eher überschätzt. Lakonishok, Shleifer und Vishny (1994) kamen zu dieser Erkenntnis. Sie beobachteten, dass eine derartige Tendenz zur Überschätzung bei Value-Aktien weniger stark auftritt und diese eher unterschätzt werden.53 Eine derartige Unterschätzung spräche für eine Unterbewertung und ein zukünftiges Aufholpotenzial.

Value-Aktien zeichnen sich außerdem durch ein prozyklisches Verhalten aus54, d.h. sie sind in ihrer Entwicklung stark vom Konjunkturzyklus abhängig und weniger als defensive Anlagen in Krisenzeiten geeignet.55

3.2 Size

Der Size-Effekt wurde erstmals 1981 durch Rolf Banz beschrieben. Untersucht wurden Aktienkurse an der New Yorker Börse von 1936 bis 1975. Banz fand heraus, dass kleinere Unternehmen höhere Renditen realisierten als deren Beta-Faktor hätte erwarten lassen, sowie höhere Renditen erzielten als größere Unternehmen.56 Fama und French haben den Size-Effekt in ihrem Drei-Faktor-Modell ebenfalls beschrieben, in dem sie die Ergebnisse von Banz bestätigten.57 Sie stellten die Überlegenheit eines Portfolios gegenüber dem Markt fest, in dem die Aktien der kleineren Unternehmen gekauft und die der größeren Unternehmen verkauft wurden. Aus diesem Grund bezeichneten sie den Size-Faktor auch mit der Abkürzung SMB (Small minus Big).

Ein Erklärungsansatz dieses Phänomens besagt, dass Aktien von kleineren Unternehmen einem höheren Risiko ausgesetzt sind.58 Die Gründe dafür liegen einerseits in den Unternehmen selbst. Unter den entsprechenden Unternehmen finden sich z.B. junge Unternehmen, die noch nicht am Markt etabliert sind oder eine schwächere Wettbewerbsposition aufweisen und deren Geschäftsmodell mit einer höheren Wahrscheinlichkeit scheitern kann. Andererseits gibt es aber auch Gründe für ein höheres Risiko, die mit der Handelbarkeit der Aktien einhergehen. Aktien von kleinen Unternehmen (Small Caps oder Micro Caps) sind illiquider als ihre größeren Pendants (Large Caps). Das kann sich in einer höheren Geld-Brief-Spanne niederschlagen oder in stärkeren Kursschwankungen. Deswegen wird die Größe eines Unternehmens allgemein anhand seiner Marktkapitalisierung bewertet. Eine geringe Marktkapitalisierung signalisiert eine schlechtere Handelbarkeit, ein höheres Risiko und lässt daher gemäß den gängigen Kapitalmarkttheorien eine höhere Risikoprämie erwarten.59 Da sich die meisten institutionellen Investoren an marktkapitalisierungsgewichteten Benchmarks orientieren,60 in denen Small Caps niedrig gewichtet sind, kann hieraus eine strukturelle Unterbewertung dieser Titel entstehen. Dieser Aspekt kann ebenfalls eine Outperformance von Small-Caps befördern.

Ebenso wie Value-Aktien sind Size-Aktien laut einer Untersuchung von MSCI sehr stark vom Konjunkturzyklus abhängig und weisen ein prozyklisches Verhalten auf.61 Die zweite Parallele zum Value-Faktor ist die Erklärbarkeit anhand eingegangener Risiken. Damit grenzen sich diese beiden Faktoren von den folgenden Faktoren in gewisser Weise ab.

3.3 Quality

Der heute als Quality bekannte Faktor besteht aus zwei einzelnen Faktoren, die Aufschluss über die Unternehmensqualität geben sollen. Mehrere Kapitalmarktforscher haben in den vergangenen Jahren dokumentiert, dass Rentabilität und Investitionstätigkeit eines Unternehmens als Faktoren einen Teil der Aktienrenditen erklären können.62 In der akademischen Literatur wird die Rentabilität des Unternehmens typischerweise am Bruttogewinn im Verhältnis zur Bilanzsumme (Return on Investment) gemessen, so z.B. bei Robert Novy-Marx (2013).63 Ein hoher Return on Investment weist laut dieser Studie auf ein qualitativ hochwertiges Unternehmen hin. Fama und French (2015) sehen jedoch ebenso eine geringe Investitionstätigkeit als einen geeigneten Faktor an (Low Investment).64 Eine Erklärung für diesen Zusammenhang liefern auch Hou, Xue und Zhang (2016)65: Zunächst weisen sie auf die Optimalitätsbedingung hin, dass die Rendite einer Investition (Quotient aus Grenznutzen und Grenzkosten der Investition) gleich dem Diskontierungssatz sein muss. Dadurch sind die erwarteten Renditen hoch, wenn die Investition niedrig ist, et vice versa. Laut den Autoren der Studie bedeutet das, dass Unternehmen mit hohen Kapitalkosten und hohen erwarteten Renditen Schwierigkeiten bei der Auswahl von geeigneten Projekten mit positiven Barwerten haben werden. Demnach würden qualitativ hochwertige Unternehmen weniger investieren und sich dadurch kennzeichnen.

