Soziale und ökonomische Struktur der Stadt Saarbrücken

Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel


Term Paper, 2019

21 Pages, Grade: 1,7


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichtlicher Überblick der Wirtschaftsstruktur Saarbrückens

3. Strukturwandel in Saarbrücken

4. Bevölkerungsentwicklung

5. Sozialstruktur und demografischer Wandel

6. Sozialer Zusammenhalt in Saarbrücken

7. Sozialstruktur am Beispiel der Stadtteilkultur des Nauwieser Viertels

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis

10. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Die Landeshauptstadt des Saarlands, Saarbrücken ist ein Verbindungspunkt. So stellte Saarbrücken bereits im letzten Jahrhundert, zum Beispiel durch die Verbindung der drei größten Städte des Saarlandes Saarbrücken, St. Johann an der Saar und Malstatt-Burbach, im Jahre 1909, als auch weit über diesem Zeitpunkt hinaus eine Schnittstelle, beispielsweise im Kultur- und Warenaustauschs, zwischen den westeuropäischen Staaten Deutschlands und Frankreichs dar. Auch im sozialen Hinblick, besonders im Bereich des Zusammenhaltes und des Verbundenheitsgefühls, kann die Hauptstadt des kleinsten Bundeslandes Deutschlands als ein Verbindungspunkt gesehen werden. Diese Verbundenheit gestaltet sich vielseitig und grenzüberschreitend. Gerade der Aspekt des Grenzüberschreitens ist in Bezug auf die Saarbrücker Gesellschaft ein Begriff von hoher Bedeutung, welcher sich sowohl auf die wirtschaftliche Situation der Stadt als auch die Landeskultur des Saarlandes beziehen lässt. Schon lange profitiert die Gesellschaft des Saarlandes vom kulturellen Austausch und wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Im Vordergrund hierbei steht in all diesen Punkten immer eine enge Verbundenheit miteinander und dem Land.

Daneben ist das Saarland auch ein ehemaliges Montanrevier, welches sich, aufgrund seiner guten geographischen Lage und seinen Bodenschätzen, in den letzten Jahrhunderten immer wieder dem Wechsel von Regimen und der Zugehörigkeit zu Frankreich oder Deutschland ausgesetzt war. Auch die letzten 60 Jahre erschwerten, durch zwei große montanindustrielle Krisen das Leben im kleinen Bundesland, sodass sich das wirtschaftliche Leben grundsätzlich verändern musste. Saarbrücken ist also auch ein Ort des Wandels, welcher sich ebenso vielseitig gestaltet wie der Aspekt der Verbindung. Und so zog es sich wirtschaftlich von Warentransport über die Schwerindustrie hin zu Industrie 4.0 in der heutigen Zeit. Auf sozialer Ebene erlebt das Saarland ebenso wie der Rest Deutschlands, mit der Alterung und dem Schrumpfen der Gesellschaft den demografischen Wandel.

Gegenstand dieser Arbeit soll es sein, die wirtschaftliche Struktur der Landeshauptstadt in ihrer früheren, als auch in ihrer heutigen Form zu ergründen, diese mit den gesellschaftlichen Grundlagen und Trends in Verbindung zu bringen, und dadurch den ablaufenden wirtschaftlichen, als auch den gesellschaftlichen Strukturwandel im Detail zu reflektieren.

2. Geschichtlicher Überblick der Wirtschaftsstruktur Saarbrückens

Die bereits im 18. Jahrhundert starke Wirtschaft Saarbrückens erlebte gerade Mitte des letzten Jahrhunderts harte Rückschläge, die sich in Folge einer äußerst empfindlichen Wirtschaftsstruktur und dem Fortschritt eines globalisierten Marktes mit internationaler Konkurrenz ergaben. Diese Krisen stellten das kleine Bundesland vor eine große Herausforderung, mit welcher die Saarländer noch lange zu kämpfen hatten. Jedoch stellten sie auch einen bedeutsamen Wendepunkt für die Wirtschaft dar, der sich als ein weltweit wachsender Trend versteht.