Neben den oben angesprochenen Determinanten für den Quality-Faktor gibt es noch weitere Kennzahlen, die zur Erklärung der Quality-Prämien herangezogen wurden (genaueres zu diesem Thema in Kapitel 5). Insgesamt ergibt sich jedoch aus der Kapitalmarktforschung, dass dieser Faktor, unabhängig von seiner exakten Zusammensetzung, ein tendenziell defensives Investment darstellt.66 Eine Flucht der Investoren in Aktien von sogenannten Qualitätsunternehmen ist besonders in Krisenzeiten zu erwarten. Damit bestünde eine Erklärung einer möglichen Outperformance, die auf die Behavioral Finance zurückzuführen wäre. Ein weiterer Ansatz aus der Behavioral Finance führt an, dass Investoren Firmen mit niedriger Investitionsquote infolge von Fehlern bei ihren Erwartungen unterschätzen und daher zu günstig preisen.67 Eine Faktorprämie, resultierend aus einem besonderen Risiko, das der Investor auf sich nimmt, ist für Quality-Aktien aufgrund der beschriebenen Definition schwer zu erklären. Laut der EMH und der darin beschriebenen Informationseffizienz der Kapitalmärkte68 würden diese Aktien aufgrund ihrer hohen Qualität bereits hoch bepreist sein. Daher wird der Quality-Faktor in dieser Arbeit, trotz der Bewertung mittels fundamentaler Kennzahlen, den technischen Faktoren zugeordnet.

3.4 Momentum

Der Momentum Faktor beschreibt die Tendenz von Aktien mit einer guten historischen Wertentwicklung, diese weiter fortzusetzen. Den Grundstein dafür haben Jegadeesh und Titman (1993) gelegt. Sie entdeckten, dass die besten Aktien (relativ zum Markt) der letzten 3 bis 12 Monate auch in den darauffolgenden 3 bis 12 Monaten eine Überrendite zum Gesamtmarkt aufwiesen (bezogen auf den US-Markt).69 Diese Überrendite durch Aktien, die in der Vergangenheit relativ zum Markt besser performten, würde eine Ineffizienz implizieren70 und damit die EMH infrage stellen. Im Gegensatz zu dieser relativen Betrachtung gibt es aber auch ein absolutes Momentum. Lediglich die eigene historische Zeitreihe einer Aktie dient dabei zur Prognose der zukünftigen Rendite der Aktie.71 Demnach würden lediglich die Aktien gekauft werden, deren Renditen auf einen bestimmten Zeitraum bezogen besonders hoch sind, unabhängig von der Entwicklung des Gesamtmarktes. Der Momentum-Faktor wurde bei vielen Betrachtungen in beide Richtungen untersucht. Auch Aktien, die sich besonders schlecht entwickelten, weisen demnach die Tendenz auf weiterhin schlecht zu performen.72 Um vollständigen vom Momentum-Faktor zu profitieren, wäre also ein Kauf der besten Aktien bei gleichzeitigem Verkauf der schlechtesten Aktien notwendig.

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1 Vgl. Will (2012), S. 4.