Entscheidend für die Entwicklung Saarbrückens waren vor allem die günstige Verkehrslage an der Saar und die Lage in einem politisch und strategisch bedeutsamen Gebiet. Schon zu Zeiten der Römer führte ein Handelsweg, von Gallien bis an den Rhein, hier zu wirtschaftlichem Aufschwung und der Bildung der ersten Siedlungen. Im Mittelalter gab der Handel zwischen Norditalien und den Niederlanden über Straßburg dann weitere Impulse für kontinuierliches Wachstum der Saarstädte.

Saarbrücken trat in diesem Zusammenhang im 18. Jhd. vor allem als Knotenpunkt der Hauptverkehrsader zwischen Deutschland und Frankreich, aber auch aufgrund der im Saarland verfügbaren Bodenschätze in Erscheinung. Dadurch war Saarbrücken, bedingt durch die Saar als Binnengewässer für den Warenverkehr, bereits im 18. Jhd. eine blühende Handelsstadt. Nachdem die ehemals römische Route über Straßburg-Metz und durch das Rheintal dann verlegt wurde und folglich im Norden und Süden an Saarbrücken vorbeiliefen, musste sich die Stadt aufgrund des Verlustes der Verkehrsbedeutung zu anderen Wirtschaftszweigen orientieren.1

Diese Umorientierung verlief, zusammenhängend mit der Einführung von Steinkohle als Reduktionsmittel für Verhüttungsprozesse2, dem Zeitgeist des 19 Jhd. gerecht, zur Industrialisierung, also der Ansiedlung der Montanindustrie im Saarland. Hierfür war Kaiser Wilhelm I. fundamental verantwortlich. Und so kann die Entwicklung, welche auf seinen Befehl ablief, regelrecht als “Turbo-Industrialisierung” bezeichnet werden.3 Angesichts der Tatsache, dass im Saarland vornehmlich Steinkohle der Reichtum der Region war, Erze jedoch nicht in ausreichendem Maße vorkamen, sah sich das Saargebiet gezwungen Kompromisse mit seinen Nachbarn einzugehen. Den wesentlichen Kompromiss stellte hierbei die Findung des wirtschaftlichsten Standorts dar. An dieser Stelle war die nötige Menge an Kohle für die Verhüttung ausschlaggebend für den zukünftigen Standort. 1790 belief sich diese noch auf acht Tonnen Steinkohle pro Tonne Roheisen. Auch im Jahre 1850 mussten trotz verbesserter Verfahren immer noch fünf Tonnen zur Gewinnung einer Tonne Roheisen zugeführt werden. Deshalb lag es nahe den Standort der materialintensiven Industrie an den Transportkostenminimalpunkt zu legen, in diesem Fall “auf der Kohle”.4 Die bereits etablierten Kontakte und Handelsbeziehungen, sowie die bereits langjährige Erfahrung im Warentransport waren hier von klarem Vorteil.

Im Zuge weiterer Verbesserung und der Bestrebung die Kosten weiter zu minimieren, verlagerten sich die Hütten nun auch an die Saar, welche einen günstigen Transportweg darstellte. Diese wurde, infolge der Erschließung des Saarlandes, bereits im 18. Jhd. im mittleren Flusslauf kanalisiert. Der Bau des Saarkohlenkanals 1860 erleichterte den Transport und Absatz Saarkohle, aber auch den Rohstoffbezug anderer Industrien wie z.B. der Glasindustrie weiter. Nicht zuletzt wurde der Fluss auch zur Lieferung der importierten lothriginschen Minetteerzen verwendet, was die Produktionskosten für Eisen und Stahl weiter vergünstigte. Es entstanden sogenannte “nasse Hütten” an der Saar. Das Saartal war nun hauptsächlicher Standort der Industrie und damit der natürliche Mittelpunkt des so genannten Saarreviers5, während sich der Bergbau in den nördlichen Seitentälern der Saar konzentrierte.6

Umwelttechnisch stellte die Übernutzung der Saar sowohl als Transportweg, als auch als Entsorgungsmaßnahme der Salinen, Hütten und menschlichen Abwässer ein großes Problem dar. Sie wurde so stark durch die Salze, Schlämme und (Chemie-) Abfälle verschmutzt, dass der Fluss an einigen Stellen seines Verlaufs für tot erklärt wurde, da er keine Fischbestände oder sonstige Organismen mehr aufwies. Wirtschaftlich hatte der, in der Region schon immer wenig ausgeprägte primäre Sektor und darunter gerade die Binnenfischerei, unter dieser Entwicklung zu leiden. Dies spielte jedoch eine eher untergeordnete Rolle, “da der Wert der Industrie tausendmal größer sei, als der der Fischerei”.