2 Vgl. Börse.de.

3 Vgl. Statista (2020).

4 Vgl. Weitmayr (2019), S.100.

5 Vgl. Ang et al. (2009), S. 5.

6 Vgl. Statista (2021).

7 Vgl. Bomsdorf (2018).

8 Vgl. Ang et al. (2009), S. 9.

9 Vgl. Harvey/ Liu (2019), S. 1.

10 Vgl. Robeco (2018), S. 10.

11 Vgl. dwds.de.

12 Vgl. Rüppel (2020), S. 23.

13 Vgl. u.a. Fama/ French (2015), Ghayur et al. (2019), S. 109-122 und Rüppel (2020), S. 25.

14 Marktkapitalisierung = Preis einer Aktie x Anzahl aller im Umlauf befindlichen Aktien des Unternehmens.

15 Vgl. Ghayur et al. (2019), S. 15.

16 Vgl. Bayern LB Research (2017), S. 2.

17 Vgl. Ang et al. (2009), S. 132.

18 Vgl. Miller (2006), S. 25-32.

19 Vgl. Robeco (2018), S. 15.

20 Mit dem Corona-Crash ist der starke Kurseinbruch an den globalen Aktienmärkten im März 2020 gemeint.

21 Vgl. EDHEC Risk Institute (2021), S. 6.

22 Vgl. Bruns et al. (2017), S. 22.

23 Vgl. Sharpe (1964), S. 426.

24 Vgl. Bruns et al. (2017), S. 27.

25 Bruns et al. (2017), S. 27.

26 Ein fester Zinssatz für Geldanlagen, die mit Sicherheit wieder zurückgezahlt werden und jederzeit verfügbar sind.

27 Vgl. Institut für Vermögensaufbau (2015), S. 10.

28 Die aktive Rendite bezeichnet die Überrendite gegenüber dem Markt, also gegenüber der Benchmark.

29 Vgl. Bayern LB Research (2017), S. 3.

30 Bayern LB Research (2017), S. 3.

31 Vgl. Fama (1970), S. 383.

32 Vgl. Bicksler (1977), S. 46.

33 Vgl. Fama (1970), S. 383 ff.

34 „Random Walk“ kann hier übersetzt werden mit „zufällige Bewegung“.

35 Vgl. Pfister (1997), S. 8.

36 Eine serielle Korrelation, auch Autokorrelation genannt, liegt vor, wenn ein Teil einer Zeitreihe mit sich selbst zu einem anderen Zeitpunkt korreliert, also ein Gleichlauf erkennbar ist.

37 Vgl. Hammerich (2013), S. 37.

38 Vgl. Bruns et al. (2017), S. 44.

39 Vgl. Fama/ French (1992), S. 429.

40 Vgl. Fama/ French (1992), S. 427 ff.

41 Vgl. Gleißner (2014), S. 152.

42 Vgl. Fama/ French (2015), S. 17 ff.

43 Vgl. Becker (2018b), S. 110.

44 Siehe Kapitel 3

45 Vgl. Robeco.com.

46 Vgl. Ghayur et al. (2019), S. 41.

47 Vgl. Institut für Vermögensaufbau (2015), S. 11.

48 Vgl. Fama/ French (1992), S. 451.

49 Vgl. Fama/ French (1992) und Fama/ French (2015).

50 Vgl. Becker (2018b), S. 101.

51 Vgl. Beiker (1993), S. 25 ff.

52 Vgl. Penman/ Reggiani (2014), S. 20.

53 Vgl. Lakonishok et al. (1994), S. 1542.

54 Vgl. Institut für Vermögensaufbau (2015), S. 21.

55 Vgl. Lopez et al. (2021), S. 11 ff.

56 Vgl. Banz (1981), S.16.

57 Vgl. Fama/ French (1992), S. 458.

58 Vgl. Ghayur et al. (2019), S. 58.

59 Vgl. Ghayur et al. (2019), S. 58.

60 Vgl. Bayern LB Research (2017), S. 6.

61 Vgl. MSCI (2018b), S. 6.

62 Vgl. Becker (2017a), S. 125.

63 Vgl. Novy-Marx (2013), S. 16.

64 Vgl. Fama/ French (2015), S. 17 ff.

65 Vgl. Hou et al. (2017), S. 32 ff.

66 Vgl. Ghayur et al. (2019), S. 116-117.

67 Vgl. Becker (2017a), S. 125.

68 Vgl. Fama (1970).

69 Vgl. Jegadeesh/ Titman (1993), S.89-90.

70 Vgl. Jegadeesh/ Titman (1993), S.72.

71 Vgl. Becker (2017a), S. 96.

72 Vgl. Becker (2018a), S.144.

Final del extracto de 65 páginas

Detalles

Título
Factor-Investing. Die Attraktivität von Equity Smart Beta-Produkten aus Anlegersicht
Universidad
Frankfurt School of Finance & Management
Calificación
1,0
Autor
Año
2021
Páginas
65
No. de catálogo
V1119273
ISBN (Ebook)
9783346491893
ISBN (Libro)
9783346491909
Idioma
Alemán
Palabras clave
Factor-Investing, Smart-Beta, Portfoliolamagement, Momentum, Low Volatility, Value, Size, Quality, ETF
Citar trabajo
Philipp Schopmeier (Autor), 2021, Factor-Investing. Die Attraktivität von Equity Smart Beta-Produkten aus Anlegersicht, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1119273

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