Auch für die Bevölkerung war die Saar, durch die eigene Fahrlässigkeit und die der Werke mit der Umwelt, zu einem Abwasserkanal verkommen. Sie stank so sehr, dass es nicht selten vorkam, dass Menschen beim Passieren des Flusses das Bewusstsein verloren und zusammenbrachen. Ein Ende dieser Verschmutzung fand sich erst zu dem Zeitpunkt, als die Saar so von Industrieschlämmen gefüllt war, dass die Transportschiffe Probleme beim Befahren bekamen.7

Angesichts des verlorenen 1. Weltkrieges kam es durch den Versailler Vertrag zur Herauslösung des Saargebiets aus dem Reichsgebiet und Frankreich erhielt das Eigentum an den Kohlengruben, die später in den eigenen Wirtschaftsraum integriert wurden. Dies stellte die erste Trennung der saarländischen von der deutschen Wirtschaft dar. Sechzehn Jahre später stimmten die Saarländer, unter Führung der NSDAP, dann wieder für die “Rückkehr zum Vaterland”.8 Die Kriegsvorbereitung Hitlers sprachen der Montanindustrie in den folgenden Jahren mehr Gewichtung zu und ließen die Region weiter aufblühen. Trotz der hohen Bedeutung des sekundären Sektors im gesamten Saarland ist es dennoch interessant zu beobachten, dass vor Ausbruch des 2. Weltkrieges tatsächlich mehr Personen in Handel und Verkehr tätig waren, als in Industrie und Handwerk. Zahlen in den genannten Branchen ließen sich zu dieser Zeit sonst nur in wichtigen Hafenstädten wie Bremen oder Altona finden.9 Hieran lässt sich also die Bedeutung des Handels und damit des tertiären Sektors für die Wirtschaft Saarbrückens, aber auch die generelle Wirtschaftskraft der Stadt zur damaligen Zeit festmachen.

Die Besatzung des Saarlands nach dem 2. Weltkrieg durch die Amerikaner und die folgende Eingliederung in die französische Besatzungszone ließen die Saargruben unter französische Verwaltung fallen und eine Zoll- und Währungsunion mit beschränkter Autonomie wurde errichtet. Damit war die wichtigste Resourcenquelle der Montanindustrie in fremder Hand.10 Den primären Sektor betreffend war Saarbrücken, aufgrund der geringen Freiflächen, welche hauptsächlich auf Hänge und Seitentäler des Saartals entfielen, landwirtschaftlich jeher nur gering zugänglich. Dies lässt sich an der damaligen Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe belegen, denn im Jahre 1948 zählte Saarbrücken nur 205 land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Ein Großteil der bewirtschaftbaren Fläche fiel hier unter die Forstwirtschaft.11

Im Laufe der folgenden Jahre entwickelte sich diese Verwaltungszone mehr und mehr zu einem Streitpunkt deutsch-französischer Kommunikation, sodass mehrere Verhandlungen abgehalten werden mussten, die dann 1957 mit der Rückgliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik Deutschland gipfelten. So war die Wirtschaft nach 14 Jahren endlich wieder angegliedert, auch wenn die versäumte Zeit bereits die Grundsteine der, in nicht allzu ferner Zukunft, anstehenden Probleme gelegt hatte.

Die Kohlekrise setzte dem frisch gebackenen Bundesland zuerst zu. Die empfindliche Monostruktur der Verbundwirtschaft aus Kohlebergbau und Eisen- bzw. Stahlerzeugung hatte die Saarbrücker die letzten beiden Jahrhunderte in Sicherheit gewogen und der Idee einer diversifizierten, stabilen Wirtschaftsstruktur wurde keine Aufmerksamkeit geschenkt. So kam es, dass Mitte der 60er Jahre der Absatz von Steinkohle, infolge der Ablösung durch Erdöl und Erdgas als Hauptenergieträger, zu einem untragbaren Maße einbrach und die Wirtschaft der Landeshauptstadt vor eine große Herausforderung stellte. Gerade dieser Industriezweig zeigte, als Konsequenz der verspäteten Angliederung, eine deutlich höhere Gewichtung gegenüber den restlichen Bundesländern. In den Gruben gingen daraufhin 40.000 Arbeitsplätze verloren.12 Um den nun arbeitslosen Bergarbeiter eine weitere Einkommensquelle zu bieten, zeigte sich die Saarwirtschaft anpassungsfähig. Neue Betriebe vor allem aus dem Bereich des Maschinen- und Fahrzeugbaus siedelten sich an und baten fürs erste genug Arbeitsplätze um die Situation nicht zum Worst-Case Szenario verkommen zu lassen.

Den zweiten Schlag erfuhr das Saarland dann mit der Stahlkrise Mitte der 70er Jahre. Die Krise hätte eigentlich vorhergesehen werden müssen, da immer mehr asiatische Länder im Stande waren Stahl zu produzieren, und das zu bedeutend geringeren Preisen als z.B. in Deutschland. Hier wurde also die wachsende Konkurrenz unterschätzt oder außer Acht gelassen. Das Saarland als vergleichsweise kleiner Standort bei weitem nicht das einzige Montangebiet was unter der Krise zu leiden hatte, auch im Ruhrgebiet, Pittsburgh in den USA oder Longwy in Frankreich verloren innerhalb weniger Jahre tausende Industriearbeiter ihre Arbeitsplätze. Hierbei ist die Verknüpfung des Stahlgeschäfts mit anderen Branchen zu beachten, da der Verlust eines Arbeitsplatzes in der Erzeugung im selben Moment auch die Jobs der Zulieferer oder Verarbeiter bedroht.13 Im Saarland standen in diesem Zusammenhang 40.000 bis 50.000 Menschen in Gefahr ihre Existenzgrundlage zu verlieren.14 Erklären lässt sich die Beschäftigungsentwicklung und die starke Konkurrenz aus dem Ausland mit dem Produktlebenszyklus. So war Stahl in den 70er Jahren bereits in einer weit fortgeschrittenen Phase dieses Zyklus und in der Branche längst keine Innovation mehr.15

Selbst die Politik sah Hilfe vom Staat als einzigen Ausweg aus dieser Wirtschaftsmisere. Ohne staatliche und private Investitionen würde das Saarland wahrscheinlich dasselbe Schicksal ereilen, wie die belgische Region Wallonie bereits zur Kohlekrise. Diese war mangels Wirtschaftskraft, als Folge fehlende Arbeitsplätze, indes zum Armenhaus Belgiens geworden. Land und Bund sahen sich nun also gezwungen, sich eine neue insbesondere nachhaltige Struktur überlegen.

Mit diesem Strukturwandel, den das Saarland und damit Saarbrücken, erlebte und wie sich dieser in seinen Strategien und Hilfsmitteln niederschlug bzw. auch heute noch gestaltet soll Inhalt des folgenden Kapitels sein.

3. Strukturwandel in Saarbrücken

Wie aus dem vorangegangenen Kapitel hervorgeht befand sich die Saarbrücker Wirtschaft, dank ihrer Monostruktur, ab den 1960er Jahren zwei existenzbedrohenden Krisen ausgesetzt, welche das kleine und relativ neue Bundesland unmöglich alleine hätten stemmen können. Die Strukturkrise ließ die Arbeitslosigkeit im Saarland in 13 Jahren von 1,5% (1972) auf 13,4% (1985) steigen und zog damit eine gewaltige wirtschaftliche Krise mit sich. So ergab sich, dass zukünftig Hilfsgelder aus der Landes- und Staatskasse, als auch eine neue Wirtschaftsstruktur das Land wiederaufbauen und die Wirtschaft nachhaltig zu stärken sollten. Im Detail sollte dies für Saarbrücken den Sprung hin zu einer “postindustriellen Gesellschaft” bedeuten.16 Diese Gesellschaft zeichnet sich vor allem durch eine Verschiebung der Wirtschaftssektoren, vom II. Sektor zum III. Sektor, aus. Ebenso wichtig ist die Verflechtung eines hohen technologischen Standes und wissenschaftlicher Tätigkeit.17

Der sozialverträgliche Personalabbau stellte bei diesem Vorhaben eine der größten Herausforderungen dar. Die Industrieunternehmen wurden so z.B. durch Subventionen dazu bewegt Mitarbeiter nicht einfach zu kündigen um den Betrieb kurzfristig vor der Insolvenz zu retten. Insgesamt flossen hierbei rund 370 Millionen Euro an Unterstützungsgeldern, von denen der Bund zwei Drittel übernahm. 120 Millionen hatte das Saarland zu tragen, woraus sich noch lange nach den Krisen ein klammer Landeshaushalt ergab. Für Infrastruktur und Ansiedlungsprojekte gab es jedoch keine expliziten Gelder, sodass diese Strukturhilfen von privaten Investoren übernommen werden mussten. Ein Investor war hierbei die RAG. Sie zahlte im Zeitraum von 2009 bis 2018 einen Betrag von 100 Millionen Euro, die in Infrastruktur-, Forschungs- und Entwicklungsprojekte flossen.18

Da Stahl wie bereits angeklungen keine Innovation hochtechnisierter Länder mehr war, mussten sich spezialisierte und damit konkurrenzfähige Unternehmen ansiedeln um die Arbeitsplätze zu sichern. Im September 1974 unternahm das Unternehmen ZF Friedrichshafen diesen Schritt und blieb damit dem Geist der Montanregion treu. Zugleich stellte dies einen Vorteil für die bereits industriell erfahrene Arbeiterschaft dar, da diese Arbeitsplätze keine Hochqualifikation benötigten. Das Unternehmen, welches aus dem Saarbrücker Industriegebiet operiert beschäftigt heute mehr als 8.000 Menschen im gesamten Saarland.

Neben gut aufgestellten industriellen Kernen wie in diesem Fall der Metall- und Automobilwirtschaft wurden allerdings auch andere Technologiefelder und Wirtschaftszweige wurden erschlossen bzw. ausgebaut.19 Im Jahre 2016 waren zwar noch 35,9% der Bruttowertschöpfung aus dem produzierenden Gewerbe, jedoch bezeichnete dies bereits einen Rückgang von 3,8% seit 1991. Der ohnehin schon immer gering besetzte I. Sektor machte im Jahr 2016 nur noch 0,1% aus. Gerade der Dienstleistungssektor erfährt, wie bereits erwähnt, immer mehr an Bedeutung. Dies sind zum einen industrienahe Dienstleistungen, zum anderen aber auch Dienstleistungen für Privatpersonen. Gerade im Gesundheits- und Sozialwesen sind auf den III. Sektor die größten Gewinne zu verzeichnen. Dies hängt wahrscheinlich mit der alternden Gesellschaft zusammen, auf die in Kapitel 7 genauer eingegangen werden soll. Auch Dienstleistungen in der Informationstechnologie erfuhren in Zeitraum von 2016 bis 2017 ein stärkeres Wachstum als andere Branchen. Seit 1991 nahm die Zahl der im III. Sektor-Tätigen insgesamt um 4% zu, alleine zwischen 2008 und 2016 verzeichnete der Sektor eine Zunahme von Arbeitskräften um 13,1%.20 Im Jahre 2017 waren bereits ca. 60% der sozialpflichtig Beschäftigten im III. Sektor tätig.21 Das Wachstum in dieser Branche ist unter anderem die Folge des “Technologie Transfers”, welchen das Saarland in der Notlage nach den Krisen von anderen Wachstumsregionen imitierte und seit 1985 erheblich fördert.22 Auch wenn zu Anfang mit Ideen eines “unternehmerfreundlichen Niedriglohn-Reviers” gespielt wurde, entschied man sich, mit der Befürchtung verstärkter Abwanderung, gegen dieses Konzept, um besonders die qualifizierten Leute zu binden.23 Und so wurde durch Ansiedlung von renommierten Instituten in Verbindung mit Hochschulen und der Universität eine exzellente Forschungslandschaft errichtet. Schwerpunkte dieser Forschungseinrichtungen sind insbesondere Informatik, Nano-Bio-Technologie, Medizintechnologie und Materialwissenschaften. Demnach ist ein breites Forschungsspektrum geboten, dessen Innovationen in vielen Gebieten in die mittelständige Wirtschaft wirken. Dadurch konnte nicht nur Saarbrücken, sondern das gesamte Saarland seine Produktivität in großem Maße steigern und eine hohe Wachstumsrate erzeugen, sodass das Saarland bei der Wirtschaftsleistung pro Kopf auf Platz Sieben im Ländervergleich liegt.24

Hierbei kommt jedoch eine zu beachtende Herausforderung auf. Das Problem bei wissensintensiven Dienstleistungen ist eine hohe bis Höchstqualifikation, also hohe Bildungsabschlüsse und abgeschlossene Ausbildungen, der Arbeitnehmer. Darüber hinaus liegen derzeit noch wenige Firmenzentralen und damit wenige solcher Arbeitsplätze in Saarbrücken, sodass diese erst angesiedelt werden müssten. Gefolgt wird diese Herausforderung von einem infrastrukturellen Problem, den Standorten dieser Firmen. Dienstleistungsunternehmen bevorzugen meist zentrale Büroräume innerhalb von Städten und unterscheiden sich damit vom, meist in Werkshallen in separaten Industriegebieten angesiedelten, produzierenden Gewerbe. Es müsste also mehr Raum für große Dienstleister, aber für Kanzleien, Praxen oder kleine Dienstleister geschaffen werden.25

Angesichts der Zahl sozialpflichtig Beschäftigter, als auch der Arbeitslosen lässt sich dieses Argument bestätigen, da die Zahl der sozialpflichtig Beschäftigten seit 2005 mit kleineren Einbrüchen stetig angestiegen ist (Abb. 1). Der Einbrüche im Jahr 2008/09 lassen sich auf die Weltfinanzkrise zurückführen, da die deutsche Wirtschaft besonders durch den Export von Maschinen und Automobilen geprägt ist. Hier waren infolge also auch saarländische Standorte betroffen.26 Der Einbruch von 2012/13 lässt sich durch das Ende des Steinkohlebergbaus im Saarland begründen, da hier die letzten Arbeitsplätze abgebaut wurden, ältere Arbeiter in den frühzeitigen Ruhestand gingen und jüngere zwischenzeitlich umgeschult werden mussten.27 Es lässt sich also ein relativ stabiles Wachstum festmachen, welches durch größere Ereignisse nur vorübergehend ausgebremst wurde.

Die Arbeitslosenquote betreffend waren 1997 mit etwas über 18% und 2005 mit rund 17% die letzten Höhepunkte. Der Anstieg der Arbeitslosen im Jahr 2005 lässt sich jedoch durch die Zusammenlegung der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger mit den Arbeitslosen mit Leistungsanspruch auf Hartz 4 erklären. Im Jahr 2016 betrug die Arbeitslosenquote ca. 12%. Grundsätzlich verläuft die Entwicklung der Arbeitslosen also negativ (Abb. 2).28

[...]


1 STATISTISCHES AMT DER STADT SAARBRÜCKEN (1948): Statistischer Jahresbericht der Stadt Saarbrücken für die Jahre 1939 bis 1947.

2 KREUS, A., VON DER RUHREN, N. (2008): Fundamente Geographie. S. 189-191.

3 KIPP, M. (2018): Die Saar - Geschichte eines Flusses. Die Industrialisierung opfert die Saar. S. 1.

4 KREUS, A., VON DER RUHREN, N. (2008): Fundamente Geographie. S. 189-191

5 WEHLING, H. G. (2002): Die Deutschen Länder. Geschichte, Politik, Wirtschaft. S. 212.

6 STATISTISCHES AMT DER STADT SAARBRÜCKEN (1948): Statistischer Jahresbericht der Stadt Saarbrücken für die Jahre 1939 bis 1947.

7 KIPP, M. (2018): Die Saar - Geschichte eines Flusses. Die Industrialisierung opfert die Saar. S. 1.

8 WEHLING, H. G. (2002): Die Deutschen Länder. Geschichte, Politik, Wirtschaft. S. 212.

9 STATISTISCHES AMT DER STADT SAARBRÜCKEN (1948): Statistischer Jahresbericht der Stadt Saarbrücken für die Jahre 1939 bis 1947.

10 WEHLING, H. G. (2002): Die Deutschen Länder. Geschichte, Politik, Wirtschaft. S. 212.

11 STATISTISCHES AMT DER STADT SAARBRÜCKEN (1948): Statistischer Jahresbericht der Stadt Saarbrücken für die Jahre 1939 bis 1947.

12 FRENKEL, R. (1985): Das Saarland gehört zu den Regionen in der Bundesrepublik, die der wirtschaftliche Strukturwandel am härtesten trifft: Alle bauen auf den Staat.

13 MAIER-BODE, S. (2018): Die Stahlkrise. S. 1

14 FRENKEL, R. (1985): Das Saarland gehört zu den Regionen in der Bundesrepublik, die der wirtschaftliche Strukturwandel am härtesten trifft: Alle bauen auf den Staat.

15 BAUER, F., OTTO, A. (2006): Schrumpfung im Ruhrgebiet – Wachstum im Saarland. S.147-161.

16 RAMPELTSHAMMER, L., KURTZ, H. P. (2011): Strukturwandel im Saarland Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten. S. 9.

17 HELL, A. (2018): Strukturwandel im Saarland: Diese Herausforderungen gilt es zu meistern. S. 1.

18 HAUCK, U., FORST, K. (2019): Was hat das Saarland nach dem Bergbauende bekommen?. S. 1.

19 RAMPELTSHAMMER, L., KURTZ, H. P. (2011): Strukturwandel im Saarland Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten. S. 37.

20 HELL, A. (2018): Strukturwandel im Saarland: Diese Herausforderungen gilt es zu meistern. S. 1.

21 LANDESHAUPTSTADT SAARBRÜCKEN (2018): Stat.Info. Daten Analysen Trends. S. 8.

22 WEHLING, H. G. (2002): Die Deutschen Länder. Geschichte, Politik, Wirtschaft. S.216.

23 FRENKEL, R. (1985): Das Saarland gehört zu den Regionen in der Bundesrepublik, die der wirtschaftliche Strukturwandel am härtesten trifft: Alle bauen auf den Staat. S. 1.

24 STAATSKANZLEI SAARLAND (2018): Zwischen Krise und Strukturwandel. Ein Bundesland erfindet sich neu. S. 1.

25 HELL, A. (2018): Strukturwandel im Saarland: Diese Herausforderungen gilt es zu meistern. S. 1.

26 KAUFMANN, S., BUDE, M. (2018): Finanzkrise 2008. S. 1.

27 HAUCK, U., FORST, K. (2019): Was hat das Saarland nach dem Bergbauende bekommen?. S. 1.

28 LANDESHAUPTSTADT SAARBRÜCKEN (2018): Stat.Info. Daten Analysen Trends. S. 8.

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Details

Title
Soziale und ökonomische Struktur der Stadt Saarbrücken
Subtitle
Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel
College
University of Göttingen  (Geographisches Institut)
Grade
1,7
Author
Year
2019
Pages
21
Catalog Number
V1119930
ISBN (eBook)
9783346485588
Language
German
Keywords
soziale, struktur, stadt, saarbrücken, gesellschaftlicher, wandel
Quote paper
Frederik Aulike (Author), 2019, Soziale und ökonomische Struktur der Stadt Saarbrücken, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1119930

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